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Wie gefährlich ist der Wolf?

Yolo-Team

In den letzten Monaten hörte man in den Medien fast wöchentlich von gerissenen Nutztieren durch den Wolf . Aber wie gefährlich ist der Wolf tatsächlich und müssen wir uns vor ihm fürchten? Diesen und anderen Fragen sind wir auf die Spur gegangen.

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Wölfe haben ursprünglich einen Großteil der nördlichen Länder besiedelt. In großen Teilen Europas, das einst gut bevölkert von Wölfen war, wurde er in den letzten 200 Jahren allerdings ausgerottet. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts nehmen die Wolfbestände allerdings wieder zu und das Verbreitungsgebiet des Wolfes in Europa vergrößert sich allmählich wieder. Die Gründe dafür liegen in einer veränderten Einstellung der Menschen dem Wolf gegenüber und den erfolgreichen Schutzbemühungen sowie einem besseren Naturschutzgesetz. Durch das Ansteigen der Wolfspopulation in den umliegenden Nachbarländern ist auch eine natürliche Rückkehr nach Österreich zu sehen. In Österreich leben derzeit 15 Wölfe und es werden mehr.

In den Jahren zwischen 2009 und 2015 wurden in Österreich jeweils zwei bis sieben Wölfe nachgewiesen. Diese Wölfe kommen aus den Karpaten (das ist eine Gebirgskette zwischen Tschechien und Rumänien), aus der Schweiz, aus Italien sowie aus dem slowenisch-kroatischen Raum zu uns und sind auf der Suche nach neuen Lebensräumen. Immer wieder waren aber auch Tiere dabei, die sich über einen längeren Zeitraum bei

Im Tierpark Herberstein können Wölfe beobachtet werden

uns niedergelassen haben, aber plötzlich wieder verschwunden sind. Das kann zum einen daran liegen, dass die Wölfe weitergewandert sind, aber auch illegal Jagd betrieben wurde. Seit Mai 2016 bemüht man sich um Wolfsnachwuchs in Österreich.

Steckbrief Wolf

Größe:

Schulterhöhe von ca. 60 bis 80 cm, KopfRumpflänge von bis zu 130 cm. Die Weibchen sind kleiner und leichter als die Rüden.

Fortpflanzung:

Gewöhnlich pflanzt sich nur das ranghöchste - das »Alpha-Paar« - fort. Die Paarungszeit (je nach Klimazone) fällt zwischen Dezember und April. Nach 61 bis 63 Tagen Tragzeit werden vier bis sechs Welpen in einer Höhle geboren und etwa acht Wochen gesäugt. Mit ein bis drei Jahren sind die Jungtiere geschlechtsreif.

Nahrung:

Wildtiere wie Reh, Rotwild oder Wildschein. In der Regel werden aber Jungtiere sowie alte und kranke Tiere erbeutet. Wölfe jagen aber auch landwirtschaftliche Nutztiere wie Schafe und Ziegen, und fressen bei Nah

Wie gefährlich ist der Wolf?

rungsmangel Abfall.

Lebenserwartung:

Frei lebende Wölfe können ein Alter von 10 bis 13 Jahren erreichen. In Gefangenschaft werden sie 16 bis 17 Jahre alt.

Wölfe in Österreich

Wolfsforschungszentrum in Ernstbrunn (Niederösterreich)

Frau Mag. Martha Moritz, die zoologische Assistentin im Tierpark Herberstein hat uns viele spannende Fragen zum Thema Wolf beantwortet: Stellen Sie sich bitte vor!

Ich heiße Martha Moritz und ich arbeite seit sechs Jahren im Tierpark. Ich bin Zoologin und habe lange nach einem passenden Platz für mich gesucht.

Tiergarten Schönbrunn (Wien)

Tierpark Herberstein (Steiermark)

Der wilde Berg Mautern (Steiermark)

Was sind Ihre Aufgaben im Tierpark Herberstein?

Angefangen habe ich als Zooschulmitarbeiterin. Ich habe alles gemacht was mit Besucherbetreuung zu tun hat. Wir bieten Führungen für Kindergartenkinder an und wir haben ein eigenes Programm für Schulkinder, Erwachsene und für Seniorengruppen. Wir haben auch kommentierte Fütterungen im Tierpark. Das macht teilweise die Zooschule. Meistens machen es aber die Tierpfleger, die ihre Tiere besonders gut kennen. Seit drei Jahren mache ich hier im Tierpark die stellvertretende Zoologische Leitung. Ich übernehme auch sehr viel in der Lehrlingsbetreuung. Dazu kommt auch noch die Abwicklung der ganzen Tiertransporte.

Mag. Martha Moritz beim Interview mit dem Yolo-Team

Wie viele Wölfe haben Sie hier?

Wir haben zurzeit acht Wölfe. Das sind drei Timberwölfe (zwei Weibchen und ein Männchen, wobei das Männchen schon unser Senior ist; der ist inzwischen 15 Jahre alt). Dann haben wir zwei Polarwölfe - ein Pärchen. Die sind beide auch nicht mehr die Jüngsten. Aber da wird es in wenigen Wochen Zuwachs geben. Wir bekommen von anderen Tierparks ein junges Polarwolfspärchen. Die dürfen dann in Zukunft bei uns auch für Nachwuchs sorgen. Und dann haben wir noch drei männliche Hudson-Bay Wölfe. Das ist ebenfalls eine Wolfsunterart, die eigentlich in Kanada lebt. Die drei Burschen sind Wurfbrüder und sind aus Amsterdam zu uns gekommen.

Was fressen die Wölfe in Herberstein?

Die drei Hudson Bay Wölfe im Tierpark Herberstein: Nayati, Sequoya und Anoki

fleisch. Das bekommen wir von einem Fleischhauer hier aus der Gegend. Da sind viele Knochen drin, das mögen besonders die jüngeren Wölfe gerne, da können sie ordentlich daran herumnagen. Aber unsere älteren Herrschaften, bei denen die Zähne schon nicht mehr ganz so gut sind, bekommen kleinere Fleischstücke serviert. Zusätzlich gibt es auch Ganzkörpertiere. Das sind Tiere, bei denen noch Fell dran ist. Das sind entweder Kaninchen, Ratten oder auch einmal Meerschweinchen. Es gibt auch Eintagsküken für die Wölfe zum Fressen. Das ganze Futter, das die Tiere bekommen, wird vorher getötet. Lebend füttern ist im Zoo generell verboten, weil es grausam wäre ein Beutetier in ein Gehege zu geben, in dem es nicht flüchten kann. Zusätzlich füttern wir unseren Wölfen z.B. Äpfel, da sie zudem ein gutes Spielzeug abgeben. Wenn man sie oben in das schiefe Gehege gibt, rollen sie runter und dann laufen die Wölfe nach.

Warum ist der Wolf ein geschütztes Tier?

Bei uns in Österreich ist der Wolf vor ungefähr 130 Jahren vom Menschen ausgerottet worden. Der Mensch hat angefangen viel mehr Nutztiere zu halten und wollte den Wolf als Feind nicht mehr haben. Es sind nur in unzugänglichen Gebieten die Wölfe erhalten geblieben. Teilweise in den Karpatengebieten, in Italien und Spanien haben sich einige Reste erhalten können. Irgendwann hat man gesehen, dass der Wolf zu unserer Fauna dazu gehört. Das heißt, man

Wie gefährlich ist der Wolf?

sollte ihn erhalten und man hat ihn seit 1979 mit der Berner Konvention unter Schutz gestellt, damit er sich in Ruhe im Bestand erholen kann. Es gibt schön langsam wieder mehr Wölfe und sie haben sich um das Jahr 2000 herum in Deutschland wieder angesiedelt. Die ersten Durchwanderer durch Österreich gibt es schon seit einigen Jahren. Das erste Wolfsrudel in Österreich ist seit zwei Jahren bekannt –da hat es den ersten Wolfsnachwuchs gegeben. Für die Steiermark gibt eskeine gesicherten Nachweise. Es werden allerdings von Jägern, Spaziergängern oder Wanderern immer wieder einzelne Wölfe gesichtet. Manche tappen auch in Fotofallen. Hin und wieder wird auch ein Tier auf Bahngeleisen oder auf der Straße gefunden. Es werden manchmal Tiere überfahren oder vom Zug getötet, weil sie damit nicht so gut umgehen können. Das sind vor allem junge, männliche Tiere, die aus ihrem elterlichen Rudel auswandern um sich selbst ein eigenes Revier zu erobern und dazu noch versuchen, die passende Dame zu finden, damit sie ein eigenes Rudel bilden können.

Wie gefährlich sind Wölfe für den Menschen?

Bei uns im Tierpark sind sie nicht gefährlich. Wölfe sind neugierig. Wenn ich in freier Wildbahn einem Wolf begegne, würde ich in einen lauten Jubelschrei ausbrechen. Aber erst dann wenn der Wolf weg ist. Aus dem einfachen Grund: die Wölfe haben super Sinne. Sie bemerken den Menschen viel früher, als der Mensch sie. Sie haben es in den Genen drinnen dass der Mensch gefährlich ist für sie. Die ziehen sich sofort zurück. Normalerweise suchen sie das Weite oder verstecken sich. Es kann sein, dass man vorbei geht und gar nicht sieht, dass einer da ist. Der Wolf hat ein super Tarnkleid. Das braune Fell, das die europäischen Wölfe haben, ist wirklich hervorragend. Wir haben auch Polarwölfe bei uns, die ein weißes Fell haben. Die sind ursprünglich auf den Inseln nördlich von Kanada zuhause, wo fast das ganze Jahr über Schnee liegt. Diese sind darauf nicht so leicht zu sehen.

Wie verhalte ich mich, wenn ich auf einen Wolf treffe?

Das einzige was man nicht tun darf, ist umdrehen und davonrennen. Das weckt den Jagdtrieb. Man sollte auch keinem Hund davon laufen, weil er dann vielleicht hinterher rennen könnte. Am besten ist es stehen zu bleiben und den Wolf laut ansprechen. Es kann nämlich auch sein, dass er einen gar nicht bemerkt hat, sondern vielleicht gerade in etwas vertieft war und bemerkt nicht, dass sich der Mensch nähert. Einfach auf sich aufmerksam machen, nicht auf ihn zugehen, sondern stehen bleiben. Sollte er näher kommen, anschreien. Das funktioniert normalerweise immer.

Wie könnte man Ihrer Meinung nach verhindern, dass der Wolf Nutztiere reißt?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das erste wäre einmal, dass man seine Tiere immer unter Aufsicht hat. Was heutzutage natürlich schwer ist. Früher war, wenn die Schafe, Rinder oder auch Ziegen draußen waren, immer auch ein Hirte dabei. Das gibt es heutzutage nicht mehr, weil nicht

mehr so viele Leute in der Landwirtschaft tätig sind. Hohe Elektrozäune sind eine super Möglichkeit Wölfe fernzuhalten, weil wenn der Wolf einmal an den Elektrozaun ankommt, dann merkt er, dass der »zurückbeißt«. Es kann natürlich sein, dass die Wölfe so schlau sind und irgendwie lernen über den Zaun zu springen oder unten durch zu graben. Man muss immer ein bisschen wettrüsten, was schafft der Wolf und was kann man da noch dagegen tun. Die beste und sicherste Methode um den Wolf vom Riss von Nutztieren abzuhalten sind sicher Herdenschutzhunde. Die gibt’s eigentlich in allen Ländern, in denen Wölfe verbreitet waren. Man bekommt Herdenschutzhunde aus der Türkei, aus den östlichen Länder sowie Rumänien, Bulgarien oder aber auch aus Spanien und Italien. Sie wachsen mit den Schafen auf. Die Welpen werden in der Herde geboren, sie sozialisieren sich komplett mit den Schafen. Für die ist das dann natürlich ihre Herde, ihr Rudel und die würden sie gegen alles beschützen, was versucht einzubrechen. Da hat ein Wolf normalerweise keine Chance. Was für den Wolf mit zu viel Aufwand verbunden ist, lässt er. Er sucht sich lieber leichtere Beute.

In der öffentlichen Diskussion hat man oft das Gefühl, dass alte Ängste wieder aufkommen. Ist das gerechtfertigt?

Es gibt keine gesicherten Nachweise dafür, dass ein gesunder Wolf einen Menschen angreift. Von meiner Seite aus würde ich sagen, das ist nicht gerechtfertigt. Die Angst vor dem Wolf müsste man eigentlich nicht haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr von diesem interessanten Interview gibt es in einer unserer nächsten RadioUnerhört-Sendungen - jeden zweiten Don

nerstag im Monat auf Radio Helsinki! 

Der Tierpark Herberstein-Besuch hat uns Freude bereitet!

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