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Der Innenhof vom Westend: zu Besuch in der Meiningenallee
Der Innenhof vom Westend
Zu Besuch in der Meiningenallee
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Ein Ausflug in den Westen der Stadt: Vom Kaiserdamm kommend lassen wir Verkehr und Trubel hinter uns und biegen am TheodorHeuss-Platz in die Reichsstraße ein. Das Stadtbild beruhigt sich, die Umgebung wird grüner. Willkommen im Westend.
Q U A R T I E R M A C H T G E M E I N S C H A F T
Das westliche Ende der Stadt, das sogenannte Westend, ist nicht nur in Berlin zu finden: In London ist das West End der überaus attraktionsreiche westliche Teil der Londoner Innenstadt. Ähnlich wie das Frankfurter Westend angelegt und durch eine gemischte Bebauung geprägt, ist das Berliner Westend ursprünglich als reine Villenkolonie geplant worden und verbreitet heute mit den typischen Berliner Mietshäusern städtisches Ambiente. Zentrum und Einkaufsmeile vom Westend ist die Reichsstraße zwischen Theodor-Heuss-Platz und Steubenplatz in Neu-Westend.
Ihren Namen trägt die Reichsstraße seit dem 8. Dezember 1906, vorher war sie die Straße 7a des Bebauungsplans Westend. Die Bezeichnung nimmt Bezug auf das deutsche Kaiserreich, das am 18. Januar 1871 als konstitutioneller monarchischer Bundesstaat gegründet wurde. Viele der Straßen in dieser Gegend heißen nach den Bundesstaaten des Kaiserreiches. Das Herzogtum Sachsen-Meiningen war der Bundesstaat, nach dem die Meiningenallee am 13. April 1909 benannt wurde.
Ein Quartier im Grünen
Die Adressen Reichsstraße 35–38 sowie Meiningenallee 1–17 ergeben das Quartier im Westend, das sich im Portfolio von Becker & Kries befindet. Erbaut im Jahr 1929, befinden sich hier auf einer Gesamtfläche von rund 19.500 m² mehr als 150 Wohneinheiten, davon misst die kleinste Einheit 26 m², die größte 195 m². In diesem gemischten Quartier befinden sich auch Gewerbeeinheiten, darunter ein Bäcker, eine Apotheke, ein Fahrradladen, ein Blumenladen und ein Kosmetikstudio. Gleich gegenüber befindet sich der Brixplatz mit dem Brixpark. Angelegt kurz nach dem Ersten Weltkrieg, bildet dieser tief eingeschnittene Park die Geologie und Vegetation der Mark Brandenburg nach und bietet Ruhe und Erholung mitten im Trubel der Stadt.
Becker & Kries erwarb das Ensemble im Jahr 1985, der ehemalige Flachbau mit Reisebüro und Fahrschule wurde durch einen Neubau ersetzt. Die gepflegte Bestandsimmobilie des Quartiers mit ihren großzügig geschnittenen und hochwertig ausgestatteten Wohnungen und Gemeinschaftsflächen fügt sich harmonisch in das Stadtbild ein und lädt zum gediegenen Wohnen ein. Deutlich ist der Bezug zur Architektur des Bauhauses und der Neuen Sachlichkeit. Architekten wie Mendelsohn oder die Brüder Hans und Wassili Luckhardt bauten hier in unmittelbarer Umgebung Ende der 1920er Jahre Villen, die heute als Teil der Bauhausarchitektur unter Denkmalschutz stehen.
Familie Thoma
Prominente Bewohner
Der Schauspieler Theo Lingen wohnte in seiner Berliner Zeit in der Meiningenallee 5. Theo Lingen spielte 1929 in Frankfurt am Main den Herrn Macheath in der zweiten Inszenierung von Brechts „Die Dreigroschenoper“, als er ein Engagement in Berlin angeboten bekam und diese Rolle in der noch immer mit großem Erfolg laufenden Urinszenierung übernahm. Bekanntheit erlangte er ebenfalls durch sein Mitwirken in Filmen des deutschen Regisseurs Fritz Lang; das breite Publikum erinnert sich aber vor allem an ihn als Filmkomiker: In der Komödien-Reihe „Die Lümmel von der ersten Bank“ spielte er in den 1960er Jahren den gebeutelten Oberstudiendirektor Dr. Gottlieb Taft.
Neben Theo Lingen bot die Meiningenallee auch dem Widerstandskämpfer Friedrich Weißler eine Heimat. Und nicht nur das: Zu Beginn des Luftkriegs verboten die Nazis den Juden generell das Betreten der Luftschutzkeller – ein Verbot, das der Luftschutzwart der Meiningenallee 7 im Einverständnis mit den anderen Mietern mutig ignorierte. Dies ist eine Erinnerung, die den Zusammenhalt im Quartier in damaliger Zeit dokumentiert.
Die Gegenwart
Wie fühlt sich das Leben im Quartier heute an? Die Sonne begrüßt uns am Morgen um 10.00 Uhr – genauso wie Herr Csoboth, der Hausmeister, der uns auf der ruhigen Meiningenallee empfängt, um uns durch das Quartier zu führen. Im ersten Hof zwitschern die Vögel, ein Apfelbaum steht im Schatten etwas abseits auf einer kleinen Wiese. Die Stimmung ist entspannt, wir treffen bei unserem Spaziergang immer wieder auf nette Mieterinnen und Mieter, junge Familien, Väter mit Kindern oder eine Nachbarin, die uns mit Stolz ihren begrünten Balkon präsentiert. Im zweiten Hof treffen wir im angelegten Rosen-Rondell Anna-Maria Hesse und ihre Nachbarin Marianne Thoma. Frau Hesse ist treue Mieterin, die seit Jahrzehnten hier wohnt und auch schon mehrmals innerhalb des Quartiers umgezogen ist – immer „mit Überzeugung und Freude“, wie sie uns versichert. Schon ihr Vater war hier Mieter. Er leitete 40 Jahre lang die Apotheke, die ebenfalls zum Quartier gehört, die von Frau Hesse jedoch vor zehn Jahren verkauft wurde. Sie erzählt uns vom Zusammenhalt und von der Lebensqualität im Quartier. Man kennt sich, duzt sich und unterstützt sich, wo es nur geht. Zum Beispiel kämpfte Frau Hesse vor einigen Jahren darum, dass der umgesetzte Briefkasten wieder an seinen Ursprungsplatz zurückkehrt – sie bekam ihren Willen und die volle Dankbarkeit aller Nachbarn.
Eine weitere Mieterin treffen wir auf ihrem Weg zum Bäcker. Sie wohnt ebenfalls seit 21 Jahren im Quartier. Mit ihrem Mann bewohnt sie 180 m², die Kinder sind längst aus dem Haus. Frau Matthes-Görlitz fühlt sich wohl im Quartier, auch sie schwärmt von den Vorteilen und ihrer schönen Wohnung. Sie gewährt uns einen traumhaften Blick von ihrem sonnigen Balkon, auf dem sich nicht nur der Zitronenbaum zu Hause fühlt. Als unser Blick von dort oben in die Ferne schweift, hinweg über die Rosen und den gepflegten angelegten Hof, bekommen wir eine leise Ahnung, was es heißt, Mieter im wunderbaren Quartier
an der Reichsstraße im Westend zu sein.
Anna-Maria Hesse, seit 53 Jahren Mieterin im Quartier