bergwärts Ausgabe 3-2022

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 Dolomiten

Segen und Fluch Interview mit Hugo Reider, Dreizinnenhütte

Wie sind Sie Hüttenwirt geworden? Das wurde mir in die Wiege gelegt, da ich mehr oder weniger auf der Hütte aufgewachsen bin. Die Hütte, ihre Umgebung und auch die Berge rundherum sind mein Zuhause! Wie lange sind Sie schon Hüttenwirt? Zu meiner Zeit haben die Kinder in den elterlichen Betrieben mitgeholfen und später auch mitgearbeitet. Ich stand schon mit fünf Jahren hinter der Theke und habe Postkarten verkauft. Mein Vater hat die Hütte 1949 übernommen. Ich bin 1953 geboren und mit zwei Jahren war ich schon auf der Hütte, dann jeden Sommer, während der Schulferien, während des Studiums und nach dem Abschluss. Was erfüllt Sie an dieser Arbeit? Die Motivation ändert sich mit der Zeit. Früher hat mich die Arbeit wirklich gefreut, das Leben so nah an der Natur, auch die Herausforderungen, der Umgang mit den Menschen aus aller Welt. Als die Zeit noch ein Element war, das wir selbst beherrschten, entwickelten sich viele Bekanntschaften zu echten Freundschaften. Die Menschen haben sich aber verändert, so wie die gesamte Gesellschaft, ja, die ganze Welt. Die Schnelllebigkeit, diese drängende Eile, die ewige Hetze und die allgemeine Unzufriedenheit haben sich teilweise auch in die Berge übertragen. Vielleicht ist es nur noch ein Festhalten an der Tradition? Aber auch wenn es mit großem Aufwand und enormem Einsatz verbunden ist, freut man sich jedes Jahr wieder, wenn die Hüttensaison losgeht. Was machen Sie von Oktober bis Mitte Juni, wenn die Hütte zu hat? Als studierter Rechtsanwalt bin ich jetzt Rentner, ansonsten Landwirt. Vorher hatte ich meine eigene Rechtsanwaltskanzlei, was wegen der sommerlichen Gerichtsferien gut ging. Ich bin auch staatlich geprüfter Skilehrer und Wanderführer. Es ist eine Frage der Zeiteinteilung, wie man alles unter einen Hut bringt.

Hugo Reider mit Tochter Jelena / Foto: privat

Die Hütte beschäftigt einen aber das ganze Jahr über. Allein, um die mehr als 10.000 Anfragen per E-Mail zu beantworten, braucht man mehr als zwei Monate. Wenn Sie für jede Mail zwei Minuten rechnen, bis sie geöffnet, gelesen, nach der Kontrolle der Verfügbarkeit eingetragen und beantwortet ist, sind das circa 350 Stunden, bei einem Sechs-Stunden-Tag eben zwei Monate ohne freie Tage. Für die Vorbereitung der Hütteneröffnung sind wir immer einen Monat früher da. Wir müssen erst den Zufahrtsweg vom Schnee frei baggern, damit wir zur Hütte kommen. Danach muss alles wieder instandgesetzt werden, von der Wasserversorgung bis zu den Motoren und einzelnen Maschinen, die im Herbst auseinander gebaut wurden, um dem winterlichen Frost zu trotzen. Wie haben sich die Besucher in den Jahren, seit Sie hier sind, verändert? Das Dreizinnen-Gebiet war schon immer sehr rege besucht. Wir waren früher eine Hütte der Kletterer, noch bevor es die Klettersteige gab. Dann kamen die Wanderer. Während es in

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