Daniil Charms: Seltsame Seiten

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Daniil Charms

Seltsame Seiten Ausgew辰hlte Gedichte und Geschichten f端r Kinder Herausgegeben von Vladimir Glozer

Illustriert von Vitali Konstantinov Aus dem Russischen von Alexander Nitzberg und Andreas Tretner

Bloomsbury Kinderb端cher & Jugendb端cher


Inhalt Vorwort: »Noch mehr! Noch mehr! Noch mehr!«  7 Welch seltsame Seiten!  9 Die verblüffende Katze  10 Der lustige Alte  10 Das Bötchen  12 Wie sich Mascha vom Esel in die Stadt ziehen ließ  13 Ra-ta, ra-ta, ra-ta-ta  14 Katzentiere  15 Hieronymus Dümpel  16 Lange braucht ein Zirkuspferd  18 Fuchs und Hase  19 Zu welchem Zweck?  21 Die sieben Katzen  22 Herr Johann Friedrich Samowar  25 Der Hund Bububu  29 Die nette Ente  32 Kolpakow, der Maulheld  33 Steht ein grüner Käfig  34 Wie Papa mir einmal ein Frettchen schoss  35 Hase und Igel  38 Der Schnickschnack  42 Ein Tiger auf dem Hof  46 Der tapfere Igel  47 Sieben Gemälde  48 Am Himmel fliegen Luftballons  50 Erstens und zweitens  51 Eine Million  58 Eine fürchterliche Geschichte  62 5


Welch seltsame Seiten!

Wie seltsam entgleiten hier seltsame VÜgel! Und da! So seltsame Leute und seltsame Palmen, die seltsamsten, die ich sah. Am Himmel gesellt sich zur seltsamen Sonne ein seltsamer Mond. Aber wir betrachten die Seiten und lächeln besonnen: Es ist eine Welt aus Papier.


Die verblüffende Katze

Die Katze, die hat sich verletzt an der Pfote, sie kann nicht mehr laufen, es fällt ihr so schwer. Wir wollen ihr helfen, wir heilen die Pfote: Man hole uns rasch ein paar Luftballons her! Schon sammelt sich staunend das Volk auf der Straße, bewundert die Katze und jubelt und ruft: Die Katze, die schlendert zum Teil durch die Straße, zum Teil aber schwebt sie graziös in der Luft!

Der lustige Alte

War einmal ein alter Mann, nicht sehr hochgewachsen, dieser kleine alte Mann machte gerne Faxen: »Ha-ha-ha und he-he-he, hi-hi-hi und bumm-bumm! Bu-bu-bu und be-be-be, ding-ding-ding und drumm-drumm!«

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Als er eine Spinne sah, war das nicht zum Lachen, doch der Alte wollte da lieber Faxen machen: »Hi-hi-hi und ha-ha-ha, ho-ho-ho und gul-gul! Gi-gi-gi und ga-ga-ga, go-go-go und bul-bul!«

Eine Grille konnte leicht seinen Zorn entfachen, doch der Alte mußte gleich wieder Faxen machen: »Gü-gü-gü und ger-ger-ger, go-go-go und bach-bach! Nein, ihr Kinder, kann nicht mehr! Ach, ihr Kinder, ach, ach!«

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Das Bötchen

Fährt ein kleines Segelbötchen aus der Ferne auf der Flut, auf dem Bötchen vier Matrosen – zeigen alle großen Mut: Spitz und pfiffig ihre Fratzen, ihre Schwänze ganz schön lang. Nur vor Katern und vor Katzen ist der Mannschaft etwas bang.


Wie sich Mascha vom Esel in die Stadt ziehen ließ

Seht, da zieht ein Esel einen Karren, und in dem Karren sitzt Mascha. Die Sonne scheint. Äpfel reifen an den Bäumen. Plötzlich bleibt der Esel stehen. »Ich bitte dich«, sagt Mascha zu dem Esel, »bring mich in die Stadt.« Aber der Esel wedelt bloß mit dem Schwanz und steht, wo er steht. Mascha zeigt dem Esel die Peitsche und sagt: »Da schau, was ich hier habe!« Aber der Esel wackelt bloß mit den Ohren und steht, wo er steht. Da spannt Mascha den Esel aus dem Wagen. Und spannt ihn sogleich wieder ein, nur diesmal mit dem Schwanz nach vorn. Als Nächstes holt Mascha eine Schere hervor und schneidet dem Esel ein Stück von seiner Mähne ab, was der Esel mit Verwunderung bemerkt. Mascha steigt zurück in den Karren, bastelt sich aus den Eselhaaren Schnurr- und Kinnbart, klebt sich beides ins Gesicht. Der Esel bekommt Stielaugen und beginnt vor Schreck rückwärts zu laufen. Der Esel läuft rückwärts und zieht den Karren hinter sich her. Und so gelangt Mascha wohlbehalten in die Stadt.


Ra-ta, ra-ta, ra-ta-ta

Ra-ta, ra-ta, ra-ta-ta – öffnet sich ein Törchen da. Aus dem Törchen, aus dem Tor kommt ein kleines Volk hervor. Dieser Onkel, der ist so. Und der zweite, der ist so. Und der dritte, der ist so. Und der vierte, der ist so. Und die Tante, die ist anders. Und die zweite noch ganz anders. Und die dritte wieder anders. Und die vierte ganz, ganz anders. Und die Onkel stehn im Kreis. Und die Tanten stehn im Kreis. Und die Onkel tanzen auf. Und die Tanten tanzen auf. Bis die Onkel müde sind, bis die Tanten müde sind.


Katzentiere

Als ich nach Haus spaziere, seh ich am Straßenrand auf einmal Katzentiere – die sitzen abgewandt. Da ruf ich: »Katzentiere! Was sitzt ihr wie gebannt? Kommt mit mir! Ich spendiere euch heute allerhand! Kommt mit mir, Katzentiere! Ich koch für euch im Nu aus Zwiebeln und aus Niere ein köstliches Ragout.« »Nein«, sagen Katzentiere und bleiben abgewandt und ohne viel Geziere zurück am Straßenrand.


Hieronymus Dümpel

Es wollte einst jagen Hieronymus Dümpel, und über den Zaun sprang sein Pudel in Eil. Hieronymus fiel wie ein Klotz in den Tümpel, sein Pudel ging unter im Fluß wie ein Beil. Es wollte einst jagen Hieronymus Dümpel, da hüpfte sein Pudel und sprang wie ein Beil. Hieronymus fiel wie ein Klotz auf den Tümpel, im Fluß übern Zaun ging sein Pudel in Eil. Es wollte einst jagen Hieronymus Dümpel, im Fluß auf den Zaun fiel sein Pudel in Eil. Hieronymus sprang wie ein Klotz übern Tümpel, sein Pudel, der hüpfte und ging unters Beil.

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Lange braucht ein Zirkuspferd

Lange braucht ein Zirkuspferd, bis es so ein Kunstst端ck kann. Aber unser kleines Pferd kann das schon von Anfang an!


Fuchs und Hase

Es waren einmal zwei Freunde: Hase Graublum und Rotlunt, der Fuchs. Die hatten sich jeder ein Haus gebaut und besuchten einander immerzu. Kam der Fuchs einmal nicht, lief der Hase sogleich zu ihm und rief: »Was ist los, Rotlunt?« Und blieb der Hase einmal aus, kam der Fuchs zum Hasen gerannt und rief: »Graublum? Ist was mit dir?« Graublum, über Stein und Stoppeln, sieht man flugs zum Fuchsbau hoppeln. »Freund! Lass ein mich!« – poch, poch, poch … Doch da ruft’s: »Wer klopft da noch? Weißt du nicht, wie spät es ist? Geh nach Hause, Terrorist!«


Denkt der Hase: Keine Bange! Was du kannst, kann ich schon lange! … Rotlunt, über Ritz und Rille, kommt geschnürt zur Hasenvilla. »Freund! Lass ein mich!« – poch, poch, poch, klopft das Füchslein fröhlich – doch: »Rotlunt! Bist du nicht gescheit? Ich schlafe noch! Du kommst zu zeitig!« Dicke Freunde warn die beiden! Konnten sich nun nicht mehr leiden.


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