Martina Wildner
CORA UND FRED Ein Zwilling kommt selten allein
Bloomsbury Kinderb端cher und Jugendb端cher
INHALT 1 Cora: Fred möchte Chamäleonzüchter werden 9 Fred: Cora ist manchmal etwas ungeschickt 11 Cora: Wenn Fred was wurmt 15
2 Cora: Jette und Sebastian können alles 19 Fred: Cora kann schweigen 21
3 Fred: Neben Cora kann man nicht schlafen 25 Cora: Fred denkt angestrengt nach 27 Fred: Es gibt verschiedene Messmethoden 30 Produktgruppe aus vorbildlich bewirtschafteten Wäldern und anderen kontrollierten Herkünften
Zert.-Nr.GFA-COC-001278 www.fsc.org
© 1996 Forest Stewardship Council
© 2010 BV Berlin Verlag GmbH, Berlin | Bloomsbury Kinder
4 Cora: Fred kreischt beinahe 34 Fred: Manchmal hat Cora recht 37
bücher & Jugendbücher | Alle Rechte vorbehalten | Umschlag gestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg | Typografie und Gestaltung: Renate Stefan, Berlin | Gesetzt aus der Stempel Garamond und Frankie durch psb, Berlin | Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm | Printed in Germany | ISBN 978-3-8270-5380-0 | www.berlinverlage.de
5 Cora: Bei Fred sind drei Minuten länger als drei Minuten 40 Fred: Zwei Minuten sind genug (dacht ich’s mir doch!) 42
6 Cora: Fred will Geld 46 Fred: John steckt fest 48 Cora: Manche Jobs sind einfach nichts 51
Cora: Ein bisschen Schummeln merkt doch keiner 87 Fred: Der menschliche Körper ist selten perfekt 89
12 7 Fred: Mama sorgt sich 54 Cora: Fred ist nicht die Polizei 56
Fred: Cora ist zu schnell 92 Cora: Fred weiß nicht, was gleichzeitig ist 94
13 8 Cora: Fred verwandelt sich in ein Monster 60 Fred: Cora verwandelt sich in eine Zicke 63 Cora: Fred ist ein echter Freund (aber nicht meiner) 65
Fred: Schwarz ist auch keine Farbe 98 Cora: Man kann alles auch ganz anders machen 101 Fred: Natürlich kann man eine Fata Morgana malen 103
14 9 Fred: Klar, Jungen zählen doppelt 68 Cora: Manchmal gibt es wirklich keine andere Lösung 71 Fred: Cora sucht das Wundermittel 73
10 Fred: Cora möchte nicht viereinhalb Kinder einladen 77 Cora: Freds Gäste machen Probleme 80
Fred: Cora kann keine Babys halten 107 Cora: Fred ist nicht Gott 109
15 Cora: Fred stolpert 112 Fred: Cora, die alte Spielverderberin 113 Cora: Fred macht Geschäfte 117 Fred: Nicht alle auf der Welt sind glücklich, und schon gar nicht an Heiligabend 119
16 11 Cora: Manche Mutproben haben nichts mit Mut zu tun 83 Fred: Von Putzfrauen geht eine große Gefahr aus 85
Cora: Fast alles wird geklaut 123 Fred: Cora redet zu viel 125
17 Fred: Silvester ohne Kracher ist langweilig 129 Cora: Freds Ausreden sind nicht besonders durch dacht 131
1 Cora: Fred möchte Chamäleonzüchter werden Neulich waren wir im Tierpark. Wir, das sind Mama, Papa, Fred und ich. Ich wollte lieber in den Zoo, auch Papa wollte lieber dorthin, aber Fred und Mama wollten in den Tierpark. Wir haben richtig gestritten. Wer das jetzt gelesen hat, denkt sich vielleicht: Was ist das für eine alberne Familie, die sich streitet, ob man in den Zoo oder in den Tierpark geht, wo das doch nur verschiedene Wörter für ein und dieselbe Sache sind. Wer das aber denkt, irrt sich. In unserer Stadt gibt es einen Zoo und einen Tierpark, so wie es in meiner Familie Fred und mich gibt. Fred und ich sind Zwillinge, zweieiige, muss dazugesagt werden. Das macht die Sache um einiges unlustiger. Im Grunde sind wir nichts anderes als Geschwister, und Ge schwister streiten dauernd. Weil Fred dran war mit Bestimmen, sind wir schließlich in den Tierpark. Es war nur mittelspaßig, denn es regnete die ganze Zeit. Alle Tiere waren schlecht gelaunt und versteckten sich. Auch wir hatten 9
schlechte Laune, vor allem Fred. »Doofer Regen. Man sieht ja gar keine Tiere. Ich will nach Hause«, sagte er. »Du jammerst ja schlimmer als ein Mädchen«, ant wortete Papa. »Mir macht der Regen nichts aus«, sagte ich. »Wir können ja zu den Reptilien gehen«, schlug Mama vor. Und so betrachteten wir anderthalb Stunden lang Reptilien. Also Krokodile, Schlangen, Leguane, Frö sche, Warane, Salamander und Chamäleons. Die ge fielen Fred ganz besonders. Auf dem Nachhauseweg sagte er: »Ich möchte Chamäleonzüchter werden.« »Bloß keine Haustiere«, sagte Mama nur. »Wieso?«, fragte Papa. »Reptilien machen doch in der Regel kaum Dreck. Also, ich kannte mal einen, der hatte zwei Schlangen …« »Nicht schon wieder diese Schlangengeschichte«, unterbrach ihn Mama. »Chamäleons sind sehr bescheidene Tiere«, sagte Fred. »Sie sind auch sehr still. Oder hast du schon mal ein Chamäleon zwitschern hören, Mama?« »Nein. Natürlich nicht.« »Sie nagen auch keine Kabel an wie Kaninchen.« »Gewiss nicht.« »Sie fressen lästige Insekten.« »Das ist mit Sicherheit eine gute Eigenschaft«, be stätigte Mama. »Sie sind also ideale Haustiere«, schloss Fred. »Nein.« »Warum nicht?«
»Du kennst meine Ansicht. Ich muss einen Mann und zwei Kinder versorgen und brauche kein Cha mäleon.« »Das stimmt doch gar nicht. Nicht du versorgst mich«, sagte Papa, »sondern ich versorge dich.« »Das ist ja wohl die Höhe!« Mama fuhr im Auto sitz auf und stieß fast mit dem Kopf an die Decke.
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Fred kam von da an jeden Tag mit seinem Wunsch. Nach drei Wochen, vier Tagen und sechzehn Stunden gab Mama auf. »Also gut«, sagte sie. »Ich habe mich informiert. Ein Chamäleon ist nichts für Anfänger. Du bekommst eine Eidechse.« »Aber …« »Nichts aber. Entweder eine Eidechse oder gar kein Tier.« »Und was bekomme ich?«, fragte ich. »Natürlich auch eine Eidechse.« Ich schwieg. Es war das alte Lied. Nur weil wir Zwillinge sind, bekommen wir immer dasselbe. »Aber …«, begann ich. »Ssssst!«, zischte Fred. »Sonst kriegen wir gar nichts.« Und so haben wir jetzt zwei Eidechsen. Sie sind Geschwister wie wir und machen wirklich wenig Dreck. Fred: Cora ist manchmal etwas ungeschickt Die Eidechsen bekamen ein Terrarium auf dem Bal kon. Wir nannten sie Aroc und Derf. Ich habe die
Namen Cora und Fred einfach umgedreht. Derf und Aroc, das klingt richtig gut, fast wie Namen von Aliens. Cora findet die Namen nur halbgut, aber Aroc immer noch besser als Derf. Klar, weil sie Cora heißt. Ehrlich gesagt, klingt Aroc wirklich besser als Derf. Das erzähle ich Cora aber nicht. Die Eidechsen lebten eine ganze Weile glücklich und zufrieden vor sich hin. Wir wussten zwar nie, welche Aroc und welche Derf war, aber das war egal, schließlich waren ja immer beide da. Eines Tages jedoch fehlte eine. Ich bemerkte es zu erst. »Papa, eine Eidechse ist verschwunden«, sagte ich.
»Bist du sicher?«, fragte Papa. »Ich sehe nur eine.« »Die andere versteckt sich bestimmt.« »Ich guck aber schon eine halbe Stunde, und ich sehe immer nur eine.« Auch Papa beugte sich über das Terrarium. Und auch er sah bloß eine. Wir starrten noch eine ganze Weile hinein, aber die Situation änderte sich nicht. Da war nur eine Eidechse. Dann rief Mama zum Abend essen. »Eine Eidechse ist weg«, sagte ich. Cora runzelte die Stirn. »Welche?« Gute Frage. Ich wusste es nicht. Trotzdem sagte ich: »Ich glaube, Aroc.« »Tatsächlich?« »Ja.« »Woher weißt du, dass Aroc fehlt? Ich jedenfalls kann sie nicht unterscheiden«, sagte Mama, die irgendwie erleichtert zu sein schien, eine Eidechse los zu sein. »Nein, das kann nicht sein«, sagte Cora. »Aroc läuft nicht weg.« Sie sprang auf und rannte auf den Balkon. Ich hinterher. Wir betrachteten die Eidechse. »Das ist Aroc«, sagte sie. »Nein, das ist Derf«, sagte ich. Ehrlich gesagt, be hauptete ich das einfach. »Nein, Aroc.« »Nein, Derf.« »Hört doch auf zu streiten. Wir sollten uns lieber fragen, wie Aroc entwischen konnte«, sagte Papa.
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»Siehst du, Papa sagt auch, dass Aroc weg ist.« »Woher weißt du, dass er entwischt ist?«, fragte Cora. »Vielleicht hat ihn ja jemand geklaut.« »Wer denn?« »Na, der Jens. Der findet doch, dass Tiere in Frei heit leben sollten.« Das stimmt. Jens kann man so etwas zutrauen. Er wohnt bei uns im Haus und isst weder Fleisch noch Fisch. Und er kann auf unseren Balkon klettern. Das hat er schon mal gemacht, um uns an Halloween zu erschrecken. »Blödsinn«, sagte Papa. »Da hat halt mal jemand den Deckel nicht richtig zugemacht. Ingrid zum Bei spiel.« »Ich?«, fuhr Mama auf. »Ja, du magst doch keine Haustiere.« »Ich hab euch die Viecher immerhin gekauft«, ver teidigte sich Mama. Und schon war der schönste Streit im Gang. Als wir im Bett lagen, konnte ich nicht einschlafen. Plötzlich hörte ich Cora schluchzen. Sie heult immer ziemlich eklig, mit viel Rotz und Zuckungen. Das nervt, vor allem, wenn man zusammen auf einer Ma tratze liegt. Die Matratze wackelt dann richtig. »Fred«, schniefte Cora schließlich und stupste mich an. Ich rollte mich ein Stück zur Seite, damit sie mei ne Decke nicht verrotzen konnte. »Ich muss dir was sagen«, flüsterte Cora unter Schluchzern. »Es ist meine Schuld, dass Aroc weg ist. Ich hab ihn rausgeholt, weil ich mit ihm spielen wollte. Da ist er entwischt.«
Ich sagte gar nichts. Irgendwie hatte ich mir das schon gedacht. »War es wirklich Aroc?«, fragte ich. »Ja.« »Nicht Derf?« »Nein, Aroc.« »Dann können wir ja Derf Aroc nennen«, schlug ich vor. »Wieso denn das?«, fragte Cora. »Weil … na, eben so halt.« Am nächsten Tag nannten wir Derf Aroc, einfach weil Aroc besser klingt.
Cora: Wenn Fred was wurmt Fred ertrug es nur einen halben Tag lang, dass nun beide Eidechsen Aroc hießen. Er fühlte sich unter repräsentiert, falls ihr versteht, was ich meine. »Es muss wieder eine Derf heißen«, sagte er. »Aber welche ist Aroc und welche ist Derf? Weißt du das?« »Nein, so genau nicht«, gab er zu. »Aber wir könnten sie ja abwechselnd einen Tag Aroc und einen Tag Derf nennen.« »Bist du verrückt? Das bringt die armen Eidechsen doch ganz durcheinander. Stell du dir vor, du würdest einen Tag Fred und den anderen Cora heißen!« »Uns kann man ja auch unterscheiden!«
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Nach zwei Tagen tauchte Aroc wieder auf. Er hatte sich in einem leeren Blumentopf versteckt. So hatten wir plötzlich zwei Arocs.
Wir holten Aroc und Derf heraus und suchten nach Unterschieden. Wir fanden keine. »Es wäre einfach das Beste, wir würden sie einen Tag Aroc und den anderen Derf nennen«, beharrte Fred. »Eidechsen verwirrt das nämlich gar nicht, denn sie sind so gut wie taub.« »Dann brauchen sie gar keine Namen, denn einen Namen hat man nur, damit man gerufen werden kann.« »Kein Name geht gar nicht«, widersprach Fred. »Wir könnten sie doch einfach wieder Aroc und Derf nennen. Wie vorher.« Das fand ich aber nun wieder blöd. Schließlich war Fred selber schuld an der ganzen Sache. Er hatte Derf ja Aroc genannt. Da fiel mir etwas ein. »Weißt du was? Wir nennen eine Eidechse Aroc-Derf und die andere Derf-Aroc.« Das fand Fred akzeptabel, obwohl es ihn immer noch wurmte, dass man die beiden Tiere nicht unter scheiden konnte. Wenn Fred etwas wurmt, dann ist
das immer gefährlich, denn er kommt dann auf Schnapsideen. Das war auch dieses Mal der Fall. Eines Tages, kurz vor dem Abendessen, stand Mama auf dem Balkon und goss die Blumen. Plötz lich schrie sie spitz auf. Sie beugte sich über das Ter rarium und kreischte: »Das gibt’s doch nicht!« Dann kam sie in die Küche gerannt und sah von mir zu Fred und von Fred zu mir. »Wer war das?« »Was?«, fragten wir beide im Chor. Sie packte Fred am Handgelenk, weil sie offenbar schon ahnte, dass Fred der Täter war, und zerrte ihn auf den Balkon. »Was hast du dir dabei gedacht?« Ich war den beiden gefolgt und sah die Bescherung sofort. Eine der beiden Eidechsen trug um den Bauch einen goldenen Ring mit einem kleinen roten Stein. »Jetzt können wir sie unterscheiden«, sagte Fred nicht ohne Stolz. »Die Eidechse mit Ring ist ArocDerf und die ohne ist Derf-Aroc.« »Bist du verrückt?«, rief Mama. »Das ist mein Ehe ring!« »Du trägst ihn ja nicht«, antwortete Fred. »Aber nur zurzeit.« »Außerdem ist das Tierquälerei«, fügte ich hinzu, obwohl ich auch schon an ein Halsband oder so etwas gedacht hatte. Fred schwieg und starrte trotzig ins Terrarium. »Du machst den Ring sofort wieder ab«, befahl Mama. »Aber …« »Nichts aber. Das ist mein Ring.«
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Fred schluckte, dann hob er den Deckel des Ter rariums und wollte die Eidechse herausholen. Doch sie ließ sich nicht fangen. »Ihr müsst weg hier«, brummte Fred und meinte Mama und mich. »ArocDerf hat Angst vor zu vielen Menschen.« Mama und ich trollten uns. Fred hockte zwei Stun den auf dem Balkon. Er konnte zwar die Eidechse fangen, doch den Ring bekam er nicht ab.
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2 Cora: Jette und Sebastian können alles Die ganze Welt ist voller Zwillinge. Mama sagt, es wären viel mehr als früher, und auch Papa sagt das. Vielleicht kommt es uns aber nur so vor, weil wir sel ber welche sind. Und vielleicht kennen wir auch nur so viele, weil Mama in eine Zwillingsselbsthilfegruppe geht. Ich weiß nicht. »Ach, übrigens«, sagte Mama, als wir neulich vom Hort nach Hause kamen, »heute kommt Christine.« Fred und ich sahen uns entsetzt an. »Schon wie der!«, sagte Fred. »Die war doch erst vor einem Monat da«, sagte ich. »Wir haben eigentlich total viele Hausaufgaben und gar keine Zeit«, sagte Fred. Das war natürlich ge logen. »Wieso macht ihr die nicht im Hort?«, fragte Mama. Sie schaltete die Kaffeemaschine an und schnitt den Kuchen. »Es waren zu viele«, log nun ich. Im Ernstfall muss man lügen, und dies war ein Ernstfall, denn das Schlimme an Christine ist nicht Christine, obwohl die auch sehr schlimm ist, sondern Jette und Sebastian. Jette und Sebastian sind wie wir acht Jahre alt und 19