Toujours présent
Muhammad Ali «Vom Vom Trickser zum Rebell Rebell» «Gott holte sich seinen Champion»
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Muhammad Ali
Inhalt Kindheit................................................................................................................................. 3 Karriere ................................................................................................................................. 4 Vom Bilderstürmer zum Kultbild ......................................................................................... 6 Trickser und Rebell .............................................................................................................. 6 Der Boxring als Bühne ......................................................................................................... 7 Er war der Grösste ............................................................................................................... 8 Wir Ahnungslosen ................................................................................................................ 9 Ein Problem mit Vietnam.................................................................................................. 10 Der Tag, an dem Cassius Clay zu Muhammad Ali wurde........................................... 10 Gott holte sich seinen Champion................................................................................... 12 Späte Sternstunde............................................................................................................. 12 Zahlen und Fakten ............................................................................................................ 13 Ein Leben in Zahlen ....................................................................................................... 13 Erfolge ............................................................................................................................. 13
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Muhammad Ali
Kindheit
Am 17. Januar 1942 ist Cassius Clay Jr. geboren. Er hat einen jüngeren Bruder und ist in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen
«The man who was no imagination has no wings» Mit 12 Jahren beginnt Cassius mit dem Boxtraining aus Wut über den Diebstahl seines Fahrrades. Mit 16 verlässt er die Schule mit schlechten Noten und konzentriert sich auf das Boxen
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Muhammad Ali
Karriere
«If your dreams don’t scare you, they aren’t big«I am the greatest, I knew enough» Nach seinem Kampf mit Sonny Liston bekennt Cassius Clay sich zum Islam und wird zu Muhammad Ali. Alis Karriere endete im Jahr 1980. Er war von seiner Krankheit zu stark betroffen um noch weitere Kämpfe zu bestreiten oder gewinnen.
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Muhammad Ali
Ali hat viel besiegt jedoch nicht den Tod. Am 3. Juni 2016 stirbt «Der Grösste aller Zeiten»- wie er sich selbst nannte an den Folgen eines septischen Schocks.
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Muhammad Ali
Vom Bilderstürmer zum Kultbild
Der Sport hat sich im 20. Jahrhundert und vielleicht am eindrucksvollsten in den Siebzigerjahren zur dominierenden Religion in Amerika entwickelt. Durch den aufgeregten Blick der Medien erlangen unsere berühmtesten Athleten ein geradezu mythopoetisches Ansehen; sie sind einerseits «überlebensgross», andererseits oft unfähig zu einem normalen Privatleben. Um ein
Champion zu werden, muss man nur anhaltend bessere Leistungen erbringen als seine Mitstreiter; um ein ganz grosser Champion wie Muhammad Ali zu werden, muss man die Grenzen des Sports sprengen und zum Vorbild (in manchen Fällen auch zum Opfer) für die breite Masse werden, zum Imageträger einer ganzen Epoche.
Trickser und Rebell Kein anderer Athlet hat eine solche Presse gehabt wie Ali – anklagend und anbetend, verurteilend und lobpreisend, triefend vor Hass und überschäumend vor Liebe. Von Anfang an, noch als junger Cassius Clay, hatte er offenbar beschlossen, sich beim Aufbau seines Images nicht wie die meisten Athleten zurückzuhalten, sondern die Bedingungen für sein Ansehen in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen.
oder Betrügerisches. In den Jahren, nachdem er als Mitglied der Nation of Islam den Kriegsdienst verweigert hatte, war Ali eine der meistgeschmähten Personen des öffentlichen Lebens in Amerika. Nur selten begegnet man einem Sportler, der um seiner Prinzipien willen zum Märtyrer wird, einem Sportler, der sich zu einer Figur stilisiert, mit der seine Rasse sich identifizieren und auf die sie stolz sein kann.
Clay/Ali brachte in den todernsten Boxsport eine unerwartet rauschhafte Freude, die nichts mit seiner politischreligiösen Mission zu tun hatte und ihr vielleicht sogar zuwiderlief. Sein Wesen schien von Grund auf kindlich zu sein; den Trickster zu spielen, entsprach seiner Natur. Gleichzeitig nahm Ali seine Mission als Mitglied der Nation of Islam todernst; seine Hingabe an den muslimischen Glauben hatte nichts Spielerisches
Rasse ist seit langem ein amerikanisches Tabuthema. Ali, darauf versessen, sich als Rebell in einer von Weissen beherrschten Gesellschaft zu definieren, machte jede öffentliche Geste zu einer Aussage über den Rassenkonflikt: Widerstand gegen das weisse Establishment, Solidarität mit den Schwarzen. In einem PlayboyInterview vom November 1975 sagte Ali, gemäss der Lehre des 6
Muhammad Ali verstorbenen Elijah Muhammad, des Gründers der Nation of Islam, halte er die Mehrheit der Weissen für Teufel und hoffe auf eine Abspaltung vom weissen Amerika: «Wir sind erst frei, wenn wir vielleicht zehn Staaten übernommen haben.» Seine Laufbahn war eine der längsten, abwechslungsreichsten und sensationellsten Boxerkarrieren. Cassius Marcellus Clay, geboren am 17. Januar 1942 in Louisville, Kentucky, als Nachfahre eines Sklaven, aber behütet aufgewachsen in einer fürsorglichen Familie der schwarzen Mittelschicht, war als junger Mann anders als alle anderen Schwergewichtler in der Geschichte:
von mächtigem, aber perfekt proportioniertem Körperbau, ein Nijinksky mit todbringenden Fäusten und einem Auftreten innerhalb und ausserhalb des Rings, das man durchaus als aufrührerisch bezeichnen kann. Instinktiv wusste Clay, dass Boxen unterhaltsam und dramatisch ist oder sein sollte. In seinem jugendlichen Überschwang nahm er gleich noch die Lässigkeit des schwarzen Rap vorweg: «Hier kommt das Märchen von Cassius Clay, / Dem schönsten Boxer der ganzen Welt. / Er quasselt andauernd und gerbt dir das Fell, / Sein Schlag ist gewaltig und unglaublich schnell.»
Der Boxring als Bühne Natürlich wurden die arrogante Geschwätzigkeit des jungen Boxers und seine Mätzchen vor dem Kampf durch seine Disziplin und Gewandtheit im Ring mehr als wettgemacht. Von Anfang an zog Clay das Interesse der Medien nicht nur wegen seines Auftretens auf sich, sondern auch wegen seiner Siege. Was aber war an Clay in den Sechzigerjahren so einzigartig? Hugh McIlvanney formulierte prophetisch, der junge Boxer scheine sein Leben als ein «merkwürdiges, ritualisiertes Theaterstück» zu sehen, bei dem sein hysterisches Schwadronieren von einem Manuskript gefordert werde, «das das Schicksal schreibt». Norman Mailer schildert den jungen Boxer ausführlich, poetisch und leidenschaftlich als einen «1,80 Meter grossen Papagei, der ständig kreischt, er sei der Mittelpunkt, um den sich alles drehe. ‹Komm her, du Dummkopf, versuch es doch, mich zu erwischen›, sagt er. ‹Das schaffst du nicht, weil du nicht weisst, wer ich bin. Und wo ich bin. Ich bin der
menschliche Verstand, und du weisst nicht mal, ob das was Gutes oder Böses ist.›» Cassius Clay war vielleicht nur so erfinderisch oder extravagant wie nötig, um unter ständig wachsendem Applaus einen Sieg nach dem anderen einzufahren. Doch welchen Meinungsstreit brach er vom Zaun, als er verkündete, er werde seinen nichtswürdigen «Sklavennamen» in Muhammad Ali umändern; er sei Mitglied der militanten schwarzen Nation of Islam geworden und «kein Christ mehr». Bemerkenswert gelassen und mutig trat der junge, ja jungenhafte Athlet nun demonstrativ als Schwarzer auf. Als er drei Jahre später noch provokanter den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigerte und es ablehnte, in Vietnam zu kämpfen, wurde ihm zur Strafe sein Titel aberkannt und die Boxlizenz für die USA entzogen. Das Aussenministerium zog obendrein Alis Pass ein, so dass er auch im Ausland nicht kämpfen konnte, eine Repressionsmassnahme, die an die
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Muhammad Ali Schikanen gegen Charlie Chaplin und Paul Robeson in den Fünfzigerjahren erinnerte. Als sich dann der Vietnamkrieg, eine schmerzhafte, noch immer nicht verarbeitete Episode in unserer Geschichte, seinem Ende näherte und die öffentliche Meinung eine Kehrtwende vollzog, hob der Oberste Gerichtshof 1967 das Urteil auf und Ali wurde wieder als Boxer zugelassen. Wie ein einzelgängerischer Elefant, der an den Rand seiner Welt gedrängt wird, sich ihrer dennoch
immer bewusst ist und von ihr unbehaglich beäugt wird, kehrte Ali zurück, um sich seinen Titel wiederzuholen. In diese sieben Jahre fallen seine grossartigsten Kämpfe. Nach dreieinhalb Jahren ohne Boxen war er merklich langsamer geworden und klug genug, seinem Gegner nicht davonzutanzen; er musste die verlorene Beweglichkeit durch Technik wettmachen; er musste lernen, Prügel einzustecken und nicht nur auszuteilen.
Er war der Grösste
Er schwebte wie ein Schmetterling und stach zu wie eine Biene – nicht allein im Ring. Der Glanz des 1942 im Südstaat Kentucky als Cassius Clay geborenen Schwergewichtsboxers strahlte weit über seinen Sport hinaus. Er wird der Welt fehlen.
Einen wie ihn wird der Sport, wird die Welt so bald nicht mehr sehen. Muhammad Ali, nach langer Krankheit am 3. Juni 2016 im Alter von 74 Jahren verstorben, war zwar auch Boxweltmeister aller Klassen, überdies jedoch sowohl der eleganteste als auch eloquenteste Athlet des 20. Jahrhunderts und dank seiner charismatischen Persönlichkeit ein globaler Star. Als Teenager bereits Olympiasieger, eroberte er dreimal den Titel eines Champions im
Schwergewicht, obwohl ihm das offizielle Amerika seiner Kriegsdienstverweigerung und der Hinwendung zu den radikalen «Black Muslims» wegen jahrelang Hindernisse in den Weg legte. Unbeirrt erstürmte Ali nach und nach die Zuneigung seiner Landsleute – auch und gerade jener, die ihm während langer Zeit feindselig gesinnt gewesen war. Nach dem Ende seiner Boxkarriere widmete sich «The Greatest of all Time», wie er sich ohne falsche Bescheidenheit nannte, ungeachtet der zunehmenden Behinderung durch seine Parkinson-Erkrankung humanitären Aufgaben und reiste rastlos um die Welt, erschien in den letzten Jahren aber immer seltener in der Öffentlichkeit. 2005 beruhigte die US-Regierung ihr schlechtes Gewissen, indem sie Ali mit der «Presidential Medal of Freedom» auszeichnete, der höchsten zivilen Ehrung des Landes. Wie ungezählte Bewunderer, die sich bis zum Schluss um ihn scharten, kam der Tod zu ihm als Freund.
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Wir Ahnungslosen Als sein Name erstmals die Runde machte, hatten wir Europäer keine Ahnung von der Welt, der er entstammte. Damals, im Sommer 1960, war unsere Weltschau SchwarzWeiss wie die Fernsehbilder von den Olympischen Spielen in Rom, mit jedem Gold eines US-Amerikaners gewannen auch wir. Mochte es vordergründig um Sport gehen, so stand dahinter die Ideologie des Kalten Krieges. Begeistert von den Erzeugnissen der amerikanischen
Pop-Kultur freuten wir Halbwüchsigen uns denn mächtig über den Olympiasieg eines schwarzen amerikanischen Teenagers namens Cassius Marcellus Clay. Und hatten keinen blassen Schimmer davon, was von dem Südstaatler mit dem Aussehen eines Modellathleten noch kommen würde. Geschweige denn, was ihn als Vertreter der in ihrer Heimat diskriminierten Menschen dunkler Hautfarbe antrieb.
Wir hatten ja wirklich keine Ahnung. Wussten nicht, dass Clays lockere Sprüche nur so trieften vor Selbstironie. Dass es hier nicht um leeres Geplapper ging, sondern um eine neue, uns Nichtamerikanern unverständliche Ausdrucksweise, eine Art verbalen Jazz oder Soul – die Kunstform des Rap war erst im Entstehen begriffen. Umso bereitwilliger nahmen wir unseren Boxer beim Wort. Als wir den Sinn dahinter erkannten, begannen wir aufmüpfigen Jungen an dem angeblichen Grossmaul doppelt Gefallen zu finden.Endlich war da Einer, der nicht ins Modell des braven und folgsamen Musterathleten
passte, das uns Eltern und Lehrer und Vorgesetzte als Ideal vorzeichneten. Riesig daher unsere Freude, als Cassius Clay dem dumpfen – und vermeintlich unschlagbaren – Sonny Liston den Weltmeistertitel entriss. Nun war er wahrhaftig, was er sich längst selber nannte: «The Greatest». Der Grösste hatte seinen tönenden Worten die entsprechenden Taten folgen lassen. So schluckten wir auch seinen religiös motivierten Namenswechsel zu Muhammad Ali und seine Zuwendung zur radikalen Bewegung der Black Muslims. Was wussten wir schon vom Alltag der Schwarzen im Amerika der Weissen?
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Man schrieb 1964, Ali war eine Kultfigur; kalt liess er niemanden. Für die TV-Direktübertragungen seiner Kämpfe stiegen wir mitten in der Nacht aus dem Bett. Bewunderten einen Schwergewichtler, wie es vor ihm keinen gegeben hatte. Einen, der schwebte wie ein Schmetterling und
zustach wie eine Biene. Weil er nebenbei Witziges von sich gab sowie, nicht zu vergessen, ein hinreissend schönes Äusseres besass, jubelten wir umso hingerissener. So etwas hatte die Welt noch nie gesehen.
Ein Problem mit Vietnam Sie hatte auch noch keinen Vorzeigesportler erlebt, der die Courage aufbrachte, den Dienst fürs Vaterland zu verweigern, offen und ehrlich und ohne kommodes Arztzeugnis. Ali lehnte den Kriegseinsatz der USA in Südostasien ab – mit der Begründung, er habe kein Problem mit dem Vietcong (den kommunistischen Aufständischen aus dem Norden Vietnams). Das war fürs
Establishment, wie man die Mächtigen damals nannte, der Tropfen zu viel. Das offizielle Amerika erklärte seinem besten und populärsten Athleten den Krieg. Legte ihm ein Berufsverbot auf, nahm ihm seine Titel weg, beschlagnahmte seinen Reisepass. Der Schmetterling war ohne Flügel – noch aber besass er den Stachel der Biene.
Der Tag, an dem Cassius Clay zu Muhammad Ali wurde
Peter Kemper: Es war sicherlich der bis dato wichtigste Tag für ihn. Als ein geschlagener und völlig ausgepumpter Sonny Liston sich in den Abendstunden des 25. Februar 1964 weigerte, noch einmal aufzustehen und zur siebten Runde im WM-Kampf gegen Cassius Clay anzutreten, war nicht nur die
Weltsensation perfekt, sondern es begann eine neue Ära des Boxens. Und ich würde sagen, auch in Amerikas politischer und sozialer Geschichte wurde damit ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nach dem allgemeingültigen Klischee hatte ein Boxer damals unpolitisch zu sein – er sollte eigentlich nur sein zahlendes Publikum unterhalten und sich nicht politisch, und schon gar nicht als ein religiös Suchender profilieren. Niemand von der Sportpresse hätte Cassius Clay, diesen Kindskopf, wie man ihn damals sah, zugetraut, dass er sich ernsthafte Gedanken um sein Seelenheil und um die afroamerikanische 10
Muhammad Ali Befreiungsbewegung machte. Doch am Tag nach dem gewonnenen WM-Kampf gegen Sonny Liston verkündete Cassius Clay auf einer Pressekonferenz: «Ich bin nicht länger ein Christ, ich weiss, wohin ich gehe und ich kenne die Wahrheit.» Und dann folgte so etwas wie ein persönliches Glaubensbekenntnis, das sein ganzes Leben wie eine Maxime bestimmen sollte. Er sagte: «Ich muss nicht so sein, wie ihr mich haben wollte, ich bin frei, derjenige zu sein, der ich sein will.» Das hatte man bis dato von einem Boxer noch nie gehört. Es war eine merkwürdige Situation. Ali wusste im tiefsten Innern sehr wohl, dass er eigentlich mit normalen Mitteln dem damaligen Weltmeister Sonny Liston gar nicht beikommen konnte. Er galt als ein erbarmungsloses Kraftpaket, der seine Kontrahenten eben nicht nur besiegte, sondern geradezu physisch demontierte. Er liess sie mit gnadenlos schnellen Knock-outs ganz schlecht aussehen. Liston war ein Schwergewicht alten Typs – gradlinig, stahlhart, stoisch – und fand Spass daran, seine Gegner zu verletzen – das wusste Ali. Dazu kam, dass Liston in der Hand des Mobs war, also der amerikanischen Mafia. Ali versuchte dann, ihn psychisch etwas zu verunsichern, wie er das dann später mit seinen Grossmaul-Inszenierungen immer gemacht hatte. Ali nannte Liston im Vorfeld den grossen, hässlichen Bären und klingelte ihn in einer Aktion nachts aus dem Bett und hatte ein Seil, einen Maulkorb und ein Glas Honig dabei. Da kam natürlich die
Presse dazu und Ali sagte, er wolle den grossen hässlichen Bären aus seinem Bau locken. Er hat sich mit diesen Aktionen selbst Mut gemacht. Wir sehen ihn vielleicht häufig als tragischen Helden, doch er fühlt sich keineswegs so. Man mag das Parkinsonsyndrom, seine langsamen Bewegungen und sein Sprechen bedauern, aber sein Geist ist immer noch hellwach. Ich glaube, Ali ist immer noch eine schillernde Figur. Er engagiert sich seit Jahren in humanitären Hilfsorganisationen und praktiziert seinen Glauben als sanfter Muslim, der eher von der Sufi-Religion als von radikalen Ideen beseelt ist. Er verkörpert heute für viele die Möglichkeit der Toleranz zwischen der westlichen und der islamischen Welt. Er hat unglaublich viele Musiker beeinflusst, er hat in seinen Reimen, die er seinen Kämpfen vorausschickte zum Beispiel den Rap vorweggenommen. Diese ganzen Grossmaul-Inszenierungen waren letztlich doch ganz ausgeklügelte Partituren von ihm auf der Medienklaviatur, er beherrschte die so virtuos wie kein Boxer vor ihm. Und man muss sagen, dass Ali einen fast schwerelosen Stil hatte, der zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des Boxens Frauen faszinierte. Er war unheimlich ästhetisch, er hatte eine fast kompromisslose Haltung dem Boxsport aber auch der Welt gegenüber. Mit seinem schwarzen Stolz und dem Aufruf zum schwarzen Widerstand wurde Ali über Nacht zum Feind des konservativen Amerika, aber für viele junge Leute wurde er zum einem Hoffnungsträger.
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Gott holte sich seinen Champion
In der Chronik seiner Fights gibt es noch den allerletzten Eintrag: eine sinnlose Niederlage auf den Bahamas gegen einen gewissen Trevor Berbick. Es war dies der berüchtigte Kampf zu viel. Dem Publikum fiel auf, dass Alis Aussprache allmählich undeutlicher wurde und seine Hände zu zittern begonnen hatten. Drei Jahre später sollten die Ärzte an ihm das Parkinsonsche Syndrom diagnostizieren. Das hinderte den
«People's Champion» indes nicht daran, unermüdlich Termine wahrzunehmen, rund um die Welt Hände zu schütteln, Kinder zu kosen und, sein liebstes Hobby, Zauberkunststücke vorzuführen. Niemals habe er herausgefunden, urteilte Johnny Carson, Amerikas TVTalkmaster Nummer Eins, ob ihn Ali zum Narren halte oder nicht – ein Urteil, dem sich anschloss, wer «den Grössten» selbst erlebte.
Späte Sternstunde Eine späte Sternstunde kam mit der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Atlanta 1996. Alis Auftritt mit der Entzündung der Flamme war ein Überraschungscoup sondergleichen. Zum Abschluss des Fackellaufs hob er die bebende Rechte empor, brachte das Feuer zum Lodern. Die feuchten Augen der Zuschauer wurden überdeckt durch einen Orkan von Applaus. Der Champion war zurückgekehrt an den Ausgangspunkt seiner sportlichen Laufbahn. Jetzt erblickte nichts als Vergebung und Dankbarkeit. Keinen Augenblick zu früh.
Seinen angeschlagenen körperlichen Zustand hat Ali all die Jahre des Leidens hindurch nie verborgen. Im Kopfe stimmte bei ihm alles, als gläubiger Muslim verrichtete er täglich seine Gebete. Wenn er sich, immer seltener zwar, noch in der Öffentlichkeit zeigte, dann stets gestützt durch Lonnie, seine vierte Ehegattin. So wie bei der Abdankungsfeier für Joe Frazier. Dem grössten seiner Rivalen die letzte Ehre zu erweisen, war ihm ein Bedürfnis.
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Zahlen und Fakten Ein Leben in Zahlen Geboren:
17. 01. 1942
Grösse:
1.91m
Reichweiter:
1.98m
Start Boxkarriere:
1954
Bestrittene Kämpfe:
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Verweigerung Wehrdienst:
1967
Titelverlust (aufgrund der Verweigerung)
1967
Ehe mit Sonji Roi:
1964-1966
Ehe mit Belinda Boyd:
1967-1975
Diagnose Parkinson:
1984
Tod:
03. 06. 2016
Beerdigung:
10. 06. 2016
Erfolge Sportler des Jahrhunderts
1999
Erste Weltmeisterschaft
1964
Comeback
1970-74
Unumstrittener Weltmeister
1964, 1967, 1974-78
Linearer Weltmeister
1964-70, 1974-78, 1978-79
Siege
56
Ko-Siege
37
Träger der olympischen Flagge
2012
Anzahl selbst geschriebener Bücher
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Afrikareisen und Wehrdienstverweigerung Alis Karriere erlaubte ihm, im Mai 1964 eine Reise durch Ägypten, Nigeria und Ghana zu unternehmen und dort auch Politiker wie Kwame Nkrumah zu treffen. 1964 wurde Ali von der US-Armee als für den Wehrdienst untauglich eingestuft. Diese Einstufung wurde jedoch später revidiert und Ali hätte den Militärdienst antreten müssen, der ihn wahrscheinlich in den Vietnamkrieg geführt hätte. Doch Ali lehnte den Dienst an der Waffe ab, was in den USA als Straftat galt, da es das Recht der Wehrdienstverweigerung in den Vereinigten Staaten nicht gab. Daraufhin wurde er durch den Entzug seiner Boxlizenz mit einem Kampfverbot für die USA belegt. Im Auftrag von Jimmy Carter besuchte er 1980 Afrika, um dort nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan für einen Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau zu werben.[21]
Bekenntnis zum Islam Nach dem Kampf gegen Liston im Jahr 1964 bekannte sich Clay auch öffentlich zur „Nation of Islam“ und vertrat die rassistische Black-Supremacy-Ideologie. Die Gruppe ist eine religiöse, separatistische afroamerikanische Organisation, die in den 1950er und frühen 1960er Jahren von Elijah Muhammad und Malcolm X geführt wurde. Cassius Clay legte seinen „Sklavennamen“, wie er sagte, ab und nannte sich Muhammad Ali. 1975 bekannte er sich zum sunnitischen Islam[22].
Privatleben 1964 heiratete er das Fotomodell Sonji Roi (1946–2005), nur 41 Tage nachdem er sie am 14. August 1964 kennengelernt hatte. Roi war zuvor zum Islam konvertiert. Die Ehe hielt zwei Jahre und wurde 1966 unter dem Druck des Anführers der „Nation of Islam“ Elijah Muhammad geschieden. Grund war die zu westliche Einstellung von Sonji Roi in den Augen der islamischen Extremisten. 1967 heiratete Ali seine zweite Frau Belinda Boyd (* 1950), mit der er vier seiner neun Kinder hat (Maryum, Muhammad Junior, Rasheda und Jamillah). 1975 trennte sich Ali von Belinda, nachdem er bereits mehrere Monate ein Verhältnis mit Veronica Porché (* 1955) hatte, die er 1977 heiratete.
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Ihre gemeinsame Tochter Laila hat sich ebenfalls für eine Karriere als Profiboxerin entschieden. Die zweite Tochter Hana Yasmeen ist Autorin und hat mehrere Bücher über ihren Vater veröffentlicht. 1985 heiratete Ali Yolanda Williams, die er bereits seit seiner Kindheit kannte (Ali war gelegentlich ihr Babysitter) und zusammen adoptierten sie ein Kind namens Asaad. Zu diesem Zeitpunkt war seine Krankheit schon weit fortgeschritten. Muhammad Ali hat außerdem noch zwei weitere Kinder aus außerehelichen Verhältnissen.
Parkinson-Krankheit und Tod Im Jahr 1984 wurde bei Ali das Parkinson-Syndrom diagnostiziert. Oft wird Alis Erkrankung in Zusammenhang mit Boxen gebracht, dies wurde allerdings nie belegt. Da seine geistigen Fähigkeiten kaum beeinträchtigt waren, nahm er weiterhin Ali mit US-Präsident weltweit am öffentlichen Leben teil und setzte sich Muhammad Ronald Reagan (1983) für wohltätige Zwecke ein. Unter anderem engagierte er sich für die Verständigung zwischen der westlichen und der islamischen Welt, etwa bei Verhandlungen zur Freilassung von Geiseln im Libanon, oder im November 1990 anlässlich eines Besuchs bei Saddam Hussein, woraufhin dieser 15 „menschliche Schutzschilde“ freiließ. Insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 trat er als Botschafter seines Glaubens auf und vertrat dabei die friedvollen Aspekte des Islam. Ali starb am 3. Juni 2016 im Alter von 74 Jahren in einem Krankenhaus in 1Scottsdale[1], in dem er wegen Atemproblemen behandelt worden war, an den Folgen eines septischen Schocks.[25] Nach seinem Tod wurden die Flaggen in seiner Geburtsstadt auf halbmast gesetzt.[26] Alis Tod erfuhr weltweite Anteilnahme aus der Sportwelt. Aber auch aus anderen Bereichen kamen Beileidsbekundungen, etwa vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama.[27][28]
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Stadt in Arizona 15
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Alis Begräbnis fand am 10. Juni in seiner Geburtsstadt Louisville statt. Die Trauerrede hielt der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Die beiden ehemaligen Schwergewichtsweltmeister Lennox Lewis und Mike Tyson sowie der Schauspieler Will Smith gehörten zu den Sargträgern. Zuvor hatten geschätzt Hunderttausend Menschen in den Straßen von Louisville Abschied von ihm genommen. Der 30 Kilometer lange Trauerzug fuhr an Etappen von Alis Leben vorbei
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