Blick auf den Tegernsee von Kaltenbrunn
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Vorwort Möchten Sie eintauchen in Deutschlands schönstes Bundesland? Dann fahren Sie doch einfach nach Bayern. Kein anderes Land hat diese Vielfalt zu bieten: Die Voralpenseen, eingebettet in die Berge, die kleinen Städte voller Kultur, einsame Landstriche mit Wäldern nur eine halbe Stunde von München entfernt – nirgendwo ist man so schnell mitten im Urlaub. Bayern ist kein Geheimtipp mehr, aber es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken. Zugezogene bleiben gerne hier. Und das hat nicht nur mit der herrlichen Natur in Bayern zu tun. München ist die heimliche Hauptstadt der Republik, eine Stadt, in der sich Moderne und Geschichte treffen. Tradition und Fortschritt sorgen dafür, dass München gleichzeitig eine multikulturelle Weltstadt und ein bisschen spießig ist.
Dieses Buch beschreibt Ausflüge, die man von München aus unternehmen kann. Denn der Dreh- und Angelpunkt ist die Hauptstadt. Von dort aus geht es hinein ins blaue Land, das nicht zu verwechseln ist mit dem „Blauen Land“ der Künstler um den Blauen Reiter, die sich in Murnau und Umgebung niederließen. Das blaue Land ist ein Synonym für Bayerns verschiedene Landschaften, ihre Eigenheiten und ihre Menschen.
Tradition und Brauchtum werden allerorts großgeschrieben. Die Bayern (von denen es tatsächlich noch ein paar gibt) sind stolz auf ihre Herkunft und ruhen zufrieden in sich, auch wenn sie manchmal mit Gott und der Welt hadern, „granteln“. Aber das hält meist nicht lange an, das Sinnliche ist den Menschen im blauen Land in die Wiege gelegt. Dafür stehen die Bilder
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Die Kirche von Holzhausen bei M端nsing
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von Johann Georg Dillis, Carl Rottmann und Franz von Kobell. Diese Maler haben es verstanden, dass das blaue Land auch ein Land der Bilder ist: zeitlos wie die unveränderte Kulisse einer Bühne, auf der nur die Darsteller von Zeit zu Zeit wechseln. „Ich habe Schöneres nirgendwo gefunden“, schreibt 1832 David Montagu, Botschafter Ihrer britischen Majestät am bayerischen Königshof, von Possenhofen, wo er sich im Sommer aufhielt. Auch Kaiserin Sisi, die in Schloss Possenhofen aufwuchs, sehnte sich zeitlebens an „die sanften Gestade meiner Kindheit“ zurück. Ludwig Ganghofer mag ebenfalls an die bayerischen Seen gedacht haben, als er sein Zitat „Herr, wen du lieb hast, den lässt du fallen in diesem Land“ zu Papier brachte.
Wie die Landschaft den Menschen prägt, das finden Sie auch in den zwanzig Geschichten dieses Buches. Sie sind in den letzten fünf Jahren entstanden und fast alle in Tageszeitungen oder Zeitschriften erschienen. Manches habe ich ergänzt und einige Reportagen werden hier zum ersten Mal gedruckt. Sie handeln von Landstrichen und Menschen, die ich bewundere oder die mich begeistert haben. Dabei geben sie keinen repräsentativen Eindruck von einem ganzen Land ab. Vielmehr sind es kleine Kostbarkeiten, die es mit Muße zu genießen gilt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Entdecken und Genießen in Bayern. Bettina Louise Haase
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Die FuĂ&#x;gängerzone im Zentrum von Mittenwald
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Altes Handwerk hoch im Kurs
In Mittenwald lebt man mit der Tradition „Wenn man gute Instrumente herstellen will, dann muss es Lebensinhalt sein“, sagt Anton Sprenger, Geigenbaumeister aus Mittenwald. Er sitzt in seiner Werkstatt im ersten Stock eines über 600 Jahre alten Hauses im Mittenwalder Stadtteil „Im Gries“, dem ältesten Ortsteil, und passt gerade die fertigen Wirbel in den Schaft einer Geige ein. Die Werkstatt ist hell und sauber, der alte Holzboden gründlich restauriert, eine Efeupflanze rankt sich auf dem Werktisch zur Decke. Von seinem Arbeitsplatz aus kann Anton Sprenger direkt auf den Platz „Im Gries“ schauen. „Bei mir liegt die Geigenbaukunst in der Familie“, erzählt der Vierzigjährige. Zu Hause hätten immer Geigenbauwerkzeuge gelegen, sein Onkel Josef Kantuscher, der heute 80 Jahre alt ist, baut immer noch Geigen. Nach der Mittleren Reife schrieb sich Anton Sprenger in die Geigenbauschule in Mittenwald ein. „Das ist die beste Geigenbauschule der Welt“, sagt Sprenger. Hier lernte er in dreieinhalb Jahren alles, was er später für seinen Beruf brauchte. „Ich war etwas enttäuscht von meinen Mitschülern“, erinnert sich Sprenger. „Die kamen meist aus der Stadt und waren nicht so leidenschaftlich bei der Sache. Ich war halt schon mit Geigen aufgewachsen und konnte mir ein Leben ohne Geigen nie vorstellen“, so Sprenger. Besonders wichtig sei in der Geigenbauschule absolute Genauigkeit beim Zuschneiden der Einzelteile für die Geige gewesen. „Deswegen sind die Gesellen, die aus der Geigenbauschule Mittenwald kommen, auch überall gerne 13
gesehen“, sagt Sprenger, „sie arbeiten absolut akkurat und deswegen entstehen Instrumente von sehr hoher Qualität.“ Seine Virtuosität hat Sprenger erst nach der Schule ausleben können: „Die große Leidenschaft fürs Geigenbauen konnte ich erst entwickeln, als ich begann, meine eigenen Instrumente zu bauen. Orientiert habe ich mich dann an keiner Vorlage mehr, allerdings gibt es ein Geigenmodell aus Cremona, das ich in gleicher Weise nachbaue. Der Korpus dieser italienischen Geige ist etwas größer, so dass beim Spielen ein dunkleres Klangvolumen entsteht“, erklärt Sprenger und fährt mit einem Poliertuch über eine fertig lackierte Geige. 8000 Euro kostet eine Geige von Anton Sprenger – und sie wird mit der Zeit immer mehr wert. „Mein Beruf ist sehr nachhaltig“, findet der Geigenbaumeister, „meine Instrumente werden mich um Generationen überleben. Eine Geige ist eine Anlage, die jedes Jahr im Wert steigt.“ Für die Anfertigung einer Geige braucht Sprenger zwei Monate, er verwendet Ahornholz aus Bosnien. „Meine Philosophie ist, nicht auf Bestellung zu bauen“, sagt Sprenger, „meine Geigen warten darauf, einen Liebhaber zu finden.“ Denn das habe er inzwischen gelernt: „Am besten kann ich ohne Druck arbeiten.“ Und diese Philosophie kommt bei den Kunden an. Immer wieder erscheinen skurrile Typen aus der ganzen Welt bei Anton Sprenger, wie ein ausländischer Minister, der mit einer Luxuslimousine in den Jaisweg vorfuhr, wo Sprenger früher seine Werkstatt hatte. „Der Minister kaufte seinen zwei Begleiterinnen eine Geige als Souvenir. Das war wie im Märchen“, erzählt Sprenger. „Wer eine Geige nur aus Wirtschaftlichkeit baut, kann kein gutes Instrument herstellen“, ist sich der Geigenbaumeister sicher. Am liebsten baut er die Decke des Instruments aus 14
Fichte, die gespalten ist, das „Gesicht der Geige“. „Das Material flutscht wie Butter“, sagt Sprenger.
20 Geigenbauer gibt es in Mittenwald, das Bild der kleinen, verschlafenen Stadt hinter Garmisch ist vom Geigenbauhandwerk geprägt. Lüftlmalereien an den Häusern zeigen Geigenszenen, in der Kirche hat Matthäus Günther ein Deckengemälde mit einem Geige spielenden Putto gemalt. Begründer des Geigenbaus in Mittenwald war Matthias Klotz, der 1653 im Ort zur Welt kam. Schon mit 13 Jahren ging er nach Italien und arbeitete in der Paduaer Werkstatt des Allgäuer Lautenmachers Pietro Railich. 1685 eröffnete er dann die erste Geigenbauwerkstatt in Mittenwald. „Bei uns ist das Festhalten an Überliefertem noch lebendig geblieben“, so Anton Sprenger. Mittenwald sei stehengeblieben im positiven Sinne, weil es sich alte Traditionen bewahrt habe – und gerade deshalb so beliebt bei den Touristen. „Man kommt hierher, um Hektik und Stress abzulegen“, sagt Sprenger, „den neuen Begriff Entschleunigung kann man perfekt für Mittenwald geltend machen.“ Der kleine Ort hat neben dem Geigenbaumuseum viel zu bieten: Gemütliche Cafés, in denen hausgemachte Marmorkuchen und Eierlikörtorte angeboten werden, Restaurants, in denen Spezialitäten aus Südtirol ihren Platz auf der Karte haben. „Mittenwald war früher das ,Nadelöhr‘ Richtung Italien“, erzählt Sprenger, die alte Handelsstraße führte von Augsburg über Mittenwald bis nach Venedig. „Hier wurden schon im Mittelalter Waren gelagert und gehandelt, die in Ballen verpackt waren, deswegen heißt auch hier noch eine Straße „Ballenhausgasse“, sagt Anton Sprenger. Nur knapp 30 Kilometer sind es bis nach Innsbruck, ca. 70 bis zum Brenner, und 15
so kommt es, dass man in Mittenwald überall südtiroler Spezialitäten finden kann. Von der Kaminwurz bis zum Spinatknödel reicht das Angebot in den Restaurants. Zu diesen kulinarischen Spezialitäten kommt eine wunderschöne Umgebung. Wettersteingebirge und Karwendel laden zu Wanderungen und Bergtouren ein, als Kleinod in den Alpen kann man auf der Schachenalpe das Holzhaus von König Ludwig II. besichtigen. „Viele Bräuche wie beispielsweise unsere Fastnacht haben sich bei uns konserviert, und das ist jetzt besonders wertvoll“, ist Anton Sprenger überzeugt.“
Geigenbaumeister Anton Sprenger beim Einsetzen der Wirbel
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Anfahrt Mit dem Auto: Über die A 95 ist Mittenwald leicht zu erreichen. Von München fährt man über Garmisch in Richung Innsbruck. Die Bundesstraße 2 hat drei Ausfahrten nach Mittenwald. Mit der Bahn: Mittenwald liegt an der Strecke München-GarmischPartenkirchen-Innsbruck und wird im Stundentakt angefahren. Unterkunft: Das Kranzbach, Ruherefugium in der Nähe von Mittenwald bei Klais, 31 Zimmer im alten Schloss, 60 im neuen Gartenflügel. www.daskranzbach.de Ferienwohnungen in Mittenwald mit Sauna und Massage: Monika Klotz, Innsbrucker Str. 55, 82481 Mittenwald, Tel.: 0178/6 46 57 08, klotz-mittenwald@t-online.de www.ferienhaus-alpenblick.de
Restaurant: Südtiroler Weinstubn, Obermarkt 45, 82481 Mittenwald, südtiroler Küche (z. B. Pusterer Schlutzkrapfen mit zerlassener Butter und Parmesan). Café: Kaffeebar Paula, Innsbrucker Str. 1, 82481 Mittenwald, gemütliches Café mit hausgemachten Kuchen wie der Holländerkirschschnitte Besonderer Laden: Mary’s Feinkostmanufaktur, Spezialität: Wildfruchtmarmeladen, Dekan-KarlPlatz 21, 82481 Mittenwald, www.marysmarmeladen.de Weitere Informationen: Infos über traditionelle Feste und Bräuche im Heft „Alpenwelt Karwendel im Blick“, beim Tourismusamt erhältlich oder unter Tourist-Information Mittenwald, www.alpenwelt-karwendel.de
Geigenbaumuseum: Ballenhausgasse 3, 82481 Mittenwald, Tel.: 08823/25 11, Öffnungszeiten Mai bis Oktober 10–17 Uhr; sonst 11–16 Uhr, montags geschlossen.
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