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Kultur auf Vormarsch

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Auch wenn die vergangenen zwei Jahre für den gesamten Kultursektor schwierig waren, Südtirols Kunstschaffende, Kulturakteure und die Museen rüsten sich für das wiedergewonnene Interesse von Einheimischen und Touristen.

Kunst und Kultur erweitern nicht nur den Horizont, auch die Wirtschaft profitiert vom Schaffen der Künstler und Kulturakteure. Südtirols Kultur erzeugt eine Wertschöpfung von über einer Milliarde Euro, was fast fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes der Provinz Bozen entspricht; das geht aus einer Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO der Handelskammer Bozen hervor. Die Kreativ- und Kulturbranche zählt in Südtirol knapp 17.000 Beschäftigte, und der gesamtgesellschaftliche Effekt der Kulturwirtschaft ist nicht zu übersehen. Darüber hinaus ist Kultur ein kreativer Sektor, der die Innovationskraft der Unternehmen anspornt. Ein kulturell reichhaltiges Umfeld ist positiv für die Produktivität der gesamten Wirtschaft. Dass Südtirol ein viel an Kultur zu bieten hat, zeigt sich schon allein in der großen Vielfalt der Museen.

MUSEEN-LAND SÜDTIROL

Südtirol ist ein Land mit einer beeindruckenden Museen-Vielfalt. Geschichte, Brauchtum, Kunst und Natur – allesamt zu entdecken und

15.04.

–18.04.22

Volkskundemuseum Dietenheim Museo degli usi e costumi a Teodone

erkunden in zahlreichen Museen und Sammlungen, die mindestens genauso vielgestaltig sind wie das Land selbst. Von Mineralien bis zu Kunstwerken, von Ötzi, dem Mann aus dem Eis, bis zum Höhlenbären, dem Ursus ladinicus - in den rund 115 Museen, Sammlungen und Ausstellungsorten des Landes werden unglaublich viele interessante Themen geboten. So ist Südtirols bunte Museen-Landschaft ein wahrer Traum für Wissbegierige. Das vielfältige Angebot reicht von lehrreichen und unterhaltsamen kunsthistorischen, archäologischen oder personenbezogenen Museen bis hin zu anschaulichen Volkskunde-, Burg- oder Schlossmuseen. So unterschiedlich die inhaltliche Ausrichtung all dieser Museen auch sein mag, eine große Gemeinsamkeit verbindet sie alle: Sie ermöglichen den an Kultur und Geschichte interessierten Besucherinnen und Besuchern beeindruckende und unvergessliche Einblicke in die Tradition, Kunst und Kultur des Landes. Diese breite Palette an hoch interessanten öffentlichen Ausstellungen und wertvollen privaten Sammlungen lädt zum Entdecken und Erkunden ein. Hier trifft Tradition auf Moderne, Altes verschmilzt mit Neuem und lässt

ein wunderbares Gesamtbild davon entstehen, wie unser Land einst war und wie Südtirol heute ist. So präsentieren moderne und bestens ausgestattete Ausstellungsräume Südtirols bewegte Vergangenheit in zeitgemäßem Design. Ebenso beeindruckende museale Einrichtungen sind in geschichtsträchtigen Räumlichkeiten untergebracht, wie etwa in Burgen und Schlössern.

AUF EIN NEUES

Die Südtiroler Museen haben in den vergangenen zwei Jahren Corona bedingte Rückgänge der Besucherzahlen hinnehmen müssen. Dauerhaft schließen musste wegen der Pandemie doch glücklicherweise keines von ihnen. Die meisten Einrichtungen haben die zum Teil beträchtlichen Einnahmeausfälle dank verschiedener Förderungen bzw. Hilfen kompensieren können. In den vergangenen Wochen haben viele Museen wieder ihre Tätigkeit aufgenommen und bemerken ein verstärktes Interesse der Besucherinnen und Besucher. Wer plant, ins Museum zu gehen, sollte sich vorab über die aktuellen Corona-Regeln in den Museen Südtirols informieren. Bis dato gilt noch die Green-Pass- und Mundschutzpflicht. Doch auf nationaler Ebene wurden nun kleinere Änderungen ab 1. April eingeführt und weitreichendere ab 1. Mai in Aussicht gestellt: Dann soll nämlich der “Green Pass” voraussichtlich komplett abgeschafft werden. Dazu werden aber weitere Informationen folgen, sobald die entsprechende Landesverordnung erlassen wird.

DIE KRAFT DER MUSEEN

Am 15. Mai wird der Internationale Museumstag 2022 stattfinden. Mehrere Museen Südtirols bieten zu diesem Anlass freien Eintritt und in einigen Fällen auch ein Sonderprogramm an. Das von Icom - International Council of Museums - ausgerufene Motto für die Ausgabe 2022 lautet "The Power of Museums" (Die Kraft der Museen), denn Museen und Sammlungen haben in der Tat die Macht, die Welt um uns herum zu verändern. Falls es dazu kommen sollte, dass im Mai Museen und Sammlungen aufgrund der Covid-Pandemie erneut schließen müssen, wird der Internationaler Museumstag mit virtuellen Initiativen gefeiert (Podcast - Online-Ausstellungen – Online-Führungen – YouTube). Ziel des Internationalen Museumstags ist es, die Bedeutung der Museen für die Gesellschaft und ihre Vielfalt einem breiten Publikum näherzubringen und dass sich Menschen aller Altersstufen mit Kultur auseinandersetzen, Neues entdecken und Spaß haben können. Am Internationale Museumstag, der seit 1977 weltweit Mitte Mai stattfindet, beteiligen sich die Museen in Südtirol bereits seit 2005.

Der konnte mit dem Landeshauptmann Arno Kompatscher ein Interview bezüglich der Museenlandschaft in Südtirol führen.

: Sehr geehrter Herr Kompatscher, welche Rolle spielen Ihrer Ansicht nach Südtirols Museen für unsere Kultur und für unsere Lebensqualität?

Landeshauptmann Arno Kompatscher: Museen sind wichtig. Und nach diesem Satz setze ich gerne einen Punkt. Sie gestalten den gesellschaftlichen Diskurs mit, ob als Gedächtnisinstitutionen, wenn es um zeitgenössisches künstlerisches Schaffen geht, um Minderheiten oder Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, und auch im Bereich des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit. Sie sensibilisieren und bringen Themen auf den Tisch, sie lassen jene zur Sprache kommen, deren Stimmen oft nicht gehört werden, und zeigen Lebensmodelle und -perspektiven

MUSEUM LADIN CIASTEL DE TOR

auf, die wir vielleicht schon vergessen haben. Und da geht es nicht um Museen als „Wohlfühleinrichtungen“ oder um „Schönes“. Das ist nicht ihre zentrale Aufgabe. Hier geht es vielmehr um das Sammeln, das Bewahren, das Erforschen, das Vermitteln und das Zugänglichmachen, den Schutz des materiellen und immateriellen Natur- und Kulturerbes. Und da darf und muss ein Museum, eine Kultureinrichtung auch manchmal „ungemütlich“ sein. Und genau deswegen sind sie wichtige Faktoren für unsere Gesellschaft, unsere gemeinsame Kultur, und ja, auch für unsere Lebensqualität – Museen erweitern unseren Horizont, sie ermöglichen Beteiligung, vermitteln Achtung für die Natur und Respekt füreinander und stiften Identitäten.

Südtirol hat eine sehr vielfältige Museumslandschaft. Kommt diesem Bereich der Kultur genügend Wertschätzung - von Einheimischen, Touristen, aber auch seitens der Politik - zu?

Das ist eine sehr schöne Frage. Wertschätzung ist immer auch etwas sehr Persönliches. Als Museumslandesrat, der ich ja bin, schätze ich die Arbeit in den Museen sehr. Und gerade die Vielfalt unserer musealen Landschaft, die Dichte und breite Streuung an unterschiedlichen Angeboten, spricht eigentlich für eine Wertschätzung, nicht nur der Politik, sondern auch der Bürgerinnen und Bürger selbst und der vielen unterschiedlichen Träger – öffentlich und privat. Wir haben in Südtirol nach Zählung der Astat 2020 107 Museen, das ist eine große Zahl für unser kleines Land, dazu noch andere museale Strukturen und Sammlungen. Da ist die Bandbreite sehr groß, und auch ein großes Interesse der Gesellschaft und der Bevölkerung zu spüren. Ohne finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand ist diese Vielfalt nicht zu denken. Die meisten dieser Einrichtungen leben vom Ehrenamt und Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Aufgabe ist es, dies in Zukunft weiterhin zu ermöglichen. Außerdem, wenn Sie sich anschauen, wann diese Museen gegründet worden sind – etwas weniger als die Hälfte seit der Jahrtausendwende – spricht das für eine hohe Wertschätzung von allen Seiten.

Quelle: Volkskundemuseum Dietenheim Kultur ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Welche Bedeutung haben die

ca. 150 musealen Strukturen diesbezüglich?

Kultur ist sicherlich auch Wirtschaftsfaktor. Wir dürfen allerdings, und das besonders nicht als Politiker den Fehler machen, kulturelle Einrichtungen nur auf ihre wirtschaftliche Bedeutung zu reduzieren oder sie in erster Linie als Wirtschaftsfaktor und auf Basis einer reinen Kosten-Nutzen-Rechnung zu sehen. Das ist eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand, sowohl als Förderer als auch als Träger dieser Einrichtungen. Kulturelles Angebot macht ein Gebiet auch lebenswert. Ein Zusammenspiel findet natürlich statt, einerseits sind Museen Arbeit- und Auftraggeber: Kultureinrichtungen bieten vielfältige Arbeits- und Aufgabenbereiche und setzen gemeinsam mit lokalen Unternehmen sehr vieles und auch Innovatives um. Andererseits sind es selbstverständlich auch die Besucherinnen und Besucher, die wirtschaftlich agieren, dort sind also gewisse Effekte zu spüren. Sei es nun der Besuch im Museumsshop, der gemeinsame Bus für die Fahrt, die Einkehr im Gasthaus, der schnelle Kauf im Geschäft gegenüber. Und

natürlich spielen die Museen als Attraktionen auch für den Tourismus eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die kürzlich veröffentliche Studie des WIFO hat insgesamt eine enge Verflechtung des Kunst- und Kulturbereichs mit anderen Wirtschaftssektoren wie dem Handel, der Gastronomie oder dem Transportwesen aufgezeigt.

Die Kultur hat in den vergangenen zwei Jahren gelitten - darunter auch die Museen. Glauben Sie, dass Corona womöglich bleibende Einschnitte im Bereich der Museumsführung hinterlassen haben könnte?

Corona hat im musealen Bereich vor allem eines gezeigt, und zwar, dass Museen nicht auf den Ort beschränkt sein müssen. Vorher gab es meist den klassischen Museumsbesuch, die Besucherin, der Besucher kam ins Haus, und erlebte Ausstellungen, Kunstwerke, Objekte vor Ort, im Museum. Und was ist, wenn diese persönliche Begegnung nicht möglich ist? Die letzten beiden Jahre haben uns alle in den digitalen Raum katapultiert, was, wie wir alle wissen, nicht immer einfach war. Die Museen musste für eine längere Zeit ihre Türen schließen und haben zuerst ihren Platz finden müssen. Es ist dann sehr vieles gemacht worden, es gab Angebote in den sozialen Medien, virtuelle Führungen, Online-Workshops und Schulungen und auch die Sammlungen wurden digital geöffnet, etwa über den Katalog der Kulturgüter Südtirols. Nun haben die Häuser wieder offen, der Besuch vor Ort ist, unter Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen, möglich. Und da hoffen wir, dass auch hier bald weniger vorgeschrieben werden muss. Was bleibt, ist sicherlich dieser digitale Arm, die Onlinepräsenz. Hier haben wir auch als Landesverwaltung den Museen unter die Arme gegriffen, einerseits mit Corona-Hilfen, andererseits mit einer bewussten Förderung der Digitalisierung, wie sie ja jetzt auch im PNRR vorgesehen ist.

Gibt es derzeit vielleicht nennenswerte Projekte, Aktionen oder Vorhaben, um die Museen des Landes zu stärken?

Die Museen in Südtirol werden auf verschiedene Art und Weise gefördert. Einerseits gibt es ja die Südtiroler Landesmuseen, die sich mit zentralen Themen auseinandersetzen. Das Naturmuseum und das Archäologiemuseum in Bozen wie auch das Eccel Kreuzer Museum, in Meran das Touriseum mit der Tourismusgeschichte, in Dietenheim das Volkskundemuseum, das Landesmuseum für Bergbau mit seinen Standorten in Ridnaun, Prettau und Steinhaus. Spannend wird es auch in der Festung Franzensfeste, das sich als Landesmuseum vor allem mit der jüngeren Geschichte Südtirols beschäftigen wird. Andererseits fördern wir mit der Landesverwaltung auch die unterschiedlichen privaten und öffentlichen Museen über das Amt für Museen und museale Forschung. Auch hier geht es um Vielfalt, um die Unterstützung unterschiedlicher Zugänge. Im Fokus steht die Förderung der Sammlungsarbeit, der Arbeit mit den Kulturgütern, den historischen und künstlerischen Objekten, die Basis einer musealen Einrichtung ist, und die Qualitätsentwicklung in den Museen etwa über Weiterbildungsangebote. Und natürlich auch gemeinsame Aktionen wie der Internationale Museumstag, heuer am 15. Mai, mit kostenlosem Eintritt und unterschiedlichen Angeboten. Oder die Museumscard, die vergünstigten Eintritt in viele Einrichtungen ermöglicht, oder jährliche Aktionen wie young&museum, der freie Eintritt in die Museen mit abo+.

Danke für das Gespräch, Herr Arno Kompatscher! (SH)

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