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Gothic Chicks
Gothic
Ch icks
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Text und bild
Jürgen Schmücking
In der Provinz Chungcheongnam, genauer im kleinen Dorf Yeonsan, lebt eine smarte Landwirtin mit ganz besonderen Hühnern.
Unter dem Titel Presidi fördert Slow Food Projekte, die »konkrete Beispiele einer neuen, nachhaltigen Landwirtschaft« darstellen, heißt es auf der Website slowfood.de. »Sie erhalten lokale Ökosysteme, regionale Traditionen und schaffen Lebensmittel von unverwechselbarer Qualität.« L ee Seung Suk ist überzeugte Veganerin, erzählt aber ohne Abscheu von ihrer Kindheit und dem Hundefleisch (und dass es wirklich gut war). Sie züchtet Hühner, von denen ein Gutteil in der Suppe landet, und sie liebt ihre Tiere. Spricht mit ihnen, sucht die Musik für sie aus. Es sind Ogye-Hühner. Als Rasse ganz einfach daran zu erkennen, dass die Hühner kohlrabenschwarz sind. Ayam Cemani heißt die Rasse, die ursprünglich aus Indonesien stammt, aber schon seit einigen Hundert Jahren auch in Korea heimisch ist und hier eben als Ogye-Huhn gezüchtet wird.
Die Hühner sind nicht nur schwarz, sie sind durchgehend tiefschwarz. Federn, Kamm, Krallen, Augen, Knochen. Oft wird behauptet, dass sogar das Blut schwarz sei. Das ist übertrieben, obwohl es schon tief dunkelrot und damit deutlich dunkler als das Blut der ArtgenossInnen ist. Die Ogye-Hühner sind so etwas wie die Sulmtaler Koreas. Eine seltene Rasse, die durch das Presidi-Projekt von Slow Food einiges an Aufmerksamkeit bekommt. Eine der Maßnahmen zum Schutz der Art ist die Trennung in zwei Standplätze, zwei etwa gleich große Betriebe, 100 Kilometer voneinander entfernt. Sollte in einem Betrieb unter den Vögeln eine endemische Krankheit auftreten, ist der Fortbestand der Rasse durch den zweiten Standort gesichert.
Der Biohof von Lee Seung Suk verfügt auch über ein Restaurant. Das Gericht, um das sich alles dreht, ist die Hühnersuppe. Allein dieser Suppe wegen lohnt ein Besuch. Die Zutaten: ein halbes Ogye-Huhn, eine Paprikaschote, eine Yamswurzel. Punkt. Die Suppe wird lange
und langsam gekocht und bekommt ein Aroma und eine cremige Konsistenz, die beispiellos sind. Das Fleisch ist dunkel, aber nicht schwarz, enorm schmackhaft und fest. Es erinnert eher an Federwild als an Hühnerfleisch. Natürlich gibt es im Hofladen auch fermentiertes OgyeFleisch. Wir sind immerhin in Südkorea, dem Hotspot des kontrollierten Verrottens. Außerdem gibt es eine süße Paste, bei der das OgyeFleisch so lange in Honig und Wasser eingekocht wird, bis das Fleisch kapituliert und es eine weiche, karamellisierte Masse wird, die jede Schoko-Nuss-Creme in den Schatten stellt. Das kann übrigens mit jedem Hühnerfleisch und auch in heimischen Töpfen probiert werden.
Wer Ogyes vulgo Ayam Cemani selbst halten oder gar züchten will, sei gewarnt. Kann man machen, ist aber nicht gerade einfach. Sie sehen nämlich nicht nur gothic aus, sie verhalten sich auch so. Kälte macht ihnen nichts aus. Zäune allerdings auch nicht. Alles, was keine drei bis vier Meter hoch ist, wird mit links überflogen und das Entnehmen der Eier ist ein Drahtseilakt. Ogye-Hennen schützen ihre Brut mit Nachdruck, sprich mit offenem Schnabel, Geschrei und gespreizten Flügeln. Da hat auch der Hofhund oft keine Chance.
Lee Seung Suk auf ihrer Hühnerfarm im südlichen Südkorea.
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