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Elternalltag

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Aus dem Verlag

Aus dem Verlag

GESCHMACKS VERBÜNDETE

Grüppchenbildung ist etwas völlig Normales, inklusive Abspaltungen, Splittergrüppchen und Verbündeter.

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TEXT Ursel Nendzig

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn. Meine Familie, wie jedes Grüppchen, teilt sich immer wieder in die unterschiedlichsten Untergrüppchen, es ist wie bei diesem (ich muss zugeben, eigentlich ganz netten) Kennenlernspiel, das auf großen Festen (Ihr erinnert euch? Das war schön.) gespielt wurde. Einer sagt: »Ist schon einmal wo eingebrochen«, und alle, die schon einmal wo eingebrochen sind, stellen sich zusammen, und alle lachen. Ich bin übrigens schon einmal wo eingebrochen, endlich kann ich es einmal sagen: in einem Freibad, nachts und ohne Badegewand. So eine bin ich nämlich.

Die Grüppchen in meiner Familie jedenfalls sind entweder plump, wie: eine, die wo eingebrochen ist, und drei, die (noch) nicht; drei männliche und eine weibliche Person; zwei mit langen Haaren, zwei mit kurzen. Oder etwas subtiler, wie: zwei, die Rechtschreibung verstehen, zwei, die es nicht tun. Zwei, die einen guten Musikgeschmack haben, zwei nicht. Und so weiter. Die Grüppchenbildung beim Essen ist auch lustig, da verhält es sich meistens drei zu eins. Bei Käse zum Beispiel. Ich mag keinen Käse, mochte ihn noch nie und werde ihn leider auch niemals mögen und habe deshalb meinen Kindern niemals Käse verfüttert, weshalb sie auch keinen Käse mögen. Sorry, das geht auf meine Kappe, es ist auch kaum Käse im Haus, denn es ist nun einmal so, dass, wenn der Mann (das Ein-Personen-Käseliebhaberuntergrüppchen) einen Camembert in den Kühlschrank stellt, ich beim Öffnen der Eingangstür einen Würgereiz erleide. Beteuerungen, der Käse sei halt einfach herrlich »reif«, bringen mich nur noch mehr zum Würgen. Entschuldigung, Camembert.

Die Söhne lieben es, für einen uns Elternteile Partei zu ergreifen und sich mit theatralischer Geste zu einem Zweiergrüppchen zu verbinden. Beispiel: die Farbe des Toastbrots. »Gell, Mama, wir sind die, die den Toast so richtig schön dunkel mögen.« Der große Sohn hat sich mir schon als sehr kleiner Bub zur Exotische-Früchte-Fraktion angeschlossen. Seine erste große Liebe waren nicht wie bei der anderen Zweierfraktion Bananen (die zählen ja vom Gefühl her schon fast als heimisch, oder?), sondern Granatapfel und Kiwi. Er war direkt süchtig danach. Dann kam seine erste Mango, er drehte völlig durch. Vielleicht, weil es die nur sehr selten gibt. Aber erklär einmal einem Vierjährigen was von CO2-Fußabdruck und allen möglichen anderen Gründen, lieber Äpfel zu kaufen. Seine Besessenheit hat das nur verstärkt, sodass es sogar zur Bildung einer Ein-Kind-Abspaltung kam, der Ananas-aus-der-Dose-Splittergruppe. Er liebt Ananas aus der Dose. Ananas aus der Dose ist seiner Meinung nach auch die bessere Ananas als die frische Ananas und er sagt auch immer ihren vollständigen Namen: Ananas aus der Dose, danach trinkt er den Saft aus derselbigen. Wenn ich im Supermarkt sage, er darf sich etwas aussuchen, läuft er und holt sich Ananas aus der Dose. Ich habe immer eine Ananas aus der Dose auf Vorrat, falls er traurig/müde/kränklich/mit einem Vierer auf die

Deutschschularbeit heimgekommen/hangry ist. Zu meinem Glück ist Ananas aus der Dose völlig geruchsneutral, man stelle sich vor, er hätte sich der Camembert-Gruppe angeschlossen.

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