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ERBSÜNDE

Bei uns in der Familie gibt es eine klare Regel: Jeder schaut, was er erbt. Und zwar rechtzeitig!

Ich war in etwa so alt wie meine Kinder – 10, 12 Jahre alt – als mein Papa mir und meinen Geschwistern verkündete: »Ihr werdet eines Tages nichts erben.« Er selbst habe nichts von seinen Eltern geerbt und genauso würde er es auch halten. Er habe geplant, mit 80 ins Gras zu beißen (seine Worte) und bis dahin jeden Schilling (es waren die 90er-Jahre) ausgegeben zu haben. »Fun«-fact: Diesen Sommer wird er 80, bisher geht es ihm blendend, aber ich, die ich eben sehr wohl etwas von ihm geerbt habe, nämlich den Hang zum Morbiden, werde ihn selbstredend an seinem Geburtstag an seinen Plan erinnern.

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Auch bei meiner Oma wurde das Erbschafts-Thema nicht viel sensibler behandelt. Eher im Gegenteil. So verteilten meine Geschwister, Cousins und Cousinen und ich schon früh imaginäre Aufkleber, die wir virtuell auf jenen Dingen platzierten, die wir eines Tages, wenn die Oma nicht mehr wäre, bekommen wollen. Es entbrannten heiße Diskussionen, etwa um einen kleinen blechernen Schokolade-Automaten von vor dem Krieg, in den man eine 1-Pfennig-Münze werfen musste und dann kam ein zuvor eingefülltes Schokotäfelchen heraus. Diese Diskussionen führten wir selbstverständlich in Anwesenheit der Vererbenden, die daraufhin versuchte, zumindest die Likörbestände mit ins Grab zu nehmen und sich fleißig nachgoss.

Meine Cousine hat übrigens das Rennen um den Schokolade-Automaten gemacht. Grmpf. Ich habe dafür eine kleine silberne Schildkröte geerbt (oder gewonnen?). Man kann sie aufklappen und darin Süßstoff- oder beliebige andere kleine Pillen aufbewahren. Das Schwänzchen der Schildröte ist zugleich ein klitzekleines Zängchen, mit dem man die Pillen herausnehmen kann. Und jedes Mal, wenn meine Cousine und ich uns treffen, lachen wir die jeweils andere aus, dass sie ihren Aufkleber auf das vermeintlich schlechtere Erbstück geklebt hat.

Für meine Kinder ist es also völlig normal, sich bereits jetzt auszuschnapsen, wer einmal was bekommt. Am liebsten bei den Großeltern. Was mein Papa nämlich nicht bedacht hat: dass er zwar sein ganzes Geld ausgeben kann, aber dann ja jede Menge Nippes dafür herumsteht, den er mit dem Geld gekauft hat. So etwa ein massiver Glas-Stier, von grünen und blauen Schlieren durchzogen, den er im Wanderrucksack von der Insel Murano heimtransportiert hat. Und wofür er (vermutlich »dieses Geld bekommen sie nicht!«-feixend) einen riesigen Haufen Scheine dort gelassen hat. Der größere Sohn liebt dieses Glas-Scheusal und erinnert seinen Opa jedes Mal: »Den bekomm ich, wenn du tot bist!«

So wird er seinen Opa auch an dessen runden Geburtstag wieder daran erinnern. Und so geht es weiter in unserer Familie, von wegen: Wir vererben nix.

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MOZZARELLA gerieben, mind. 40% Fett i. Tr.

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