Impressum
Das Buch wurde erarbeitet am Fachbereich Architektur und Innenarchitektur der Hochschule Darmstadt www.fba.h-da.de Stiftungsprofessur CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz GmbH und Knauf Gips KG Konzept Hedwig Wiedemann-Tokarz und Kerstin Schultz Lektorat Anke Schild Projektkoordination Alexander Felix, Lisa Schulze Herstellung Katja Jaeger Visuelle Gestaltung Peter Dieter und Dorothea Talhof www.formalin.de
Ausgaben Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN PDF 978-3-0356-0889-2; ISBN EPUB 978-3-0356-0898-4) sowie in englischer Sprache erschienen (ISBN 978-3-0356-1112-0).
Papier 150 g/m2 Edixion Offset Druck Offsetdruckerei Karl Grammlich GmbH Weiterverarbeitung Lachenmaier GmbH
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Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF ∞ Printed in Germany
© 2016 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston ISBN 978-3-0356-1111-3 9 8 7 6 5 4 3 2 1 www.birkhauser.com
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Vorwort
08 Einführung 10 12 14 18
Qualitäten Raumvielfalt Gestalt und Textur Farbe und Licht
20 Raumkonzepte 22 24 28
Struktur und Ausbau Raumkonzepte im Bestand Strukturbildende Elemente
34 Raumbedingungen 36 40 44 50 54 60
Raumklima Bauakustik und Raumakustik Reflexion und Absorption Tageslicht Kunstlicht, Raum und Farbe Integraler Ausbau
62 Material 64 66 68 70 72 76 77 80
Rohstoff und Baustoff Gips Material und Oberfläche Strukturen und Ornamente Kuppeln Platten und Formteile Werkzeuge Gefaltete und gebogene Platten Profile und Konstruktionsraster
82 Raumbildende Elemente 84 92 104 112 122
Wandbekleidungen Deckenbekleidungen Bodenaufbauten Scheiben und Zellen Raum-in-Raum-Systeme
132 Fügen, verbinden, trennen 134 142
Öffnungen und Türen Fugen, Fügung und Verbindungen
148 Anhang 150 152 154 155 156 157 160
Definitionen, Werte, Maße Normen und Richtlinien Literatur Adressen Broschüren und Merkblätter Index Bildnachweis
Inhalt
Leichte Konstruktionen können als Raumkörper, Scheiben oder Schalen vielfältig eingesetzt werden: gliedernd, raumbildend oder raumtrennend. Messestand Fa. Occhio, Light and Building, Frankfurt, 2010, Drändle 70|30 Corporate Architecture
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Einführung
Leichtbau im Automobilbau, Karosserie-Gitterrohrrahmen „Mille Miglia“, BMW-328-Kamm-Rennlimousine, 1939, BMW
Der nicht tragende, raumbildende Ausbau von Gebäuden mit vorwiegend trockenen Baumaterialien wird als Trockenbau bezeichnet. Der Oberbegriff vereint vielfältige Konstruktionsarten: Schalen und Verkleidungen zählen ebenso dazu wie Wände, Böden, Decken, Scheiben, dreidimensionale Körper und Raumin-Raum-Systeme. Die zur Verfügung stehenden Materialien, beispielsweise Holz, Gips oder Metall, und die dazugehörigen Verarbeitungstechniken erlauben eine maximale gestalterische Freiheit in Bezug auf Form und Oberfläche. Kantige, präzise gefaltete Strukturen sind genauso möglich wie gekrümmte freie Formen, zwei- oder dreidimensional gebogene Flächen und filigrane Fräsungen. Je nach Entwurfskonzept kann sich die Oberfläche hochglänzend poliert, glatt matt, rau, strukturiert, perforiert, geknickt oder mit gefrästen Ornamenten zeigen. Diese Techniken können auf unterschiedlichen, den Gegebenheiten angepassten Unterkonstruktionen ausgeführt werden und sich so nahtlos als Bekleidung oder Schale über alle vertikalen und horizontalen Flächen ziehen oder frei im Raum stehende Körper bilden. In der Regel wird unter „Trockenbau“ das Bauen mit Gipsplatten verstanden, tatsächlich sind jedoch deutlich mehr Materialien unter diesem Begriff vereint. Meist wird die Grundgeometrie der Form durch eine Unterkonstruktion aus stabförmigen Elementen und die sichtbare Oberfläche aus Plattenmaterial gebildet. Beides zusammen ergibt eine ausgesteifte, selbsttragende Struktur. Verbreitet sind Systeme auf Gipsbasis, Metall- und Mineralfaserbasis sowie Konstruktionen aus Holzplatten. Allen gemeinsam sind die Verwendung von standardisierten Platten und Profilen und das im Vergleich zu massiven Bauteilen relativ geringe Eigengewicht.
Die Bauweise ist eine Weiterentwicklung der Techniken des traditionellen Stahl- und Holzleichtbaus. Die ersten gipsbasierten Trockenbauplatten wurden in Deutschland in den 1950er-Jahren hergestellt, der Durchbruch der Bauweise erfolgte aber erst in den 1970er- und 1980er-Jahren. Vorher waren massive Konstruktionen mit tragenden Bauteilen oder mit Lehm oder Ziegeln ausgefachte Holzkonstruktionen üblicher. Leichte Konstruktionen können vielfältig eingesetzt werden. Grundrisskonfigurationen sind nicht mehr starr wie beim traditionellen Massivbau, sondern können flexibel an wechselnde Raumanforderungen angepasst werden. Trockene Konstruktionen erfüllen eine gliedernde, raumbildende oder raumtrennende Funktion und können die bauphysikalischen Raumbedingungen beeinflussen. Durch die Wahl der entsprechenden Plattenmaterialien, durch die Ergänzung weiterer Schichten und die Befüllung der Hohlräume, zum Beispiel mit Dämmstoffen, können die Konstruktionen hohen Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz, Raumakustik, Wärmeschutz oder Strahlenschutz gerecht werden. Dies gilt sowohl für die Verbindung von Räumen untereinander als auch für die von Räumen und technischen Installationen. Das folgende Kapitel zeigt die Möglichkeiten und Vorteile der Bauweise in Bezug auf Flexibilität, Nachhaltigkeit, Geschwindigkeit, Ökonomie und gestalterische Aspekte auf.
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Scheibe Je nach ihrer Position im Raum kann eine Scheibe zonieren, Funktionen trennen oder den Nutzer durch den Raum leiten. Zelle Wände formen im Bestand neue abgeschlossene Räume. Sie übernehmen raumtrennende Funktionen und beeinflussen die Bauteileigenschaften. Beispiel: Showroom Kris van Assche, Paris, 2013, Ciguë
Leichte Ausbauelemente ergänzen oder kontrastieren die tragende Struktur und schaffen Räume und Atmosphären.
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Ergänzung/Erweiterung Eine Ergänzung dockt an den Bestand an und komplettiert das Raumangebot außerhalb des Volumens.
Körper/Implantat Frei im Raum stehende oder angedockte Körper schaffen Raum für ergänzende Funktionen oder Infrastruktur, ohne den Bestand zu stören. Das Raumangebot wird innerhalb des Bestands ergänzt.
Beispiel: Rucksackhaus, Leipzig, 2004, Stefan Eberstadt
Beispiel: 2Raumwohnung, Berlin, 2006, Behles & Jochimsen Architekten
Schale Schalen können der Kontur des Bestands folgen oder sie überformen. Sie verleihen dem Raum eine neue Plastizität.
Raumvielfalt
Beispiel: Ausstellungsvitrinen Museum Grube Messel, 2010, Holzer Kobler Architekturen
Raum-in-Raum-Systeme Auf kompakter Grundfläche können Raum-in-Raum-Systeme Nebenräume und Infrastruktur aufnehmen. Werden sie zu dreidimensionalen Körpern im Raum, schaffen sie komplexe Raumbeziehungen und Gefüge. Beispiel: Wohnhaus, Azeitao, 2006, Aires Mateus & Associados
Bekleidungen Eingestellte Schalen können die Raumwahrnehmung komplett verändern. Bekleidungen bilden eigene Oberflächenqualitäten aus, auch in Bezug auf komplexe technische oder bauphysikalische Anforderungen wie zum Beispiel die Raumakustik. Beispiel: Konzerthaus, Kopenhagen, 2009, Ateliers Jean Nouvel
Funktionswand Innerhalb der Konstruktionsebene oder im Zwischenraum zur Tragstruktur entsteht Raum für Nischen, Einbauten, Möbelelemente oder technische Infrastruktur. 13
Die Schale ist ein visuell, haptisch und räumlich erfahrbarer Raumabschluss. Sie kann sich als Funktionswand nach innen oder außen stülpen und integriert Möblierungselemente, Installationen, kleinere Räume oder Funktionsbereiche. 1 2 3 4
Elemente in Benutzung Schema Türen Schema Funktionsschale Elemente halb ausgezogen 1 2
Beispiel funktionale Schale Eine in den vorhandenen Raum eingestellte Raumschale bildet einen eigenständigen Raum im Raum. In die Raumschale sind für die Aufnahme von Materialien und Funktionen flächenbündige Klappen und Schubladen eingelassen, die sich nur durch sehr schmale hinterleuchtete Fugen auf der Oberfläche andeuten. Sie zeichnen stark abstrahiert die dahinter verborgenen Gegenstände nach. Diese „Zeichnung“ auf der Wand verräumlicht sich in den Raum, sobald die einzelnen Möbelobjekte geöffnet werden. Schirnstudio, Frankfurt, 2012, Meixner Schlüter Wendt Architekten
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Strukturbildende Elemente Neben der Raumkontur und der Geometrie kann eine Raumschale auch die bauphysikalischen Raumbedingungen durch ihre Materialität stark beeinflussen.
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Konzertsaal, Technik und Bühnenlicht in Fugen Schematischer Schnitt Konzertsaal, Raumlicht in Fugen
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Beispiel akustisch wirksame Schale Der Konzertsaal ist komplett mit einer Schale aus Holz ausgekleidet, die sich über alle Oberflächen des Raums zieht. Form, Konstruktion und Material werden von den Anforderungen der Raumakustik an einen Konzertsaal bestimmt. Der Saal hat eine lange Nachhallzeit und ist damit auf Opern und Konzerte ausgerichtet. Die technischen Elemente wie Licht und Lüftung sind in die Schale integriert. Zwischen den einzelnen Schollen der Schale sind LEDs zur Raumbeleuchtung, Lüftungsauslässe und alle anderen notwendigen technischen Elemente untergebracht. So behalten die einzelnen Schollen eine ungestörte homogene Oberfläche, die den Raum als schützende Hülle erfahrbar macht und die visuelle Distanz zwischen Publikum und Orchester verringert. 1
Festival Hall, Erl, 2012, Delugan Meissl Associated Architects
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Raumkörper sind unabhängige Raumvolumen im Bestand. Je nach Position und Dimension ergeben sich neue Zonen oder Wege, und es werden auf kompakte Weise Funktionen oder Räume ergänzt. 1
1 Dialog Raumkörper und Bestand 2 Schematischer Grundriss 3 Geschwungene Form 3
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Beispiel Raumkörper Der im Rahmen der Architekturbiennale errichtete Raumkörper spielt mit der Auflösung der Grenzen zwischen Wand, Boden und Decke. Das starre Material wirkt biegsam wie Textil, alle Flächen werden zu einer fließenden Form vereint. Im Inneren entstehen Räume, die den Besucher zum Erkunden und Beobachten einladen. The Changing Room, Venedig, 2008, UNStudio
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Beispiel Raumkörper Eine ehemalige Büroetage wurde zur Arztpraxis umgewandelt. Ein frei im Raum stehender Körper integriert die Stützen des Bestands. Er nimmt alle Funktionsbereiche und notwendigen technischen Installationen auf, die Erschließung erfolgt als Umlauf im Raum zwischen Körper und Hülle des Bestands. Mit seiner sorgfältig hergestellten, rauen Textur und seiner Farbigkeit hebt sich der Körper von den roh belassenen Oberflächen des Bestands ab. Praxis Dr. B, Filderstadt, 2010, AMUNT Architekten Martenson und Nagel Theissen
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Als selbsttragendes Objekt integriert der Raumkörper die tragende Struktur des Bestands oder negiert sie. Er fügt sich in die Geschossigkeit und Außenhülle ein oder durchdringt als Implantat beide. In Abhängigkeit vom gestalterischen Konzept können Raumkörper die Geometrie des Vorhandenen aufnehmen oder völlig freie Formen annehmen.
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1 Dialog Raumkörper und Bestand 2 Schematischer Grundriss 3 Einschnitte im Raumkörper bilden Tresen
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Absorbertypen 1 Poröser Absorber: Schaumstoff, Akustikplatten, Teppich, Mineralwolle, Textilien 2 Plattenabsorber mit gedämmtem oder ungedämmtem Hohlraum 3 Gelochter Absorber 4 Helmholtzresonator 1
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Der Absorptionsgrad der Oberflächen beeinflusst die Wahrnehmung von Raumgröße und Atmosphäre. Absorbierende Materialien Poröse Materialien nehmen den Schalldruck auf und absorbieren ihn. Dies bedeutet, dass die Energie aus dem Schall in Verformungen oder Bewegungen im Material und damit in Reibungswärme umgewandelt wird. Die akustische Absorption ist abhängig von Masse, Gewicht, Beschaffenheit der Materialoberfläche und Frequenz. Die Wirkungsfähigkeit eines Materials als Absorber für eine bestimmte Frequenz wird als Absorptionsgrad Alpha bezeichnet. Er kann die Werte zwischen Alpha gleich 0 für die totale Reflexion und Alpha gleich 1 für die totale Absorption annehmen. Für akustische Produkte werden die Absorptionsgrade in den technischen Produktunterlagen dokumentiert. Meist basieren diese Daten auf Messungen, die in einem Prüflabor nach DIN EN ISO 354 durchgeführt werden (internationale Standardmessung der Schallabsorption in Hallräumen). Absorbierende Oberflächen reduzieren den Nachhall. Durch die Fläche und Anordnung der absorbierenden und reflektierenden Flächen kann die Raumakustik gezielt gesteuert werden. Auch der Mensch fungiert als Absorber für die mittleren und hohen Frequenzen. Zu berücksichtigen ist bei der Planung, dass eine zu starke Überdämpfung eines Raums, etwa durch schallabsorbierende Decken, Teppichbeläge und Polsterbestuhlungen, die Sprachverständlichkeit und Silbenverständlichkeit stark reduziert.
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Poröse Absorber Die Eigenschaften eines Absorbers hängen vom Material und der Materialstärke ab. Bei welcher Frequenz der Absorptionsgrad von porösen Materialien oder Akustikplatten am höchsten ist, variiert je nach Öffnungsflächenanteil und Lochgröße. Für die Absorption von höheren Frequenzen ist ein großer Anteil von kleinen Öffnungen günstig, da hier die Wellenlänge kleiner ist. Meist werden absorbierende Materialien in Form von Platten, Putz oder Gewebe direkt auf die Wandoberflächen aufgebracht. Reicht diese Fläche nicht aus, können Baffeln oder andere dreidimensionale Formen die Oberfläche und damit die Wirksamkeit vergrößern. Resonanzabsorber Plattenabsorber oder Resonanzabsorber funktionieren nach dem Prinzip des Feder-Masse-Systems. Sie bestehen in der Regel aus biegeweichen Platten, die mit Abstand zur Wand montiert sind. So werden abgeschlossene oder teilweise offene Hohlräume gebildet, in denen die Luft die Energie aus den Schallwellen aufnimmt. Die Wirksamkeit ist insbesondere durch die langen Schallwellen im unteren Frequenzbereich gut. Mittels Variieren des Abstands zur Wand, der Plattenlochung und der Dämmung lässt sich der maximale Absorptionsgrad gezielt an einen bestimmten Frequenzbereich anpassen. Eine besondere Form des Plattenresonators ist der Helmholtzresonator, bei dem die Schallwellen im „Flaschenhals“ zu einem abgeschlossenen Hohlraum durch Reibung absorbiert werden. Dieser kann als kleinste Variante auch die Lochung in Akustikplatten sein.
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Absorber im Raum a Baffeln b Akustikdecke c Wandpaneele d Wandverkleidung e Teppich f Vorhang g Absorbierende Pinnwand h Schallstreuendes Segel i Akustikputz
3 Absorbierende Materialien 1 Melaminharzschaumstoff 2 Gelochte Gipsplatten 3 Gefrästes Muster 4 Geschlitztes Holz 5 Gefärbte Holzwolleplatten 6 Textiler Absorberfilz, gesmokt, Anne Kyyrö Quinn 7 Textiler Absorberfilz, gefaltet, Anne Kyyrö Quinn 8 Akustisch wirksame Decke mit Baffeln, Handelskammer, Hamburg, 2014, Johann von Mansberg Architekten und Hörter + Trautmann Architekten 9 Akustikputz
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Kunstlicht kann den Raumeindruck verstärken oder völlig verfremden. 1 Interaktion von Raumobjekt und Lichtobjekten, Büroraum, Amsterdam, Niederlande, i29 Interior Architects 2 Schlaglicht wirft präzise gezeichnete Schatten, LebenAusGestorben, Ausstellung zum 100-jährigen Jubiläum, Waldfriedhof Darmstadt, 2014, Umsetzung: Jule Bierlein, Frank Jochem, Yordanka Malinova, h_da, in Kooperation mit dem Theater Transit
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Kunstlicht Kunstlicht im Raum hat neben der Funktion, fehlendes Tageslicht auszugleichen und eine der Tätigkeit angemessene Beleuchtung zu schaffen, auch eine wichtige gestalterische Komponente. Im Gegensatz zum Tageslicht sind Beleuchtungsstärke, Richtung und Lichtfarbe genau definierbar und steuerbar. Gezielt platzierte Leuchten schaffen Fokuspunkte und Akzente, was besonders beim Verkauf von Waren von hoher Relevanz ist. Als Lichtobjekte können sie in Dialog mit den Raumobjekten und Möblierungselementen treten. Streiflicht ruft statischen Schattenwurf hervor und betont die Plastizität von Oberflächen und Körpern. Weiches diffuses Licht hingegen kann die Raumkanten verschleiern. Durch die Kombination von verschiedenen separat schaltbaren Leuchten können Lichtszenarien geschaffen werden, die die Atmosphäre beeinflussen oder sogar den Raumeindruck komplett verändern.
In Abhängigkeit von der Lichtfarbe kann jeder Lampe eine Farbwiedergabestufe Ra im Bereich von 1 bis 100 zugeordnet werden, wobei alle Stufen über 80 Ra als gute Farbwiedergabe eingeordnet werden können. Farbiges Kunstlicht kann jedoch auch bewusst eingesetzt werden, um die Erwartungen des Betrachters zu irritieren und die Farbwiedergabe absichtlich zu verfälschen.
Kunstlicht und Farbwiedergabe Die Qualität der Farbwiedergabe wird sehr stark vom Leuchtmittel bestimmt. Definiert wird die Farbtemperatur des Lichts in Grad Kelvin. Das als warm empfundene rot-orange-gelbe Lichtspektrum reicht von ca. 1 500 bis 3 300 K, ein Spektrum von 3 300 bis 5 000 K wird als neutralweißes Licht mit typischem Kunstlichtcharakter wahrgenommen, und das kalt wirkende blaue Lichtspektrum von ca. 5 000 bis 9 000 K ähnelt dem Zenitlicht.
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Kunstlicht, Raum und Farbe
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1
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Beispiel verfremdete Farbwahrnehmung durch Licht In einem weißen Raum stehen Objekte aus Armierungseisen, die Grenzzäune auf blauem Sand repräsentieren. Durch fließende Wechsel der Lichtfarbe ändern sich die Farben der Objekte im Raum völlig, Hell und Dunkel kehren sich um, das Blau wird im gelben Licht grün, im rotem Licht fast schwarz. Der Betrachter kann nicht mehr sicher einordnen, ob das Sichtbare die Materialfarbe oder die Lichtfarbe ist.
Lichtfarbe Weiß – Materialfarben sind sichtbar Lichtfarbe Magenta – Blau wird verstärkt Lichtfarbe Gelb – Blau wirkt grün Lichtfarbe Rot – Blau wirkt schwarz Optische Verkürzung des Tunnelraums durch Farbe und Licht Schematischer Grundriss mit echten Längenverhältnissen
Pavillon of the Republic of Kosovo: „Speculating on the Blue“, Biennale Venedig, 2015, Flaka Haliti
Beispiel veränderter Raumeindruck durch Licht Ein langer unterirdischer Verbindungsgang wird durch den Einsatz von farbigen Flächen und farbigem Licht strukturiert. Obwohl die einzelnen Farbflächen im Grundriss deutlich unterschiedliche Längen aufweisen, sind sie in der perspektivischen Ansicht scheinbar gleich lang und lassen dadurch den Raum stark verkürzt wirken. Farbige Deckenflächen bilden zusammen mit farbigem Licht flächige Raumeinheiten, die durch asymmetrische Anordnung von Schrift variieren. Es entsteht der Eindruck des Durchschreitens farbiger Portale, die teilweise nur durch Spiegelung und Reflexion entstehen. Neugestaltung Tunnel zwischen dem Alice-Hospital und der Kinderklinik Darmstadt, 2015, Umsetzung: Natascha Roth, Hochschule Darmstadt
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gelb
grün
blau
rot
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Werkstoffe auf Gipsbasis zeichnen sich durch die Wandelbarkeit ihrer Erscheinung und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten aus. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
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Gegossenes, durchgefärbtes Gipsrelief Gefrästes Relief, Gipsfaserplatte Gipsfaserplatte mit Fräsung für Fußbodenheizung Gipsplattenstapel Gegossenes Gipsrelief Muster verschiedener Lochungen und Reliefs Gelochte Gipsplatte Beschichtete Wand Strukturierter Putz Geprägter und eingefärbter Putz Strukturierter Putz Durchgefärbter Akustikputz
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Material
Alle vorgestellten Raumkonzepte lassen sich mit wenigen Grundmaterialien umsetzen. In der Regel werden formgebende und tragende Unterkonstruktionen aus Holz oder Metall mit einer oder mehreren Schichten von Plattenwerkstoffen auf Holz- oder Gipsbasis verkleidet. Diese steifen die Konstruktion aus, und ihre oberste Schicht ergibt ähnlich einer Haut die sichtbare Oberfläche. Erweitert wird das Materialspektrum je nach Anforderung durch Metall, Glas und Kunststoffe. Zusätzliche Schichten aus Dämmstoffen oder spezielle Plattenmaterialien verbessern die bauphysikalischen Eigenschaften der Konstruktionen. Diese Platten werden jeweils für definierte Rahmenbedingungen hergestellt, zum Beispiel zementgebundene Platten für den Einsatz in feuchter Umgebung, besonders schwere Platten für den Schallschutz oder Platten mit eingeschlossenen PCM-Partikeln zum Einsatz als thermische Masse.
Im Folgenden soll ein Überblick über die im trockenen Ausbau üblichen Materialien und Baustoffe sowie ihre Ver- und Bearbeitungstechniken und Einsatzbereiche gegeben werden. Materialien auf Gipsbasis entwickeln erst durch die Oberflächenbearbeitung ihre „Materialität“ und Wirkung. Je nach Bearbeitung und Behandlung wirkt das Material glänzend bis spiegelnd, reflektierend oder stumpf-matt und erdig. Bei der Auswahl der Materialität der Oberflächen muss berücksichtigt werden, ob eine Fläche aus der Nähe oder aus der Distanz betrachtet wird, welche Atmosphäre der Raum hervorbringen soll und welche Maßstäblichkeit erzeugt werden soll. Hinzu kommt, dass die charakteristischen Eigenschaften der Baustoffe in Bezug auf ihr bauphysikalisches Verhalten höchst unterschiedlich sind. Reflexionsverhalten, Raumakustik und Wärmeverhalten bestimmen unser haptisches und sensorisches Empfinden. Somit haben Materialität, Struktur und Textur auch direkten Einfluss auf unsere Behaglichkeit. In diesem Zusammenspiel müssen alle Elemente ihre spezifischen Wirkungsweisen entfalten können und gemeinsam das übergeordnete Ganze ergeben.
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Gips wird bereits seit Jahrhunderten als Wandputz oder Stuckgips eingesetzt und ist somit Teil unserer kulturellen Identität.
Gips Gipsbasierte Baustoffe wurden bereits in der Antike als Mörtel für Mauerwerk verwendet; im Mittelalter dienten sie häufig als Bindemittel für Estrich. Später wurde vor allem die freie Formbarkeit des Materials Gips durch Gießen, Schnitzen oder schichtweisen Aufbau geschätzt. Im Barock ließen kühne freie Verzierungen aus Gipsstuck die Grenze zwischen schweren massiven Bauteilen und immateriell-schwebenden Konstruktionen verschwimmen. Im Innenausbau wird Gips in den unterschiedlichsten Formen verwendet: In Pulverform wird er zusammen mit Zusatzstoffen und Wasser zu Anhydridestrich. Zusammen mit Wasser ist Gips in Form von Stuck oder Putz frei formbar, oder er wird industriell zu Platten und Bauelementen verarbeitet, die „trocken“ eingebaut werden können.
Gipskreislauf
Rohstoff Gipsstein Ca [SO4] · 2H2O
Beim Abbinden/Erhärten kristallisiert der Gipsbrei mit dem Anmachwasser unter Abgabe von Wärmeenergie Ca [SO4] · 2H2O + n - 1½H2O
Beim Brennen wird Wasser entzogen Ca [SO4] · ½H2O + 1½H2O Es entsteht Stuckgips (Kalziumsulfat-Halbhydrat) Ca [SO4] · ½H2O
Beim Anmischen wird Wasser wieder zugefügt Ca [SO4] · ½H2O + nH2O
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Rohstoff und Baustoff Die freie plastische Formbarkeit von Gips beruht auf seiner chemischen Zusammensetzung. Naturgips wird in Form von Gipsstein, einer Verbindung von Calciumsulfat und Wasser, abgebaut bzw. als Anhydrit, wenn große Hitze und Druck gegeben waren. Sein Vorkommen ist relativ häufig. Je nach geologischen Rahmenbedingungen wird das Gestein im Tagebau oder unter Tage abgebaut. Mehr als die Hälfte des verarbeiteten Reinwerkstoffs Gips wird heute in Rauchgasentschwefelungsanlagen, als sogenannter REA-Gips, gewonnen. Sowohl aus der Natur als auch industriell gewonnener Gips zeichnet sich durch vollständige Recycelbarkeit und Freiheit von Schadstoffen aus. Um den Rohstoff Gipsstein zu einem Baustoff weiterzuverarbeiten, muss er zerkleinert und das Wasser durch Brennen entzogen werden. Mit der Temperatur beim Brennvorgang lassen sich Festigkeit und Abbindezeit beeinflussen, um Gipse mit spezifischen Eigenschaften für verschiedene Anwendungen herzustellen, beispielsweise Stuckgips, Putzgips oder Gips für Plattenmaterialien. Der Baustoff Gips wird mit Wasser „angemacht“ und erhärtet an der Luft unter Abgabe von Wärmeenergie wieder zu Gipsstein, wobei das überschüssige Anmachwasser verdunstet. Beim Abbindevorgang kristallisiert Gips ohne Schwinden in der gewünschten Form aus. Dieser Prozess ist ein beliebig oft umkehrbarer Kreislauf, sodass auch aus Gipsbauabfällen Gips zurückgewonnen werden kann. Dieser wird von spezialisierten Recyclingunternehmen zu einem neuen Gipsrohstoff aufbereitet. Innenausbaumaterial Dank seiner dauerhaften Fähigkeit zur Wasseraufnahme und -abgabe wirkt sich der Baustoff Gips positiv auf das Raumklima aus. Das Material nimmt Feuchtigkeit aus der Luft in seinen Poren auf und gibt sie wieder ab. Allerdings ist Gips nicht für Räume mit dauernder Feuchtigkeitseinwirkung geeignet, da eine ständige Wassereinwirkung das Material löst. Der Baustoff hat eine gute Festigkeit und geringe Wärmeleitfähigkeit. Aufgrund der chemischen Eigenschaften von Gips sind alle Platten nicht brennbar – das Kristallwasser im Gips wird durch die Erwärmung im Brandfall freigesetzt und schützt vor einem zu schnellen und großen Anstieg der Temperaturen an der Plattenrückseite. Die hohe Anzahl an Makroporen in den Platten wirkt regulierend auf das Raumklima, indem Wasserdampf schnell absorbiert und wieder abgegeben wird.
Rohstoff und Baustoff Gips
Rohgips
Gipsbinder zur Direktverwendung oder Weiterverarbeitung
Direktverwendung auf der Baustelle
Weiterverarbeitung
Werkgemischte Gips-Trockenmörtel
Gips-Trockenmörtel für besondere Zwecke
Vorgefertigte Elemente, z. B.
Gips-Putztrockenmörtel Gipshaltiger Putztrockenmörtel Gipskalk-Putztrockenmörtel Gipsleicht-Putztrockenmörtel Gipshaltiger Leicht-Putztrockenmörtel Gipskalkleicht-Putztrockenmörtel Gipstrockenmörtel für Putz mit erhöhter Oberflächenhärte
Gipstrockenmörtel für faserverstärkte Gipselemente Gipstrockenmörtel Gipstrockenmörtel für Akustikputze Gipstrockenmörtel für Wärmedämmputze Gipstrockenmörtel für Brandschutzputze Gipstrockenmörtel für Dünnlagenputze
Gipsplatten Gips-Wandbauplatten Faserverstärkte Gipsprodukte Gipselemente für Unterdecken Faserverstärkte Gipsplatten
Baustoffe auf Gipsbasis
Rohstoff Gips 1 Anhydrid Ca [SO4] – ohne Kristallwasser 2 Anhydridabbau unter Tage 3 Gebrannter Gips: Gipspulver 4 Gipsabbau im Steinbruch 5 REA-Gips
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Linear gekrümmte Formen können aus Gipsplatten in Abhängigkeit vom Radius entweder nass oder trocken gebogen werden. Gekrümmte Formen Gipsplatten lassen sich in trockenem Zustand – will man ein Brechen vermeiden – nur in Radien > 1000 mm biegen. Kleinere Radien ab minimal 300 mm werden nass gebogen. Die Platten lassen sich durch ihre Kantenausbildung und die Richtung der Fasern im Karton grundsätzlich nur längs biegen und müssen, wenn geometrisch erforderlich, entsprechend gekürzt und angesetzt werden. Je nach Biegeradius können beide Systeme ergänzend eingesetzt werden. Zur Stabilisierung der Form ist ein zweilagiger Einbau mit versetzten Fugen sinnvoll. Bei der Herstellung kann die Sichtseite sowohl innen als auch außen liegen. Besonders geeignet sind sogenannte Formplatten mit einer Dicke von nur 6,5 mm. Nassbiegen Mit diesem Verfahren werden im Vorfeld der Montage gekrümmte Platten über einer Form hergestellt. Dafür werden die Platten mit der zu stauchenden Seite nach oben zunächst mit einer Nadelwalze perforiert und dann wiederholt mit Wasser genässt,
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bis die Platte gesättigt ist und überschüssiges Wasser abfließt. Im Anschluss an eine kurze Einwirkungszeit werden die Platten auf eine vorgeformte Unterkonstruktion aufgebracht und fixiert. Nach dem Trocknen behält die Platte die Form und kann auf die Unterkonstruktion montiert werden. Änderungen an der Form können durch erneutes Nässen und Trocknen vorgenommen werden. Trockenbiegen Bei größeren Radien können trockene Platten im Biegeradius quer auf eine vorher ausgerichtete Unterkonstruktion aus formbaren oder vorgeformten Profilen aufgebracht und verschraubt werden. Bei kleineren Biegeradien müssen die Platten vorher eng geschlitzt werden. Durch sorgfältiges Verspachteln entsteht eine glatte Oberfläche.
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3 1 Perforieren mit der Nadelwalze 2 Nässen 3 Nasse, perforierte Platte 4 Platte wird über Schablone gebogen 5 Gebogene Platten
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Schematische Darstellung Biegetechnik 3 Nassbiegen Platte 6,5 mm r > 300 mm Platte 9,5 mm r > 500 mm Platte 12,5 mm r > 1 000 mm 4 Trockenbiegen mit kleinem Radius Trockenbiegen mit großem Radius (Bild 7) Platte 6,5 mm r > 1 000 mm Platte 9,5 mm r > 2 000 mm Platte 12,5 mm r > 2 750 mm
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Varianten: Biegen 1 Sinusprofil als UK für gebogene Wände, wird ergänzt durch gerade Profile in der Vertikalen 2 UK gebogene Wand, gebogene Profile, werden ergänzt durch gerade Profile in der Horizontalen 5 Eine geschlitzte Platte wird gebogen und auf UK fixiert 6 Spachteln 7 Trockenbiegen großer Radius 8 Trockenbiegen Kuppelform
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Die Deckenform, Struktur und Materialität bestimmen die Atmosphäre und den Klang des Raums maßgeblich. Deckenbekleidungen Ungestört von Möblierung bildet die Deckenfläche die größte wahrnehmbare zusammenhängende Fläche eines Raums. Der Integration von Leuchten und sonstigen technischen Einbauten kommt aufgrund ihrer Prägnanz eine wesentliche Bedeutung zu. Bei ausreichender Raumhöhe besteht die Möglichkeit, sämtliche Installationen im Hohlraum zwischen Rohdecke und einer abgehängten Decke zu verstecken. Abgehängte Deckensysteme können in ihrer Ausführung und Anmutung von glatten schlichten Elementen bis hin zu Körpern, Faltungen oder Mikrostrukturen hin variieren. Sie prägen den Raum wesentlich. Die Decke selbst kann je nach Ausführung Brandschutz, Strahlenschutz oder Schallschutz bieten, als Lichtelement dienen und die Raumakustik verbessern. Unterschieden wird zwischen Bekleidungen, die direkt an der Rohdecke befestigt sind, abgehängten Decken und freitragenden Systemen. Die Auswahl des Systems folgt geometrischen, gestalterischen und technischen Anforderungen. Die Unterkonstruktion besteht in der Regel aus einem abgehängten oder direkt an der Rohdecke befestigten Rost aus gekreuzten Profilen oder Latten. Bei geringer Abhanghöhe können die Profile niveaugleich in einer Ebene angeordnet werden. Fugenlose Decken Fugenlose Decken bestehen aus einer mit Platten beplankten Unterkonstruktion, deren Fugen glatt verspachtelt werden. Sie haben entweder eine glatte Oberfläche oder sind zur Verbesserung der Raumakustik mit vorgestanzten Lochungen versehen. Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Falt- und Biegetechniken ermöglichen eine nahezu freie Gestaltung der Form. 1 2 3
Gerasterte Decken Gerasterte Systeme, bei denen die einzelnen Deckenelemente in eine Unterkonstruktion eingelegt werden, ermöglichen den Zugang zum Deckenhohlraum zu Wartungszwecken oder zur nachträglichen Installation. Letzteres ist insbesondere in Räumen mit hohen technischen Anforderungen, etwa Büros und Labors, von großer Bedeutung. Im einfachsten Fall bleibt die Unterkonstruktion als Raster, in das die Platten eingelegt sind, sichtbar. Sollen nur die Fugen zwischen den Platten sichtbar sein, werden diese überlappend eingeschoben. Neben den üblichen Plattengrößen von 60 × 60 oder 62,5 × 62,5 cm können auch andere Raster hergestellt werden. Die Ausformung der Unterkonstruktion und der Platten ist herstellerspezifisch. Um in Randzonen oder bei ungleichmäßigen Raumgeometrien die Anpassung des Rasters an die Geometrie zu erleichtern, ist die Kombination mit glatten Deckenrändern und Feldern möglich. Rasterdecken bestehen oft aus Mineralfaserplatten, da sie gute schallabsorbierende Eigenschaften aufweisen. Möglich ist auch der Einbau von Metallkassetten. Diese sind weniger empfindlich und gewährleisten häufige Revisionierbarkeit.
Decke als Raumschale Decke als Fries Decke als Feld
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Der Einsatz von Platten mit besonderen Eigenschaften erlaubt die Herstellung von Decken mit Brandschutzqualität, Schallschutzqualität, Strahlenschutz oder auch den Einsatz als thermische Masse, die durch den Einbau von entsprechenden Materialien die Funktion von Speichermasse übernehmen kann. Soll die Deckenschale die Form des Raums direkt abbilden, wird die Unterkonstruktion, ähnlich der bereits vorgestellten Schale vor der Wand, in Form von Latten direkt an der Rohdecke befestigt. Soll die Deckenschale eine eigene Form erhalten oder ein Hohlraum gebildet werden, so kommen abgehängte Systeme zum Einsatz.
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Deckenbekleidungen 1 Die offene Decke aus einzelnen Scheiben verbessert die Raumakustik, schafft einen verdeckten Installationsraum und erlaubt die indirekte Raumbeleuchtung über die Zwischenräume, Galerie des Galeries, Paris, 2007, Pascal Grasso Architectures 2 Ein Fries rahmt die historische Rippendecke, Büroräume Dancie Perugini Ware Public Relations, Houston, USA, 2015, MaRS 3 Ausbildung einer Lichtvoute, Apartment Sabottka, Berlin, 2012, Thomas Kröger Architekt 4 Mit LEDs hinterleuchtete Fugen betonen die Geometrie der dreieckigen Deckenelemente, Emperor UA Sparks Cinema, Foshan, China, 2014, OFT Interieurs
1
2
3
4
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Geschlossene Decken können über gesetzte Ausschnitte mit dem Bestand korrespondieren. Detailschnitte II Deckenbekleidung mit Direktabhängern, geringe Abhanghöhe
Detailschnitte I Deckenbekleidung einfach Trockenputz
3 4
1 Unterkonstruktion Holzlatten 2 Direktabhänger
5 6
Wandanschluss ohne Fuge, ohne Brandschutzqualität Wandanschluss mit Schattenfuge, ohne Brandschutzqualität
1
a
Detailschnitte III Abgehängte Decke mit Noniusabhängern Wandanschluss ohne Fuge, vertikal gleitender Anschluss, hinterlegt für Brandschutzqualität Wandanschluss mit Schattenfuge, ohne Brandschutzqualität
3
5
a
a
b d
b c
c
e
d 2 a
a d c
a Rohdecke b Unterkonstruktion Holz, Rost aus Grund und Traglatten 50 × 30 mm, direkt an der Rohdecke befestigt c Gipsplatte d Unterkonstruktion Metall, mit Direktmontageclips direkt unter Decke befestigt
b
4 c b
e c
6
a Rohdecke b Unterkonstruktion Metall, Rost aus Grund und Tragprofil CD 60/27, mit Direktabhängern an der Rohdecke befestigt c Gipsplatte d Randprofil als Montagehilfe e Schattenfugenprofil
a
f g
b c
a Rohdecke b Unterkonstruktion Metall, Rost aus Grund- und Tragprofil CD 60/27, mit Noniusabhängern abgehängt c Gipsplatte d Randprofil CD 60/27, mit Ankerwinkel befestigt e Plattenstreifen, mind. 100 mm f Randprofil UD 28/27 g Kantenschutzprofil Mit Licht inszenierte Ausschnitte in der glatten abgehängten Decke geben den Blick auf den dahinter liegenden Rohbau frei; Downlights, Lüftungselemente und Installationsraum sind in die abgehängte Decke integriert, Artis Capital Management, San Francisco, USA, 2009, Rottet Studio
96
Kassettendecke Metall, Foyer Silver Tower, Frankfurt, 2011, Schneider + Schumacher
1
Detailschnitte I Kassettendecke, Profil sichtbar
Detailschnitte II Kassettendecke, Profil verdeckt
1 Direktabhänger 2 Schnellabhänger 3 Eingelegte Metallkassette
4 Direktabhänger 5 Schnellabhänger 6 Metallkassette mit Klemmbefestigung 4
a
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a
Bandrasterdecke Metall a
b
b c 2
Detailschnitte III Bandrasterdecke
d 5
a
a
b
b f c
3
d 6
a
h a
b
b
e
g
f
a Rohdecke b Unterkonstruktion, hier Noniusabhänger c Deckenplatte: Mineralfaser, eingelegt d Deckenplatte: Mineralfaser mit Nut für Profil e Eingelegte Metallkassette f Metallkassette mit Randausbildung für Klemmbefestigung g Bandrasterprofil h Trockenbauwand ohne Anforderungen an Schallschutz
Kassetten und Rasterdecken ermöglichen eine einfache Zugänglichkeit des Deckenhohlraums. 97
Einzelne Raumkörper können raumgliedernd eingesetzt werden und gleichzeitig höchst funktional sein.
1
1 Schematische Axonometrie Raum-in-Raum-System 2 Raum-in-Raum-Situation als Ausstellungsarchitektur, Ausstellung „Der Schatten der Avantgarde“, Folkwang Museum, Essen, 2015, Hermann Czech
2
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Beispiel Raumkörper Farbigkeit, glatte und raue Oberflächen und integrierte Sitznischen und Thekenbereiche bilden zusammen einen komplexen spannungsvollen multifunktionalen Körper. Praxis Dr. B, Filderstadt, 2010, AMUNT Architekten Martenson und Nagel Theissen
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1
Differenzierte Ausformulierung des Raumelements Schematischer Grundriss
2
Ein frei stehender Raumkörper in einer leeren Büroetage nimmt alle Funktionen einer Arztpraxis in einer Großform auf. Detailschnitte
a Trockenbauwand, mit Gipsplatten beplankt b Sockelleiste, Holz, lackiert, bündig eingelassen c Schwimmender Zementestrich (Einbau nach den Wänden) d Randdämmstreifen e Oberlichtverglasung 10 mm ESG oder VSG
3 Brüstungswand mit Oberlichtverglasung 4 Schiebetür in Wand mit Oberlichtverglasung 5 Tür in rauer Wand 6 Nische mit Sitzbank
i
g
i
f g h i j
L-Profil Aluminium 12 × 65 × 2 mm L-Profil Aluminium 30 × 40 × 2 mm Glasfixierung L-Profil 20 × 80 × 2 mm Spritzputz, akustisch wirksam raue Oberfläche Befestigung Schiebetür: L-Profil Stahl 60 × 60 × 5 mm
i
g
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e
k l m n o p q
Schiene Schiebetür Türblatt Schiebetür Schallschutztür, Holz Spiegellose SL-Zarge, Stahl 42 mm Multiplex als Unterkonstruktion für Sitzbank 12,5 mm Gipsplatte 9 mm Gipsplatte
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g e
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3
a
b
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c
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Beispiel Funktionselemente In den Raum sind drei unterschiedlich dimensionierte Körper eingestellt und durch Lichtfugen von Boden und Decke gelöst. Sie nehmen die Funktionen Empfang, Warten und Umkleiden auf. Radiologische Praxis FR32, Standort Kinderzentrum Friedrichstadt, Dresden, 2009, STELLWERK architekten 1 2 3 4
Körper im Raum Schematischer Grundriss Detailschnitt Raumkörper mit Schrank 1:25 Detailschnitt Raumkörper mit Tresen 1:25
Im Foyer einer Arztpraxis birgt jedes der drei gebogenen Elemente eine andere Funktion. h
d
d j i
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h
i
c b
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b c a Trockenbauwand mit Gipsplatten, doppelt beplankt b Körper: Grundform aus Aluminiumprofilen, mit Gipsplatten, doppelt beplankt c Vorsatzschale für Lichtfuge an Sockel und Decke, Tiefe 10 cm d LED-Streifen e Einbauschrank f Verblendung, Oberfläche wie Schranktüren MDF, lackiert g Verstärkung Seekieferplatte für Befestigung des Schranks h Abgehängte Decke, mit Gipsplatten einfach beplankt i Wandanschluss mit Schattenfuge j Einbauleuchte k Tresen MDF, lackiert l Sockel, zurückgesetzt
a
c
e g a
k d
f d
l 3
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Beispiel gefaltete Raumskulptur Die Form des Messestands generiert sich aus einem gefalteten Band. Es bildet einen überdeckten Werkstattbereich und entwickelt sich weiter zu einem tunnelartigen Raum, der Ausstellungsflächen für Materialmuster und Werkstücke schafft. Der Messestand zeigt Trockenbaukonstruktionen vom Rohbau bis zur Fertigstellung. Dabei steht das Rohe und Unfertige hier gleichrangig neben hoher Präzision und genauer Detaillierung. Messestand Phantasiewelten, FAF Köln, 2013, Hochschule Darmstadt und Meisterschule für Stuckateure in Heilbronn, Planung: Vera Burbulla, Isabel Völker, Katrin Walter
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Schematischer Grundriss Messestand mit Werkstattbereich und Ausstellungstunnel Aufbau Messestand Schema Lichtfuge unter Tresen Schema indirekte Beleuchtung Ausstellungsfläche Schema Fußpunkt schräge Wand
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Ein präzise gefaltetes Band entwickelt sich zu einer begehbaren räumlichen Struktur. 129