P R I N Z I P I E N DE R KON STR U KTION
P R I N Z I P I E N DE R KON STR U KTION
P rinzipien
K n aa c k | C h u n g - k l atte | Hasse l ba c h
der
SYS T E M BAU
K onstruktion
FA Ç A D E S
It systematically describes the most common types, such
they constitute a major element in architecture. At the
as post-and-beam façade, curtain wall, corridor façade or
same time, the building’s envelope has important func-
double façade. Numerous drawings made especially for the
tions to fulfil, such as lighting, weatherproofing, thermal
book explain the principles of different types of façades,
insulation, load transfer and sound insulation. Over the
which are then illustrated with built examples.
past 15 years, façades have become increasingly complex – ‘intelligent’ façades, for instance, adapt to changing climate and lighting conditions. This book demonstrates the principles of façade construction and provides guidelines for appropriate detailing.
PRINCIPLES OF CONSTRUCTION
Façades determine the appearance of a building. Hence,
I n h a lt
7 | 1 Einleitung 7 | 8 | 10 | 12 | 12 |
Begriffe Bausysteme und Vorfertigung Wohnungsbau und Gewerbebau Zielsetzung Gliederung
13 | 2 Geschichte der Bausysteme 13 | Frühe Bausysteme 13 | Mongolische Jurte 14 | Tatami-Matte in Japan 15 | Industrielle Revolution und Maschinenzeitalter 15 | Massenproduktion: Vom Automobil zur Architektur 17 | 17 | 17 | 18 | 24 | 28 |
Meilensteine der Bausysteme Amerikanischer Traum und Häuserboom Fortschritt in Europa Entwicklungen in Deutschland Entwicklungen in Großbritannien Case Study Houses
30 | 30 | 32 | 33 | 34 | 35 | 36 |
Pioniere der Vorfertigung Jean Prouvé Richard Buckminster Fuller Konrad Wachsmann Fritz Haller Alison und Peter Smithson Paul Rudolph
37 | 3 Bausysteme im Wohnungsbau 38 | 38 | 40 | 42 |
Konstruktionstypen Leichtskelettbau Plattenbauweise Pfosten-Riegel-Konstruktion
44 | 44 | 46 | 47 | 48 |
Vorfertigung und Bauen vor Ort Bauen vor Ort Vorfertigung Selbstbausätze Modulares Bauen
50 | Wohnungsbausysteme in verschiedenen Ländern 50 | USA 53 | Niederlande 54 | Japan 57 | Großbritannien 59 | Österreich
61 | 4 Bausysteme im Gewerbebau 61 | Ultraleichtbau 62 | Zeltsysteme 64 | Raummodulbau 65 | Raumcontainersysteme 68 | Flexible Raummodulsysteme 70 | Stahlskelettbau 70 | System Midi 74 | Gemischter Beton-Stahlskelettbau 77 | 79 | 82 | 83 |
Betonskelettbau Plattformsystem Industriehallensysteme aus Betonfertigteilen Marktanteil Systembauten
85 | 5 Prozesse
98 | 6 Bauteile: Systeme, Module und
Elemente 85 | Vorbild Automobilindustrie 86 | Lean Production
98 | Systeme und Subsysteme
87 | Systemprozesse
100 | Ebenen der Konstruktion
88 | 88 | 88 | 89 |
102 | Arbeitsfelder der Konstruktion
Planung Planungssysteme Konstruktionssysteme Computergest端tzte Planungssysteme
105 | Vorfabrikationsgrade der Konstruktion 111 | Verbindungen
90 | Bauprozesse 91 | Vor-Ort-Bauweise 92 | Vorfertigung
115 | 7 Zukunft der Bausysteme
94 | Logistik
115 | Systembauindustrie 116 | Individueller architektonischer Entwurf und Systembau | 118 CAD und CAM 118 | Digitales Zeitalter 120 | Nachhaltiges Bauen 124 | Entwicklungspotential im Systembau
94 | Montage auf der Baustelle 96 | Lean Production bei Modulbauweise 96 | Lean Production bei Bauteilbauweise 97 | Vorteile und Probleme von Systemprozessen
Anhang 125 | 129 | 130 | 133 |
Auswahlbibliografie Autoren Register Bildnachweis
3 | Bausysteme im Wohnungsbau Bausysteme im Wohnungsbau ist ein so weitreichendes Thema, dass es ein eigenes Kapitel verdient. Die Typologie des Wohnungsbaus war mehr Experimenten ausgesetzt als jeder andere Gebäudetyp und weist die größte Vielfalt an Standardlösungen auf. Schließlich gehört die Wohnstätte an sich zu den Grundbedürfnissen des Menschen, und Wohnbauten sind im Vergleich zu den meisten anderen Bautypen kleiner, zahlreicher und von einem weniger dauerhaften Charakter. Weil sie in großer Anzahl, zu angemessenem Preis schnell verfügbar sein müssen, bilden sie ein fruchtbares Feld für die Entwicklung von Systemen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele der Meilensteine in der Geschichte der Bausysteme Beispiele aus dem Wohnungsbau sind. Die Haltung zum Systembau, oder genauer gesagt: der Vorfertigung, unterlag schon immer großen Schwankungen. Einerseits wurden Qualität und Solidität eines Hauses von vielen Menschen mit langsamen, herkömmlicheren Baumethoden in Verbindung gebracht, die umgekehrt den Wert des Hauses untermauern. Le Corbusier sagte 1922: „Sein Haus bestellen, das ist fast so, wie sein Testament machen“ (Ausblick auf eine Architektur, Braunschweig/Wiesbaden: Vieweg, 1982, Bauwelt Fundamente 2, S. 174), eine Auffassung, die die Entwicklung von vorgefertigtem Wohnungsbau in Ländern wie Deutschland und Großbritannien immer wieder behindert hat. Auf der anderen Seite werden in der Vorfertigung und anderen Arten des Systembaus neue Materialien verwendet, womit ältere Systeme verbessert werden können. In den Niederlanden und den USA hatten technischer Fortschritt und die Entwicklung des Systembaus eine positive Resonanz. In diesen Ländern ist es üblich, ein eigenes Haus zu besitzen, Häuser sind mehr oder weniger austauschbar, und man ist stolz, wenn man ein Haus mit ausreichend Platz, Sicherheit und einer angemessenen technischen Ausstattung hat. Wohnungen, Einfamilienhäuser und bis zu einem gewissen Grad auch Hotels erfüllen diese Anforderungen an das Zuhause und tragen zu unendlichen Kombinationsmöglichkeiten bei. Der Klarheit halber konzentriert sich dieses Kapitel auf das Einfamilienhaus. Systembauweise im Wohnungsbau kann in die folgenden grundlegenden Konstruktionstypen unterteilt werden: Leichtskelettbauweise, Plattenbauweise, modulare und kombinierte Konstruktion (1). Die Art und Weise, wie Gebäudebauteile bereitgestellt werden, beeinflusst den Konstruktionsansatz. Die beiden
1
Systembauweise im Wohnungsbau Die grundlegenden Konstruktionstypen sind: Skelettbau, Plattenbau, modulare und kombinierte Konstruktion.
scheinbar gegensätzlichen Verfahren sind Bauen vor Ort und Vorfertigung (Fabrikfertigung). Kulturelle Unterschiede erklären die unterschiedlichen Zielsetzungen, Standards, Stile und die Rolle, die der Systembau für das Produkt „Zuhause“ spielt. Ein Blick auf die Vereinigten Staaten, Großbritannien, die Niederlande, Österreich und Japan gibt Aufschluss. BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
37
3
Platform Frame im Bau: das Skelett Die Skelettkonstruktion basiert auf leichten, gleichförmigen tragenden Elementen, die geschosshohe Plattformen bilden.
4
Platform Frame im Bau: die Hülle Die den Raum umschließende Hülle dient dazu, dem Tragwerk Steifigkeit und Scherfestigkeit zu geben.
5
Platform Frame im Bau: das fertige Haus Das Konstruktionssystem wird in den USA und in Skandinavien verbreitet eingesetzt. Der Großteil der Montagearbeiten wird vor Ort durchgeführt und erfordert keine Fachkräfte. BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
39
Plattenbauweise Die Plattenbauweise basiert auf flachen Tragwerkselementen, die aus tragenden senkrechten Wandflächen und horizontalen Platten bestehen. Wie beim Kartenhaus ist jede tragende Wand 1 1
eine Tragwerkseinheit, die die senkrechten Lasten von Boden-, Wand- und Dachsystemen aufnimmt. Dazu müssen sie Seitenlasten von unterstützten Boden- und Dachsystemen sowie Wind-
1
und ähnlichen Lasten widerstehen. Die horizontalen Platten müs-
a
sen ruhende Lasten (feste Gebäudelasten) und Gebrauchslasten
1
(bewegliche Lasten wie Bewohner und Ausstattung) aufnehmen. In der Plattenbauweise bestehen Deckensysteme üblicherweise aus vorgefertigten Betonbohlen oder bewehrtem Ortbeton, je nach erforderlicher Plattenform und Vorfertigungsgrad (6). Die Vorfertigung tragender Elemente ermöglicht eine bessere Kontrolle der Maßgenauigkeit und Statik. Vorgespannte Bau-
2 2 b 2
teile sind statisch vorteilhafter und erreichen größere Spannweiten. Geschossdecken werden im Plattenbau in einem einzigen Arbeitsschritt hergestellt, da die Konstruktion und die Oberfläche aus demselben durchgängigen Material bestehen.
2
3
c
3 3
3
7
d 4
6
4
4 Zeit und Kosten bestimmten den Vorfertigungsgrad Die große vorgefertigte Betonplatte (a) erfordert wenig Zeit vor Ort und hat nur wenige Anschlüsse; die Decken aus vorgefertigten 4 Betonbohlen (b) sind im Transport und in der Montage einfach zu handhaben; die vorgefertigten tragenden Betondecken (c) und die vorgefertigten Tafeln (d) bieten höchste Planungsflexibilität.
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B A U S y s t e m e i m w o h n u n g sbau
Haus Burger, Detmold, Deutschland, raum 204, 2006 Dieses Haus wurde aus großen OSB-Platten gebaut, einem ähnlichen Produkt wie das vierlagige Magnum Board oder die steifen SchaumkernSIP-Platten, allerdings mit weniger multifunktionellen Attributen.
Pfosten-Riegel-Konstruktion Die Pfosten-Riegel-Konstruktion ist eine Kombination aus ver-
spielsweise Ziegel, Aluminium, Naturstein oder Holz. In der
schiedenen Konstruktionsmethoden. Ein relativ großer Skelett-
Weißenhofsiedlung in Stuttgart verwendete Mies van der Rohe
rahmen, üblicherweise aus Stahl, Stahlbeton oder Holz, bildet die
zur Ausfachung Betonblöcke, die gleichmäßig verputzt wurden,
Grundkonstruktion, die mit Füllungselementen abgeschlossen
was die Konstruktion verdeckte. Die Pfosten-Riegel-Methode ist
wird (9–11). Da Tragwerk und Oberflächen statisch voneinander
kosteneffizienter, wenn sie für größere Projekte wie Mehrfami-
unabhängig sind, können die Füllungselemente aus verschiede-
lienhäuser eingesetzt wird, bei denen sich die tragenden Ele-
nen Materialien bestehen (12) oder sich aus einer Vielzahl von
mente häufiger wiederholen. Daher kommt sie bei Einfamilien-
Modulen zusammensetzen; sie können unterschiedlich groß sein
häusern eher selten zum Einsatz.
und Öffnungen unterschiedlicher Größe aufweisen. Und da die Füllungselemente nur die Eigenlast aufnehmen müssen, hat der Architekt viele Wahlmöglichkeiten. Die Elemente können verschiedene Farben und Texturen aufweisen, wie bei-
9
System 01: Haus E. Kaufmann, Andelsbuch, Österreich, Johannes Kaufmann und Oskar Leo Kaufmann, 1997 Das System, eine Art Pfosten-Riegel-Konstruktion, besteht aus einem Skelett aus Brettschichtholz mit Holzpaneelen sowie Verglasung.
42
B A U S y s t e m e i m w o h n u n g sbau
10
System 01: Haus E. Kaufmann, Andelsbuch Ein Wandelement wird mithilfe eines Krans montiert.
11
System 01: Haus E. Kaufmann, Andelsbuch Das fertige Haus.
12
Modern Modular Housing, Penny Collins und Huw Turner, Entwurf 2002 Der Entwurf wurde f端r den nordamerikanischen Markt konzipiert. Die Tragkonstruktion kann wahlweise aus Holz oder Metall bestehen.
BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
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Modulares Bauen Seit dem Beginn der modernen Vorfertigung bezieht sich modu-
Verglichen mit anderen Vorfertigungsarten ist dies die aufwen-
lares Bauen nicht mehr nur auf das Verfahren, in einem Raster
digste und technisch komplexeste Methode, weil ganze Räume
und mit Standardmaßen zu bauen, sondern auch auf die Vorfer-
transportiert werden müssen. Das Maximalgewicht wird durch
tigung von ganzen Gebäudeeinheiten. Module sind dreidimen-
die Ladekapazität der Lastwagen, Züge oder Hubschrauber be-
sionale Einheiten, die als unabhängige Elemente oder als Teilbe-
stimmt und die Größe der Module durch die Straßenbreite und
reiche verwendet werden, indem sie aufeinandergestapelt oder
Containerstandardgrößen. In vielen Ländern liegt die maximale
nebeneinander angeordnet werden, um einen Raum zu erwei-
Breite für Straßentransporte bei 2,55 m; bei breiteren Einheiten
tern. Das Modul ist die weitestgehende Form der Vorfertigung;
ist eine Sondergenehmigung erforderlich. Die Module werden
es wird üblicherweise zu etwa 95 % in der Fabrik voll ausgestat-
normalerweise mit Kränen platziert und vor Ort verankert. Durch
tet mit den wichtigsten Küchen- und Badezimmereinrichtungen,
das Heben wirken auf die Einheiten unter anderem Biege- und
Abstellflächen und Wohnräumen und dann für den Transport ver-
Scherkräfte ein, anders als nach ihrer Montage. Die deswegen
packt. Der größte Vorteil des modularen Bauens ist, dass das
notwendige konstruktive Verstärkung sowie die doppelten Bo-
Haus bezugsbereit ist, sobald Strom und Wasser angeschlos-
den-, Dach- und Wandkonstruktionen an den angrenzenden Stel-
sen sind.
len der Einheiten erfordern größere Materialmengen. Die sogenannten Trailer Homes in den USA sind seit ihrem Aufkommen in den 1930er Jahren noch immer populär. Im Grunde genommen sind sie Module auf Rädern. Solche industriell gefertigten Wohnhäuser sind ein Ausdruck der Betrachtung
21
Spacebox, Delft, Niederlande, Mart de Jong/DeVijf, 2003 Dieses stapelbare, containerähnliche Studentenwohnheim von Holland Composite ist eine reizvolle und unkomplizierte Lösung für Studentenunterkünfte, die schnell zur Verfügung stehen müssen.
22
Loftcube, Berlin, Werner Aisslinger, 2007 Der luxuriöse Wohnwürfel hat einen Grundriss von bis zu 39 m² und kann als Feriendomizil oder Penthouse in der Stadt genutzt werden.
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B A U S y s t e m e i m w o h n u n g sbau
des Hauses als Produkt. Die gleichfalls futuristische Idee des
Bei der Erweiterung des Hotels Post in Bezau (23, 24) in Öster-
Wohnens in Kapseln wurde in den siebziger Jahren des 20. Jahr-
reich überwogen die Vorteile des Bauens mit Modulen klar die
hunderts mit den Nakagin-Kapseln in Tokio (Kisho Kurokawa,
Nachteile. Erstens hätten die kalten Wetterbedingungen des al-
1972) und dem Kapselhotel (Kisho Kurokawa, 1979) in Osaka
pinen Winters und das bergige Terrain kontinuierliche Bauarbei-
zur Realität. Nicht zufällig sind beide Beispiele in Japan, wo die
ten sehr behindert. Zweitens mussten die Baumaßnahmen so
Grundstückspreise derart hoch sind, dass enge Wohnräume
kurz wie möglich gehalten werden, um den ganzjährigen Betrieb
üblich sind. Die elementarste Form des modularen Bauens bil-
dieses Luxushotels nicht zu beeinträchtigen. Drittens erforderte
den Schiffscontainer. Ausgestattet mit geeigneter Dämmung
der hohe Qualitätsanspruch der Innenausstattung spezielle
und Haustechnik, werden sie aufeinander oder in ein Rahmen-
Werkzeuge und eine präzise Kontrolle. In diesem Fall betrug die
gerüst gestapelt und können als temporäre Wohnstätten wie
Transportdistanz nur 2 km; und die voneinander unabhängigen
Studenten- oder Asylantenwohnheime (21) dienen. Das Aus-
Boden- und Deckensysteme bieten exzellenten Schallschutz für
stattungsniveau reicht von kahl bis luxuriös, aber das Konzept
die Gäste.
vom Wohnen in einer Box kann einen gewissen ästhetischen Reiz haben (22).
23
Erweiterung Hotel Post, Bezau, Österreich, Oskar Leo Kaufmann und Albert Ruf, 1998 Gebäudemodule sind die kompletteste Form der Vorfertigung. Die Module sind voll ausgestattet, werden mit einem Kran positioniert und an Strom- und Wasserleitungen angeschlossen.
24
Erweiterung Hotel Post, Bezau Das System besteht aus einem Rahmengerüst, den Modulen und einem Dach als Schutzvorrichtung.
BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
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nungssoftware leicht gemacht. Jedes dieser Häuser wird in
Wie gehen Architekten in den USA bei der Konzeption, Entwick-
Holzskelettbauweise vor Ort innerhalb von 54 Tagen erbaut. Die
lung, dem Marketing und Bauen von vorgefertigten Häusern
Arbeit ist so synchronisiert, dass jede Bauphase auf sechs Häu-
vor? Das Geschäft mit vorgefertigter Architektur ist eine Heraus-
ser pro Tag ausgerichtet ist. Dieses Beispiel des Systembaus ist
forderung. Üblicherweise entwickelt der Architekt ein Konzept,
praktisch ein umgekehrtes Fließband – die verschiedenen Ar-
sucht sich eine Baufirma, die einen Prototyp finanziert und baut,
beitsschritte der „Fabrik“ wandern von Haus zu Haus.
und dann einen Bauunternehmer, der das Produkt fertigen lässt. Eine andere Strategie gibt dem Bauunternehmer die zentrale
Vorgefertigter Hausbau
Rolle. Der Bauunternehmer als derjenige, der sich mit den Fluk-
Internetseiten wie www.fabprefab.com und www.prefabs.com
tuationen im Immobilienmarkt auskennt und normalerweise mehr
wecken Aufmerksamkeit und verbreiten den Trend zum vorgefer-
Kapital im Rücken hat, sucht sich einen Architekten, der ihm
tigten Hausbau in der modernen Architektur (28, 29). Insider
ein serientaugliches Haus entwirft, und eine Baufirma, die die
suchen bei Trendsettern wie der Zeitschrift Dwell nach Inspira-
Systemkomponenten produziert, lässt dann einen Prototyp bau-
tion. Für diejenigen, die sich für vorgefertigte Häuser interessie-
en und organisiert die Vermarktung. Das Bauunternehmen Living
ren, sind amerikanische Architekten wie Michelle Kaufmann,
Homes in Santa Monica, Kalifornien, beispielsweise arbeitet
Rocio Romero (27) und Marmol Radziner and Associates keine
nach dieser Strategie. Sie beschäftigen einige Architekten und
Unbekannten. Diese Internetseiten zeigen dem potenziellen
gewährleisten so die erforderliche Expertise bei Bau und Ma-
Hauseigentümer (ob eines Fertighauses oder nicht) eine Vielfalt an Materialien, Anordnungen und Größen. Auch kann man sich den Gesamtpreis anzeigen lassen, allerdings ohne Fundament und Erschließung. Fabprefab, eine Plattform für Fertighäuser auf der ganzen Welt, beweist, dass das Interesse an Vorfertigung ein globales Phänomen ist.
28
Abiquiu House, Abiquiu, New Mexico, Anderson Anderson Architecture, 2009 Das Haus wurde mit leicht verfügbaren, vorgefertigten Elementen und Industrieprodukten gebaut – allerdings ist es streng genommen kein Fertighaus, sondern eher ein Einzelentwurf. 27
LV Series Home, Perryville, Missouri, Rocio Romero, 2000 Das minimalistische LV Series Home basiert auf einem in der Fabrik gefertigten Bausatz. Es wird aus Stahlstützen und OSB-Platten gebaut und ist eine einfache, langlebige, umweltfreundliche und kosteneffiziente Lösung, bei der Gestaltung und technische Ausstattung variabel ausgeführt werden können.
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Konstante Veränderung ist der zugrunde liegende Faktor für das
der Schwerpunkt auf der räumlichen Organisation der geheilig-
Erscheinungsbild des Wohnhauses. In der Gesellschaft ist das
ten, sehr privaten Innenräume, was sich meist in einem tradi-
Haus ein Zeichen von Stabilität; bei einer durchschnittlichen
tionellen Innenhof und einem modernen Wohnbereich sowie ei-
Lebensdauer von 25 Jahren ist es allerdings ein ebenso ver-
ner hohen Ausführungsqualität widerspiegelt. Architektonisch
schleißanfälliges Produkt wie das Auto oder ein Laptop. In Japan
interessant sind einige neue, von Architekten entworfene Häu-
sind fabrikgefertigte Häuser kontrollierte, in Massenproduktion
ser mit utilitaristischer und industrieller Ästhetik, die kühne For-
gefertigte Produkte wie Autos und elektronische Geräte, und
men aufweist und Räume durch Licht optisch vergrößert. Ein
werden als solche eher akzeptiert als in Nordamerika und weiten
Beispiel dafür sind die F.O.B.-Häuser, die durch die Einzelhan-
Teilen Europas. Stilistisch gesehen passt sich das äußere Er-
delskette für Haushaltswaren F.O.B. Coop vertrieben werden.
scheinungsbild an moderne, westliche Trends an; aber mit Aus-
Durch die Verwendung von Standarddetails und Kooperation
nahme einiger weniger minimalistischer, von Architekten ent-
mit wenigen Bauunternehmen können die F.O.B.-Häuser Flexibi-
worfener Fertighäuser gibt es wenig Innovation in einem Meer
lität und ästhetischen Anspruch für einen geringen Preis bieten
unterschiedsloser Architektur. Bei den meisten Entwürfen liegt
(34, 35).
34
Um House, Ikoma, Präfektur Nara, Japan, F.O.B. Architecture, 2000 Die F.O.B.-Häuser bieten Flexibilität und ästhetischen Anspruch für einen geringen Preis. Sie basieren nicht auf bestimmten Modulen oder Materialien und können daher ein Holz-, Beton- oder Stahlskelett verwenden.
BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
55
Österreich In Vorarlberg in Österreich stehen traditionelle und moderne
Holz, mit Schrägdächern, Holzschindeln oder Tondachziegeln.
Architektur in lebhafter Verbindung (40). Die Stilrichtungen
Die neueren Häuser sind durch die gleiche solide Bauweise
konkurrieren nicht miteinander, es findet vielmehr eine allmähli-
charakterisiert, weisen jedoch gelegentlich Flachdächer, Me-
che Veränderung über Generationen hinweg statt, sodass ak-
tallverkleidungen und andere neue Materialien, subtile Form-
tuellen Bedürfnissen mit moderneren Baumethoden entspro-
veränderungen, größere Fenster und einen offenen Grundriss
chen wird. Betrachtet man die traditionelle Architektur der
auf. Die Veränderungen scheinen minimal, aber die Modernität
Region, so sieht man kompakte Bauernhäuser aus massivem
ist offensichtlich.
38
SU-SI-Wohneinheit, Reuthe, Österreich, Oskar Leo Kaufmann und Johannes Kaufmann, 1998 Ein vorgefertigtes modulares Haus als Prototyp für weitere Systeme. Die Architekten, der Bauherr und der Zimmermann (Michael Kaufmann) stammen alle aus der gleichen Familie.
39
Innenansicht SU-SI-Wohneinheit, Reuthe Die modulare Wohnung ist eine in sich vollständige Einheit, ergänzt durch platzsparende, schlichte Ausstattungsmerkmale.
BAUSYSTE M E I M WOH N U NG S BAU
59
4 | Bausysteme im Gewerbebau Im folgenden Kapitel werden Komplettsysteme im Sinne eines
Ultraleichtbau
Baukastensystems sowie Bauten und Projekte, die eher unter dem Aspekt der Vorfertigung und Standardisierung subsumiert werden können, vorgestellt. Bei den Komplettsystemen handelt es sich um Gebäude, die von einem Hersteller als Ganzes angeboten werden. Standardisiertes Bauen hingegen beruht auf der Verwendung vorgefertigter Bauteile. Dies ist ein wesentliches Kriterium dieser Bauweise und ein Unterscheidungsmerkmal zu den
Raummodulbau
Komplettsystemen. Systeme und standardisiertes Bauen für Büro- und Industriegebäude umfassen ein sehr weites Nutzungsspektrum. Anhand der Nutzungen kann die Bandbreite unterschiedlicher Konstruktionen und Bauprozesse am besten erklärt werden. Die Konstruktionstypen von Gewerbebauten – seien sie als Systembau oder als standardisierter Bau errichtet – lassen sich in die Kategorien Ultraleichtbau, Raummodulbau, Stahlskelettbau, gemischter Beton-Stahlskelettbau und Betonskelettbau einteilen (1).
Stahlskelettbau
Ultraleichtbau Zum Ultraleichtbau werden leichte Glas- und Membrankonstruktionen wie Zelte, Glas- und Foliengewächshäuser gerechnet. Zu dieser Kategorie gehören unter anderem auch weitspannende Überdachungen, wie beispielsweise Stadien- und Bahnhofsüberdachungen. Ihr geringes Gebäudegewicht wird durch eine leichte Außenhaut und eine minimierte Tragkonstruktion erreicht, die im Normalfall nur eine eingeschossige Bauweise zulässt. Die überwiegende Anzahl von Systemen in dieser Kategorie sind temporäre Gebäudesysteme, bei denen ein niedriges Gewicht, ein geringes Packmaß für den Transport sowie eine einfache
Beton-Stahlskelettbau
Handhabung bei der Montage und Demontage notwendig sind.
Betonskelettbau
1
Konstruktionstypen von Gewerbebausystemen Die Konstruktionstypen von Gewerbebausystemen lassen sich in die Kategorien Ultraleichtbau, Raummodulbau, Stahlskelettbau, gemischter Beton-Stahlskelettbau und Betonskelettbau einteilen.
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61
4
Geodätisches Kuppelzelt, Zendome: Außenansicht Das Besondere dieses Zeltsystems ist seine spezielle Kuppelkonstruktion, die besonders gute statische Eigenschaften besitzt.
5
Geodätisches Kuppelzelt: Innenansicht Die Kuppelform wird aus einer modularen geodätischen Tragstruktur aus gleichschenkligen Dreiecksfeldern gebildet.
6
Geodätisches Kuppelzelt: Tragwerk Detailansicht der ultraleichten Stabkonstruktion, ermöglicht durch die räumliche Tragwirkung der Konstruktion.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
63
Raumcontainersysteme Büro- und Sanitärcontainer basieren auf den Abmessungen des
bestehen aus gedämmten Leichtbaupaneelen. Die Stützen und
ISO-Containers. Raumcontainersysteme werden als Büro- und
Paneele können so konstruiert werden, dass sie beim Transport
Sanitärcontainer in den unterschiedlichsten Bereichen einge-
als Paket (= Flatpack-System) verpackt werden (9). In dieser
setzt, zum Beispiel als Baubüro, Schule oder Kindergarten.
Ausführung sind sowohl die Ecksäulen als auch die Wandpanee-
Ein Grundprinzip von Containersystemen ist konsequenter
le im Innern des Pakets gelagert, was das Frachtvolumen erheb-
Leichtbau (10). Die Konstruktion wird aus dem Container- und
lich verkleinert. Die Container können auf der Baustelle mit ei-
Fahrzeugbau hergeleitet. Das Grundgerüst ist meistens eine
nem Kran oder einem Gabelstapler transportiert und aufgestellt
Stahlrahmenkonstruktion aus kaltgewalzten Stahlprofilen, die
werden.
miteinander verschraubt werden. Die Wände der Raumcontainer
8
Raumcontainersystem als Baustelleneinrichtung Am Beispiel der Baustelleneinrichtung für den Neubau der Elbphilharmonie Hamburg lässt sich die modulare Bauweise von Raumcontainersystemen erkennen.
9
Transport von Containern als Paket Damit kein leeres Raumvolumen transportiert wird, können Container platzsparend zu einem flachen Paket zusammengelegt werden.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
65
eingeschossig
Die Container können aneinandergereiht oder einzeln aufgestellt werden. Es dürfen dabei beliebig große Räume gebildet werden.
Die zweigeschossigen Containeranlagen können beliebig aneinandergereiht oder einzeln aufgestellt werden. Die aussteifenden Außenwände dürfen jedoch nicht entfernt werden (max. Raumgröße daher 3 × 1 Container). Lage der aussteifenden Wände (gestrichelt dargestellt, Innenräume frei) 2×1×2
3×1×2
2×1
3×1
zweigeschossig
Mehrreihige Containeranlagen (Anzahl der Längsseiten ≥ 2) Ab einer Mindestgröße von 2 × 2 × 2 Containern ist eine Erweiterung der Anlage in Längsrichtung möglich. Es dürfen dabei beliebig große Räume gebildet werden.
Ab einer Mindestgröße von 3 × 2 × 2 Containern ist eine Erweiterung der Anlage in jede Richtung möglich. Es dürfen dabei beliebig große Räume gebildet werden.
Die abgebildeten dreigeschossigen Containeranlagen können beliebig dreigeschossig
aneinandergereiht oder einzeln aufgestellt werden. Die aussteifenden Außenwände dürfen jedoch nicht entfernt werden (max. Raumgröße daher 3 × 2 Container). Lage der aussteifenden Wände (gestrichelt dargestellt, Innenräume frei)
3×1×3
3×2×3 3×1
12
max. 3 × 2
Variationsmöglichkeiten bei Containermodulen und Geschossigkeit Varianten der Kombination von Containermodulen in ein- bis dreilagige Komplexe.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
67
Flexible Raummodulsysteme verstrebungen abgefangen. Ein 1,50 m tiefes Fundament und
Beispielhaft wird hier ein System vorgestellt, das in den Nieder-
die durch die baulichen Zusatzmaßnahmen und die zeitlich eng-
landen weit verbreitet ist (14). Es wird seit dem Jahr 2000 als
maschige Überwachung entstandenen Baukosten rücken die-
semipermanentes und permanentes Gebäudesystem angeboten
sen Turmbau allerdings finanziell in die Nähe eines konventionel-
und hauptsächlich im Büro- und Schulbau eingesetzt.
len Hochbaus.
Konstruktion Die Raummodule werden auf einer immer gleichen Grundstruktur aufgebaut, die aus einer selbsttragenden Stahlrahmenkonstruktion besteht (15). Die Stahlrahmenkonstruktion setzt sich aus einer Bodenplatte, vier Eckstützen und einer Deckenplatte zusammen (16). Die Bodenplatte besteht aus einem rechteckigen Stahlrahmen, in den auf ein eingeschweißtes Trapezblech ein Zementestrich als Unterboden eingebracht wird. Die Deckenplatte ist ähnlich aufgebaut, bekommt aber als Oberbelag eine witterungsfeste Dachhaut aus Bitumenbahnen und eine nach innen geführte Regenentwässerung. Es wird für jedes Modul ein Dach gebaut, auch wenn es später im Innern des Gebäudes eingebaut wird. Das Dach wird als Witterungsschutz für die Zwischenlagerung der Module im Freien vor dem Transport zur Baustelle benötigt.
13
Turm der Freitag lab AG, Zürich, Spillmann Echsle Architekten, 2006 Der Turm aus Containermodulen dient der Verwaltung und als Showroom. Es wurden bereits benutzte Container für den Bau des Turms wiederverwendet.
14
Friesland Foods Building, Deventer, Niederlande, 2007 Beispiel eines flexiblen Raummodulsystems.
68
B A U S y s t e m e i m g e w e r b e bau
Aufbauend auf dieser Grundstruktur können Innenausbau und Fassade individuell zugefügt werden. Hier werden analog zu den Konstruktionsprinzipien der Grundstruktur nur Leichtbaukonstruktionen verwendet. Im Innenausbau werden Gipskartonwände genutzt. Die Fassaden bestehen aus Aluminiumfenstersystemen und einem Wandaufbau aus Leichtbauplatten, Mineralfaserdämmung und Aluminiumblechverkleidung. Nachdem die Module auf der Baustelle zum Gesamtgebäude zusammengestellt wurden, wird das Gebäude mit Diagonalstreben an der Fassade oder im Innenraum ausgesteift (17). Bauteile wie Treppen und Aufzüge werden zum Schluss auf der Baustelle konventionell hergestellt
15
(18). Die Modulgröße wurde so gewählt, dass sie ohne eine spe-
Konstruktion Raummodul Raummodule werden auf einer immer gleichen Grundstruktur aufgebaut, die aus einer selbsttragenden Stahlrahmenkonstruktion besteht.
zielle Erlaubnis und ohne zeitliche und räumliche Einschränkung auf der Straße von LKWs transportiert werden dürfen. Anders als bei Flatpack-Systemen, wo die Wände flach im Paket mit den Stützen und den Deckenplatten transportiert werden können, lassen sich die Raummodule beim hier vorgestellten System nur im fertig aufgebauten Zustand transportieren. Es wird also beim Transport der innenraumfertigen Module wenig Masse bei großem Packvolumen transportiert. Die Grundstruktur der quaderförmigen, in ihrer Größe und Konstruktion festgelegten Raummodule schränkt die architektonische Gestaltung hinsichtlich ihrer Kubatur, Fassadengestaltung und Innenausbau erheblich ein. Innerhalb der durch die Module und das Leichtbauprinzip
16
vorgegebenen Grenzen können jedoch individuelle Varianten entwickelt werden. Die Innovation dieses Systems liegt in der
Aufbau Raummodul Die Stahlrahmenkonstruktion setzt sich aus einer Bodenplatte, vier Eckstützen und einer Deckenplatte zusammen.
17
18
Konstruktion Raummodulgebäude Nachdem die Module auf der Baustelle zum Gesamtgebäude zusammengestellt wurden, wird das Gebäude mit Diagonalstreben an der Fassade oder im Innenraum ausgesteift.
Raummodulgebäude Bauteile wie Treppen und Aufzüge werden zum Schluss auf der Baustelle konventionell erstellt.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
69
gonale Gestaltung festgelegt wird. Das gilt sowohl für die Außen-
tur intensiver auseinandersetzt. Nicht zuletzt wegen seiner ver-
form als auch für den Innenausbau. Innerhalb dieser Regeln gibt
gleichbar hohen Baukosten hat dieses System keine weite Ver-
es allerdings viele Variationsmöglichkeiten. Der hohe Bodenauf-
breitung gefunden. Es relativieren sich allerdings die Baukosten,
bau, über den die haustechnischen Leitungen verteilt werden,
wenn man die Kosten der Gebäudenutzung einschließlich der
ermöglicht sehr viele Ausbauvarianten unabhängig von den Tech-
Nutzungsänderungen über einen längeren Zeitraum betrachtet.
nikschächten. Auch die Fassade, die vom Tragwerk räumlich und
Diese ganzheitliche Betrachtung der Lebenszykluskosten eines
konstruktiv unabhängig ist, kann relativ frei gestaltet werden. Die
Gebäudes ist bei Bauherren erst seit einigen Jahren verbreitet. In
Besonderheit dieses Systems aber ist die Flexibilität für nachträg-
dieser Betrachtungsweise von Gebäudekosten, in dem ressour-
liche Umbauten. Die Umbauzeiten für Innenwände, Innendecken
censchonenden Ansatz der Wiederverwendbarkeit von Bauteilen
und Installationen betragen oft nur einige Stunden, und der Um-
und der Kompatibilität mit der Computeranwendung liegen die
bau kann vom hauseigenen Personal durchgeführt werden. Über-
aktuellen Chancen dieses Gebäudesystems. Das System Midi
zählige Wand- oder Deckenelemente können für spätere Ein-
wurde zusammen mit dem Installationsmodul Armilla seit 1970
sätze eingelagert werden.
insgesamt viermal vom Büro Haller angewendet. Fritz Haller be-
Bemerkenswert ist die detaillierte und komplexe Ausarbeitung des Systems. Die Idee, ein Gebäudesystem zu schaffen, das in
zeichnet alle bisherigen Gebäude als Prototypen, bei denen jeweils der neueste Stand der Forschung zum Einsatz kam.
allen Ebenen, vom Rohbau bis hin zur Haustechnik, wandelbar ist,
Einen Ansatz zur Reaktivierung alter Industrieflächen zeigt
wurde mit aller Konsequenz umgesetzt. In ihm spiegeln sich die
das Projekt Kraanspoor des Amsterdamer Büros OTH – Ontwerp-
Erfahrungen im Umgang mit Systemen wider, die das Büro Haller
groep Trude Hooykaas (25). Auf einem ehemaligen Werftgelän-
mit seinen Forschungstätigkeiten und gebauten Anwendungen
de am Nordufer des Flusses IJ in Amsterdam wurde eine alte
seit 1961 gemacht hat. Allerdings werden die vollständige Funk-
Kranbahn zur Basis für ein neues Bürogebäude. Das Konstruk-
tionsweise und die Vorteile des Systems aufgrund seiner Kom-
tionsraster des Bürogebäudes fußt auf Modulen von 23 m –
plexität erst dann offensichtlich, wenn man sich mit seiner Struk-
entsprechend dem Stützenraster der Kranbahn –, die jeweils in
25
Bürogebäude Kraanspoor, Amsterdam, OTH – Ontwerpgroep Trude Hooykaas, 2007 Auf einem ehemaligen Werftgelände am Nordufer des Flusses IJ in Amsterdam wurde eine alte Kranbahn zur Basis für ein Bürogebäude. Dessen Konstruktionsraster fußt auf dem vorhandenen Stützenraster von 23 m.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
73
Gobaplan wurde 1982 entwickelt und ist für unterschiedliche
die Befestigungsgrundlage für die Fassade. Das Rastersystem
gewerbliche Nutzungen geeignet (27).
der Träger baut auf einem Vielfachen der Innenausbauraster
Kern des Systems ist das Tragwerk aus einem Stahlskelett aus
von 1,25 m auf. So ist es mit den Ausbausystemen kompatibel,
Doppel-T-Stahlprofilen und Fertigbetondeckenelementen (28).
die auf dem deutschen Ziegelmauerwerksraster mit einem
Die Stahlträger stehen in einem Raster von 2,50 × 5 m oder
Grundmodul von 12,5 cm beruhen. Trockenbauwände haben
2,50 × 7,50 m. Daraus ergeben sich gut transportierbare Be-
zum Beispiel ein Grundraster von 62,5 cm. Die tragenden
tonbodenplattengrößen von max. 2,50 × 7,50 m. Die Fassa-
Stahlprofile werden aus Brandschutzgründen mit Trockenbau-
denträger stehen im Raster von 2,50 m, es sind jedoch auch
platten verkleidet. Die Geschossdecke wird grundsätzlich mit
größere Öffnungen bis maximal 7,50 m möglich. Die Brüstun-
einer abgehängten Decke geschlossen, unter der die Haus-
gen werden mit Betonfertigteilen geschlossen. Diese bilden
technikverteilung erfolgt.
28
29
Tragsystem Gobaplan Kern des Gebäudesystems ist das Tragwerk aus einem Stahlskelett aus Doppel-T-Stahlprofilen und Fertigbetondeckenelementen.
System Gobaplan Für die Fassade sieht das System ein Fensterband vor, das alle 2,50 m von Fassadenstützen unterbrochen wird.
30
Showroom Goldbeck mit 1:1-Gebäudemodellen Als Teil der Vermarktung werden 1:1-Gebäudemodelle in verschiedenen Ausführungsvarianten ausgestellt.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
75
Betonskelettbau sicherungsgebäudes ist neben seinem Erscheinungsbild die Ver-
Die Vorteile von Betonkonstruktionen gegenüber Stahlkonstruk-
legung der Vertikalerschließungselemente sowie der Ver- und
tionen sind der bessere Brand- und Schallschutz sowie die fer-
Entsorgungssysteme an die Außenfassade. Dies ermöglicht ein
tigen Rohbauflächen. Nachteile von Betonsystemen im Büro-
Maximum an Flexibilität bei der Aufteilung der Grundrissfläche
bau waren bisher sowohl die Konsolen und Unterzüge der
und erleichtert die Wartung der kurzlebigeren Bauteile der haus-
Tragkonstruktion, die den Innenausbau und die Haustechnikver-
technischen Systeme.
teilung störten, als auch die geringere Tragfähigkeit von Beton.
Rogers richtete in den folgenden Jahren sein Büro konsequent
Es gibt allerdings mittlerweile Systeme, wie beispielsweise das
auf Vorfertigung aus und konnte durch eine kontinuierlich wach-
Tragsystem von CD20 Bouwsystemen (32, 33), das frei von
sende Sammlung von Detaillösungen, eine Art büroeigener De-
Konsolen und Unterzügen ist. Der Einsatz von Spannbeton er-
tailkatalog, die Effizienz seines Büros enorm steigern. So lag er
weitert die statischen Möglichkeiten dieser Systeme, sodass
2004 auf Platz 3 im Ranking der britischen Architekten mit ei-
sie auch in diesem Punkt mit Stahlbausystemen konkurrenz-
nem Umsatz von £ 248.936 pro angestelltem Architekt.
fähig werden.
32
Rohbau Bürokomplex mit Tragsystem CD20 Bouwsystemen Dieses in der Decke flächenbündige Betonskelettsystem besteht aus Stützen und unterzugsfreien Betondeckenplatten.
33
Rohbau Industriehalle mit Tragsystem von DW-Systembau Das Betonskelettsystem besteht aus einer Kombination von Stützen und Deckenträgern. Das Dach sowie die Wände werden mittels Betonplatten oder anderweitiger Hüllflächen (meist Sandwichkonstruktionen) geschlossen.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
77
Das Gebäude der Energie- und Wasserbetriebe Buchs von Ball-
Systembaus. Die topografische Einbindung des Gebäu-
moos Krucker Architekten ist bis auf die in Ortbeton hergestell-
des und die Gestaltung von Fassade und Vordach las-
ten aussteifenden Treppenkerne vollständig vorfabriziert (34).
sen die feinen Differenzen und den charakteristischen
Die tragenden Fassadenstützen sind in Sandwichbauweise her-
Ausdruck entstehen und machen den Unterschied zwi-
gestellt, die auskragenden Vordächer sind direkt in die Gesamt-
schen Systembau und durch Architekten geplanter Vor-
struktur eingebunden. Das Gebäude thematisiert die Fügung der
fertigung deutlich.
Fertigteile; der Eindruck des Gebäudes ist der vertraute eines
34
Werksgebäude der Energieund Wasserbetriebe Buchs, Schweiz, Ballmoos Krucker Architekten, 2004 Die topografische Einbindung des Gebäudes und seine architektonische Anmutung verdanken sich der durch Architekten geplanten Vorfertigung.
78
B A U S y s t e m e i m g e w e r b e bau
Plattformsystem Die Individual Building Platform ist ein integriertes Plattformsys-
festgelegten Systemkomponenten minimal Einfluss auf die Ar-
tem für Bürogebäude (35) auf Basis eines Betonskelettsystems.
chitektur genommen wird. Die Plattform besteht aus vier Sub-
Das System wurde im Jahr 2007 an der Architekturfakultät der
systemen: Rohbausystem (36), Fassadensystem (37), Haustech-
TU Delft in Zusammenarbeit mit deutschen und niederländi-
niksystem (38) und Innenausbausystem (39).
schen Firmen entwickelt. Es soll später auf andere Nutzungen
Auf dem Plattformsystem aufbauend wird für die individuelle
angepasst werden. Dem System liegt der Gedanke einer Platt-
Anwendung das jeweilige Gesamtsystem entwickelt. Zusätzlich
formstrategie zugrunde, einer Fertigungsstrategie aus dem Auto-
zu den Plattformkomponenten werden projektspezifische Kom-
mobilbau, bei der auf der Grundlage einer seriellen Plattform in-
ponenten entwickelt, die in den Bau- und Planungsprozess der
dividuell angepasste Varianten gebaut werden. Die Komponenten
Plattform integriert werden. Dadurch wird eine durchgehende
einer Plattform wurden so gewählt, dass bei möglichst vielen
Just-in-time-Montage auf der Baustelle möglich.
35
Gesamtsystem der Individual Building Platform als 3D-Simulation, TU Delft, Niederlande, 2007 Diesem System für Bürogebäude liegt der Gedanke der Plattformstrategie zugrunde, einer Fertigungsweise aus dem Automobilbau, bei der auf der Grundlage einer seriellen Plattform individuell angepasste Varianten gebaut werden.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
79
Das Rohbausystem besteht aus Spannbetonfertigteilplatten und
Mit dem Rohbausystem der Plattform können außer orthogona-
Stahlbetonstützen, die über ein Stahlkopplungselement unterzugs-
len Formen auch trapez- und kreisförmige Gebäude entstehen.
frei miteinander verbunden werden. Auf die Betonplatten wird ein
Damit können die meisten gebräuchlichen Gebäudeformen schon
Hohlraum als Doppelboden gestellt, in dessen Zwischenraum die
innerhalb der Plattform abgedeckt werden. Besondere Bauteile
Haustechnikleitungen verzogen werden. Die Bodenplatten können
werden als Sonderkomponenten im System zusammen mit der
mit einer Betonkernaktivierung versehen werden.
Plattform koordiniert. Ein wirtschaftlicher Einsatz des Systems
Die Fassade ist eine modular aufgebaute Haustechnikfassa-
ist allerdings nur bei Gebäuden möglich, bei denen die Plattform
de. Sie besteht innen aus Aluminiumfensterelementen, Haus-
einen hohen Anteil hat. Im Innenausbau wird die Flexibilität durch
technikelementen und Brüstungselementen. Außen besteht sie
den verhältnismäßig hohen Anteil von Stützen und Aussteifungs-
aus Doppelfensterelementen oder Verkleidungselementen aus
wänden eingeschränkt. Die dezentrale Haustechnik in der Fas-
frei wählbarem Material.
sade (41) und der Doppelbodenaufbau erlauben eine flexible
Für den Innenausbau werden Ausbausysteme eingesetzt, die
Versorgungsplanung. Das System befindet sich noch in der Pro-
mit dem Gesamtsystem koordiniert werden. Die haustechnischen
totypphase und wurde deswegen noch nicht kommerziell ange-
Installationen werden in der Planung als individuell angepasste
wandt.
Module definiert. Die Verteilung der Haustechnik erfolgt über den Doppelboden und die Haustechnikfassadenmodule. Das Innenausbauraster ist zwischen den Grenzwerten 1,20 und 1,40 m flexibel. Die Maße für das Konstruktionsraster (40) liegen entsprechend flexibel zwischen 3,60 und 4,20 m. Für Geschosshöhen gibt es keine Festlegungen.
41
Gesamtsystem Individual Building Platform Die Fassade ist eine modular aufgebaute Komponentenfassade.
40
Tragsystem Individual Building Platform Die Maße für das Konstruktionsraster liegen zwischen 3,60 und 4,20 m. Für Geschosshöhen gibt es keine Festlegungen.
BAUSYSTE M E I M G EWE R B E BAU
81
Industriehallensysteme aus Betonfertigteilen Man kann bei Industriehallen nicht im gleichen Maße von Sys-
Fassaden (42–44). Für jedes dieser Bauteile werden unter-
temgebäuden sprechen wie bei den vorgestellten Bürobausyste-
schiedliche Versionen angeboten. Alle Bauteile sind je nach Be-
men. Ein Gebäude wird für eine Produktion erstellt und auf ihre
darf über unterschiedliche Verbindungsdetails miteinander kom-
spezifischen Bedürfnisse angepasst. Ähnlich wie bei Hochhäu-
binierbar und in ihren Dimensionen variabel.
sern sehen die Entwürfe so viele sich wiederholende Teile vor,
Als Beispiel soll eine eingeschossige Industriehalle mit Blech-
dass man von einem individuellen Systemgebäude mit hoher Vor-
fassadenelementen als Außenwände dienen (45). Die Rechteck-
fertigungsrate sprechen kann. Die Planer können bei den unter-
stützen werden auf das vor Ort vorbereitete Fundament gestellt
schiedlichen Bauteilen auf Systemlösungen zurückgreifen, die
und kraftschlüssig mit einer Bolzenverschraubung mit dem Fun-
sich wegen der einfachen Grundstruktur der Industriehallen ein-
dament verbunden, um auf die Fassade wirkende Horizontalkräf-
fach miteinander koordinieren lassen. Ein Systembaukasten be-
te aufnehmen zu können. Die Dachträger sind geneigte I-Binder,
steht aus den Bauteilen Stützen, Träger, Decken, Wände und
die direkt auf die Stützen aufgelegt werden. Als Dachplatten können je nach Spannweite im Bereich von 6 × 9 m Blechkonstruktionen genutzt werden (46) und bei 9 × 12 m TT-Platten zum Einsatz kommen.
VV-Pfette
Pfette
Rechteck Unterzug Rechteck-Unterzug
Hut-Unterzug Hut Unterzug
L - Unterzug L-Unterzug
42
Betonskelettbau: Stützen Ein Systembaukasten von Betonfertigteilen besteht aus den Bauteilen Stützen, Träger, Decken, Wände und Fassaden.
T-Binder T-
Binder
I-Binder
I - Binder
43
Betonskelettbau: Träger Für jedes dieser Bauteile werden unterschiedliche Versionen angeboten.
82
B A U S y s t e m e i m g e w e r b e bau
6 | Bauteile: Systeme, Module und Elemente Systeme und Subsysteme In diesem Kapitel werden Systeme als solche erläutert, die ent-
Ein System ist ein Gefüge aus einzelnen Elementen, die eine
weder in Ebenen der Konstruktion oder in einzelne Bauteile wie
Gesamtheit bilden. Für den Bereich des Bauens bedeutet dies,
Dach, Fassade etc. unterteilt werden können oder – alternativ
dass einzelne Bauteile die Gesamtheit erzeugen (1) – zum Bei-
betrachtet – nach den Gewerken der Konstruktion kategorisiert
spiel ein aus Backsteinen zusammengefügtes Haus (2). Die Ent-
werden können. Abschließend wird der Vorfabrikationsgrad von
wicklung zu komplexeren Gebäuden, beispielsweise einer Ske-
Konstruktionen sowie Möglichkeiten der Verbindung diskutiert.
lettkonstruktion mit Fassadenmodulen als Hülle sowie einem
Die verschiedenen Herangehensweisen an die Konstruktion sind
Inneren aus Trennwänden und technischen Ausstattungskompo-
notwendig, um die im Bauwesen gebräuchlichen Begrifflichkei-
nenten, führt zu einer weitergehenden Gliederung des Systems
ten und Methoden zu erläutern.
in Primärsystem, Sekundärsystem sowie Modul und Element (3).
1
2
Natursteinmauerwerk Einfaches System aus Elementen: Natursteinmauerwerk, verarbeitet ohne Mörtel, also ein vollständiges System aus lediglich einer Art von Elementen.
Sagrada Familia, Barcelona, Antoni Gaudí, 1882–1926 Mauerwerksteine sind dem Kraftfluss folgend angeordnet, wodurch zwar die Komplexität der Geometrie steigt, die Einfachheit des Systems aus einer Art von Element jedoch bestehen bleibt.
3
Conservatorium van Amsterdam, de Architekten Cie., 2008 Gesamtsystem, welches aus mehreren Sekundärsystemen (Hülle, Dach etc.) mit einzelnen Modulen (Fassade) besteht, die sich wiederum aus einzelnen Elementen (Fenster etc.) zusammensetzen.
98
baute i le: syste m e, modu le u n d E le m e nte
Diese Unterteilung ist hierarchisch. So können zum Beispiel meh-
Dach funktioniert als Witterungsschutz, Decken tragen die Lasten
rere Elemente ein Modul bilden und die Gesamtheit der Module
der Geschosse und trennen diese. Gleiches gilt für weitere Sub-
dann das System.
systeme wie Trennwände, Treppen oder Sanitäreinheiten, soweit
Systeme, ob auf der Ebene des Primärsystems oder des Se-
diese als Module vorfabriziert sind. Für die äußeren Wände, so-
kundärsystems, bestehen aus Modulen. Die Gliederung von Mo-
fern sie tragend sind, kann man die Kombination von Tragstruktur
dulen eines Gebäudes ist einfach, solange eine eindeutige Funk-
und Hülle finden. Werden diese Funktionen getrennt, sprechen
tionstrennung sich auch in getrennten Modulen widerspiegelt: Ein
wir vom Modul Tragstruktur und vom Modul Fassade (10–12). Module werden aus Elementen zusammengesetzt. Um also Module wie beispielsweise eine Decke zu erzeugen, werden die einzelnen Elemente Deckenbalken, Verschalung, Dämmung,
10
Gesamtes Gebäude Das vollständige Gebäude, bestehend aus Modulen und Elementen, in seiner zusammengefügten Form.
Deckenunterseite und Fußbodenbelag zusammengefügt. Gleiches gilt für Dachkonstruktionen aus den Elementen Dachbalken, Dämmung, Dichtungsebene und Dacheindeckung.
11
Das Gebäude lässt sich in Systeme aufgliedern Getrennte Funktionen, wie das des Tragwerks oder der Gebäudehülle, finden sich in dem Primärsystem Tragwerk und dem Sekundärsystem Fassade wieder.
12
Das Gebäude lässt sich in Elemente aufgliedern Die einzelnen Elemente ergeben in ihrer Kombination das Modul.
baute i le: syste m e, modu le u n d E le m e nte
101
Vorfabrikationsgrade der Konstruktion Wie bereits oben beschrieben, können System, Module und Ele-
Bestehen kaum Möglichkeiten, große Objekte zu transportieren,
mente unterschieden werden oder eine Gliederung der Konstruk-
werden sicherlich eher Elemente statt ganzer Bauteile verwen-
tion nach den an ihr beteiligten handwerklichen Gewerken erfol-
det; wenn es hingegen die Option gibt, ganze Module oder Se-
gen. Für beide Ansätze gilt, dass der Grad der Vorfertigung je
kundärsysteme auf der Straße zu transportieren oder gar ein
nach industriellem Standard, technologischer Situation sowie
komplettes Primärsystem beispielsweise auf dem Wasser zu be-
der gewünschten Flexibilität variiert.
wegen, kann es interessanter sein, die Elemente schon in der
Im Gegensatz zum Ziegelstein mit seinen kleinen Abmessun-
Produktionsstätte zu Subsystemen zusammenzusetzen.
gen und seinem Erfordernis von viel handwerklicher Arbeit vor
Beispielhaft werden nun die verschiedenen Stadien der Vor-
Ort steht die Mega-Unit-Fassade: Diese Fassade beinhaltet alle
fabrikation von Elementen, Modulen und Systemen erläutert: Vor
Funktionen der Hülle von Dichten, Dämmen und Klimatisieren als
Ort werden beispielsweise Betonkonstruktionen in Schalung her-
ein aus mehreren Elementen bestehendes vorgefertigtes Modul,
gestellt (23). Hierbei handelt es sich um eine Produktion, bei der
welches lediglich in seiner endgültigen Position fixiert werden
die Formgebung erst auf der Baustelle geschieht. Verständlicher-
muss (22). Es handelt sich also um eine vollständig vorgefertigte
weise besteht hier maximale Flexibilität während des Produktions-
Fassade, die als Modul eines Sekundärsystems Fassade instal-
prozesses, allerdings mit entsprechendem Aufwand vor Ort.
liert wird. Preis der Komplexität ist allerdings eine geringe Flexi-
Mauerwerk stellt dagegen schon einen ersten Schritt in die
bilität des Moduls, da Anpassungen vor Ort nicht oder nur schwer
Vorfabrikation dar, da die Steine bereits gefertigt sind, wenn sie
und unter Qualitätseinbußen vorgenommen werden können.
auf die Baustelle kommen. Dennoch wird die Erstellung der Wand
Es entsteht also neben der Frage nach der industriellen Herstellung des Ausgangsmaterials und der verwendeten Elemente die Frage nach einem für das jeweilige Bauwerk richtigen Verhältnis von Vorfabrikation der Module und Elemente. Die folgenden Aspekte beeinflussen die Entscheidung über den Grad der Vorfabrikation: Tradition im Baubereich – was können die Unternehmen leisten, in welchen Herstellungsverfahren verfügen sie über Erfahrung? Dies definiert wesentlich den Kosten für die Produktion und damit den Preis. Weiterhin ist das Verhältnis Arbeitslohn zu Materialkosten relevant. In Industriegesellschaften mit hohen Lohnkosten ist man bemüht, den Lohnanteil an einer Bauleistung zu minimieren, und setzt deshalb auf einen größeren Vorfertigungsgrad, während Schwellenländer mit geringen Lohnkosten vor Ort durchaus aufwendigere Konstruktionen umsetzen können. Auch der industrielle Entwicklungsstand hat Einfluss; eine komplexe, nicht lokal verfügbare Technologie, die erst importiert werden muss, ist im Regelfall aufgrund der Transportkosten zu teuer. Und letztendlich haben auch die Transportmöglichkeiten Einfluss auf die Entscheidung bezüglich der Vorfertigung.
22
Mega-Unit-Fassade Die Fassadeneinheiten bestehend aus achsbreiten und geschosshohen Fassadenmodulen, die alle Funktionen der Fassade übernehmen. Diese Einheiten werden im Werk vorfabriziert und vor Ort nur noch installiert.
baute i le: syste m e, modu le u n d E le m e nte
105
noch manuell vor Ort vorgenommen. Gleiches gilt für großforma-
nug, können sie leicht transportiert und montiert werden. Bei
tige Wandelemente, beispielsweise aus Beton, die als Fertigteile
größeren Modulen kann die Montage nicht mehr manuell, son-
einige, jedoch nicht alle Funktionen einer Wand übernehmen
dern nur maschinell erfolgen (24).
können.
Ein weiterer Schritt in Richtung vollständige Vorfabrikation
Ein nächster Schritt der Vorfabrikation ist die Verwendung
findet sich in der Installation von großformatigen Modulen oder
von Modulen, das heißt Bauteilen, die aus mehreren Elementen
ganzen Sekundärsystemen. Neben den bereits erwähnten Mo-
bestehen und verschiedene Funktionen übernehmen können. Bei-
dulen Fenster und modulare Fassaden (25, 26) wird beispiels-
spiele hierfür sind Fassadenmodule. Sind die Module klein ge-
weise eine vollständige Dachkonstruktion mit allen funktionalen
106
23
24
Ferienhaussiedlung, Burgh-Haamstede, Niederlande, 2003 Fertigung einer Bodenplatte mit einer Randschalung, Bewährungseisen und anschließend einzufüllendem Ortbeton.
Ferienhaussiedlung, Burgh-Haamstede Fertigteile aus Beton für Wände und Decken stellen großformatige Module der Konstruktion dar.
25
26
Ferienhaussiedlung, Burgh-Haamstede Erzeugung des Moduls Wand mittels der Elemente Betonfertigteil, Dämmung und Verkleidungsmauerwerk. Module wie Fenster werden in dieser Bauweise bereits während des Mauerns eingesetzt.
Ferienhaussiedlung, Burgh-Haamstede Detailausschnitt des Wandaufbaus mit den Elementen Betonfertigteil als tragende Wand, Dämmung und Mauerwerk als Außenschale sowie dem Modul Fenster.
baute i le: syste m e, modu le u n d E le m e nte
Autoren Professor Dr. Ing. Ulrich Knaack war Architekt in Düsseldorf und ist heute Professor für Konstruktion und Entwurf an der TU Delft sowie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold. Autor der Fachbücher „Konstruktiver Glasbau“ sowie Herausgeber der Birkhäuser-Reihe „Prinzipien der Konstruktion“.
Dipl.-Ing. Sharon Chung-Klatte studierte Architektur an der Cornell University in Ithaca, New York, sowie an der Kunstakademie Düsseldorf, wo sie Meisterschülerin war. Sie arbeitete in verschiedenen Architekturbüros in New York und London sowie in Deutschland bei Oswald Mathias Ungers und Ingenhoven, Overdiek und Partner. Sie lehrte als Dozentin am Lehrstuhl von Professor Ulrich Knaack an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold sowie an der Kunstakademie Düsseldorf und der Academie van Bouwkunst Maastricht. Sie ist heute als Architektin in Düsseldorf tätig.
Dipl.-Ing. Reinhard Hasselbach studierte Architektur an der RWTH Aachen. Er forscht zum Thema Systembau an der TU Delft am Lehrstuhl von Professor Ulrich Knaack und ist freischaffender Architekt und Kurator in Berlin.
anhang
129
Register Abiquiu House, Abiquiu 51 adapto (Raummodulsystem) 70 AIROH (Aluminiumbungalow) 26, 27, 27 Aisslinger, Werner 48 Aladdin Homes 17 Alchemy Architects 52 Almere 53, 53, 109 Anderson Anderson Architecture 51 Archigram 118 Arcon (Haustyp) 26 Armilla 34, 70, 72–73, 89 Arts & Architecture (Zeitschrift) 28 Atterbury, Grosvenor 18–19 Bahnhof Detmold 18 Ballmoos Krucker Architekten 78, 78 Balloon-Frame-Bauweise 38 Banham, Reyner 15, 16, 118 Bauhaus 15, 17, 21 Baumeister, Willi 21 Behnisch Architekten 120, 122, 122 Behrens, Peter 21 Betonskelettbau 61, 61, 77, 79, 82, 83, 84 Beton-Stahlskelettbau 61, 61, 74 bhss-architekten 123 Bison (Betonplattensystem) 28 Bogardus, James 17 BoKlok-Haus 47, 58 Boogertman + Partners 10 Bosch Siemens Homeproducts, Hoofddorp 74 Brutalismus 35, 36 Bruynzeel 20 Bucholz McEvoy Architects 123, 124 Building Research Establishment (BRE) 20, 28, 122 Building Research Station (BRS) 20, 28 Burgh-Haamstede 45, 106, 107 CAD (Computer Aided Design) 11, 88, 89, 90, 118 CAM (Computer Aided Manufacturing) 88, 89, 118 Cartwright Pickard Architects 58 Case Study House 28–30, 29, 30 CD20 Bouwsystemen 77, 77 CLASP 27 Collins, Penny 43 Conservatorium van Amsterdam 98 Container 49, 64, 65, 66, 67, 68, 109, 109 Daiwa House Group 54, 87, 96 De Architekten Cie. 98 De Meeuw 87, 96, 97, 109 De Vijf 48 Dessau-Törten 20, 21 Deutscher Werkbund 21, 21 Dietrich Untertrifaller Architekten 60 DIY-Haus, San Francisco 47 DW Systembau 77, 77 Dymaxion Deployment Unit (DDU) 32, 32–33 Dymaxion Dwelling Machine 33 Dymaxion-Haus 32, 32–33, 35
130
anhang
Eames, Charles und Ray 16, 29, 29, 111 EcoHat 58, 58 Elbphilharmonie, Hamburg 65 Elm Park Development, Dublin 124 Embryological House 11 EnBV City, Stuttgart 117 Endres Ware 47 Energie- und Wasserbetriebe Buchs 78, 78 Entenza, John 28–29 Entry 06, Essen 12 Fierloos Architecten 53 Fiorentino, Mario 23 Firmensitz Q-Cells, Bitterfeld 123 Firmensitz Unilever, Hamburg 120 Flatpack-System 47, 69 Flavin, Dan 7, 8 F.O.B. 55, 55, 56 Ford, Henry 15, 85–86 Ford-T-Modell 86, 86 Forster, Stefan 22, 23 Foster, Norman 112 Frankfurter Küche 20, 20 Frankfurter Plattenbau 19, 19 Freitag lab AG, Zürich 66, 68 Friesland Foods Building, Deventer 68 Fuller, Richard Buckminster 11, 32, 32, 33, 33, 35, 62 Garreau, Joel 119 Gaudí, Antoni 98 Geodätische Kuppel 11, 62, 63, 64 George Wimpey Company 27 Ger siehe Mongolische Jurte Gill, Irving 28 Gobaplan 70, 74, 74, 75, 76 Goldbeck (Bürobausystem) 70, 74, 74, 75 Gorio, F. 23 Granada 9 Grimshaw, Nicholas 11, 11 Gropius, Walter 15, 17, 20, 21, 21, 33 Gugelot, Hans 16 Haller, Fritz 34, 35, 70, 71, 73, 89 Harvard Allston Science Complex, Boston 122, 122 Haus Burger, Detmold 40 Haus E. Kaufmann, Andelsbuch 42, 43 Haus F., Bezau 60 Haus Rucker Co. 118 Hauszelt 62 Herzog & de Meuron 112 Holland Composite 48, 110 Holzrahmenkonstruktion 41, 54 Holzskelettkonstruktion 26, 51 Holzständerbauweise 17, 29, 50 Holztafelkonstruktion 112 Hotel Post, Bezau 49, 49 House of the Future 35, 35
Ideal Home Exhibition 35, 35 IKEA 47, 58 Individual Building Platform 79, 79, 80, 80 Jin Mao Tower 119 Johnson Creek weeHouse, Honesdale 52 Jong, Mart de 48 Jurte siehe Mongolische Jurte Kansai Airport 11 Kapselhotel, Osaka 49 Kaufmann, Johannes 42, 46, 46, 59, 60 Kaufmann, Michael 60 Kaufmann, Michelle 51 Kaufmann, Oskar Leo 42, 46, 46, 49, 59 Koenig, Pierre 30 Kombinierte Konstruktion 37 KOW Architekten 74 Kraanspoor, Amsterdam 73, 73–74 Kristallpalast, London 24, 25 Kündig Bickel Architekten 70 Kuppelzelt 62 Kurokawa, Kisho 49 La Corviale, Rom 23, 23 Langenfeld, Gewerbepark 74 Larsen-Nielsen-System 28 Le Corbusier 7, 15, 16, 21, 23, 30, 37, 113 Le Haut du Lièvre, Nancy 22 Leichtskelettbauweise 37, 38, 44, 54 Leinefelde 23 Levittown, Pennsylvania 17 Lichtenberg, Jos 84 Living Homes 51, 52 Lloyd’s Building, London 76, 76 Loftcube, Berlin 48 Lugli, P. M. 23 LV Series Home, Perryville 51 Lynn, Greg 11 Maison Citrohan 16–17 Maison Tropicale 30–31, 31 Marmol Radziner and Associates 51 May, Ernst 19, 19–21, 85 McDonough & Partners 74 McLuhan, Marshall 15 Mega-Unit-Fassade 103, 105, 105, 107 Mercedes-Benz Museum, Stuttgart 90, 90 Middelburg 8, 53 Midi (Bausystem) 34, 35, 70, 71, 72, 72–73, 89 Mies van der Rohe, Ludwig 21, 22, 42 Mitsui 54 Modern Modular Housing 43 Modulare Konstruktion 37, 48 Modulor 7 Mongolische Jurte 13, 13, 33 Muji 47, 47 Müller, Gerd Alfred 16 Murray Grove 58
Nakagin-Kapseln, Tokio 49 Namba, Kazuhiko 47, 47 Neutra, Richard 28 Ohno, Taiichi 86 Oriental Masonic Gardens, New Haven 36, 36 OSB-Platten 40, 41, 51 OTH – Ontwerpgroep Trude Hooykaas 73, 73 Oud, Jacobus Johannes Pieter 21 Oxley Woods, Milton Keynes 57, 58, 58, 112 Packaged House 33, 33, 34 Parco Homes 9, 52 Pawley, Martin 16, 57 Paxton, Joseph 24, 25 Pfosten-Riegel-Konstruktion 42, 103, 100 Piano, Renzo 11 Platform-Frame-Bauweise 38, 39 Plattenbauweise 22, 23, 37, 40, 41 Portal House 26 Primärsystem 87, 98, 99, 100, 101, 105, 109, 110, 111, 113 Prouvé, Jean 30, 31, 31 Pruitt-Igoe, St. Louis 23 Quadrant Homes 9, 50, 95 Rahmen- und Tafelbauweise 33 Raummodulbau 61, 61, 64, 68, 70 Richmond Hall, Houston, Texas 8 RKW Architektur + Städtebau 117 Rogers, Richard 76, 76–77 Rogers Stirk Harbour + Partners 57, 58, 58, 112 Romero, Rocio 51, 51 Ronan Point 28 Rudolph, Paul 35, 36, 36 Ruf, Albert 49
Sagrada Familia, Barcelona 98 San Francisco 9, 47 SAP Call Centre, Galway 123 SBB-Ausbildungszentrum, Löwenberg 71 Schindler, Rudolph 28 Schottenkonstruktion 108 Schütte-Lihotzky, Margarete 20, 20 Sears, Roebuck and Co. 17, 18 Sekisui Chemical 54 Sekundärsystem 87, 98, 99, 100, 100, 101, 105, 107, 110, 111 Simpson Ties 44, 44 SIP-Verbundpaneele 41, 41 Skidmore, Owings and Merrill 119 Slavik, Han 109 Slimline (Deckensystem) 74, 74 Smithson, Alison und Peter 35, 35, 36 Soccer City Stadium, Johannesburg 10 Sorest, Toyota Homes 54 Sottsass, Ettore 16 Spacebox, Delft 48, 110 Spillmann Echsle Architekten 68 Splanemann-Siedlung, Berlin 18, 19 Stahlrahmenkonstruktion 22, 65, 68, 69 Stahlskelettkonstruktion 26, 29, 29, 54, 61 Stansted Airport 112 Sterbini, G. 23 Stick-Built-Verfahren 9 Stick-Frame-Haus 50 Superstudio 118 SU-SI-Wohneinheit, Reuthe 59 System Occident 19
Team X 35 Temple-Street-Parkgarage, New Haven 36, 36 Toyoda, Eiji 50, 86 Toyota Homes 9, 54 Trailer Homes 48 Transsolar 122 Turner, Huw 43
Tarran (Haustyp) 26 Tatami-Haus 14 Tatami-Matte 7, 14, 14, 54 Tate Modern, London 31, 112 Taut, Bruno 21
Zehrfuss, Bernard 22 Zeltsysteme 62, 62, 63 Zendome 62, 63
Ultraleichtbau 61, 61 Um House, Ikoma 55, 56 UN Studio 90 Uni-Seco (Haustyp) 26 USM Haller 34–35, 70 Valentine (Olivetti Schreibmaschine) 16 Valori, M. 23 Volkswagenwerk 15 Vorarlberg 11, 12, 59–60 Wachsmann, Konrad 33, 33–34, 34 Wagner, Martin 18, 19 Warhol, Andy 7 Waterloo Station, London 11, 11 Weißenhofsiedlung Stuttgart 15, 19, 21, 21, 22, 42 Wichita-Haus 33, 33 Wimpey siehe George Wimpey Company Wimpey-No-Fines-System 27 Windermere, Forsyth County 50 Wohnbebauung, Ypenburg, Den Haag 108 Woonhof De Dolphijn, Middelburg 53 Wright, Frank Lloyd 28–29
Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf Bildunterschriften.
anhang
131
P R I N Z I P I E N DE R KON STR U KTION
P R I N Z I P I E N DE R KON STR U KTION
P rinzipien
K n a a c k | C h u n g - k l at t e | H a ss e l b a c h
der
SYS TEMBAU
K onstruktion
Syste m bau
Dieses Buch stellt übersichtlich die verschiedenen
dung von vorgefertigten Elementen in der Architektur
Systeme und ihre Einsatzmöglichkeiten insbesondere
wieder engagiert diskutiert. Lange als monoton abge-
im Wohnungs-, Büro- und Industriebau vor. Die Pro -
stempelt, weisen heutige Bauelemente in Wirklichkeit
zesse und Komponenten im Systembau werden erklärt,
einen hohen Differenzierungsgrad auf, der die Kreati-
und besonders interessante Beispiele werden vorge-
vität der Architekten nachhaltig stützen und verstärken
stellt. Die Autoren stellen Strategien für Planung und
kann. Zahlreiche Bauten arbeiten mit solchen vorge-
Entwurf mit präfabrizierten Systemen vor, damit die-
fertigten Elementen und es sind ästhetisch anspruchs-
se vom Architekten nutzbringend eingesetzt werden
volle Modulsysteme erhältlich.
können. Zahlreiche Zeichnungen erklären die Prinzipien im Systembau; gebaute Beispiele sorgen für den Brückenschlag zur Baupraxis.
P R inzipien der konstruktion
Seit einigen Jahren wird der Systembau, die Verwen-