Sascha und elisabeth

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Sascha und Elisabeth Gudrun Pausewang Sascha war der schlimmste Junge im ganzen Viertel. Er rief Schimpfworte hinter den Leuten her und raufte mit den anderen Jungen, er schwänzte oft die Schule, riss Blumen aus den Vorgärten und klaute zuweilen eine Apfelsine aus Frau Bayers Obstladen. Fast immer lief ihn die Nase.„Ein unausstehlicher Bursche“, sage Frau Bayer, und das fanden alle. Das fanden sogar seine Eltern. Weil ihn niemand mochte, hatte er auch keine Freunde. Und weil er keine Freunde hatte und immer allein rumstrolchen musste, wurde er immer unausstehlicher. „Er ist selber schuld daran, dass niemand mit ihm spielen will“, sagten die Kinder im Viertel. „Warum ist er auch so böse!“ Die sind schuld daran, dass ich so bin, dachte Sascha. Niemand will was mit mir zu tun haben. Im Viertel gab es noch jemanden, der allein war. Das war die alte Elisabeth in der Mauergasse. Sie konnte nicht mehr gehen, seit sie unter ein Auto geraten war. Das war schon viele Jahre her. Seitdem saß sie in einem Rollstuhl und hatte für ihre Verwandten und auch für fremde Leute gestrickt. Aber mit der Zeit waren ihre Augen immer schlechter geworden, bis sie gar nichts mehr sehen konnte. Jetzt war sie blind und konnte nicht mehr stricken. Ihre Schwester oder ihr Schwager schoben sie im Rollstuhl jeden Morgen nach dem Frühstück, wenn es nicht gerade regnete oder schneite, unter das Vordach hinter dem Haus und drückten ihr ein Tütchen Bonbons in die Hand. Erst zum Mittagessen holten sie sie wieder herein. Den Nachmittag verbrachte die alte Elisabeth auch wieder einsam hinter dem Haus in dem winzigen Gärtchen. Niemand unterhielt sich mit ihr, niemand beschäftigte sich mit ihr. Wozu lebe ich noch? dachte sie. Ich tauge zu nichts mehr. Ich wollte, ich wäre tot. Viertel = (bydel) kvarter Schimpfwörter = skældsord raufte = slås schwänzte = pjækkede klaute = stjal unausstehlicher = uudholdelig Bursche = kægt schuld = skyld Daran =deri Niemand = ingen Jemanden = nogen / en seit = siden unter……geraten = kommet under Verwandten =familiemedlemmer, slægtninge gestrickt = strikket

Augen = øjne Schwager = svoger schoben = skubbede schneite = sneede Vordach = halvtag Tütchen Bonbons = lille pose slik holten = hentede herein = indenfor winzigen = meget lille Gärtchen = lille have unterhielt = underholt, snakkede beschäftigte = beskæftigede tauge = dur, egner wäre = ville være


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