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bodo
Januar 2017
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2
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INHALT | EDITORIAL
04
Pia Bohr Sie ist bildende Künstlerin und war das weibliche Gesicht des Independent-
Kollektivs Phillip Boa & the Voodoo Club. In wenigen Wochen eröffnet die KulturAllrounderin im Dortmunder Klinikviertel ihre eigene Freie Kunstschule. Von Peter Hesse
12
Ralphs neuer Job Eigentlich verkauft Ralph das britische Straßenmagazin „The Big Issue“.
Nach einem Schicksalsschlag, dem Verlust seiner Hündin Jess, winkte plötzlich ein ganz besonderer Job: Hundehüten im finnischen Lappland – bei minus 20 Grad. Von Alexandra Gehrhardt
32
Steffi hilft Die Wittenerin Stefanie Neto Mendonca ist eine Tierfreundin. Sie hat das
Retten, Pflegen, Betreuen und Vermitteln kranker und hilfsbedürftiger Tiere zur ihrer ehrenamtlichen Lebensaufgabe gemacht. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Von Wolfgang Kienast
38
Die Bäcker-WG Ausbildung statt Abschiebung: Albi, Endri und Ildis kamen als unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge aus dem „sicheren Herkunftsland“ Albanien. Mit 18 Jahren drohte ihnen die Ausweisung. Heute machen sie eine Ausbildung zu Bäckern in Dortmund. Von Maren Wenzel
07 Straßenleben | „Historische Krise“ 07 Impressum 08 Neues von bodo 15 Mein Verkaufsplatz | Adolf Liebe Leserinnen und Leser,
16 News 16 Kommentar | Jetzt erst recht
herzlich willkommen zum ersten Straßenmagazin 2017. Schön,
17 Recht | Inkassokosten
dass Sie uns auch im neuen Jahr erhalten bleiben. Wir freuen
17 Die Zitat | Das Foto
uns, in einem fulminanten Endspurt die sich traditionell häu-
18 Interview | Roman Henri Marczewski
fenden Termine am Ende des Jahres bewältigt zu haben – von
22 Kultur | 30 Jahre Idiots Records
wegen besinnliche Adventszeit, Sie kennen das bestimmt. Aber wir sind glück-
23 Wilde Kräuter | Hagebutte
lich, so viele Menschen mit unserem Dezemberheft und mit unseren Veranstal-
24 Veranstaltungskalender | Verlosungen
tungen erreicht zu haben. Wirklich begeistert sind wir von Ihrer Unterstützung
30 bodo geht aus | Wuselcafé Hattingen
unserer Anlaufstellen in der Spendenaktion „Eine offene Tür für Menschen in
31 Soziales | Die Brotretter
Not“, die diesen Monat noch weiterläuft. Nur mit Ihrer Unterstützung sind
36 Netzwelt | www.dein-sternenkind.eu
Angebote wie unsere Wintercafés möglich. Herzlichen Dank!
36 Kinotipp | Martha & Niki 37 Bücher
Obwohl in unseren Breitengraden der eigentliche Winter meist erst nach dem
42 Reportage | Mit der Bundeswehr in Mali
Jahreswechsel beginnt, rutschen die Themen Obdachlosigkeit und Armut nach
46 Leserseite | Comic
der Weihnachtszeit schnell wieder aus der allgemeinen Wahrnehmung. Mit
47 bodo Shop
mehreren Veranstaltungen versuchen wir dem gegenzusteuern. Und natürlich mit diesem Heft, in dem es u.a. um einen Straßenzeitungsverkäufer im finnischen Lappland geht, um eine Dortmunder Künstlerin, die Schule macht,
bodo SCHA FFT CHAN CEN
um einen Bochumer Kanadier mit Präsidentenstatus, eine Wittenerin, die mit unglaublichem Einsatz Tiere rettet, um ein ziemlich ungewöhnliches Café in Hattingen und vieles mehr. Wir wünschen Ihnen einen guten Start in das neue Jahr und ein glückliches 2017. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de 3
MENSCHEN
Pia Bohr
Kunst als positive Macht
„Kultur im soziologischen Sinne bedeutet, dass sich Menschen den schönen Dingen widmen. Sie können bildende Kunst sehen und erleben.“
4
Früher war sie die Chanteuse und das weibliche Gesicht des Independent-Kollektivs Phillip Boa & the Voodoo Club. Seit einigen Jahren ist Pia Bohr als bildende Künstlerin tätig. Ihre Holzskulpturen sind inspiriert von den Plastiken des Dadaisten und Surrealisten Hans Arp. Nun geht die Kultur-Allrounderin noch einen Schritt weiter und eröffnet im Dortmunder Klinikviertel ihre eigene Freie Kunstschule. Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski
Als wir im Hinterhof eines Reisebüros klin-
die Geburtsstation der Städtischen Kliniken.
Boa war innerhalb dieser Riege eine Figur, die
geln, bellt Hund Otto schon laut. Der Ort,
Geburt und Kunst an einem Ort? Das klingt
vieles anders machen wollte. Das New-Wave-
den wir betreten, ist eine Mischung aus Loft
schon irgendwie nach sozialer Plastik. Auch
Kollektiv „1. Weibliche Fleischergesellin seit
und Lebensraum, Werkstatt und Wohnung.
Pias Motiv orientiert sich an Joseph Beuys: „Er
1945“ war seine erste richtige Band, damals
Zwischen den leer geräumten Regalen und
hat die Formel aufgestellt: Kreativität gleich
war Boa noch unter seinem bürgerlichen
gepackten Kisten steht hier alles auf Neu-
Volksvermögen gleich Kapital. Das finde ich
Namen Ernst Ulrich Figgen bekannt. „Ich bin
anfang. Noch wohnt Pia hier mit ihrem Le-
als Leitidee einfach super.“
damals ganz zufällig da mit hineingerutscht“,
benspartner. Aber bald werden hier Kurse
ergänzt Pia, „weil die jemanden suchten, der
und Workshops angeboten, und zwar mit
Schon in Kindheit und Jugend merkte Pia,
Klavier spielen konnte. Aber mit dieser Band
den Schwerpunkten Kreatives Schreiben,
dass ein genormtes Leben mit blütenwei-
fing eigentlich alles an.“
Künstlerische Fotografie oder dem Anferti-
ßen Gardinen und Bausparvertrag nicht un-
gen von Acrylcollagen. In ihrer Kunstschule
bedingt das ist, was sie anstrebt: „Ich habe
Ab etwa 1986 organisierten Pia und Philipp
will Pia Bohr ein vielseitiges Angebot präsen-
mich immer schon irgendwie als Außenseiter
in privater und beruflicher Partnerschaft ihr
tieren, auch Kurse für Kinder ab vier Jahren
gefühlt. Ich habe Germanistik und Sport stu-
eigenes Label „Constrictor“ von Dortmund-
finden sich hier.
diert, dann kam ich in diesen Lehramtsappa-
Hörde aus. Neben eigenen Platten veröffent-
rat rein und das hat mir gar nicht gefallen.
lichten sie vor allem die Schallplatten von
„Die Kunst kann eine positive Macht aus-
Parallel habe ich Musik gemacht, und die
britischen Szene-Helden wie den T.V. Perso-
üben“, sagt Pia und fährt fort: „Wenn ich mir
Karriere ging dann auch ziemlich steil nach
nalities oder Inca Babies. „Bei der Arbeit mit
aber viele Künstlervereinigungen anschaue,
oben. Das ist sozusagen die erste Säule mei-
dem Label habe ich gelernt, wie man die Din-
dann ist das alles oft sehr tot und leblos. Da
nes Lebens.“
ge gleichzeitig zusammenhalten und organi-
ist keine Energie drin, keine Wut und kein
sieren muss.“
politisches Engagement. Mit solchen Institu-
Der Club „Neue Heimat“ in der Nähe des Ha-
tionen könnte man viel mehr erreichen. Es ist
gener Hauptbahnhofs war früher eine wich-
„Früher war es noch möglich, mit Musik
aber sehr schwierig, weil jeder irgendwie nur
tige Keimzelle für die einheimische Musik-
eine Karriere zu machen“, sagt Pia. „Das ist
sein eigenes Ding macht.“ Ihr Loft war früher
szene. Hier trafen sich in den frühen 1980er
ja heute nur noch mit vielen Live-Auftritten
Jahren Musiker von Extrabreit und den Fehl-
machbar. Aber damals hat das bei uns sehr
farben. Auch Annette und Inga Humpe, die
gut funktioniert. Wir waren sehr energisch
später mit Ideal und den Neonbabies in Ber-
und sehr idealistisch eingestellt.“ Die Boas
lin populär wurden, kamen hier her. Phillip
bekommen zwei Töchter, die anfangs ständig mit auf Tour sind und Teil eines unsteten Lebens werden. „Gerade in der späteren Pubertätsphase habe ich viele Konfrontationen mit meinen Kindern gehabt“, sagt Pia. Denn sie war nie eine normale Hausfrau und Mutter, sondern immer jemand, der sich in unterschiedlichen Bereichen ausprobieren wollte.
geboren in Dortmund
Die zweite Säule begann um das Jahr 2000,
Mutter zweier Töchter
als Pia Bohr mit der Bildhauerei anfing: „Ich
Beruf: Bildhauerin, Sängerin
wollte immer mit Steinen arbeiten – dann
Profession: leitet ab 1. März 2017
habe ich aber ein Stück Holz in die Hand ge-
die Kunstschule Pia Bohr
5
MENSCHEN
„Joseph Beuys hat eine Formel aufgestellt: Kreativität gleich Volksvermögen gleich Kapital. Das finde ich als Leitidee einfach super.“
drückt bekommen.“ Der entscheidende Tipp, mit Holz zu experimentieren, kam von dem aus Schwerte stammenden Künstler Michael Schmidtkult, der sie anfangs betreute und dem sie „unglaublich viel zu verdanken“ hat, wie sie sagt. „Ich bin dann dabei geblieben.“ Für ihre amorphen Skulpturen, die auch vereinzelt in ihrem Loft stehen, bearbeitet sie meistens die Stämme von Birnen- und Olivenbäumen. „Kultur im soziologischen Sinne bedeutet, dass sich Menschen den schönen Dingen widmen. Sie können bildende Kunst sehen und erleben. Das will ich in einem Haus zusammenführen.“ Das Curriculum der Kunstschule soll ein möglichst breites Spektrum an Techniken und Künsten abbilden: Grundlagenkurse und regelmäßige Angebote in Zeichnen, Malen und Plastizieren, Angebote für Erwachsene, Eltern und Kinder oder Ältere. Auch Künstlerische Fotografie oder Kreatives Schreiben werden zum Lehrangebot gehören, angeboten von ausgebildeten Fachdozentinnen und -dozenten. „Wenn ich was mache, dann soll das auch Hand und Fuß haben. Ich möchte alles Mögliche anbieten. Auch den Bereich Kunsttherapie habe ich mit aufgenommen, weil das ein spannendes Feld ist. In Dortmund ist dieses Feld bislang noch nicht richtig besetzt.“ Außerdem möchte sie über ihre Kunstschule auch soziale Projekte fördern. „Meine Schule hat schon einen missionarischen Auftrag“, sagt sie. Dem kann sie in wenigen Wochen nachgehen: Am 27. März wird die Freie Kunstschule Pia Bohr eröffnet.
Freie Kunstschule Pia Bohr Dudenstraße 4 (Hinterhaus) 44137 Dortmund www.kunstschulepia.de
6
STRASSENLEBEN
IMPRESSUM
„Historische Krise“ Thomas Specht, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG/W), findet drastische Worte zum bundesweiten Anstieg der Wohnungslosenzahlen. „Die Krise ist historisch und hat den Höhepunkt noch nicht erreicht.“ Von Bastian Pütter | Foto: Reuters / Michaela Rehle
Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Harald, Peter Hesse, INSP, Wolfgang Kienast, Dirk Planert, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst, Maren Wenzel Titelfoto: Brian Goodman / Shutterstock Fotos: Bianka Boyke (17), Mauricio Bustamente (31), Robin Dullinge (16), Mike Heider (24, 29), Dirk Planert (42, 43, 44, 45), Reuters / Michaela Rehle (22), Sabrina Richmann (3, 18, 19, 20, 38, 39, 40), Daniel Sadrowski (3, 4, 5, 6, 22, 30, 32, 33, 34, 35), Sebastian Sellhorst (8, 9, 10, 11, 15, 16, 17, 46), Claudia Siekarski (11), StandOut (8, 24, 29), Pavel Svoboda Photography / Shutterstock (12, 13), The Big Issue UK (3, 12, 14), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (23) Cartoon: Volker Dornemann Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung
Nach Auskunft der Bundesregierung ist die
„Das ist richtig und falsch“, sagt Oliver
Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung
Philipp von bodo. „Der Verlust der Woh-
auf rund 335.000 gestiegen – ein Plus von 35
nung ist in der Tat meist ein Symptom viel
Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Die tat-
tiefer liegender Probleme wie persönlicher
sächlichen Zahlen liegen nach Einschätzung
Krisen und Schicksalsschläge, psychischer
der BAG/W noch weit höher.
oder Suchterkrankungen.“ Diese Probleme
2015 hatte sie bereits einen Anstieg auf über eine halbe Million Wohnungslose bis 2018 prognostiziert – ohne die Flüchtlingszahlen im Folgejahr absehen zu können. Die Zahl dürfte inzwischen um mehrere hunderttausend Menschen höher liegen, sagt Thomas Specht. Anerkannte Flüchtlinge blieben zu lange in Notunterkünften und ohne eigene Wohnungen. Gleichzeitig erreicht der sich seit Jahren verschärfende Wohnraummangel einen neuen Höchststand und hat inzwischen auch das Ruhrgebiet erreicht. Besonders Dortmund ist betroffen. In ihrer Antwort auf die Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag betont das Bundessozialministerium: „Wohnungslosigkeit liegt vielfach nicht in fehlendem Wohnraum begründet, sondern hat in der Regel eine Reihe anderer sozialer und zum Teil auch psycho-sozialer Ursachen.“
zu bearbeiten bleibe aber wirkungslos, wenn es nicht gelänge, eine neue Wohnung zu finden. Einkommensarme, Alleinerziehende und RentnerInnen konkurrieren mit geflüchteten und wohnungslosen Menschen um den knappen bezahlbaren Wohnraum. Die verdeckte Obdachlosigkeit von EU-MigrantInnen, denen zwar Freizügigkeit innerhalb der EU gewährt wird, Sozialleistungen aber versagt bleiben, verschärft das Problem. „Insofern besteht natürlich ein Zusammenhang zwischen Wohnraummangel und Wohnungslosigkeit“, so Philipp.
Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Februar-Ausgabe 10.01. 2017 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 01.2015 Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0 www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00 BIC: BFSWDE33XXX
7
NEUES VON BODO
Für Thomas Bernhard
Geierabend: „Planet Pott“
Gemeinsam gefeiert
Am 13. Januar lädt bodo in der Benefiz-
Vom 5. Januar bis zum 28. Februar errichtet
Unsere jährlichen Weihnachtsfeiern sind
Kulturreihe „2. Freitag“ zu einer poetisch-
die 13-köpfige Geierabend-Crew aus Come-
für unsere ehrenamtlichen und angestell-
musikalischen Hommage an den österrei-
dians, Kabarettisten und Musikern ihre
ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein
chischen Dichter Thomas Bernhard.
Basis auf Zeche Zollern in Dortmund.
schöner Abschluss nach einer meist doch
In ihrer szenischen Revue führen der Literat
Das Ensemble um Präsident Roman Marczews-
Oscar Borkowsky und der Musiker Han-
ki (s.S. 18), Steiger und AWO-Kolumnist Martin
Für die meisten unserer Verkäuferinnen
nes Sänger das Publikum innerhalb eines
Kaysh (s.S.21), „Bandscheibe“ Franziska Mense-
und Verkäufer sind sie hingegen ein – so
geschlossenen Theatertextes mit Songs und
Moritz und „Die zwei vonne Südtribüne“ prä-
wichtiger wie notdürftiger – Ersatz für das,
Gedichten aus eigener Feder auf eine Reise
sentieren an 40 Abenden einen dreistündigen
was die meisten mit den Feiertagen verbin-
ans Ende der Nacht: bitter und böse, char-
Mix aus bissiger Satire, schräger Comedy und
den: die Zeit der Familie, der Gemeinschaft
mant und ironisch – das pure Leben also.
anarchischem Ruhrpott-Klamauk.
und Wärme. Gerade an Weihnachten wird
Bernhard war Meister der Übertreibung,
Neu dabei in diesem Jahr: Co-Regisseur
der Verzweiflung, er war Hassfigur und
Heinz-Peter Lengkeit ( „RuhrRevue“, „Freun-
„Spaltpilz“ und wusste doch: „Es ist alles
de der italienischen Oper“, das Musical
Wie in jedem Jahr feierten wir auch 2016
lächerlich, wenn man an den Tod denkt!“
„Kein Pardon“), Gastautor Sigi Domke
gleich doppelt: Mit einem Weihnachtsbrunch
Im Februar wäre Bernhard 86 Jahre alt ge-
(Mitbegründer und Co-Autor von Herbert
für unsere Bochumer Verkäuferinnen und
worden. Der Titel „ ¿WAS?WANN?WO?“ ist
Knebels Affentheater) und die junge WDR-
Verkäufer und mit einer großen Weihnachts-
folglich Programm: Wie man seine Existenz
Satirikerin Jana Fischer.
feier in unserem Dortmunder Buchladen –
verkorkst, ohne es zu bemerken; bis einem zum Schluss ein Licht aufgeht – bevor es einem ausgeblasen wird.
Und wie in jedem Jahr läuft neben der Session der bodo-Spenden-Marathon. Wer „auf Zeche“ am Ende des Abends Wertmarken
eher hektischen Vorweihnachtszeit.
für die Menschen, die auf der Straße leben, das fehlende Zuhause spürbar.
mit warmem Buffet und Geschenken für alle Verkäufer- und MitarbeiterInnen von Witten bis Hagen und aus allen Arbeitsbereichen.
Freitag, 13.1., 19.30 Uhr im bodo-Buchladen,
übrig hat, kann sie spenden. Nach Spielzeit-
Das waren wieder schöne Veranstaltungen!
Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
ende erhalten unsere Wintercafés den Wert
Vielen Dank an alle Unterstützerinnen und
Der Eintritt ist frei, Spenden kommen den
der Marken in bar. Unglaubliche 7.324 Euro
Unterstützer. Ganz bodo wünscht ein gutes
Beratungsangeboten von bodo zugute.
kamen im vergangenen Jahr zusammen.
neues Jahr!
bodo trägt vor Auch im neuen Jahr stellen wir die Arbeit von
kussion um „No-Go-Areas“ und Gefahrenge-
bodo in Schulen und Kirchengemeinden vor
biete nimmt Bastian Pütter eine historische
und laden Gruppen in unsere Räume in Bo-
Einordnung vor und spricht über Konflikte
chum und Dortmund. Wenn Sie uns einladen
und Zuwanderung, Innen- und Außensichten
oder besuchen möchten, rufen Sie uns gerne
sowie ordnungspolitische Strategien.
an oder schreiben Sie uns.
8
Am Mittwoch, dem 8. Februar, sprechen wir
Zusätzlich möchten wir auf öffentliche Vor-
im „Rekorder“ in der Dortmunder Gneisen-
träge in den nächsten Wochen hinweisen. Am
austraße unter dem Titel „Irgendwer da
19.1. um 19 Uhr referiert bodo-Redaktionslei-
draußen? Obdachlosigkeit in Dortmund“
ter Bastian Pütter in der Mahn- und Gedenk-
über Strategien des Unsichtbarmachens
stätte Steinwache über die Geschichte der
und -gemachtwerdens. Der Eintritt ist frei,
Dortmunder Nordstadt. Anlässlich der Dis-
wir freuen uns stattdessen über nicht mehr
www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Bücher schaffen Stellen Ihre Buchspenden schaffen Arbeitsplätze, Ihr Einkauf bei uns hilft, sie zu sichern: Mehr als 7.500 Buchkunden und -spender durften wir im vergangenen Jahr in unserem gemeinnützigen Buchladen am Dortmunder Schwa-
bodo im Kino
nenwall begrüßen, in 26 Länder versendeten wir online bestellte Bücher.
Mit zahlreichen Gästen haben wir im ver-
Das Ergebnis, nun nicht nur auf DVD am
gangenen Monat die Premiere von „Brü-
heimischen Fernseher, sondern endlich auch
chige Biografien“ im Bochumer Metropolis
in echter Kinoatmosphäre zu sehen, hat
Kino gefeiert. Mit dem Erscheinen unserer
nicht nur den Produzenten und uns, sondern
Sonderausgabe mit DVD lief die Dokumen-
auch allen bodo-VerkäuferInnen gefallen,
tation über fünf bodo-Verkäuferinnen und
die uns an diesem Tag ins Kino begleitet
-Verkäufer am 10. Dezember zum ersten Mal
haben. Unser Dank gilt noch einmal Citizen
auf großer Kinoleinwand. Am 23. Januar prä-
Frame für die Produktion, Friedl Kunow für
sentieren wir den Film auch in Dortmund.
die Einladung in sein Kino und vor allem den
80 Minuten lang erzählen fünf VerkäuferInnen aus ihrem Leben, von ihren Wünschen,
Krimis, Romane, Kinder-, Sach-und Fachliteratur, Reise- und Kochbücher: Mehr als 10.000 gut erhaltene und oft sogar neuwertige Bücher finden Sie in unseren Regalen und auf den großen Aktionsflächen. Noch einmal so viele antiquarische Bücher und einen Großteil des Ladensortiments finden Sie auf den großen Buchportalen im Internet und auf bodoev.de.
ProtagonistInnen Moni, Lacramiora, Gökkan,
Besonderer Beliebtheit erfreut sich wei-
Chris und Markus.
terhin unser Samstagsangebot „Darf’s ein
Hoffnungen und Zielen. Und sie erzählen,
Diesen Monat zeigen wir „Brüchige Biografi-
wie sie zu bodo gekommen sind, wie ihnen
en“ auch in Dortmund: Am Montag, dem 23.
der Verein und der Verkauf des sozialen
Januar, um 19 Uhr, läuft der Film im sweet-
Straßenmagazins weiterhelfen. Die Produk-
Sixteen Kino im Dortmunder Depot. Karten
tionsfirma Citizen Frame aus Düsseldorf hat
gibt es für 3 Euro an der Abendkasse.
bisschen mehr sein?“: Samstags von 10 bis 14 Uhr gibt es bei bodo jedes Buch von unseren Aktionsflächen zum Kilopreis. Das angefangene Kilo kostet nur 1,99 Euro. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Dortmund, Schwanenwall 36 – 38
sie dafür einen Tag lang begleitet.
Mo. – Fr., 10 – 18 Uhr, Sa., 10 – 14 Uhr
Harald, bodo-Verkäufer beim Geierabend Das Jahr hat gerade erst begonnen, und wie jedes Jahr ist es schon wieder Geierabend-Spielzeit. Seit acht oder sogar neun Jahren, so
benötigte Schlafsäcke und Isomatten.
genau weiß ich das schon gar nicht mehr, bin ich jetzt mit dabei und
Beginn ist um 21 Uhr. Am Sonntag, dem 19.2., sind wir um 16 Uhr in der Suppenküche Kana am Dortmunder Nordmarkt mit einem Vortrag und anschließender Diskussion zur Situation der Wohnungslosen in Dortmund. Auch hier ist der Eintritt frei, es gibt Kaffee und Kuchen. Weitere Termine finden Sie auf unserer
verkaufe dort jeden Abend „auf Zeche“ die bodo. Meistens bin ich vormittags erst an meinem Verkaufsplatz in der Innenstadt. Nach einer Mittagspause mache ich mich dann langsam auf den Weg Richtung Zeche. Da mein Roller nur 25 km/h fährt, bin ich meistens schon so 45 Minuten unterwegs, bis ich dort bin. Die Tage sind ganz schön lang. Oft bin ich erst nachts um zwei Uhr wieder zu Hause, aber das ist es mir wert. Die Spieltage sind für mich die anstrengendste, aber auch die schönste Zeit des Jahres. Wenn man schon so lange dabei ist wie ich, dann kennt man irgendwann die meisten Besucher und die Leute vom Geierabend sowieso. Man gehört quasi mit zur Familie.
Homepage und auf unserer Facebook-Seite:
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in das neue Jahr und dem Ensemble eine erfolgreiche
bodoev.de, facebook.com/bodoev
Session, Euer Harald. 9
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NEUES VON BODO
Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an: n n n n n n n
Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung
Eine offene Tür Im Dokumentarfilm „Brüchige Biografi-
Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org
en“ erzählen Christian, Gökkan, Monika, Lacramiora und Markus ihre Lebensgeschichten. Sie sind fünf der 180 Menschen,
Achtung, neue Adresse.
denen im vergangenen Jahr der Verkauf des Straßenmagazins Halt gab. Noch weitaus mehr Menschen finden in unseren Anlaufstellen Rat und Unterstützung oder wärmen sich in unseren Wintercafés auf. Ihre Lebenswege sind so verschieden wie die der fünf im Film. Auch ihre Geschichten handeln von Niederlagen, Abstürzen und
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Der Anfang ist eine offene Tür: Wer zu uns kommt, braucht keinen Termin und keine ausgefüllten Formulare. Wir beraten, begleiten und vermitteln Hilfen. Wir erklären das unverständliche Ämterschreiben, ersetzen den zerschlissenen Schlafsack, helfen bei der Wohnungssuche. Wir hören zu. Selbstvertrauen zu fassen und mit eigener Kraft aus einer schwierigen Lebenslage www.wirtschaftsfoerderung-dortmund.de
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wieder selbst in die Hand zu nehmen.
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Wir bedanken uns herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern, die unsere Aktion „Eine offene Tür für Menschen in Not“ unterstützen. Ihre Spenden ermöglichen die Wintercafés und die Arbeit unserer Bochumer und Dortmunder Anlaufstellen. Sie ermöglichen Neuanfänge. bodo ist als gemeinnützig und mildtätig anerkannt, Sie
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Mitmachen
Bob im Kino
Die ganze kalte Jahreszeit hindurch sind
Am 12. Januar läuft der Film „Bob, der
die Wintercafés in unseren Dortmunder
Streuner“ in den Kinos der Region an. In der
und Bochumer Anlaufstellen viel genutzte
Dezemberausgabe des Straßenmagazins
Orte. Menschen kommen zum Aufwär-
erzählten wir die Geschichte von James
men, zum gemeinsamen Frühstück und
Bowen, der jahrelang auf der Straße gelebt
nutzen die Gelegenheit, sich ohne büro-
hat, als er einen verletzten, abgemagerten
kratische Hürden beraten zu lassen.
Kater findet, oder besser: der Kater ihn.
Gleichzeitig sind die Schwanenstraße in
Fast widerwillig nimmt James ihn auf,
Dortmund und die Stühmeyerstraße in Bo-
bezahlt mit seinem knappen Geld die
chum Ausgabestellen für die im vergange-
Behandlung. Bob, der Streuner, weicht
nen Jahr 180 Verkäuferinnen und Verkäufer
fortan nicht mehr von seiner Seite, und
des Straßenmagazins.
James bringt sein Leben in Ordnung. Bob begleitet ihn bei der Arbeit als Verkäufer
Neben unserem hauptamtlichen Team machen Menschen, die sich freiwillig beim Verkäuferfrühstück, in unserer Kleiderkam-
des Straßenmagazins Big Issue – bis James eine Literaturagentin anspricht.
mer und in der Betreuung unserer Gäste
Aus dem Straßenzeitungsverkäufer wird
engagieren, unsere Arbeit erst möglich.
ein Bestsellerautor, aus dem Straßenkater
Unser Team in beiden Städten freut sich
Bob ein Weltstar. Nach Millionen verkaufter
über Unterstützung. Wenn Sie sich vorstel-
Bücher kommt ihre Geschichte nun auf die
len könnten, uns tageweise während der
große Leinwand. Wir freuen uns darauf!
Öffnungszeiten bei der Arbeit in unseren Ausgabestellen zu verstärken, laden wir Sie gerne zu einem Treffen ein.
Falls Sie die Dezemberausgabe des Straßenmagazins mit dem Porträt über James und Bob verpasst haben, fragen Sie ein-
Wir freuen uns auf Ihren Anruf oder Ihre Mail:
fach Ihren Verkäufer oder uns nach einem
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Restexemplar.
bodo ist für Sie da montags bis freitags
0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de
Geschäftsleitung Tanja Walter verein@bodoev.de
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en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de
von 9 bis 16 Uhr unter dieser
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Mitglieder im Deutschen Mieterbund
11
REPORTAGE
Ralph hat einen neuen Job
Ein Job am Polarkreis: Straßenzeitungsverkäufer Ralph Church kümmert sich um 65 Schlittenhunde im finnischen Lappland. In der Provinz Kuusamo, direkt an der russischen Grenze, betreiben Philip und Katja das „Border Inn“ und bieten Schlittentouren für Touristen an. Ralph las ihr Stellenangebot, Freunde und LeserInnen unterstützten ihn und er setzte sich in den Flieger.
12
Ein Schicksalsschlag hat Big Issue-Verkäufer Ralph Church vor einem Jahr aus der Bahn geworfen: Sein geliebter Hund Jess, seine Begleiterin und beste Freundin, starb bei einem Verkehrsunfall. Doch in der Zeit des Trauerns winkte plötzlich ein ganz besonderer Job: Anstatt in Südengland das britische Straßenmagazin zu verkaufen, hütet er gerade Schlittenhunde – bei minus 20 Grad im finnischen Lappland. Von Alexandra Gehrhardt; INSP | Fotos: The Big Issue UK, Pavel Svoboda Photography / Shutterstock
J
etzt, im Januar, sind in Lappland die Wälder
Mit ihr hatte Ralph Außergewöhnliches vor:
hatte mir in einer harten Zeit das Leben geret-
und zugefrorenen Seen von einer dicken
„Es war immer mein Traum, auf dem Meer zu
tet“, erzählt er. „Doch die Menschen hier haben
Schneeschicht bedeckt, mit Glück sind nachts
leben“, erzählte er 2015. Da hatte er es gerade
mir sehr geholfen.“ Viele Kunden und Bekannte
schon Nordlichter am Himmel zu sehen. Hier,
geschafft, durch den Verkauf der Big Issue
aus dem Stadtteil St. Marychurch, wo sein Ver-
in Kuusamo, nur ein paar Kilometer von der
mehr als 1.000 Pfund zu sparen, um ein kleines
kaufsplatz ist, hatten Blumen vorbeigebracht,
Grenze zu Russland entfernt, kümmert sich
Hausboot zu kaufen, auf dem die beiden leben
Ralph getröstet und Geld gesammelt, um ihn
Ralph Church für mehrere Monate um Dut-
sollten. Schon den Weg nach Torquay hatten
zu unterstützen. Schon damals hatte er gesagt,
zende Huskys.
die beiden über das Wasser zurückgelegt – mit
dass er gern wieder einen Hund hätte.
einer kleinen Jolle waren sie aus Wales, wo RalVor ein paar Wochen lebte Ralph noch in Tor-
ph vorher gelebt hatte, die Küste entlang bis
quay in der südenglischen Grafschaft Devon
nach Cornwall gefahren, hatten, wenn sie neu-
und verkaufte dort die Big Issue, das britische
en Treibstoff oder neuen Proviant brauchten,
Nun sind es erstmal 65 – und das auch nicht an
Straßenmagazin. Vor drei Jahren hatte er
Halt gemacht und Straßenmagazine verkauft.
der englischen Südostküste, sondern gut 3.500
Hundehüten bei Minusgraden
Kilometer entfernt in Finnland. Eine Werbe-
damit angefangen, nachdem er sieben Jahre lang obdachlos gewesen war. Immer an
Doch dann starb Jess plötzlich bei einem Ver-
anzeige brachte ihm den jetzigen Job ein: Im
seiner Seite: Hündin Jess, ein schwarzer Jack
kehrsunfall ganz in der Nähe von Ralphs Ver-
Landstrich Lappland im Osten des Landes wur-
Russell Terrier, seine beste Freundin und „ein
kaufsplatz, und für ihr Herrchen brach eine
de jemand gesucht, der auf Huskys aufpasst,
perfekter Hund“.
Welt zusammen. „Es war eine schwere Zeit. Sie
die dort als Schlittenhunde eingesetzt werden. 13
REPORTAGE
„Ich habe eine E-Mail losgeschickt und schon
Sechs ziehen einen
am nächsten Tag mit Philip, dem Besitzer des Die Tradition des Schlittenhundefahrens
war schrecklich. Ich hatte zwar gut aufge-
ist vermutlich Jahrtausende alt: Sibirische
passt, als es mir erklärt wurde, aber ich hatte
Das „Border Inn“ ist ein kleines Luxus-Gäste-
Indigene spannten schon vor 4.000 Jahren
trotzdem Angst, etwas falsch zu machen.“
haus, das Philip und Katja in Lappland betrei-
Hunde vor Schlitten, um sich fortzubewe-
Sechs Hunde waren vor seinen Schlitten ge-
ben, knapp 800 Kilometer von Helsinki und kei-
gen und Lasten und Güter zu transportieren.
spannt, und als es losging, „schossen sie wie
ne zwei Kilometer von der Grenze nach Russland
Schlittenhunde können hundert Kilometer an
der geölte Blitz los. Bevor ich wusste, was ge-
entfernt. Die Provinz Kuusamo, wo Ralph gera-
einem Tag zurücklegen – und waren damit für
schah, landete ich direkt mit dem Gesicht im
de lebt, ist eines der wichtigsten touristischen
tagelange Jagdreisen von Nomaden perfekt
Schnee. Mittlerweile läuft es aber besser und
Gebiete des Landes, sie lockt Skitouristen und
geeignet. So dürften sich die Tiere irgend-
ich habe gelernt, mit den Hunden und dem
Naturfreunde gleichermaßen an. Während des
wann auch über die restliche Nordhalbkugel,
Schlitten besser umzugehen.“
Winters können die Temperaturen in Lappland
nach Alaska und das restliche Nordamerika
auf bis zu minus 30 Grad Celsius sinken. „Zehn
ausgebreitet haben.
,Border Inn‘ telefoniert“, erinnert sich Ralph.
Tage nach meiner Ankunft gingen die Tempera-
14
Ralph erinnert sich noch gut daran, wie er zum ersten Mal ein solcher Musher war: „Es
Die Zeit in Lappland hat Ralphs Leben verändert, das weiß er schon jetzt. „Ich bin Philip
turen nach unten“, erinnert sich Ralph, „und es
Während des Goldrauschs im frühen 20. Jahr-
und Katja sehr dankbar, dass sie mir diese
begann zu schneien. Und schneite und schneite
hundert war der von Hunden gezogene Schlit-
Chance gegeben haben. Und ich bin allen
und schneite. Die komplette Landschaft färbte
ten das häufigste und typischste Transport-
dankbar, die es mir ermöglicht haben, die-
sich weiß. Es war großartig.“
mittel, um Waren und Güter von A nach B zu
sen Kindheitstraum wahrzumachen.“ Und
bringen. Bis zu zwölf Tiere ziehen im Gespann
trotzdem: Irgendwann, wenn sein polares
Ralphs neuer Job klingt erstmal einfach: Phi-
einen Schlitten, der Schlittenführer, Musher
Abenteuer mit den Huskys vorbei ist, möchte
lip und Katja bieten Entdeckungstouren mit
genannt, steht im hinteren Teil des Fahrzeugs
er auch wieder zurück nach Südengland und
Schlittenhunden durch die Wälder und über
– bei den Touren von Philip und Katja bis zu
den Menschen danken, die ihn bei so vielem
die Berge Lapplands an. Und um die kümmert
60 Kilometer am Tag. Gelenkt wird nicht mit
unterstützt haben. „Ich freue mich schon da-
sich Ralph seit ein paar Wochen. Konkret heißt
Zügeln, sondern allein über Zurufe an das
rauf, sie alle wiederzusehen, wenn ich zurück
das: füttern, die Tiere und die Schlitten für die
Gespann. Und auch das Tempo und die Rei-
bin.“ Vielleicht sucht er dann auch wieder ein
Touren vorbereiten, die Gehege sauberhalten.
sezeiten bestimmen nicht die Fahrer auf dem
Hausboot und vielleicht auch nach einem
65 Huskys leben im „Border Inn“.
Schlitten, sondern die Tiere, die ihn ziehen.
Hund. Wie Jess.
Mein Verkaufsplatz
Adolf Westenhellweg Dortmund „Hier direkt in der Innenstadt habe ich vor zwanzig Jahren das erste Mal von bodo gehört. Ich war damals nach diverseren Streitigkeiten mit meiner Familie und einem Job als Schausteller auf der Straße und an der Flasche gelandet“, erinnert sich Adolf, während wir auf dem Weg zu seinem Verkaufsplatz an
Mit über 20 Jahren bei bodo ist Adolf dienstältester Verkäufer des Straßenmagazins. An seinem 83. Geburtstag (!) hat er uns in der Redaktion besucht. Bei einem anschließenden Spaziergang über den Westenhellweg, den wohl kaum ein anderer Dortmunder besser kennt als Adolf, hat er uns einige Anekdoten aus seiner langen Geschichte als Verkäufer erzählt.
der Reinoldikirche vorbei schlendern.
Text und Foto: Sebastian Sellhorst
Über einen Freund aus der Übernachtungs-
Tag nicht komme, wird direkt nach mir ge-
stürmt kam“, erzählt er uns. In den Jahren
einrichtung für Obdachlose sei er dann zu
fragt und es gibt kaum einen Marktstand,
darauf sei er dann zum Dank immer zum
bodo gekommen. „In den darauffolgen-
bei dem ich keinen Freundschaftsrabatt
Kaffeetrinken eingeladen worden.
den Monaten habe ich dann das meiste
bekomme“, erzählt er uns schmunzelnd. An
wieder geregelt bekommen. Bei bodo habe
solchen Tagen fahre er morgens bereits um
„Mittlerweile lasse ich es aber schon etwas
ich sofort aufgehört zu trinken und bald
7 Uhr los und sei erst gegen Mittag wieder
ruhiger angehen. Man wird nicht jünger“,
wieder eine Wohnung bekommen“, blickt
zu Hause. Für die Fahrten habe er sich ex-
gesteht er lachend, während er an seinem
er zurück, während wir über den Westen-
tra ein Ticket 2000 gekauft. Das koste ihn
Verkaufsplatz für die Kamera posiert. Erst
hellweg zu seinem Verkaufsplatz vor der
zwar fast sechzig Euro im Monat, aber das
vor einigen Wochen hatte er einen länge-
Mayerschen Buchhandlung laufen. Alle
sei es ihm die Abwechslung wert. „Eigent-
ren Krankenhausaufenthalt, von dem er
paar Meter bleiben wir stehen, weil Adolf
lich mache ich es schon lange nicht mehr
sich aber gut erholt habe. „Zwanzig Jahre
Bekannte oder Kollegen trifft. „Heute gar
wegen dem Geld. Mit meiner kleinen Rente
wollte ich eigentlich noch machen. Ohne
nicht im Dienst?“, ruft man ihm zu. „Nee,
komme ich irgendwie über die Runden.
bodo wäre ich bestimmt schon lange weg
heute frei. Geburtstag!“, antwortet er
Aber ohne bodo würde mir die Decke auf
vom Fenster.“
lachend und freut sich über die anschlie-
den Kopf fallen.“
ßenden Glückwünsche. Kaum ein Ladenbe-
Dann auf die nächsten 20.
sitzer oder Standbetreiber, den Adolf nicht
Natürlich sei der Verkauf in der Innenstadt
persönlich kennt.
um einiges anstrengender als an den Kir-
Herzlichen Glückwunsch, Adolf!
chen oder auf dem Markt. Aber dafür sei Wenn er nicht an seinem Stammplatz auf
in der Stadt auch eine Menge mehr los und
dem Westenhellweg steht, verkauft Adolf
man erlebe so einiges. „Ich kann schon gar
das Straßenmagazin an den Kirchenge-
nicht mehr zählen, wie viele Ladendieb-
meinden in Dortmund Sölde und Lichten-
stähle und Polizeieinsätze ich in all den
dorf oder auf dem Wochenmarkt in Men-
Jahren mitbekommen habe. Einmal, vor ei-
gede. „Das sind schon lange Tage für mich,
nigen Jahren, hab ich sogar mal geholfen,
wenn ich verkaufen gehe, aber ich mach
einen Ladendieb zu fassen, der aus einem
es immer noch gerne. Wenn ich mal einen
Geschäft neben meinem Verkaufsplatz ge15
NEWS
DER KOMMENTAR
Leerstand sichtbar machen Seit Anfang Dezember gibt es einen virtuellen Leerstandsmelder für Bochum. Unter www.leerstandsmelder.de/bochum können sich NutzerInnen online registrieren und leerstehende Wohn- oder Geschäftshäuser in eine digitale Karte eintragen. So können Leerstände besser grafisch sichtbar gemacht werden. „7.000 Wohnungen stehen in Bochum leer, hinzu kommen 80.000 Quadratmeter Bürofläche, die kurzfristig in Wohnraum umgewandelt werden könnten“, sagt die Gruppe „Stadt für alle Bochum“, die den Leerstandsmelder für die Stadt initiiert hat. Das führe zu einer „absurden Situation: Einerseits gibt es Leerstand, andererseits wird die Wohnungssuche für diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, in Bochum immer schwieriger“, so die Gruppe. AktivistInnen fordern seit Langem eine Änderung der Wohnungspolitik in Bochum, zum Beispiel eine Satzung, die es ermöglicht, Leerstände mit hohen Bußgeldern zu bestrafen.
Jetzt erst recht Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Robin Dullinge
Im Oktober haben die EU und Afghanistan ein Abkommen zur leichteren Abschiebung afghanischer Geflüchteter geschlossen, Mitte Dezember
Nicht mal das Minimum
startete der erste Sammelflieger aus Deutschland in Richtung Kabul. Etwa 12.000 Menschen will die Bundesregierung zurückschicken. Innenminister
Mit einer Gesetzesänderung hat der Bun-
Thomas de Maizière hält das Land, in dem seit 15 Jahren deutsches Militär
destag im Dezember die Ansprüche auf
stationiert ist, für „hinreichend sicher“.
Sozialleistungen von EU-BürgerInnen beschnitten. Demnach sind Menschen, die sich als ArbeitsmigrantInnen oder im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland aufhalten, für fünf Jahre von Sozialleistungen ausgeschlossen. Das Bundessozialgericht hatte in der Vergangenheit mehrfach Klagenden bereits nach sechs Monaten Aufenthalt Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung zugesprochen – diese Ermessensentscheidungen dürften nun nicht mehr möglich sein. Für „freiwillig“ Ausreisende sind die
Monatelang hatten Betroffene, Nichtregierungsorganisationen und antirassistische Gruppen protestiert, doch letztlich haben weder Appelle noch Argumente genutzt. Dass allein im ersten Halbjahr 2016 1.600 Zivilisten bei Kämpfen getötet wurden, dass im November das Deutsche Generalkonsulat in Mazar-i-Sharif angegriffen wurde, dass eine Woche vor Weihnachten in Kandahar fünf Frauen auf dem Weg zur Arbeit erschossen wurden, weil sie arbeitende Frauen waren – egal.
Erstattung der Rückreisekosten und einmalig 180 Euro für einen Mo-
De Maizière ist kreativ, das hat er schon bewiesen. 70 Prozent aller geflüch-
nat Versorgung vorgesehen. Der Paritätische sieht die Regelungen
teten Männer unter 40 Jahren, klagte er im Juni, ließen sich krankschreiben,
„mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
um ihrer Abschiebung zu entgehen. Die Zahlen waren erfunden. Auch das
Existenzminimums nicht vereinbar“. Das Gesetz werde „durch das
Bild, das er jetzt zeichnet, ist eine Erfindung, die Argumentation, Afghanis-
‚Instrument des Aushungerns‘ zu Verelendung und Schutzlosigkeit“
tan sei „hinreichend sicher“, gerade weil unter Führung der NATO deutsche
führen, hieß es in einer Stellungnahme.
SoldatInnen dort stationiert sind, perfide und im Zweifel tödlich. Geteilt wird sie trotzdem. Auch aus NRW wurden zehn abgelehnte Asylsuchen-
Zurück im Normalbetrieb
hinter der Entscheidung, wenn er auch betont, dass nur in Einzelfällen
Die Übernachtungsstelle für wohnungs-
nach Afghanistan abgeschoben würde. Monika Dükers Protestnote bleibt
lose Männer in der Unionstraße in Dort-
eine symbolische. Sie ist lediglich als flüchtlingspolitische Sprecherin der
mund läuft wieder im Regelbetrieb.
Grünen-Fraktion zurückgetreten, behält Landtagsmandat und Parteibuch.
Ein Jahr nach dem Ende des regulären Vertrags ist das EU-weite
Die Grünen, Koalitionspartner der Sozialdemokraten in NRW, sind zufrie-
Ausschreibungsverfahren beendet – und der alte Betreiber auch
den, wenn in Zukunft einfach früher Bescheid gesagt wird.
der neue. Das Dienstleistungsunternehmen European Homecare wird bis zum 30. November 2020 die Nutzer der Notunterkunft im Auftrag der Stadt versorgen. Ein Jahr lang war dies nur provisorisch geschehen, denn bereits Ende November 2015 ist der alte Vertrag ausgelaufen, EHC hatte die Einrichtung in der Zwischenzeit weitergeführt. 55 Plätze stehen in der Notübernachtungsstelle zur Verfügung, derzeit wird nach Angaben der Stadt noch geprüft, in
16
de in den Flieger nach Kabul gesetzt, Innenminister Ralf Jäger, SPD, steht
Jetzt erst recht solidarisch mit allen Betroffenen zu sein, nicht nur jenen aus Afghanistan, kann eine Antwort sein. Asylsuchende im kräfteraubenden Verfahren zu unterstützen, zu Behörden zu begleiten, Briefe zu übersetzen, fähige AnwältInnen zu finden, gegen Abschiebungen zu protestieren, und für Menschen auch nach einer Ablehnung da zu sein, wenn sie es möchten.
einem nahegelegenen Gebäude 20 weitere Plätze einzurichten.
Im Januar sollen die Sammelabschiebungen nach Afghanistan weiterge-
Mehr Platz wäre nötig: Weil die Kapazitäten, um persönliche Din-
hen. Das Auswärtige Amt warnt „dringend“ vor Reisen dorthin. „Wer den-
ge längerfristig zu lagern, nicht mehr ausreichen, wurden zwei
noch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell
Lagercontainer auf dem Grundstück aufgestellt.
motivierte Gewaltakte bewusst sein.“
RECHT
Wann fallen Inkassokosten an? Von Rechtsanwalt René Boyke An dieser Stelle
kassounternehmens oder eines Rechtsanwalts
Erstattungspflicht des Schuldners abgelehnt.
schrieb ich bereits
übernehmen. Aber Vorsicht: Es bedarf nicht
Begründung: Der Gläubiger konnte nicht da-
vor einiger Zeit über
immer einer Mahnung, um in Zahlungsverzug
von ausgehen, dass der Schuldner im Falle der
Inkassokosten. Doch Ge-
zu geraten. Er reicht auch, wenn beispielsweise
Beauftragung eines Inkassounternehmens
setzesänderungen und Urteile machen aus
für die Zahlung bereits ein Termin nach dem
zahlen werde und daher sei deren Beauftra-
meiner Sicht eine Aktualisierung notwendig.
Kalender bestimmt wurde oder auch dann,
gung nutzlos und ein Verstoß gegen die Scha-
Bevor man sich als Schuldner Gedanken über
wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft
densminderungspflicht (Urteil v. 01.04.2011, Az.
die Höhe der Inkassokosten macht, stellt sich
und endgültig verweigert. Besonders wich-
3 S 2/10). Derart schuldnerfreundlich urteilen
die Frage, ob überhaupt Inkassokosten zu
tig für Verbraucher: Weist der Gläubiger den
allerdings nicht alle Gerichte.
übernehmen sind.
Schuldner bereits in der Rechnung oder Zah-
Die Verpflichtung zur Übernahme von Inkassokosten besteht grundsätzlich, wenn man sich als Schuldner im Zahlungsverzug befindet. In diesem befindet sich ein Schuldner meistens
lungsaufstellung darauf hin, dass bei Nichtzahlung nach 30 Tagen die Folgen des Verzugs eintreten, dann bedarf es ebenfalls keiner zusätzlichen Mahnung mehr.
aber nicht allein deshalb, weil er lediglich eine
Aber auch wenn Zahlungsverzug vorliegt, gibt
Rechnung nicht zahlt. Als Verbraucher gerät
es Fälle, in denen keine Inkassokosten übernom-
man grundsätzlich nämlich erst in Zahlungs-
men werden müssen. Dies ist etwa dann der
verzug, wenn nach Rechnungszugang zusätz-
Fall, wenn der Gläubiger Eigeninkasso betreibt
lich eine Mahnung durch den Gläubiger aus-
oder das beauftragte Inkassounternehmen
gesprochen wurde. Begleicht der Schuldner
nicht registriert ist. Im Falle einer ernsthaften
die Forderung dann noch immer nicht, dann
Zahlungsverweigerung durch den Schuldner
muss er grundsätzlich auch die Kosten eines In-
hatte das Landgericht Dortmund ebenfalls die
DAS ZITAT
Seien Sie aufmerksam! Wenn Sie wohnungslose Menschen sehen, die hilflos oder in einer Notsituation sind, setzen Sie die Polizei in Kenntnis, wählen Sie den Notruf 110! Alarmieren Sie bei akuter gesundheitlicher Gefährdung den Rettungsdienst 112!“ Aufruf der Bunde sarbeitsgeme inschaft Wohnu ngslosenhilfe (BAG/W )
DAS FOTO
Bitte recht freundlich: Die Dortmunder Brückstraße ist nun videoüberwacht. Im Vergleich zur sonst abends menschenleeren Innenstadt ist die „moderne, junge Flaniermeile“ (Dortmund Tourismus) laut Polizei ein Kriminalitätsschwerpunkt. Da Bedingung für die Überwachung war, dass Kriminalität nicht in vergleichbare Quartiere verdrängt werde, kam nur die einzigartige Brückstraße infrage. Foto: Sebastian Sellhorst 17
INTERVIEW
„Einer muss es ja machen“
18
Der Musiker und Kabarettist Roman Henri Marczewski ist „Präsi“ des Geierabend. Im Interview erzählt er von seiner Herkunft aus den kanadischen Wäldern und von seiner Kindheit in Bochumer Obdachlosensiedlungen. Er erinnert sich an die roten 1970er Jahre, an das Doppelleben als Maischützen-Trompeter und Bassist der Hausbesetzer-Kapelle MEK Bochum sowie an die anarchischen Anfänge des Ruhrpottkarnevals. Von Bastian Pütter | Fotos: Sabrina Richmann
Roman, laut Deinem Pass bist Du Kanadier... Oh ja, geboren in Errington Township, Thunder
erstes ging mein ältester Bruder, der war schon auf der High School und danach kostet der Schulbesuch
Bay District, Ontario, Kanada. Mein Vater hat da
Geld, das hätten sich meine Eltern nicht leisten
mitten im Wald gearbeitet, bei der Bahn. Und da ist
können. Dann ist meine Mutter mit uns restlichen
wirklich nur Wald. Das ist eine Gegend, wo man 100
fünf Kindern mit dem Schiff gefahren, mein Vater
Kilometer durchs Nichts fährt, und dann kommt
kam später nach Bochum. Das war 1965.
man nach Geraldton, da ist dann ein Krankenhaus. Meine Mutter ist Bochumerin, mein Vater kommt ursprünglich aus Polen.
Wie war die „Rückkehr“ ins fremde Ruhrgebiet? Hier sind wir erstmal in einer Obdachlosensiedlung gelandet. Meine Mutter ist nach Friedland
Und stimmt es, dass Du eigentlich gar nicht
gefahren, da war das „Grenzdurchgangslager“ für
Marczewski heißt?
die Flüchtlinge aus dem Osten. Wir kamen aber
Inzwischen schon. Eigentlich aber Marczuk.
aus der falschen Richtung, wegen des Umwegs
Mein Vater war in Polen Offizier bei der Kavalle-
über den freien Westen.
rie, nach dem Krieg wurde er von den Sowjets als
Also sind wir erstmal nach
Milizkommandant eingesetzt. Er hasste aber die
Bochum-Hordel in eine alte
Russen, weil die seinen Bruder umgebracht hatten.
Schule gezogen und haben
Der hatte während der russischen Revolution in
ein halbes Klassenzimmer be-
Moskau studiert. Und wurde da erschossen.
wohnt. Das war die unterste
Mein Vater hat dann dafür gesorgt, dass die Leute
Stufe der Obdachlosensied-
abhauen konnten, in den Westen: „Geh zum kleinen
lungen. Dann sind wir nach
Kommandanten, da kriegste ‘nen Passierschein.“ Da-
Zillertal, das war die nächste
bei hat er dann einen Pass gefunden auf den Namen
Stufe. Dann nach Werne.
Marczewski, die Daten passten einigermaßen, nur
Zu der Zeit war ich schon
der humpelte. Und so hat er sich selbst einen Schein
in eine Wohngemeinschaft
ausgestellt und ist über die Grenze gehumpelt zu
gezogen und habe es von da
den Amerikanern nach Frankfurt. Er wurde staaten-
aus geschafft, meiner Familie
los und blieb bis 1971 steckbrieflich in Polen und der
eine Wohnung in der Stadt zu
Sowjetunion gesucht.
besorgen. Mit der schlechten Adresse einer solchen Un-
Er ist dann nach Kanada ausgewandert?
terkunft hatte man nämlich
Eher untergetaucht. Er hat unter falschem Na-
nicht mal die Chance auf ein
men kurz in Belgien auf Zeche gearbeitet, kam von
Konto, geschweige denn auf
da ins Ruhrgebiet und hat meine Mutter kennenge-
einen Mietvertrag. So funktionierte der Absprung.
lernt. Es gab damals eine richtige Auswanderungs-
Heute pfercht man die Leute nicht mehr in solche
welle nach Australien, nach Südamerika, nach
Siedlungen. Das ist wirklich gut, denn von allein
Kanada. Hier gab es nichts und die Schiffstransfers
kommt man da nicht raus.
waren kostenlos. Also zogen die beiden in den kanadischen Urwald. Die Bedingungen in Kanada waren hart. Im Winter
Dich zog es dann zur Musik? Ich hab immer Kontakte nach außen gesucht,
kann auf dem Bau nicht gearbeitet werden, da
raus aus der Siedlung. Musik fand ich toll. In
werden alle entlassen und hoffen auf Neueinstel-
Kanada war ich im Kinderchor gewesen, das hatte
lung im Frühjahr. Wir waren immer pleite. Das war
mir gefallen. Hier kam dann der Pastor zu mir auf
einfach zu hart für meine Mutter. Sie bekam Heim-
der Suche nach Mitgliedern für den Posaunenchor.
weh und sagte irgendwann: Wir fahren zurück. Als
Die kriegten da keine Leute, und er bot an, dass ich 19
INTERVIEW
statt Konfirmandenunterricht zwei Jahre im Chor spielen könnte und dann konfirmiert würde, obwohl ich eigentlich gar nicht evangelisch bin. Ein faires Angebot. Meine Mutter ist zwar evangelisch, ich bin aber Anglikaner, weil im kanadischen Urwald der evangelische Pfarrer sagte, so lang mein Vater katholisch bleibt, tauft er mich nicht. Der katholische sagte, so lang meine Mutter evangelisch bleibt, tauft er mich nicht. Die Anglikaner besetzen da eine Marktlücke. Weil ich in Bochum Flügelhorn spielen wollte, zahl ich heute Kirchensteuer. Von da kam ich zu den Maischützen. Das war wie in der Kirche: Einer muss es machen. Niemand wollte Trompete oder Fanfare spielen. Die freuten sich über jeden, der sich opferte. Den Rest des Jahres spielte ich im Schützenverein in Dortmund-Kley. Über die Maischützen hab ich Kontakt zu den Falken bekommen. Ich hab dann diese ganzen Politsachen mitgemacht. Was denn für „Politsachen“? Naja, bei den Falken war mir das irgendwann zu larifari und so bin ich zur SDAJ gekommen. Die hatten in Bochum viele Mitglieder, das lief aber so: Die Politik wurde im Hinterzimmer gemacht, vorne war ‘ne Kneipe mit sehr günstigem Bier. Da saßen wir dann in schöner Arbeitsteilung und haben uns den Kopf zugehauen. Das fand ich so verlogen, dass ich ‘rüber bin zur KPD/ML. Da bin ich
spielten, wurden wir vom Musiklabel Trikont
1992. Im ersten Jahr war das kleinste Publikum
dann übrigens rausgeflogen. Ich hatte Dreher
angesprochen. Das war der Punkt, wo die
knapp 30 Leute, und wir fanden: „War ganz
gelernt und bei Krupp gearbeitet. Als ich sagte,
anderen dann auch nachgaben. Da haben wir
schön, also machen wir‘s nochmal.“
ich will Abitur auf dem zweiten Bildungsweg
übrigens das Duo „Laut & Lästig“ kennenge-
machen, war das Verrat an der Arbeiterklasse,
lernt, Bruno Schmitz war 1984 Mitgründer
Inzwischen habt Ihr das Vierteljahrhundert
und die wollten mich nicht mehr. Wieder bei
der Kölner Stunksitzung – und unsereins
voll. In diesem Monat startet die 26. Session
den Falken – mit denen konnte man immer
eben beim Geierabend.
schön in Urlaub fahren – hab ich die Bochumer Spontis kennengelernt.
Präsidentschaftswahlen sind ja heute so
Das war eine sehr bewegte Zeit damals. Bei
eine Sache. Wie wurde denn der MEK-Bassist
bzw. das Vertrauen, dass es schon passen
einer Demo hatte ich dann die Gitarre dabei
Präsident des Geierabend?
wird. Es sind ja gute Leute. Über das Jahr
und andere eben auch, und so entstand die
20
und die Besucherzahl ist inzwischen fünfstellig. Wie geht Ihr heute den Geierabend an?
Per Akklamation. Ich hatte mich früh
Natürlich haben wir inzwischen Routine
entstehen Nummern, und wenn wir im Herbst
„Mobile Einsatz-Kapelle“ MEK als Demo-
entschieden, im Kulturbereich meine Bröt-
mit den Proben beginnen, testen, ändern, ver-
und Straßen-Band. Wir haben viel gespielt
chen – ein paar Brötchen – zu verdienen. Ich
werfen wir und nehmen Aktuelles auf. Günter
und sind monatelang am Stück getourt.
hab weiter in Bands gespielt und z.B. für das
Rückert, der Regisseur, hat die schwere Aufga-
Besonders erfolgreich in Süddeutschland
Bochumer Amateurtheatertreffen und im Kul-
be, das alles zusammenzufügen. Gegen Ende
und natürlich im Ruhrgebiet. Das baute ab,
turhaus Thealozzi gearbeitet. Gemeinsam mit
der Proben – wenn keiner der drei Leute im Pu-
als der Ingenieurstudent Ingenieur wurde
Augustin Uppmann hatte ich dann die Idee,
blikum mehr lacht – fiebern wir der Premiere
und der Medizinstudent Arzt, wie das so ist.
in dieser Saure-Gurken-Zeit im Januar und
entgegen. Oder mehr noch, weil die Premiere
Da bleiben dann typische Diskussionslinke
Februar etwas auf die Beine zu stellen. Das
so ein Honoratioren- und Pressepublikum hat,
übrig. Wir haben zwei Jahre diskutiert, bis
war der Geierabend. Und weil jede Karnevals-
dem ersten Auftritt nach der Premiere. Da
wir unsere erste Platte machen konnten.
sitzung einen Präsidenten braucht, habe ich
fangen wir erst an zu spielen und merken, wie
Das war anstrengend. Als wir in München
aufgezeigt. Einer muss es ja machen. Das war
alles funktioniert.
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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.
Das neue Jahr verspricht zwei Höhepunkte, die weiterhin von ARD und ZDF übertragen werden. Wir wählen, erst im Land, dann im Bund. Im Bund hat die Regierende das eigene Wurschteln so perfektioniert, dass man sie auch wählen könnte und sollte, wenn man gegen sie ist. Sie halte es ähnlich, hat Angela Merkel ihre vierte Kandidatur begründet. Sie habe sich nach langem Ringen mit knapper Mehrheit für sich entschieden, denn es gebe Wichtiges zu regeln. Schließlich befinde man sich am Ende der Legislaturperiode schon im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Das hat sie so gesagt. Als könne nicht jeder Neunjährige mit PISA-Hintergrund ohne Hilfe so lange Kalenderblätter abreißen, bis irgendwann 2020 drankommt. Merkel findet sich etwa 51:49 knorke, das wirkt demokratisch. Da ist sie in der eigenen Partei mit 89,5 Prozent beliebter. In NRW hat die Regierende bessere Werte bei sich selbst und recht gute bei anderen. Nach WDR-Umfragen könnte Hannelore Kraft ohne eine einzige Stimme aus der SPD gewinnen, so beliebt ist sie bei CDU-Wählern. Dazu kämen Leihstimmen von der FDP. Etwas mehr weibliches Denken täte diesem liberalen Herrenabend gut. Er setzt stur auf den Doppellindner. Der Landeschef tritt als Spitzenkandidat bei beiden Wahlen an. Man wählt ihn also zweimal, um ihn sicher einmal loszuwerden. Dazu liegt der Frauenanteil auf den Reservelisten der Partei auf dem Niveau fortschrittlicher Parteien im Iran. Läuft es gut, schickt die FDP drei Frauen in den Landtag…und 19 Männer. Zu den Themen: Da wird es eng im Land. Hat eine Regierung der Polizei erst einmal neue Uniformen gekauft und in der Schulpolitik selbstgemachte Katastrophen in letzter Sekunde verhindert, ist das Geld auch fast schon weg. Was bleibt, sind Winken und warme Worte. Jetzt bin ich als Wähler gefragt. Ich sage gleich: Ich lasse mich nicht von jedem anwinken.
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
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KULTUR
Plattenladen, Rock’n’Roll-Museum, Begegnungszentrum Seit 30 Jahren führt der Dortmunder Punk-Pionier Sir Hannes Smith mit „Idiots Records“ eins der langlebigsten Fachgeschäfte für Krach, eine Institution im Dortmunder Unionviertel. Sein Publikum kommt aus der ganzen Welt und hat mit ihm den Niedergang der Musikindustrie ausgesessen: Nach dem Vinyl sind längst die Tapes zurück. Soviel Beharrlichkeit muss gefeiert werden. Am 4. Februar lädt Hannes zur Geburtstagsparty ins FZW.
Der Anfang war ein Schlafzimmerfenster in
Exotisch macht den Laden voller tiefschwarzer
der Dortmunder Nordstadt, aus dem heraus
Bandshirts und mit zackigen Logos versehener
Hannes die Scheiben seiner 1978 gegründeten
Platten dann auch eher das Geschäftsfeld. „Ich
Band „The Idiots“ – einer der ersten deutschen
verkaufe hier Heavy-Metal-, Punk- und Inde-
Punkbands – verkaufte und das, was aus den
pendent-Musik von Bands, die ich zum großen
britischen und amerikanischen Szenen den
Teil selber liebe, mit denen ich aufgewachsen
Weg nach Dortmund fand. Schnell wuchsen
bin, und von neuen Bands, die dazu kommen“,
Kontakte weltweit, und die Sammlung wurde
erklärt er. Das ist selten geworden. „Das Inter-
zu groß für die eigene Wohnung.
net hat viel kaputt gemacht. Streamingdienste
Am 1. Februar 1987 eröffnete „Idiots Records“ in der Münsterstraße 13, gegenüber den Pornokinos in der Dortmunder Nordstadt. Fünf Jahre später folgte der Umzug aus dem wieder zu klein gewordenen Laden an die Rheinische Straße. Gegenüber der klobigen Ruine der Union-Baurerei lag im heu-
kommen aber die wahren Musikliebhaber, die sammeln, die sich austauschen. Der Laden ist eigentlich ein Begegnungszentrum. Hier sind Freundschaften entstanden, hier haben sich Pärchen gefunden, Fahrgemeinschaften zu Konzerten treffen sich hier.“
Von Bastian Pütter
tigen Kreativquartier der Hund begraben. „Ich bin
Fotos: Daniel Sadrowski
hier ein Kulturmeilenstein“, lacht Hannes. „Wir
„Idiots Records“ ist Kulturort und ein Rock’n’Roll-
waren die Vorreiter im Quartier, da war hier noch
Museum in Benutzung, zu gleichen Teilen Busi-
gar nichts.“ Freunde eröffneten nebenan eigene
ness und Mission: „Ich kann nur Dinge machen,
Läden. Er selbst dockte an den Plattenladen gleich
bei denen ich mit dem Herzen dabei bin. Dann
das Musikcafé Banane an, das er zwölf Jahre lang
wirst du halt nicht reich und arbeitest 80 Stun-
selbst betrieb und das sich heute weiterhin be-
den – der Laden und zwei Bands, das sind eigent-
hauptet – im völlig veränderten Umfeld.
lich drei Jobs. Aber es ist es wert.“
Während sich heute im Schaufenster von „Idiots
Und wert, mit einem Kraftakt gefeiert zu wer-
Records“ die Fliegenden Bilder am neuen Leucht-
den: Das Festival am 4.2. organisiert Hannes
30 Jahre Idiots Records
turm U spiegeln – ihrem Erfinder Adolf Winkel-
selbst, mit „Honigdieb“ und „The Idiots“ steht er
4.2., FZW Dortmund
mann gehört inzwischen das Nachbarhaus –,
selbst zweimal auf der Bühne. „Dazu kommen
Beginn: 18 Uhr
findet sich „Idiots Records“ heute zwischen Ga-
Bands, die als Kids mit Mama schon hier einge-
Tickets im VVK 25 Euro
lerien und junger Gastronomie wieder. „Es ist
kauft haben, und alte Wegbegleiter, mit denen
www.idiots.de
ein struktureller Wandel, der der Gegend gut
wir getourt sind.“
tut, der Bewegung bringt – aber der natürlich die Mieten steigen lässt“, sagt Hannes. 22
wie Spotify erschaffen Konsumenten. Zu uns
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WILDE KRÄUTER
HAGEBUTTE von Wolfgang Kienast
Viel ist in den vergangenen Monaten
des Freistaates, ein „Festjahr der Super-
vom postfaktischen Zeitalter, in dem
lative“ angekündigt. Bin gespannt, was
wir uns dem Anschein nach befinden,
das werden wird.
zu hören gewesen und zu lesen. Postfaktisch ist, wenn Sie blühenden Unsinn erzählen, der durch Fakten leicht als solcher zu entlarven wäre, trotzdem aber von Ihrem Wirkungskreis für bare Münze genommen wird, beispielshalber, weil er prima ins oft nicht sonderlich ausdifferenzierte Weltbild passt.
Superlative reüssieren freilich nicht nur in politischen Gefilden. Sie grassieren. Nicht verwunderlich, dass man sie gleichermaßen im Zusammenhang gesunder Nahrung trifft. Da soll es jetzt
tisch klingen, nach geheimem Wissen
die Welt, wie wir sie kennen, bald nach-
urnatürlicher Völker. Vermutlich sind
haltig verändern (und dabei, nebenbei
die Artikel sogar zuträglich, ähnlich wie
bemerkt, tatsächlich Fakten schaffen).
Vogelbeeren (Herbst) oder Scharbockskraut (Frühjahr) vor der Haustür. Und winters stets die Hagebutte. Gesund wie lecker auch mit Fisch. Hier ein Rezept:
von der Oxford University Press) den
REZEPT
Begriff kürzlich zum internationalen
Die Stiele und Blütenansätze von 250 g
Wort des Jahres 2016 gewählt. Natürlich
Hagebutten entfernen und das Frucht-
auf Englisch, „post-truth“, wobei sich
fleisch grob hacken. 100 g Schalotten
hierzulande, seltener Fall, der Anglizis-
ebenfalls grob hacken und in Butter
mus bislang nicht durchsetzen konnte.
glasig dünsten. Mit 125 ml trockenem
In Deutschland spricht man also weiterhin lateinisch von Postfaktischem. (Man könnte, zweite Randbemerkung, ebensogut von einem „Gauländern“ reden oder „Seehofern“, von „Höcken“ oder „Södern“ – wobei zuzugeben ist, dass AfD-Kreise die CSU-ler dabei, das Wortspiel bitte ich stante pede zu entschuldigen, meist noch übertrumpen.)
Weißwein ablöschen, die Hagebutten zugeben und etwa 10 Minuten köcheln lassen. 1 EL Honig einrühren, mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken und die Masse pürieren. 600 g Filet vom Steinbeißer unter fließendem Wasser abspülen, trockentupfen, beidseitig salzen und pfeffern. Das Püree in eine gebutterte Auflaufform geben, den Fisch auflegen und mit Ha-
Um in schriller werdenden Disputen
selnussöl beträufeln. Anschließend die
gehört zu werden, müssen Superlative
Form mit Alufolie abdecken und in den
ran. Der Superlativ gibt in Vergleichs-
auf 200 Grad vorgeheizten Backofen
fällen den höchstmöglichen Grad einer
schieben. Die Garzeit beträgt ungefähr
Eigenschaft einer bestimmten Sache
eine halbe Stunde.
an. Die AfD benutzt ihn gern – und gern selbstbezüglich. Doch unlängst hat der bayerische Staatskanzleichef Marcel Huber für 2018, zum Hundertjährigen
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rulina versprechen viel. Ihre Produkte müssen, wie es scheint, vor allem exo-
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dem jetzt angenommen wird, er werde
Dictionaries“ (umfangreichstes Wörter-
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unbedingt Superfood sein. Die Anbieter
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Wohl auch deswegen haben die „Oxford
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chen Klangkosmos geworden. Dabei spannt sich der Bogen von einer hauchzarten Serenade auf Streichholzschachteln über eine kleine Nachtmusik mit Zeitungspapier, über im Flug bearbeitete Farbeimer und Trommelarien auf riesigen, um die Hüften gehängten Gummischläuchen bis hin zu einem aufreibenden MülltonnenScheingefecht mit Knalleffekt. Weitere Termine: www.konzerthaus-dortmund.de Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr
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SA 07 | 01 | 17 Ausstellungseröffnung | Going east and beyond Die Fotos von Katja Herlemann entstehen auf ihren zahlreichen Reisen. Ein besonderes Interesse gilt dabei Ländern, die von Deutschland aus gesehen im östlichen Teil der Welt liegen, 24
Schicken Sie das Lösungswort aus unserem Kreuzwort-
BODO-TIPP
Auch im Januar laufen im endstation.
(einen Bericht dazu finden Sie in
Haus, So. 8.1., 15 Uhr | Elliot, der Dra-
kino im Bahnhof Langendreer wieder
bodo 07/2016). Studierende der Me-
che, So. 15.1., 15 Uhr | Der Geheimbund
ausgewählte Kinofilme für Kinder.
dienwissenschaften gestalten eine
von Suppenstadt, So. 22.1., 15 Uhr | Fin-
Filmreihe für Kinder – das Angebot
det Dorie, So. 29.1. 15 Uhr.
Zusätzlich zum regulären Programm
ist offen für alle Kinder von sechs bis
des Kinderkinos, immer sonntags um
zwölf Jahren – und konzipieren zu
In der Reihe „Von hier aus“ wird ge-
Kinderprogramm im endstation.kino
15 Uhr, wird im Januar an jedem Mon-
jedem Film ein passendes Rahmen-
zeigt: Matilda, Mo. 9.1., 16 Uhr | Der
tagnachmittag auch die Filmreihe
programm mit Spielen oder Rätseln.
kleine Prinz, Mo. 16.1., 16 Uhr | Die rote
„Von hier aus – über Film sprechen“
Zora, Mo. 23.1., 16 Uhr | Hotel Transsil-
jeden So. 15 Uhr, jeden Mo. 16 Uhr
fortgesetzt, ein Medienprojekt der
Im Januar sind im Kinderkino des
endstation.kino, Wallbaumweg 108,
Ruhr-Universität Bochum für Kin-
endstation.kino folgende Filme zu
Bochum, www.endstation-kino.de
der mit und ohne Fluchterfahrung
sehen: Ente gut! – Mädchen allein zu
z.B. Kasachstan, Laos oder Georgien. Schon bevor sie auf Hochzeiten verteilt wurden, entdeckte Katja die Einwegkamera für sich –
vanien, Mo. 30.1., 16 Uhr.
FR 13 | 01 | 17
DO 12 | 01 | 17 Kabarett | Wilfried Schmickler – „Das Letzte“
Theater | Der Tod in Venedig
das hat mit ihrem Misstrauen gegenüber der
Immer mehr Menschen in Deutschland fallen ab
Der erfolgreiche Autor Gustav Aschenbach
Digitalfotografie und deren grenzenloser Bil-
vom Glauben an die Grundordnung und füllen das
bricht auf, um fern seiner Heimat „das Fremde
derproduktion zu tun sowie mit technischem
entstehende Vakuum mit Misstrauen und Hader:
und Bezuglose“ zu suchen. Er landet in Venedig,
Desinteresse. Vor allem aber mit bewusster
Politiker? Alle Verbrecher! Medien? Alle verlogen!
wo Prunk und Verfall unzertrennlich verbunden
Abgabe von Kontrolle an das Material.
Fremde? Alle verdächtig! Ob Regierungs-, Partei-
sind. Aschenbach erkennt, dass die Begegnung
Goldkante, Bochum, 20 Uhr
oder Fernsehprogramm – die Adressaten verwei-
mit einem Knaben, den er für göttlich schön
gern sich und denken: Das ist doch das Letzte!
hält, finstere, unmoralische Triebe in ihm aus-
Doch das Letzte, was die Zukunft braucht, sind
löst. Unterdessen wird Venedig selbst von einer
DI 10 | 01 | 17
Frust und Verdruss. Und so versucht sich Schmick-
beunruhigenden Seuche heimgesucht.
Musik & Gespräch |
ler als Stimmungsaufheller und Muntermacher.
Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
Major Tom To Ground Control
Schauspielhaus, Bochum, 20 Uhr
Dass Ziggy Stardust sich eines Tages zur Ruhe
2. Freitag bei bodo | Szenische Revue
setzt, stand zu befürchten. Dass aber David Bo-
Lesung | Wladimir Kaminer –
Thomas Bernhard gilt als einer der bedeutends-
wie uns den Rücken kehren würde, er, den das
„Meine Mutter, ihre Katze & der Staubsauger“
ten deutschsprachigen Schriftsteller des 20.
Charisma des Unsterblichen längst umgab, bleibt
Wladimir Kaminer ist erfolgreicher Buchautor,
Jahrhunderts. Am 9. Februar wäre der Österrei-
ein unlösbarer Widerspruch. Unverwechselbar
feinsinniger Familienvater, regelmäßiger TV-
cher 86 Jahre alt geworden – und am 13. Januar
stehen seine Musik, ob Konzeptalbum oder Hit-
Host, internationaler DJ, war Club- und Labelbe-
wird er beim „2. Freitag“ bei bodo geehrt. Der Li-
single, und seine Alter Egos heute für die radikale
treiber sowie Theaterdramaturg. Nun ist es an der
terat Oscar Borkowsky und der Musiker Hannes
Überschreitung der Grenzen von Popmusik und
Zeit, dass eine am Erfolg nicht ganz unbeteiligte
Sänger begeben sich in einer szenischen Revue
Geschlechteridentitäten. Zu seinem ersten To-
Person Aufmerksamkeit bekommt: seine Mutter.
mit eigenen Songs und Gedichten auf Bernhards
destag wird er deshalb direkt noch einmal beim
Bereits regelmäßig in Kaminers Büchern zu Gast,
Spuren, bitter, böse, ironisch, charmant. Eintritt
Wort genommen: Oh no love! You’re not alone!
hat er ihr nun ein eigenes Buch gewidmet.
frei, Spenden willkommen.
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25
VERANSTALTUNGEN JANUAR 2017
Musik & Lesung | Joachim Kròl und das
fläche. Dazu verbinden sie die tanzbarsten Rid-
South Of The Border Jazztrio – „Seide“
dims und Tunes aus Dancehall und Reggae zu
DI 17 | 01 | 17
„Seide“ ist ein musikalisches One-Man-Mär-
einem zeitlosen und schweißtreibenden Mix, bis
chen. Die Reise eines Mannes auf dem Weg zu
alles in Bewegung ist. Zur Feier des Tages stehen
Die Goldkante ist nicht einfach eine Bar. Sie ist
sich selbst. Die Geschichte des südfranzösischen
zudem die Jungs vom Sun Fire Soundsystem als
Plattform für viele unterschiedliche Aktivitä-
Seidenhändlers Hervé Joncour wird oft als eine
Geburtstags-Special-Guests mit an den Decks.
ten, Künste und Themen. Beim Kulturtreffen
bewegende Parabel auf die Liebe beschrieben
Großmarktschänke, Dortmund, 22 Uhr
werden Ideen gesammelt und sortiert und das
– und auf die Sehnsucht nach ihr. Doch sie ist mehr. In der betörenden Schönheit seiner Sprache und der Klarheit seiner Gedanken beschreibt Bariccos Werk die Utopie des Glücks – im (An)
Kulturtreffen | What’s next?
Programm geplant. Habt ihr eine Idee, die ihr in
SO 15 | 01 | 17
die Tat umsetzen wollt? Treibt es euch auf die Bühne? Wollt ihr eure Lieblingsmusik auflegen?
KIndertheater | Theater Turbine – Knubbel mit Nase
Etwas vorlesen? Wer Lust und Interesse hat, das
Erkennen und Leben des Augenblicks.
Nanu, wer kommt denn da bei Sturm und
Programm der Goldkante mitzugestalten, ist
Kulturzentrum, Herne, 20 Uhr
Wind hereingeschneit? Das ist doch Schnee-
mehr als herzlich eingeladen.
mann Knubbel. Er hat’s eilig, denn zum großen
Goldkante, Bochum, 20 Uhr
SA 14 | 01 | 17
Schneemannsfest am Nordpol will er pünktlich sein. Doch auf der wilden Wiese trifft er Hubert
Film | Nader und Simin, eine Trennung
Hase und Mausi Maus. Schwupps – schon ist
DO 19 | 01 | 17
Seit November 2016 lädt das Projektteam Welt-
seine schöne Möhrennase futsch. Eiskalt stie-
sichten einmal im Monat geflüchtete Frauen
bitzt. Ein Stück für Kinder ab drei Jahren – ge-
Den Staub des Mittleren Westens der USA
und alle Interessierten zu Filmnachmittagen ins
spielt mit lebensgroßen knubbeligen Figuren,
stampf sich The Bones of J.R. Jones auf den
Kino im U ein. Gezeigt werden unterhaltsame
einer Handvoll Schneegestöber und Musik.
Holzdielen der subrosa-Bühne ab. Dazu drischt
wie nachdenkliche Filme aus aller Welt. Damit
Fletch Bizzel, DO, 11 Uhr (auch 25. & 29.01)
er abwechseln auf Gitarre und Banjo ein, als
möchte das Team den Blick für andere Kulturen
Musik | The Bones of J.R. Jones
würde er mit der Spitzhacke das anstehende
öffnen, in Dialog treten und die gegenseitige
Theater | Das Mädchen, mit dem
Goldschürfen vorbereiten. Wenn die Arbeit ge-
Akzeptanz über die Grenzen von Sprache, Kul-
die Kinder nicht verkehren durften
tan ist, geht’s wie jeden Abend ans Lagerfeuer
tur und Religion hinaus stärken. Im Januar wird
Gemeinsam mit ihren Freunden von der „Horde
Geschichten aus der Heimat erzählen. Das Tes-
der iranische Film „Nader und Simin, eine Tren-
der rasenden Banditen“ wächst ein 8-jähriges
tosteron kommt von der Bühne, Schweiß von der
nung“ gezeigt. Eintritt frei.
Mädchen im Ersten Weltkrieg auf. Durch ihre
Decke und Bier gibt’s am Tresen.
Kino im U, Dortmund, 17 Uhr
Neugier und kindliche Ernsthaftigkeit wird das
subrosa, Dortmund, 20 Uhr
Mädchen in immer neue Abenteuer verwickelt. Party | Nice Up! 3 Years Celebration
Die Horde baut verbotene Höhlen, setzt einen
Musik | Me And My Drummer
Die „Nice Up!“ feiert ihren 3. Geburtstag. Zur
Neubau unter Wasser und versucht mit einem
2016 erschien „Love Is A Fridge“, das zweite Album
Geburtstagsausgabe sorgen das Blockbuster
Bären zu ringen. Aber sie schreibt auch dem Kaiser
des Berliner Duos Me And My Drummer. Mehr als
Soundsystem und NasAIR auf zwei Floors für
einen Brief, damit der Krieg endlich beendet wird.
150 Konzerte quer durch Europa haben sie in den
karibische Temperaturen auf der Teppichtanz-
Thealozzi, Bochum, 16 Uhr
vier Jahren seit der Veröffentlichung ihres viel beachteten Debüts gespielt und mit „You’re A Runner“ nebenbei einen Hit abgeliefert. Die neuen
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Staatlich anerkannte Einrichtung nach dem WBFöG M-V Verbandsschule des Bund Deutscher Heilpraktiker Bergische Str. 7, 59423 Unna Tel. 02303/237610 www.viavita-institut.de
Songs büßen nichts von der Erhabenheit auf „The Hawk, The Beak, The Prey“ ein und sind doch bunter – Charlotte Brandi und Matze Pröllochs sind experimenteller und mutiger geworden. Christuskirche, Bochum, 20 Uhr
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Ernährungsberater/in für vegane Ernährung nach Yin und Yang
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26
BODO-TIPP
Yemej HaShoah – Theater für eine starke Demokratie
Während sich nach dem Brexit rassis-
zen“, zeigt das Theater Traumbaum
dige und rasante Achterbahnfahrt
tische Aggression gegen Menschen
unter dem Motto „Yemej HaShoah“.
in das Ruhrgebiet zur Nazizeit.
mit Migrationsgeschichte Bahn brach,
Den Auftakt machen theaterpädago-
Vom 30. Januar bis 2. Februar wird
in Österreich ein völkischer Nationa-
gische Workshops zur Gewaltpräven-
„Uns‘re Oma fuhr im Hühnerstall
list nur knapp das Bundespräsiden-
tion (16. bis 19. Januar, für Bochumer
Motorrad“ aufgeführt – ein Stück
tenamt verfehlte, gab es in Deutsch-
Schulen kostenlos, Anmeldung erfor-
über eine ganz normale Heldin zwi-
land, Stand Oktober, 800 Straftaten
derlich) für SchülerInnen der dritten
schen 1925 und 1945.
gegen Unterkünfte für Geflüchtete.
bis zwölften Klasse. Alle Veranstaltungen kosten 5 Euro,
Mo., 16.1. bis Do., 2.2.
„Was es heißt, im Alltag demokratisch
Vom 23. bis 26. Januar bietet das
Freikarten für Schulklassen auf Anfra-
Theater Traumbaum im Kultur-
zu handeln, und warum es sich lohnt,
Stück „Lumpenpott“ für Menschen
ge erhältlich. Infos: 0234 – 890 66 81
Magazin, Lothringerstr. 36 c, Bochum
sich für unsere Demokratie einzuset-
ab 14 Jahren eine einzigartig leben-
info@theater-traumbaum.de
Theater | Die Simulanten
geübt haben. Seine Wahl hat in der politischen
orientalischen Geschichten. Diese werden um-
Fünf Menschen in einem Raum. Kein Ausgang. Sie
Landschaft der westlichen Welt ein Beben
spielt mit Klängen und Tönen von Uta-Maria
sind jung und immer auf der Suche nach dem ma-
verursacht. Fragen, Ängste, aber auch trotzige
Korsmeier auf verschiedenen Blockflöten der
ximalen Grad an Selbstoptimierung. Als Digital
Hoffnungen werden mit diesem neuen Präsi-
Renaissance- und Barockzeit.
Natives sind ihnen Flexibilität und Mobilität in
denten verbunden. Das Schauspielhaus lädt zu
Zauberkasten, BO, 20 Uhr (auch 22.1., 18 Uhr)
Fleisch und Blut übergegangen: Nähe und Ver-
einem gemeinsamen Frühstück (kl. Kostenbei-
bindlichkeit sind Hindernisse. Und: Klar haben
trag), um darüber zu diskutieren, welche Er-
sie eine Fernbeziehung – ist doch eh alles nur eine
wartungen wir an die Demokratie in unserem
Die Janis Joplin Tribute Band um Sängerin und
Zwischenlösung. Oder? Gemeinsam simulieren
eigenen Land haben.
Schauspielerin Christine Zart hatte vor vier
sie „echte“ Gegenüber, die sie im realen Leben
Foyer Schauspielhaus, Bochum, 11 Uhr
Jahren ihren Premiereauftritt im Piano. Nun
Musik | Janis & The Kozmic Flowers
nicht haben. Denn allen ist klar: Es müsste etwas getan werden. Und warum dann nicht auch
kommen die sieben Musiker erneut in das MuMärchen | Der goldene Schlüssel
siktheater. Janis & The Kozmic Flowers ist eine
gleich einen UN-Weltklimagipfel simulieren?
Die ausgebildeten Märchenerzählerinnen Li-
Hommage an die Musik der Hippie-Ära, die mit
Megastore, Dortmund, 19.30 Uhr
selotte Recknagel und Rotraut Willms gehö-
von dem ausschweifenden Lebensstil und der
ren zum Bochumer Erzählkreis „Der goldene
einzigartigen und charismatischen Stimme
Schlüssel“. Seit vielen Jahren verzaubern sie
von Janis Joplin geprägt wurde. Der musikali-
große und kleine Leute. Sie geben ihnen den
sche Bogen spannt sich weit über das Leben der
„goldenen Schlüssel“ zum Märchenland. Dort
schillernden Ausnahmekünstlerin Janis Joplins
Am 20. Januar wird der 45. Präsident der Ver-
begegnet man nicht nur vertrauten Figuren
hinaus bis zu den markanten Spuren, die sie in
einigten Staaten vereidigt. Er ist eine der um-
aus den Märchen der Brüder Grimm, sondern
der heutigen Musikwelt hinterlassen hat.
strittensten Personen, die dieses Amt je aus-
auch fremden Gestalten aus fernöstlichen und
Piano, Dortmund, 20.30 Uhr
Diskussion | Not My President
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SA 21 | 01 | 17
27
VERANSTALTUNGEN JANUAR 2017
SO 22 | 01 | 17
nun auch in Dortmund auf großer Leinwand.
VERLOSUNG | Nessi Tausendschön –
Fünf Menschen, die bei bodo „gelandet“ sind und
„Knietief im Paradies“
über den Verein Unterstützung gefunden haben,
Zum Auftakt der 61. Schwerter Kleinkunstwo-
Der Familiensonntag bietet Schutz gegen die fiese
erzählen in dem abendfüllenden Dokumentar-
chen entführt Nessi Tausendschön ihre Zuschau-
Januarkälte. Pauline bastelt Winterliches im Werk-
film von ihren Lebenswegen, ihrem Alltag als
er „Knietief ins Paradies“. Wer
raum, in der Holzwerkstatt fliegen die Späne, und
Verkäuferinnen und Verkäufer des sozialen Stra-
noch Hoffnung hat, in diesem
in der Disko wird getobt. Währenddessen können
ßenmagazins und sprechen darüber, was sie sich
Leben ein Stück vom Himmel zu
es sich die Eltern bei einer heißen Tasse Kaffee
wünschen und erreichen möchten.
sehen, die andere Hälfte gar, der
bequem machen und den Kindern beim Spielen
sweetSixteen Kino, Immermannstr. 29, DO, 19 Uhr
kommt an ihr nicht vorbei. Das
Familie | Familiensonntag
Paradies von Frau Tausendschön
zusehen – Mitmachen ist natürlich auch erlaubt. Werkstadt, Witten, 14 – 18 Uhr
FR 27 | 01 | 17 Comedy | Marius Jung – „Singen können die alle“
Ballett | Liveübertragung:
ist eine Welt aus Kabarett, Musik, Politik, Zeitgeist, Tanz und Theater. Musikalisch begleitet wird dieser ekstatische Abend von
Der schwarze Kabarettist Marius Jung beleuch-
William Mackenzie an der Gitarre. Alle Termine
An ihrem 16. Geburtstag fällt die wunderschöne
tet in seinem Programm witzig und manchmal
der Kleinkunstwochen unter: www.kuwebe.de
Prinzessin Aurora durch einen Fluch der bösen
bitterböse das Zusammenleben unserer an-
Rohrmeisterei, Schwerte, 19.30 Uhr
Carabosse für 100 Jahre in einen tiefen Schlaf.
geblichen Multikulti-Gesellschaft. Er rechnet
bodo verlost 1 x 2 Karten
Nur der Kuss eines Prinzen kann sie erwecken.
mit der schlimmsten Erfindung seit der europä-
Die üppige Inszenierung des Bolschoi mit einem
ischen Gurkenverordnung ab: der Politischen
aufwändigen Bühnenbild und fantasievollen
Korrektheit und zeichnet dabei seinen eige-
Durch die Welt des Casinos führt in der neuen
Kostümen haucht Perraults Märchen Leben ein.
nen Weg vom Regen in die Traufe, vom Neger
Show des Varieté et cetera Jorgos Katsaros in
Metropolis, Bochum, 16 Uhr
zum Maximalpigmentierten. Nach dem Motto
der Rolle des „Chef Crou-
„Lachen gegen Rassismus“ packt Marius die
piers“. Als „Casinogäste“
Hellhäutigen bei ihrer Befangenheit, um den
suchen die Artisten aus
Auch in der Spielzeit 2016/17 wird Schauspieler,
Krampf aus der Debatte um ein vernünftiges
unterschiedlichen Grün-
Comedian, Philosoph und Showmaster Helge
Miteinander zu nehmen.
Salnikau in seiner Late Night ausschließlich die
Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr
Bolschoi Ballett – Dornröschen
Late Night Show | Heute Nacht mit Helge
den den Roulette-Tisch auf und teilen ihr Glück mit den ZuschauerInnen. Mit dabei sind David Confal, Kai Eikermann,
ganz großen Fragen des Lebens stellen. Und wieder wird er mit spannenden Gästen aus
VERLOSUNG | Casino – Alles auf Glück!
Musik | Schmutzki
Beatrice Kessi, Martin Riedel, das Duo Guidi und
dem Revier überraschende Antworten finden.
Tja, wenn man seine Band Schmutzki nennt,
Anastasiya Alekseyeva. www.variete-et-cetera.de
Dieses Mal allerdings nicht wie gewohnt im
muss man sich nicht wundern, wenn man nach
Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr
Prinzregenttheater, sondern in der Hauptstelle
gut einem Jahr ein bissiges Dreieinhalb-Akkord-
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der Sparkasse Bochum.
Monster zu bändigen hat. Dabei sind die Zuta-
Hauptstelle Sparkasse Bochum, BO, 19.30 Uhr
ten denkbar einfach: ein paar scharfkantige Riffs, dreckig getackerte Rhythmen und ein Satz
SA 28 | 01 | 17
MO 23 | 01 | 17
rotzige Stimmbänder, welche die zwingenden
Kabarett | Vera Deckers –
Hooklines wie Enterhaken durch die Boxen feu-
„Probleme sind auch keine Lösung“
Film | Brüchige Biografien
ern. Aber da ist noch was, etwas, das man nicht
Das neue Kabarettsolo von Vera Deckers nimmt
Nach der Premiere im Dezember in Bochum zeigt
ranzüchten kann: Authentizität.
ein Thema ins Visier, das uns alle angeht: Kommu-
bodo die Dokumentation „Brüchige Biografien“
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
nikation. Die verbale Welt, in der wir uns bewegen,
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BODO-TIPP
„Das Leben ist immer da. Hier ist es
Bei den Außenseitern sitze er noch
Kamin im Sissikingkong. Sie haben
und hier und hier. Der Rohstoff, das
auf der Außenseite, sagte Fauser über
literarische Schätze geborgen, Feuer-
Leben, die Wirklichkeit. Muss nur ab-
sich selbst. „Keine Stipendien, keine
werke gezündet – und sich in Lauf der
geschrieben werden. Präzise, schnell,
Preise, keine Gelder der öffentlichen
langen Jahre eine treue Fangemeinde
schnörkellos.“ Jörg Fauser verschreck-
Hand, keine Jurys, keine Gremien,
erlesen. Und aus genau diesem Kreis
te mit einem völlig neuen Ton den Li-
kein Mitglied eines Berufsverbands,
kam der Vorschlag, einmal einen
Dond & Daniel lesen Fauser
teraturbetrieb und beeinflusste eine
keine Akademie, keine Clique; verhei-
Jörg-Fauser-Abend zu gestalten.
ganze Generation von Schriftsteller-
ratet, aber sonst unabhängig.“ Er gilt
Der Eintritt ist frei.
Innen und JournalistInnen. Am 17. Juli
als Wegbereiter des deutschen litera-
Do, 26.1., 20 Uhr
1987, in der Nacht seines 43. Geburts-
rischen Undergrounds.
Sisskingkong,
tags, starb Fauser betrunken auf ei-
Seit dem Jahr 2000 lesen Dond &
ner Münchener Autobahn.
Daniel regelmäßig am elektrischen
Landwehrstraße, Dortmund
ist gespickt mit Stolperfallen, Fettnäpfchen und brennenden Fragen. Die gelernte Diplom-Psychologin Deckers gräbt tief und entlarvt die Unter-
„Burkiniqueens“ oder „gender-verändernde Dro-
DI 31 | 01 | 17
gen“ zertrümmert er lustvoll jegliche Erwartungs-
Vortrag & Diskussion | Trumps Schatten
haltungen einer engstirnig gewordenen Zeit.
schiede im Sprachverhalten von Mann und Frau.
In den USA gibt es großes Misstrauen gegen
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
das politische Establishment und die Folgen der
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Globalisierung, insbesondere die offenen Gren-
SO 29 | 01 | 17 VERLOSUNG | Django 3000
zen für Menschen und Waren. Das war auch Triebfeder für die Brexit-Entscheidung, für die nationalistische Bewegung „Front National“ in
MI 01 | 02 | 17 VERLOSUNG | Geierabend 2017
Django 3000 zeigen sich auf ihrem neuen Album
Frankreich oder die AfD in Deutschland. Popu-
In der Session 2017 begibt sich der Ruhrpott-Kar-
als das, was sie immer waren: weltoffene Künst-
listen haben jenseits und diesseits des Atlantiks
neval auf eine Mission zum „Planet Pott“. Vom 5.1.
ler mit dem Kopf in den
Hochkonjunktur. Vortrag mit Claus Leggewie.
bis zum 28.2. errichtet die
Wolken und den Füßen
Auslandsgesellschaft NRW e.V., DO, 19 Uhr
13-köpfige Crew aus Comedians, Kabarettisten
fest auf dem Boden. Das hört man auch den neuen
VERLOSUNG | Götz Widmann
und Musikern ihre Basis
Songs an, die noch immer
Der wohl wahnwitzigste Liedermacher-Punk-
auf Zeche Zollern. Was
gnadenlos nach vorne gehen, in die sich aber auch
Kabarettist-Anarcho-Charmeur der Nation geht
die Ruhris bewegt, bringt der Geierabend stets
dunklere, melancholische Töne mischen. Gipsy
mit seinem neuen Album
treffsicher und mit kohlenschwarzem Humor auf
Disco war gestern – die Djangos von heute rocken
„Sittenstrolch“ auf Akus-
die Bühne. Urkomische Typen wie der skurrile
über alle musikalischen Grenzen hinweg. Auch in
tik-Solo-Tour quer durch
Präsi, die aufmüpfige Bandscheibe, die reniten-
den Texten überschreiten Django 3000 lustvoll
die Bühnen und Befind-
ten AWO-Oppas oder die zwei vonne Südtribüne
Grenzen. Sie singen vom Weitermachen in schein-
lichkeiten dieses Landes.
dürfen da nicht fehlen. Durch die Show führt der
bar ausweglosen Situationen, von kompromisslo-
Dass er die magische Grenze von fünfzig Jahren ge-
Steiger – mit spitzer Zunge und lechzendem Blick
sen Neuanfängen, von verwilderten Outlaws.
rade überschritten hat, scheint ihn dabei eher an-
aufs Zeitgeschehen. www.geierabend.de
FZW, Dortmund, 20 Uhr
zuspornen – mit seinen neuen irrsinnigen Songs
Zeche Zollern II/IV, Dortmund, 19.30 Uhr
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über von der Bundeswehr eingeflogene Latinas,
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29
BODO GEHT AUS
Wuselcafé | Hattingen Kleine Gäste zuerst Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski
reitungskurs kennengelernt und uns für die Vorweihnachtszeit verabredet, damit wir uns
Mitten in der Hattinger Innenstadt findet
nicht aus den Augen verlieren“, sagt Johanna.
sich ein nicht nur kinderfreundliches, son-
Sie kommen aus Hattingen, Sprockhövel und
dern ein auf Kinder zugeschnittenes Café,
Bochum, einige sind zum ersten Mal hier,
für das junge Familien auch weite Wege auf
andere kennen das Wuselcafé bereits. „Kinder sind meistens lästig in der Gastro-
sich nehmen. Zwar wirkt der Neubau in der
30
nomie“, sagt Toledo bedauernd.
sonst an Fachwerkhäusern reichen Innen-
„Viele Gäste kommen aus Bochum, aus
stadt Hattingens nicht gerade pittoresk,
Dortmund und sogar aus Düsseldorf und
dafür ist hier richtig viel Platz: Ein einziger,
Wuppertal. Konzepte wie unseres gibt es
Das bestätigt auch Inhaber Markus
äußerst großzügig bemessener Raum mit
eben nicht so oft“, sagt Sergio Toledo, der
Buretzek. Der gelernte Koch betreibt die
langer Fensterfront, in der einen Ecke ein
mit einer Kollegin den Laden hier schmeißt.
Panorama-Kantine im Hattinger Finanzamt.
Tresen und die kleine Küche, in der anderen
Der studierte Grafikdesigner und bildende
Als er hörte, dass Stephanie Hruby, die das
ein riesiger Spielteppich mit einem ganzen
Künstler stammt von Gran Canaria. „Ich
Wuselcafé eröffnet hatte, sich aus familiä-
Arsenal an Spielzeug.
habe vorher in einer Gastronomie hier
ren Gründen zurückziehen wollte, entschied
in Hattingen gearbeitet, die auch eine
er sich zum Weiterbetrieb: „Ich habe selbst
Davor Tische und Stühle in hellem Holz, dar-
Spielecke hatte – natürlich nicht in diesen
einen sechsjährigen Sohn und weiß, wie
unter auch lange Tafeln, denn ins Wuselcafé
Ausmaßen“, sagt Toledo. „Aber so etwas ist
uninteressant ein Café- oder Restaurantbe-
kommen auch ganze Gruppen. Wie heute
leider viel zu selten. Dabei ist es nicht nur
such für die Kinder ist. Das einmal umzudre-
Alexandra, Tianlin, Jill, Marina, Sarah, Ann-
für die Kinder schön. Es ist alles sofort viel
hen und zuerst nach den Bedürfnissen der
Kathrin und Johanna, mit ihrem jeweils fast
entspannter.“ Wenn es für Kinder keine An-
kleinen Gäste zu schauen, mochte ich sehr.“
gleichalten, gut halbjährigen Nachwuchs auf
gebote gebe, würden erst sie unentspannt,
Auch die Karte zeigt sich kinderfreundlich.
dem Schoß. „Wir haben uns im Geburtsvorbe-
dann die Eltern, dann die Tischnachbarn.
Süßes und Gesundes, für Kinder gibt es
SOZIALES
„Das ist ein sehr guter Job“ Obdachlosigkeit zu beenden oder sie besser gleich zu verhindern, gehört zu den Aufgaben, denen sich soziale Straßenmagazine seit vielen Jahren erfolgreich stellen. Aber wie geht es dann weiter? Das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt hat ein Konzept entwickelt, das Schule machen könnte. Von Bastian Pütter | Foto: Mauricio Bustamente
Vor einem guten halben Jahr startete
Retter erhielt, musste er mit seiner Frau und
Hinz&Kunzt gemeinsam mit dem Groß-
seiner kranken Tochter in einem Raum auf
bäcker Junge im Südosten Hamburgs das
einer Matratze auf dem Fußboden schlafen,
Projekt BrotRetter. In den Auslagen der
umgeben von 150 Leuten. Und Paul wusste
günstige „Wuselpreise“, bei den Frühstücks-
schicken Bäckerei: Brot und Kuchen vom
schon nach ein paar Tagen, dass er unbedingt
buffets an Sams- und Sonntagen zahlen
Vortag. Hinter dem Tresen in schwar-
mehr als 20 Stunden arbeiten will. „Das ist
Kinder bis zum fünften Lebensjahr nichts.
zen Polohemden mit pink-weißem Brot-
ein sehr guter Job.“
„Ich kenne das von meinem Sohn, der bei
Retter-Logo: fünf ehemals obdachlose
einem Brunch ein halbes Brötchen isst und
Hinz&Künztler, wie sich die Verkäufer des
dann spielen geht. Das gehört sich nicht,
Straßenmagazin selbst nennen.
dafür den Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen“, sagt Buretzek. Für die Mutter-Kind-Runde gibt es heute Waffeln mit Eis. Auch die Frauen zeigen sich angetan von den fairen Preisen, vor allem aber vom fast überbordenden Spielangebot. „Es ist toll, dass es sowas gibt“, sagt AnnKathrin, die anderen nicken. Auf die Frage, ob sie wiederkommen wollen, zeigt Johanna auf die gutgelaunte Krabbelgruppe auf dem Spielteppich: „Sieht ganz so aus.“
Und ein sinnvoller dazu: In Deutschland werden jährlich rund 500.000 Tonnen Brot weggeworfen. Ein Grund: Der Kunde ver-
Alle fünf wurden fest angestellt für jeweils
langt auch kurz vor Ladenschluss noch die
20 Stunden, sozial- und krankenversichert.
volle Auswahl. „Ich konnte es kaum ertra-
Adam Csizmadia (20), Vasile Raducan (29),
gen, dass wir jeden Tag so viel Brot übrig ha-
Alexa Ionut (28), Plamen „Paul“ Dochev (49)
ben – und das, obwohl wir schon die Tafeln
und Stefan Calin (55) gehörten zur Erstbe-
beliefern und viele andere soziale Projekte
setzung des Teams, das am Stammsitz der
unterstützen“, sagte Junge-Geschäftsführer
Bäckerei in Lübeck das Brot vom Vortag sor-
Tobias Schulz der Hinz&Kunzt.
tiert, packt, transportiert und die Backwaren dann im Laden in Lohbrügge verkauft. Mit der Anstellung als BrotRetter konnte ihnen Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer eine Wohnung vermitteln.
Nach einem halben Jahr sind zwei Mitarbeiter bereits übernommen, sie arbeiten inzwischen in „normalen“ Filialen. Im September kam ein zweiter „BrotRetter“Laden in Lübeck hinzu, der gemeinsam mit
Wuselcafé
Vasile, der als Fahrer die Backwaren vom
der Diakonie betrieben wird. Wir finden:
Augustastraße 2, 45525 Hattingen
Junge-Stammsitz in Lübeck transportiert,
„Eine zweite Chance für Mensch und Brot“
Mo. – Fr. 9 – 18 Uhr, Sa. 9 – 13, So. 9 – 18 Uhr
sagt: „Jetzt fühle ich mich wieder als rich-
ist eine tolle Idee, der viele Nachahmer zu
Tel. 02324 – 921 89 69, www.wuselcafe.de
tiger Mensch.“ Bevor er die Chance als Brot-
wünschen sind. 31
REPORTAGE
Stefanie Neto Mendonca ist eine Tierfreundin. Legt man die üblichen Maßstäbe an, ist diese Bezeichnung stark untertrieben. Die Wittenerin hat das Retten, Pflegen, Betreuen und Vermitteln kranker und hilfsbedürftiger Tiere zur ihrer ehrenamtlichen Lebensaufgabe gemacht. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche – Steffi hilft. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Wo andere lieber wegschauen I
n ihrer Heimatstadt ist Steffi Neto Mendonca bekannt wie der sprichwörtliche
„Mir war klar, dem muss ich unbedingt helfen“
bunte Hund. Und selbstredend würde sie
sich „in echt“ um einen solchen kümmern,
Vermutlich fing die Geschichte mit Jeko
wäre er in Not und würde das sonst niemand
an, einem Hund aus Spanien, den sie vor
machen. Andernfalls hilft sie Katzen, Tauben,
Jahren rettete. Ihre Kindheit nämlich – „Ich
Hasen, Ratten, Füchsen, Igeln. Bei ihr gibt es
war wohl als Kind schon tierlieb. Manchmal
keine Unterschiede. Alle Welt kann sich auf
habe ich welche gefunden, mitgenommen
Welpen einigen, weil sie so tapsig und putzig
und aufgepäppelt. Wir hatten auch Meer-
sind – für Kreaturen, denen diese Attribute
schweinchen, meine Schwester und ich. Die
fehlen, bleibt oft nur Missachtung. Bei Stef-
haben sich natürlich vermehrt. Irgendwann
fi regt sich dann Widerstand. „Je hässlicher
waren es acht Stück.“ – und die Zeit danach
Leute ein Tier finden, umso hübscher finde
ließen nicht erkennen, welchen Raum die
ich es. Je mehr ein Mensch gegen Tauben
Tierliebe in ihrem Leben einnehmen sollte.
spricht, umso mehr springe ich für Tauben
Doch dann kam die Nacht mit Jeko.
ein. Ich kann das nicht erklären. Das ist auch bei Ratten so, einfach bei allen Tieren.“
„Ich habe im Internet gesurft und bin auf den Fall gestoßen. Jeko war sieben oder acht Monate alt, ein Labrador-Schäferhund. Jemand hatte den Bub mit Absicht in Brand gesteckt. Man konnte ihn löschen, aber er war schwer verletzt. Über den Tierschutzverein Europa wurde ein neues zu Hause für ihn gesucht. Auf dem Foto, das ich gesehen habe, war er total abgemagert, bis auf die Knochen alles weg. Mir war klar, dem muss ich unbedingt helfen. Ich habe sofort die angezeigte Nummer gewählt.“ Jeko kam geimpft, gechipt und nach der vorgeschriebenen Quarantänezeit in Witten an, konnte allerdings nicht bei Steffi bleiben. Ihre Hündin akzeptierte den Neuzugang nicht.
32
33
REPORTAGE
Schließlich gelang es ihr, Jeko über die TV-Sendung „hundkatzemaus“ in vertrauenswürdige Hände zu vermitteln. „Bei der Geschichte habe ich gemerkt, dass ich da mein Herz hingeben kann. Ich werde kinderlos bleiben, und ich brauche einfach eine Aufgabe im Leben. Das ist der Sinn des Lebens. Und von Tieren wird man nicht so oft enttäuscht oder verletzt wie von Menschen.“
„Über die Jahre habe ich einen tollen Kreis aufgebaut“ Dass ihre selbstgewählte Mission eine Organisation mit Struktur zur Folge hatte, nimmt kaum wunder. Steffi Neto Mendonca kann nicht jedes Tier aufnehmen und gesundpflegen. Sie lebt mit einer überschaubaren Zahl an Hunden, Katzen und Vögeln unter einem Dach – und ihrem Mann, der neben einer guten Freundin zum harten Kern ihrer Gruppe ge-
gezielt weitergeben, sollte sie selbst mit ihren
viele Konflikte aus. Geburtenkontrolle durch
hört, „auch wenn der manchmal knurrt. Ich bin
Ratschlägen per Telefon oder Mail nicht helfen
Eiertausch und Fütterungen nur mit Körnern
schon ziemlich anstrengend. Da muss nur ein
können bzw. ihre Kapazitäten es nicht zulas-
– Essensreste von Fastfood-Versorgern machen
Anruf kommen, dass irgendwo ein verletztes
sen, den Patienten in Pflege zu nehmen. „Über
Tauben krank – gehören unbedingt dazu. Steffi
Tier liegt, dann ist es mit meiner Ruhe vorbei.“
die Jahre habe ich einen tollen Kreis aufgebaut.
unterstützt die Arbeit von Liselotte Elles und
Ich kenne jemanden für Kaninchen und Meer-
deren Verein „Initiative Stadttauben – Hilfe
Steffi ist als Ansprechpartnerin bekannt, an
schweinchen, jemanden für Rabenkrähen, ich
für Mensch und Tier e.V.“ in Witten. Ohne Frau
die man sich wenden kann, wenn ein Tier in
kooperiere mit der Dortmunder Igelhilfe oder
Elles und deren Arbeit gäbe es für sie mutmaß-
Not ist. Wer eine angefahrene Katze findet,
bei Wasservögeln mit der Paasmühle in Hat-
lich noch viel mehr zu tun.
eine in eine Angelschnur verhedderte Ente
tingen. Und Tauben mache ich.“
oder im Spätherbst einen viel zu schwachen
„Man hilft, indem man einfach nicht wegsieht“
Igel, ist schnell mit der Aufgabe überfordert
Typisch Steffi. Kaum ein Tier steht hierzulan-
– falls er überhaupt eine Aufgabe für sich er-
de in schlechterem Ruf. Würden Maßnahmen
kennt. Steffi hält Verbindung zu zahlreichen
konsequent durchgeführt, Tauben ein artge-
Einen eigenen Verein zu konstituieren,
Organisationen. Deren Kontaktdaten darf sie
rechtes Leben zu ermöglichen, blieben freilich
kommt für Steffi nicht in Frage. „Aus guten
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23.4. 2 017
MUSEUM OSTWALL IM DORTMUNDER U
Niki de Saint Phalle, Lili ou Tony, 1965, Courtesy Galerie GP & N Vallois, Paris © 2016 Niki Charitable Art Foundation. All rights reserved. Foto: Aurélien Mole Kooperationspartner
34
museumostwall.dortmund.de Medienpartner
Kulturpartner
www.steffi-hilft.org Anmerkung: „Steffi hilft“ hilft. Aber nicht nur Tieren. Ihre Erlebnisse haben Stefanie Neto Mendonca immer wieder in Kontakt zu Menschen in prekären Lagen gebracht. Deswegen engagiert sie sich im Rahmen der Wohnungslosenhilfe Witten.
Sie kann nicht verstehen, dass Tiere ausgesetzt werden. Wohl aber hat sie Verständnis dafür, dass Menschen mit der Tierhaltung überfordert sind, wenn Krankheiten, finanzielle Notlagen oder altersbedingte Probleme auftreten. Doch anstatt ein Tier dann seinem Schicksal zu überlassen, sollte man lieber um Gründen“, denn dass Geldgeber Spenden
absolute Transparenz, kopiert Belege, nennt
Hilfe bitten. Nur ist das nicht immer ganz ein-
beim Finanzamt geltend machen, „ist nicht
Zahlen und Daten und unterläuft ganz ne-
fach, wie der Fall mit der Königspython zeigt.
das, was ich möchte“. „Wenn ich wirklich hel-
benbei die Mechanismen einer Welt, in der
„Der Besitzer ist von jedem Verein abgewim-
fen will, mache ich das doch nicht aus steuer-
selbst karitatives Handeln ohne finanzielle
melt worden und meldete sich irgendwann
lichen Gründen, sondern weil ich weiß, dass
Anreize kaum denkbar scheint.
bei uns. Wir kamen dann in eine total ver-
der Mensch eine tolle Arbeit macht. Wer anders denkt, ist nicht mit vollem Herzen dabei.“
dreckte Wohnung, die Schlange lag eingekauAller Transparenz zum Trotz wird Steffi zu-
ert in einer Ecke, hatte keine Wärmequelle,
weilen angefeindet. Sie schüttelt den Kopf.
keine Lampe, nichts. Wir konnten sie in einer
Auf Sach- oder Geldspenden angewiesen
„Wenn mir jemand Hundefutter jenseits
Reptilienauffangstation unterbringen. Das
ist sie allerdings, auf letztere allein, um ge-
des Verfallsdatums schenkt, wer sollte mir
ist meine Arbeit. Helfen und vermitteln.“
legentlich anstehende Tierarztrechnungen
das abkaufen wollen? Oder wenn ich einen
begleichen zu können. Dann stellt sie einen
alten, schwerkranken Hund aus Polen hole,
Auf die Frage, wie man „Steffi hilft“ am bes-
gezielten Aufruf ins Netz, mit Foto vom Tier,
wer würde mir 500 Euro dafür geben? Aber
ten helfen kann, gibt sie, nach langem Über-
was unbedingt getan werden muss und wie
wer logisch denken kann, weiß, dass das
legen, wieder eine bemerkenswerte Antwort:
viel das kosten würde. Dabei setzt sie auf
Quatsch ist.“
„Indem man einfach nicht wegsieht.“
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Was genau zaubert die FH eigentlich im Dortmunder U ? Und wird das auch mal fertig ?
www.fh-dortmund.de/bodo_kiu 35
NETZWELT
KINOTIPP
endstation.kino & bodo präsentieren: Martha & Niki Zum neunten Mal präsentiert das endstation.kino vom 27. Januar bis zum 1. Februar in Kooperation mit der Kinogesellschaft Köln eine Auswahl aktueller Dokumentarfilme, die in Inhalt und Form ein breites Spektrum aufzeigen und auf Festivals ihr Publikum begeistert haben. Moderierte Filmgespräche mit den RegisseurInnen bieten Gelegenheit zu Fragen und zur Diskussion.
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
www.dein-sternenkind.eu Am 28. Januar ist um 19 Uhr Tora MkandaDer Begriff „Sternenkind“ bezeichnet Kinder, die vor, während oder unmittelbar nach der
wire Mårtens Dokumentarfilm Martha &
Geburt verstorben sind. An die Eltern dieser Kinder richtet sich das Projekt „Dein Sternen-
Niki zu sehen. Martha und Niki gewinnen
kind“. Die Onlineplattform bietet Familien, die mit einem solchen schweren Schicksals-
einen Street-Dance-Battle nach dem
schlag konfrontiert sind, die Möglichkeit, unkompliziert und schnell mit Fotografinnen
anderen und räumen dann auch noch den
und Fotografen in Kontakt zu treten, die kostenlos Fotos ihrer noch lebenden oder bereits
Weltmeistertitel als erstes weibliches Team
verstorbenen Kinder erstellen. Das Ganze geschieht seitens aller Mitarbeiter des Projekts
ab. Ganz oben angelangt, geht ihnen ein
komplett ehrenamtlich.
wenig die Puste aus, und die großen Fragen danach, wer man eigentlich ist und wohin
Mittlerweile sind auf dem Portal über 600 Fotografinnen und Fotografen registriert,
man mal will, tun sich auf. Besonders
die kostenlos ihre Arbeit zur Verfügung stellen. Viele der Mitarbeitenden, die sich in
Martha überkommt das Gefühl, am fal-
dem Projekt engagieren, waren selbst mit dem frühzeitigen Tod ihres Babys kon-
schen Ort zu sein. Der Film erzählt von der
frontiert oder haben den Tod eines Babys im näheren Familien- oder Freundeskreis
Balance zwischen Abheben und Auf-dem-
mitbekommen. Mit Hilfe dieses großen Pools an ehrenamtlichen Mitarbeitern und
Teppich-Bleiben und davon, wie schwer es
einem komplexen Alarmgruppensystem im Hintergrund der Webseite konnten so im
ist, wirklich irgendwo anzukommen.
letzten Jahr 95 Prozent aller an das Projekt gerichteten Notrufe bearbeitet werden. Die Eltern erhalten die vom Fotografen gemachten Aufnahmen in digitaler Form und haben die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wann sie sich die Bilder ansehen. Für die Betroffenen entstehen so wichtige Hilfsmittel zur Trauerbewältigung und bleibende Erinnerungen an ihre Sternenkinder. Ins Leben gerufen wurde das Portal Anfang 2013 vom Fotografen und Filmemacher Kai Gebel. Nachdem er bereits zwei Jahre auf einer ähnlichen Plattform im englischsprachigen Raum registriert war, hatte er seinen ersten Einsatz. Das Erlebte beeindruckte in so sehr, dass er das Konzept auch in Deutschland realisieren wollte. „Eltern entwickeln in der Regel schon vor der Geburt, über die Monate der Schwangerschaft hinweg, eine starke emotionale Beziehung zu ihrem Baby. Doch wenn das Baby noch vor, während oder kurz nach der Geburt stirbt, haben die Eltern meist nur wenige greifbare Andenken an ihr Baby. Hier wollen wir helfen“, so Gebel. Für über 1.000 Eltern von
Ka
eb
i
G
36
el
Weitere Filme des Festivals: 27.01., 19 Uhr: Beer Brothers (Gast: Regisseur Michael Chauvistré) | 27.01., 21.30 Uhr: Gimme Danger | 29.01., 17 Uhr: Erzähl es Niemandem (Gast: Regisseur Klaus Martens) | 29.01., 19.30 Uhr: Fighter (Gast: Regisseurin Susanne Binninger) | 30.01., 19 Uhr: Dokumentarische Kurzfilme (Gäste: Regisseure Jens Mühlhoff und Julius Dommer) | 31.01., 19 Uhr: The Art of Moving (Gäste: Regisseurin Liliana Dulce Marinho de Sousa und Teammitglieder) | 01.02., 19 Uhr: Return of the Atom (Gast: Regisseur Mika Taanila)
Sternenkindern hat das Projekt bereits bleibende Erinnerun-
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
gen geschaffen. (sese)
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Telefon 0234 – 687 16 20 www.endstation-kino.de
BÜCHER
Gelesen von Bastian Pütter
Shore, Stein, Papier Heroin, Kokain und Geld. Die Dinge, um
Kulturkampf von rechts
die sich jahrelang alles im Leben von $ick
Der letzte Onno
dreht. Eine verkorkste Kindheit in Hanno-
Mit Pegida beansprucht erstmals ein sich
ver, ein kleinkrimineller Beginn, der sich
bürgerlich gebender völkischer Nationa-
zu einem Höllentrip von Drogenkarriere
lismus die Straße, mit der AfD erzielt eine
Frank Schulz ist ein Solitär. Niemand,
steigert. Wie durch Zufall überlebt $ick
rechtspopulistische Partei Wahlerfolge,
wirklich niemand schreibt wie er. Etwas
den Strudel von Sucht, Gewalt, Knast,
die vor wenigen Jahren vielen kaum mög-
hilflos ist er mit Eckhard Henscheid, mit
Entzug und Rückfällen. Der Mann mit
lich erschienen.
Arno Schmidt oder gar mit Lawrence
dem Pseudonym hat diese Geschichte erlebt und erzählt sie selbst: Zuerst direkt in die Kamera – in 380 Folgen auf seinem Youtube-Kanal, die ihn zum Internetstar machen. 2015 wird das Format mit dem Publikumspreis des Grimme Online Awards ausgezeichnet. Der Versuch des Piper-Verlags, die Geschichte von einem Ghostwriter erzählen zu lassen, scheitert. „Irgendwann war klar, dass er das selber schreiben muss“, stellt „$ick“ fest. Der Schulabbrecher setzt sich an den Laptop. Und tatsächlich ist der rotzige, gnadenlos ehrliche Sound Teil der Geschichte. „Shore, Stein, Papier“ ist keine Beichte, es ist das Nacherzählen eines Lebens als Selbstzerstörungstrip – „Voll asozial eigentlich. (…) Aber irgendwie auch geil.“
Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) analysiert in dem Sammelband „Kulturkampf von rechts“ die ideologische Basis der Neuen Rechten,
Sterne verglichen worden. Weil bei sprachschöpferischer, unglaublich komischer und großer Literatur in der deutschsprachigen Literatur die Referenzen dünn gesät sind.
ihre Vordenker und Themen. Ein Schluss-
Nach der Hagener Trilogie um den ver-
kapitel unter der Überschrift „Was tun?“
krachten Journalisten Bodo Morten hat
versammelt Positionen zum strategischen
nun auch die zweite Trilogie um Onno, den
Umgang mit der AfD.
so phlegmatischen wie posttraumatisch
Die AutorInnen weisen auf die Verbindung zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus im AfD-Konzept eines „nationalen
belastungsgestörten „Privatdetektiv“ und Tischtennis-Tsunami auf Noppensocken, ihren Abschluss gefunden.
Wettbewerbsstaates auf völkischer Basis“
In „Onno Viets und der weiße Hirsch“ geht
(Helmut Kellershohn) hin, beschreiben die
es in die Dorfidylle des Örtchens Finkloch.
rechtspopulistischen Bewegungen Europas
Und auf der Folie der wohl furchtbarsten
als „Produkt politischer Legitimationskri-
Literaturform, des ländlichen Regionalkri-
sen“ (Alexander Häusler) und betonen die
mis, kommt der neue Schulz so schein-
Rolle neurechter Protagonisten wie Götz
betulich daher, dass man sich fragt, wo der
Kubitschek, in dessen Sinne der „Kampf
überbordende Wortwitz und der alltägli-
um Vorherrschaft im eigenen Raum“ nicht
che Wahnsinn denn geblieben sind – bis
Vielleicht kein „Naked Lunch“ und kein
als Diskussionsfeld, sondern als „geistiger
letzterer sich Stück für Stück entfaltet:
„Trainspotting“, aber im Verzicht auf den
Bürgerkrieg“ begriffen wird. Die in Form
Ehekrise und Dorfidyll, Jagdimpressionen
Anspruch, große Literatur zu sein, umso
und Sprache dezidiert wissenschaftlichen
und Kriegstraumata, RAF-Sympathisanten
eindringlicher, im Unterlaufen bürger-
Beiträge sind keine leichte Lesekost, liefern
und eine Astro-TV-Esoterikerin. Der leises-
licher Reueerwartungen wohltuend
aber erhellende Einsichten.
te Schulz, aber ein großes Buch. Und das
verstörend.
Helmut Kellershohn, Wolfgang Kastrup (Hg.)
soll jetzt vorbei sein? „Tjorp. Ch, ‘ch, ‘ch.“
$ick | Shore, Stein, Papier.
Kulturkampf von rechts.
Frank Schulz
Mein Leben zwischen Heroin und Haft
AfD, Pegida und die Neue Rechte
Onno Viets und der weiße Hirsch
ISBN 978-3-492-06040-0
ISBN 978-3-89771-767-1
ISBN 978-3-86971-127-0
Piper | 14,99 Euro
Edition DISS, Bd. 38 | 24 Euro
Galiani | 19,99 Euro 37
SOZIALES
Albanien wird seit 2015 als „sicheres Herkunftsland“ bezeichnet: Menschen, die wegen der Perspektivlosigkeit dort nach Deutschland kommen, haben kaum eine Chance zu bleiben. Albi Lugjaj, Endri Ajazi und Ildis Dini gehörten dazu. Sie sind als Jugendliche ohne Eltern hergekommen. Mit 18 Jahren drohte ihnen die Ausweisung. Heute machen sie eine Ausbildung zu Bäckern in Dortmund. Ihre Betreuer von GrünBau vermittelten ihnen Ausbildungsplätze und kümmerten sich um die Arbeitsvisa. Denn die gemeinnützige Gesellschaft macht nicht nur die Hinterhöfe der Nordstadt hübsch, sondern unterstützt auch Menschen, die neu im Viertel leben. Von Maren Wenzel | Fotos: Sabrina Richmann
38
Ausbildung statt Abschiebung
Die Bäcker-WG G
raue Fassaden, Leerstand und viele spielende Kinder – in der Nordstadt
treffen wir die drei Freunde Endri, Albi und Ildis, die hier gemeinsam in einer Wohngemeinschaft leben. In den Zimmern hängen BVB-Schals an frisch geweißten Wänden, die gemütliche, rote Couch nimmt fasst den gesamten Raum der kleinen Wohnküche ein. Seit zwei Jahren kennen sich die drei Fußballfans. Damals waren sie 16 Jahre alt und frisch in Dortmund. Drei Monate wohnten sie gemeinsam im Clearinghaus der Arbeiterwohlfahrt. Vom Jugendamt wurden sie dann zu GrünBau vermittelt – einer gemeinnützigen Gesellschaft, die neben Gartenbau eben auch Jugendhilfe und Arbeitsvermittlung anbietet.
Eigene Wohnung statt Sammelunterkunft Von der Sammelunterkunft mit Zweibettzimmern ging es für sie in die erste eigene Wohnung. 50 Objekte hat die Gesellschaft im Norden der Stadt angemietet: „Die Jugendlichen wohnen in ganz normalen Mietshäusern. Da setzen wir schon immer drauf: sie schnell in das ganz normale Leben zu integrieren und nicht große Heime zu betreiben“, sagt Manfred Schwarz, der bei GrünBau als Sozialarbeiter unter anderem Albi und Ildis betreut. Das Konzept heißt dabei „Bauen und Wohnen“ – ein Großteil der Wohnungen wurde von den Jugendlichen selbst vorm Einzug saniert. Über 35 Jahre lang engagiert sich der soziale Berufshilfebetrieb in Dortmund.
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SOZIALES
Für Albi, Endri und Ildis war GrünBau ein
Wegen der drohenden Ausweisung aus
Glücksfall. Denn in Albanien wollten und
Deutschland waren sie fieberhaft auf der Suche
konnten sie nicht bleiben: „Dort ist die Öko-
nach einer Ausbildung. Denn diese bedeutet
nomie gleich null. Man hat keine Zukunft
eben auch einen Aufenthaltstitel. Viele Betriebe
Als die Bäckereien Dahlmann, Grobe und
in Albanien“, sagt Endri. Neun Monate lang
wollten aber keinen jungen Mann aus Albanien
Vorwerk für sie gefunden waren, musste es
machten sie Deutschkurse, dann ging es in
mit dem ganzen Papierkram und der Sprachbar-
für Endri und Ildis schnell gehen – und zwar
die Berufsschule. Heute haben Albi sowie Ildis
riere nehmen, so Endri. Gemeinsam mit Grün-
doch zurück nach Albanien. Denn bevor sie
den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 und
Bau tat sich dann doch eine Chance auf: eine
anfangen konnten, musste ein Arbeitsvisum
Endri sogar die Fachoberschulreife geschafft.
Ausbildung als Bäcker. Denn viele Bäckereien
her. Manfred Schwarz von GrünBau setzte sich
Nach dem Unterricht ging es jeden Tag in
suchen gerade händeringend Nachwuchs. Zu-
kurzerhand mit den beiden in den Flieger nach
eine der drei GrünBau-Anlaufstellen an der
erst musste aber die Bürokratie des Jobcenters
Tirana. Einen Tag vor Endris 18. Geburtstag
Arnold- oder Unnaer Straße: „So einen großen
überwunden werden: „Es wird immer erst ge-
standen der deutsche Betreuer und die beiden
Platz mit so viel Essen, Billard und Kicker hatte
prüft, ob ein Deutscher oder ein EU-Bürger dei-
Jugendlichen in der Botschaft. „Als sie gesehen
ich noch nicht gesehen“, erinnert sich Endri
ne Ausbildung machen möchte. Dann kannst du
haben, dass unser Betreuer mitgekommen ist,
heute lachend.
sie nicht machen“, erklärt Endri.
waren sie überzeugt“, sagt Endri. Drei Wochen
Zurück nach Albanien – aber nur fürs Visum
später hatten sie das Visum und konnten zurück ins Ruhrgebiet. Dass sie einmal Teig kneten und Öfen anheizen würden, hätten sie früher nicht gedacht. Endri wollte Arzt werden, Albi Fußballspieler und Ildis Sportlehrer. Trotz des frühen Aufstehens – manchmal um 1 Uhr, manchmal um 4 Uhr morgens – schlagen sie sich aber gut in der Backstube: „Alle sind begeistert von uns. Bis jetzt ist alles super gelaufen“, so Albi. Eine Erfahrung, die GrünBau oft macht. Sehr viele Jugendliche seien sehr motiviert und würden über ihre Grenzen hinauswachsen, sagt auch Florian Eichenmüller, der bei GrünBau das Ausbildungscoaching leitet. Die drei Jugendlichen aus der „Bäcker-WG“, wie die Betreuer sie nennen, sind nur ein Beispiel. Seit März 2014 hat allein das Ausbildungscoaching etwa 70 Menschen vermittelt. „Vom kleinen Zwei-Mann-Handwerksbetrieb in der Nordstadt bis zum großen internationalen Konzern ist alles dabei“, sagt Eichenmüller. Für die Menschen heißt die Arbeit mehr Selbstständigkeit, Unabhän-
Oben: Die „Bäcker-WG“ – Albi Lugjaj, Endri Ajazi und Ildis Dini (v.l.) auf ihrem gemütlichen Sofa. Nachts zwischen eins und vier geht‘s raus zum Teichkneten. Links: Sozialwissenschaftler Florian Eichenmüller (links) vom Ausbildungscoaching und Sozialarbeiter Manfred Schwarz von GrünBau unterstützen die Jugendlichen.
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gigkeit und oft eben auch die Möglichkeit, überhaupt bleiben zu können. Seitdem im September das neue Integrationsgesetz in
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Kraft getreten ist, können auch Menschen, Arbeitsvisum eine Ausbildung machen und werden währenddessen nicht abgeschoben. Albi musste deshalb nicht erst noch zur Botschaft nach Tirana.
„Lohnenswertes Geschäft für Gesellschaft, Staat und Kommune“ Aber nicht nur die Menschen, auch der Staat profitiert: „Ich habe mal sehr vorsichtig gerechnet: Für die Dauer der Ausbildung sind es schon eine runde Million, die wir dem Sozialsystem erspart haben. Es ist ein sehr lohnenswertes Geschäft für Gesellschaft, Staat und Kommune“, sagt Eichenmüller. Wie so oft bei sozialen Projekten, muss auch GrünBau um die Finanzierung kämpfen. Die Jugendhilfe wird bis zum 18. Lebensjahr vom Staat getragen. Aber die Wohnung und Betreuung danach sowie das Ausbildungscoaching, das für alle offen ist, müssen auch bezahlt werden.
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die in Deutschland nur geduldet sind, ohne
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14.11.2016 15:51:25
Für Jugendliche wie die drei angehenden Bäcker hat GrünBau jetzt einen Ausbildungsfonds angelegt. Denn um hier bleiben zu können, müssen die jungen Menschen 800 Euro Einkommen im Monat nachweisen; in der Ausbildung verdienen sie aber nur etwa 500 Euro. Die Dortmunder Gesellschaft sucht für den Fonds noch Spendende, um mehr jungen Menschen eine Zukunft hier zu ermöglichen. Albi, Ildis und Endri wollen jetzt ihre dreijährige Ausbildung weiter machen und zusammen wohnen bleiben. „Später würde ich mir aber schon wünschen, eine eigene Bäckerei zu haben“, sagt Ildis. Aber das sei ja noch Zukunftsmusik.
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REPORTAGE
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„Wenn Du Schatten siehst, geh nicht unter den Baum“ Mit der Bundeswehr in Mali
Mit einem „Attraktivitätssteigerungsgesetz“, mit Plakatkampagnen und gar mit einer Reality-Doku („Die Rekruten“) wirbt die Bundeswehr für eine Karriere an der Waffe. Vergleichsweise still ist es hingegen um die tatsächlichen Einsätze, unter anderem im westafrikanischen Mali. Im Rahmen der UN-Mission „MINUSMA“ versuchen 11.000 Blauhelme, darunter knapp 600 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, für eine Stabilisierung in der Sahelregion zu sorgen. Dirk Planert hat den Stützpunkt der Bundeswehr im nordmalischen Gao besucht und mit Soldaten aus NRW über ihren Einsatz, den Alltag im Camp und die Bedrohung durch islamistische Milizen gesprochen. Text und Fotos: Dirk Planert
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REPORTAGE
S
chon morgens um 8 Uhr bewegen sich die Temperaturen auf die 50 Grad zu. Über roten Wüstensand geht der 28-jährige Marcel F. auf seinen gepanzerten Mercedes
Geländewagen zu, zieht sich die schusssichere Weste über und schmeißt den Motor an. Auch die sechs anderen Fahrzeuge sind abfahrbereit. Zugführer Jan S. hat gerade die Route der Patrouille bekannt gegeben. 70 Kilometer Strecke und mehrere Zwischenstopps auf Anhöhen und in Dörfern liegen vor uns. Sieben Fahrzeuge und etwa 20 Bundeswehrsoldaten verlassen das Feldlager Camp Castor. Hinter den letzten Hesco Bags, riesigen Sandsäcken, schaltet Marcel F. seinen „Jammer“ ein. Geräuschlos legt sich ein Störsignal wie eine Blase um die Fahrzeuge. Der „Jammer“ soll verhindern, dass Al-Qaida-Terroristen Sprengfallen per Funk zünden können. Allein in diesem Jahr ist das bereits 110 Mal passiert. Seit Beginn des UN-Einsatzes vor drei Jahren starben 47 UN-Soldaten. Es ist der zurzeit gefährlichste Auslandseinsatz.
Politik und Alltag Marcel F. tritt auf das Gaspedal, der Wagen wühlt sich durch den Wüstensand. Ständig wird über Funk die Position der Fahrzeuge und die Entfernung zum nächsten Ziel durchgegeben. Es ist ein Hochplateau am Niger, in der Nähe eines Dorfes. „Wenn Du Schatten siehst, geh nicht unter den Baum“, warnt einer der Soldaten. „Der Feind legt da Sprengfallen aus, weil die wissen, dass wir den Schatten suchen.“ Sofort kommen freudig Kinder und Frauen aus dem Dorf angelaufen. Bis vor drei Jahren hatte die Terrorgruppe Al Qaida den Norden Malis fest im Griff. Gleichzeitig versuchten die
Heimweh und Extrasold
Tuareq, mit Waffengewalt ihrem eigenen Staat näher zu kom-
Nach sechs Stunden rollt der Konvoi wieder ins Camp. Fast 600
men. Dann kamen die Franzosen und drängten die Islamisten
Bundeswehrsoldaten, jeweils drei in einem Raum, sind hier in Con-
zurück. Seitdem sind UN-Soldaten hier stationiert. Sie sollen
tainern untergebracht. Diese sind von außen mit über zwei Zen-
den Frieden sichern.
timeter dicken, gehärteten Stahlplatten gesichert. Splitterschutz, falls Granaten einschlagen. Der letzte Beschuss war im Februar
„Die Sicherung des Camps und die Erkundung der Region drau-
mit einer Rakete. Es gibt einen winzigen Kiosk mit Zigaretten, 15
ßen, das ist der Job unseres Aufklärungsbataillons“, sagt Marcel
Euro die Stange, steuerfrei. Auch vom Auslandszuschlag lässt der
F. Die gesammelten Informationen über mögliche Terroristen-
Fiskus die Finger. 94 Euro gibts pro Tag in Mali für die Soldaten und
nester gehen über die UN in der Hauptstadt Bamako direkt in
Soldatinnen. Es gibt einen Fitnessraum, zwei Fernsehbildschirme
das UN-Hauptquartier in New York. Was dann damit passiert,
in einer Art Café, draußen versteht sich, mit Tarnplane als Sonnen-
das weiß von den Bundeswehrsoldaten keiner. „Dass wir hier
schutzdach. Sonntags wird ein Gottesdienst angeboten, mit äu-
sind, wird von der Bevölkerung sehr positiv wahrgenommen“,
ßerst mäßigem Zulauf. Die fast unerträgliche Hitze, Sand und die
erzählt Marcel F. „Wenn wir präsent sind, dann haben auch die
Weite der Wüste durchziehen die sich gleichenden Tage.
Räuberbanden keine Möglichkeit, sich hier zu bewegen.“ Ne-
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ben ihm steht Jan S., als Zugführer Chef der Patrouille. Er ist
Marcel F. hat als Kind oft Soldat gespielt. Da habe sich das ein-
ein muskelbepackter Zweimeter-Hüne. Zu Hause in Köln hat er
gebrannt, sagt er. Er studierte Wirtschaftswissenschaften beim
einen Sohn, der nächstes Jahr eingeschult wird. Er erzählt, dass
Bund und sitzt heute in der Sahelzone. Es ist sein zweiter Aus-
diese Banden zu Schmugglern und Rebellengruppen gehören,
landseinsatz. „Am schlimmsten ist die Trennung von der Freun-
die nachts auf Motorrädern in die Dörfer einfallen und die Men-
din.“ Mit ihr telefoniert Marcel F. jeden Tag. Die Bundeswehr stellt
schen ausrauben, die sowieso nichts haben. Was auf höherer
den Soldaten eine App, mit der sie täglich drei Stunden telefonie-
politischer Ebene passiert, ist für die Soldaten undurchschaubar.
ren und ins Internet können. „Kälte“, sagt Marcel F. „Bei Kälte auf
Greifbarer ist das Alltägliche. Der Schutz der Bevölkerung vor
dem Weihnachtsmarkt stehen, da freue ich mich drauf.“ Zu Hause
Mord und Unterdrückung durch radikale Islamisten oder eben,
steht ein Audi Cabriolet und wartet auf seinen Fahrer. Für Marcel
ausgeraubt zu werden.
F. ist die Bundeswehr eine Möglichkeit unter vielen.
Für einen seiner Kameraden, der während der Patrouille das
Gegen 18 Uhr geht die Sonne unter. Das Feldlager gehört den Nie-
schwerste gepanzerte Fahrzeug fuhr, ist die Bundeswehr die
derländern, die Deutschen sind nur Gast. In der Kantine und in der
bessere Möglichkeit. Auf ihn warten eine Frau und ein Kind in
alkoholfreien Bar begegnen sie sich. Über der Theke prangt genau
Deutschland. „Ist nicht meins“, sagt er. „Verheiratet sind wir auch
in der Mitte ein großes Bild mit den Oberkörpern und lächelnden
nicht.“ Fragt er sich, ob sie viereinhalb Monate wartet? Schulter-
Gesichtern zweier niederländischer Piloten. „In Gedenken“ steht
zucken und längeres Schweigen. Er ist der Mann, der alle ande-
darüber. Ihr Apache Kampfhubschrauber ist im vergangenen Jahr
ren mit Spielfilmen versorgt. Das Internet im Feldlager ist für das
in der Nähe abgestürzt. Heute sind ihre Eltern hier. Die Niederlän-
Streamen gesperrt. Trotzdem können abends in den Containern
der haben organisiert, dass sie die Absturzstelle sehen können, wo
eine Handvoll Soldaten zusammen einen Laptop anschalten. Die
ihre Söhne gestorben sind. Sie wollen Abschied nehmen.
eigene Gefahr abschalten. Er hat die Festplatte mit zwei Terrabyte Actionstreifen vollgepumpt. „Ich habe in der Schule Scheiße ge-
Nach 20 Uhr wird es still im Camp. Bis vier Uhr in der Nacht. Dann
macht, dann bin ich zum Bund gegangen und danach LKW-Fahrer
schießen Blitze durch die Dunkelheit. Sie kommen nicht aus dem
geworden. Der Stress als Fahrer für so wenig Geld, das hat mir
Himmel, sie kommen von unten. Mörsergranaten sind ein paar
irgendwann gereicht. Da bin ich zum Bund zurück.“ In Deutsch-
hundert Meter entfernt eingeschlagen. Verletzte gab es nicht. Vor
land ein Trucker, gehetzt vom Disponenten der Spedition, ohne
drei Monaten schon hatte der Kommandant des Feldlagers das
wirtschaftlichen Spielraum. Hier der Mann am Steuer eines zwölf
„Mantis“-System beantragt. Es registriert Abschüsse in bis zu 20
Tonnen schweren Panzerfahrzeugs mit einem MG auf dem Dach.
Kilometern Entfernung und warnt die Soldaten 15 Sekunden vor
Zum Abschied aus Mali gibt es über 12.000 Euro aufs Konto, zu-
dem Einschlag. Ohne das Schutzsystem bleibt weniger als eine
sätzlich zum normalen Gehalt.
Sekunde, um in Deckung zu gehen.
Unter Beschuss
„Bürokratie. Das dauert lange, bis die Bundeswehr in Deutschland
Egal, wo sich Wege im Feldlager kreuzen, hier lässt jeder den an-
stimmen“, sagt ein ranghoher Soldat. „Das ‚Mantis‘-System wird
deren vor. Die Toiletten sind blitzblank sauber, nirgendwo liegt
vermutlich erst dann hierher gebracht, wenn die erste Mörser-
Müll herum. „Wenn sich hier einer die Haare schneidet und die
granate eingeschlagen ist?“, frage ich nach. „Ja“, sagt der Soldat“,
den Abfluss verstopfen, dann trifft das alle“, erklärt Marcel. Rück-
„leider ist das so“.
darüber entschieden hat, und dann muss ja auch noch die UN zu-
sicht, ohne dass dieses Wort auftaucht.
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LESERSEITE
Zusätzlich zur Weihnachtsfeier in unserem Dortmunder Buchladen – für alle Verkäuferinnen und Verkäufer – gab es in unserer Bochumer Anlaufstelle am Tag davor einen Weihnachtsbrunch. Schön war’s.
LESERPOST Liebe bodo, vielen Dank für Bob, den Streuner und für Euer tolles Dezemberheft. Eine tolle Sache, Euren Jah-
voraussichtlich soweit sein, aber wir sagen rechtzeitig
resbericht gleich mitabzudrucken. Hut ab vor Eurer
Bescheid. Viele Grüße von bodo)
Arbeit und der Transparenz, mit der Ihr Eure Arbeit dokumentiert. Weiter so! Grüße, H.P.
Verkäuferin vor dem Berghofer Rewe. Als ich letzte
Hallo, gerne lese ich Eure Zeitung und meistens alle
Woche den Einkaufchip verlor, half sie mir suchen,
Berichte. Zunehmend stelle ich aber fest, dass die
fand ihn auch und sagt dann noch „Danke, Madame“.
Schriftgröße sehr problematisch ist. Geht es nicht
Mit herzlichen Grüßen, C.L.
größer? Denkt doch bitte an alle, die nicht mehr so gut lesen können, und das ist nicht nur eine Frage des Alters. Aufmachung und Inhalt finde ich ja gut aber die Schriftgröße gefällt mir nicht mehr. Das geht gar nicht. Ihr macht eine gute Arbeit, die Zeitung ist gut aufgebaut und informativ aber ich möchte sie auch leicht lesen und nicht ständig mit den Augen knib-
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Liebe bodo-MitarbeiterInnen, ein Lob an „meine“
Hallo, danke für die tollen bodo-Hefte. Ich finde, sie werden von Mal zu Mal interessanter und attraktiver. Ein großes Kompliment – für das Design, und vor allem die Beiträge. Weiterhin viel Erfolg für Eure Arbeit und Euer Engagement, dessen Ausrichtung mir sehr zusagt. Herzliche Grüße, Dorothea
beln. Weiter guten Erfolg, Euer Leser Rainer Königs
Zur Veranstaltung „Blackbox Türkei“
(Anm. der Redaktion: Lieber Herr Königs, wir arbei-
Hallo Bodorgan Team, dass es keine Pressefreiheit in
ten zurzeit an einer Neugestaltung, die auch die Les-
der Türkei gibt, stimmt natürlich nicht. Pressefreiheit
barkeit weiter verbessern wird. Die Erfahrungen mit
für Journalisten, Politiker darf es nicht geben, die den
der bodo-schwatzgelb, die bereits mit einer anderen
Terror unterschwellig unterstützen. Werde bodo nicht
Schriftart und neuen Gestaltungselementen arbeite-
mehr kaufen, das ist meine Freiheit. Bye bye bodo.
te, sind sehr positiv. Im – späteren – Frühjahr wird es
(Anm. der Redaktion: Ok.)
bodo dankt: Sparkasse Bochum Ute Adler, Gisela und Bernd Ammermann, Thorsten Baulmann, Gundel Blomberg, Ole Eric Bogena, Dr. Ernst Böhnlein, Kathrin Bohr, Boost Engagement FBX gGmbH, Elsemarie Bork, Brigitte Brätsch, Dieter Brinker, Christiane Hedwig Bülow, Daniel Büning, Andreas Bürgel, Kerstin Bux, Christine Dahms, Petra Danielsen-Hardt, Andreas Dill, Barbara Dressel, Annette Düe, Tobias Eule, Ev. Kirchenkreis Bochum, Eberhardt Falk, Hannes Fischer, Claudia Förster, Sabine Rollinghoff-Weis und Fred Weis, Ina und Gabriel Fuhler, Christa Fuhrländer, Dieter Funke, Arja Geesmann, Hildegard und Edmund Gericke, Harald Gering, Lutz Gollnick, Sonja Grauer, Marco Groger, Dr. Michaela Gross, Edith Haffendorn, Esther Hagemann, Silke Harborth, Monika und Wilhelm Hecking, Elsbeth und Gerhard Heiart, Angelika Kruse-Fernkorn und Hermann Fernkorn, Ursula Hermfisse, Annegret Hochsattel, Margret Hoflinger, Claudia und Markus Holtkamp, Else Holzkamper, Markus Hüppner, Christa Janke, Kirsten Bergmann und Jens Abel, Petra Karmainski, Doris und Manfred Kater, Angelika Kaupert, Matthias Kolbe, Christina Kolivopoulos, Annette und Reiner Kraft, Martin Krug, Dr. Gertrud und Alfred Kruse, Peter Lasslop, Erika Maletz, Maria-Elisabeth Markard, Verena Mayer, Lucie Meckel-Hohberg, Dolf Mehring, Elke und Hubertus Mentner, Mechthild Meschetzke, Ingeborg Meyhoefer, Udo Möller, Brigitte Müller, Marlies und Werner Münster, Christoph Neumann, Nicole Nowakowski, Barbara Perchner, Carsten Piel, Wiltraud Pohl, Anita und Rudolf Przygoda, Sigrid Quenter, Sabine Raddatz, Marion Rapsch, Andreas Rauchfuß, Hildegard Reinitz, Thomas Renner, Brigitte und Walter Reuße, Winfried Risken, Sabine Rollke, Ingo Rosner, Helga Rusche, Sonja Ruszenath, Petra Schäckermann, Robin Schade, Volker Schaika, Kathrin Scherbauer, Herbert Schnier, Gabriele Schulte, Larissa Schulze, Wilhelm Schürmann, Gerlinde Schwarz, Dr. Sabine Siebel, Ute Soth-Dykgers, Barbara und Dieter Steffens-Urban, Oliver Stiller, Margitta Strott, Hannelore Thimm-Rasch, Armgart Adler und Thomas Hein, Rita Timmerbeil, Christel und Gerhard Volpers, Petra Vossebürger, Kerstin und Erich Wagemann, Jutta und Wido Wagner, Gabriele Elisabeth Weber, Ulrike Weinert, Siegmar Welski, Hans W. Wenkebach, Ursula Wiedemann, Irene Zimmermann, Timo Zimmermann, Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Grünbau gGmbH, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga KoesterWais, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Jutta Meklenborg, Sandra Rettemeyer, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christian Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowy, Daniela Gerull, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda, Dorothea Staudinger, Tamara Vorwald-Piepke, Daniela Schmitz-Häbler, Gero Krause, Friederike Claassen, Sulamith Frerich, Nicole Hölter, Gerhard Heiart
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