bodo April 2019

Page 1

bodo DAS

04 | 19 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

Fridays for Future Seite 18

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer Das AttacUrteil Seite 36

OSTERN IN STIEPEL FLUCHT BIS BIHAĆ M AX A ZOLLER RAINALD GREBE

NUR MIT AUSWEIS

1


IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Fridays for Future

18

Innerhalb weniger Monate ist eine Klimabewegung entstanden, in der SchülerInnen Großdemos organisieren, eine bundesweite Kommunikations-Infrastruktur unterhalten und in basisdemokratischen Ortsgruppen Forderungskataloge für die kommunale Ebene entwickeln. Von Bastian Pütter

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Dirk Planert, Bastian Pütter, Petra von Randow, Ralf, Sophie Schädel, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Toby Binder (S. 7), Bianka Boyke (S. 16), Steffen Holzmann (S. 37), Annette Hudemann (S. 23), Pacific Press / Alamy Stock Photo (S. 36), Dirk Planert (S. 32, 33, 34, 37), Hermine Poschmann (S. 8), Reuters / Jorge Vega (S. 16), Ruhrfestspiele (S. 27), Daniel Sadrowski (S. 3, 5, 6, 12, 13, 14, 15, 18, 20, 30, 41, 42), Henning Schlottmann_CC BY-SA 4.0 (S. 8), Sebastian Sellhorst (S. 2, 8, 9, 10, 11, 45, 46), Shutterstock.com (S. 22), Stadt Dortmund / Roland Gorecki (S. 28) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Mai-Ausgabe 10. 04. 2019 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

Die unsichtbare Mauer

32

Im bosnischen Bihać staut sich ein Flüchtlingsstrom an der Außengrenze der EU, zurückgehalten von Minenfeldern aus den Jugoslawienkriegen und den Schlagstöcken kroatischer Polizisten. Die Bewohner fühlen sich von der EU im Stich gelassen. Von Dirk Planert

Rainald Grebe

40

Eine leicht verspätete Geburtstags-Revue? Ein ironisches Bühnenbegräbnis? Eine künstlerische Versuchsanordnung? Der Kabarettist, Musiker und Theatermacher Rainald Grebe setzt mit „Unsere Herzkammer“ der Dortmunder SPD ein Denkmal. Ob sie will oder nicht. Von Max Florian Kühlem

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Ralf, bodo-Verkäufer in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, vielen meiner Stammkunden habe ich schon erzählt, warum man mich einige Zeit nicht an meinem Verkaufsplatz gesehen hat: Ich wurde an der Wirbelsäule operiert. In der Neurochirurgie haben sie eine Fehlstellung korrigiert. Drei Wochen war ich im Krankenhaus, danach ging es direkt in die Reha nach Bad Lippspringe. Das war lange überfällig und die letzten Jahre waren sehr schwierig gewesen. Ich konnte nicht mehr gerade stehen und musste jeden Tag Schmerzmittel nehmen. Seit der Operation ist es bedeutend besser. Ich bin immer noch sehr unbeweglich, aber die Schmerzen und viele Nebenwirkungen sind weg. Das macht auch den Verkauf um einiges leichter. Besonders an meinem Verkaufsplatz am Bahnhof muss man schon ein bisschen auffallen. Sonst wird man da keine Zeitungen los, wenn die Leute an einem vorbeiströmen. Das klappt jetzt wieder viel besser. Vielen Dank für die Genesungswünsche und Ihnen viel Spaß beim Lesen der April-bodo. Ihr bodo-Verkäufer Ralf

2


EDITORIAL

04 Menschen | Maxa Zoller 07 Straßenleben | Heart’s Fear 08 Neues von bodo 12 Reportage | Dorfkirche Stiepel 16 Das Foto 16 Recht | Eigenbedarfskündigung von Älteren 17 Kommentar | Abendlandser unterm Genderstern 17 Die Zahl 18 Reportage | Fridays for Future 22 Wilde Kräuter | Gundermann 23 Kultur | Wem gehört Wissen? 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Border 30 bodo geht aus | Marples in der alten Mühle 32 Reportage | Die unsichtbare Mauer 36 Soziales | Das Attac-Urteil 39 Bücher 40 Kultur | Rainald Grebe – „Unsere Herzkammer“ 43 Eine Frage… | Ein Bienenschwarm im Garten 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Ein Bett und eine Katze

Liebe Leserinnen und Leser, man muss die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Kennen Sie den Satz? Über viele Jahre war er das Schweizer Taschenmesser des Mandatsträgers. Der Durchgangsverkehr, die Emissionen, die Grundwasserqualität. Politik hört zu, beruhigt, löst Probleme. Das ist der Job, ein wichtiger übrigens. Seit 2015 sind „die Sorgen der Bürger“ eine rechte Chiffre. Man findet den Ausdruck praktisch nur noch als Link zwischen den Feldern Zuwanderung und Kriminalität. In den Parlamenten ist er die Begründung für die kaum überschaubaren Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre, in den Redaktionen nutzen ihn die, die sonst mit Süffisanz und Verachtung über Menschen schreiben, die sich andere Sorgen machen – zum Beispiel über die Folgen des Klimawandels. Hier liegt die soeben erschienene Studie „Das pragmatische Einwanderungsland“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, die auch nach den Ängsten der Menschen in Deutschland fragt. Zu denen gehört tatsächlich die Sorge vor Kriminalität und Terror, zu einem geringeren Anteil auch die Sorge vor einem wachsenden Einfluss des Islam. Mit Abstand die größte Angst haben die Befragten aber vor einer Zunahme von Rechtsextremismus und rassistischer Gewalt (86 Prozent), gefolgt von der vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft (81 Prozent). „Nur zur Info“, wie man so sagt, falls Sie auf jemanden treffen, der die „Sorgen der Bürger“ ernst nehmen möchte.

Ihre Meinung ist uns wichtig. Seite 44

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Wussten Sie, dass man das Straßenmagazin auch verschenken kann? Zum Beispiel als Gutscheinheft für sechs Ausgaben, einzulösen bei unseren Verkäuferinnen und Verkäufern (s.S.44). Lesen ist helfen. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

3


MENSCHEN

Vor Maxa Zollers Bürofenster vermählen sich die grauen Häuserblöcke der Dortmunder Innenstadt mit dem grauen Himmel des plötzlich zurückgekehrten Winters. Doch die neue Leiterin des Internationalen Frauenfilmfestivals (IFFF) scheint sich trotzdem wohl – und vor allem frei – zu fühlen. „In Kairo konnte ich nicht mehr leben“, sagt sie, „nach zwei Schwangerschaften in einem postrevolutionären Land in der sozialen Krise“. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

London, Kairo, Dortmund 2013 war sie nach Kairo gegangen, der Liebe wegen. Zwei Jahre nach der Revolution, die Teil dessen war, was man hier als Arabischen Frühling bezeichnet hat, war das Land nicht zur Ruhe gekommen. Maxa Zoller erlebte die Absetzung des Präsidenten Mursi, erlebte, wie die Regierung den Dollarpreis verdoppelte und damit ein mittleres nationales Trauma auslöste. „Aber wenn man gerade Mutter geworden ist, dann ist so ein Ortswechsel nicht unproblematisch.“

„Wir zeigen keine Filme, die einfach nur ‚gut‘ oder ‚schön‘ sind, die nur ‚Publikumspleaser‘ sind. Alle stehen stark für eine Aussage.“ In Kairo lehrte Maxa Zoller Kunst- und Filmtheorie an der Amerikanischen Universität. Vorher hatte sie das am Goldsmith College in London getan – der Stadt, wo sie 2008 auch ihre Doktorarbeit beendete und Experimentalfilmprogramme an der Tate Modern kuratierte. Über Filmprogramme in Galerien – auch bei der Art Basel ist sie Filmkuratorin – lief die studierte Kunsthistorikerin langsam zum Film über. „Die Arbeit für ein Filmfestival macht mir auch deshalb Spaß, weil ich gern vor vielen Leuten im Kino stehe“, sagt sie, „weil diese Kunst ein breites Publikum erreicht.“ Das Kino verbreitet immer dieses Gefühl von Überlebensgröße, von praller Welthaltigkeit, das Maxa Zoller bald gesucht hat. Aufgewachsen ist sie in einem katholischen Kaff in der Eifel, „wo es heute kein

4

Geschäft mehr gibt, und wo man damals als protestantische Zugereiste, die wir waren, bespuckt wurde.“ Mit dem Fernsehen holte sich das junge Mädchen die moderne Welt in ihr Leben. Paradoxerweise war es die „Bill Cosby Show“, also die Sitcom des Komikers, der unlängst wegen sexueller Nötigung verurteilt wurde, die ihr eine Ahnung von einem anderen, freieren Leben gab. Mit 19 Jahren ging Maxa Zoller als AuPair nach Paris, ihre kulturdurstigen Eltern befeuerten diese Entscheidung. Es folgten ein formalistisches Studium der Kunstgeschichte in Freiburg („Ich hätte nach Bochum kommen sollen!“), die Arbeit für Galerien und damit fast automatisch die Hinwendung zum Film, weil immersive Räume mit begehbaren Videoinstallationen – als multiperspektivische Kunst – um die Nullerjahre als neue Mode auf kamen. Sie fragte sich: Wo kommt das her? Und fand heraus: „Schon 1890 wurden Filme wie Installationen in Kirchen gezeigt, das Publikum konnte um die Leinwand herumwandern.“ Was die Darreichungsform angeht, wird es bei Maxa Zollers erstem Internationalen Frauenfilmfestival nicht ganz so experimentell zugehen. Aber das heterogene Filmprogramm soll immer fordernd sein: „Wir zeigen keine Filme, die einfach nur ‚gut‘ oder ‚schön‘ sind, die nur ‚Publikumspleaser‘ sind, so ganz ungebrochen“, sagt sie. Die rund hundert Beiträge decken viele Genres ab, vom Horror- bis zum postfeministischen Film, „alle stehen stark für eine Aussage.“


Maxa Zoller leitet seit diesem Jahr der Internationale Frauenfilmfestival Dortmund | KÜln ist seit 2014 Filmkuratorin der Art Basel lebte und arbeitete zuletzt in Kairo lehrte davor in London, u.a. am Goldsmiths College, an der Kingston University und am Sotheby’s Institute of Art

5


MENSCHEN

Als Überschrift für ihr Programm wählte die neue Leiterin den Begriff der „Bilderfalle“: „Das Trugbild hat eine enorme Kraft“, sagt sie. „Für einen bestimmten Moment hebt es das, was wir als Wahrheit bezeichnen aus den Angeln und lässt es in der Luft schweben. Eine Bilderfalle wird zu einem Störer nicht von den Dingen an sich, sondern von ihren Bezügen zueinander. Die Bilderfalle schafft also Raum und Zeit zwischen den Dingen, die sich jetzt auf einmal frei bewegen können.“ Schon die Eröffnung des Festivals fällt so ungewöhnlich aus: „The Man Woman Case“ ist ein Animationsfilm, in dem die Künstlerin Anais Caura in kurzen Episoden den Gerichtsfall Eugene / Eugenia Falleni aus Sydney erzählt, eine der ersten dokumentierten Transgender-Personen des 20. Jahr-

„Man hat tatsächlich das Gefühl, es bricht (in Sachen Gleichberechtigung) ein bisschen auf – und wir liegen auf der Lauer und beobachten, was wirklich geschieht.“

hunderts. In „Millis Erwachen“ erzählen acht afrodeutsche Aktivistinnen und Künstlerinnen verschiedener Generationen über ihr Leben und ihre Kunst in Deutschland. „Der Film ist ein wichtiger Forschungsbeitrag, weil im Kunstbetrieb hierzulande afrodeutsche Menschen bisher kaum eine Rolle spielen“, sagt Maxa Zoller. Als weiteren Tipp nennt die Festivalleiterin „Born in Evin“, in dem die deutsch-iranische Schauspielerin Maryam Zarees sich fragt, warum sie eigentlich hinter den Gittern eines iranischen Gefängnisses geboren wurde, und Nachforschungen in der eigenen Familie anstellt. Oder Mala Reinhardts „Der zweite Anschlag“, in dem Betroffene rechtsradikaler Gewalt in Deutschland ihre traumatischen Erlebnisse schildern und darüber wieder zu Selbstbewusstsein finden. Braucht es in einer Zeit, in der feministische Diskurse lautstark geführt werden und um Gleichberechtigung gerungen wird, eigentlich noch ein dezidiertes Frauenfilmfestival? „Man hat tatsächlich das Gefühl, es bricht ein bisschen auf “, sagt Maxa Zoller, „und wir liegen auf der Lauer und beobachten, was wirklich geschieht.“ Die Dozentin in ihr weiß jedenfalls, dass jetzt der Zeitpunkt ist, wo man Filmstudierende mit bestimmten Filmen mit anderen Geschlechterperspektiven versorgen sollte. „Das melancholische Mädchen“ von Susanne Heinrich zum Beispiel bekommen Studierende in Köln und Dortmund von ihr zu sehen, die Odyssee einer jungen Frau durch eine postmoderne Gesellschaft zwischen Prekarisierung und Self Marketing, serieller Monogamie und Neo-Spiritualität, Ernüchterung und Glückszwang.

Internationales Frauenfilmfestival IFFF Dortmund | Köln 9. bis 14. April www.frauenfilmfestival.eu

6


STRASSENLEBEN

Auf eine Schauspielkarriere, unter anderem als Ensemblemitglied am Schauspiel Dortmund, folgte eine als Synchronsprecherin von „Reich & Schön“ bis zu den Simpsons. Eine dritter Lebensabschnitt begann, als Bettina Kenter-Götte bei einer Preisrede öffentlich machte, über was SchauspielerInnen sonst nicht reden: die eigenen Erfahrungen mit Armut und dem System Hartz IV. Am Montag, dem 29. April, kommt sie nach Dortmund. Von Bastian Pütter | Foto: Toby Binder

Heart’s Fear

B

ettina Kenter beginnt am Theater, kommt Anfang der 1970er Jahre nach Dortmund und verlässt die Stadt Richtung Australien, um mit Peter Weir (Club der toten Dichter, Truman Show) zu drehen. Zurück in München arbeitet sie freiberuflich fürs Fernsehen, und steht weiter auf der Bühne. Als ihre Tochter zur Welt kommt, die sie allein großzieht, entscheidet sie sich gegen den damit unvereinbaren Schauspielberuf und baut sich eine Karriere als Synchronsprecherin auf. Mit der Pleite des Kirch-Konzerns muss sie vorübergehend aufstocken und erlebt den gleichzeitigen Übergang zu Hartz IV hautnah – begleitet von einer Diffamierungskampagne gegen die vermeintlich Faulen, wie sie sich erinnert. Eine zweite, krankheitsbedingte Episode trifft sie noch härter: „Wie bei den meisten Schau-

spielern ohne Arbeitslosengeld, ohne Krankengeld. Nach zwei Jahren waren die Rücklagen weg. Und ich erlebte das neue System in voller Blüte.“ In ihrem Buch „Heart’s Fear“, Herzensangst, beschreibt sie, wie sie als Autorin Preise erhält, sich aber bei Lesungen Geld für die Rückfahrt leihen muss, wie es ihren Gästen den Appetit verschlägt, als sie erfahren, dass die Zutaten des viel gelobten Essens von der Tafel stammen, und wie Widersprüche und Klagen gegen falsche Bescheide und zu niedrige Auszahlungen alle Kräfte binden, auch wenn man schließlich Recht bekommt.

und ich habe an ihren Blicken gesehen, dass sie mir nicht glauben.“ Am 29. April liest und diskutiert sie an alter Wirkungsstätte, im Institut des Schauspiels Dortmund. Eine Veranstaltung in Kooperation mit Attac, Die Linke Dortmund, Arbeitslosenzentrum und bodo. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Bettina Kenter-Götte „Heart’s Fear“ Lesung am 29. April um 19.30 Uhr Schauspiel Dortmund Eintritt frei

Das Schlimmste jedoch sei gewesen, in einer Parallelwelt leben zu müssen, zu der ihr Umfeld keinen Zugang mehr hatte: „Meine Freunde haben mich angeguckt,

7


NEUES VON BODO

Seenotrettung

TERMINE

Beim Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, sterben jährlich Tausende. Weil Hilfe von den EU-Staaten weitgehend ausbleibt, übernehmen zivile Organisationen die Seenotrettung, viele werden dafür kriminalisiert. Unser dem Titel „Helden oder Kriminelle? Wenn die Rettung von Menschen im Mittelmeer politisch wird“ diskutieren am 9. April Claus-Peter Reisch, Kapitän der Mission Lifeline, Diane Glossop von SeaEye und Till Klein von Sea-Watch über Seenotrettung an den Rändern eines abgeschotteten Europas. Eine Veranstaltung von Planerladen, DietrichKeuning-Haus und dem Multikulturellen Forum in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, bodo, Train of Hope, Seebrücke Dortmund und Flüchtlingspaten Dortmund.

Soziale Stadtführungen Dortmund, 13. April, 11 Uhr Bochum, 18. Mai, 11 Uhr Anmeldung unter Tel. 0231 – 950 978 0 Tag der Solidarität Gedenken an die Opfer des NSU-Terrors Demonstration 4. April, 18.30 Uhr Mallinckrodtstraße 190 Dortmund Helden oder Kriminelle? Podiumsdiskussion 9. April, 19 Uhr Dietrich-Keuning-Haus Dortmund Heart’s Fear Bettina Kenter-Götte liest 29. April, 19.30 Uhr Schauspielhaus Dortmund 8

Tag der Solidarität

Auf Augenhöhe

Am 4. April, dem Todestag von Mehmet Kubaşık, gedenkt das Bündnis „Tag der Solidarität“ in Dortmund den Menschen, die von 2000 bis 2007 von der Neonazizelle „NSU“ ermordet oder bei Bombenattentaten verletzt wurden. Mehmet Kubaşık war 2008 das achte Mordopfer. Die zentrale Gedenkdemonstration startet um 18.30 Uhr am ehemaligen Kiosk der Familie Kubaşık in der Mallinckrodtstraße 190. Um 19.30 Uhr ist Tanjev Schulz, der den Prozess für die Süddeutsche Zeitung beobachtete, zu Gast in der Auslandsgesellschaft und diskutiert über den „Terror von Rechts und das Versagen des Staates“. Weitere Veranstaltungen und Infos unter tagdersolidaritaet.wordpress.com.

Wenn Sie am Freitag, dem 26. April, in der Dortmunder Innenstadt sind, haben Sie vielleicht auf dem Ostwall, Höhe Kleppingstraße Zeit zu einem kleinen „Hausbesuch“. Die bulgarische Künstlerin Yoana Todorova, die an der FH Dortmund Design studiert, wird mitten im Stadtraum ein Wohnzimmer aufbauen – nur die Wände fehlen. Hier laden Sie den ganzen Tag über wohnungslose Verkäufer des Straßenmagazins zu kurzen Kaffee-Plaudereien ein. Auf dem Sofa, „auf Augenhöhe“ – so der Name des Projekts. Ein Film und Grafiken werden entstehen. Im Mai schließt sich an die Installation eine Ausstellung in der Nordstadtgalerie der FH in der Bornstraße an. Mehr im nächsten Heft.


Anzeigen

Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an: n n n n n n n

1. Mai im Park

Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Am Tag der Arbeit packen wir wieder unseren Transporter mit Bücherkisten voll und bauen unseren Stand beim DGB-Familienfest im Dortmunder Westfalenpark auf. Von 11 bis 18 Uhr können Sie an unserem Stand nach Büchern stöbern oder uns Löcher zu unserer Arbeit in den Bauch fragen. Wir freuen uns auf Sie!

bodo bod o DA S ST RA SS EN MA

GA ZIN

DVD

Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

Brüchige Biografien

BODO DER FILM

Die Dokumentation „Brüchige Biografien“ porträtiert die bodo-VerkäuferInnen Moni, Lacramiora, Gökkan,Sonderausgabe Chris und Markus. DVD Es sind Menschen, dieinklusive in Krisen Unterstütim Heft zung gesucht und bei bodo gefunden haben – und Menschen, die sich trotz Niederlagen und schwieriger Lebensbedingungen entschieden haben, nicht aufzugeben. Die Dokumentation ist aber nicht nur Porträt, sondern auch Mittel, sich den Problemlagen von Menschen in Wohnungslosigkeit zu widmen. Darum zeigen wir sie regelmäßig auch bei (angehenden) KollegInnen aus unseren Arbeitsfeldern – zum Beispiel am 11. April um 18 Uhr beim Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) in der FH Dortmund.

bodo DAS STRAS

bodo DAS STR

ASS ENM

AGA ZIN

SENM AGAZI

N

bodo

03 | 19 Die besten n Geschichte auf der Straße

Die Hälfte für den Verkäufer

Fridays for Future Seite 18

HARTZ IV VOR GERICHT EIN ZUHAUSE TEILEN

2,50 Euro

OSTERN IN STIEPEL

MAXA ZOLLER

MENSCHEN IM BERGBAU

Entkoppelt: Straßen-

UNGSjugendliche GENES ITER BEGLE Seite 12 ZGPLAT BORSI SMUS TOURI

Die Hälfte für den Verkäufer Das AttacUrteil Seite 36

FLUCHT BIS BIHAĆ

KRIMI AUF CH WESTFÄLIS

e Die Hälft für den fer Verkäu

Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro

01 | 19 Die besten ichten Gesch Straße auf der

04 | 19

DAS STRASSENMAGAZIN

2,50 Euro

bodo SCH AFF T CHA NCE

N

RAINALD GREBE Wolf Biermann Seite 36

ICHTE URGESCH ZUKU NFT – MÖLDERS

NTERT JOBCE DIENS BRING

NEUE HLAFNOTSC N STELLE

Dota Kehr: Alles selbst gemacht Seite 4

Der Fall KiK Seite 12

S C L AU N AN PE Y M

UT R-M AMM IN THE ATE ENS CHE LIG MIT HEI

ARCH ÄOLOG

NUR MIT AUSWEIS

IN DORE EN

NUR MIT AUSWEIS 1

1

NUR MIT

AUSWEIS

1

WERBEN IM STRASSENMAGAZIN

Susanne Schröder: anzeigen@bodoev.de oder Tel. 0231 – 950 978 0

9


NEUES VON BODO

grafit bei bodo Unsere Kolleginnen vom grafit-Verlag haben Dortmund verlassen. Im vergangenen Jahr einigte sich Chefin Ulrike Rodi mit dem Kölner Emons-Verlag auf eine Übernahme, mittlerweile ist grafit nach Köln umgezogen. Der Dortmunder Taschenbuchverlag war vor allem für seine Regionalkrimis bekannt: Autorinnen von Jaques Berndorf über Gabriela Wollenhaupt bis Jürgen Kehrer haben ihre Protagonistinnen in der Eifel, am Niederrhein, in Münster und im Ruhrgebiet Verbrecher jagen lassen. Mehrere Geschichten wurden verfilmt. So traurig wir über den Umzug von grafit sind, so sehr danken wir Ulrike Rodi dafür, dass sie uns die übrigen Bestände als Spende überlassen hat. Darum finden Sie bei uns nun viele neuwertige grafit-Krimis, auch seltene und vergriffene Titel. Im Buchladen am Dortmunder Schwanenwall 36 – 38 können sie selbst in die Regale schauen, unseren Onlineshop finden Sie auf www.bodoev.de unter „Bücher schaffen Stellen“.

SOZIALES Teure Rückforderungen: Jobcenter haben im vergangenen Jahr 18 Millionen Euro an Kleinbeträgen unter 50 Euro aus Überzahlungen eingetrieben. Die Verwaltungskosten dafür lagen bei 60 Millionen Euro. Ende 2014 hatten die Ministerien für Finanzen und für Arbeit, damals unter Wolfgang Schäuble (CDU) und Andrea Nahles (SPD) festgelegt, dass die Bundesagentur auch bei Forderungen von weniger als sieben Euro tätig werden muss. Ein Dortmunder Netzwerk gegen Antisemitismus haben 20 Organisationen und Verbände unter Moderation der Auslandsgesellschaft ins Leben gerufen. Antisemitismus müsse „in all seinen Ausprägungen bekämpft und damit auch zum Gegenstand der Präventionsarbeit“ werden. Bereits im November hatte der Rat mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die den jüdischen BürgerInnen der Stadt „uneingeschränkte Solidarität“ ausspricht. In Deutschland fehlen 100.000 Vollzeitstellen in der Pflege. Eine Studie der Hochschule Hannover zeigt: Der Mangel wurde durch „Regelungen der Krankenhausfinanzierung hervorgerufen, die Krankenhäuser zu Kostensenkungen zwangen und dadurch einen starken Anreiz zum Stellenabbau insbesondere im Pflegedienst setzten“. Die Studie schlägt vor, die sogenannte Pflege-Personalrechnung aus den 1990er-Jahren zu reaktivieren. Landesregierung lenkt beim MieterInnenschutz ein. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat auf die massiven Proteste unter anderem des Bündnisses „Wir wollen wohnen“, dem auch bodo angehört, reagiert. Vier Mieterschutzregelungen, die demnächst auslaufen sollten, werden nun zunächst auf ihre Wirksamkeit überprüft, so die Ministerin. Ein Gutachten dazu soll im Laufe des kommenden Jahres vorliegen. 10

bodo packt an Unser Projekt Transport bietet Haushaltsauflösungen, Entrümpelungen und Transporte an – und ist zugleich eine Beschäftigungsinitiative für Langzeitarbeitslose und ehemalige bodo-Verkäufer, wieder ins Berufsleben zu starten. Zwar ist unser neuer Transporter nun im Einsatz und wir können wieder mit zwei Teams arbeiten, die Liste der Aufträge ist aber so lang, dass wir Aufträge meist nur mit einigen Wochen Vorlauf annehmen können. Wir bitten Sie, möglichst frühzeitig einen Termin für einen Kostenvoranschlag zu vereinbaren: 0231 – 950 978 0. Unsere Projektleiterin Brunhilde PoseggaDörscheln erstellt gerne ein unverbindliches Angebot.


Anzeigen

www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de 0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de

Ein halbes Jahr bodo!

Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Das faire Abo für 15 Euro: Ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße.

bodo N SCH AFF T CHA NCE

Diskussion

Der Winter und der nasse März haben reichlich Platz in unseren Kleiderkammern geschaffen, weshalb wir uns über Nachschub freuen. Herren- und Damenoberbekleidung in normalen und großen Größen und wetterfeste Schuhe sind im Moment besonders nachgefragt. Ihre Kleiderspenden können Sie – bitte nur während der Öffnungszeiten – bei uns abgeben: in Dortmund im Buchladen am Schwanenwall 36 – 38 (Mo – Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 14 Uhr), in Bochum in der Stühmeyerstraße 33 (Mo – Do 10 bis 13 Uhr, Fr 14 bis 17 Uhr). Leider sorgen außerhalb der Öffnungszeiten vor der Tür abgestellte Sachspenden für Ärger in der Nachbarschaft. Wir bitten Sie, darauf zu verzichten. Vielen Dank!

Bezahlbarer Wohnraum bleibt Mangelware. Und erst nach Protest hat sich die schwarzgelbe Landesregierung entschlossen, wichtige Mieterschutzverordnungen, die sie eigentlich abschaffen wollte, wenigstens vorher auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Währenddessen wird bundesweit über Enteignung von Wohnraum, über Bodensteuer und gemeinnützige Wohnungsunternehmen gesprochen. Am 8. Mai lädt das Netzwerk „arm in Arm“, zu dem auch bodo gehört, zur öffentlichen Podiumsdiskussion „Wir wollen wohnen“ mit Fachleuten aus der NRW-Landespolitik. Beginn ist um Uhrzeit kommt noch im Tagungshaus Wichern, Stollenstraße 36, in Dortmund.

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Kleiderspenden

Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

11


REPORTAGE

„Was sollen die Leute daraus lernen?“ Die Dorfkirche in Bochum-Stiepel

Rechts: Die Malerei in einer Nische der Nordwand stammt aus dem 12. Jahrhundert und gilt als besondere Darstellung von Karfreitag und Ostern. In jenen Tagen war die Geschichte einer Löwenmutter populär, die ihr totes Junges durch bloßes Anhauchen wieder zum Leben erweckt.

12


Um ihre Gründung ranken sich Mythen. Unumstritten ist, dass die alte Dorfkirche in Stiepel auf eine mehr als tausendjährige Geschichte zurückblicken kann. Ihrer bildreichen und meist original erhaltenen mittelalterlichen Ausmalung wegen gilt sie als einzigartiges Kulturdenkmal in Westfalen. Ob christlichen Glaubens oder nicht, diesen sehr besonderen Ort besuchen jährlich mehr als 12.000 Menschen. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

tiepel, um 880 erstmals urkundlich erwähnt, ist der südlichste Bochumer Vorort und zudem die wohl teuerste Wohnlage der Stadt. Zwar wurde hier schon in vorindustrieller Zeit Bergbau betrieben, der dörfliche Charakter blieb dem Gemeinwesen jedoch erhalten. Ein Bauboom setzte mit der Gründung der Ruhr-Universität in unmittelbarer Nachbarschaft ein. Trotz allem, Bochum präsentiert sich bis heute nirgends grüner als in Stiepel. Noch immer erlaubt das zur Ruhr hin steil abfallende Gelände von unten den Blick auf die Dorfkirche in exponierter Lage. Es gibt keinen großen Unterschied zur Sicht anno 1804, als der Schweizer Landschaftsmaler Johann Ludwig Bleuler das Tal mit Burg Blankenstein rechts und dem evangelischen Gotteshaus links in einer kolorierten Radierung verewigte. Nur konnten damals weder Bleuler noch seine Zeitgenossen ahnen, welch ungeheuren Schatz diese Kirche barg. Das offenbarte sich erst 1952 – ansatzweise zunächst. Bis zum gegenwärtigen Status sollte es noch eine Weile dauern.

„Die Wände waren quasi die Armenbibel.“ Seit 1989 ist Jürgen Stasing Pfarrer in Stiepel. Vertraut mit der Geschichte des Ortes weiß er um die Faszination, die von seiner Kirche ausgeht. Tatsächlich war sie ein entscheidender Grund für ihn, die Stelle in Bochum anzutreten. „Lange sah das hier ganz anders aus“, sagt er uns. „Im Jahr 1698, vergleichsweise spät nach der Reformation, hat man die Wände weiß übertüncht. 1952 haben dann Leute vom Westfälischen Denkmalamt in Münster den Verdacht geäußert, es könne in der Vergangenheit zu Übermalungen gekommen sein. Von ähnlich alten westfälischen Kirchen wusste man das bereits. Man hat Proben genommen und ist fündig geworden.“

Eine Theorie besagt, es habe am Bauort der heutigen Stiepeler Dorfkirche bereits eine germanische Kultstätte gegeben, bevor, vermutlich 1008, das erste Gotteshaus errichtet wurde.

Die anschließenden Restaurierungsarbeiten fanden in drei Zeitabschnitten statt. Zunächst wurden einige Fresken freigelegt, dabei zum Teil aber wieder übermalt.

13


REPORTAGE

Zwischen 1963 und 1965 betrieb man die Freilegung und Restaurierung der übrigen erhaltenen Werke. Nach einer unerlässlichen klimatechnischen Sanierung des Gebäudes wurden 2002, in einer dritten Phase, sämtliche Malereien gereinigt, von Schimmel befreit und, wo nötig, behutsam ausgebessert. Jürgen Stasing führt uns durch die Kirche. Allein die Vielzahl der Bilder und Motive ist beeindruckend. Ein Großteil stammt aus dem romanischen Zeitalter, entstanden bereits im 12. Jahrhundert. Der Pfarrer zeigt uns Fresken, die den Kindsmord zu Bethlehem oder die Flucht nach Ägypten darstellen, Narrationen aus dem Alten Testament. „Die Bilder dienten nicht nur der Verschönerung der Kirche“, erklärt er uns. „Es konnte ja niemand lesen und schreiben. Die Wände waren quasi die Armenbibel. Also hat man sehr genau überlegt: ,Welche Geschichten aus den vielen möglichen will ich erzählen?‘ Und vor allem: ,Was sollen die Leute daraus lernen?‘“

Oben: Das Fresko aus dem 12. Jahrhundert wurde ursprünglich als Abendmahl interpretiert. Heute geht man von einer Szene aus dem Lukas-Evangelium aus, in der Jesus im Hause des Pharisäers Simon einer Prostituierten vergibt. Mutig für die damalige Zeit war, diese Darstellung in unmittelbarer Nähe des Altars zu platzieren (rechts).

14

„Eine unvergleichliche Darstellung von Ostern“ Im Chorbereich, an der linken Wand in unmittelbarer Nähe zum Altar, macht uns der Pfarrer auf eine Darstellung von sechs Personen aufmerksam, die offensichtlich an einem Tisch sitzen. Automatisch denkt man bei der Gruppierung an Jesus und seine Jünger beim Abendmahl. So wurde das Bild auch 1952 bei seiner Entdeckung gedeutet und um die fehlenden Jünger ergänzt. Im Zuge der zweiten Renovierungsphase wurde das Bild jedoch anders interpretiert. In der Folge wurden alle nachträglich eingefügten Jünger wieder entfernt. „Heute geht man davon aus, dass es sich um eine Szene aus dem Lukas-Evangelium handelt. Ich bin froh, dass wir dieses Gemälde haben, denn es berichtet von einer knallharten Begebenheit. Wir sehen Jesus im Hause des Pharisäers Simon. Jesus soll auf die Probe gestellt werden. Ihm nähert sich eine


Prostituierte, wäscht mit ihren Tränen seine Füße, weint bitterlich und bittet um Vergebung für ihr bisheriges Leben. Ich finde es großartig, dass man es zu einer so frühen Zeit gewagt hat, diesen Fall sogar in die Nähe des Altars zu bringen. Jesus klärt das natürlich auf, indem er ein Beispiel macht. Er sagt: ‚Du hast zwei Schuldner, dem einen hast du fünfzig, dem anderen hundert Silberlinge geliehen. Beiden erlässt du die Schuld. Wer ist wohl dankbarer?‘ Klar, Simon muss den mit den hundert Silberlingen nennen. Und Jesus sagt: ‚Genau so ist es mit dieser Frau. Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben.‘ Punkt. Das ist eine der Geschichten, die Jesus dem Kreuz näher gebracht haben. Der Generalvorwurf seiner Gegner war ja, dass er sich mit Sündern und Ausgestoßenen abgibt. Das war nicht im Sinne der herrschenden Religion und passt auch heute nicht ins Bild. Ich glaube, dass viele Menschen in diesem Land psychische Probleme haben, weil ihnen niemand mehr etwas vergibt. Sie kriegen immer wieder was draufgesattelt, immer wieder neu. Irgendwann addiert sich das zu einer unüberwindlichen Summe an Dingen, die am Ende krank macht.“ Über jedes Bild in der Dorfkirche könnte Herr Stasing eine längere Predigt halten. Zum Beispiel über die ebenso elegante wie stilisierte Darstellung einer Löwin nebst ihrem Jungen. Die Malerei in einer Nische der Nordwand stammt aus dem 12. Jahrhundert. Nachweislich war in jenen Tagen die Geschichte einer Löwenmutter populär, die ein Junges tot zur Welt gebracht hatte. Aber nach drei Tagen soll sie es durch bloßes Anhauchen wieder zu Leben erweckt haben. „Wenn das stimmt, wenn das der Hintergrund dieser Malerei ist, dann heißt das, wir haben es mit einer unvergleichlichen Darstellung von Karfreitag und Ostern zu tun.“

Seit 1989 ist Jürgen Stasing Pfarrer in Stiepel. Vertraut mit der Geschichte des Ortes weiß er um die Faszination, die von seiner Kirche ausgeht. Ein entscheidender Grund für ihn, die Stelle in Bochum anzutreten.

Dorfkirche Stiepel Brockhauser Straße 74a 44797 Bochum-Stiepel Öffnungszeiten täglich außer montags Winterzeit: 14 bis 16 Uhr Sommerzeit: 14 bis 18 Uhr www.dorfkirche-bochum-stiepel.de

„Manchmal ist es gut, wenn Geld fehlt“ Es sollte noch erwähnt werden, dass bei der eingangs genannten Besucherzahl all jene Menschen nicht eingerechnet sind, die in der Kirche „nur“ einem Gottesdienst oder Konzert beigewohnt haben, und auch, dass die Einträge im Gästebuch in sehr vielen Sprachen verfasst sind. Mitunter stößt man sogar auf asiatische Schriftzeichen. Einige Verfasser, das wäre erkennbar, hätten mit Religion wohl nicht viel am Hut, wären aber offenbar auf der Suche nach einem „heiligen Ort“ oder Spiritualität. Die ersehnte Atmosphäre würden sie hier finden, weiß Jürgen Stasing. Es sei tatsächlich ein besonderer Ort und ein solcher schon immer gewesen. „Es gab in Stiepel einen Heimatforscher, mittlerweile ist er verstorben. Er hat die Theorie aufgestellt, es hätte an diesem Platz bereits eine germanische Kultstätte gegeben, bevor, man sagt 1008, die erste Kirche errichtet worden wäre. So könnte es gewesen sein. Überlegen Sie: Wenn man heute eine Kirche baut, fragt man pragmatisch, wo man ein Grundstück bekommt. Früher war das anders. Da hat man eine Kirche nur dort errichtet, wo man mit allem zur Verfügung stehenden Wissen, dazu gehörte

selbstverständlich auch magisches oder mystisches Wissen, absolut sicher sein konnte, den optimalen Ort gefunden zu haben. So wie hier. Das würden Ihnen im Übrigen sofort auch Radiästhetiker bescheinigen, die hier ihre Untersuchungen angestellt haben.“ Einer Reihe von Zu- oder Glücksfällen ist es zu verdanken, dass die eindrucksvollen Fresken heute (noch bzw. wieder) zu sehen sind. Beispielsweise existiert das Protokoll einer Presbyteriumssitzung aus den 1930er Jahren, wonach bei erhofft besserer Finanzlage geplant war, im Inneren der Kirche sämtlichen Putz abzuschlagen, um das Bruchsteinmauerwerk des Gebäudes sichtbar zu machen. „Manchmal ist es gut, wenn Geld fehlt“, kommentiert der Pfarrer diese Episode – und ergänzt sie um seine sehr persönliche Sichtweise auf die Dinge: „Ich habe das Gefühl, diese kleine Kirche sorgt für sich. So wie 2004: Unsere neue Orgel hätten wir uns eigentlich nicht leisten können. Wir haben sie dennoch in Auftrag gegeben. Auf wundersame Weise fiel uns die benötigte Summe dann zu.“

15


DAS FOTO

Der Klimawandel bedroht die mitten im Pazifik liegende Osterinsel. Im 11. Jahrhundert schuf das aus Polynesien stammende Volk der Rapa Nui mehr als 1.000 der Moai genannten Steinstatuen. Der steigende Meeresspiegel führt zu Küstenerosion und schwemmt Strände fort. Haupteinnahmequelle der Insel ist der Tourismus, die drei wichtigsten Attraktionen der Insel seien bedroht, so die New York Times. Foto: Reuters / Jorge Vega

RECHT

Kann Älteren wegen Eigenbedarfs gekündigt werden? Von René Boyke Wer in einer Mietwohnung lebt, kann leicht kündigen. Vermieter haben es da schon schwerer, sie müssen ein berechtigtes Interesse für eine Kündigung geltend machen, etwa eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters; nicht selten muss ihr eine Abmahnung vorausgehen. Als berechtigtes Interesse gilt grundsätzlich jedoch auch Eigenbedarf. Damit ist das Ende des Mietverhältnisses aber

16

nicht besiegelt. Vielmehr kann der Mieter widersprechen und unter bestimmten Voraussetzungen die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen – etwa dann, wenn die Kündigung eine nicht zu rechtfertigende Härte darstellen würde. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Stehen sich Kündigung und Widerspruch gegenüber, dann läuft es häufig auf eine Abwägung zwischen den Interessen des Ver-

mieters und des Mieters hinaus. Es geht um den konkreten Einzelfall, pauschale Aussagen lassen sich daher schwer treffen. Umso bemerkenswerter ist ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin (Urteil v. 12.3.2019, 67 S 345/18). Es hatte in einem Berufungsverfahren über die Räumung einer Wohnung zu entscheiden, deren Mieter zum Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2015 bereits 84 und 87 Jahre alt waren.


KOMMENTAR

Abendlandser unterm Genderstern Von Bastian Pütter Vielleicht kennen Sie das: Sie beherrschen etwas ausreichend gut, dass es Ihnen gedämpfte, aber wiederkehrende Freude bereitet. Ich sag mal: gehen. Und dann treffen Sie jemanden, der Sie zur Begrüßung anbrüllt, dass Sie das ganz falsch machen. Das Gehen. Dass alle es falsch machen. Vor allem Frauen. Und Südländer.

Die Frau und das Fremde in der Sprache

So einer ist Walter Krämer, Vorsitzender des Dortmunder Vereins Deutsche Sprache (VDS). Der Verein sieht seine Aufgabe darin, Menschen zu belästigen, die das Deutsche falsch bedienen. Die vereinseigene Postille dokumentiert dann die Erfolge und lobt den Kieler Bratwurstpoint am Hauptbahnhof, der sich verängstigt in Wurstbraterei Ringlstetter umbenannt hat. Abendland bleibt Handarbeit. Aber Krämer will mehr. Mit einer grimmigen Hundertschaft von erstunterzeichnenden Ehrendoktoren, Kriegsjahrgängen, der sauertöpfischen Randlage des Literaturbetriebs und Spaßmachern wie Hans-Georg Maaßen, Dieter Nuhr, Peter Hahne, Dieter Hallervorden griff er pünktlich zum Frauenkampftag zum Mittel der Unterschriftenliste „Gegen den Gender-Unfug“. Die „sogenannte gendergerechte Sprache“ sei ein Missverständnis, sehe lächerlich aus und sei nicht durchzuhalten. Äh, 1) nein, 2) naja, 3) na und, könnte frau antworten. Doch das eigentliche Problem liegt ja tiefer. Das Volk ist kaputt, die Frau spurt nicht mehr. Johann Gottfried Herder, Stammvater der Sprachforscher, hatte noch versprochen, dass alles sich gültig im Bilde des Baumes beschreiben ließe: Familie, Sprache, Nation. Nun hat es sich offenbar ganz schön ausgewurzelt. Überall Patchwork, Tinder-Swipes, Passdeutsche. Die Sortenreinheit von Stamm und Sprache, der gottgewollte Führungsanspruch des Mannes in der Sippe – alles geht vor die Hunde. Kränkungen, die der deutsche Konservatismus nicht verwindet. Und Machtverlust macht hysterisch. Krämers Aufruf beantwortet den weiblichen (und den nicht-binären) Anspruch auf Repräsentation in der Sprache mit nichts weniger als einem „Aufruf zum Widerstand“. Gut, eigentlich ist das der Pegida-Schlachtruf und die Parole von Rechtsterroristen. Aber seit Premium-Journalist Matthias Matussek bei einer „Merkel muss weg“-Demo „Widerstand!“ brüllend auf Bierkisten stieg, gibt es eben diese Blaupause bürgerlicher Selbstradikalisierung. Erstmal geht es jedoch geordnet-demokratisch weiter: Die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat Krämers Aufruf in einen Antrag gegossen. „Das Abendland ist schon so oft untergegangen“, singt Rainald Grebe dazu, „warum geht es immer wieder auf?“

Das Gericht wies die Räumungsklage ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Mieter einen Anspruch auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB hätten, da die Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund des hohen Alters der Mieter eine ungerechtfertigte Härte darstellen würde. Das Gericht erklärte, dass bei einer nicht auf einer Pflichtverletzung des Mieters beruhenden Kündigung

DIE ZAHL

1,2 Millionen Wohnungen könnten nach einer Studie der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts entstehen, ohne dass dafür neues Bauland nötig wäre. Mit aufgestockten Etagen auf Supermärkten oder Parkhäusern und der Umnutzung leerstehender Bürobauten sei der gesamte Mehrbedarf an Wohnraum zu decken.

das als Härtegrund vorgebrachte hohe Alter des Mieters in der Regel eine Fortsetzung des Mietverhältnisses gebiete, auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters. Das Gericht schloss damit eine Interessenabwägung zwar nicht völlig aus, stellte aber sehr hohe Hürden für eine erfolgreiche Eigenbedarfskündigung gegen Mieter hohen Alters auf.

17


REPORTAGE

„Es war nötig, einen Anfang zu machen“ Demonstrationen in 2.038 Städten in 125 Ländern zählte die Bewegung „Fridays for Future“ am 15. März, dem Tag des ersten weltweiten Schülerstreiks fürs Klima. In Bochum und Dortmund gingen bei Regen jeweils mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Wer sind die Jugendlichen, die Großdemos organisieren, eine bundesweite Kommunikations-Infrastruktur unterhalten und in basisdemokratischen Ortsgruppen Forderungskataloge für die kommunale Ebene entwickeln? Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski

18


Fridays for Future Lena ist 16 und geht auf ein Dortmunder Innenstadtgymnasium. Ihre Entwicklung zur Klimaaktivistin beginnt im Januar mit weitergeleiteten Nachrichten einer Freundin ihrer Schwester. Sie liest über Greta Thunberg und beginnt dann selbst, Plakate für den ersten Dortmunder Klimastreik zu drucken und in ihrer Schule aufzuhängen. Zur ersten Demonstration geht sie mit einigen Freunden. „Die war für 30 angemeldet, es kamen 180.“ Auch die 17-jährige Carla macht ihr Abitur an einem Dortmunder Gymnasium, sie lernt die Bewegung über Instagram kennen. Und auch sie ist bereits bei der ersten De-

monstration dabei. „Am Anfang wusste praktisch niemand davon. Dann wurden es langsam immer mehr, und ich war selbst überrascht, wer aus meiner Schule mitkam.“ Im vergangenen Sommer hat die schwedische Schülerin Greta Thunberg ihren wöchentlichen „Schulstreik für das Klima“ vor dem schwedischen Reichstag begonnen, mittlerweile gehen Hunderttausende auf die Straße. Wie wichtig ist das Medienphänomen Greta? „Ich glaube, sie steht als Symbol für den Anfang der Bewegung“, sagt Carla. „Das Thema beschäftigt so viele

von uns, aber es war nötig, einen Anfang zu machen.“ Und der ist unmittelbar verbunden mit der Aktionsform des Klimastreiks. Demonstrationen während der Schulzeit haben der Bewegung Aufmerksamkeit gebracht. „Und deshalb hat es auch funktioniert“, sagt Carla. „Greta Thunberg hat sich nicht am Sonntag draußen hingesetzt, sondern sie hat gestreikt.“

„Weil ihr uns die Zukunft klaut“ „Natürlich kriegen wir mit, dass PolitikerInnen das Thema auf ,Schwänzen‘ und Fehlzeiten verschieben wollen. Aber die Leute durchschauen das. Wir müssen mit der Aufmerksamkeit produktiv umgehen“, sagt Luca, der sich mit politischer Arbeit bereits auskennt. Der 20-Jährige war im Vorstand der BezirksschülerInnenvertretung, inzwischen hat er ein Lehramtsstudium an der Ruhr-Universität begonnen. „Wir können gerne über Unterrichtsunfall reden“, sagt er. Dann müsse es aber um Fehler in der Schulpolitik und die Unterfinanzierung des Bildungsbereichs gehen. Auch wenn Studierende wie Luca mit ihrer Erfahrung helfen, bleiben die Gruppen dominiert von SchülerInnen. Und für die hat das Schulministerium die Daumenschrauben angezogen. „Seitdem ist es eher so, dass Lehrer, die uns unterstützen, trotzdem sagen: Streikt bitte nicht“, sagt Marlena aus Bochum. „Man spürt schon die Konsequenzen. Für jede unentschuldigte Fehlstunde gibt es an unserer Schule eine Sechs, kommen mehr als zehn zusammen, droht eine Attestpflicht.“ Die OrganisatorInnen wissen, dass viele Faktoren erfüllt sein müssen, um aus politischen Gründen der Schule fernzubleiben. „Vor dem 15. März waren es meist die höheren Klassen von Gymnasien und Gesamtschulen“, sagt

19


REPORTAGE

Lena. „Wir wissen, dass wir noch nicht alle erreichen.“ Und sie schmunzelt: „Wenigstens haben wir seit der ersten Demo eine Kindergartengruppe dabei, das senkt das Durchschnittsalter.“ Was Schülerinnen auf der ganzen Welt mit ihren Demonstrationen gelingt, ist, den abstrakten wissenschaftlichen Befunden ein Narrativ, eine Erzählung zu geben. Die Prognosen etwa des Weltklimarats sind drastisch, plausibel – und abstrakt. Erst der hunderttausendfache Protest von14- bis 18-Jährigen schafft hingegen Bilder für die Tatsache, dass die Politikergeneration, die die deutschen Klimaziele für 2020 ersatzlos gestrichen hat, das auf dem Rücken der folgenden Generationen tut. EntscheiderInnen jenseits der 50 sehen den Folgen des Klimawandels einfach gelassener entgegen als SchülerInnen. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“, lautet ein verbreiteter Demoslogan.

„Eine Sache für Profis“ Während Medien junge Menschen mit kreativen Plakaten zeigen, sind in den überall aus dem Boden sprießenden Ortsgruppen praktisch unsichtbar belastbare Strukturen für politische Arbeit entstanden. Inzwischen wisse man, zählt Marlena aus

Bilder von der Bochumer Großdemonstration zum globalen Klimastreik am 15. März. „2.700 Leute waren es bei der Demo“, sagt Marlena (17), die in Bochum die „Fridays for Future“ mitorganisiert. „Wir hatten mit 500 gerechnet. Das gibt erstmal wieder unglaublich viel Kraft.“

20

Bochum auf, „wie man ein Plenum organisiert, wie der Kontakt zur NRW- und zur Bundesebene über Delegierte aufrechterhalten wird, wie die Social-Media-Kanäle betreut werden, wie man Presseanfragen bearbeitet usw.“ Und seit dem 15. März auch, wie man eine Großdemonstration anmeldet und durchführt. Gleichzeitig geht es um Inhalte. Die Forderungen zum Klimaschutz, die die Bundesebene erarbeitet, werden in den Ortsgruppen diskutiert, „gleichzeitig erarbeiten wir Forderungen für die jeweilige Kommune“, sagt Luca. „Hier wird zum Teil sehr kontrovers diskutiert, etwa über den Umgang mit von den Städten gehaltenen RWE-Aktien.“

Dafür braucht es Fachwissen. „Medien haben ja auch Recht, wenn sie feststellen, dass wir nicht immer zu hundert Prozent inhaltlich fit sind“, sagt Lena. „Klimawandel ist ein irre komplexes Thema. Ich kämpfe mich gerade durch den Sonderbericht des Weltklimarates und durch das Pariser Übereinkommen.“ Carla ergänzt: „Es geht dann auch immer darum: Wie bekommt man dieses Wissen an die SchülerInnen, die bei den Demos mitlaufen, sich aber noch nicht so gut auskennen?“ Nachdem Christian Lindner (FDP) mit abschätzigem Blick auf die Proteste mitgeteilt hatte, Klimaschutz sei eine „Sache für Profis“, veröffentlichten WissenschaftlerIn-


Anzeigen

nen unter dem Titel „Scientists for Future“ eine Erklärung, in der sie die Forderung der SchülerInnen nach schnellem und konsequentem Handeln „nachdrücklich unterstreichen“. 23.000 WissenschaftlerInnen haben sich der Erklärung inzwischen angeschlossen. „Die Scientists helfen uns definitiv“, sagt Lena. „Kindern und Jugendlichen kann man leicht die Ernsthaftigkeit absprechen, und das passiert ja auch. Selbst wenn sie Recht haben.“

„Wir lassen uns nicht abfrühstücken“ Dabei zwingt die fast unüberschaubare Größe der Aufgabe die Protestierenden in einen Spagat. Einerseits geht es schlicht ums Ganze: „Wir müssen fast alles ändern in unseren Gesellschaften“, sagte Greta Thunberg in Davos im Februar, „unser Haus brennt“. Das Publikum war freundlich amüsiert. Letztlich fasste die 16-jährige Schwedin damit nur den Bericht des Weltklimarats IPCC zusammen. „Die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erfordert rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft“, so der IPCC. Andererseits zwingt die politische Logik dazu, konkrete Forderungen zu formulieren. Wann wären denn die „Fridays for Future“ erfolgreich? Wie lassen sich unterhalb der berechtigten wie diffusen Forderung der Weltrettung weitere Ebenen einziehen? Und schon werden aus den als „Schulschwänzer“ denunzierten Jugendlichen hart arbeitende AktivistInnen, die sich mit Oberbürgermeistern und Stadtwerke-Funktionären treffen, die ExpertInnen einladen und nach Wegen suchen, die Proteste nicht unter dem Sanktionsdruck und fehlenden Zwischenerfolgen einknicken zu lassen. Sie wissen, dass folgenlose Umarmungen aus der Politik dabei nicht hilfreich sind. „Lob hört man gerne, Unterstützung ist gut. Das ist halt so ein typisches Muster: ,Habt ihr super gemacht, wir machen weiter wie vorher‘. Aber wir lassen uns nicht vereinnahmen und nicht abfrühstücken“, sagt Marlena. Also gehen die wöchentlichen Streiks mit monatlichen „Highlights“ weiter. „Es bleibt sehr viel Arbeit“, sagt die 17-jährige. Es klingt entschlossen.

Museum für Kunst und Kulturgeschichte Hansastraße 3, 44137 Dortmund, www.mkk.dortmund.de

09.12.2018

23.06.2019

Rausch der Schönheit DIE KUNST DES JUGENDSTILS

21


WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

GUNDERMANN Glechoma hederacea

B

REZEPT 150 g frische Gundermanntriebe entsaften und mit dem Saft einer Limette sowie einer gemörserten kleinen Chilischote mischen. Die Zutaten mit trockenem Sherry auf nicht ganz 750 ml auffüllen und mit Gelierzucker (1:1) zu Gelee kochen. Kräuter enthalten keine Pektine, von daher nimmt man besser etwas weniger Flüssigkeit, als auf der Gelierzuckerpackung angegeben wird. Den Gelee später im Verhältnis 1 ½ TL auf 1 EL Frischkäse mischen und auf Crackern servieren.

22

ochum und Dortmund, die Städte, denen unser Magazin beide Silben im Namen verdankt, liegen in NordrheinWestfalen, was allgemein bekannt sein dürfte. Gegründet wurde das bevölkerungsreichste Bundesland im August 1946 durch Großbritannien als eine der alliierten Siegermächte nach dem Weltkrieg. Nicht so groß wie die mentalitätsbezüglichen Unterschiede zwischen den in napoleonischer Ära zusammengelegten Bayern und Franken sind die zwischen Rheinländern und Westfalen. Vorhanden sind sie, man denke nur an Karneval. Den kann der Westfale nicht, selbst wenn er sich redlich bemüht. Die Liebste, rheinlandgebürtig, ordnet den Dortmunder Rosenmontagszug gnadenlos der Rubrik ‚Zum Fremdschämen‘ zu. Ich fürchte, sie könnte recht damit haben. Ein TV-Format wie die alljährliche Übertragung der „Festsitzung des Aachener Karnevalsvereins mit der Verleihung des Ordens ‚Wider den tierischen Ernst‘“ bleibt hier aus besagtem Grund relativ Sparte. Das ist jedoch schade. Allein die kabarettistische Abrechnung mit der AfD nebst Konsorten, die Wilfried Schmickler jüngst als ‚Kaiser Karl‘ auf die Bühne brachte, hat bzw. hätte das Einschalten gelohnt. Preisträgerin 2019 ist Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Was sie mache, mache sie mit Herz und Verstand, lautet die offizielle Begründung. Naja. Aber den Humor anderer Ordensritter, Friedrich Merz oder Karl-Theodor zu Guttenberg, teile ich auch nicht unbedingt. Die Laudatio auf Klöckner hielt Ebenfallsritter Winfried Kretschmann. In einer schwungvollen Reihe wohlformulierter Komplimente versteckte er bissige Spitzen. In anderen Ministerien würden Akten geschreddert, im Landwirtschaftsministerium Küken. Chapeau.

Politisch bleibt Klöckner dem Kurs ihres Vorgängers Christian Schmidt treu, der konsequent auf die industrielle Landwirtschaft setzte. „Nichts weist darauf hin, dass sich was ändern wird: zum Schutz der Tiere, des Klimas, der Ressourcen, der Artenvielfalt“, beurteilt Greenpeace Klöckners bisheriges Handeln. Selbstredend vertraut sie marktorientierten Strategien, auch in der Milchwirtschaft. Auf den Markt zu bauen ist freilich Glaubenssache – durchaus dem uralten Spruch vom Gundermann vergleichbar: „Ich werf dich (Gundermann) auf die Wolken / dass mir unser lieber Herr Jesus Christ / wiedergeb' mein Käs und Molken / im Namen des Vaters,...“. Nebenstehend deswegen ein Frischkäserezept mit dem aromatischen Wildkraut.

Gundermann, auch Gundelrebe oder Erdefeu genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Der regional sehr unterschiedliche Aberglaube rund um diese Pflanze gilt als Hinweis, dass sie bereits bei den germanischen Völkern als Heil- und Zauberpflanze Verwendung fand. Zur Walpurgisnacht am 1. Mai wurde das „Zaunkraut“ zu Kränzen gebunden, durch die man Hexen erblicken konnte.


KULTUR

Wem gehört Wissen? „Alles nur geklaut?“, fragt die neue Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern Dortmund, und wirft damit neue und alte Fragen auf. Wie entsteht Wissen? Müssen Patente Informationen schützen oder sollten sie Allgemeingut sein? An Exponaten aus Geschichte und Gegenwart und in Escape Rooms laden die Initiatoren zum Rätseln ein. Von Sophie Schädel | Foto: Annette Hudemann

W

ir wollen zeigen, wie Wissen geschaffen, geteilt und geschützt wird“, erklärt LWL-Direktor Matthias Löb. „Westfalen hat sich vom Agrarland zu einem Motor des Fortschritts entwickelt, auch weil Deutsche sich viel von Großbritannien abgeschaut haben. Waren das nun Spione oder Pioniere? Wir nennen sie hier Spioniere“, sagt er schmunzelnd. Um den Besuch der Ausstellung interaktiv zu gestalten, hat das Team multimediale Elemente eingebracht und erzählt Geschichten oft entlang an Lebensläufen beteiligter Personen. Neben Exponaten und Texten erzählen die Erfinder und „Spioniere“ in Gestalt von Hologrammen auch selbst von ihren Errungenschaften. Beispielsweise ist so der Erfinder des ersten Fahrrads neben einem 4.000 Jahre alten Scheibenrad und einem dicken schwarzen Formel-1-Reifen zu sehen. „Als das Fahrrad erfunden wurde, gab es noch kein Patentrecht. Jeder konnte sich ein Fahrrad nachbauen, und der Erfinder

ist verarmt gestorben“, erklärt Kurator Dr. Georg Eggenstein. Doch „Alles nur geklaut?“ ist nicht nur eine Ausstellung, sondern auch ein Rätselspiel. Zwischen den Exponaten finden sich immer wieder versteckte Hinweise, die Zugang zu fünf kleinen Kammern geben. In ihnen müssen weitere Rätsel gelöst werden, um in den nächsten Raum zu finden. Eine der Kammern ist wie das Museumsarchiv eingerichtet: Die Besucher müssen zwischen staubigen Büchern, einem Computer und Kassetten nach der Lösung suchen, die sie in den nächsten Raum bringt. „Hier soll der Enkel dem Opa genauso helfen können wie der Opa dem Enkel“, erklärt Projektleiterin Anja Hoffmann. Wer den Weg durch die Ausstellung weitergeht, findet sich zwischen zwei Arten von Wissen wieder: einem Universallexikon aus dem 18. Jahrhundert, das mehrere Regalbretter füllt, auf der einen Seite, und einem großen Touchscreen mit Zugang

zur Online-Enzyklopädie Wikipedia gegenüber. Auf diese Weise soll die Sonderausstellung Fragen zu Patenten und Plagiaten, Profit und Moral aufwerfen und zum Nachdenken anregen. Sonntags und an Feiertagen finden um 16 Uhr Führungen statt. Außerdem bietet das Museum ein Begleitprogramm an: von der Fälscherwerkstatt für Kinder über ein Labor zu Medienkompetenz in Computerspielen bis hin zum WikipediaSchreibworkshop. Was ist wahr? Was ist wichtig? Ist Wissen immer „nur geklaut“? Aktuelle Fragen in der Informationsgesellschaft, zu denen die Ausstellung zum Grübeln anregen will.

„Alles nur geklaut?“ bis 13. Oktober 2019 Di. bis So. 10 bis 18 Uhr im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern Grubenweg 5, 44388 Dortmund

23


Kalender 04 & 05 | 2019

2 x 2 Karten | „Der junge Picasso“ | Seite 27 2 x 2 Karten | Jeff Cascaro Quartett | Seite 28 2 x 2 Karten | Christina Stürmer | Seite 29 bodo 1 x 2 Karten | Border | Seite 29 Verlosungen

– mitmachen und gewinnen

Hinweise zum Datenschutz: Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

SA 30 | 03 – SO 22 | 09 | 19 Ausstellung | Der Alt-Right Komplex Die internationale Gruppenausstellung setzt sich mit Rechtspopulismen auseinander, die heute insbesondere das Internet und die sozialen Medien zur Verbreitung nutzen.

Anzeige

Die Verlosungsteilnahme ist ganz einfach: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich.

Die KünstlerInnen beschäftigen sich mit Memes (z.B. Pepe der Frosch, dem wohl bekanntesten Symbol der Trump-AnhängerInnen), mit Figuren wie z.B. Steve Bannon, mit Flaggenverehrung, der Prepper-Szene, White Supremacists und Dark Enlightenment. Der Alt-Right Komplex präsentiert zwölf Projekte von 16 KünstlerInnen aus zwölf Ländern. Infos und Öffnungszeiten unter www.hmkv.de HMKV im Dortmunder U, Dortmund

SA 06 | 04 | 19

VOLL– KORN VOLL LECKER! Wir backen

Ihr Lieblingsbrot und mehr! z.B. Leckeres zu Ostern

Hattinger Str. 188, 44795 Bochum Tel. 0234 – 450 590 Hattinger Str. 264, 44795 Bochum (im denn‘s Biomarkt) Tel. 0234 – 588 708 87

Weitere Infos und Verkaufsstellen unter

www.hutzelbrot.de

24

Markt | Plakatflohmarkt Der Kinoplakat-Flohmarkt in der Schauburg geht wieder in eine neue Runde. Ausgewählte Plakate, Banner sowie Aushangfotos warten auf neue BesitzerInnen. Wie immer finden die BesucherInnen klassisches und aktuelles Material für kleines Geld, das einem guten Zweck gespendet wird. Schauburg, Dortmund, 11 – 13 Uhr Kunstbörse | WAT-kreativ 64 KünstlerInnen aus Wattenscheid, Bochum und der Region stellen ihre Werke an diesem Wochenende aus. Ob Seidenmalerei, Tortendekoration, Vintage-Schmuck oder Upcycling – die Vielfalt ist groß. Zudem wird es einen Außenbereich mit weiteren Kunsthandwerkerständen und Gastronomie geben. Erstmalig haben die BesucherInnen die Möglichkeit, in Workshops auch selbst kreativ zu werden. Buchung der Workshops unter www.bochum-tourismus.de Alte Lohnhalle /Technologie- und Gründerzentrum Wattenscheid, Bochum, 11 – 18 Uhr (auch 7.4.)

SO 07 | 04 | 19 Kindertheater | Die Zirkusratte Das Theater Mika & Rino bringt im Café Balou die Geschichte der Ratte Fred auf die Bühne. Die Zirkusratte Fred träumt davon, selbst ein berühmter Zirkuskünstler zu sein. Schließlich hat sie lange genug beim Zauberer und den Artisten im Zirkus zugeschaut. Ein liebevoller Mix aus Spaß und Spannung für Kinder ab 4 Jahren. Kulturzentrum balou, Dortmund, 15 Uhr

MI 10 | 04 | 19 Lesung | Lesung interkulturell: all over Heimat Eine Heimat-Anthologie vom LiteraturRaum DortmundRuhr unter Beteiligung von 150 Schreibenden aus 27 Nationen. Originale werden einer deutschen Übersetzung gegenübergestellt – ein weltweit einmaliges Projekt. Den Begriff „Heimat“ führen derzeit wieder viele im Mund, ohne ihn klar definieren zu können oder zu wollen. Doch wie weit darf man, wie weit muss man dieses schon oft überstrapazierte Wort weiter bemühen? Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 19.30 Uhr Musik | OVE Nach einer ausverkauften Show im letzten Jahr macht die Hamburger Band OVE erneut Halt im Dortmunder Rekorder. Auf ihrer Konzertreise stellt die Band ihr brandneues Album „Abruzzo“ vor. Dessen Sound zieht den wunderbaren Geschichten von Scheitern und Aufstehen ein federleichtes Kleid an. Sixties-Referenzen mit Falsettchören im Background und glasklaren


BODO-TIPP Sechs SchauspielerInnen und ein Intendant – das war die Besetzung, mit der die Stadt Bochum im April 1919 ihr Schauspielhaus begründete. Am 13. und 14. April feiert das Schauspielhaus seinen 100. Geburtstag, am Sonntag mit einem Tag der offenen Tür.

100 Jahre Schauspielhaus Bochum Tag der offenen Tür

14. April Schauspielhaus Bochum Königsallee 50, Bochum

Der offizielle Festakt wird bereits tags zuvor begangen – am 14. April, dem eigentlichen Geburtstag des städtischen Schauspielbetriebs, stehen Lesungen, Theater, Musik und seltene Einblicke ins Innenleben des Kulturbetriebs auf dem Spielplan. Da trifft sich der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert mit dem ehemaligen Intendanten Claus Peymann, und Benjamin Verdonck präsentiert seine mobile Theatershow „Waldeinsamkeit“. Außerdem hat der WDR eine Dokumentation über das Haus und seine Geschichte gedreht: „100 Jahre Aufregung“ feiert am 14. April Premiere.

Anzeige

Der Eintritt ist frei, für einige Veranstaltungen gibt es kostenlose Platzkarten vor Ort.

Folk-Harmonien treffen auf edle Bassläufe mit famosem Funk, Afrobeat-Gitarrenlicks auf zurückgelehnten Yacht-Pop. Rekorder, Dortmund, 19.30 Uhr

DO 11 | 04 | 19 Theater | Die (fast) glorreichen Sieben Auf einer Baustelle, die einmal ein Festsaal für den Stadtteil werden soll, treffen sich sieben Frauen und Männer aus Gelsentrop-Wattenhausen. Aus ihnen soll einmal ein Chor werden und aus ihrem Gesang eine Hymne auf das Quartiersjubiläum. Ob diese sehr gemischte Truppe tatsächlich erfolgreich die Tonleiter zum Glück erklimmen kann, das verrät Sigi Domke in der klingenden Mondpalast-Komödie „Die (fast) glorreichen Sieben“. Weitere Termine: www.mondpalast.com Mondpalast von Wanne-Eickel, Herne, 20 Uhr Film | Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln: Shorts on Wheels Fahrradtour durch Dortmund Raus aus der klassischen Kinosituation und rein in die Stadt. Ausgestattet mit mobilem Beamer, Soundanlage und Abspielgerät radeln die ZuschauerInnen im Tross an ausgewählte Orte. Fassaden werden zu Leinwänden. Zusammen wird der urbane Raum erobert und für eine freie Kulturszene und ein nachhaltig orientiertes Stadtleben geworben, in dem Radfahren und Film ihren selbstverständlichen Platz haben. Im Rahmen des Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln (9. – 14.4.) Weitere Programmpunkte: www.frauenfilmfestival.eu Treffpunkt: mit Fahrrädern vor dem Kino im U, Dortmund, 20 Uhr

Musik | Tatort Jazz Special „In einer Stunde um die Welt“ Tatort Jazz Hausband-Schlagzeuger Uwe Kellerhoff hat für dieses „Tatort Jazz Special“ perkussive Musik komponiert. Nicht nur das reine Schlagzeugspiel beherrscht die Szene und den Sternenhimmel, den Helmut Schüttemeier vom Planetarium Bochum dazu inszeniert. Es gibt Soundkompositionen, spezielle Klangelemente und Instrumente, die sein Spiel unterstützend hervorheben oder in besondere klangliche Welten katapultieren. Planetarium, Bochum, 20 Uhr

9.–14. APRIL 2019 IN DORTMUND

FR 12 | 04 | 19 Comedy | Quichotte Nein oder nicht nein? Das ist hier die Frage. Quichotte beschäftigt sich in seiner neuen Show „Die unerträgliche Leichtigkeit des Neins“ mit der Schwierigkeit, sich in einer immer komplexer werdenden Welt klar zu positionieren. Dabei werden existenzielle Fragen aufgeworfen wie: Bin ich gut genug? Gibt es einfache Wahrheiten? Habe ich eine klare Haltung? Oder: Sind eigentlich noch Chiasamen da? Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr Musik | Klubnacht – Pappenheimer Mittlerweile ist der Name Pappenheimer in der Techno-Szene in aller Munde. Pappenheimer ist vielseitig und bedient sich bei seiner Performance an der gesamten Palette der elektronischen Musik. Von Electrohouse über Techno bis hin zu Hardtechno deckt er alles ab. Lokaler Support kommt von Janara und Alex Blank. JunkYard, Dortmund, 23.55 Uhr

Foto: Desiree Palmen, Door, 1999

www.frauenfilmfestival.eu Festivalorte domicil | Schauburg innogy Forum – Kino im U | CineStar Deutsches Fußballmuseum Orte in Köln Filmforum im Museum Ludwig Aula KHM Köln Lichtspiele Kalk Förderer

25


KALENDER

Film | Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln: Office Killer Nach 17 Jahren Arbeit als Redakteurin wird Dorine nach Hause geschickt. „Home Office“ ist das Wort der Stunde. Eher zufällig bringt sie am letzten Tag im Büro den Starreporter des Blattes um. Nach anfänglichem Schock ist sie von ihrer Tat fasziniert. Ihre Computerkenntnisse setzt sie dazu ein, ihre Spuren zu verwischen. Der feministische Horrorklassiker ist eine schräge, hinterlistige Mörderinnenstory mit subversiven Untertönen. Im Rahmen des Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln (9. – 14.4.) Weitere Programmpunkte: www.frauenfilmfestival.eu Kino im U, Dortmund, 20.15 Uhr

SA 13 | 04 | 19 Theater | Cyberchonder Frank Mol, technischer Redakteur des Pharmaunternehmens „Beeep“, beschäftigt sich tagtäglich mit Texten, die sonst kaum jemand liest: mit Beipackzetteln. Frank Mol ist krank. Er weiß es genau. Die Symptome sind eindeutig. Nicht nur die Beipackzettel geben ihm Recht, auch die Recherchen in Medizinportalen und Selbsthilfe-Blogs bestätigen seine schlimmsten Befürchtungen. Das medizinische Know-How seiner Internet-Community

scheint dabei deutlich größer zu sein als das seiner Ärzte, denn die glauben ihm nicht. Flottmann-Hallen, Herne, 19 Uhr (auch 14.4., 18 Uhr) Musik | Trixie & The Trainwrecks Wild Child Trinity Sarratt alias Trixie Trainwreck wurde in San Francisco geboren und zog im Alter von 18 Jahren nach Berlin. Sie begann ihre musikalische Karriere 1999 als Straßenmusikerin und machte sich später einen Namen als Promoterin von Clubs und Bars in Berlin. Live sind Trixie & The Trainwrecks als Duo zu erleben. Mit warmem Gitarrensound und dem runden Boom ihrer Bass-Drum schüttet Trixie Country-Balladen & Rock‘n‘Roll-Songs aus, während der Londoner Harpspieler Charlie Hangdog dem Ganzen einige Akzente verpasst. subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr Theater | Der rechte Auserwählte Melanie und Greg bildungsbürgern sich in gediegenem Luxus durch die Mitte des Lebens. Heute erwarten sie Jeff, einen alten Freund Gregs zum Essen – und überraschend taucht noch Jeffs Ex-Geliebte Charline mit ihrem Verlobten Noel auf. Für Zündstoff sorgt aber nicht nur, dass Jeff nach wie vor verrückt nach Charline ist. Der Abend läuft auch deshalb

aus dem Ruder, weil Noel gegen Latinos und Juden wettert, worauf sich weitere Abgründe auftun. Eine Beziehungskomödie, die gängige rassistische Klischees satirisch seziert. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr (auch 14.4., 18 Uhr) Revue | Schöne Tage – Hommage à Beckett Zum 30. Todestag des irischen Dramatikers präsentieren die beiden Dortmunder Künstler Oscar Borkowsky und Hannes Sänger eine literarisch-dramatische Revue in Form eines Theatertextes, der neben Poemen von Samuel Beckett auch Gedichte und Songs aus eigener Feder enthält. Es geht um das Scheitern der läppischen Träume, die vergebliche Hoffnung auf irgendetwas anderes und die lange, aberwitzige Weile der Zeit. Trotz vermeintlicher Tragik wird ein unterhaltsamer und kurzweiliger Abend garantiert. „Blaues Zimmer“, Arneckestraße 33, Dortmund, 20 Uhr

SO 14 | 04 | 19 Theater | Zwischenfall in Vichy September 1942 in Vichy: In einer Polizeiwache finden sich nach einer Razzia Juden ein. Sie haben falsche Papiere und konnten in diesen unbesetzten Teil Frank-

Anzeigen

V. i. S. d. P.: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundesgeschäftsstelle, Nicolas Schwendemann, Platz vor dem Neuen Tor 1, 10115 Berlin

Für Königing nenreiche reiche auf unseren Wiesen.

08. MÄRZ – 16. JUNI 2019 TICKETS

ab 17,- EUR

Kommt, wir bauen das neue Europa!

Gruene_Europawahlen_Bienen_Plakat_594x841_ICv2_RZ03.indd 1

26

0234

13003

SHOW Do., Fr., Sa. 20 Uhr & So. 19 Uhr

WWW.VARIETE-ET-CETERA.DE Herner Str. 299 | Bochum 14.02.19 16:46


BODO-TIPP „Poesie und Politik“ ist die Überschrift der diesjährigen Ruhrfestspiele, den ersten unter der Intendanz von Olaf Kröck. Vom 1. Mai bis 9. Juni zeigen mehr als 850 internationale KünstlerInnen rund 90 Produktionen im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen, im Palais West, der Christuskirche und anderen Orten.

Ruhrfestspiele

1. Mai – 9. Juni Recklinghausen

Das Festival setzt auch in dieser Spielzeit auf internationale KünstlerInnen. So führen sowohl Peter Brooks mit „The Prisoner“ als auch Ivo van Hoves mit „Ein wenig Leben“ ihre neuen Stücke hier deutschlandweit erstmals auf. Richard Gregory holt die Idee des Konzeptkünstlers und Turner-Preisträgers Jeremy Deller aus Manchester nach Recklinghausen: In „What Is the City but the People?“ präsentieren 100 RecklinghäuserInnen in einer Mischung aus Installation, Tanz und Theater ihre Lebensgeschichten. Im Bereich Literatur gibt es eine neue Reihe: Kritiker und Moderator Denis Scheck holt sich an vier Abenden Herta Müller, Georg Stefan Troller, Louis Begley und Dunja Hayali zum Gespräch. www.ruhrfestspiele.de

reichs entkommen. Sie diskutieren über ihr mögliches Schicksal, bevor sie einzeln zum Verhör aufgerufen werden, von dem bisher noch keiner zurückzukehren scheint. Arthur Miller schrieb dieses Werk 1964 unter den Eindrücken des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt. Prinz Regent Theater, Bochum, 18 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten

VERLOSUNG Exhibition On Screen: „Der junge Picasso“ Die Dokumentarfilmreihe „Exhibition On Screen“ nimmt die ZuschauerInnen mit auf eine cineastische Reise zu den bedeutendsten Kunstwerken der Geschichte. Aus interessanten und immer wieder neuen Erzählperspektiven folgt jeder Film einer individuellen Geschichte, deren Ursprung eine Ausstellung, Briefe des Künstlers, Erzählungen oder auch ein Gemälde selbst sein kann. Im April zeigt das Casablanca „Der junge Picasso“. Im Mai folgt ein Dokumentarfilm über Rembrandt und im Juni über Van Gogh. Infos unter www.casablanca-bochum.de Casablanca, Bochum, 13.15 Uhr

DI 16 | 04 | 19 Theater | Das Konzept bin ich Als „Euthanasie“, als leichtes und schönes Sterben, bezeichneten die Nazis auf zynische Weise das Ermordungsprogramm an Menschen, die nicht der ausgerufenen Norm

von Gesundheit und Produktivität entsprachen. Über ein Jahr hinweg haben „i can be your translator“ zu den historischen Fakten und ideologischen Rechtfertigungen der Tötungen recherchiert, sind zu Mahnmalen und Gedenkstätten gefahren, haben sich emotional auseinandergesetzt. Kollektiv und vielstimmig fragen sie nun: Welche Konzepte liegen damaligen und heutigen Vorstellungen von „lebenswert“ und „lebensunwert“ zugrunde? Studio im Schauspielhaus, Dortmund, 19 Uhr (auch 17.4.)

lischer und deutscher Sprache von Flucht in fremde Länder, verletzten Gefühlen, bitteren Wahrheiten und dem Wunsch nach behaglicher Einsamkeit. Alte Gedichte von Bergleuten und geflohenen Poeten werden zu neuen Liedern. Die Wurzeln ihrer Musik finden sie in der keltischen, amerikanischen und deutschen Volksmusik. Biercafé, Bochum, 20 Uhr

DO 18 | 04 | 19 Theater | Die Kopien Ein illegales wissenschaftliches Experiment stellt Bernards Leben auf den Kopf. Eine unbestimmte Anzahl von Kopien von ihm wurden offenbar illegal produziert und stellen nun seine Herkunft und seine Identität in Frage. Auf der Suche nach der Ursache dieses verwirrenden und absurden Geschehens stößt er auf Unvollständigkeiten und Unwahrheiten in seiner Familiengeschichte. Er konfrontiert seinen Vater mit seiner Vergangenheit. Eine Lebenslüge bricht in sich zusammen. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

Anzeige

09.04.19 KulturellLeben – neues Format, diesmal zum Thema Seenotrettung

DI 16 | 04 – DO 18 | 04 | 19 Ferienprogramm | Young Dogs Filmferien: Skateboard-Video Drei Tage – ein Clip: Filmende und Skatende zwischen 15 und 25 Jahren proben die Zusammenarbeit von Kamera und Board, schauen anhand von Beispielen, wie die Profis arbeiten und drehen unter Leitung von Lennart Miketta ihr eigenes Skatevideo, das Teil der UZWEI-Ausstellung „The Art of Skate“ (10.5. bis 30.6.2019) werden soll. Vorerfahrungen sind nicht nötig, weder beim Filmen, noch beim Skaten. Infos und Anmeldung: www.aufderuzwei.de UZWEI im Dortmunder U, 11 – 17 Uhr

13.04.19

23.04. - 26.04.19 Flash Dance Week DKH Die Hardrock Karaoke Show

MI 17 | 04 | 19 Musik | Die Feuersteins Country, Folk, Popsong oder Volkslied – Die Feuersteins bewegen sich in verschiedenen Stilen. Ihre Songs erzählen in eng-

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

27


KALENDER

BODO-TIPP

SO 21 | 04 | 19 Kinder | Auf den Spuren des Osterhasen Bei seinem Besuch im Bergwerk hat der Osterhase etwas von seiner Fracht verloren. Kinder ab 7 Jahren können sich auf eine spannende Suche begeben und lernen dabei den gefährlichen Arbeitsplatz des Bergmanns kennen. Eine Anmeldung ist erforderlich. Infos unter www.bergbaumuseum.de Deutsches Bergbau-Museum, BO, 15 Uhr Kinder | Familienwerkstatt: Osterbasteln Bei der monatlichen Familienwerkstatt im Kindermuseum „mondo mio!“ im Dortmunder Westfalenpark wird jeweils zu einem anderen Thema gebastelt, gestaltet und kreiert. Im April fällt die Familienwerkstatt auf den Ostersonntag, dazu passend werden aus Eierkartons und Toilettenpapierrollen lustige Hühner und Hasen für die Osterkörbe gebastelt. Kindermuseum mondo mio!, DO, 15 Uhr

DO 25 | 04 | 19 bodo verlost 2x2 Karten

VERLOSUNG Jeff Cascaro Quartett Jazzsänger Jeff Cascaro hat in den letzten Jahren den Soul-Jazz in Deutschland populär gemacht. Nun wendet er sich mit gleicher Leidenschaft dem klassischen Jazz zu, bleibt aber einer bluesigen Grundfärbung treu. So changiert das neue Programm „Love & Blues in the City“ zwischen klassischen Jazz-Stücken und Blues-Nummern. Durchweg mit jazziger Leichtigkeit spielend, versteht er gekonnt, die Lässigkeit des Swing mit der rauen Erdigkeit des Blues zu vereinen. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Anzeige

28

DORTBUNT Cityfest

11. und 12. Mai Dortmund, Innenstadt

Seit vier Jahren zeigt Dortmund immer Anfang Mai seine vielen Gesichter und Facetten beim Stadtfest „DORTBUNT“. Auf Plätzen, Bühnen und an Infound Aktionsständen stellen Institutionen, Vereine, Gewerkschaften, Behörden, Kirchengemeinden und Jugendgruppen sich, ihre Arbeit und ihr ehrenamtliches Engagement vor, um mit einem Fest von BürgerInnen für BürgerInnen für eine starke Zivilgesellschaft und den Einsatz für Zusammenhalt und Vielfalt zu werben. Auch in diesem Jahr werden wieder mehr als 100 Organisationen das Programm in der Innenstadt gestalten: Eine bunte Mischung aus Mitmachaktionen, Spiel und Sport, Livemusik auf mehreren Bühnen und Kulinarischem aus aller Welt bildet den Mittelpunkt des Festes. www.dortbunt.de

Slam | Song Slam #11 Poetry Slam ist überall. Aber warum sollte man nur TextdichterInnen auf Bühnen gegeneinander antreten lassen? Ein Song Slam bietet die Bühne für SongschreiberInnen und InstrumentalistInnen. Hier treffen hoffnungsvolle Talente auf etablie MusikerInnen. Wie beim Poetry Slam gibt es keine Genrebegrenzung, (fast) alles ist möglich. Rotunde, Bochum, 20 Uhr Musik | Daniel Paterok Trio Daniel Paterok reüssiert durch eine brillante Spielweise und kombiniert eine kräftige linke Hand mit dem Einfluss und der Inspiration der großen Boogiemeister. Inzwischen ist Daniel Paterok nicht nur mit seinem Boogie-Trio deutschlandweit zu hören, sondern hat sich seit 2016 der Komposition zeitgenössischer Klaviermusik gewidmet. In diesem Zuge veröffentlichte er 2017 sein Debütalbum: „Works for Piano & Cello“. Bei seinem Konzert wird

er unterstützt von Andreas Müller am Kontrabass und Jens Pollheide an verschiedenen Flöten. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

DI 30 | 04 | 19 Kindertheater | Agent im Spiel Dani ist der Umzugskönig. In zwei Jahren ist er mit seiner Mutter schon acht Mal umgezogen. Seine Mama verliert regelmäßig Jobs und Partner. Doch Dani schlägt sich tapfer nach außen hin als cooler Game Agent durch. Mit jeder Menge Einfallsreichtum wird vom Schulhof bis nach Hause jede Situation bewältigt. Zwischen Dinosauriergebrüll und Super-Zaubermänteln lassen ihn seine schillernde Fantasie und die gemeinsamen Abenteuer mit seinen neuen Freunden beinahe das Armsein und das Fehlen seines Vaters vergessen. KJT in der Sckellstraße, Dortmund, 11 Uhr


KINO-TIPP

MI 01 | 05 | 19 Theater | Choose Your Granny Nichts geht mehr ohne Casting. Selbst in Kindergärten werden Eltern gecastet, um die „besten“ zu finden, die ihr Kind dann dort in Obhut geben können. In ironischer Betrachtung des Themas werden SeniorInnen dieser Prozedur ausgesetzt. Ist dies ein Mittel, um sie aus dem Schatten des Altseins zu befreien? Omas präsentieren sich auf der Bühne mit ihren Stärken und Vorzügen. Allerdings mischen sich auch Opas unter die KandidatInnen. Das stiftet Verwirrung. Theater im Depot, Dortmund, 18 Uhr

FR 03 | 05 | 19 Kabarett | Michael Hatzius Für ihre Fans ist die Echse längst ein Guru. Das Reptil voller Erfahrungen, Geschichten und Weisheit legt die Karten auf den Tisch. Bestens ins Licht gerückt durch den mehrfach ausgezeichneten Puppenspieler Michael Hatzius, der gekonnt in der Aura des großmäuligen Reptils zu verschwinden scheint. Das Publikum ist eingeladen zu einer humorvollen Audienz mit offenem Herzen und großer Klappe, bei der gern auch das Publikum selbst im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

SO 05 | 05 | 19 Familie | Familiensonntag Der Mai gibt dem Familiensonntag in der Werkstadt seinen ganz eigenen Sound. Pauline bastelt mit den Kindern Instrumente, in der Tobe-Disco wird fleißig mitgehüpft und die Mitmach-Konzerte mit Josie verleihen dem Ganzen eine besondere Note. Eltern lehnen sich bei einer Waffel und einem Kaffee entspannt zurück, während die Kleinen sich in der Musik ausprobieren können. Eintritt frei. Werkstadt, Witten, 14 – 18 Uhr

MO 06 | 05 | 19 Lesung | Hasnain Kazim Täglich bekommt Hasnain Kazim hasserfüllte Leserpost. Doch statt die Wutmails einfach wegzuklicken, hat er beschlossen zurückzuschreiben – schlagfertig, witzig und immer wieder überraschend. In seinem Buch versammelt er die besten Schlagabtäusche und beweist, warum man den Hass, der im eigenen Postfach landet, nicht unkommentiert lassen sollte. Denn: „Wenn wir schweigen, beginnen wir, den Hass zu akzeptieren. Also, reden wir!“ Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr

DI 07 | 05 | 19 Comedy | Moritz Neumeier und Till Reiners In mehreren Spielrunden treten Moritz Neumeier und Till Reiners gegeneinander an, testen ihre Schlagfertigkeit und betreten dabei unablässig vermintes Terrain. Böse und komisch ziehen die beiden übereinander her, hangeln sich am Publikum von Konflikt zu Konflikt und besprechen Privates und Politisches mit Mut zum Chaos. Dampfgebläsehaus, Jahrhunderthalle Bochum, 20 Uhr

MI 08 | 05 | 19 Musik | JazzLab: Peter Heinrich Köcke / Synergie Der Dortmunder Pianist Peter Heinrich Köcke entwickelt ein interdisziplinär angelegtes Konzept, das punktuell Jazz und Improvisation mit Projektionen, Visuals, Performance und anderen darstellenden Künsten vereint. domicil, Dortmund, 20 Uhr

DO 09 | 05 | 19 bodo verlost 2x2 Karten

VERLOSUNG Christina Stürmer Nachdem das letzte Album „Seite an Seite“ Christina von ihrer eher ruhigen Seite zeigte und sie mit ihren anderen Hit-CDs im Rock/Pop-Mantel gewonnen hat, was zu gewinnen war (2 Echo Awards, 11 Amadeus Awards, Goldene Stimmgabel, Bambi, Leading Ladies Award, zahlreiche Gold- und Platinauszeichnungen u.v.a.m.), war es jetzt an der Zeit, sich musikalisch neu zu erfinden, wieder etwas mehr Bewegung in die Songs zu bringen. Auf ihrer „Überall zu Hause“-Tour stellt Christina Stürmer ihr neues Album im FZW vor. FZW, Dortmund, 20 Uhr

FR 10 | 05 | 19 Musik | An Evening with Benjamin Clementine and his Parisian String Quintet Gemeinsam mit den fünf Streichern präsentiert Benjamin Clementine Songs aus seinen beiden Alben „At Least For Now“ und „I Tell A Fly“. Mit seiner gewaltigen Stimme wechselt er ansatzlos zwischen Spoken-Word-Parts, gesäuselten Passagen und mächtigen Gesangsbögen. Im Zusammenspiel mit Klavier und Streichern entwickelt sich ein großer Klang, der durch die eigenwilligen Lyrics trägt. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr

sweetSixteen-Kino | Border Die 40-jährige Tina arbeitet für den schwedischen Zoll. An einem Hafen für Fähren zwischen Schweden und Dänemark kontrolliert sie Reisende auf Schmugbodo gelwaren. Sie verfügt verlost 1x2 über eine in ihrem Beruf Karten* nützliche, besondere Begabung: Sie kann Gefühle wie Angst oder Nervosität oder Schuldgefühle riechen und so zielsicher Schmuggler ausfindig machen. Ihr Gesicht sieht seltsam anders aus, und so lebt sie zurückgezogen und naturverbunden als Außenseiterin in den Wäldern. Dann begegnet sie Vore, der ihr auffallend ähnlich sieht und bei dem ihre Begabung an ihre Grenzen stößt. Tina ahnt, dass Vore etwas zu verbergen hat. Und doch, unbefangen, wild und erstaunlich frei, wirkt Vore ungemein anziehend auf sie. Tina spürt bei ihm eine Vertrautheit, die ihr bei ihren Mitmenschen bisher fremd war. Die beiden kommen sich näher und leben nun gemeinsam im Wald. Doch irgendwann erzählt Vore Tina die Wahrheit über seine und auch ihre Herkunft. Nun muss sie entscheiden, ob sie das Leben, das sie für sich akzeptiert hat, so noch weiterleben kann. „Border“ ist der zweite Film des iranischschwedischen Regisseurs Ali Abbasi und basiert auf einer Kurzgeschichte des schwedischen Schriftstellers John Ajvide Lindqvist („So finster die Nacht“), der auch das erste Drehbuch lieferte. Dies entwickelte Abbasi mit der Drehbuchautorin und Regisseurin Isabella Eklöf weiter. „Border“ feierte bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes Premiere und wurde dort in der Reihe „Un Certain Regard“ ausgezeichnet. Bundesstart am 11. April, ausführliche Spielzeiten und weitere Infos auf www.sweetsixteen-kino.de sweetSixteen-Kino Immermannstr. 29, 44147 Dortmund www.sweetsixteen-kino.de 29


BODO GEHT AUS

Marples in der alten Mühle Roßbachstraße 34 44369 Dortmund

Very british, isn‘t it? Marples in der alten Mühle Das Interieur im Marples ist gediegen. Niemand würde sich wundern, träfe er vorn am Tresen auf Detective Chief Inspector Tom Barnaby nebst Detective Sergeant Troy aus der kultigen britischen Krimiserie. Hier findet sich auch ein Porträtfoto von, klarer Fall, Miss Marple. Für die schrullige Amateurdetektivin gäbe das hintere „Pfauenzimmer“ die perfekte Kulisse ab – Kamin, Ledersessel und an der Wand die namengebende Pfauentapete, Kopie eines Originals von 1929. In diesem Zimmer sowie im eigentlichen Gastraum (mit unverändert erhalten gebliebener Technik der letzten Mühle am Huckarder Roßbach) finden im Marples regelmäßig Veranstaltungen statt, Lesungen zum Beispiel oder Krimidinners. Nebenbei bemerkt: Reservierungen sind anzuraten. Ja, Paul Brian Furey und seine Frau sind bekennende Fans britischer Kriminalliteratur und nein, das Restaurant entspricht nicht dem Bild eines Irish Pub, der deutschen Klischeevorstellung von Inselgastronomie. Als Vorbilder kommen eher Landgasthäuser oder Handwerksbetriebe in Frage, wie sie im Süden Englands oft Jahrhunderte überdauert haben.

30

Von Wolfgang Kienast Fotos: Daniel Sadrowski

Korrespondierende Reminiszenzen bietet darüber hinaus die wirklich gute Küche. Furey ist in Cornwall aufgewachsen, groß geworden mit Currys und Cornish Pasty. Bei letzteren handelt es sich im Ursprung um halbmondförmige Teigtaschen, die von Landarbeitern auf dem Feld (schmutzige Hände) ohne Besteck gegessen werden konnten. Traditionell waren sie zur Hälfte mit Fleisch, auf der anderen Seite mit Äpfeln gefüllt, Hauptgang und Nachspeise in einem Stück.

1997 hat sich Paul Brian Furey in Deutschland niedergelassen, der Liebe wegen. Als sich der gelernte Koch vor einiger Zeit selbständig machen wollte, entdeckte er zufällig das leerstehende Lokal an der Roßbachstraße. Das historische Gebäude erinnerte ihn an seine Heimat und es versprach, den passenden Rahmen für die längst geplanten kleinen Events abzugeben. Marple, Holmes, Wallace und Barnaby lassen grüßen.


Anzeigen

Käse-Pastys

Einfach nah.

Pastys sind traditionelle Speisen aus Cornwall, mittlerweile werden sie jedoch, oft als Fertiggerichte, überall in England angeboten. Die Käse-Pasty von Paul Brian Furey ist eine ebenso einfache wie feinere Version des Klassikers und eignet sich als schmackhafte Vorspeise. 2 mittelgroße Kartoffeln, gekocht, geschält und zu Brei gestampft mit 2 fein gehackten Frühlingszwiebeln, einer Packung Schmelzkäse (150 g) sowie 100 g geriebenem Gouda mischen und mit Pfeffer abschmecken. Auf Salz kann verzichtet werden, das wird bereits vom Käse geliefert. 1 Packung Blätterteig in nicht zu große Rechtecke schneiden. Immer 2 TL von der Masse auf eine Seite des Blätterteigs geben, zuklappen und den Rand ringsum mit einer Gabel eindrücken, damit die Päckchen an der Naht nicht reißen.

Energie für eine ganze Region

dew21.de

Gemeinsam 279 Kater vertrieben und mit 2 Hunden Seelsorge bereichert.* * Sandra Siemon

unterstützt 34 alkoholkranke Menschen als Bezugsbetreuerin in allen Lebenslagen.

* Susanne Kuhles

Als Pfarrerin macht sie positive Erfahrungen mit der tiergestützten Seelsorge, insbesondere bei dementen Menschen und in der Trauerarbeit.

Mit Milch bestreichen und im Backofen bei 175 Grad etwa 10 bis 15 Minuten garen. Zu den Käse-Pastys wird Mango-Chutney oder eine RoteZwiebel-Marmelade gereicht und das Gericht mit einem bunt gemischten Salat ergänzt.

Was auch passiert. Wir sind da.

www.team-für-hier.de

Anzeige Team für hier Siemon Kuhles.indd 1

13.12.2018 09:07:3831


REPORTAGE

Die unsichtbare Mauer

Bihać, Bosnien, 18 Kilometer von der kroatischen Grenze entfernt – der EU-Außengrenze. Auf dem Boden einer Garage stehen Pappkartons in Reihen. Sie sind zu einem Drittel gefüllt mit Reis, Mehl, Nudeln und Dosenfisch. Eine Frau packt die Lebensmittel in Plastiktüten. Ihr „Volontär“ Rasim, ein Flüchtling aus Pakistan, steht ein paar Meter entfernt und telefoniert mit anderen Flüchtlingen: „In fünf Minuten, am Supermarkt. Sag den anderen Bescheid.“ Text und Fotos: Dirk Planert

32


Rasim ist vor Sprengstoffanschlägen in seiner Heimat im Grenzgebiet zu Afghanistan geflohen. „Ich wollte nicht sterben“, sagt er. Jetzt hängt er seit sechs Monaten in der bosnischen Stadt Bihać fest. „Mama, wir können los, sie sind gleich da“, ruft er der Frau in der Garage zu. „Mama“, das ist Zemira Gorinjac, eine resolute Frau um die 50. Die Flüchtlinge nennen sie so.

Lebensmittel im VW Polo Zemira ist selbst einmal geflohen, das ist mehr als 20 Jahre her. Vor serbischen Granaten, die auf ihre Heimatstadt geschossen wurden. Sie weiß, was es bedeutet, wenn die Flüchtlinge von heute darüber sprechen: Krieg. Die von ihr gegründete Hilfsorganisation heißt „Bürgervereinigung Solidarität“. Spenden zur Verteilung bekommt sie von den Biscani, den Einwohnern der Stadt. Bihać war während des Krieges bis vor 24 Jahren sogenannte „UN-Schutzzone“. Eine Zone war es, Schutz gab es nie. Ethnische Säuberungen, Hunger, Tod, all das kennen die Menschen in Bihać. Wie viele der vermutlich mehr als 5.000 Flüchtlinge, die in verschiedenen Lagern verteilt nun in der Stadt leben. Sie kommen aus dem Irak, Iran, Afghanistan, Nigeria. Gerade macht die Meldung die Runde, dass wieder 1.000 im Zug von Sarajevo hierhergeschickt wurden. Am Abend sollen sie ankommen. Ganz in der Nähe der Garage liegt eine Fabrikhalle. Hier wurden kurze Zeit Kühlschränke produziert. Jetzt zahlt die Internationale Organisation für Migration (IOM), eine „Tochter“ der UN, Miete für die Halle. Etwa 2.000 Menschen sind hier untergebracht. „51 Familien, der Rest sind junge Männer“, sagt „Mama“. Wenn sie hier mit ihrem VW Polo halten würde, um Lebensmittel zu verteilen, würde es Ärger geben. Mit all jenen, die nichts bekommen, mit der Polizei, der IOM. Deshalb lotsen sie und Rasim kleinere Gruppen von Flüchtlingen an wechselnde Orte.

Minenfelder und Polizei Der Kleinwagen rollt auf einen Parkplatz vor einem Einkaufszentrum. Geschundene Gestalten kommen aus der Dunkelheit. Zemira und Rasim verteilen ihre gepackten Plastiktüten. Ein etwa 18-Jähriger zeigt „Mama“ stolz eine Zahnlücke. Gestern wurde ein Zahn gezogen. Er hatte Schmerzen, „Mama“ hat den Arzt bezahlt. Drei Schwarzafrikaner stehen am Rand. Sie erzählen, dass sie „the game“ über zehn Mal versucht haben. Gemeint ist der Versuch, über die Grenze in die EU zu gelangen.

Oben: Die kleine Hilfsorganisation „Bürgervereinigung Solidarität“ von Zemira Gorinjac verteilt Spenden an Flüchtlinge aus Irak, Iran, Afghanistan oder Nigeria, die im bosnischen Bihać gestrandet sind. Die kleine Stadt fühlt sich von der EU im Stich gelassen.

Der Weg führt durch die Wälder, vorbei an oder mitten durch Minenfelder, wer weiß das schon. Sie kennen sich hier nicht aus. Es ist ein Spiel. Mit der kroatischen Polizei und mit dem Leben. „Wir hatten es nach Kroatien geschafft“, sagt einer. „Dann sind sie gekommen und haben uns mit ihren Knüppeln verprügelt. Überall hatte ich blaue Flecken

33


INTERVIEW REPORTAGE

und Schmerzen. Dann haben sie unsere Smartphones zerschlagen. Sie wissen, dass wir die für unsere Navigation brauchen. Wir mussten unsere Schuhe ausziehen und wegwerfen. Dann haben sie uns nach Bosnien zurückgetrieben wie Vieh.“ Emmanuel ist vor zwei Jahren in Nigeria aufgebrochen. „Ich hatte keine Wahl, glaubst Du, ich würde hier sitzen, wenn ich eine gehabt hätte? Hier will ich auch nicht sein. Ich will nach Deutschland oder Italien. Ich will leben, ich will arbeiten. Ich will mich wieder als Mensch fühlen.“ Jeder Staat darf illegale Migranten abweisen. Das ist jedoch u.a. durch die Europäische Menschenrechtskonvention an Bedingungen geknüpft. Das EU-Mitglied Kroatien hält sich nicht daran. An der unsichtbaren Mauer an der EU-Außengrenze bleiben die Menschenrechte auf der Strecke.

Minenfelder aus dem Bosnienkrieg und die als brutal geltende kroatische Grenzpolizei machen den Grenzübertritt zu einem gefährlichen „Spiel“, wie es die Flüchtlinge nennen. Bei den illegalen „Push-Backs“ zurück auf bosnisches Territorium werden regelmäßig Flüchtlinge misshandelt und verletzt.

34

„Die Touristen bleiben weg“ Nur zehn Fußminuten von „Mama“ und den Migranten entfernt, stellt Leyla das Abendessen für ihre Familie auf den Tisch. Leyla ist 50 und arbeitet für 250 Euro Monatslohn in einem Lebensmittelladen. Ihr Mann Suljo ist arbeitslos und verdient als Handwerker nur ein bisschen dazu. Der 22-jährige Sohn ist ein kleines Genie am PC und hat wie fast alle jungen Leute in Bihać nur einen Traum: weg von hier. Es gibt kaum Arbeitsplätze, die politische Situation ist festgefahren, kaum etwas bewegt sich. Korruption und Vetternwirtschaft blockieren positive Entwicklungen. „Hier habe ich keine Zukunft“, sagt der junge Mann. Der Großvater lebt im selben Haus. Er hat als pensionierter Staatsdiener eine Hungerrente, mit der sich ohne Hilfe einer in Deutschland lebenden Tochter kaum leben ließe.


Anzeige

Bihać ist erneut Brennpunkt. Die Stadt wurde während des Krieges allein gelassen. Die damalige Europäische Gemeinschaft schaute weg. Heute passiert ähnliches. In der Stadt stauen sich die Flüchtlingsströme in Richtung EU und niemanden kümmert es. Die Minenfelder aus dem Krieg und kroatische Polizeiknüppel bilden eine unsichtbare Mauer. Deshalb kommt kaum noch ein Flüchtling in Deutschland an. Nicht, weil es keine Flüchtlinge mehr gibt. Während europäische Politiker das als „erfolgreiche Flüchtlingspolitik“ feiern, erwartet Bürgermeister Fazlić ein humanitäres Desaster: „Wenn der Winter zu Ende ist und wieder Bewegung in die Fluchtrouten kommt, dann wird Bihać überrannt. Was sollen wir tun?“

30.3.– 22.9.2019 | HMKV im Dortmunder U

Bürgermeister Surhet Fazlić sagt: „Das Geld geht nach Sarajevo, die Flüchtlinge gehen nach Bihać. Die Regierung in Sarajevo bekommt EU-Gelder. In Bihać ist davon noch kein Cent angekommen.“ Am Anfang haben die Biscani allein den Menschen geholfen. Jetzt ist die IOM da, das UNHCR und andere Organisationen. Sie kümmern sich um Unterbringung und Verpflegung der Migranten. Aber es seien zu viele, sagt Fazlić. Angrenzende Staaten schicken Flüchtlinge nach Bosnien, und in Sarajevo angekommen werden sie nach Bihać transportiert. „In der Republica Srbska (Anmerk. d. Autors: durch serbische Aggression entstanden, später im Dayton-Vertrag festgeschrieben), der serbischen Teilrepublik Bosniens, gibt es gar keine Flüchtlinge“, sagt Fazlic. „Alle werden hier hin gebracht.“

Über Rechtspopulismus im Netz

„Was sollen wir tun?“

HMKV.de

ALT–RIGHT KOMPLEX

Auf den Straßen von Bihać mit seinen etwa 60.000 Einwohnern gehörten Menschen mit dunklerer Hautfarbe bereits zum Alltag. Bis Anfang 2018 waren das Touristen aus Saudi-Arabien. Sie hatten die wundervolle Landschaft um Bihać für sich entdeckt. Das Una-Tal ist einzigartig schön, genauso wie der Naturpark Plitvicer Seen in unmittelbarer Nähe. Es gab Arbeit für viele Einwohner, neue Hotels wurden gebaut. Die stehen jetzt leer. Seit die Migranten kommen, bleiben die Touristen weg.

in Kooperation mit

Der

Trotzdem gibt er Migranten Essen, warme Kleidung, alles was er entbehren kann. Das Teilen hat er im Krieg gelernt. „Die Migranten tun mir leid“, sagt Leyla. Aber was sollen wir tun? Wir haben doch selbst kaum etwas. Außerdem sind es so viele in einer so kleinen Stadt. Das ist zu viel. Die EU muss etwas tun. Und so viele junge Männer sind das. Meine Tochter ist 15, ich lasse sie abends nicht mehr aus dem Haus. Ich habe Angst. Einbrüche gibt es auch. Schrecklich ist das alles.“

35


SOZIALES

Das Urteil hat hohe Wellen geschlagen: Die Nichtregierungsorganisation Attac ist nicht gemeinnützig – so sieht es zumindest der Bundesfinanzhof und hat ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts kassiert. Die Entscheidung könnte Folgen für politisch aktive gemeinnützige Organisationen haben. BürgerrechtlerInnen fürchten Versuche, auf diese Weise missliebige Kritiker mundtot zu machen. Von Alexandra Gehrhardt Fotos: Pacific Press / Alamy Stock Photo, Steffen Holzmann, Dirk Planert

36


Wenn Zivilgesellschaft zu politisch ist Im Kern geht es um die Frage, auf welche Weise gemeinnützige Organisationen politisch Stellung beziehen dürfen, wenn sie als gemeinnützig anerkannt werden wollen. Das bringt vor allem steuerliche Vorteile: Gemeinnützige Organisationen zahlen weniger oder keine Körperschaftsund Umsatzsteuer – und: Sie können Zuwendungen aus staatlichen Töpfen erhalten und Spendenquittungen ausstellen, die SpenderInnen wiederum beim Finanzamt geltend machen können. Die sogenannte Abgabenordnung legt fest, dass Organisationen dann gemeinnützig sind, wenn sie das Ziel haben, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichen Gebiet selbstlos zu fördern“. 25 Vereinszwecke sind aufgelistet, die steuerlich anerkannt werden, zum Beispiel Umweltschutz, Sportförderung, die Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte. Oder die „Förderung des demokratischen Staatswesens“. Hier verortet sich Attac. 1998 in Frankreich gegründet mit der Forderung nach einer Steuer auf globale Finanzströme, befasst sich das Netzwerk heute mit allen möglichen Themen der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die deutsche Sektion, organisiert über den Trägerverein Attac e.V., setzt sich für die globale Armutsbekämpfung, Geschlechtergerechtigkeit oder ein bedingungsloses Grundeinkommen ein. Zum Bildungsangebot zählt Attac Kongresse, Diskussionsveranstaltungen oder Texte.

Kein „allgemeinpolitisches Mandat“ Der Bundesfinanzhof sieht in der Arbeit aber keine politische Bildung, sondern vielmehr die „Verfolgung politischer Ziele“ – und die sei, anders als das Hessische Finanzgericht 2016 entschieden hatte, nicht gemeinnützig. Die Begründung: Politische Bildungsarbeit setze „ein Handeln in geistiger Offenheit voraus“; Attac versuche aber, „Forderungen zur Tagespolitik in ‚Kampagnen‘ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen“. Was bedeutet das für zivilgesellschaftliche Einrichtungen, die staatliches Handeln kritisieren? Der Bundesfinanzhof sagt zwar auch, dass sich gemeinnützige Organisationen durchaus politisch betätigen dürften. Der Verein zur Sportförderung darf also mehr politische Unterstützung, der Mieterverein mehr bezahlbaren Wohnraum fordern. Ein „allgemeinpolitisches Mandat“ haben sie aber nicht.

Oben: Dem VVN-BdA mit seiner Ehrenvorsitzenden, der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, droht in NRW die

Darum sehen BürgerrechtlerInnen darin einen Weg, Kritik aus der Zivilgesellschaft zu verdrängen. „Über die Gemeinnützigkeit kann man systematisch bestimmte Stimmen aus dem Diskurs ausschalten“, sagte zum Beispiel Ulf Buermeyer, Berliner Richter und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte, als er im BundestagsFinanzausschuss als Sachverständiger zum Thema auftrat. Unter dem Schlagwort „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig“ fordert außerdem eine Allianz aus 80 Organisationen, die Abgabenordnung insgesamt zu

Aberkennung der Gemeinnützigkeit, weil die Organisation in Bayern als „linksextremistisch beeinflusst“ gilt. Unten: Als klageberechtigter Verbraucherschutzverband hat die Deutsche Umwelthilfe Städte auf die Einhaltung bestehender Luftschadstoffgrenzwerte verklagt. Die CDU will deshalb die Gemeinnützigkeit der DUH prüfen lassen.

37


SOZIALES

modernisieren, die Möglichkeiten politischer Betätigung auszuweiten und auch Zwecke wie Menschenrechte, die Rechte von Homo-, Bi-, Trans- und Intersexuellen oder Kinderrechte mit einzuschließen, die bisher nicht vorkommen.

Gegen Umwelthilfe und Antifaschisten Als Kritikerin gilt auch die Deutsche Umwelthilfe DUH. Sie hat in den vergangenen Monaten in mehreren Städten Dieselfahrverbote erstritten und so Autofahrer, Automobilkonzerne und Politik gegen sich aufgebracht. Mehr als 163.000 Menschen forderten per Onlinepetition, der DUH die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Die CDU hat eigens auf ihrem Parteitag beschlossen, sich für die Prüfung der DUH stark zu machen, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Kanzlerin Angela Merkel äußerten sich ähnlich. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass für die Zu- oder Aberkennung der Gemeinnützigkeit Finanzbehörden und nicht Parteien zuständig sind. Bei der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) hat das Ringen schon begonnen. Im Januar, teilte die VVN mit, hätten der NRW-Landes- und mehrere Kreisverbände Post von ihren Finanzämtern erhalten, in denen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit angekündigt wurde – rückwirkend. Einzige Begründung: Als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ taucht der Bundesverband im bayrischen

Verfassungsschutzbericht auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg von Überlebenden und Hinterbliebenen des Holocaust gegründet, unterstützt die VVN-BdA ehemals Verfolgte und Angehörige, und das unter explizit antifaschistischem Grundkonsens und auch mit linksradikalen Bündnispartnern. Ehrenvorsitzende ist die 94-jährige Künstlerin und Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano. Die VVN ist empört. „Für uns ist völlig klar, dass das ein konzertierter Vorgang war“, sagt Bundessprecher Ullrich Sander. Und: „Die Regierung Laschet hat offenbar den Anspruch, sich an die Spitze der politischen AntiAntifa zu stellen.“ Die Gemeinnützigkeit anderer Organisationen steht währenddessen nicht zur Debatte – die der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik zum Beispiel, eines Interessenverbands der Rüstungsindustrie. Oder die des Vereins Uniter, eines Netzwerks

von aktiven und ehemaligen Spezialkräften aus Bundeswehr und Polizei. Nach Recherchen der „tageszeitung“ soll sich innerhalb des Vereins ein extrem rechtes Netzwerk aus Mitgliedern der Sicherheitsbehörden gebildet haben, das Zivilisten in Militärtechniken ausbildet und sich auf einen „Tag X“ vorbereitet, an dem auch die Entführung und Tötung politischer Gegner vorgesehen ist. Für Attac geht es nun zurück zum Hessischen Finanzhof, der unter den nun enger gesteckten Grenzen erneut entscheiden muss. Die VVN hat die NRW-Finanzverwaltung in ihrer Stellungnahme scharf kritisiert. Ob eine Online-Petition und ein offener Brief von Parlamentariern an die Landesspitze helfen, wird sich zeigen. Möglich, dass das Ringen um die eigene Gemeinnützigkeit in Zukunft noch deutlich mehr Vereine beschäftigen wird.

Anzeige

KATH. ST.-JOHANNES-GESELLSCHAFT DORTMUND gGmbH

Kranken- und Pflegeeinrichtungen 01 St.-Johannes-Gesellschaft Anzeige BODO 135x65_5mm Feb 2019.indd 1

38

14.01.2019 12:01:10


BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Migration und Handel Warum sind in Europa flächendeckend populistische Bewegungen auf dem Vormarsch – und warum unterscheiden sie sich so stark voneinander? Der Bremer Politikwissenschaftler Philip Manow beschreibt Populismus als Reaktion auf die je nach Region sehr unterschiedlichen Zumutungen der Globalisierung: Migration und Handel. Verkürzt lässt sich das so beschreiben: In Mittel- und Nordeuropa mit ausgebauten Sozialstaaten, hoher Produktivität und Außenhandelsüberschüssen organisiert sich populistischer Protest gegen die Belastung der Sozialsysteme durch Fluchtmigration: Arbeitsmarkt-Insider wählen rechtspopulistische Parteien. In Großbritannien (oder den USA) drängen Arbeitsmigranten auf wenig geschützte Arbeitsmärkte. Rechtspopulistische Mobilisierung erfolgt zum Schutz der eigenen, prekären Arbeitsplätze. In Südeuropa ist soziale Sicherung klientelistisch organisiert, Migranten arbeiten auf informellen Arbeitsmärkten und sind keine Bedrohung. Hier mobilisieren die Folgen von Freihandel und Austeritätspolitik linke populistische Bewegungen. Die „Politische Ökonomie“ ist eine materialistische Theorie des Populismus und liefert durch ihre Wahl der Analyseebene eine neue Perspektive, alles erklärt sie trotz Manows grimmig formuliertem Alleinvertretungsanspruch nicht. Philip Manow | Die Politische Ökonomie des Populismus ISBN: 978-3-518-12728-5 Suhrkamp | 160 S. | 16 Euro

Inwertsetzung Gentrifizierung ist die Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten durch wohlhabendere im Zuge der baulichen Aufwertung einer Nachbarschaft, eines Viertels. Lisa Vollmer, die an der Bauhaus-Universität Weimar forscht und lehrt, hat eine Einführung auf dem Stand der Forschung und eine Art Praxishandbuch in einem vorgelegt. Sie aktualisiert damit die inzwischen fast zehn Jahre zurückliegenden Einführungstexte „Wir bleiben alle“ von Andrej Holm und „Gentrifidingsbums“ von Christoph Twickel, die in Deutschland die breitere Debatte über Gentrifizierung und ihre Folgen begründet hatten. Vollmer stellt in der ersten Hälfte ihres Buches Definitionen, Erklärungsansätze und Diskurse vor, beschreibt Abläufe, Folgen und Dynamiken von Gentrifizierungsprozessen. Das ist sehr dicht und zwangsläufig theoretisch, aber sehr gut lesbar. Die zweite Hälfte versammelt sie Beispiele von MieterInnenprotesten aus ganz Deutschland gegen die Inwertsetzung ihrer Nachbarschaften und zeichnet erfolgreiche Strategien nach. Lisa Vollmer liest und diskutiert am 9. April um 19 Uhr im Alsenwohnzimmer in Bochum und am 10. April um 19 Uhr im Nordpol in Dortmund.

Kein Ruhestand Die Münchener Ethnologin Irene Götz hat mit ihrer Forschungsgruppe im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft Armutserfahrungen von Frauen im Rentenalter untersucht und zu einem spannenden Buch gemacht. Mit 50 Frauen zwischen 63 und 85 Jahren wurden Interviews geführt, 18 davon wurden für das Buch zu Fallporträts verdichtet und um die Außenperspektive teilnehmender Beobachtung ergänzt. Dabei fällt auf, wie ethnologisches Arbeiten äußerlich dem journalistischen ähneln kann: Das Ergebnis sind atmosphärische „Reportagen“ über ältere Frauen, die mit (zu) wenig Geld und der Angst vor weiterem Abstieg leben. Die Porträts bilden die Mitte des Buches. Im ersten Teil analysiert Götz essayistisch die gesellschaftlichen und biografischen Faktoren, die zu Altersarmut führen, die Bewältigungsstrategien von Zusatzarbeit bis zum Wirtschaften mit knappen Mitteln, die sozialen und kulturellen Ressourcen, die dabei helfen, sowie die (Zukunfts-)Ängste der Frauen. Der dritte Teil ist nicht weniger als ein Ratgeber unter dem Titel „Was tun, wenn die Rente nicht reicht?“ mit Tipps und Adressen von Anlaufstellen für Betroffene. Eine ungewöhnlich aufbereitete Forschungsarbeit.

Lisa Vollmer Irene Götz (Hg.) | Kein Ruhestand. Strategien gegen Gentrifizierung Wie Frauen mit Altersarmut umgehen ISBN 3-89657-688-7 ISBN: 978-3-95614-292-5 Schmetterling | 163 S. | 12 Euro Kunstmann | 320 S. | 20 Euro 39


KULTUR

Franz Müntefering kriegt ein Fax Wenn die SPD in Dortmund nicht mehr den Oberbürgermeister stellt, fällt wahrscheinlich das Universum in sich zusammen. Es würde das Ende einer seit 1946 währenden Geschichte einläuten: Seit den ersten freien Wahlen nach der Nazi-Zeit regieren in der Ruhrgebietsstadt die Sozialdemokraten. Trotzdem trägt Kabarettist, Musiker und Theatermacher Rainald Grebe die Partei bei seinem Abend „Unsere Herzkammer – 150 Jahre Dortmunder SPD“ im Schauspiel Dortmund zu Grabe. Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski

„Als ich von Kay Voges gefragt wurde, ob ich einen Abend zu 150 Jahren SPD in Dortmund machen will, habe ich erstmal gedacht: Nein“, gibt der in Berlin lebende Rainald Grebe unumwunden zu. „Ich dachte: Auf die Partei hauen ja eh schon alle ein. Und dann ist es auch eine Zeitfrage, sich in so eine Geschichte einzuarbeiten. Das ist ja vermessen, es überhaupt zu versuchen!“ Letztlich erinnerte sich der 47-Jährige an zwei andere Stadtprojekte: „Völker schaut auf diese Stadt – Berlin wählt und Rainald Grebe kann sich nicht entscheiden“ vor der Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus 2011 und das Fußballoratorium „Effzeh! Effzeh!“ vergangenes Jahr in Köln. „Dieser Verlust von Prozentpunkten der SPD und damit von Bedeutung, das erinnert ein bisschen an den Niedergang des FC Köln“, sagt er. „Das ist ein guter Ansatzpunkt, die Ursachen dafür zu finden.“

Seit‘ an Seit‘ Wie in Berlin hat Grebe versucht, Zugang zur Stadtgesellschaft zu finden, wichtige Akteure zu treffen. „Genau wie damals habe ich in der Recherchephase einen tiefen Respekt vor den Lokalpolitikern empfunden, die so ein großes Fachwissen haben.“ Wer nur die Bühnenperson Rainald Grebe kennt, den wird solch ein Satz verwundern. Auf der Bühne ist er angriffslustig, satirisch, schwarzhumorig, einen Rampensau. Bei der Begegnung im Dortmunder Theaterfoyer isst er eine Gemüsepfanne („Jetzt ist ja Fastenzeit“) und gibt sich zurückhaltend, abwägend, nachdenklich, leise. „Ich will ein komplexeres Bild zeichnen, nicht einfach ein Bashing veranstalten, die Leute auch ernst nehmen.“

„Unsere Herzkammer – 150 Jahre Dortmunder SPD – eine musikalische Erinnerung von Rainald Grebe“ Premiere am 30. März im Schauspiel Dortmund weitere Vorstellungen am 6. und 20. April, sowie am 2., 3. und 29. Mai www.theaterdo.de

Das Wörtchen „auch“ ist hier sehr wichtig, weil Grebes Abend natürlich auch satirisch ist und böse Spitzen hat. Er spielt in einem Setting zwischen Kirche, Jubiläumsfeier und Pathologie. Warum Kirche? „Wenn die Genossen voller Inbrunst ihre Lieder singen, ‚Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘‘, dann hat das auch etwas von Gottesdienst.“ Für die Premiere hat sich auch der alte Grande der Ruhrgebiets-SPD Franz Müntefering angekündigt – „man musste ihm immer Faxe schicken, auf E-Mails reagiert er nicht“, verrät Grebe – und bei einer Szene wird es für den Regisseur besonders hart, seine Präsenz im Zuschauerraum zu wissen: „Wenn wir die Partei zu Grabe tragen.“ Ob er wirklich glaubt, dass das geschehen könnte, dass sich die Partei in naher Zukunft selbst abwickelt? „Ich weiß es nicht, deshalb mache ich ja Theater“, sagt Grebe, „aber wenn man zum Bei-

40


41


KULTUR

spiel nach Frankreich oder andere Länder schaut, wo die Sozialdemokraten bei sechs Prozent liegen – vielleicht wird aus der Volkspartei eine Stimme von vielen.“ Solche Sätze sagt er nicht ohne Wehmut: „Genau genommen ist es Alterswehmut. Wenn ich ins Ruhrgebiet komme, dann habe ich das Gefühl, hier existiert dieser alte Westen noch, in dem ich aufgewachsen bin“, sagt er. Grebe stammt aus Frechen bei Köln.

Wie im Puppenspiel, wo ein Schauspieler manchmal 15 Puppen und damit unterschiedlichste Stimmen führt, will Grebe auch in Dortmund ein vielstimmiges Stück auf die Bühne bringen mit

„Einen Durchbruch hatten wir, als uns einfiel, einen Taubenzüchter-Verein zu besuchen“, sagt Grebe, „die sind auch im Niedergang wie die SPD.“ Da erschien ihm auf einmal realistisch, mit einem Wust aus politischen Meldungen im Rücken ein lebendiges Stück auf die Bühne zu bringen.

Puppenspieler Als er sich nach dem Abitur aus der Region verabschiedete, zog es ihn nach Berlin. Rainald Grebe schlug sich als Straßenkünstler durch, wollte „alles alleine machen“ und fand sich schließlich im nischigen Studiengang Puppenspiel an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin wieder. Da lernte er auch das Theater der Dinge mit Ausgewähltem vom Schrottplatz kennen – oder das traditionelle Kasperle-Handpuppenspiel. „Davon habe ich mir definitiv etwas beibehalten“, sagt er, „manchmal sind ja auch Menschen wie Puppen.“ Im Dortmunder Stück inszeniert er zum Beispiel ein SPD-Museum mit Automaten, auf die man drücken kann und dann machen die Menschen Bewegungen wie Maschinen. Und für das nächste Projekt treibt es ihn ans renommierte Puppentheater Halle.

pott-Englisch („Welcome waia Internet to Doatmund“) begrüßte. Mediennachrichten über einen Prostituierten-Skandal eines ehemaligen SPD-Granden oder das Neuwahl-Desaster von 2010/12.

professionellen Schauspielern und Laien. Mit Andreas Beck steht einer der Stars des Ensembles neben zum Beispiel dem Bergmannschor Lünen und dem Chor der Tafel Dortmund.

Strippenzieher Bei seinen Recherchen in Dortmund stieß Grebe auf die Stimme des aktuellen Oberbürgermeisters Ullrich Sierau, „der den Namen SPD kaum noch in den Mund nimmt und lieber von Start-Ups und Computertechnologie spricht“. Auf die Stimme des Ex-OB Günter Samtlebe, der auf Dortmunds erster Internetpräsenz internationale Gäste im breitesten Ruhr-

Komplett schwarz malen wird er im Stück übrigens wahrscheinlich nicht: „Das Recherchekollektiv Correctiv.Ruhr hat mir glaubhaft versichert, dass die AfD in den Ruhrgebietsstädten keine Schnitte bekommt, dass die anderen Parteien zusammenhalten und dafür sorgen, dass sie nicht in wichtige Ämter kommen.“ Außerdem glaubt Rainald Grebe, dass der Filz im Ruhrgebiet rückläufig ist, dass mit dem Niedergang der großen Industrien und Gewerkschaften auch die Netzwerke löchriger werden und nicht mehr in erster Linie Cousins von Würdenträgern Chancen auf ein Amt bekommen. Ob er die SPD selbst noch wählen würde: „Ich hab die mal gewählt“, verrät er.

Anzeige

Alles aus einer Hand! in den Senioreneinrichtungen der Familie Mohring

TagesPflege

In Dortmund • Seniorenhaus Gartenstadt, Kohlgartenstraße 5 • Seniorenhaus Kurler Busch, Kurler Straße 134 In Lünen • Seniorenhaus Wethmar Mark, Wethmar Mark 76 Ambulante In Holzwickede Pflege • Seniorenhaus Neue Caroline, Carolinenallee 15 • Betreutes Wohnen in Holzwickede an drei Standorten Ansprechpartner bei der Zentralen • Ambulanter Pflegedienst Caroline, Nordstraße 2 Verwaltung in Lünen, Merschstraße 20 • Tagespflege Caroline, Nordstraße 2 Unsere kostenlose Servicenummer: In Iserlohn 0800 – 792 32 56 • Seniorenheim Gerlingsen, Hülsebuschweg 32 In Dortmund www.pflege-mohring.de In • Hagen Seniorenhaus Gartenstadt, Kohlgartenstr. 5 • Tagespflege Am Markt, Brüderstraße 21 • Seniorenhaus Kurler Busch, Kurler Str. 134 In Selm Pflege-Wohn• Seniorenresidenz Selm, Ludgeristraße 123 mit Tagespflege und Service-Wohnen In Lünen • Pflege-Wohngemeinschaften mit ambulanten Pflegedienst, Ludgeristraße 100 • Seniorenhaus Wethmar Mark, Wethmar Mark 76 gemeinschaft 42

In Holzwickede • Seniorenhaus Neue Caroline, Carolinenallee 15 • Betreutes Wohnen in Holzwickede, Ambulanter Pflegedienst Caroline

Tages-

Ambulante

Pflege

Pflege

Wohnen mit Service

Pflege-Wohngemeinschaft Wohnen mit Service

Stationäre Pflege


Eine Frage, Herr Poggel:

Was tun bei einem Bienenschwarm im Garten? Mit den wärmeren Temperaturen halten auch die Bienen wieder Einzug in unsere Gärten und Parks. Ab Mitte April begeben sich Bienenschwärme auf die Suche nach einer neuen Behausung. Dabei kann es vorkommen, dass sich ein Schwarm von bis zu 20.000 Tieren an einem Ast niederlässt, um von dort aus einzelne Kundschafterbienen auszusenden. Doch was ist zu tun, wenn sich ein ganzer Schwarm auf dem Balkon oder im heimischen Garten niederlässt? Steven Poggel, Vorsitzender des Imkervereins Dortmund-Hombruch

„Eine Gefahr geht von so einem Schwarm erst einmal überhaupt nicht aus, und sofern man nicht unter besonderen Allergien leidet, sollte man die Chance nutzen und sich dieses Naturschauspiel ansehen“, sagt Steven Poggel, Vorsitzender des Imkervereines DortmundHombruch. „Als nächstes sollte man sich an den lokalen Imkerverein wenden, damit dieser den Schwarm einfängt und abholt.“ Nicht weil die Tiere eine Gefahr darstellen, sondern weil wildlebende Honigbienenschwärme nur sehr geringe Überlebenschancen haben. Der Hauptgrund dafür ist die aus dem asiatischen Raum stammende Varroamilbe. Während man als Imker die Möglichkeit hat, die Tiere mit diversen Maßnahmen gut durch den Winter zu bekommen, ist es so, dass wildlebende Honigbienenvölker, die von dieser Milbe befallen sind, den Winter meist nicht überleben.

Auch wenn man Bienen natürlich zuerst mit Honig in Verbindung bringt, ist die Bestäubung von ca. 75 Prozent aller Nutz- und Kulturpflanzen eine der Hauptaufgaben der Biene und macht sie nach Rind und Schwein zum drittwichtigsten Nutztier. Neben Honigbienen gibt es viele allein lebende Wildbienen, die auch unter Umwelteinf lüssen zu leiden haben. Diesen Tieren kann man

Die Bestäubung von ca. 75 Prozent aller Nutz- und Kulturpflanzen macht die Biene nach Rind und Schwein zum drittwichtigsten Nutztier. als Gartenbesitzer mit der passenden Bepf lanzung helfen, genug Nahrung zu finden. „Ganz besonders wichtig ist es, bei der Aussaat darauf zu achten, dass es sich bei den Blumen um einheimische Pflanzen handelt“, so Poggel. Oft bestehen die Samenmischungen, die man im Super- oder Baumarkt kauft, nicht aus heimischen Pflanzen. Die sehen zwar hübsch aus, nützen aber den rund 500 heimischen Wildbienenarten nicht als Nahrungsquelle. Darüber hinaus spiele Diversität bei der Bepf lanzung eine große Rolle, da viele Wildbienen hochspezialisiert sind und sich nur für bestimmte Pflanzenarten interessieren.

Anzeige

Kommse bei, hörse zu, machse mit!

Dortmunder Selbsthilfetag

18. Mai 2019 12.00 bis 17.00 Uhr Reinoldikirchplatz

43


LESERPOST & MEINUNGEN

BODO-SHOP Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Mail oder kommen Sie vorbei. Wir freuen uns auf Sie.

1|2 1 | Machen Sie uns wetterfest! Eine Regenjacke für einen bodoVerkäufer. Spenden Sie eine Jacke gegen Wind und Regen für einen Verkäufer des Straßenmagazins.* 10 Euro

bbobobdobdodododoo

3

N ZIN ZIN ZIN N ZIGA GA GA MA MA MA MA ENGA EN EN EN ENM AG AZI SS SS SS SS ASS ST STR ST SRA SRA ST SRA STSRA DA DA DA DA SDA D D D

DV DV DV DVD DVD

en besten n besten besteDie Die best Die Die ten Die besten en en ichten GeschichGescehicht Gescehicht Gesch e Geschichten Straß auf der auf der Straß auf der Straß auf der Straße auf der Straße

o o o 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Euro 2,50 Euro e e e Hälfte Die HälftDie HälftDie HälftDie Hälfte den für den für den Die für den für r für den VerkäufeVerkäufer Verkäufer Verkäufer Verkäufer

DODO BO ODO ODBO BOBDOBO MM FIL LM LM RFIL FI LRM FI FIRDE DEDE e sgabe DEDRER gab erau Sond Sonder aus DVD

gabe be abe erausrausga usgSonde SonderaSond ive DVD sive DVD DVD DVD esive inklus inklu ive usiv inklu inkl ink lus im Heft im Heft im tHeft im tHef im Hef

4|5

2 | Ziehen Sie uns warm an! Ein Kapuzenpullover für einen bodo-Verkäufer. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die Anschaffung eines warmen Kapuzenpullovers.* 15 Euro 3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro zzgl. 2 Euro Versand 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro zzgl. 4,90 Euro Versand

6

* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

44

bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

bodo 03.19

Kommentar „Fakten sehen dich an“ Gerne äußere ich mich zum zweiten Satz in Ihrem oben genannten Artikel (Den Umgang mit Daten lerne man nicht in der Schule, d. Red.). Statistik oder auch Stochastik ist über mehrere Schuljahre Element der Mathematik in allen Schulformen in NRW. Da geht es um Zufall, Wahrscheinlichkeiten, Boxplot mit kleinstem/größten Wert, unteres/oberes Quartil, Median und natürlich auch den Durchschnitt. Natürlich ist dieses Kapitel wichtig zum sinnentnehmenden Zeitunglesen. Sonst unterliegt man genau den Fehlschlüssen, die ein Autor von Statistik uns in seinem Sinne als wahr einprägen möchte. Daher ist es besonders wichtig, dass der Zeitungsmann, der eine Statistik veröffentlicht, diese auch kritisch-sachkundig kommentieren kann. Mit freundlichen Grüßen – auch an Ihre Kollegen und Kolleginnen – und Anerkennung für die Gestaltung des Straßenmagazins, H. J. bodo 03.19

„Entkoppelt“ In Ihrer Märzausgabe habe ich mit großem Interesse den Artikel namens „Entkoppelt“ gelesen. Viele der Informationen waren mir nicht bekannt, zum Beispiel, dass nur wenige Straßenkinder wirklich Kinder sind, die meisten aber 18 oder 19 Jahre alt. Am Samstag bin ich nach Dortmund gefahren und habe mir die Ausstellung im Bahnhof angeschaut. Die Geschichten über die jungen Menschen waren sehr berührend und die Fotos sehr gut. In der Bahnhofshalle wirkten die Tafeln trotzdem etwas lieblos an den Rand gedrängt. Hätte ich es nicht in der bodo gelesen, wäre ich vielleicht vorbeigegangen. Es lasen aber viele Leute die Texte, so dass man manchmal sogar warten musste. Vielleicht hatten es alle in der bodo gelesen. Danke für den Tipp., R. M. bodos Bücher

„Sehr gut“ Ich bin sehr zufrieden. Der Zustand des Buches war als „gut“ angegeben worden. Ich finde ihn sogar „sehr gut“. Außerdem erhielt ich die Sendung zwei Tage früher als angekündigt. Danke! Demnächst werde ich wieder bei bodo e.V. bestellen! H. R., Kundenbewertung bei amazon Unsere Onlineshops bei den Portalen Booklooker, ZVAB, amazon und unser eBay-Charity-Shop haben tausende, meist zu 100 Prozent positive Kundenbewertungen. Mehr auf bodoev.de


RÄTSEL

Im März machte die Wanderausstellung „Entkoppelt“ unserer Hamburger KollegInnen Annabel Trautwein und Mauricio Bustamante mit Porträts und autobiografischen Texten von Straßenjugendlichen Halt im Dortmunder Hauptbahnhof – viel frequentiert von Besuchern und Reisenden.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0

bodo 03.19

„Der Wolf ist ein Fischkopf“ Nichts für ungut, aber wenn es nach mir ginge, hättet ihr nicht beweisen müssen, dass Wolf Biermann in einem schriftlichen Interview noch verschwurbeltselbstverliebter rüberkommt als in einem mündlichen. Der Rest des Hefts gefällt mir deutlich besser. C. S.

Hygiene der Suppenküche

Wenn wir auf den Sozialstaat stolz sein wollen, müssen wir auch alle Menschen unterstützen, die diesen Sozialstaat tragen und ihrerseits durch ehrenamtliche Arbeit dazu beitragen, unsere Gesellschaft humaner zu gestalten und ganz praktisch Hilfe leisten. Von schönen Worten wird keiner satt, dazu muss schon jemand den Kochlöffel schwingen! Freundliche Grüße, A. M. M.

AUFLÖSUNG HEFT 03.19

Wenn schon ehrenamtlich tätige Menschen diese Unterstützung leisten, ist es ein No-Go, hier Standards von Gewerbetreibenden bei der Zubereitung anzulegen. Natürlich haben Aschenbecher nichts neben Kochtöpfen verloren. Auch haben Menschen, die die Suppenküche aufsuchen (müssen), die gleiche Würde, Umgang und Respekt verdient, da sie genauso Mensch sind wie Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Allerdings wäre hier bei dieser Prüfung Fingerspitzengefühl nötig gewesen, und vielleicht auch Hilfe „auf kleinem Dienstweg“.

45


VERKÄUFERGESCHICHTEN

Ein Bett und eine Katze

Nach einiger Zeit ohne eigene Wohnung und einigen Tagen auf der Straße hat Bernd wieder eine Wohnungstür, die er hinter sich schließen kann, und einen Mietvertrag. Jetzt hat er uns zu sich eingeladen und mit uns über Zukunftspläne und die Hürden der Wohnungssuche gesprochen. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

A

ls wir uns mit Bernd verabreden, bittet er uns darum, ihn anzurufen, wenn wir da sind. „Ich hab schon eine Menge geregelt. Aber das Klingelschild fehlt immer noch“, erzählt er, während er uns die Tür öffnet. Seit Anfang des Jahres hat er eine kleine Wohnung im Westen Dortmunds. Ein Zimmer mit Kochnische, ein kleiner Schreibtisch, daneben zwei Stühle um einen Küchentisch, an der Wand eine Matratze, auf der er seinen Schlafsack ausgerollt hat. „Es hat eine Weile gedauert, bis ich etwas im ersten Stockwerk gefunden habe. Mit meiner Osteoporose brauche ich das auch. Damit mehrmals täglich mehrere Treppen steigen, ist kein Spaß.“ Bevor Bernd diese Wohnung gefunden hat, hat er einige Nächte in einer Übernachtungseinrichtung für Männer verbracht. „Das Leben in einer Einrichtung kannst du aber nicht vergleichen mit einer eigenen Wohnung. Dort habe ich immer meinen Gehstock an die Tür gelehnt, damit ich sofort wach werde, wenn jemand rein kommt. Auch in den sanitären Einrichtungen dort habe ich mich nie besonders wohl gefühlt, wirklich nicht.“ Ein paar Mal habe er auch draußen im

46

Freien geschlafen. „Eine Bekannte von mir war obdachlos und die wollte ich nicht alleine lassen. Nach einigen Nächten auf dem Boden war mir aber schnell klar, dass das keine Lösung ist.“ Seit einigen Jahren leidet an Bernd an Osteoporose. Auf seinem Telefon sammelt er die Röntgenbilder seiner Gelenke. „Wenn du nichts Eigenes hast, ist eine zu Wohnung finden nicht besonders einfach. Wenn dann noch gesundheitliche Probleme dazu kommen, aus denen sich besondere Anforderungen an deine Wohnung ergeben, wird es richtig schwer.“ Briefe und Behördenpost könne er zwar auch in der Einrichtung der Diakonie für wohnungslose Menschen empfangen, das mache es aber nicht unbedingt einfacher. „Wenn auf deiner Post Rolandstraße steht, dann wissen viele Vermieter gleich Bescheid. Das hinterlässt nicht den besten Eindruck.“ Seine jetzige Wohnung hat er über eine Bekannte bekommen. „Meine Freundin Monika hat mir sehr geholfen. Die ist so ein bisschen die Hausverwalterin hier und hat beim Vermieter ein gutes Wort eingelegt.“ Die meisten Möbel habe

er recht schnell zusammenbekommen. „Zurzeit fehlt es mir hier noch an einem vernünftigen Bett. Darum liegt die Matratze noch auf dem Boden. Wenn das alles erledigt ist, möchte ich mir vielleicht noch mal eine Katze zulegen. Wenn du morgens in dein Bad kommst und es begrüßt dich ein Wollknäuel im Waschbecken, dann ist das einfach ein guter Start in den Tag.“ Auch wenn es zurzeit ganz gut bei ihm laufe, gäbe es doch auch immer mal wieder Rückschläge. „Als ich neulich wieder ein bisschen Stress hatte mit dem Wechsel vom Arbeitsamt zum Sozialamt, und sich daraus finanzielle Probleme ergaben, hatte ich kurz den Wunsch, alles hinzuschmeißen. Aber man will ja irgendwann auch mal irgendwo ankommen. Von der Welt habe ich weiß Gott genug gesehen. Jetzt ist es an der Zeit, mal zur Ruhe zu kommen.“


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Kaum ruft die schwarzgelbe Regierung Talentschulen in NRW aus, zeigen Schülerinnen und Schüler von sich aus, was sie so drauf haben, jenseits von Erörterung und Algebra. Jeden Freitag lassen sie bislang verkannte Begabungen erkennen, in selbstbestimmtem Unterricht. Wer zeigt sich hingegen ohne jedes Talent, irgendetwas zu begreifen? Ein Voll...profi wie Christian Lindner, dem bei den jugendlichen Unternehmungen zum Klimaschutz das Unternehmerische fehlt, das Popperhafte mit Businessplan. Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt Talent zum Muttisound. Sie erinnert daran, dass freitags ja, schlimm, schlimm, schlimm, die Schule geschwänzt werde. Jetzt begreife ich Politik. Vor 40 Jahren habe ich mich als Klassensprecher vor dem Physiklehrer aufgebaut, ihm mitgeteilt, dass wir den Test jetzt nicht mitschreiben werden. Der Lehrer guckte kurz grimmig, schon schrieben 28 von 29 Schülern der 9a brav den Test. Die als erstes umfielen, das waren damals schon diese Annegrets. Sie machen heute große Politik und ich Kleinkunst, um nicht zu verzweifeln. Nun will ich weder für Grüne noch für die SPD Stimmen gewinnen, ich muss mich nicht ranschmeißen an den jungen Protest. Ich könnte das auch gar nicht, inhaltlich hätte ich auch da ein Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

paar störende Fragen. Das muss man dann aushalten. Diese Schulschwänzschwätzerei auch. Man kann dagegen halten, die Regierung solle einfach den grassierenden Unterrichtsausfall auf den „Friday For Future“ legen. Denn was die

SAVE THE DATE: 30./31.8. + 1.9.2019

Fehlstunden angeht, ist diese Landesregierung eine echte Talentregierung. Bei Rotgrün fiel jede 30. Stunde aus. Bei Schwarzgelb ist es nur noch jede 20. – ein Fortschritt, wie jeder hier mit NRW-Abitur bestätigen kann. Solange aber dieses adulte Gejammer nicht verstummt, sollten die Schülerinnen und Schüler ihre Aktionen einfach verbuchen

barett, leinkunst, Ka K k, si u M e g Drei Ta en in der Überraschung Aktionen und ty! Dortmunder Ci

unter „Unterrichtsausfall von unten“.

Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

Unterbezirk Unna

Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

Bleichstraße 8 • 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

Unnaer Straße 29a • 59174 Kamen 02307 - 91 22 10 47


Von Witten aus die Welt verändern. Kultur, Philosophie, Politik, Wirtschaft, Management, Psychologie, Pflegewissenschaft, Medizin und Zahnmedizin. Die UW/H bildet seit 35 Jahren Gesellschaftsgestalter*innen aus!

Studium: uni-wh.de/willkommen Infotage: uni-wh.de/uwherleben

Musiktheater, Schauspiel, Konzerte, Tanz, Performance und Bildende Kunst in den monumentalen Industriearchitekturen der Metropole Ruhr

21. Aug – 29. Sept 48

15% FRÜHBUCHERRABATT BIS 05. MAI 2019 ruhrtriennale.de

Gesellschafter und öffentliche Förderer

#RT19


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.