bodo September 2014

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2.50 Euro | 1,25 Euro für den Verkäufer

bodo

September 2014

GA DAS STRASSENMA

Z IN

Stefan Stoppok | Unterhaltung, Haltung, Über-Haltung Nordstadtdinner | Liebeserklärungen an einen Stadtteil Kunstvoll scheitern | Das Bochumer Westend und die Kultur 1


Mehr unter www.sharedichdrum.de

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INHALT | EDITORIAL

04

Stefan Stoppok Stoppok macht deutschsprachige Rockmusik. Nie konform, immer mit

Gefühl. Er ist kein allwissender Schwätzer oder omnipotenter Prediger, aber auf die Haltung kommt’s ihm an. In ihm steckt noch ganz viel Ruhrgebietsmensch – und der feste Glaube an ein Comeback der Region.

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Von Peter Hesse

Nordstadtdinner 18 Paare aus dem Stadtteil zwischen Hafen und Borsigplatz,

18 Wohnungen und für jeden ein Drei-Gänge-Menü – eine kulinarische Reise durch die Nordstadt, „um Vorurteile aufzubrechen und aufgeschlossene Menschen kennenzulernen“.

18

Von Antje Mosebach

Das Bochumer Westend Eine typische Gegend, wie sie so wächst unmittelbar neben einer Ruhrge-

bietscity. Wild gewuchert, gut runtergekommen, lange abgeschrieben. Das Westend und die Kultur – eine glückliche, eine zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte. Von Tom Thelen

42

Im Frauenhaus Sie kommen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Zu jeder Tages- und Nacht-

zeit. Seelisch und meist auch körperlich verletzt: Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen und Schutz suchen an einem Ort, der Sicherheit und Trost bietet – das Frauenhaus. Von Antje Mosebach

03 Inhalt | Editorial 07 Straßenleben | Wir sind viele 07 Impressum 08 Neues von bodo 15 Kultur | Sommer am U

Liebe Leserinnen und Leser,

16 Kultur | Tatendrang 16 Recht | Internetbewertungen

sind Ihnen auch, just als der Sommer sich verabschiedete, diese Men-

17 Wilde Kräuter | Brennnessel

schen begegnet, die aufgeregt „Nominierungen“ in eine Handykame-

21 Geschichte | Vor 100 Jahren

ra sprachen, bevor sie sich mehr oder weniger halsbrecherisch Eimer

22 Kommentar | Polizei führungslos

mit Eiswasser über den Kopf kippten? Wer sich von den sogenannten sozialen Netzwerken fernhält, ist hier klar im Vorteil: Die Wahrschein-

22 News 23 Die Zahl | Das Foto

lichkeit, von diesem Internet-Charity-Hype schwer genervt zu sein, ist deutlich geringer.

24 Netzwelt | gutschein-zum-gut-sein

Eigentlich zeigt die „Ice Bucket Challenge“ aber, wie grundsätzlich anders Öffentlichkeit

24 Kinotipp | Maps to the Stars 25 Veranstaltungskalender | Verlosungen 32 bodo geht aus | Pottburger

heute funktioniert. ALS, Amyotrophe Lateralsklerose, eine zum Tode führende Nervenerkrankung, kannte kaum ein Mensch vor den Eiseimern. Das Einwerben von Spenden für die Forschung an dieser Krankheit ist ein hartes Brot. Und plötzlich schütten sich

33 bodo-Porträt | Melanie 34 Reportage | Beim Fachwerkrestaurator 38 Interview | Recht auf Stadt Ruhr

Hollywood-Stars, Politiker, Musiker Wasser über den Kopf, Spenden fließen und ALS ist in aller Munde. Das haben jährliche Artikel im Wissenschaftsteil überregionaler Zeitungen nicht vermocht. So gar nicht.

45 Rätsel 46 Leserpost | Comic

Als Mensch, der relativ viel in diesem Internet rumhängt, war es mir dann ziemlich schnell auch zu viel, aber wie bei Tausenden anderen, die für spendenfinanzierte Organisationen

bodo SCHA FFT CHAN CEN

arbeiten, war vielleicht auch ein bisschen Neid dabei. Im August haben sich die sozialen Straßenzeitungen bei ihrer Weltkonferenz wieder den Kopf zerbrochen, wie das milde Desinteresse dem gesellschaftlichen Skandal Obdachlosigkeit gegenüber aufgebrochen werden kann und man neue Ideen entwickelt. Aber keine Angst: Mit Video-Kettenbriefen und kaltem Wasser werden wir es nicht versuchen. Versprochen. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de 3


MENSCHEN

Stefan Stoppok:

Unterhaltung, Haltung, Über-Haltung

„Du musst irgendetwas spielen, eine Persönlichkeit haben und eine Haltung haben. Das dauert seine Zeit, aber du wirst dein Publikum finden.“

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Im Alter von fünf Jahren zieht Stefan Stoppok mitsamt Familie von Hamburg nach Essen. Im Alter von 12 Jahren bekommt er seine erste Gitarre geschenkt, um sich ein Jahr später in seiner ersten Band wiederzufinden. Schon damals erzählt er Geschichten am laufenden Band. Frank Goosen hat das pointierter formuliert: „Stoppok ist das, was man im Ruhrgebiet eine ,echte Fresse‘ nennt, was durchaus liebevoll gemeint ist.“ Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski

Münster im Sommer. Das italienische Restau-

das Lebensglück im Allgemeinen. Dann über

cken. Seine Art ist tausendmal berührender,

rant, vor dem wir uns in Höhe des Aasees

unterschiedliche Arten, Songs zu schreiben,

weil tausendmal mehr passiert.

verabredet haben, hat geschlossen wegen

swingende Groove-Techniken von Schlag-

eines Wasserschadens. Schlimme Regen-

zeugern und öffentlichen Erwartungsdruck.

Er fing in den frühen 1970ern als Straßen-

fälle haben hier vor ein paar Tagen in der

„Du musst wissen, wofür du deine Musik

musiker an, und noch heute spielt er gerne

altehrwürdigen Universitätsstadt vieles

machst. Zurzeit verkommt alles immer mehr

Solo-Touren. Stoppok wirkt sympathisch und

durcheinander gewirbelt. Stefan Stoppok

zu einem Style und einer Marketing-Blase.“

gelassen. So schnell mag ihn nichts aus der

ist plötzlich da. Er ist allein aus Bremen mit

Haut fahren lassen. Dann regt er sich doch

dem Zug angereist. Als Handgepäck trägt

Wie er sich selbst sieht? „Natürlich merkt

über Musikerkollegen auf, die eigentlich aus

er einen schwarzen Leinenbeutel um die

man mir den Ruhrgebietsmenschen an,

seiner Sicht integer sind, aber trotzdem bei

Schulter. Wir gehen einige Meter zu einem

doch ich habe auch einen starken Bezug

„The Voice of Germany“ in der Jury sitzen. Der

Lokal mit Biergarten. Im Hintergrund sägen

zum Norden von Deutschland.“ Nach vielen

passionierte Banjospieler sieht ein gesell-

Landschaftsgärtner angebrochene Äste, die

Jahren in Bayern wohnt er seit ein paar

schaftliches Bedürfnis für echte Musikma-

vom Sturm abgeknickt wurden, von einem

Jahren in der Nähe von Bremen. „Ich hab

cher: „Wenn du Musik machst mit einem

Ahornbaum ab.

schon immer Gegenbewegung gemacht, ich

Gefühl und einer Aussage, die beschreibt, wie

war noch nie konform mit dem, was andere

du die Dinge siehst – dann glaube ich, dass

„Ich hab’ tierischen Kohldampf“, sagt

gemacht haben“, sagt er. Er hat zwei Kinder,

das immer funktioniert. Du musst irgendet-

Stoppok in der schnoddrigen Art, in der

sein Sohn studiert Informatik und hört viel

was spielen, eine Persönlichkeit haben und

er seine Lieder singt. Er bestellt sich einen

Hip Hop. „Ich habe zum Beispiel K.I.Z. über

eine Haltung haben. Das dauert seine Zeit,

griechischen Salat, eine große Flasche

ihn entdeckt. Ist echt gut, was die machen.“

aber du wirst dein Publikum finden, davon

Wasser und einen Kaffee. Dann nimmt

bin ich überzeugt. Du musst wissen, wofür du

das Gespräch Fahrt auf. Wir reden über die

Fans hat der Musiker viele, auch Leute, die

das machst, und nicht, weil du als Zielsetzung

Kinder von Rudolf Augstein, Neil Young und

nicht auf seine Musik stehen, haben viel

einen Maserati vor Augen hast.“

Respekt vor seiner Person. Stoppok macht deutschsprachige Rockmusik. Doch bei ihm

Im Jahr 2000 hat er mit zwei befreundeten

ist es nicht der Soundtrack für Bielefelder

Partnern sein eigenes Label gegründet.

Taxifahrer in cremefarbenen Kunstlederja-

„Ich bin überhaupt kein Businessmensch. Ich habe das gemacht, um meine eigene Unabhängigkeit zu bewahren. Wir sind so etwas wie der letzte Einzelhändler, der nicht von einem Großkonzern aufgekauft wurde.“ In Bremen nimmt er gerade im ehrwürdigen Studio Nord noch die Bonus-Tracks zu seinem

Geboren in Hamburg, groß geworden in Essen Familienstand: Vater von zwei Kindern Beruf: Musiker und Platten-Labelmacher Randnotiz: Platz 1 in den bengalischen Charts mit der indischen Band „You & I“

neuen Album „Popschutz“ auf. Dort haben früher Heintje oder James Last produziert: „Wir haben jetzt wieder alles analog auf Tape aufgenommen. Im Studio waren da so ein paar junge Typen, die dort als Assistenten ar-

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MENSCHEN

„Wir brauchen insgesamt mehr Haltung und weniger Unterhaltung, sondern viel mehr eine Über-Haltung.“

beiten und nebenher Tontechnik studieren, die haben dann echt gestaunt. Die hatten vorher noch nie eine Bandmaschine gesehen, denen war gar nicht klar, dass man das Tonband dann wieder zurückspulen muss.“ Stoppok hört zu, redet überlegt und lacht gerne. Er ist kein allwissender Schwätzer und kein omnipotenter Prediger, der mit Meinungen jongliert, um sein Gegenüber zu bekehren. Im ersten Song des neuen Albums „Auf festem Grund“ findet sich eine Zeile, die sehr gut den Wertekanon des Musikers beschreibt: „Denn wichtig ist nur unser alter Schwur, und dass, wenn wir uns sehen, nicht neben uns stehen, sondern voll konzentriert genau auf den Punkt, ein Herz, eine Seele auf festem Grund.“ Über die Menschen, die zwischen Duisburg und Unna wohnen, behauptet der Volksmund gerne, dass sie ehrlicher als Mundgeruch sind. Auf seine ehemalige Heimat angesprochen sagt er: „Das Ruhrgebiet kommt wieder in den nächsten 10 Jahren, davon bin ich überzeugt.“ Er glaubt fest an ein Comeback von der vom Strukturwandel gebeutelten Region und begründet das schlüssig: „Städte wie Berlin und sogar Leipzig werden immer teurer, was die Mieten angeht. Hamburg kann man mittlerweile gar nicht mehr bezahlen.“ Das sei ein Grund, der andere vielleicht entscheidender: „Was viele einfach übersehen, ist die Subkultur. Die sorgt dafür, dass etwas Neues entsteht. Das schafft keine Förderung, da kannst du noch so viel Geld reinstecken – und die Hochkultur kann da auch nicht mithalten.“ Das klingt schlüssig, Stoppok setzt noch einen drauf: „Vielleicht muss eine Gegend ganz am Boden sein, damit etwas ganz Neues entstehen kann. Was ich so mitkriege, ist, dass immer mehr Kreative ins Ruhrgebiet ziehen. Wenn die sich richtig vernetzen, kann das ein super Bereich werden.“ Ganz am Schluss sagt er noch einen dieser Stoppok-Sätze, auf den Punkt und mit dem Gewicht eines allgemeingültigen Aphorismus: „Wir brauchen insgesamt mehr Haltung und weniger Unterhaltung, sondern viel mehr eine Über-Haltung.“ Neues Album: „Popschutz“ (Grundsound/Indigo)

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STRASSENLEBEN

IMPRESSUM

Internationale Konferenz der Straßenzeitungen in Glasgow:

„Wir sind viele“ 123 Straßenzeitungen in 42 Ländern mit insgesamt 28.000 Verkäuferinnen und Verkäufern im letzten Jahr – zum 20-jährigen Bestehen des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen INSP sind wir eine wirklich große Familie. Im August trafen wir uns mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt in Glasgow. Von Bastian Pütter | Foto: INSP

Herausgeber, Verleger, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Peter Hesse, Wolfgang Kienast, Antje Mosebach, Andreas Müller, Bastian Pütter, Petra von Randow, Rosi, Sebastian Sellhorst, Tom Thelen Titelfoto: Daniel Sadrowski Fotos: Bianka Boyke (16), Felix Huesmann (22), pixelio.de (22), INSP (7), Brigitte Kraemer (3, 42, 43, 44), Tony McKay (23), Sabrina Richmann (3, 12, 13, 14, 15), Daniel Sadrowski (3, 4, 5, 6, 15, 16, 18, 19, 20, 32, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 46), Sebastian Sellhorst (8, 9, 10, 11, 33), Claudia Siekarski (9), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (17) Cartoon: Volker Dornemann Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung) Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Oktober-Ausgabe 10.09.2014 Anzeigen: Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012

Die jährliche internationale Konferenz ist

helfen? Wie können wir unsere Lobbyarbeit

für alle Straßenzeitungsmacher etwas Be-

für Menschen in Armut verbessern? Wie

sonderes. Während wir zu Hause Vereine

werden unsere Magazine trotz knapper Res-

und Einrichtungen überschaubarer Größe

sourcen noch besser? Wie begegnen wir der

und Reichweite sind, machen diese Treffen

Digitalisierung?

erfahrbar, dass wir Teil einer weltweiten Bewegung sind – alle eigen, einzigartig, unabhängig, aber alle mit einer gemeinsamen Idee und gemeinsamen Zielen.

Neben Workshops, Podiumsdiskussionen und Expertenvorträgen von Sozialunternehmern, Journalisten und Werbern sind die jährlichen Konferenzen vor allem eine

Menschen, die herausgefallen sind aus allen

Börse für Innovationen. Erfolgreiche, lokal

Bezügen und am Rand der Gesellschaft ste-

umgesetzte Ideen machen so oft eine welt-

hen, ernst zu nehmen als Handelnde, die ge-

weite Karriere. An der jährlichen „Verkäufer-

willt und in der Lage sind, ihr Leben wieder

Woche“ im Februar beteiligen sich inzwi-

selbst in die Hand zu nehmen, das ist unsere

schen weltweit Straßenzeitungen mit den

gemeinsame Haltung. Ob in Japan oder in

unterschiedlichsten Aktionen, soziale Stadt-

Norwegen, in Argentinien oder Südafrika,

führungen werden inzwischen europaweit

die Erfahrung, dass Menschen nicht Almosen,

angeboten, und parallel experimentieren

sondern eine Chance brauchen, machen die

auf der ganzen Welt Straßenzeitungen mit

Straßenzeitungen weltweit jeden Tag.

bargeldloser Bezahlung oder dem Verkauf

In Glasgow trafen wir uns aber nicht nur, um die vielen wunderbaren Kolleginnen

digitaler Straßenmagazine auf dem klassischen Weg – und teilen ihre Erfahrungen.

und Kollegen wiederzutreffen. Bei unseren

Wir haben wieder eine Menge mitgenommen

Konferenzen wird gearbeitet. Wie können

aus Glasgow und freuen uns auf die nächste

wir unseren VerkäuferInnen noch effektiver

Konferenz!

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0 www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Nicole Hölter, Marcus Parzonka vorstand@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ: 370 205 00, Konto-Nr.: 722 39 00 IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00 BIC: BFSWDE33XXX

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NEUES VON BODO

Blick nach vorn

Kino der Generationen

Erlesener „2. Freitag“

Was gibt die Region an Rhein und Ruhr her?

„Storyboard“ heißt das erste internationale

Dond und Daniel lassen am 12. September

Wo liegen ihre Schwächen, wo ihre Stärken?

Filmfestival rund ums Alter, das Älterwer-

in unserer Kulturreihe „2. Freitag“ Georges

Wo ihre Zukunft? Mehr dazu Anfang Sep-

den und den Dialog zwischen den Generati-

Perecs „Was für ein kleines Moped mit

tember bei den öffentlichen Werkstattge-

onen in Dortmund – und bodo ist dabei.

verchromter Lenkstange steht dort im Hof“

sprächen im ehemaligen Ostwall-Museum. Anlass für die Veranstaltungen ist die Ausstellung „ideenwettbewerb zukunft metropoleruhr“, die Akoplan – Institut für soziale und ökologische Planung e.V. nach Dortmund holt und vom 4. bis 9. September im Lichthof des Museumsgebäudes zeigen wird. Zusammengestellt wurden die Wettbewerbsergebnisse vom Regionalverband Ruhr (RVR). Kritische Geister aus dem Ruhrgebiet sind eingeladen, sich an den Werkstattgesprächen „Blick nach vorn“ und „Zukünfte des Ruhrgebiets“ zu beteiligen und damit die öffentliche Diskussion zu eröffnen. Auf dem Podium dabei auch Bastian Pütter, bodo-Redaktionsleiter. Eröffnung ist am 4. September um 16 Uhr, die Werkstattgespräche mit Diskussionen laufen am 5. 9. ab 19 Uhr und am 7. 9 ab 12 Uhr. Die Ausstellung ist Fr., Sa., Mo. und Di. von 18 – 21 Uhr geöffnet. Ehem. Museum am Ostwall 7, Dortmund

„Sein letztes Rennen“, „Philomena“, „Nebraska“, „Wenn wir alle zusammenziehen“, „Paulette“ und ein Überraschungsfilm – sechs internationale Produktionen werden vom 7. – 12. Oktober im dazu noch ältesten Kino Dortmunds gezeigt – der Schauburg. „Storyboard – Kino der Generationen“ ist ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft Gerontologie in Film, Literatur und Medien, gegründet von Studierenden des Masterstudiengangs Alternde Gesellschaften und des Weiterbildungsstudiums für Seniorinnen und Senioren an der Technischen Universität Dortmund. Das Foto zeigt den Besuch des „Storyboard“Teams mit Gertrud Löhken-Mehring, Gudrun Vosloh, Ulrich Kloda und Sebastian Volberg (vorne, v.l.) am Schwanenwall beim Medienpartner bodo e.V. Mehr zu Programm und Hintergrund des Festivals im nächsten Heft. www.storyboardfilmfestival.wordpress.com

lebendig werden. Als professionelle Buchhändler wissen Dond und Daniel, was verkauft wird. Als begeisterte Leseratten wissen sie auch, was sie lieber verkaufen würden. Deswegen lesen sie vor Publikum Vergessenes, Verschollenes und Niebekanntgewordenes. Dond und Daniel lesen mit verteilten Rollen, loten die Feinheiten der Sprache aus und lassen Literatur auf diese Weise lebendig werden. Besonderer Charme dieser Lesung: Mit der „Moped-Geschichte“ starteten die beiden ihre Lesungskarriere. Zum Vormerken: Am 10. Oktober kommt Ilhan Atasoy mit seinem Lyrikprogramm „Herr Ober, ein Gedicht bitte!“ Wie immer ist der Eintritt frei. Spenden für unsere Beratungsangebote sind willkommen. bodos Buchladen, Dortmund, Schwanenwall 36 – 38, 19.30 Uhr.

Lesen ist helfen Dank einer schönen Kooperation mit dem

Unser Projekt lebt von der Fluktuation,

Dienstleister „City Life“ werben im Septem-

idealerweise ist der Verkauf des Straßen-

ber wieder große Plakate in den Dortmun-

magazins eine Durchgangsstation. Oft

der U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen für

eröffnet erst der zwanglose Zugang zu

dieses Magazin und eine gute Idee.

unseren Beratungsangeboten den Zugang zu weiteren Hilfen. Die Veränderungen, die

8

Wir freuen uns, dass immer mehr Menschen

VerkäuferInnen bei uns durchlaufen (Zu-

sich für unsere Arbeit und für das soziale

wachs an Selbstvertrauen, selbstständiges

Straßenmagazin interessieren. Je mehr

Erarbeiten von Tagesstruktur und Umgang

LeserInnen es findet, desto mehr Menschen

mit Geld, neue soziale Kontakte usw.), füh-

in Not kann es eine Hilfe sein. Seitdem bodo

ren in vielen Fällen dazu, dass das Angebot

als Magazin erscheint, wächst mit Ihrem

nur vorübergehend wahrgenommen wird

Interesse die Zahl der VerkäuferInnen.

– ganz in unserem Sinne.


www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

Stadtführung Bochum Wie an jedem dritten Samstag im Monat laden wir auch am 20. September zur sozialen Stadtführung nach Bochum. Treffpunkt ist unsere Anlaufstelle in der Stühmeyerstr. 33, los geht es um 11 Uhr.

Kiloweise Bücher

In einer zweistündigen Tour zeigen bodoVerkäufer die Orte, an denen Menschen

Darf’s ein bisschen mehr sein? Marktatmo-

und in Ruhe den Buchladen durchstöbern – ein

sphäre bei uns im Buchladen – jeden Samstag

bisschen Wohnzimmeratmosphäre zwischen

gibt es gut erhaltene Bücher frisch abgewo-

vollen Regalen und Ausstellungsflächen.

gen – nur 1,99 Euro pro angefangenes Kilo.

ohne Wohnung sich aufhalten, und besuchen mit Ihnen Einrichtungen, die den Menschen auf der Straße Hilfe anbieten: Von der Suppenküche bis zur Notschlafstelle, vom

Auch wochentags (Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr)

Tagesaufenthalt bis zu unserem Verkäufer-

Körbeweise Krimis, Romane, Koch- und andere

lohnt der Besuch am Schwanenwall: 10.000

Café. „Teilnahmegebühr“ ist der Kauf eines

Sachbücher haben die bodo-MitarbeiterInnen

Bücher von 1 bis 50 Euro warten in den gut

Straßenmagazins bei unserem Stadtführer.

ausgewählt, aus denen Sie sich Ihren Lesestoff

gefüllten Regalen – darunter hochwertige

zusammenstellen können – doppelt so viel wie

Kunst- und Fotobände. Die ganze Woche über

in der Woche. Alle angebotenen Bücher, die

kosten Bücher auf den Aktionsflächen nur

uns unsere Kunden gespendet haben, sind in

zwei Euro – oder 5 Euro für gleich drei Bücher.

sehr gutem Zustand, manche sogar Neuware.

Handeln erwünscht!

Für diese Aktion haben wir extra Standflächen

Wenn Sie selbst zu Hause guterhaltene Bücher

inzwischen Stadttouren mit Verkäufern

geschaffen, damit Sie eine gute Übersicht ha-

aussortiert haben, dürfen Sie sie gerne bei uns

auf dem Programm. Eine gute Idee für Ihre

ben und Ihre Lektüre aus dem Vollen auswäh-

abgeben. Bei Transportproblemen sprechen

nächste Städtereise? Aber auch vor der

len können. Wir wiegen dann die Bücher auf

Sie uns ruhig an.

Haustür in Bochum sind ganz neue An-

Übrigens: Straßenzeitungen teilen gute Ideen. Mittlerweile bietet auch die von uns unterstützte Neugründung „Shedia“ in Athen soziale Stadtführungen an. Von London bis Basel haben Straßenzeitungen

einer Marktwaage ab. Sie können sich zu un-

und Einsichten zu gewinnen.

seren Öffnungszeiten, 10 – 14 Uhr, Zeit lassen

Anmeldung bitte unter Tel. 0231 – 950 97 80

Rosi, bodo-Verkäuferin in Dortmund Zuletzt gab es ja eine richtige Hitzewelle – für die jungen Leute vielleicht gut, aber für die Älteren eine Plage. Ich selber musste auch ein

Weiterhin gibt es Verkäufer, die zum

paar Tage zuhause bleiben, sonst wäre ich umgefallen.

Teil schon seit Jahren bei uns sind, weil

Wir hatten Verkäuferversammlung und sprachen über viele Themen, z.B.

andere Beschäftigungsformen nicht in-

wo wir überall verkaufen können. Zurzeit ist ja überall was los in der Stadt.

frage kommen und weil die Erfahrungen in der Gemeinschaft und im Kontakt mit Ihnen als stärkend erlebt werden. Auch für sie ist bodo da. Helfen Sie mit, dass noch mehr Menschen in unserer Region erkennen, dass unser Magazin auch etwas für sie sein könnte und dass konkrete Hilfe Freude machen und erstaunlich gut unterhalten kann.

Der Garten rief uns auch zur Arbeit auf. Jetzt müssen wir noch Sträucher beschneiden, dann haben wir alles geschafft. Wir sitzen auch viel im Garten und trinken dort Kaffee. So kann man mit der Nachbarschaft etwas plaudern. Einer Kundin möchte ich besonders Dank sagen. Sie hatte sich mit mir unterhalten und mir ihr Leid erzählt. Sie erwähnte, dass meine Berichte sie wieder aufgebaut hätten. Das fand ich schön, ein wenig Stolz war auch dabei. So weiß ich, dass das Magazin gelesen wird, das finde ich sehr gut. Viele meiner Kunden finden das Magazin sehr toll und kaufen es gerne. Tschüss, Ihre Rosi 9


ANZEIGEN

NEUES VON BODO

lösen?

ends ein Rezept spätab

ends Arznei spätab

benötigt?

Do-City: Mo - Sa bis 21.00 Uhr geöffnet Adler Apotheke Markt 4 - seit 1322 Telefon 57 26 21 www.ausbuettels.de adler@ausbuettels.de

Größtes Arznei-Sortiment in Dortmund

Die bodo-Verkäufercafés Ein Kaffee, ein belegtes Brötchen, Zeit zum Ausruhen, für Gespräche und für unkomplizierte Beratungskontakte – im täglichen Wechsel bieten wir in Bochum und Dortmund Raum für unsere Verkäufer und für Gäste: Ein Angebot, das angenommen wird. „Unsere Verkäufercafés sind Orte, an denen von Armut betroffene Menschen willkommen sind und respektvoll behandelt werden“, sagt Oliver Philipp von bodo. Neben kostenlosem Frühstück geben wir Kleiderspenden und Schlafsäcke an Bedürftige weiter. Vor allem bieten die Verkäufercafés aber die Gelegenheit, unkompliziert und ohne Terminabsprache die Beratungsangebote des Vereins nutzen. bodo berät in allen Fragen rund um Wohnung, Schulden, Ämter und vermittelt im engen Kontakt mit dem Hilfenetzwerk an Fachstellen. Unsere Angebote haben sich inzwischen herumgesprochen, und mittlerweile entscheiden sich immer mehr unserer wohnungslosen Gäste, es mit dem Verkauf des Straßenmagazins zu versuchen – als erster Schritt zu einem Neuanfang.

Mit Ihrer Hilfe Unsere Beratungsangebote und die Versorgung unserer Verkäufercafés sind allein spendenfinanziert. Wenn Sie unsere Verkäufercafés unterstützen möchten: Wir freuen uns immer über Kaffeespenden und auch über zweckgebundene Geldspenden. Schlafsäcke, warme (Herren-) Kleidung und Herrenschuhe sind ebenfalls oft Mangelware. Gerne nehmen wir Ihre Sachspenden in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle entgegen, ebenso wie Ihre Buchspenden. Vielen Dank!

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Stadt der Würde

bodo bildet weiter aus

© by Photocase.de

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Menschenwürde in der Raumplanung – für

Nachdem bodos Auszubildende Julia

ein Semesterprojekt haben sich Studieren-

ihre Ausbildung mit der Note „sehr gut“

de der TU Dortmund auf den Weg gemacht,

abgeschlossen hat und für ihre tollen

zu sehen, ob und wie die Würde von Ob-

Leistungen von der Industrie- und Han-

dachlosen in die Stadtplanung mit einfließt

delskammer geehrt wurde, konnte die

– oder bewusst nicht beachtet wird.

junge Mutter jetzt in eine unbefristete

Dazu machten die Studenten des Projektes „Räumliches Existenzminimum – Obdach-

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

Teilzeitstelle im bodo-Buchladen übernommen werden.

losigkeit in der Stadt der Würde“ eine

Und die erfolgreiche Kooperation zwi-

Stadtführung mit und suchten Menschen

schen dem Bildungszentrum Grone in

und Einrichtungen in Bochum und Dort-

Dortmund und bodo geht weiter. Direkt

mund auf, die den Blick von der Straße her

ins dritte Ausbildungsjahr startet Diana

haben – darunter bodo. Sie sprachen mit

(23, Foto), die bereits zwei Jahre ihrer Leh-

unseren Verkäufern und tauschten mit

re in einem anderen Betrieb erfolgreich

ihnen die Rollen.

absolviert hat und sich jetzt auf ihr drittes

Ihr Fazit: Auch wenn bewusst keine plane-

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Jahr bei bodo freut.

rische Ausgrenzung stattfinde, reiche es

„Das Straßenmagazin lese ich schon seit

nicht, „nicht gegen Obdachlose zu planen“.

einigen Jahren, und auch im Buchladen war

Private Planung lasse immer weniger

ich schon öfter einkaufen, umso schö-

Raum für die Bedürfnisse von Randgrup-

ner finde ich es, dass ich jetzt hier meine

pen, und ohne Nutzungsausgleich seitens

Ausbildung zu Ende machen und am Erfolg

der Stadtplanung sei damit die Menschen-

von bodo mitarbeiten kann“, so bodos neue

würde verletzt.

Auszubildende.

Gute Arbeit FREI!

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REPORTAGE

Nordstadtdinner „Nordsatt“ Liebeserklärungen an einen Stadtteil

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Das Rote-Beete-Carpaccio am Hafen, die Semmelknödel an der Brunnenstraße und das himmlische Dessert in der Kielstraße – köstlich. Aber eigentlich alles nur Beilagen zum Eigentlichen – den lebhaften Gesprächen überzeugter Nordstädter über die Nordstadt beim Nordstadtdinner. Von Antje Mosebach | Fotos: Sabrina Richmann

18 Paare aus dem Stadtteil zwischen Hafen und Borsigplatz, 18 Wohnungen und für jeden ein Drei-Gänge-Menü – die 15. Auflage des Running-Dinners, das das Quartiersmanagement um Heike Schulz zweimal pro Jahr organisiert, „um Vorurteile aufzubrechen und aufgeschlossene Menschen kennenzulernen“. Jeweils ein Zweierteam bekommt einen Gang zugeteilt, mit dem es zwei andere Paare in der eigenen Wohnung bewirtet. Und dabei muss man sich auch schon ein bisschen Mühe geben – denn nicht jeder isst alles, wie auf den Zuteilungslisten vermerkt steht. Für die beiden anderen Gänge sind die Gastgeber jeweils Gast bei einem anderen Team. Heißt: Jeder trifft an diesem Abend auf 12 ihm meist unbekannte Menschen in unbekanntem Umfeld. Perfekter Anlass für Innenansichten eines vieldiskutierten Stadtteils.

Das SEK beim Nachbarn Beim Essen kommt man schnell ins Gespräch. „Es ist so viel besser, jemanden kennenzulernen als an der Theke“, findet Katrin, Studentin der Raumplanung aus der Leopoldstraße, „man hat einfach mehr Zeit“ – und das gemeinsame Wohnviertel bietet sofort Gesprächsstoff. Die Teilnehmer stellen schnell fest, dass die meisten von ihnen schon mehrere Jahre in der Nordstadt leben, ganz bewusst, auch wenn der eine oder andere zunächst zufällig hier gelandet ist. Viele von ihnen sind keine ursprünglichen Dortmunder. Der Job oder das Studium haben sie hierher verschlagen. Sie kommen aus Hessen, Schleswig- Holstein oder Niedersachsen und suchten eine Wohnung, die nicht nur günstig vom Preis, sondern auch günstig gelegen ist. Die fanden sie in der Nordstadt. „Alle Wohnungen, die wir bisher gesehen haben, sowohl bei der Wohnungssuche als auch beim Dinner, sind voll cool“, schwärmt Werner, der für internationale Logistik auf Schienen zuständig ist. Er zog zuerst an den Borsigplatz, dann mit Freundin Julia an den Hafen. Die beiden sind gerade für die Vorspeise zuständig. „Unsere Wohnung war sofort ein Volltreffer“, und Werner meint nicht nur den Wintergarten und die günstige Miete. Es ist auch das Umfeld – ohne es zu verklären. „Für meinen Onkel aus Mallorca war das hier ein Kulturschock“, grinst er. „Es gibt Dinge, die erlebt man nur hier“, hat Julia festgestellt, „wie neulich die Durchsage im Supermarkt: ‚Alle männlichen Mitarbeiter bitte in die hintere Abteilung‘“. Oder wenn das SEK mitten in der Nacht die frühere Nachbarwohnung von Markus stürmt und Freundin Anna vor der gemeinsamen Wohnung in der Brunnenstraße „die Reste eines Junkie-Happenings“ findet. Und fast allen ist schon mal das Fahrrad geklaut worden. Ja, passiert.

„Die Nordstadt ist nicht der Wilde Westen“ Für Anna aus Heppenheim und Markus, die beide für ein junges Modeblog arbeiten, ist die Nordstadt einfach toll – und Kontrastprogramm zu seiner Heimat, dem Sauerland. „Wenn ich mal an der 13


REPORTAGE

Bigge bin, ist das, als ob ich in den Urlaub

wurde alles still, dann gingen die Daumen

an diesem Abend. Die Zwillinge Katja und

fahre. Aber mir ist das Leben hier lieber, mit

hoch und alles ging dann mit ihm weiter,

Nele, die direkt am Nordmarkt eine „tolle

Leuten auf der Straße, mit Kiosken, als da,

mit deutschen Brocken“, erzählt Anna. „Man

bezahlbare Wohnung mit Garten“ haben,

wo die Bürgersteige hochgeklappt werden.“

macht hier keine große Show, man packt

sind begeistert von Initiative und Kraft in

Außerdem werde da unten „einem was um

einfach an“, ist für Werner die Erklärung des

Dortmund, „die Eintrittsschwelle ist so nied-

die Ohren gepfeffert mit den ‚vielen Auslän-

Miteinanders. Anderthalb Stunden sind um.

rig, keiner hat Allüren“.

dern‘“. Aber genau dieses „Multi-Kulti“ ist

Auf zur Hauptspeise.

es, was allen so gefällt, „das fühlt sich mehr nach Realität an“, beschreibt Katrin, „und die Nordstadt ist nicht der Wilde Westen“, hat sie ganz schnell festgestellt. „Klar, wenn

14

Zum Beispiel bei der Aktion des „Kollektiv

„Bunt und schön“ und „keiner hat Allüren“

Nord“, bei dem Romakids „denen die Bude eingerannt haben. Es war toll, die mal kennenzulernen. Sie wurden ja ewig von allem

ich meine Familie zu Hause nicht ernähren

Markus und Anna müssen sich ein bisschen

ausgeschlossen und das ist hart, wenn du

kann und höre, dass es in Deutschland

beeilen – sie sind die Gastgeber und müssen

so aufwächst“, zeigt Nele tiefes Verständnis.

bessere Chancen gibt, dann steig‘ ich auch

noch ein bisschen Hand anlegen: Sie wohnen

Deswegen gehen sie und ihre Schwester auch

in den weißen Transporter“, kann Markus

ganz oben unterm Dach, wo man auch

gerne auf den Nordmarktspielplatz, wenn

den Zuzug vieler Menschen nachvollziehen.

nachts „immer ein leises Gemurmel hört“.

Bekannte mit ihren Kindern auf Besuch

Es ist die Frage des Umgangs, der persönli-

Ein bisschen wie im Süden. Und weil die

sind. „Die Kids kommen viel schneller ins

chen Einstellung und Herangehensweise,

Abendsonne noch so schön warm scheint,

Gespräch“. Unvoreingenommen. Daher

sehen die Dinner-Teilnehmer schlicht.

werden Tisch und Stühle auf die Dachter-

hat es die Zwillinge auch gewundert, dass

Dazu gehört, dass man eben nicht in eine

rasse getragen, Kissen und Decken verteilt.

Erdgeschosswohnung zieht. Das weiß man

Dadurch ist alles viel enger, aber „das ist

und gut. Dafür hat man „einfach schöne

irgendwie Nordstadt, wir rücken einfach

Erlebnisse. Man kennt sich irgendwann,

zusammen“, sieht Elisabeth ganz locker.

Nächstes Nordstadtdinner:

viele Leute sprechen einen dann an“, sagt

Sie begleitet ihre Freundin Simone aus der

Samstag, 22. November 2014, ab 18 Uhr

Werner. „Ich habe in einer Woche mit mehr

Schützenstraße. „Ich bin jedes Mal begeis-

Anmeldungen bis spätestens 12. November

Leuten gesprochen als in Glücksstadt in

tert, wie bunt und schön die Nordstadt ist“.

Heike Schulz, Tel.: 0231 – 841 643 75

einem Jahr“, bestätigt Julia. „Ein Freund hat

Nur bei der Veranstaltung fehlt ihr diese

hafen@nordstadt-qm.de

sich mal in eine Bulgarenrunde gestellt. Erst

Mischung ein bisschen. Das einzige Manko

www.nordstadt-qm.de


KULTUR

ihre Eltern aus dem ländlichen Hessen hier viel lieber „in die bunten Buden“ gehen, als gepflegt ins gute Restaurant. Die Zeit ist zu schnell um. Ab zum Dessert ein paar Straße weiter – mit Gästen, die schon zum achten Mal dabei sind: „Ich finde das total spannend, neue Leute kennenzulernen“, ist Lehrerin Lari wieder begeistert. „Man taucht so ein, wenn man in die Wohnungen kommt. Ich habe einmal Feuer gefangen – und dann kein Dinner mehr ausgelassen“. In

Sommer am „U“ Das Einfache ist Trumpf. Zwei blau gestrichene Frachtcontainer, einer als Bar, der andere als Bühne umgewidmet, gestapelte Holzpaletten, alte Teppiche, Lichterketten: Der Platz vorm Dortmunder „U”, als eher abweisende, graue Betonfläche bekannt und beliebt allenfalls bei einer Handvoll Skatern, ist mit denkbar simplen Mitteln zum beliebten Sommertreffpunkt geworden. Von Wolfgang Kienast | Foto: Daniel Sadrowski

die Wohnungen reinzugucken, findet auch Swantje aus Trier spannend, die die wunderschön dekorierten Blätterteigtaschen mit Waldbeerfüllung verteilt. Sie wurde von einem Freund vor der Nordstadt gewarnt, „das soll wohl gefährlich sein“. Das wollte sie sich angucken, und da sie aus Kiel stammt war die WG in der Kielstraße ein Muss. Und Ingenieur Jochen, der in Karlsruhe studiert hat, versteht jetzt genau, wieso ein Kumpel die Nordstadt immer verteidigt hat. „Würde ich jetzt auch immer tun.“ Die anderen nicken. Da kippt eine Flasche um. Grinsende Gesichter: „Siehste, echt gefährlich hier in der Nordstadt“.

Konzerte, Lesungen und DJ-Sessions

stammtisch“ ans „U“ und Lesungen von

finden hier statt, das Publikum fläzt

Autoren aus dessen Umfeld.

sich auf den improvisierten Sitzgelegenheiten, man trifft sich und quatscht, hört zu oder tanzt, schon am frühen Nachmittag oder nach Feierabend, an jedem Donnerstag und Samstag noch bis Ende September.

„Uns ist wichtig, dass das gesamte Budget der Reihe in diese Szene fließt und nicht im Vorfeld irgendwo in der Verwaltung versickert. Wir wären sonst nicht glaubwürdig“, sagt Vogel. „Wir möchten, dass das ,U‘ als Platt-

„Es ist ja kein Geheimnis, dass das ,U‘

form für Experimente begriffen wird,

ein Akzeptanzproblem hat“, sagt Jasmin

als Ort, den man erobern darf und wo

Vogel, im Haus für Marketingfragen

wirklich jeder hinkommen kann. Et-

zuständig. Gemeinsam mit Marc Röbbe-

was, was sonst nur noch beim Fußball

cke von „Heimatdesign“ entwickelte sie

möglich ist.“

das Konzept für ein kleines Festival, das gezielt die kreative Subkultur der Stadt ansprechen soll. „Wir wollten keinen großen Bühnenzauber veranstalten“, sagt Röbbecke. „Es sollte charmant sein und zu Dortmund passen. Und wir wollten Leute für den Platz gewinnen, die dem ,U‘ gegenüber durchaus kritisch

Die Veranstalter scheinen den richtigen Ton getroffen zu haben, wie das bunt gemischte Publikum zeigt. Es wurden sogar „Erstbetretungen“ des „U“ gemeldet. Über eine Fortsetzung 2015 wird bereits laut nachgedacht. Programm: www.sommer-am-u.de

eingestellt sein dürfen.“ Als Mitstreiter konnte – unter anderem – der „Rekorder“ gewonnen werden. Der Verein aus der Nordstadt brachte Kultveranstaltungen wie den „Vinyl15


KULTUR

Tatendrang – fünf Workshops für ein Festival Auf der Landkarte der freien Theaterszene NordrheinWestfalens ist Dortmund traditioneller Gastgeber. Wenn hier im Spätherbst dieses Jahres das renommierte Festival „Favoriten“ über die Bühnen geht, dürfte ein Teil des Publikums mit neu erworbenem Expertenwissen den Produktionen besondere Aufmerksamkeit schenken: die Mitwirkenden von fünf vorbereitenden Workshops, die einen sehr besonderen Blick hinter die Kulissen werfen konnten. Von Wolfgang Kienast | Foto: Daniel Sadrowski

Linda Goebel, Barbara Feldbrugge (Tatendrang) mit Dr. Ümit Kos,an (VMDO)

Die Vorläufer von „Favoriten“ gehen auf die

innerhalb der Szene viel beachteten, von

„Favoriten 2014“ wird kein Ereignis sein, das

1970er Jahre zurück und beginnen mit dem

außen jedoch kaum noch wahrgenomme-

einem Hubschrauber gleich landet und viel

dringenden Anliegen von gleichermaßen

nen Leistungsschau. Seit 2010, initiiert von

Staub aufwirbelt, nur, dass der sich daraufhin

Lehrlingen wie Studenten, gesellschaftlich

der damaligen Leiterin Aenne Quiñones,

neu verteilt wieder legen kann. Um potenzielle

relevante Themen mit Mitteln des Theaters

öffnet sich das Festival erneut der Stadt

Zuschauer über den üblichen Kreis der Kultur-

im öffentlichen Raum zur Sprache zu

und ihrer Bevölkerung und sucht den für

interessierten hinaus gewinnen und diese

bringen und diskutieren zu wollen. Unter

beide Seiten fruchtbaren Dialog. Dieser vor

möglichst nachhaltig für das Theater und seine

dem zwischenzeitlichen Namen „Theater-

vier Jahren angestoßene Prozess entwickelt

Möglichkeiten begeistern zu können, versuchte

zwang“ wandelte sich das Festival zu einer

zusehends Dynamik.

das Leitungsteam früh, unmittelbare Kontakte

RECHT: Kostenfalle Internetbewertungen?

16

von Rechtsanwalt René Boyke

Wer sich zu einem Produkt oder ei-

öffentlich eine negative Bewertung. Die

es sich bei reinen Meinungsäußerungen

ner Dienstleistung im Internet äußern

Auseinandersetzung gipfelte schließlich

(z.B.: „Das Produkt X gefällt mir optisch

will, kann dies über Bewertungsportale

in einer Schadensersatzklage des Händ-

überhaupt nicht.“). Solche Meinungsäu-

oder händlereigene Bewertungsfunk-

lers gegen den Kunden in Höhe mehrerer

ßerungen sind eigentlich von der Mei-

tionen. Auch aufgestautem Ärger lässt

10.000 Euro. Zwar hat das Landgericht

nungsfreiheit gedeckt. Nicht zulässig

sich so Luft verschaffen. Doch gerade

Augsburg die Klage abgewiesen, dies al-

sind aber beispielsweise Schmähkritiken.

dies birgt Gefahren. So kommt es immer

lerdings nur aus formellen Gründen.

Wann die Grenze zu einer solchen überschritten wird, kann im Einzelfall aller-

häufiger zu gerichtlichen Auseinander-

Kunden, die eine Bewertung abge-

setzungen, deren Ausgangspunkt Kun-

ben wollen, sollten einige Grundregeln

denbewertungen im Internet sind.

beherzigen. Tatsächlich können auch

Auch auf „Empfehlungen“ wie „lie-

dings schwer zu beurteilen sein.

So wie in einem Fall eines Bayern,

rechtswidrige Bewertungen Schadens-

ber woanders kaufen“ sollte man im

der im Internet ein Fliegengitter für 22,51

ersatzansprüche auslösen. So müssen Be-

Zweifel verzichten. So urteilte beispiels-

Euro kaufte. Dieser war mit der dem Pro-

hauptungen (z.B.: „Das Produkt X verfügt

weise das Amtsgericht Bonn, dass dieser

dukt beigelegten Anleitung unzufrieden.

nicht über die Funktion Y.“), grundsätzlich

Zusatz in dem von ihm entschiedenen

Nach einigem Hin und Her zwischen dem

wahr sein. Sehr sinnvoll ist es, sich zu ver-

Fall unzulässig war. Der bewertende Kun-

Händler und dem Kunden beschwerte sich

gewissern, dass man die Behauptung im

de verlor den Rechtsstreit.

letzterer bei Amazon und hinterließ dort

Zweifel auch belegen kann. Anders verhält

www.kanzlei-boyke.de


WILDE KRÄUTER

herzustellen. „Linda (Goebel) und ich haben Verbindung zu mehr als zwanzig Organisationen aufgenommen“, sagt Barbara Feldbrugge. „Wir sind bereits vor Monaten durch die Stadt gestreift, wir haben mit Vertretern von Institutionen gesprochen und vorgeschlagen, dass diese

BRENNNESSEL

von Wolfgang Kienast

zum Beispiel für eine bestimmte Produktion eine Patenschaft übernehmen könnten. Wenn die Leute im Vorfeld Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen, Techniker oder Musiker kennenlernen und etwas über deren Arbeitswelt und

Dass Not erfinderisch macht, ist eine

Schuhe unter Zuhilfenahme von Stroh

Intentionen in Erfahrung bringen können, dann

Binsenweisheit. Zum Thema Binsen

und Lumpen repariert wurden, betrieb

hat das betreffende Stück, wenn es später aufge-

ist in Fleischhauers „Enzyklopädie der

eine Art Volksküche, mit der sie in der

führt wird, bereits etwas Vertrautes.”

essbaren Wildkräuter“ zu lesen, zumin-

Lage war, auf Spendenbasis täglich

dest ihre Samen wären in der Küche zu

3.000 frisch zubereitete Mahlzeiten zu

Dieses gegenseitige Kennenlernen ist unter

gebrauchen. Das habe ich noch nicht

verteilen und versorgte zehn Lazarette

dem Namen „Tatendrang“ eigenständiger

probiert. Unabhängig davon gebe ich

mit Lebensmitteln. Eine resolut auftre-

Bestandteil im Festivalprogramm geworden.

gern zu, froh zu sein, dass es nicht Not

tende Nothelferin, der man im Rahmen

Dazu gehören fünf kostenlose Workshops für

ist, sondern Neugier, die mich zum

ihrer Spendensammlungen besser nicht

Kinder und Jugendliche, in deren Rahmen Büh-

Sammeln ins Grüne zieht. Nicht der

widersprach, eine überzeugte Selbst-

nenkünstler aus unterschiedlichen Disziplinen

Hunger, sondern die Gewissheit, mich

darstellerin, die nicht müde wurde, vier

die Stadt besuchen und den Teilnehmern wäh-

über Geschmackserlebnisse freuen zu

Goldmedaillen zu erwähnen, welche

rend der Herbstferien intensive Einblicke in ihre

dürfen, die mir kein Restaurant und

sie für die Erfindung medizinischer

jeweiligen Arbeitstechniken ermöglichen.

kein Lebensmittelladen bieten kann.

Säfte verliehen bekommen hatte. Noch

Fehlschläge eingeschlossen – dann

wirkungsvoller war angeblich Kautzens

muss eine Pizza trösten.

spagyrische Uressenz „Lupasa“ – da

An der VHS beispielsweise gibt die Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreografin Yoshiko Waki einen Tanzworkshop, gerichtet an Jugendliche ab 14 Jahren, bei dem zum Thema Mann/Frau gedacht, getanzt und musiziert werden kann. Zu ihrem Stück „Absolute Helligkeit“ leitet die japanische Schattenspielerin Naoko Tanaka im ehemaligen Museum am Ostwall einen Schattenspielworkshop für Gehörlose und Hörende ab 15 Jahren. Ein Bühnenworkshop „mit Lukas“ und für Menschen ab 12 findet im „Haus der Vielfalt“ im Quartier an der Rheinischen Straße statt. Hier laden junge Regisseurinnen und Performerinnen der Gruppe (nebst Hund Lukas) zu Experimenten mit Nebelmaschinen, Theatervorhängen und elektronischen Verzerrern. Dr. Ümit Kos, an vom Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine in Dortmund, Träger des im vergangenen Jahr eröffneten Hauses, erwartet von der Kooperation positive Impulse auch für die eigene Arbeit. „Unser Projekt ist einzigartig

Bei der Recherche jedoch greife ich mit-

wird‘s dann esoterisch.

unter auf Erfahrungen zurück, die in

Alles ist nachzulesen im genannten Buch.

Notzeiten gemacht worden sind. Dabei

Dort listet sie im Kapitel „Trümmerflora“

bin ich offensichtlich nicht der Einzige.

etliche Pflanzen, die prima im Schutt

Das Eichelkochbuch von Erika Lüders,

zerstörter Städte gedeihen, darunter

1946 in der Reihe „Wiederaufbau der

die Brennnessel, auf die sie zu Recht

deutschen Ernährung“ veröffentlicht,

ein Loblied singt. Das folgende Rezept

wird im Literaturanhang diverser

stammt nicht aus ihrem Schatzkästlein,

Wildkräuterkochbücher erwähnt; für

Sahnejoghurt gab es damals nicht.

das Original zahlt man mittlerweile Sammlerpreise. Weniger bekannt und

REZEPT

antiquarisch zu vernünftigen Preisen

100g grüne Brennnesselblütenstände

erhältlich ist „Des Kräuterweibleins

waschen, abtropfen lassen und in einer

Schatzkästlein“, 1949 von Luise Kautz

großen Pfanne erhitzen. Wenn das ver-

im Selbstverlag herausgegeben. Die

bliebene Wasser verdunstet ist, lassen

Autorin muss eine ebenso faszinieren-

sich die Samen aus den Blütenständen

de wie anstrengende Frau gewesen

streifen. Diese anschließend ohne Fett in

sein, deren Biografie, denke ich, von

der Pfanne rösten. Mit 300 g gewürfelten

Margarethe von Trotta verfilmt werden

Pellkartoffeln und 500 g Sahnejoghurt

sollte. Immerhin hat die auch Hildegard

in der Küchenmaschine zu einer cremi-

von Bingen auf die Leinwand gebracht.

gen Masse verarbeiten. Zum Schluss mit

in Deutschland“, sagt er. „Unter diesem Dach

Kautz, 1862 geboren, leitete nicht nur

finden Sie mehr als vierzig Organisationen, die

jahrelang eine Unfallhilfsstelle, unter

sprach-, religions- und herkunftsübergreifend

anderem gründete sie Erholungsheime

zusammenarbeiten. Theater ist optimal geeig-

für Mädchen und Jungen, zog nach dem

net, Kulturen zusammenzubringen.“

Ersten Weltkrieg ein deutschlandweit

Salz abschmecken. Passt als Beilage zu scharf gewürztem Fleisch ebenso gut wie als Dip beim vegetarischen Büfett.

operierendes Schuhhilfswerk auf, Auswww.favoriten2014.de/tatendrang.php

bildungsbetriebe, in welchen 100.000 17


REPORTAGE

Kunstvoll scheitern Das Bochumer Westend und die Kultur Keine feine Gegend. Schlaglöcher, Fastfood, Porno. Plastiktüten statt Jute-Beutel, Gebrauchtwagen statt SUVs, Kiosk und Kneipe statt Boutique und Bastelladen. Das Bochumer Westend, rund um die Rottstraße, ist eine typische Gegend, wie sie so wächst unmittelbar neben einer Ruhrgebietscity. Wild gewuchert, gut runtergekommen, lange abgeschrieben. Und doch biegt hier an einem Freitagabend eine schicke weiße Nobellimousine um die Ecke, eine neun Meter lange Stretch-Limo mit Chauffeur, und versucht, in eine kleine Garage einzuparken. Passt nicht. Doch das Scheitern ist Programm, die Aktion eine Performance, die Karre gemietet, die Zuschauer applaudieren. Das Westend und die Kultur – eine glückliche, eine zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte. Von Tom Thelen | Fotos: Daniel Sadrowski

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Oben: Rottstr5-Theater und Adhoc-Kunstraum Rechts: Andreas Browa, Gastronomie „Neuland“


an den Schauspielschulen der Republik präsentiert. Wie etwa Thomas Kaschel, Bochumer, Ex-Eleve der Nachwuchstruppe „Young’n’Rotten“, der jetzt als

Gemengelage statt Gentrifizierung

berufener Folkwang-Theaterstu-

Es ist eine oft geschehene, eine oft beschriene, gern genommene Geschichte:

Sex-Lesung gibt. „Wir füllen hier

Ein abgewrackter Stadtteil, billige Mieten, interessante Räume, ideal für

unsere Nische perfekt aus“, so

Künstler, Studenten, Kreative, genügsam, gerne bereit, selbst zu gestalten,

Dreher, „und so soll es sein“.

dent den Folterknecht bei Kukics

sich einzurichten. Stadtplaner freuen sich, denn bald schon können sie ein Kreativviertel ausrufen, auf Galerien verweisen, auf coole Kneipen,

Was wenige wissen ist, dass das

multikulturelle Atmosphäre inklusive. Und das Beste: Große Investitionen

Theater eigentlich der Kunst nach-

brauchen nicht getätigt zu werden, ein paar Spritzen da und dort, den Rest

folgte, die hier nebenan zuerst

erledigen Medien und Mundpropaganda. Das klingt etwas zynisch, doch so

einzog. Jetzt buhlen die Kunsthal-

ist es gar nicht gemeint. Denn, wenn die Dynamik nicht dazu führt, dass der

len, ebenfalls mit Hausnummer 5,

Wohnraum teuer wird und die ökonomisch Schwächeren vertrieben werden,

verstärkt um Aufmerksamkeit.

hat dieser Vorgang eigentlich keine Nachteile. Die Stadt wird bunter, eine

Mit Georg Mallitz arbeitet hier ein

Gemengelage wächst. So wie derzeit im Westend, wo die Pizzeria Kabul

glänzend vernetzter Kurator an

neben Off-Theater und Pornokino existiert, wo eine Garage zu einem Fast-

einer Stärkung dieses Standorts.

White-Cube mutiert und eine Aquarienlagerhalle, in der ein gescheiterter

Er präsentiert ein Programm, das

Unternehmer sich einst das Leben nahm, zu einer Kunsthalle wird.

er explizit auch als Stärkung der

Theater unterm Gleisbett

den wissen will. Das hindert ihn

Wir beginnen unseren Kurzrundgang beim kulturellen Aushängeschild des

so jemanden wie Gunter Hampel

Stadtteils. Das Rottstr5-Theater genießt überregionalen Ruhm, zieht echte

zu holen, eine lange schon in New

überregionale Theaterkritiker an, ein fachkundiges, interessiertes Publikum

York lebende Jazz-Legende. Zwei

sowieso, das liegt vor allem daran, dass hier professionell gearbeitet wird.

Hallen nutzt die Initiative, wun-

Einige Schauspielhaus-Ensemblemitglieder toben sich hier aus, etwa Marco

dervoll nutzbare Kunst-Orte.

regionalen Kunstszene verstanaber nicht daran, bei Gelegenheit

Massafra, der eine fabelhafte „Warten auf Godot“-Deutung hingelegt hat, die perfekt passt in den Theaterraum, der eigentlich eine Lagerhalle unter den Bahngleisen ist, über die regelmäßig die Glückauf-Bahn ihre Reise von Bochum

Gastronomisches Neuland

nach Gelsenkirchen macht. Das dumpfe Grollen wissen die Schauspieler schon

Um die Ecke residiert Andreas Bro-

längst dramatisch zu nutzen. Theaterleiter Hans Dreher empfindet es als

wa. Er versucht, den Künstlern und

Glück, hier zu arbeiten. „Gottseidank ist das kein zweites Ehrenfeld“, findet er

Kreativen und deren Publikum

in Anspielung auf den inzwischen etwas schick gewordenen Stadtteil rund

eine gastronomische und kulinari-

ums Schauspielhaus. Und so trifft sich hier rund um das inzwischen regelmä-

sche Heimat zu geben. Und davon

ßig, doch nicht übermäßig alimentierte Theater ein buntes Völkchen: Da ist

zu leben. Er betreibt die Eckkneipe

Nermina Kukic, Ex-TV-Starlet vom „Marienhof“, die jetzt zuständig ist für die

„Neuland“ (Hausnummer 15),

experimentelle Schiene des Hauses, die Heidi Klum spielte, die Monroe, den

die einstmals Vereinsheim einer

Dennis Hopper und derzeit eine vogelwilde Lesung aus dem Porn-Trash-Roman

Maischützenkompanie war. Die

„Shades of Grey“ darbietet. Wenn das mal nicht in den Stadtteil passt.

gutbürgerliche Kneipe ist schön umgebaut, lediglich die Schei-

Oder Denise Rech, eine eindrucksvolle Schauspielerin, die hier schon als

ben zeugen noch von bier- und

Nero das Publikum entflammte und bei der Premiere fast sich selbst.

schlagerseliger Vergangenheit.

Sie arbeitet hier auch mit dem Nachwuchs, der sich höchst erfolgreich

Gleich zwei Räume sind zu nutzen

19


REPORTAGE

für Kunstausstellungen. Und zwar nicht nur für Bilder an der Wand, sondern auch für Videokunst und Installation. Auf den Tisch kommt entsprechend auch keine reine Kneipenkost zwischen aufgewärmten Bockwürstchen und Frikadelle, sondern mediterrane Snacks mit hoher Affinität zu vegetarischer Frischeküche, bezahlbar und kreativ: Gnocchi mit Waldpilzen und Estragon 8,90 Euro oder ein Lavendel-Kirsch-Crumble für 3,90. Noch läuft der erst kürzlich neu eröffnete Laden nicht rund, es mangelt an Stammkundschaft, auch das ein Zeichen dafür, dass das hier mit einem hippen Szenestadtteil wenig zu tun hat. Browa beobachtet entsprechend gespannt, wie es hier weitergeht: „Die Stadt müsste mehr forcieren“, findet er, noch befinde sich das Viertel zwischen „ei-

Oben: Maler Stephan Geisler

nem spürbaren Vibrieren“ und der Gefahr, dass „das eine Blase“ sei.

der Adhoc-Kunstraum. Der ist eigentlich ein Raum in einer Doppel-

Sein „Bistro, Bar, Stadtzimmer“ will

garage. Betrieben wird das Projekt von Tim Cierpiszewski, Christi-

zumindest einmal eine heimelige

an Gode und Max Rentrop. Die drei laden monatlich Künstler ein,

Heimat bieten, doch ökonomisch

diesen Raum zu bespielen, ihn zu verändern, zu gestalten. So wie

ist das nicht einfach: „Gastronomie

es das Duo „Dan Dryer“ aus Köln tat, indem es dem glamourösen

ist nicht mein Hobby“, so Browa.

Scheitern das Bild der unpassenden Stretch-Limo verpasste. Cierpiszewski: „Wir haben uns ganz bewusst diesen Ort ausgesucht. Das

Doppelgarage mit Kunstanschluss

Konzept ist schon wie ein doppelter Filter. Einerseits befindet er sich im Westend. Andererseits in einer Garage. Inmitten dieser beiden Umgebungen arbeitet die Kunst in situ.“ Klingt kompliziert gedacht,

Gegenüber hat gerade der Fast-

ist aber praktisch, da es durchaus zu faszinierenden Konfrontatio-

foodladen seinen dritten Besitzer

nen von Kunst und Alltag führt.

in einem Jahr: Jetzt gibt es „Indian & Pakistani Food“, was der findige

Viel „klassischer“ arbeitet Stephan Geisler. Er ist Maler, international

Neu-Besitzer aber auch gleich

erfolgreich zwischen Skandinavien und Dubai, nichtsdestotrotz hat

allumfassend ergänzt: „with Pizza,

er sich die Rottstraße als Homebase erwählt. Zum Riesenatelier, das

Nudeln, Döner“. Ein international

er auch für Malkurse nutzt, gehört eine riesige Halle, in der er seine

angehauchtes Erfolgskonzept oder

großformatigen Bilder regelmäßig ausstellt, gerne in Verbindung

vergebliche Notwehr?

mit Tanzperformances. Er residiert hier wegen der überschaubaren Miete für eine Räumlichkeit, die in populären Kunststädten ein Viel-

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Weitere fünfzig Meter entfernt,

faches kosten würde. „Meine Malschülerinnen lieben diesen Ort“,

dazwischen quasi nur die Merkez-

sagt er. Diese genießen das grau-bunte Flair des Stadtteils, die unge-

Moschee, die 2012 Aufsehen

filterte Schimanski-Atmosphäre zwischen Open-Air-Alkoholkonsu-

damit erregte, dass ihr geneh-

menten und Peep-Show-Flaneuren, gehen dann aber auch schon mal

migt wurde, ein zwölf Meter

in die Innenstadt zum schicken Einkauf. Bochumer Gemengelage, es

hohes Minarett zu bauen, liegt

bräuchte mehr davon.


GESCHICHTE

Vor 100 Jahren: 10.000 Dortmunder Frauen gegen den Krieg Es war ein Skandal. Der Krieg war noch keine sechs Wochen jung, da trafen sich am 10. September 1914 über 10.000 Frauen mit ihren Kindern morgens um 10 Uhr auf dem Dortmunder Südwestfriedhof, um an der Beerdigung eines britischen Soldaten teilzunehmen. Eigentlich sollte alles in gewohnter Stille vonstatten gehen: Ein katholischer Geistlicher hält eine kurze Trauerrede und Mitglieder des Kreiskriegerverbandes geben drei Salven über das Grab. Das übliche Prozedere – wenn eben nicht 10.000 Frauen dabei gewesen wären. Von Andreas Müller

„Leider legte das Publikum eine grenzenlose Würdelosigkeit an den Tag“, schreibt die konservative „Dortmun-

Einlaufens des Zuges sämtliche Hel-

der Zeitung“ in ihrer Abendausga-

ferinnen sofort den Bahnsteig zu

be und meint damit die vielköpfige

verlassen.“

Präsenz der Frauen: „Als wenn eine hohe Persönlichkeit beerdigt würde“.

Es war eben eindeutig ein Schlag ge-

Dabei war es nur der britische Soldat

gen das „nationale Empfinden“, wenn

Bornett Murphy. „Als Kulturnation

Frauen auf das Leid und den Tod, den

legen wir Wert darauf, auch unseren

der Krieg auch über unsere „Feinde“

Feinden ein anständiges Begräbnis

brachte, aufmerksam machten. Auch

zu gewähren; aber andererseits müs-

die Gedanken meiner Oma Käthe

sen wir darauf achten, dass derarti-

Kaufhold, die sehr katholisch war, drü-

ge Leichenbegräbnisse nicht jedem

cken keine Kriegsbegeisterung aus:

nationalen Empfinden ins Gesicht

„Jeden Tag erklangen bald die Sieges-

schlagen.“ Die Zeitung hatte erkannt,

glocken. Ich habe dann immer gebetet

was es war: ein „Bekenntnismarsch“

und geweint für Mütter, auch für die

gegen den Krieg.

armen Mütter im anderen Land, die ihre Männer und Kinder hergeben

So jedenfalls hat es ein Teilnehmer

mussten.“

empfunden und seine Gedanken in einem Tagebuch niedergeschrieben.

Es ist ein Märchen, dass alle Menschen

Der Generalanzeiger veröffentlichte

jubelnd den Krieg begrüßten. Gerade

seine Notizen: „Sollte es der Krieg

viele Frauen standen ihm sehr distan-

sein, der heute in der Stadt ist? Drü-

ziert und kritisch, aber auch hilflos

ben, unseren Augen verborgen, wird

gegenüber. Davon zeugen zahlreiche

ein Sarg getragen, in dem ein toter

Zeitungsberichte. Da waren „Frauen

Soldat liegt. Mit ihm schreitet der

und Kinder mit verweinten Augen“,

Krieg durch die Reihen der Frauen. ...

Frauen, die Lebensmittel hamsterten

Die Gedanken der zitternden Men-

und kein Papiergeld mehr annehmen

schenmassen ziehen mit den Klängen

wollten, so dass der Zahlungsverkehr

des Trauermarsches. ... Salven knal-

zusammenzubrechen drohte.

len! ... Das ist der Krieg! Niemals war er näher. Stille, Explosion und Tod! ...

Auf die Frage, was die Frauen bewegt

In breiten Scharen drängen sie jetzt

haben könnte, in diesen Massen in

an das offene Grab – und füllen es

Trauerkleidung zum Friedhof zu ei-

mit den Blumen, die sie in den Hän-

len, antwortete ein Professor der Ge-

den tragen.“

schichte: „Das waren alles Frauen von den Dortmunder Anarchisten, die da

Auch die Frauen, die seit der Mobil-

hingeschickt wurden.“ Das ist sicher-

machung auf dem Bahnhof in einer

lich nicht des Rätsels Lösung. Denn die

„Erfrischungsstation“ durchfahrende

Frauen wurden nicht geschickt. Und

Soldaten beköstigten, haben nicht so

die anarchistische Bewegung umfass-

funktioniert, wie es von ihnen erwar-

te in Dortmund im Juli 1914 nur etwa

tet wurde. Am 18. August heißt es in

50 Personen. Die Frauen haben sich

der Tremonia: „Keine Verpflegung

eben nicht nur in Kriegsliebesdiensten

von Kriegsgefangenen.“ Die Helfer-

ergangen und Handschuhe, Kniewär-

innen werden angewiesen, „unter

mer, Leibbinden und lange Strümpfe

keinen Umständen“ eine Verpfle-

gestrickt, sondern waren auch noch

gung von Gefangenen vorzunehmen.

zu ganz anderen Sachen fähig. Unkal-

„Vielmehr haben im Augenblick des

kulierbar. Und damit gefährlich.

21


DER KOMMENTAR

CSD bunt, BlockaDO erfolgreich, Polizei führungslos

von Bastian Pütter

Dortmund, 23.8. Ein klägliches Häuf-

Gerade einmal 85 Neonazis hatten

Gruppe Fußball spielender Jugendli-

Zum Kundgebungsort laufende Ju-

chen homophober Straftäter unterliegt

den Weg nach Dortmund gefunden,

cher Platzverweise durchzusetzen. Die

gendliche griff mangels Polizei vor

einem friedlichen BlockaDO-Bündnis,

ein Vielfaches an Gegenprotest stand

Nazis stürmten los, griffen Gegende-

Ort die Reiterstaffel an – absurde

das an der Katharinentreppe Platz

ihnen entgegen. Polizeipräsident

monstranten an und ließen sich nur

Jagdszenen mitten in der Innenstadt,

nimmt, und einem Christopher Street

Lange hatte die Versammlung trotz

mit Mühe an der Petrikirche – direkt

die viel mehr Verletze hätten fordern

Day, der laut und bunt Stellung bezieht

BVB-Spiel und CSD für durchführbar

neben Pflastersteinhaufen – einkeilen.

können. Auch bei der Polizei: Eine ein-

gegen die Bedrohung durch die Dort-

gehalten. Stattdessen setzte er wie

munder Nazis. Ein guter Tag, wäre die

am 1. Mai mit einem chaotischen,

Dortmunder Polizei nicht bis zur Hand-

völlig unterbesetzten Einsatz die

lungsunfähigkeit führungslos.

Gesundheit seiner Kollegen, die von

„Die verarschen uns doch alle“, entfuhr es einer Hundertschaft-Polizistin

Demo-Teilnehmern, Unbeteiligten und Journalisten aufs Spiel.

an der Kampstraße. Sie meinte weder

Das Chaos begann, als plötzlich alle

die kreativen Protestler noch die chro-

Bereitschaftspolizei vom Sammel-

nisch humorlosen Nazis, sondern ihre

punkt der Nazis an der Kampstraße

eigene Führung.

abgezogen wurde, um gegen eine Foto: Felix Huesmann

NEWS

Drogenhandel frisiert BIP Illegale Geschäfte lohnen sich – für die, die nicht erwischt wer-

hand von Drogentoten auf den Umsatz des Kokaingeschäfts ge-

den, und für den Staat. Denn der zählt jetzt alle Umsätze aus

schlossen und die erfassten Schwarzarbeiterzahlen werden als

Prostitution, Drogenhandel, Tabakschmuggel und Schwarzar-

Ausgangsbasis genutzt, um etwas Licht auf die Dunkelziffern

beit mit und hat flugs ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP),

zu bekommen. Und damit die Zahlen noch besser aussehen, gilt

das den Wert aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren

der Kauf von Waffen und Panzern als Investionsgut – was damit

und Dienstleistungen misst. Da natürlich alle illegal arbeiten-

gemacht wird ist für die Statistik uninteressant. Die EU hat die

den Geschäftsleute und deren Beschäftigte keine Erklärung

neuen Berechnungsregeln ab September 2014 festgesetzt – ein

über ihren gesetzlich verbotenen Warenein- und ausgang ab-

Vorteil für jedes Land, das erfolgreich agierende Mafia-Clans

geben, muss das Statistische Bundesamt schätzen. Da wird an-

hat: Hier sind Milliardengeschäfte Berechnungsgrundlage.

Verlage verteilen Zeitungsmarkt Weiter geht’s mit dem Zeitungssterben und den Verlagsver-

Ruhr-Nachrichten, die nun einzige Pressestimme in Dort-

flechtungen im Ruhrgebiet. Hauptakteure sind die Essener

mund. „Teil des Deals“, wie Kenner des Marktes schon vor-

Funke-Mediengruppe und das Dortmunder Verlagshaus

ausgesehen haben. Denn während der Lensing-Verlag, der

Lensing-Wolff, die den regionalen Kuchen untereinander

gerade seine Münstersche Zeitung verkauft, das Monopol

aufteilen: Ein Spiel, dass sich schon geraume Zeit hinzieht,

in Dortmund hält, bekommt Funke nun Bochum und Wit-

offensichtlich mit der Auflösung aller Lokalredaktionen der

ten – Lensing-Wolff schließt die Lokalredaktionen in den

Westfälischen Rundschau (WR) im Großraum Dortmund

Ruhrstädten zum 31. Oktober. Und wahrscheinlich ist das

2013: Das, was jetzt als WR vertrieben wird, ist inhaltlich

nur ein Zwischenstandsbericht – Gerüchten zufolge steigt

komplett fremdgeschrieben – den Lokalteil liefern u.a. die

Verlagschef Lensing-Wolff demnächst bei Funke ein.

Schuldfrage im Envio-Prozess

22

Die Angeklagten im Envio-Prozess können sich erstmal die

aufgetreten ist“, müsse noch geklärt werden. Ob dann aber

Hände reiben. Trotz PCB im Blut von rund 50 Ex-Mitarbeitern

die Angeklagten dafür zur Rechenschaft gezogen werden

und verseuchten Böden – Richter Thomas Kelm sieht in den

könnten, sei fraglich. Andeutungen zufolge drohen dem

Angeklagten nicht die Verantwortlichen eines der größten

ehemaligen Envio-Geschäftsführer Dirk Neupert und seinen

Umweltskandale Deutschlands. Im Zwischenbericht kritisiert

Mitangeklagten keine Verurteilungen wegen Körperverlet-

der Richter die Bezirksregierung, weil diese eine Betriebsge-

zung. „Ein Schlag ins Gesicht der von massiven gesundheitli-

nehmigung viel zu unbestimmt formuliert habe. Der Betrieb

chen Schäden betroffenen Arbeiter“, sieht Ingrid Reuter von

habe nur an kleinen Punkten gegen Auflagen verstoßen. Aber

Bündnis90/Die Grünen, „wenn niemand zur Verantwortung

ob „durch diese Verstöße überhaupt eine Umweltgefährdung

gezogen würde“.


DAS ZITAT

zelne Kette trennte Antifa und Nazis,

Dass die Polizei einen zweiten ange-

Beamte reagierten stellenweise pa-

meldeten Kundgebungsort der Nazis

nisch. Ohne Verstärkung musste die

verheimlichte und nicht sicherte, so

Polizei dann den von Gegenprotest

dass migrantische Anwohner mit

umringten Nazis den Weg freidrän-

dem Tod bedroht wurden – ein wei-

gen und -schlagen.

terer Skandal.

Die wieder alleingelassenen Nazis

Nichts davon hat mit der Entschei-

attackierten

ein

dung zu tun, Protest gegen Nazis

BILD-Kollege wurde geschlagen, ein

Pressevertreter,

in Sicht- und Hörweite zuzulassen.

Agentur-Fotograf wurde von völlig

Langes Vorgänger Wesseler hat dies

überforderten Bereitschaftspolizis-

konsequent umgesetzt, ohne chaoti-

ten angegangen – peinlich: im Beisein

sche Zustände herbeizuführen. Aber

auswärtiger Staatsschutzbeamter,

der wusste auch was er tat und hatte

die schon am 1. Mai fassungslos auf

seinen Apparat im Griff.

„Weil wir zu sehr auf die

Arbeitslosenzahlen fixiert sind, tun wir im Moment zu oft das Falsche. (…) Es gibt einen Anreiz, all jene zu vernachlässigen, bei denen eine Vermittlung eher unwahrscheinlich oder ausgeschlossen ist.

Reiner Lipka, Leiter des Jobcenters

den dilettantischen Einsatz reagiert

Gelsenkirchen (IAG) im Interview

hatten. All das verschweigt Lange.

mit der ZEIT.

DAS FOTO

Der schottische Grafiker Tony McKay hat unsere INSP-Konferenz der Straßen-

Grafik: Tony McKay

zeitungen in Glasgow zeichnerisch begleitet. Vielleicht lässt sich so viel sagen zu sozialen Innovationen bei Straßenzeitungen: Es ist kompliziert.

23


NETZWELT

KINOTIPP

endstation.kino & bodo präsentieren: Maps to the Stars Familie Weiss ist mittendrin im ganz normalen Hollywood-Wahnsinn: Kinderstar Benji kann mit seinen dreizehn Jahren schon auf eine Drogenkarriere zurückblicken. Tochter Agatha hat vor Jahren das Haus der Familie in Brand gesteckt. Frisch aus der Psychiatrie entlassen, stürzt sie sich in eine Affäre mit dem Chauffeur Jerome und sucht Benjis Nähe, sehr zum Missfallen

Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:

www.sozialhelden.de/ projekte/gutschein-zum-gut-sein

ihres Vaters Stafford. Der Guru arbeitet gerade an seinem neuen Buch. Nebenbei behandelt er die alternde Schauspielerin

Im Mittelpunkt des Projektes „GUTschein zum Gut sein“ der Berliner Sozialhelden

Havana, die vom Geist ihrer Mutter verfolgt

– einer Gruppe von Menschen, die gemeinsam soziale Projekte entwickelt um auf

wird, seit sie in einem Remake unbedingt

soziale Probleme aufmerksam zu machen – steht ein kleiner roter Gutschein im

die Rolle spielen will, die ihre Mutter einst

Scheckkartenformat. Die Idee ist simpel: Wer im Besitz einer solchen Karte ist, gibt sie

berühmt machte.

innerhalb von fünf Tagen in Verbindung mit einer kleinen Gefälligkeit an eine Person seiner Wahl weiter. Das kann ein Freund oder Bekannter oder aber auch jemand völlig Fremdes sein. Der neue Besitzer überlegt sich nun selbst, wem er etwas Gutes tun kann, und so wandert der Gutschein zum nächsten Empfänger. Im besten Fall reißt diese Kette nicht ab.

Stars eine Gratwanderung zwischen bissiger Satire und emotionalem Psychothriller. Großartig gespielt, bitterböse, entlarvend. Der Film blickt in das schwarzhumorige

Über 4.500 der kleinen roten Kärtchen sind mittlerweile schon im Umlauf. Mit Hilfe

Herz einer Hollywoodfamilie, die auf der

einer eindeutigen Nummerierung, mit der jeder Gutschein versehen ist, kann man auf

Jagd nach Ruhm, sich selbst und den gna-

der Internetseite des Projektes eintragen, was einem Schönes widerfahren ist, oder

denlosen Geistern der Vergangenheit ist.

nachlesen, welche Anekdoten und Geschichten zum eigenen Gutschein bereits einge-

Das Ergebnis ist eine moderne Hollywood-

tragen sind. Dabei sind mittlerweile die unterschiedlichsten Erlebnisse zusammen-

satire über das 21. Jahrhundert, das nach

gekommen. So bekam zum Beispiel Kellner Felix aus Kassel den Gutschein von einem

Ruhm und Bestätigung giert – und über die

Stammgast inklusive einer Flasche selbst gemachten Likörs überreicht. Wendy aus

Sehnsucht, die Verluste und Zerbrechlich-

Würzburg bekam Hilfe von einem Nachbarn, der ihren Computer reparierte. Ein Frem-

keit, die tief in den Schatten lauern. Maps

der überreichte die Karte Marco aus Potsdam, nachdem er ihm beim Umzug zur Hilfe

to the Stars lief im offiziellen Wettbewerb

kam. Einige Gutscheine haben es so bereits bis nach Portugal und Brasilien geschafft.

der Filmfestspiele in Cannes 2014. Julianne

„Wir sind wirklich überrascht, dass die Aktion so lange in Umlauf ist und finden es super, dass so viele Menschen mitmachen. Natürlich brauchen diese Leute keinen ,GUTschein zum GUT sein‘, um Gutes zu tun. Aber anscheinend hilft er, um wirklich zu

großartige Darstellung als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Do. 11.09. bis Di. 16.09. und Do. 18.09. bis

mal eine Freude macht“, sagt Sabine Kruppa, Initiatorin des

Di. 23.09. um 21 Uhr (außer sonntags)

Projektes. Wer nicht darauf warten möchte, dass ein Gutschein

Mi. 17.09. und Mi. 24.09. um 21.15 Uhr

auf www.sozialhelden.de/gutscheine einen Gutschein bestellen. Auch im bodo-Buchladen am Schwanenwall liegen einige der kleinen Weltverbesserer aus. (sese) Sabine Kruppa

Moore wurde auf dem Festival für ihre

überlegen, wer Hilfe gebrauchen könnte oder wem man einfach

zufällig inklusive einer guten Tat zu ihm findet, kann kostenlos

24

David Cronenberg gelingt mit Maps to the

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Telefon 0234 – 68 71 620 www.endstation-kino.de


VERANSTALTUNGEN SEPTEMBER 2014

Varieté et cetera – „Einfach zauberhaft!“ Die neue Show im Varieté et cetera mit Zauberer Matthias Rauch, Comedy-Jongleur Steve Eleky, Vertikaltuch-Künstlerin Isabel Anobian, Diabolo-Duo „TwinSpin“, den Tanzakrobaten Oksana & Vadim, dem Partnerakrobatik-Duo „2 Trux“ und dem Fahrrad-Künstler Paul Chen.

Am 25. September um 20 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten

VERANSTALTUNGEN | VERLOSUNGEN 11. – 24.09. | Maps to the Stars | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten 16.09. | Markus Barth | Werkstadt, Witten | 2 x 2 Karten 21.09. | Hamlet | Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:

23.09. | Nomfusi | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten 25.09. | „Einfach zauberhaft!“ | Varieté et cetera, Bochum | 2 x 2 Karten 27.09. | 14. Dortmunder DEW21-Museumsnacht | Dortmund | 3 x 2 Karten

redaktion@bodoev.de. Oder schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an: bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin. Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.09.2014 Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

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05 | 09 | 14 „Der Gott des Gemetzels“

04 | 09 | 14 Geschwister Pfister

DO 04 | 09 | 14

ruhe ihrer Eltern. Die beschließen sich über

FR 05 | 09 | 14

Comedy | RuhrHOCHDeutsch: Geschwister Pfister

die Brutalität ihrer Söhne auszutauschen. Doch im Gespräch bröckeln die schönen Fas-

Musik | 8. Bochumer Musiksommer

Sie sind hinreißend komisch und Entertai-

Über 1.000 Künstler werden die Bochumer In-

saden. Zwar bewegen sie sich in einer Gesell-

ner mit Format: Ursli und Toni Pfister. In

nenstadt auch in diesem Jahr in eine musika-

schaftsschicht, in der die körperliche Ausein-

ihrer neuen Show nehmen die Brüder zwei

lische Erlebniswelt verwandeln. Mit dabei sind

andersetzung eigentlich verpönt ist, doch

ganz Große des Schlagerhimmels ins Visier:

u.a. ATB, Elaiza und Prag zusammen mit den

irgendwann überschreiten sie die Grenze.

Peter Alexander und Mireille Mathieu. Hits

Bochumern Symphonikern. Die insgesamt

Die Autorin Yasmina Reza ist eine der meist-

wie „Die kleine Kneipe“ oder „Akropolis

fünf Bühnen laden den begeisterten Musik-

gespielten zeitgenössischen Autorinnen und

Adieu“ schenkten einer ganzen Generation

freund dazu ein, von Konzert zu Konzert zu fla-

schafft es, ein ernstes Thema „als spannende,

Momente des Glücks und der Zufrieden-

nieren und sich auf Klänge unterschiedlichster

schöne Komödie zu verpacken“.

heit. Dies gilt es nun zurückzugeben. Ursli

Musikgenres einzulassen. Das komplette Pro-

Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr

und Toni Pfister stehen für aufputschenden

gramm: www.bochumer-musiksommer.de.

Schlager, aufheulenden Schmalz und au-

Innenstadt, Bochum (auch 6. & 7.9.)

genzwinkernden Charme. Spiegelzelt, Dortmund, 20 Uhr

Party | 14 Jahre Cosmotopia – Geburtstags-Sause

Theater | „Der Gott des Gemetzels“

(auch 5. & 6.9.)

SA 06 | 09 | 14

Ferdinand hat Bruno verprügelt. Zwei Zähne

Nachdem die ursprüngliche Location einer

sind weg. Und mit ihnen auch die Gemüts-

Supermarktkette weichen musste, hat sich die Cosmotopia-Crew in den Räumen der

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Großmarktschänke erfolgreich neu erfunden. Zum 14. Geburtstag stehen auf drei Floors

Wo echte Liebe zählt, ist unser Strom.

gleich sechs der aktuellen Resident-DJs an den Plattentellern. Jede Menge Old School Beats werden Der Wolf und Nils Noise servieren, während SuperKlep und NassAir den Rundumschlag in Sachen 60s Soul und Funky Disco wagen. Mit rare Groove, Beats und Swing wiederum verbreiten DJ Martini und der Radius das Cosmotopia-Flair der ersten Stunde. Großmarktschänke, Dortmund, 22 Uhr

SO 07 | 09 | 14 mStro uen d e n en n un n. e t ein r Jetz en werb ft siche i d rben kun Gutschr e / we d . € 1 0 2 2

w

Viele Dinge sind für Dortmund typisch – ein Lokalpatriot zu sein gehört dazu. Und genau diese Lokalpatrioten suchen wir. Werben Sie einen Stromkunden und unterstützen Sie uns dabei, Dortmund weiterhin so lebenswert zu gestalten. Dafür setzen wir uns mit unseren

d ew ww.

Musik | Axel Prahl und das Inselorchester Wenn jemand seine Live-Karriere in Locations wie dem Gewandhaus zu Leipzig, im Mozart-Saal des Konzerthaus Wien oder dem Kieler Schloss startet, dann ist klar: Hier ist

mehr als 1000 Mitarbeitern täglich ein. Nicht nur durch Ihre sichere Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, sondern vor allem auch durch die Förderung zahlreicher Projekte, Initiativen und Vereine. Im Großen wie im Kleinen. Für Dortmund und die Region.

nicht ein singender Schauspieler, sondern ein Musiker und Sänger mehr zu erleben. Axel Prahl singt, was aus der eigenen Feder und dem eigenen Erleben entsprungen ist. Seine Band ist ein kleines, handverlesenes Orchester von neun Musikern, die in der deutschen Rock-, Jazz - und Klassikszene eine Menge Erfahrung einzubringen haben. Zeltfestival Ruhr, Bochum, 18 Uhr

26

DEW21_AZ_130x140_BoDo.indd 1

30.08.13 16:32


07 | 09 | 14 Axel Prahl und das Inselorchester

DI 09 | 09 | 14

12 | 09 | 14 Zweiter Freitag: Dond & Daniel lesen

Zweiter Freitag | Dond & Daniel lesen

Film | Kinoplakat-Flohmarkt

In unserer monatlichen Benefiz-Reihe „2. Frei-

Der Kinoplakat-Flohmarkt in der Schauburg

tag“ sind heute Dond & Daniel zu Gast. Als

geht wieder in eine neue Runde. Ausgewählte

Madeline Juno kommt nach Support-Touren

professionelle Buchhändler wissen sie, was

Plakate, Aufsteller und Banner sowie Aushang-

für Philipp Poisel, Tom Beck und Elie Goulding

verkauft wird. Als begeisterte Leseratten wis-

fotos warten auf neue Besitzer. Wie immer

nach Dortmund. Die Singer-Songwriterin, die

sen sie auch, was sie lieber verkaufen würden.

findet der Besucher in beiden Sälen klassisches

auch den Titelsong für den Kinofilm „Fack ju

Deswegen lesen sie vor Publikum: Vergesse-

und aktuelles Material für kleines Geld, wel-

Göhte“ schrieb und 2014 beim Vorentscheid

nes, Verschollenes, Niebekanntgewordenes.

ches einem guten Zweck gespendet wird.

für den ESC antrat, ist den Kinderschuhen ent-

Bücher, die in einer besseren Welt die Bestsel-

Schauburg, Dortmund, 11 – 13.30 Uhr

wachsen und zeigt, was sie noch so alles kann.

lerlisten anführen würden. Dond & Daniel le-

FZW, Dortmund, 20 Uhr

sen mit verteilten Rollen, loten die Feinheiten

Musik | Madeline Juno

der Sprache aus und lassen Literatur auf diese

DO 11 | 09 | 14

Weise lebendig werden. Der Eintritt ist frei.

Lesung | 14 Jahre Ekamina:

bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, DO, 19.30 Uhr

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Spenden sind willkommen.

Dond & Daniel lesen „Der Holzvulkan“ Seit dem Jahr 2000 steht Ekamia für Literatur und Tonkunst, für Salonkultur, für Zuspiel, Freispiel und Hörspiel. Keine Veranstaltung

SA 13 | 09 | 14 Design | Design Gipfel

hat das Profil der Reihe in gleicher Weise ge-

Rund 70 Designer aus dem Ruhrgebiet und

prägt wie die Lesung vom 31. August 2004, als

ganz Deutschland bieten auf dem 6. Design

Dond & Daniel Hans Pleschinskis Buch „Der

Gipfel in Dortmund limitierte Design-Stücke

Holzvulkan“ vorstellten. Das Buch handelt

an, die es in keinem Geschäft zu kaufen gibt.

von Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig,

Der Trend des Jahres lautet „Recycling“ und

der 1633 bis 1714 lebte, und Wolfenbüttel. Er

bietet ein klares Statement gegen die Arbeits-

wollte Wolfenbüttel auf eine Stufe mit Rom,

bedingungen in vielen Fabriken mit Massen-

Paris und Den Haag hieven. Der Herzog hatte

produktion. Lounge-Musik vom DJ Gärtner

kein Geld – war aber wild entschlossen, ein

der Lüste und kulinarische Köstlichkeiten sor-

Wunderland der Künste zu schaffen.

gen für ein entspanntes Shopping-Erlebnis.

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

Depot, Dortmund, 12 – 18 Uhr (auch So. 14.9.)

FR 12 | 09 | 14 Ausstellungseröffnung | Aiko Tezuka

Fest | „Finale der Seseke“ Unter dem Motto „Finale an der Seseke“ feiert der Lippeverband das neue Flusssystem

Als Folge der industriellen Massenproduktion

der Seseke im Kreis Unna. Nachdem in den

sind textile Motive nicht mehr eindeutig einer

vergangenen 25 Jahren vier moderne Kläran-

Herkunft oder Kultur zuzuordnen. In ihren

lagen gebaut, 73 km unterirdische Kanäle ver-

letzteren neuen Arbeiten verwebt die Japa-

legt wurden und insgesamt 75 km Gewässer

nerin Aiko Tezuka traditionelle Ornamente

gesäubert sind, kehrt die Natur zurück und

mit Alltagssymbolen und offenbart durch die

erobert die neuen Lebensräume. Das „Fina-

Sezierung der einzelnen Stoffbestandteile die

le an der Seseke“, das beim Zusammenfluss

Qualität, die Tradition, die Geschichte und das

von Körne und Seseke an der Wilhelm-Blä-

System hinter uns allzu bekannt erscheinen-

ser-Straße stattfindet, wird am Nachmittag

den Dingen. Die Ausstellung läuft bis zum 9.11.

als Familienfest beginnen und sich in den

Der Eintritt ist frei – um Spenden für das Pro-

Abendstunden zu einer Strandparty mit drei

jekt „Hilfe für Japan“ wird gebeten.

Bands entwickeln. Der Eintritt ist frei.

Park der Partnerstädte, Dortmund, 19 Uhr

Ufer der Seseke, Kamen, 15 – 23 Uhr 27


13 | 09 | 14 Royal Street Orchestra

14 | 09 | 14 Sein letztes Rennen

Musik | Reihe Musikkulturen: Royal Street Orchestra

ne diesen September in die zweite Runde. Unter

ges der Kirche. Diesmal mit „Die Zwei“, die die

Weltmusik in Reinkultur bietet die neunköp-

dem diesjährigen Titel „Alles beim Alten?!“ wer-

musikalische Gestaltung des Gottesdienstes

fige Truppe aus Wuppertal. Balkan-Beats,

den jeweils sonntags vier ausgewählte Film-

übernehmen. Und im Predigtschauspiel geht

arabeske Rhythmen, gemischt mit urbanen

produktionen zum Thema Sport, Sexualität,

es um das, was wir sagen, aber nicht meinen,

Club-Klängen – wo das Royal Street Orchestra

Demenz und Wohnen im Alter vorgeführt. Am

und das, was wir hören, aber nicht gesagt

aufspielt, hinterlässt es meist verblüffte Ge-

14.9. wird der Film „Sein letztes Rennen“ gezeigt.

wurde. Und um die Frage: wie wir eigentlich

sichter. Die Royals über sich selbst: „Ein Bosni-

Weitere Filme: 7.9. „Der Tag, an dem die Hand-

respektvoller und zugleich ehrlicher miteinan-

er, ein Serbe, ein Grieche, klassische, studierte

tasche verschwand“, 21.9. „Wolke 9“, 28.9. „Und

der reden und umgehen können.

Musiker, Autodidakten und selbsternannte

wenn wir alle zusammenziehen“.

Pauluskirche, Dortmund, 17 Uhr

Nichtmusiker. All jenes findet man in diesem

Filmwelt Herne, Herne, 11 Uhr

ungewöhnlichen Konglomerat.“ domicl, Dortmund, 20 Uhr

Kabarett | Storno Musik & Gottesdienst |

Das Trio aus Münster zeigt, wie man krisen-

„Talk to heaven“ mit „Die Zwei“

geschüttelte Zeiten mit Gelächter überlebt.

Ein Gottesdienst, wie man ihn kein zweites

In einer Spezialmischung aus Aktuellem und

Mal in Dortmund findet: Mit Band und Pre-

Bewährtem wollen die Stornisten mit ihrem

Film | Paritätisches Filmfest: „Sein letztes Rennen“

digtschauspiel, Kabarett u.v.m. gehört dieser

neuen Programm „Storno Sonderinventur“ die

Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergange-

viermal im Jahr stattfindende Gottesdienst zu

Lachtränen provozieren und bieten Abseitiges,

nen Jahr startet das Paritätische Filmfest in Her-

den kreativsten Beispielen eines neuen We-

Höhepunkte und musikalische Immergrüns so-

SO 14 | 09 | 14

wie das Beste aus der jüngsten Saison an.

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Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr

Ticket-Hotline:

0234 13003

DI 16 | 09 | 14 BODO VERLOSUNG | Markus Barth In seinem neuen Soloprogramm „Mitte 30 und

07. Sept. - 02. Nov. 2014

noch nicht mal auferstanden“ will der gebürtige Oberfranke wenigstens ein paar drängende Fragen

beantworten:

Warum sinkt ab 30 die Bullshit-Toleranz so dramatisch? Ist Franz Kafka wirklich der Richtige, um ihm Lebenshilfe zu geben? Hatte Gott wirklich für jeden Menschen einen großen Plan – oder war bei manchen nicht einfach noch ein bisschen Fleisch übrig? Ein amüsanter Abend übers Schaffen und Scheitern – und den Spaß an beidem. Werkstadt, Witten, 20 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten. Teilnahmebedingungen auf Seite 25. Musik | Dieselknecht

SHOW Do.-Sa. 20.00 Uhr, So. 19.00 Uhr

WWW.VARIETE-ET-CETERA.DE Herner Str. 299 | Bochum

Seit gut vier Jahren ist die Band Dieselknecht (eine Kraut-a-Billy-Band) in allen Gastwirtschaften und auf den Bühnen der Republik unterwegs. Da gibt es bei ausgelassener

28


14 | 09 | 14 Storno

17 | 09 | 14 Sabine Wiegand

Stimmung mit Pils und Korn eine akustische

fred hat Burnout, dabei ist ihm vorher gar

Mischung aus Volkslied, Hillbilly und eige-

kein Licht aufgegangen. Die Blagen haben

nem Punk auf die Teller. Am Morgen müssen

sich an der Börse verspekuliert, in der Arge

die Jungs dann wieder raus zur Feldarbeit.

hat sie Hausverbot und der Vermieter setzt

Am dritten Samstag findet wieder unsere bodo-

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

ihr die Pistole auf die Brust. In 90 irrsinnigen

Stadtführung in Bochum statt. Unsere Experten

Minuten zieht „Dat Rosi“ ihr ganzes Leben auf

geben ihr Wissen weiter, zeigen die Orte, an

links und räsoniert über alle wichtigen und

denen Menschen ohne Wohnung sich aufhal-

unwichtigen Themen in ihrem persönlichen

ten, und besuchen mit Ihnen Einrichtungen, die

Vortrag | Schnittpunkt Buenos Aires –

Mikro- und Makrokosmos.

den Menschen auf der Straße Hilfe anbieten:

Nachbarschaft in der Fremde!

Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

Von der Suppenküche bis zur Notschlafstelle,

MI 17 | 09 | 14

SA 20 | 09 | 14 Soziales | Stadtführung mit bodo-Verkäufern

Argentinien, ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten und zugleich jüdisches Exil, Fluchtort der Nazis und Rückzugsort des Ehepaares Schindler. Nicht alle Juden erhielten ein

vom Tagesaufenthalt bis zu unserem VerkäuferCafé. Treffpunkt ist die bodo-Anlaufstelle in der

DO 18 – SO 21 | 09 | 14

Stühmeyerstraße 33. „Teilnahmegebühr“ ist der

Festival | Djelem Djelem

Kauf eines Straßenmagazins bei unserem Stadt-

Einreisevisum, denn die Regierung war auf der

Ein Festival der Sinne: Vier Tage lang gibt das

führer. Im Anschluss gibt es Gelegenheit zum

Seite von Hitler. Täter und Opfer teilten plötz-

„Djelem Djelem“-Festival in Dortmund die Ge-

Austausch und zu weiteren Fragen an unsere

lich den Alltag. Auch Emilie und Oskar Schindler,

legenheit, Musik, Lebensweisen und Speisen,

Stadtführer. Anmeldung unter 0231 – 950 97 80.

Retter von 1.200 Juden, wanderten 1949 nach

kurzum die vielen Facetten der reichen Roma-

bodo-Anlaufstelle, Bochum, 11 Uhr

Argentinien aus. Heute hat das Land die zweit-

Kultur(en) zu erfahren und zu genießen. Unter

größte jüdische Gemeinde der Welt. Prof. Erika

der Schirmherrschaft von Hannelore Kraft und

Rosenberg-Band ist als Tochter von geflohenen

mit zahlreichen Kooperationspartnern finden

Juden, als Freundin und Biografin von E. Schind-

Musikabende, Film- und Theateraufführun-

ler Zeitzeugin der zweiten Generation. Sie lebt

gen, Gespräche auf und vor dem Podium und

Was tun, wenn Dir Informationen über eine

und arbeitet in Buenos Aires. Eintritt frei.

Familienfeste statt, um allen Menschen die

Staatsaffäre zugespielt werden? Wie Wahr-

Volkshochschule, Dortmund, 19 Uhr

Möglichkeit zu geben, Grenzen im Kopf und

heit finden in einer Welt, in der

Berührungsängste abzubauen – an vielen Or-

selbst Freunde sich gegenseitig

SO 21 | 09 | 14 BODO VERLOSUNG | Hamlet

ten zwischen Nordmarkt, Auslandsgesellschaft

überwachen und manipulie-

In ihrem dritten Soloprogramm „Dat Rosi

und Depot. Infos zum Festival gibt es telefo-

ren? In der die Datenhoheit

brennt durch“ gibt die sympathische Ruhr-

nisch unter 0231 – 98 21 20 (Theater im Depot,

politische

pott-Proletin „Dat Rosi“ alles. Sie hat aber

www.depotdortmund.de) oder 0231 – 993 42 03

Virtualität oder Realität, Sein-

auch ihr Päcksken zu tragen: Ehemann Mam-

(AWO, www.awo-dortmund.de).

oder Nicht-Sein: Shakespeares

Kleinkunst | Sabine Wiegand

Macht

bedeutet?

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der Werkstätten Gottessegen Bochum Schmiedestraße 33, 44866 Bochum

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26 | 09 | 14 Böse Clowns

25 | 09 | 14 Polly & The Billets Doux

berühmtester Protagonist Hamlet blickt seit

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Jahrhunderten auf die Krankheiten der gesell-

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Sie sind jung, dynamisch und vielverspre-

schaftlichen Gegenwart – und auf ihre Verbre-

Teilnahmebedingungen auf Seite 25.

chend: „Polly & The Billets Doux“ aus dem ver-

chen. Und heute? Hamlet im Spiegel von Bits und Bytes: Das Ich zwischen Daten, Überwachung und Auslöschung – was ist der Mensch? Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr

einigten Königreich stehen für original-handgemachten Sound. Ihre Musik ist ein Mix aus

DO 25 | 09 | 14

Folk, Pop, Rock’n’Roll, Soul, Country, Blues und

BODO VERLOSUNG | „Einfach zauberhaft!“

einem Hauch Gospel. Nach acht Headliner-

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Matthias Rauch ist Moderator mit Zauber-

Touren und drei UK-Festival-Saisons kommen

Teilnahmebedingungen auf Seite 25.

hand. Er ist „Deutscher Meister der Zauber-

sie nun erstmals über den Kanal.

kunst“ und moderiert

DI 23 | 09 | 2014

mit einer Mischung aus

BODO VERLOSUNG | Nomfusi

rei und wahnwitziger

verblüffender

Zaube-

subrosa, Dortmund, 20 Uhr

FR 26 | 09 | 14

Der Sound Afrikas trifft auf Motown und

Komik. Mit Kult-Come-

Soul. Heraus kommt dabei eine Packung

dian Steve Eleky an seiner Seite, dem Come-

Die Ausstellung „Böse Clowns“ widmet sich

puren Dynamits. Dank ihrer

dy-Jongleur im Schottenrock, führt er durch

genau dieser beunruhigenden Figur, die in

kraftvollen Stimme und mitrei-

einen zauberhaften Abend. Mit dabei sind

letzter Zeit eine ‚unheimliche’ Karriere ge-

ßenden Bühnenpräsenz hat es

die Vertikaltuch-Künstlerin Isabel Anobian,

macht hat. (Böse) Clowns tauchen heute

Nomfusi bereits innerhalb von

das Diabolo-Duo „TwinSpin“, die Tanzakro-

in den unterschiedlichsten Kontexten auf:

vier Jahren auf die großen in-

baten Oksana & Vadim, das Partnerakroba-

in der (Anti-)Werbung (Ronald McDonald

ternationalen Konzertbühnen

tik-Duo „2 Trux“ und der Fahrrad-Künstler

und Parodien), im politischen Aktivismus

geschafft. Aufgewachsen mit

Ausstellungseröffnung | Böse Clowns

Paul Chen. Weitere Termine unter: www.

(The Yes Men), in Fernsehserien (Krusty bei

Tina Turner, Aretha Franklin und Miriam Ma-

variete-et-cetera.de.

den Simpsons), in Horror- und Hollywood-

keba ist ihre Musik geprägt von den wahren

Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr

filmen (Pennywise in Stephen Kings Es, der

Beats und den funky Grooves aus Soul, Mo-

bodo verlost 2 x 2 Karten.

Joker als Gegenspieler von Batman), in der

town und Sophiatown.

Teilnahmebedingungen auf Seite 25.

Popmusik (Der Plan, The Residents) und in

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Gefördert vom:

30

Musik | Polly & The Billets Doux


26 | 09 | 14 Marius Jung

27 | 09 – 05 | 10 | 14 Festival n.a.t.u.r. 2014

Film | Die elf Teufel

der zeitgenössischen Kunst. Weitere Infos

Ruhr Nachrichten u.v.a., mit insgesamt rund

unter www.hmkv.de.

„Die elf Teufel“ ist der erste Fußballspielfilm,

600 Einzelveranstaltungen. Die Tickets sind

HMKV im U, Dortmund, 19 Uhr

der in Deutschland 1927 in die Kinos kam. Am

Kombi-Tickets, d.h. Eintritt und freie Fahrt im

Anfang stand schon damals das Klischee: die

gesamten VRR und mit den Sonderbussen.

Musik | Claudia Rudek lädt ein:

Armen und die Reichen, die Malocher und die

Alle Infos zur Museumsnacht unter: www.

Lbow Grease & Fred Ape

verwöhnten Halbprofis. Die Fußballszenen

dortmunderdewmuseumsnacht.de.

Mit der Konzertreihe „Claudia Rudek lädt

werden von „echten“ Fußballern gespielt,

Dortmund, 16 – 2 Uhr

ein“ präsentiert die Gastgeberin jeden vier-

und der Film nimmt die heutigen rasanten

bodo verlost 3 x 2 Karten.

ten Freitag (Café Erdmann, Dortmund) und

Kamerafahrten, parallel zur Außenlinie und

Teilnahmebedingungen auf Seite 25.

Samstag (MuCa, Herne) im Monat bekannte

zum Spielgeschehen, mit beachtlicher Virtu-

und auch unbekannte Künstlerinnen und

osität vorweg. „Die elf Teufel“ wird live von

Künstler des Ruhrgebiets. Ob Folk, America-

Joachim Bärenz am Klavier begleitet.

na, Bluegrass, Gipsy oder Irish Folk, die Freu-

Kino im U, Dortmund, 20 Uhr

SA 27 | 09 – SO 05 | 10 | 14 Festival | Festival n.a.t.u.r. 2014

de an der Musik vereint sie alle. Dieses Mal

bodo ist in diesem Jahr Kooperationspart-

sind zu Gast: LBOW GREASE und Fred Ape.

ner des Festivals „n.a.t.u.r.“, welches sich

SA 27 | 09 | 14

Der Eintritt ist frei – ein Hut geht rum. Café Erdmann, Dortmund, 19.30 Uhr

aus Workshops, Lesungen, Vorträgen, Ak-

BODO VERLOSUNG |

tionen, Sport, Theater, Performance, Musik

14. Dortmunder DEW21-Museumsnacht

und Kunst zusammensetzt. Es ermöglicht

Dortmunds Nacht der Nächte steht wieder

dabei seinen Besuchern, durch aktiven Aus-

Der dunkelhäutige Kabarettist Marius Jung

vor der Tür: Ob atemberaubende Lasershow,

tausch die Ideen und Fragestellungen von

beleuchtet in seinem neuen Programm „Sin-

witzige Comedy, wis-

„n.a.t.u.r.“ kennenzulernen, sich zu Betei-

gen können die alle!“ witzig und manchmal

senschaftliche

Experi-

ligen und ein Stück weit Realität zu verän-

bitterböse das Zusammenleben unserer an-

mente oder mittelal-

dern. Die „Rotunde“ dient dem Festival als

geblichen Multikulti-Gesellschaft. Vor kei-

terliches

Spectaculum

Hauptspielort – aber auch abseits werden

nem Klischee, sei es noch so nett gemeint,

– hier gibt es nichts,

wieder gezielt Orte und Lokalitäten im Vik-

macht er halt. Nach dem Motto „Lachen ge-

was es nicht gibt. Unter dem Motto „Nacht

toria-Quartier bespielt und in das Festival

gen Rassismus“ packt Marius die Hellhäuti-

der Visionen“ wimmelt es von 16 bis 2 Uhr

eingebunden. Das Programm gibt es unter:

gen bei ihrer Befangenheit, um den Krampf

nachts nur so vor spannenden Angeboten

www.festival-natur.de.

aus der Debatte um ein vernünftiges Mitein-

– an 60 Kulturorten, Museen, Kirchen, Kul-

Viktoria-Quartier, Bochum

ander zu nehmen.

tureinrichtungen, sogar im Polizeipräsidi-

Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

um, beim WDR Fernsehen, Radio 91.2, den

Musik-Kabarett | Marius Jung

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14. dortmunder museums ... der Visionen!

27. September 2014 16 bis 2 Uhr

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31


BODO GEHT AUS

Pottburger | Dortmund Keine Lust auf Konfektion

Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Bratereien seiner Heimatstadt. „Eigentlich wusste ich sehr genau, wie das Geschäft

32

Burger zu essen ist schick geworden. Wer

aussehen sollte, andererseits findet man

über Mc und King die Nase rümpft, sich im

in London angeblich sechs der weltbesten

Stillen aber danach sehnt, zwischen Bröt-

Burgerläden. Ich bin mit Freunden eine

chenhälften gestapelte Buletten und Beila-

Woche dort gewesen und wir haben sie

Mozzarella, hausgemachtes Pesto und rote

gen zu verspeisen, kann sich den heimlichen

alle getestet. Die Briten haben einen etwas

karamellisierte Zwiebeln (8,90 Euro).

Traum mittlerweile auch im Revier und

anderen Geschmack, aber die karamellisier-

ohne Imageverlust erfüllen. Berlin hatte bei

ten Zwiebeln und die Brötchen à la brioche

dem Trend mal wieder die Nase vorn. Niklas

haben wir von dort übernommen.“ Außer-

Mand, gebürtiger Hauptstädter, betreibt

dem die Trinkgläser und die emaillierten

seit kurzem den Pottburger am Rande des

Teller. „Das sind nur Kleinigkeiten, aber die

Kreuzviertels. Der Laden brummt.

machen den Unterschied.“

Niklas Mand, nicht einmal Mitte zwanzig,

Sämtliche Rezepte hat er gemeinsam mit

Eiweiß bestrichen sind. Die Brötchen backt

ist das, was der Volksmund einen „Hans

seiner Betriebsleiterin Chakira el Quaari

der Bäcker von nebenan, alle Saucen sind

Dampf in allen Gassen“ nennt. Als Jugend-

entwickelt. Neben dem klassischen Hambur-

hausgemacht, die Pommes werden aus

licher ins Ruhrgebiet gekommen, pendelte

ger, hier „Pottburger“ genannt, findet man

frischen Kartoffeln geschnitten und auf

er aufgrund unterschiedlicher Bildungssys-

auf der Karte phantasievolle und leckere –

belgische Art frittiert, außerdem gibt es

teme eine Weile zwischen NRW und Berlin.

wir haben sie probiert – Kreationen wie „Kaa

sie als Süßkartoffelvariante, eine Auswahl

Inzwischen studiert er an der FH in Dort-

Wuummm“: Salat, Tomate, Gurke, feurige

knackiger Salate steht bereit. „Ich habe mich

mund, gründete parallel eine eigene Agen-

Jalapeños, Chili con Carne, Tortilla Chips,

an dem Standard orientiert, der in Berlin

tur und entwickelte dort, als ein Projekt un-

rote Zwiebelmarmelade, dazu ein Körnchen

inzwischen gilt. Dort existieren mittlerweile

ter vielen, das Konzept für den Pottburger.

(7,90 Euro) oder „Altobelli“: Rucola, Tomate,

so viele Burgerläden, dass sich die Betreiber

Inspirieren ließ er sich nicht nur von den

Gurke, gegrillte Zucchini, angeschmolzener

nur noch über die Produktqualität abheben

Das Fleisch kommt von Neuland-Betrieben, für Vegetarier wird jeder Klops auf Wunsch durch knusprigen Halloumi-Käse ersetzt. Veganer müssen bei ihrer Brötchenwahl – mehrere Sorten stehen zur Auswahl – nur auf die mit Sesam verzichten, weil die mit


VERKÄUFERPORTRÄT

Melanie | Dortmund Vor einigen Wochen kam Melanie nach dem Verlust von Job und Wohnung zu bodo. In der Dortmundern Innenstadt haben wir uns mit ihr getroffen, wo sie uns ein wenig aus ihrem Leben erzählt hat: Protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst

können. Von den Gästen wird gefragt,

„Gebürtig komme ich aus Leverkusen.

helfen. Als ich 21 war, verstarb meine

welches Fleisch verarbeitet wird und ob

Aber bereits als ich sechs Monate alt war

Mutter. Mein Freund bekam ein Visum für

es sich um Bio- und Fairtrade-Produkte

ist meine ganze Familie nach Borkum ge-

die Beisetzung, und wir konnten wieder

handelt“, erklärt Niklas Mand. Konse-

zogen. Die Seeluft dort sollte meiner Mut-

nach Deutschland einreisen. In den drei

quent hat er auch auf seine Getränke-

ter helfen, die stark an Asthma erkrankt

Monaten, die wir hier waren, heirateten

karte nur Ausgesuchtes gesetzt. Die

war. Meine Eltern eröffneten auf der Insel

wir mehr oder weniger überstürzt.

Limonaden sind selbstgemacht oder von

eine Pension. Nach der Hauptschule habe

fritz, das Bier von Bergmann und der

ich dort eine Lehre als Raumausstatterin

Wir lebten wieder auf Borkum. Ich habe

Kaffee von röst.art in Bochum.

gemacht. Die habe ich zwar erfolgreich

als Zimmermädchen, als Spülkraft und als

mit der Note ‚gut‘ abgeschlossen, doch

Aushilfe und so ziemlich in jedem ande-

leider wurde ich nach meiner Lehre nicht

ren Job in der Tourismus-Branche gearbei-

übernommen.

tet. Zu der Zeit wohnte ich mit meinem

Weil in stimmigem Ambiente alles doppelt so gut schmeckt, hat er auch diesbezüglich nichts dem Zufall überlassen. Ebenso rustikal wie zeitlos wirkt der hohe, schwarz geflieste Tresen; er harmoniert bestens mit dem vielen Holz im Lokal. Fußboden und Mobiliar sind aus derben Bohlen vom Gerüstbau gefertigt. Sollte ein Tisch wackeln, gehört das zum Konzept. Pottburger, Kleine Beurhausstraße 20, 44137 Dortmund Geöffnet täglich von 12 bis 22 Uhr www.pottburger.de

Mann, meinem Vater und meinem älteren Mit 19 bekam ich meinen Sohn Quentin.

Bruder zusammen.

Mein damaliger Freund musste aber zurück nach Polen, da er hier in Deutsch-

Irgendwann krachte es zwischen mir und

land zu der Zeit noch keine Arbeitser-

meinem Mann immer öfter, da er Proble-

laubnis bekommen konnte. Da ich nicht

me mit Alkohol hatte. Eines Abends wurde

wollte, dass mein Sohn ohne seinen Vater

es mir zu viel und ich habe mich von ihm

aufwächst, blieb mir nichts anderes übrig,

getrennt. Zu der Zeit hatte ich auch einen

als mit ihm nach Breslau zu ziehen. Dort

richtigen ‚Inselkoller‘. Gerade in den

hatte seine Familie einen kleinen Bau-

Wintermonaten konnte man auf Borkum

ernhof, und ich konnte bei der Landarbeit

fast überhaupt nichts unternehmen und

www.facebook.com/pottburger 33


VERKÄUFERPORTRÄT

um fünf Uhr machten alle Geschäfte zu. Das hat mich irgendwann ganz verrückt gemacht. Zu der Zeit lernte ich meinen jetzigen Freund Thomasz kennen. Da er auch von der Insel runter wollte, fassten wir gemeinsam den Entschluss, meine Wohnung zu kündigen und erst mal durch Deutschland zu reisen. Wir fuhren per Anhalter los, schliefen bei Freunden

REPORTAGE

Wer baut denn da mit Lehm?

oder im Zelt. Nach einigen Stationen landeten wir dann mehr oder weniger zufällig beim Zirkus. Da wir kein konkretes Ziel hatten und auch kein Dach über dem Kopf, reisten wir mit dem Zirkus als

Ein Besuch beim Fachwerkhausrestaurator

Hilfsarbeiter weiter. Fast ein ganzes Jahr waren wir beim Zirkus, hatten einen Wohnwagen und kümmerten uns um die Tiere. Nach einer Saison wurde uns das viele Reisen zu viel und wir zogen erst zu einem Freund in Castrop-Rauxel und später in unsere gemeinsame Wohnung in Dortmund. Eine Zeit lang hatte ich einen Job als Helferin über eine Zeitarbeitsfirma. Aber als in dem Betrieb, in dem ich tätig war, Stellen abgebaut wurden, war ich natürlich die erste, die gehen musste. Da wir von unseren Vermietern übers Ohr gehauen wurden, hatte ich zu der Zeit auch keine Wohnung, und Arbeitslosengeld konnte ich nicht beantragen, da ich nicht in meine Wohnung und an meine Unterlagen kam. Da ich das Straßenmagazin schon von meinem Freund kannte, bin ich noch am Tag meiner Kündigung direkt zum Verkäufercafé und habe mir einen bodo-Ausweis ausstellen lassen. Seitdem verkaufe ich regelmäßig in der Innenstadt. Auch wenn der Verkauf nicht immer einfach ist, wäre ich ohne bodo im Moment ganz schön aufgeschmissen. Mein erstes Ziel ist es, so schnell wie möglich wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. Danach finde ich dann hoffentlich auch wieder einen Job. Solange muss es irgendwie mit bodo weitergehen.“

Es ist gar nicht lange her, zwei Generationen vielleicht, da galten Fachwerkhäuser als das Letzte, worin man hierzulande wohnen mochte. Schiefe Wände, niedrige Decken, kleine Fenster, krummes Dach, altmodisch und rückständig. Vielleicht kannte man ein pittoreskes Dorf im Sauerland und war als Tourist eventuell in Rothenburg gewesen oder Wolfenbüttel, hatte die Fachwerkparadiese fotografiert und die Bewohner insgeheim bedauert. Michael Waning weiß um die Vorurteile und kann sie widerlegen. Wir besuchen den Holz- und Lehmbaufachmann auf seinem Hof in Herne. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

34


Es ist ein heißer Sommertag. Wir verlassen

zum Horizont ist alles grün. Geradeaus geht

Eindruck. Die Stätte ist denkmalgeschützt.

die A43 bei Bochum-Gerthe, nehmen den

es in die Oestrichstraße, die Durchfahrt nur

Im Haupthaus staunen wir erneut. Trotz der

Castroper Hellweg und schwitzen, trotz

für Anlieger. Linker Hand liegt Hof Waning,

sommerlichen Hitze, die seit Tagen herrscht,

offener Seitenfenster, im Auto ohne Klima-

Hausnummer 138. Beatrice und Michael Wa-

ist es drinnen angenehm kühl. Beatrice Wa-

anlage. Hiltrop. Gerthe. Rechts und links der

ning erwarten uns bereits.

ning scheint zu wissen, was in uns vorgeht:

vielbefahrenen Straße stehen mehrstöckig und grau typische Reihen- und Gründer-

„Wenn Sie heute gesundes Wohnen dar-

Dämmwahn: Häuser in Plastiktüten

stellen möchten, müssen Sie sich vorstellen,

die Holthauser Straße und reiben uns wenig

Die Hofanlage, ein Ensemble von drei

die Fenster öffnen wollen. Wenn Ihnen das

später verwundert die Augen. An einer

Fachwerkhäusern, gilt als eine der letzten

gelingt, haben Sie ein gesundes Klima.“

sanften Welle im Gelände endet plötzlich

komplett erhalten gebliebenen Hofstellen im

die Stadt. Wir sehen Wiesen mit Ponys drauf,

Raum Herne/Bochum. Wohnhaus, Stall und

Unversehens befinden wir uns mitten in

dazwischen vereinzelte Baumgruppen. Bis

Scheune machen einen sauberen, gepflegten

einem Gespräch über den Sinn beziehungs-

zeithäuser. Ruhrgebiet. Wir biegen links in

Sie kommen nach Hause und müssen nicht

35


REPORTAGE

weise Unsinn der momentan allerorts

abzureißen, haben wir gesehen, wie viel wirk-

durchgeführten Fassadenisolierungen.

lich kaputt ist. Von einigen Balken war nur

„Wichtig ist eine angenehme Temperatur

noch Staub übrig, der uns entgegenrieselte,

und vor allem eine optimale Luftfeuchtig-

und der Lehm und das Stroh aus den Fächern

keit. Die liegt in der Regel zwischen 55 und

dazwischen fiel uns einfach vor die Füße.”

60 Prozent. Im Dämmwahn, in dem wir uns befinden, seit die Bundesrepublik ihre CO2-

„Aber im Grunde genommen war das sogar

Einsparung verabschiedet hat und sagt, wir

besser, als wenn immer wieder notdürftig

müssen jetzt unsere Außenwände dämmen,

und mit falschem Material geflickt worden

in diesem Wahn packt man die Häuser in

wäre. Wer an einem Fachwerkhaus herum-

Plastiktüten in Form von Hartschaum oder

bastelt, ohne genau zu wissen, was er da tut,

Polystyrol. Dann werden noch absolut dichte

richtet mehr Schaden an, als dass er tatsäch-

Fenster eingesetzt. Und was machen die

lich repariert. Fachwerk ist das Sensibelste,

Menschen, die in diesen Häusern wohnen?

was wir an Bausubstanz haben.”

Wenn sie nach Hause kommen, reißen sie die Fenster auf. Ab da lohnt sich die ganze Dämmung nicht mehr”, sagt Michael Wa-

Lehmbauherren

ning. „Die Häuser sind nicht mehr atmungs-

Michael Waning kannte den Werkstoff Holz

aktiv”, erklärt er und vergleicht die Eigen-

durch seine Ausbildung zum Tischler und

schaften idealer Außenwände mit moderner

während des Studiums hatte er sich für Lehm

Funktionskleidung, deren Qualität darin

als Baustoff interessiert. „Viele Unterlagen

besteht, dampfdiffusionsoffen Feuchtigkeit

gab es an der Uni allerdings nicht. In der Bib-

nach außen zu transportieren. Natürliche

liothek standen ganze zwei Bücher zum The-

Baustoffe, wie sie bei einem Fachwerkhaus

ma, ein Klassiker aus den 20er Jahren und ein

verwendet werden, würden das ebenfalls

Buch über Lehmbauten in Afrika.“ Doch nach

leisten und ein zu jeder Jahreszeit angeneh-

der umfangreichen Sanierung des eigenen

mes Wohnklima garantieren. Und sowieso,

Hauses war er nicht nur theoretisch, sondern

spätestens wenn die Polystyrolverkleidung

auch praktisch fit am Fachwerk. Waren seine

saniert werden müsse, wäre es mit jeder

künstlerischen Ambitionen bei dem zeit- und

Nachhaltigkeit vorbei.

arbeitsintensiven Unterfangen auf der Strecke geblieben, kamen jetzt Anfragen, ob er

„Fachwerk ist das Sensibelste, was wir an Bausubstanz haben.” Das Haus, in dem und über das wir uns

nicht tatkräftig oder wenigstens beratend bei weiteren Renovierungen unterstützen könne. Der nächste Schritt war die Unternehmensgründung im Metier.

unterhalten, wurde 1821 gebaut. Beatrice und Michael Waning leben hier seit zwanzig

In seiner Firma wird auf traditionelles

Jahren. Das Paar war auf der Suche nach

Handwerk großen Wert gelegt, doch die

einem Ort zum Wohnen und Arbeiten. Er ist

verwendeten Baustoffe sind ausgesprochen

Tischlermeister, hat Architektur studiert,

modern. Beim Ausfachen der Zwischen-

plante aber, sich als Künstler mit dem Bau

räume im Holzgerüst kommen nicht mehr

von Stahlmöbeln selbstständig zu machen.

Weidengeflecht, Stroh und Lehm zum

Das große Bauernhaus ohne direkte Nach-

Einsatz, mittlerweile gibt es spezialisierte

barschaft schien für ein Atelier geeignet zu

Anbieter, die eine Palette Hightech auf

sein; darüber hinaus wollten sie, als zweites

ökologischer Basis entwickelt haben. Ein

Standbein, ein Kulturcafé betreiben.

Dachverband Lehm e.V. wurde ins Leben gerufen – Wanings Firma ist Mitglied –, um

36

„Das Haus war nicht teuer”, sagt Michael

das alte neue Material zurück ins Bewusst-

Waning. „Ein leerstehender Pachthof, an die

sein von potenziellen Lehmbauherren zu

hundert Jahre nicht saniert. Der Zustand war

bringen. Die Lobbyarbeit des Verbandes war

gravierend schlecht.“ Von außen sah es gar

auch baurechtlich unerlässlich, denn abge-

nicht so übel aus. Wir dachten, ach, es steht ja

sehen vom Denkmalschutzbereich, wo aus

noch, das kriegen wir schon hin”, ergänzt sie.

fachlichen Überlegungen ohne weiteres auf

„Erst als wir angefangen haben, die Tapeten

die althergebrachten Werkstoffe zurückge-


griffen wird, dürfen Architekten in Deutschland nur ausschreiben, was ein offizielles Normierungsverfahren durchlaufen hat. Die Normierung von Leichtlehmsteinen und abgestimmten Putzen, Farben und Dämmmaterial erfolgte vor zwei Jahren.

Sanieren geht über Planieren Meist wird Michael Waning zu Restaurierungen gerufen und muss oft ausbügeln, was, wenn auch in guter Absicht, in der Geschichte des Gebäudes falsch gemacht wurde. Ein Putz auf Gipsbasis, um die als unmodern empfundene Holzbalkenoptik zu kaschieren, oder nur das Ausbessern eines beschädigten Faches mit gebrannten Ziegeln sind Akte, welche die erwähnte Dampfdurchlässigkeit mindern. Damit erhöht sich automatisch die Feuchtigkeit in der Wand, was Pilze und Schädlinge anlockt, die ihrerseits das Holz angreifen. „Wo noch nicht saniert wurde, konnten keine Fehler gemacht werden“, sagt Michael Waning, der auch Schadensanalysen vornimmt, sollte jemand mit dem Gedanken spielen, Fachwerkhausbesitzer zu werden. Entsprechende Objekte sind im Revier häufiger zu finden, als gemeinhin angenommen wird. Gerade in etwas kleineren Ortschaften überdauerte im meist vorindustriell dörflichen Kern die historische Bausubstanz. Doch der Bestand schwindet im Zuge großflächig angelegter städtebaulicher Maßnahmen, ungeklärter Besitzverhältnisse oder schlicht an der Überforderung des Eigentümers. „Dabei ist die Sanierung eines Fachwerkhauses noch immer preiswerter als ein herkömmlicher Neubau”, sagt Beatrice Waning.

Hof Waning, Beatrice und Michael Waning, Oestrichstraße 140, 44627 Herne Tel. 02323 – 95 75 66, info@waning.de Das angedachte Kulturcafé auf Hof Waning wurde nicht eröffnet, andere Dinge waren wichtiger, doch Räumlichkeiten im Haus können für Familienfeste, Konferenzen oder Besprechungen angemietet werden. Und wer sich über Bauen mit Lehm informieren möchte, ist herzlich eingeladen, am 6. und 7. September, jeweils von 11 – 17 Uhr, die InfoTage „natürlich bauen“ zu besuchen.

37


INTERVIEW

Das ist vielleicht nicht Detroit Recht auf Stadt im Ruhrgebiet „Interventionen – Stadt für alle“ lautete der Titel einer ruhrgebietsweiten Konferenz, die im letzten September in Bochum stattfand. Die Konferenz gab den Anstoß für die Bildung eines offenen Netzwerks aus urbanen AktivistInnen und AkteurInnen aus sozialer Arbeit, Kunst, Kultur und Wissenschaft. Im Anschluss an die weltweite „Recht auf Stadt“-Bewegung fordert das Netzwerk heraus zur Diskussion über Engagement und Teilhabe in einer Nicht-Metropole. Ihr „Manifest“ trägt den provozierenden Titel „Von Detroit lernen“. Ein Interview. Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski

„Was also kann das Ruhrgebiet von Detroit lernen? Wer in den Trümmern sucht, findet dort zahlreiche Zonen unkommerzieller Urbanisierung: kulturelle oder künstlerische Initiativen, die sich in den Leerständen ausbreiten, und Urban Agriculture Projekte, die sich mit Gemeinwesenarbeit vermischen; eine soziale Selbstorganisierung, die ihr Recht auf Stadt im Sperrmüll von Detroit ganz praktisch in die Hand nimmt.“

38


bodo Die „Recht auf Stadt“-Bewegung von New York bis Hamburg

Wert setzen“. Wert erhält ein Raum aber erst durch seine Nutzung.

verbindet man in erster Linie mit dem Kampf gegen „Gentrifizie-

Tatsächlich ist es aber so, dass kleine, sich selbst organisierende

rung“, die Verdrängung alteingesessener Nachbarschaften in Innen-

soziale und kulturelle Projekte wie „Goldkante“ und „Alsenwohn-

stadtquartieren durch zahlungskräftige Latte-Macchiato-Trinker.

zimmer“ in Bochum oder „Nordpol“ und „Rekorder“ in Dortmund

Was hat das mit dem Ruhrgebiet zu tun?

ihre Räume irgendwann auf dem freien Immobilienmarkt finden.

Recht auf Stadt Ruhr Nichts. Gentrifizierung und die damit verbundenen überhitzten Wohnungsmärkte sind ökonomische Prozesse, die wir praktisch nicht kennen. Nur wenn so etwas künstlich implantiert wird wie beim Phoenix See, sieht man hier Ansätze davon. Im Ruhrgebiet hat man es mit Schrumpfungsprozessen zu tun, mit Armut, das ist etwas grundsätzlich anderes. Das „Recht auf Stadt“ ist jedoch, was die Forderungen angeht, in Berlin und im Ruhrgebiet dasselbe – nur, dass es anders ausbuchstabiert werden muss. Es geht auch hier um Teilhabe, Teilhabe am gesellschaftlichen, am urbanen Leben, und um eine Gegenposition zu einer Ideologie, die Stadtentwicklung nur noch in Kategorien von Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing denken kann. bodo Was heißt das konkret?

Gruppen, die mehr Platz benötigen und wenig Geld haben wie „UzDo“ in Dortmund, die Künstlerinitiative „Freiraum2010“, die Initiative „Bärendelle“ in Essen oder das Netzwerk „DU it yourself“ in Duisburg, beißen sich an der Ignoranz der Stadtverwaltungen die Zähne aus. Menschen, die bereit sind, Leerstände sozial in Wert zu setzen, werden blockiert, stattdessen verbrennt man Geld in der Blase Kreativwirtschaft oder in ruinösen Leuchtturmprojekten. bodo Warum ist das so? RaSR Das hat einerseits mit der Geschichte einer Region zu tun, die es kennt, dass Prozesse von oben gelenkt und dann von breiten Koalitionen bestätigt werden. Dazu kommt ein von Minderwertigkeitsgefühl und Repräsentationsdenken geprägter Kulturbegriff: Das Dortmunder U muss innen aussehen wie ein Großraumbüro,

RaSR Das Ruhrgebiet schrumpft, hier ist unendlich viel Platz.

das man mit Rigipswänden und Standardauslegeware zu einem

Allein in Duisburg gibt es etwa 12.000 leerstehende Wohnungen.

Unort macht. Das darf kein offenes Mauerwerk haben oder teilfer-

Trotzdem halten die Städte an dem Glauben fest, ungenutzte

tig bespielt werden. Kultur ist hier, wenn man gut durchwischen

Immobilien oder Flächen ließen sich früher oder später wieder „in

kann. Es gibt ein großes Misstrauen gegen die Fähigkeiten der

„Wir sind der Meinung, dass es das Ruhrgebiet nicht gibt. Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund und all die anderen Städte betreiben eine kannibalistische Kirchturmpolitik gegeneinander. Sie streiten um Fördermittel und darum, wo der nächste Leuchtturm aufgestellt werden soll“.

39


INTERVIEW

Leute, deshalb scheint es besser, Dinge vor-

Stattdessen zieht sich nördlich der A40 von

bodo Mit toten Industrien meint Ihr Kohle

zugeben. Kulturelle oder soziale Basisiniti-

Duisburg nach Dortmund ein Armutsgürtel

und Stahl?

ativen werden dann nicht als Bereicherung,

durchs Ruhrgebiet, der sich zunehmend

sondern als ordnungspolitisches Problem

verfestigt, eigene Armutsquartiere schafft,

wahrgenommen. Wer damit nicht klar-

und in dem „Minderleister“ und „Bürgerar-

kommt, zieht eben weg.

beiterInnen“ „beschäftigt“ in Armut verbleiben, die durch Tafeln und Sozialkaufhäuser

bodo Ihr schreibt: „Wer neben die Armuts-

„lebbar“ gemacht wird. „Recht auf Stadt“

quartiere Leuchttürme baut, auf dass ihr

bedeutet die Teilhabe aller an einem guten

Licht früher oder später auch die Armen

Leben. Stattdessen trennen sich die Lebens-

erreicht, ist nicht nur ignorant, sondern

sphären von arm und nicht arm immer wei-

zynisch.“

ter: Sichere Konsumzonen und Wohnviertel

RaSR Genauso wie der Fakt der Schrumpfung, des „Minus-Wachstums“ erst einmal

auf der einen, Platz für die Überflüssigen auf der anderen Seite der Bahnlinie.

RaSR Erst einmal, ja: Gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialdemokratie ist es der Montanindustrie gelungen, ihr Sterben durch Milliarden-Subventionen zu verlängern und zugleich andere Entwicklungsmöglichkeiten zu blockieren. Bis zur Stilllegung der letzten Zeche im Jahr 2018 fließen weiterhin jährlich rund 1,5 Mrd. Euro an den Zombie Ruhrkohle AG. Welche Alternativen hätten mit diesen gewaltigen Summen im Ruhrgebiet gefördert werden können? Aber der Traum der großen Industrien geht

zugegeben werden muss, bevor man

Perspektivisch bedeutet das, über ganz neue

ja weiter: Bochum sucht Opel-Nachfolger im

handeln kann, müssen Ursachen und

Formen der Einkommensverteilung nachzu-

produzierenden Gewerbe und alle spielen

Auswirkungen der Armut im Ruhrgebiet

denken – über die Entkoppelung von Arbeit

mit im Rattenrennen um Subventionen

erst einmal gesehen werden, auch wenn

und Einkommen. Konkret heißt das: Wenn

und Standortfaktoren. Für Nokia hatte man

einen andere „Metropolen“-Bewohner

öffentliche Gelder ins Ruhrgebiet fließen,

dem flüchtigen Kapital alle Wege geebnet.

dafür vielleicht schief anschauen. „Vollbe-

müssen sie für soziale Infrastruktur und

Gelsenkirchen wurde mit Geschenken für

schäftigung“ wird es hier nie wieder geben.

in diesem Sinne kommunale Gemeingüter

Unternehmen, Infrastruktur und Flächen

Die Malocher-Folklore kaschiert das nur

verwendet werden und nicht für monströse

zur Solarstadt ausgerufen – wie man das

schlecht.

Leuchtturmprojekte oder tote Industrien.

eben so macht. Diese ganze Industrie ist im

„Wir fordern die Anerkennung einer Produktion von urbanem Leben, das sich nicht dem Zwang der kommerziellen Verwertbarkeit unterwerfen muss, und das Freiräume benötigt, um sich entfalten zu können.“ „Wir trauern dem Verschwinden der für das Ruhrgebiet typischen Industriearbeit nicht nach. Wir wollen die Bilder von den heldenhaft verklärten Arbeitsmännern nicht mehr sehen. Wir stellen diese Identität stiftende Ruhrgebietsfolklore in Frage.“

40


ANZEIGEN

Weltmarkt untergegangen, das Kapital zieht weiter, aber die Menschen bleiben hier. In all dem steckt der alte „Fetisch Bigness“, der sich Veränderung nur als von einer großen Maschine angetrieben vorstellen kann, von mächtigen Industrien, von Kraftwerken, Shopping Malls, Fußballstadien und Massen-Events – unfähig, die Bedürfnisse

Wir sind in jedem Vorort

und Potenziale in den Ritzen des Ruhrge-

zu Hause

biets zu erkennen. bodo Ihr bezieht Euch im Hinblick auf diese

Verbindungen • zahlreiche NachtExpress-Netz • dichtes • zentrale Anschlussmöglichkeiten

Bedürfnisse und Potenziale auf Detroit, das Sinnbild der gescheiterten postindustriellen Stadt. RaSR Das Schauspiel Bochum hat mit seinem Detroit-Projekt versucht, diese Verbindung herzustellen und ist damit in großer

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Ratlosigkeit gescheitert. Wir machen die Unterschiede deutlich: Von der existentiellen Not im auseinan-

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22.10.12 09:20

dergebrochenen Gemeinwesen Detroit ist bitte stellen!

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das Ruhrgebiet weit entfernt. Trotzdem ist es ein Labor für solidarische Ökonomien. Eine Kultur des Teilens, die eben nicht „bürgerschaftliches Engagement“ ist, sen organisiert, wo sich der Sozialstaat zurückgezogen hat, sondern wo es um die Entwicklung tatsächlich anderer Modelle der Sorge und Teilhabe geht. Wie nennen das „Produktion des Gemeinsamen“. Auch das müssen Kommunen und Verwaltungen nicht beschließen – sie müssen es eben nur nicht verhindern.

16. September, 19.30 Uhr: Diskussion und Vorstellung im „Nordpol“, Münsterstraße 99, Dortmund. Weitere Termine u.a. in Bochum,

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REPORTAGE

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„Mama sagt, hier sind wir sicher“ Ein Blick hinter die Türen eines Frauenhauses Sie kommen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seelisch und meist auch körperlich verletzt: Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen und Schutz suchen an einem Ort, der Sicherheit und Trost bietet sowie die Chance auf ein gewalt- und angstfreies Leben – das Frauenhaus. Von Antje Mosebach | Fotos: Brigitte Kraemer

„Mama sagt, hier sind wir sicher“ – mit diesem Kinospot wirbt die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser (LAG) gegen Gewalt an Frauen. Und für den Mut, innere Schwellen zu überwinden und den Schritt in eine andere Zukunft zu wagen. Für manche Frauen ist das Frauenhaus der erste Ort auf dem Weg dorthin. 68 Frauenhäuser unterschiedlichster Trägerschaften gibt es allein in NRW, aber damit immer noch unter dem Bedarf, sagt Beate Kaupen, Sozialpädagogin im Frauenhaus Herne. Besonders die Häuser in den Großstädten seien meist voll. Zudem scheuten viele Frauen den Gang dorthin, zu viele Vorurteile bestünden – und dass, obwohl es diese „Zuflucht für alle von Gewalt betroffenen Frauen“ schon seit Jahrzehnten gibt, allein das in Herne seit 1981, so Beate Kaupen, denn: „Ein männerfreier Raum an geheimem Ort ist besonders Männern suspekt.“

„Auf der Schwelle“ – Fotos gegen Vorurteile

ausstellung ist, zeigen Bilder in bewusstem Schwarzweiß Frauen in einer Zeit des Übergangs, in der sie entweder aus eigenem

Gerne ließen diese dann Geschichten

Die Wirklichkeit ist anders. Es sind Frauen, die

Antrieb oder mit Hilfe der Polizei den ersten

entstehen, von „eingesperrt“ bis „Gehirn-

Schlimmes erlebt haben. Denen die Frauen-

Schritt zur Trennung gemacht haben. In dem

wäsche“, Geschichten, die den Frauen das

häuser die Tür öffnen, um sie vor weiterem

sie die Möglichkeit haben, in angstfreiem

Frauenhaus nicht als Schutzburg, sondern

Unheil abzuschotten. Diese bislang weit-

Raum zu sich zu kommen, zu verarbeiten und,

als eine bedrohliche Unbekannte ausmalen.

gehend unbekannte Welt hinter den Toren

das ist ein großes Ziel, erklärt Beate Kaupen,

fasziniert die Herner Fotografin Brigitte

Selbstvertrauen zu bekommen, um in ein ge-

Auch das weibliche Umfeld betroffener

Kraemer schon seit den 80er Jahren. Einige

waltfreies, selbstbestimmtes Leben zu gehen.

Frauen kann Schuldgefühle provozieren,

Frauenhäuser öffneten ihre Pforten und

die ein Verlassen nicht rechtfertigen: „Na,

gestatten Einblicke in ihren Alltag – auch um

Was beide Frauen festgestellt haben, ist, dass

dann musst du die Prügel ja auch verdient

gegen die Vorurteile zu kämpfen. Brigitte

sich über die Jahre mehr jüngere Frauen und

haben“, komme da. Oder: „Dir geht’s doch

Kraemer konnte so über 30 Jahre ganz leise

besonders auch Frauen aus anderen Kultur-

gut. Andere Männer prügeln ihre Frauen,

hinter den Kulissen mit ihrer Kamera das Le-

kreisen trauen, der häuslichen Gewalt zu ent-

deiner geht doch nur fremd“ – da hat der

ben von Frauen und Kindern begleiten. Sie hat

fliehen und im Frauenhaus Schutz zu suchen,

Mann die sozialen Kontakte gekappt, die

Situationen und Stimmungen festgehalten

viele mit ihren Kindern. Die meisten, die es

Papiere einkassiert und den Kontozugang

und Frauen porträtiert, die „Auf der Schwelle“

hierhin geschafft haben, kehren auch nicht

gesperrt. Und sowieso: „Im Frauenhaus, da

ihres Lebens stehen. In ihrem gleichnamigen

ins alte Leben zurück. Aber das braucht Zeit.

sind ja nur schlimme Frauen“.

Fotoband, der auch Basis einer Wander-

Die bekommen die Frauen. Je nach Bedarf 43


REPORTAGE

können sie bis zu einem Jahr im Frauenhaus

Kaupen großen Halt gefunden: „Ich brauche

enhäuser, die aber von einem „politischen

bleiben. „Und es ist wichtig für sie, dass sie

sie: Vor den Kindern muss ich immer die Star-

Skandal“ beeinträchtigt wird, ist Beate

bleiben“, betont Beate Kaupen, denn „umso

ke sein, hier kann ich einfach mal weinen“. Die

Kaupen wütend: In vielen Fällen müssen

länger die Frauen im Frauenhaus bleiben,

Fürsorge, die simple Frage „Wie geht es dir“

die Frauen trotz ihrer akuten Notlage den

desto besser ist ihr Einstieg ins Leben“.

ist Neuland für Neyla: „Da interessiert sich

Aufenthalt selbst finanzieren, wenn sie

jemand für mich, ich werde ernst genommen,

nicht gerade ALG II-Empfängerin sind. Und

Denn zunächst sind die Frauen sehr erschöpft.

es ist wie eine Familie“, sagt Neyla sichtlich

die Preise in NRW variieren gewaltig. „Es

So wie Neyla (Name geändert), die mit ihren

bewegt. Was sie jetzt empfindet, nach ihrer

ist ein Unding, dass das nicht landesweit

drei Kindern nach ihrer Flucht von ihrem prü-

Flucht? „Erst war es Trauer. Dann bin ich ins

einheitlich geregelt ist“, schüttelt Beate

gelnden Ehemann erst einmal „mehrere Wo-

Bodenlose gefallen. Jetzt bin ich wütend!“

Kaupen fassungslos den Kopf. Während in

chen nur geschlafen“ hat, bevor sie an weitere

Wütend darüber, „dass ich mein Zuhause

Herne der Beitrag mit 7,30 Euro pro Tag und

Schritte denken konnte. Viele Jahre hat sie das

verloren habe, alles, was ich hatte“. Ein nicht

Person noch tragbar sei, würden in Müns-

Martyrium ertragen, „meine Leidensschwelle

unwesentlicher Faktor, den die Frauen, die die

ter schon 65 Euro veranschlagt: „Das kann

war zu hoch“, erklärt sie, trotz mehrfachen

erste Schwelle ins neue Leben überschritten

Frauen ganz schnell in die Schuldenfalle

Knochenbrüchen und blauen Augen, trotz

haben, verarbeiten müssen: ihre Entwurze-

führen. Oder schlimmstenfalls müssen wir

Kontaktverbot zu ihren Geschwistern. Immer

lung, aus Wohnung und Region. Hilfestellung

sie ablehnen!“, ist sie erbost. „Da werden

wieder habe sie auf Besserung gehofft, immer

gibt es im Frauenhaus, auch in der Nachsorge,

die Frauen noch zusätzlich bestraft!“

wieder seinen Versprechungen vertraut, jetzt

beschreibt Beate Kaupen den Einsatzrahmen. Das Ziel ist „einzelfallunabhängige Finan-

sei alles anders, dass es ihm leid tue, dass er sich geändert habe und vor allem - dass er sie so liebe. Geändert hat sich nichts.

„Hier kann ich einfach mal weinen“

zierung“: Jede, egal woher, soll kommen

Keine einheitliche Finanzierungsregelung

können. Ein politischer Kampf, den die LAG noch ausficht – für Frauen und ihre

Eine sehr verantwortungsvolle, intensive

Kinder, die auf der Schwelle zu einem

Aufgabe für die Mitarbeiterinnen der Frau-

gewaltfreien Leben stehen.

Warum sie nicht eher gegangen sei? „Es waren viele Faktoren“, erklärt die selbstbewusst wirkende junge Türkin. „Letztendlich aber war ich noch nicht soweit. Man vergisst sich selbst,

Fotoband „Auf der Schwelle“ – Leben im Frauenhaus

weiß gar nicht, was man mag. Der Fokus

Fotografien von Brigitte Kraemer

lag nur auf ihm. Immer mit dem Gedanken:

Klartext Verlag, 144 S., 19,95 Euro

‚Hauptsache, ihm geht es gut, dann geht es

ISBN 978-3-8375-1138-3

mir auch gut.‘“ Irgendwann war der Leidensdruck zu hoch, aber da war sie schon am Ende. Der Gedanke an ihre Kinder hat sie vom Selbstmord gerade noch zurückgehalten, über

Frauenhäuser: www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de Telefon 0231 – 971 03 00

die Polizei kam sie nach Herne, Hunderte Ki-

Wanderausstellung „Auf der Schwelle“:

lometer von ihrem Zuhause entfernt. Jetzt ist

Termine und Buchung über Email

sie knapp zwei Monate hier und hat in Beate

lag.frauenhaeuser-nrw@gmx.de

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LESERSEITE

Bilderrätsel: Für die kommende Ausgabe haben wir einen Pionier, Unternehmer und Stiftungsgründer in Münster besucht, der in „Holz und Rollen“ macht. Die Sportart, die er nach Deutschland brachte, ist die einzige, die eine völlig eigenständige Jugendkultur hervorgebracht hat. Wer ist´s?

LESERPOST Liebes bodo-Team!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Als ich gestern aus dem Supermarkt kam, stand unser

ich kaufe bodo gerne und finde die Ausgaben immer

örtlicher bodo-Verkäufer vor dem Laden und bot mir

gut bis sehr gut, auch das (relativ) neue Layout. Und ich

die neue Ausgabe an. Erst wollte ich sie nicht holen,

freu(t)e mich immer auf das meistens intelligente Kreuz-

weil meine Taschen schon so schwer waren und ich

worträtsel, vor dem die WAZ in Neid erblassen könnte…

dann nochmal umpacken müsste und, und.... Aber

Und was habe ich heute in der Hand? Die Ausgabe August

dann entdeckte ich Ralph Richter auf der Titelseite

2014 ohne… Warum? Liebe Grüße, A. Laczkovics, Bochum

und hab doch eine gekauft. Als ich bezahlen wollte, konnte ich mein Portemonnaie nicht finden. Rucksack? Jackentasche? Hosentasche? Einkaufstasche? Verflixt, ich hab`s doch grade noch gehabt, das kann doch gar nicht sein! Mir wurde heiß und kalt! Der Verkäufer beruhigte mich und meinte, ich hätte doch vor dem Verlassen des Ladens noch an der Brottheke gestanden. Also bat ich ihn, auf meine Taschen aufzupassen und

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Antwort der Redaktion: Lieber Herr Laczkovics, leider fiel das Rätsel im August der großen (Text-)Konkurrenz zum Opfer. Für unser Themenheft Sport hatten wir so viele schöne Geschichten, die nur in dieses Heft passten, deshalb mussten wir ausnahmsweise das Rätsel dem Rotstift opfern. In diesem Monat ist es wieder dabei. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter

rannte wieder rein. Die Brotverkäuferin hatte mein

Hallo zusammen,

Portemonnaie schon gefunden und in Sicherheit ge-

also erstmal muss ich ein dickes, längst überfälliges Lob

bracht. Gott sei Dank! Wenn der bodo-Verkäufer und

loswerden: bodo ist für mich eines der besten Straßen-

die Frau an der Brottheke nicht gewesen wären, wär ich

magazine, und wie immer ist auch die Juli-Ausgabe

zu Hause in Panik ausgebrochen! Danke an die beiden.

wieder sehr informativ! Also weiter so!

bodo kaufen bringt eben Glück! Kerstin Bomke

Beste Grüße aus Dortmund, Marcus Rohde

bodo dankt: Sparkasse Bochum Jutta und Wido Wagner, Christina Kolivopoulos, Gerhard Volpers, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Kathrin Bohr, Thorsten Baulmann, Hannelore Thimm-Rasch, Petra Karmainski, Volker Schaika, Dr. Rinnert Siemssen, Erika Maletz, Inge Schaub, Esther Hagemann, Oliver Stiller, Auslandsgesellschaft Intercultural, Eberhard Garburg, Britta Richter, Dr. Sabine Siebel, Lothar Lemke, Ute Soth-Dykgers, Annette Düe, Timo Zimmermann, Hildegard Reinitz, Dolf Mehring, Andreas Buergel, Silke Harborth, Petra Danielsen-Hardt, Sabine Raddatz, Peter Knittel, Olaf Jaekel, Hannelore Kuecker, Brigitte Rueggeberg, Teodora Plamenova Todorova, Klaus Joachim Würpel, Dagmar und Manfred Thumeyer, Horst Berndt, AS Antriebs-und Systemtechnik GmbH, Wolfgang Boehm, Karin und Wolfgang Becker, Barbara Dressel, Brigitte Teuber, Jürgen Eickmann, Christiane Lübke, Dr.med. vet. Karen Elisabeth Jacobsen, Urs Platz, Gabriele Weber, Barbara Resch, Frank Steinberg, Peter Jaschinski, Horst Dieter Espeloer, Barbara Lausträter und Michael Klasnik, Ernst Buchholtz, Renate Hilsmann, Wolfgang Becker, Ursula und Ferdinand Meuthen, Gerhard Rohkamm, Dagmar und Martin Bergmann, Martin Vesper, Siegmar Welski, Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga KoesterWais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Ursula Machatschek, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dieter Zawodniak, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda


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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Hagen gibt sich Mühe. Denn schon bald könnte es dort unbehaglich werden. Immer wieder verliert die Stadt am Südrand des Potts. Verliert an Einwohnern, das ohne erkennbare Flüchtlingsströme, verliert an Arbeitsplätzen wie einst die fünf neuen Länder, nur ohne Wende. Selbst der letzte Oberbürgermeister flüchtete aus der Stadt, noch ehe er abgewählt wurde. Aufmerksamkeit gilt es zu gewinnen. Nun erinnerte man sich in der Stadt an alte Zeiten, als Schallplatten noch schwarz waren und der Spiegel titelte: „Komm nach Hagen, werde Popstar!“ Nena wuselte damals da rum, und Extrabreit sang „Tag und Nacht wird sie bei dir sein – die Polizei.“ Das könnte die Rettung sein. Man begibt sich auf den Weg zur Polizeistadt. Als neulich auch dort heftig gegen Israel protestiert wurde, waren die Demonstranten nicht so gut organisiert. Gerne halfen Polizisten, oft als Cops beschimpft, weiter, liehen selbstlos ihr Amts-Megafon aus, damit die Antisemiten hörbar brüllen konnten: „Kindermörder Israel“ und anderes Unerträgliches. Da kann Dortmund neidisch werden. Dort kann es die Polizei niemandem recht machen. Erst mault man, sie schaue bei den Nazis gerne weg. Dann schaute sie hin, sah Gegendemonstranten und zeigte sie reihenweise an. Wieder waren alle übel gelaunt. Gerade wird diskutiert, ob Fußballclubs für Polizeieinsätze zahlen sollen. Zeitgleich wird ein israelischer Verein auf Besuch in Dortmund fast von Nazis vom Platz geprügelt. Zusammen genommen und konsequent müssten Juden dann bald dafür zahlen, dass die deutsche Polizei sie schützt. Hagen zeigt neue Wege auf. Mit dem Demoservice der Polizei. Der ließe sich zu einem Rundum-Sorglos-Paket ausbauen. Für Einsteiger gibt es das Megafon, für Fortgeschrittene Transparente, Parolen und Feindbilder. Bei Premiumprotesten guckt die Polizei auch noch gekonnt weg. Motto: „Komm nach Hagen, werde Cop-Star.“

Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.

Werden auch Sie Mitglied in der AWO! Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

Unterbezirk Unna

Klosterstraße 8 -10 44135 Dortmund 0231- 99 340

Bleichstr. 8 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

Unnaer Straße 29a 59174 Kamen 02307- 91 22 10

info@awo-ww.de | www.awo-ww.de 47


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