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bodo
September 2014
GA DAS STRASSENMA
Z IN
Stefan Stoppok | Unterhaltung, Haltung, Über-Haltung Nordstadtdinner | Liebeserklärungen an einen Stadtteil Kunstvoll scheitern | Das Bochumer Westend und die Kultur 1
Mehr unter www.sharedichdrum.de
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INHALT | EDITORIAL
04
Stefan Stoppok Stoppok macht deutschsprachige Rockmusik. Nie konform, immer mit
Gefühl. Er ist kein allwissender Schwätzer oder omnipotenter Prediger, aber auf die Haltung kommt’s ihm an. In ihm steckt noch ganz viel Ruhrgebietsmensch – und der feste Glaube an ein Comeback der Region.
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Von Peter Hesse
Nordstadtdinner 18 Paare aus dem Stadtteil zwischen Hafen und Borsigplatz,
18 Wohnungen und für jeden ein Drei-Gänge-Menü – eine kulinarische Reise durch die Nordstadt, „um Vorurteile aufzubrechen und aufgeschlossene Menschen kennenzulernen“.
18
Von Antje Mosebach
Das Bochumer Westend Eine typische Gegend, wie sie so wächst unmittelbar neben einer Ruhrge-
bietscity. Wild gewuchert, gut runtergekommen, lange abgeschrieben. Das Westend und die Kultur – eine glückliche, eine zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte. Von Tom Thelen
42
Im Frauenhaus Sie kommen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Zu jeder Tages- und Nacht-
zeit. Seelisch und meist auch körperlich verletzt: Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen und Schutz suchen an einem Ort, der Sicherheit und Trost bietet – das Frauenhaus. Von Antje Mosebach
03 Inhalt | Editorial 07 Straßenleben | Wir sind viele 07 Impressum 08 Neues von bodo 15 Kultur | Sommer am U
Liebe Leserinnen und Leser,
16 Kultur | Tatendrang 16 Recht | Internetbewertungen
sind Ihnen auch, just als der Sommer sich verabschiedete, diese Men-
17 Wilde Kräuter | Brennnessel
schen begegnet, die aufgeregt „Nominierungen“ in eine Handykame-
21 Geschichte | Vor 100 Jahren
ra sprachen, bevor sie sich mehr oder weniger halsbrecherisch Eimer
22 Kommentar | Polizei führungslos
mit Eiswasser über den Kopf kippten? Wer sich von den sogenannten sozialen Netzwerken fernhält, ist hier klar im Vorteil: Die Wahrschein-
22 News 23 Die Zahl | Das Foto
lichkeit, von diesem Internet-Charity-Hype schwer genervt zu sein, ist deutlich geringer.
24 Netzwelt | gutschein-zum-gut-sein
Eigentlich zeigt die „Ice Bucket Challenge“ aber, wie grundsätzlich anders Öffentlichkeit
24 Kinotipp | Maps to the Stars 25 Veranstaltungskalender | Verlosungen 32 bodo geht aus | Pottburger
heute funktioniert. ALS, Amyotrophe Lateralsklerose, eine zum Tode führende Nervenerkrankung, kannte kaum ein Mensch vor den Eiseimern. Das Einwerben von Spenden für die Forschung an dieser Krankheit ist ein hartes Brot. Und plötzlich schütten sich
33 bodo-Porträt | Melanie 34 Reportage | Beim Fachwerkrestaurator 38 Interview | Recht auf Stadt Ruhr
Hollywood-Stars, Politiker, Musiker Wasser über den Kopf, Spenden fließen und ALS ist in aller Munde. Das haben jährliche Artikel im Wissenschaftsteil überregionaler Zeitungen nicht vermocht. So gar nicht.
45 Rätsel 46 Leserpost | Comic
Als Mensch, der relativ viel in diesem Internet rumhängt, war es mir dann ziemlich schnell auch zu viel, aber wie bei Tausenden anderen, die für spendenfinanzierte Organisationen
bodo SCHA FFT CHAN CEN
arbeiten, war vielleicht auch ein bisschen Neid dabei. Im August haben sich die sozialen Straßenzeitungen bei ihrer Weltkonferenz wieder den Kopf zerbrochen, wie das milde Desinteresse dem gesellschaftlichen Skandal Obdachlosigkeit gegenüber aufgebrochen werden kann und man neue Ideen entwickelt. Aber keine Angst: Mit Video-Kettenbriefen und kaltem Wasser werden wir es nicht versuchen. Versprochen. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de 3
MENSCHEN
Stefan Stoppok:
Unterhaltung, Haltung, Über-Haltung
„Du musst irgendetwas spielen, eine Persönlichkeit haben und eine Haltung haben. Das dauert seine Zeit, aber du wirst dein Publikum finden.“
4
Im Alter von fünf Jahren zieht Stefan Stoppok mitsamt Familie von Hamburg nach Essen. Im Alter von 12 Jahren bekommt er seine erste Gitarre geschenkt, um sich ein Jahr später in seiner ersten Band wiederzufinden. Schon damals erzählt er Geschichten am laufenden Band. Frank Goosen hat das pointierter formuliert: „Stoppok ist das, was man im Ruhrgebiet eine ,echte Fresse‘ nennt, was durchaus liebevoll gemeint ist.“ Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski
Münster im Sommer. Das italienische Restau-
das Lebensglück im Allgemeinen. Dann über
cken. Seine Art ist tausendmal berührender,
rant, vor dem wir uns in Höhe des Aasees
unterschiedliche Arten, Songs zu schreiben,
weil tausendmal mehr passiert.
verabredet haben, hat geschlossen wegen
swingende Groove-Techniken von Schlag-
eines Wasserschadens. Schlimme Regen-
zeugern und öffentlichen Erwartungsdruck.
Er fing in den frühen 1970ern als Straßen-
fälle haben hier vor ein paar Tagen in der
„Du musst wissen, wofür du deine Musik
musiker an, und noch heute spielt er gerne
altehrwürdigen Universitätsstadt vieles
machst. Zurzeit verkommt alles immer mehr
Solo-Touren. Stoppok wirkt sympathisch und
durcheinander gewirbelt. Stefan Stoppok
zu einem Style und einer Marketing-Blase.“
gelassen. So schnell mag ihn nichts aus der
ist plötzlich da. Er ist allein aus Bremen mit
Haut fahren lassen. Dann regt er sich doch
dem Zug angereist. Als Handgepäck trägt
Wie er sich selbst sieht? „Natürlich merkt
über Musikerkollegen auf, die eigentlich aus
er einen schwarzen Leinenbeutel um die
man mir den Ruhrgebietsmenschen an,
seiner Sicht integer sind, aber trotzdem bei
Schulter. Wir gehen einige Meter zu einem
doch ich habe auch einen starken Bezug
„The Voice of Germany“ in der Jury sitzen. Der
Lokal mit Biergarten. Im Hintergrund sägen
zum Norden von Deutschland.“ Nach vielen
passionierte Banjospieler sieht ein gesell-
Landschaftsgärtner angebrochene Äste, die
Jahren in Bayern wohnt er seit ein paar
schaftliches Bedürfnis für echte Musikma-
vom Sturm abgeknickt wurden, von einem
Jahren in der Nähe von Bremen. „Ich hab
cher: „Wenn du Musik machst mit einem
Ahornbaum ab.
schon immer Gegenbewegung gemacht, ich
Gefühl und einer Aussage, die beschreibt, wie
war noch nie konform mit dem, was andere
du die Dinge siehst – dann glaube ich, dass
„Ich hab’ tierischen Kohldampf“, sagt
gemacht haben“, sagt er. Er hat zwei Kinder,
das immer funktioniert. Du musst irgendet-
Stoppok in der schnoddrigen Art, in der
sein Sohn studiert Informatik und hört viel
was spielen, eine Persönlichkeit haben und
er seine Lieder singt. Er bestellt sich einen
Hip Hop. „Ich habe zum Beispiel K.I.Z. über
eine Haltung haben. Das dauert seine Zeit,
griechischen Salat, eine große Flasche
ihn entdeckt. Ist echt gut, was die machen.“
aber du wirst dein Publikum finden, davon
Wasser und einen Kaffee. Dann nimmt
bin ich überzeugt. Du musst wissen, wofür du
das Gespräch Fahrt auf. Wir reden über die
Fans hat der Musiker viele, auch Leute, die
das machst, und nicht, weil du als Zielsetzung
Kinder von Rudolf Augstein, Neil Young und
nicht auf seine Musik stehen, haben viel
einen Maserati vor Augen hast.“
Respekt vor seiner Person. Stoppok macht deutschsprachige Rockmusik. Doch bei ihm
Im Jahr 2000 hat er mit zwei befreundeten
ist es nicht der Soundtrack für Bielefelder
Partnern sein eigenes Label gegründet.
Taxifahrer in cremefarbenen Kunstlederja-
„Ich bin überhaupt kein Businessmensch. Ich habe das gemacht, um meine eigene Unabhängigkeit zu bewahren. Wir sind so etwas wie der letzte Einzelhändler, der nicht von einem Großkonzern aufgekauft wurde.“ In Bremen nimmt er gerade im ehrwürdigen Studio Nord noch die Bonus-Tracks zu seinem
Geboren in Hamburg, groß geworden in Essen Familienstand: Vater von zwei Kindern Beruf: Musiker und Platten-Labelmacher Randnotiz: Platz 1 in den bengalischen Charts mit der indischen Band „You & I“
neuen Album „Popschutz“ auf. Dort haben früher Heintje oder James Last produziert: „Wir haben jetzt wieder alles analog auf Tape aufgenommen. Im Studio waren da so ein paar junge Typen, die dort als Assistenten ar-
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MENSCHEN
„Wir brauchen insgesamt mehr Haltung und weniger Unterhaltung, sondern viel mehr eine Über-Haltung.“
beiten und nebenher Tontechnik studieren, die haben dann echt gestaunt. Die hatten vorher noch nie eine Bandmaschine gesehen, denen war gar nicht klar, dass man das Tonband dann wieder zurückspulen muss.“ Stoppok hört zu, redet überlegt und lacht gerne. Er ist kein allwissender Schwätzer und kein omnipotenter Prediger, der mit Meinungen jongliert, um sein Gegenüber zu bekehren. Im ersten Song des neuen Albums „Auf festem Grund“ findet sich eine Zeile, die sehr gut den Wertekanon des Musikers beschreibt: „Denn wichtig ist nur unser alter Schwur, und dass, wenn wir uns sehen, nicht neben uns stehen, sondern voll konzentriert genau auf den Punkt, ein Herz, eine Seele auf festem Grund.“ Über die Menschen, die zwischen Duisburg und Unna wohnen, behauptet der Volksmund gerne, dass sie ehrlicher als Mundgeruch sind. Auf seine ehemalige Heimat angesprochen sagt er: „Das Ruhrgebiet kommt wieder in den nächsten 10 Jahren, davon bin ich überzeugt.“ Er glaubt fest an ein Comeback von der vom Strukturwandel gebeutelten Region und begründet das schlüssig: „Städte wie Berlin und sogar Leipzig werden immer teurer, was die Mieten angeht. Hamburg kann man mittlerweile gar nicht mehr bezahlen.“ Das sei ein Grund, der andere vielleicht entscheidender: „Was viele einfach übersehen, ist die Subkultur. Die sorgt dafür, dass etwas Neues entsteht. Das schafft keine Förderung, da kannst du noch so viel Geld reinstecken – und die Hochkultur kann da auch nicht mithalten.“ Das klingt schlüssig, Stoppok setzt noch einen drauf: „Vielleicht muss eine Gegend ganz am Boden sein, damit etwas ganz Neues entstehen kann. Was ich so mitkriege, ist, dass immer mehr Kreative ins Ruhrgebiet ziehen. Wenn die sich richtig vernetzen, kann das ein super Bereich werden.“ Ganz am Schluss sagt er noch einen dieser Stoppok-Sätze, auf den Punkt und mit dem Gewicht eines allgemeingültigen Aphorismus: „Wir brauchen insgesamt mehr Haltung und weniger Unterhaltung, sondern viel mehr eine Über-Haltung.“ Neues Album: „Popschutz“ (Grundsound/Indigo)
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STRASSENLEBEN
IMPRESSUM
Internationale Konferenz der Straßenzeitungen in Glasgow:
„Wir sind viele“ 123 Straßenzeitungen in 42 Ländern mit insgesamt 28.000 Verkäuferinnen und Verkäufern im letzten Jahr – zum 20-jährigen Bestehen des Internationalen Netzwerks der Straßenzeitungen INSP sind wir eine wirklich große Familie. Im August trafen wir uns mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt in Glasgow. Von Bastian Pütter | Foto: INSP
Herausgeber, Verleger, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Peter Hesse, Wolfgang Kienast, Antje Mosebach, Andreas Müller, Bastian Pütter, Petra von Randow, Rosi, Sebastian Sellhorst, Tom Thelen Titelfoto: Daniel Sadrowski Fotos: Bianka Boyke (16), Felix Huesmann (22), pixelio.de (22), INSP (7), Brigitte Kraemer (3, 42, 43, 44), Tony McKay (23), Sabrina Richmann (3, 12, 13, 14, 15), Daniel Sadrowski (3, 4, 5, 6, 15, 16, 18, 19, 20, 32, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 46), Sebastian Sellhorst (8, 9, 10, 11, 33), Claudia Siekarski (9), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (17) Cartoon: Volker Dornemann Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung) Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Oktober-Ausgabe 10.09.2014 Anzeigen: Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 8, Juli 2012
Die jährliche internationale Konferenz ist
helfen? Wie können wir unsere Lobbyarbeit
für alle Straßenzeitungsmacher etwas Be-
für Menschen in Armut verbessern? Wie
sonderes. Während wir zu Hause Vereine
werden unsere Magazine trotz knapper Res-
und Einrichtungen überschaubarer Größe
sourcen noch besser? Wie begegnen wir der
und Reichweite sind, machen diese Treffen
Digitalisierung?
erfahrbar, dass wir Teil einer weltweiten Bewegung sind – alle eigen, einzigartig, unabhängig, aber alle mit einer gemeinsamen Idee und gemeinsamen Zielen.
Neben Workshops, Podiumsdiskussionen und Expertenvorträgen von Sozialunternehmern, Journalisten und Werbern sind die jährlichen Konferenzen vor allem eine
Menschen, die herausgefallen sind aus allen
Börse für Innovationen. Erfolgreiche, lokal
Bezügen und am Rand der Gesellschaft ste-
umgesetzte Ideen machen so oft eine welt-
hen, ernst zu nehmen als Handelnde, die ge-
weite Karriere. An der jährlichen „Verkäufer-
willt und in der Lage sind, ihr Leben wieder
Woche“ im Februar beteiligen sich inzwi-
selbst in die Hand zu nehmen, das ist unsere
schen weltweit Straßenzeitungen mit den
gemeinsame Haltung. Ob in Japan oder in
unterschiedlichsten Aktionen, soziale Stadt-
Norwegen, in Argentinien oder Südafrika,
führungen werden inzwischen europaweit
die Erfahrung, dass Menschen nicht Almosen,
angeboten, und parallel experimentieren
sondern eine Chance brauchen, machen die
auf der ganzen Welt Straßenzeitungen mit
Straßenzeitungen weltweit jeden Tag.
bargeldloser Bezahlung oder dem Verkauf
In Glasgow trafen wir uns aber nicht nur, um die vielen wunderbaren Kolleginnen
digitaler Straßenmagazine auf dem klassischen Weg – und teilen ihre Erfahrungen.
und Kollegen wiederzutreffen. Bei unseren
Wir haben wieder eine Menge mitgenommen
Konferenzen wird gearbeitet. Wie können
aus Glasgow und freuen uns auf die nächste
wir unseren VerkäuferInnen noch effektiver
Konferenz!
Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0 www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Nicole Hölter, Marcus Parzonka vorstand@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ: 370 205 00, Konto-Nr.: 722 39 00 IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00 BIC: BFSWDE33XXX
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NEUES VON BODO
Blick nach vorn
Kino der Generationen
Erlesener „2. Freitag“
Was gibt die Region an Rhein und Ruhr her?
„Storyboard“ heißt das erste internationale
Dond und Daniel lassen am 12. September
Wo liegen ihre Schwächen, wo ihre Stärken?
Filmfestival rund ums Alter, das Älterwer-
in unserer Kulturreihe „2. Freitag“ Georges
Wo ihre Zukunft? Mehr dazu Anfang Sep-
den und den Dialog zwischen den Generati-
Perecs „Was für ein kleines Moped mit
tember bei den öffentlichen Werkstattge-
onen in Dortmund – und bodo ist dabei.
verchromter Lenkstange steht dort im Hof“
sprächen im ehemaligen Ostwall-Museum. Anlass für die Veranstaltungen ist die Ausstellung „ideenwettbewerb zukunft metropoleruhr“, die Akoplan – Institut für soziale und ökologische Planung e.V. nach Dortmund holt und vom 4. bis 9. September im Lichthof des Museumsgebäudes zeigen wird. Zusammengestellt wurden die Wettbewerbsergebnisse vom Regionalverband Ruhr (RVR). Kritische Geister aus dem Ruhrgebiet sind eingeladen, sich an den Werkstattgesprächen „Blick nach vorn“ und „Zukünfte des Ruhrgebiets“ zu beteiligen und damit die öffentliche Diskussion zu eröffnen. Auf dem Podium dabei auch Bastian Pütter, bodo-Redaktionsleiter. Eröffnung ist am 4. September um 16 Uhr, die Werkstattgespräche mit Diskussionen laufen am 5. 9. ab 19 Uhr und am 7. 9 ab 12 Uhr. Die Ausstellung ist Fr., Sa., Mo. und Di. von 18 – 21 Uhr geöffnet. Ehem. Museum am Ostwall 7, Dortmund
„Sein letztes Rennen“, „Philomena“, „Nebraska“, „Wenn wir alle zusammenziehen“, „Paulette“ und ein Überraschungsfilm – sechs internationale Produktionen werden vom 7. – 12. Oktober im dazu noch ältesten Kino Dortmunds gezeigt – der Schauburg. „Storyboard – Kino der Generationen“ ist ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft Gerontologie in Film, Literatur und Medien, gegründet von Studierenden des Masterstudiengangs Alternde Gesellschaften und des Weiterbildungsstudiums für Seniorinnen und Senioren an der Technischen Universität Dortmund. Das Foto zeigt den Besuch des „Storyboard“Teams mit Gertrud Löhken-Mehring, Gudrun Vosloh, Ulrich Kloda und Sebastian Volberg (vorne, v.l.) am Schwanenwall beim Medienpartner bodo e.V. Mehr zu Programm und Hintergrund des Festivals im nächsten Heft. www.storyboardfilmfestival.wordpress.com
lebendig werden. Als professionelle Buchhändler wissen Dond und Daniel, was verkauft wird. Als begeisterte Leseratten wissen sie auch, was sie lieber verkaufen würden. Deswegen lesen sie vor Publikum Vergessenes, Verschollenes und Niebekanntgewordenes. Dond und Daniel lesen mit verteilten Rollen, loten die Feinheiten der Sprache aus und lassen Literatur auf diese Weise lebendig werden. Besonderer Charme dieser Lesung: Mit der „Moped-Geschichte“ starteten die beiden ihre Lesungskarriere. Zum Vormerken: Am 10. Oktober kommt Ilhan Atasoy mit seinem Lyrikprogramm „Herr Ober, ein Gedicht bitte!“ Wie immer ist der Eintritt frei. Spenden für unsere Beratungsangebote sind willkommen. bodos Buchladen, Dortmund, Schwanenwall 36 – 38, 19.30 Uhr.
Lesen ist helfen Dank einer schönen Kooperation mit dem
Unser Projekt lebt von der Fluktuation,
Dienstleister „City Life“ werben im Septem-
idealerweise ist der Verkauf des Straßen-
ber wieder große Plakate in den Dortmun-
magazins eine Durchgangsstation. Oft
der U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen für
eröffnet erst der zwanglose Zugang zu
dieses Magazin und eine gute Idee.
unseren Beratungsangeboten den Zugang zu weiteren Hilfen. Die Veränderungen, die
8
Wir freuen uns, dass immer mehr Menschen
VerkäuferInnen bei uns durchlaufen (Zu-
sich für unsere Arbeit und für das soziale
wachs an Selbstvertrauen, selbstständiges
Straßenmagazin interessieren. Je mehr
Erarbeiten von Tagesstruktur und Umgang
LeserInnen es findet, desto mehr Menschen
mit Geld, neue soziale Kontakte usw.), füh-
in Not kann es eine Hilfe sein. Seitdem bodo
ren in vielen Fällen dazu, dass das Angebot
als Magazin erscheint, wächst mit Ihrem
nur vorübergehend wahrgenommen wird
Interesse die Zahl der VerkäuferInnen.
– ganz in unserem Sinne.
www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Stadtführung Bochum Wie an jedem dritten Samstag im Monat laden wir auch am 20. September zur sozialen Stadtführung nach Bochum. Treffpunkt ist unsere Anlaufstelle in der Stühmeyerstr. 33, los geht es um 11 Uhr.
Kiloweise Bücher
In einer zweistündigen Tour zeigen bodoVerkäufer die Orte, an denen Menschen
Darf’s ein bisschen mehr sein? Marktatmo-
und in Ruhe den Buchladen durchstöbern – ein
sphäre bei uns im Buchladen – jeden Samstag
bisschen Wohnzimmeratmosphäre zwischen
gibt es gut erhaltene Bücher frisch abgewo-
vollen Regalen und Ausstellungsflächen.
gen – nur 1,99 Euro pro angefangenes Kilo.
ohne Wohnung sich aufhalten, und besuchen mit Ihnen Einrichtungen, die den Menschen auf der Straße Hilfe anbieten: Von der Suppenküche bis zur Notschlafstelle, vom
Auch wochentags (Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr)
Tagesaufenthalt bis zu unserem Verkäufer-
Körbeweise Krimis, Romane, Koch- und andere
lohnt der Besuch am Schwanenwall: 10.000
Café. „Teilnahmegebühr“ ist der Kauf eines
Sachbücher haben die bodo-MitarbeiterInnen
Bücher von 1 bis 50 Euro warten in den gut
Straßenmagazins bei unserem Stadtführer.
ausgewählt, aus denen Sie sich Ihren Lesestoff
gefüllten Regalen – darunter hochwertige
zusammenstellen können – doppelt so viel wie
Kunst- und Fotobände. Die ganze Woche über
in der Woche. Alle angebotenen Bücher, die
kosten Bücher auf den Aktionsflächen nur
uns unsere Kunden gespendet haben, sind in
zwei Euro – oder 5 Euro für gleich drei Bücher.
sehr gutem Zustand, manche sogar Neuware.
Handeln erwünscht!
Für diese Aktion haben wir extra Standflächen
Wenn Sie selbst zu Hause guterhaltene Bücher
inzwischen Stadttouren mit Verkäufern
geschaffen, damit Sie eine gute Übersicht ha-
aussortiert haben, dürfen Sie sie gerne bei uns
auf dem Programm. Eine gute Idee für Ihre
ben und Ihre Lektüre aus dem Vollen auswäh-
abgeben. Bei Transportproblemen sprechen
nächste Städtereise? Aber auch vor der
len können. Wir wiegen dann die Bücher auf
Sie uns ruhig an.
Haustür in Bochum sind ganz neue An-
Übrigens: Straßenzeitungen teilen gute Ideen. Mittlerweile bietet auch die von uns unterstützte Neugründung „Shedia“ in Athen soziale Stadtführungen an. Von London bis Basel haben Straßenzeitungen
einer Marktwaage ab. Sie können sich zu un-
und Einsichten zu gewinnen.
seren Öffnungszeiten, 10 – 14 Uhr, Zeit lassen
Anmeldung bitte unter Tel. 0231 – 950 97 80
Rosi, bodo-Verkäuferin in Dortmund Zuletzt gab es ja eine richtige Hitzewelle – für die jungen Leute vielleicht gut, aber für die Älteren eine Plage. Ich selber musste auch ein
Weiterhin gibt es Verkäufer, die zum
paar Tage zuhause bleiben, sonst wäre ich umgefallen.
Teil schon seit Jahren bei uns sind, weil
Wir hatten Verkäuferversammlung und sprachen über viele Themen, z.B.
andere Beschäftigungsformen nicht in-
wo wir überall verkaufen können. Zurzeit ist ja überall was los in der Stadt.
frage kommen und weil die Erfahrungen in der Gemeinschaft und im Kontakt mit Ihnen als stärkend erlebt werden. Auch für sie ist bodo da. Helfen Sie mit, dass noch mehr Menschen in unserer Region erkennen, dass unser Magazin auch etwas für sie sein könnte und dass konkrete Hilfe Freude machen und erstaunlich gut unterhalten kann.
Der Garten rief uns auch zur Arbeit auf. Jetzt müssen wir noch Sträucher beschneiden, dann haben wir alles geschafft. Wir sitzen auch viel im Garten und trinken dort Kaffee. So kann man mit der Nachbarschaft etwas plaudern. Einer Kundin möchte ich besonders Dank sagen. Sie hatte sich mit mir unterhalten und mir ihr Leid erzählt. Sie erwähnte, dass meine Berichte sie wieder aufgebaut hätten. Das fand ich schön, ein wenig Stolz war auch dabei. So weiß ich, dass das Magazin gelesen wird, das finde ich sehr gut. Viele meiner Kunden finden das Magazin sehr toll und kaufen es gerne. Tschüss, Ihre Rosi 9
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NEUES VON BODO
lösen?
ends ein Rezept spätab
ends Arznei spätab
benötigt?
Do-City: Mo - Sa bis 21.00 Uhr geöffnet Adler Apotheke Markt 4 - seit 1322 Telefon 57 26 21 www.ausbuettels.de adler@ausbuettels.de
Größtes Arznei-Sortiment in Dortmund
Die bodo-Verkäufercafés Ein Kaffee, ein belegtes Brötchen, Zeit zum Ausruhen, für Gespräche und für unkomplizierte Beratungskontakte – im täglichen Wechsel bieten wir in Bochum und Dortmund Raum für unsere Verkäufer und für Gäste: Ein Angebot, das angenommen wird. „Unsere Verkäufercafés sind Orte, an denen von Armut betroffene Menschen willkommen sind und respektvoll behandelt werden“, sagt Oliver Philipp von bodo. Neben kostenlosem Frühstück geben wir Kleiderspenden und Schlafsäcke an Bedürftige weiter. Vor allem bieten die Verkäufercafés aber die Gelegenheit, unkompliziert und ohne Terminabsprache die Beratungsangebote des Vereins nutzen. bodo berät in allen Fragen rund um Wohnung, Schulden, Ämter und vermittelt im engen Kontakt mit dem Hilfenetzwerk an Fachstellen. Unsere Angebote haben sich inzwischen herumgesprochen, und mittlerweile entscheiden sich immer mehr unserer wohnungslosen Gäste, es mit dem Verkauf des Straßenmagazins zu versuchen – als erster Schritt zu einem Neuanfang.
Mit Ihrer Hilfe Unsere Beratungsangebote und die Versorgung unserer Verkäufercafés sind allein spendenfinanziert. Wenn Sie unsere Verkäufercafés unterstützen möchten: Wir freuen uns immer über Kaffeespenden und auch über zweckgebundene Geldspenden. Schlafsäcke, warme (Herren-) Kleidung und Herrenschuhe sind ebenfalls oft Mangelware. Gerne nehmen wir Ihre Sachspenden in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle entgegen, ebenso wie Ihre Buchspenden. Vielen Dank!
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Stadt der Würde
bodo bildet weiter aus
© by Photocase.de
en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat
Mieter schützen · Mietern nützen!
Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.
Mieterverein
Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.
Menschenwürde in der Raumplanung – für
Nachdem bodos Auszubildende Julia
ein Semesterprojekt haben sich Studieren-
ihre Ausbildung mit der Note „sehr gut“
de der TU Dortmund auf den Weg gemacht,
abgeschlossen hat und für ihre tollen
zu sehen, ob und wie die Würde von Ob-
Leistungen von der Industrie- und Han-
dachlosen in die Stadtplanung mit einfließt
delskammer geehrt wurde, konnte die
– oder bewusst nicht beachtet wird.
junge Mutter jetzt in eine unbefristete
Dazu machten die Studenten des Projektes „Räumliches Existenzminimum – Obdach-
Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de
Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00
Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00
Mitglieder im Deutschen Mieterbund
Teilzeitstelle im bodo-Buchladen übernommen werden.
losigkeit in der Stadt der Würde“ eine
Und die erfolgreiche Kooperation zwi-
Stadtführung mit und suchten Menschen
schen dem Bildungszentrum Grone in
und Einrichtungen in Bochum und Dort-
Dortmund und bodo geht weiter. Direkt
mund auf, die den Blick von der Straße her
ins dritte Ausbildungsjahr startet Diana
haben – darunter bodo. Sie sprachen mit
(23, Foto), die bereits zwei Jahre ihrer Leh-
unseren Verkäufern und tauschten mit
re in einem anderen Betrieb erfolgreich
ihnen die Rollen.
absolviert hat und sich jetzt auf ihr drittes
Ihr Fazit: Auch wenn bewusst keine plane-
Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de
Jahr bei bodo freut.
rische Ausgrenzung stattfinde, reiche es
„Das Straßenmagazin lese ich schon seit
nicht, „nicht gegen Obdachlose zu planen“.
einigen Jahren, und auch im Buchladen war
Private Planung lasse immer weniger
ich schon öfter einkaufen, umso schö-
Raum für die Bedürfnisse von Randgrup-
ner finde ich es, dass ich jetzt hier meine
pen, und ohne Nutzungsausgleich seitens
Ausbildung zu Ende machen und am Erfolg
der Stadtplanung sei damit die Menschen-
von bodo mitarbeiten kann“, so bodos neue
würde verletzt.
Auszubildende.
Gute Arbeit FREI!
Union-Busting= systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und Beschäftigten
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REPORTAGE
Nordstadtdinner „Nordsatt“ Liebeserklärungen an einen Stadtteil
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Das Rote-Beete-Carpaccio am Hafen, die Semmelknödel an der Brunnenstraße und das himmlische Dessert in der Kielstraße – köstlich. Aber eigentlich alles nur Beilagen zum Eigentlichen – den lebhaften Gesprächen überzeugter Nordstädter über die Nordstadt beim Nordstadtdinner. Von Antje Mosebach | Fotos: Sabrina Richmann
18 Paare aus dem Stadtteil zwischen Hafen und Borsigplatz, 18 Wohnungen und für jeden ein Drei-Gänge-Menü – die 15. Auflage des Running-Dinners, das das Quartiersmanagement um Heike Schulz zweimal pro Jahr organisiert, „um Vorurteile aufzubrechen und aufgeschlossene Menschen kennenzulernen“. Jeweils ein Zweierteam bekommt einen Gang zugeteilt, mit dem es zwei andere Paare in der eigenen Wohnung bewirtet. Und dabei muss man sich auch schon ein bisschen Mühe geben – denn nicht jeder isst alles, wie auf den Zuteilungslisten vermerkt steht. Für die beiden anderen Gänge sind die Gastgeber jeweils Gast bei einem anderen Team. Heißt: Jeder trifft an diesem Abend auf 12 ihm meist unbekannte Menschen in unbekanntem Umfeld. Perfekter Anlass für Innenansichten eines vieldiskutierten Stadtteils.
Das SEK beim Nachbarn Beim Essen kommt man schnell ins Gespräch. „Es ist so viel besser, jemanden kennenzulernen als an der Theke“, findet Katrin, Studentin der Raumplanung aus der Leopoldstraße, „man hat einfach mehr Zeit“ – und das gemeinsame Wohnviertel bietet sofort Gesprächsstoff. Die Teilnehmer stellen schnell fest, dass die meisten von ihnen schon mehrere Jahre in der Nordstadt leben, ganz bewusst, auch wenn der eine oder andere zunächst zufällig hier gelandet ist. Viele von ihnen sind keine ursprünglichen Dortmunder. Der Job oder das Studium haben sie hierher verschlagen. Sie kommen aus Hessen, Schleswig- Holstein oder Niedersachsen und suchten eine Wohnung, die nicht nur günstig vom Preis, sondern auch günstig gelegen ist. Die fanden sie in der Nordstadt. „Alle Wohnungen, die wir bisher gesehen haben, sowohl bei der Wohnungssuche als auch beim Dinner, sind voll cool“, schwärmt Werner, der für internationale Logistik auf Schienen zuständig ist. Er zog zuerst an den Borsigplatz, dann mit Freundin Julia an den Hafen. Die beiden sind gerade für die Vorspeise zuständig. „Unsere Wohnung war sofort ein Volltreffer“, und Werner meint nicht nur den Wintergarten und die günstige Miete. Es ist auch das Umfeld – ohne es zu verklären. „Für meinen Onkel aus Mallorca war das hier ein Kulturschock“, grinst er. „Es gibt Dinge, die erlebt man nur hier“, hat Julia festgestellt, „wie neulich die Durchsage im Supermarkt: ‚Alle männlichen Mitarbeiter bitte in die hintere Abteilung‘“. Oder wenn das SEK mitten in der Nacht die frühere Nachbarwohnung von Markus stürmt und Freundin Anna vor der gemeinsamen Wohnung in der Brunnenstraße „die Reste eines Junkie-Happenings“ findet. Und fast allen ist schon mal das Fahrrad geklaut worden. Ja, passiert.
„Die Nordstadt ist nicht der Wilde Westen“ Für Anna aus Heppenheim und Markus, die beide für ein junges Modeblog arbeiten, ist die Nordstadt einfach toll – und Kontrastprogramm zu seiner Heimat, dem Sauerland. „Wenn ich mal an der 13
REPORTAGE
Bigge bin, ist das, als ob ich in den Urlaub
wurde alles still, dann gingen die Daumen
an diesem Abend. Die Zwillinge Katja und
fahre. Aber mir ist das Leben hier lieber, mit
hoch und alles ging dann mit ihm weiter,
Nele, die direkt am Nordmarkt eine „tolle
Leuten auf der Straße, mit Kiosken, als da,
mit deutschen Brocken“, erzählt Anna. „Man
bezahlbare Wohnung mit Garten“ haben,
wo die Bürgersteige hochgeklappt werden.“
macht hier keine große Show, man packt
sind begeistert von Initiative und Kraft in
Außerdem werde da unten „einem was um
einfach an“, ist für Werner die Erklärung des
Dortmund, „die Eintrittsschwelle ist so nied-
die Ohren gepfeffert mit den ‚vielen Auslän-
Miteinanders. Anderthalb Stunden sind um.
rig, keiner hat Allüren“.
dern‘“. Aber genau dieses „Multi-Kulti“ ist
Auf zur Hauptspeise.
es, was allen so gefällt, „das fühlt sich mehr nach Realität an“, beschreibt Katrin, „und die Nordstadt ist nicht der Wilde Westen“, hat sie ganz schnell festgestellt. „Klar, wenn
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Zum Beispiel bei der Aktion des „Kollektiv
„Bunt und schön“ und „keiner hat Allüren“
Nord“, bei dem Romakids „denen die Bude eingerannt haben. Es war toll, die mal kennenzulernen. Sie wurden ja ewig von allem
ich meine Familie zu Hause nicht ernähren
Markus und Anna müssen sich ein bisschen
ausgeschlossen und das ist hart, wenn du
kann und höre, dass es in Deutschland
beeilen – sie sind die Gastgeber und müssen
so aufwächst“, zeigt Nele tiefes Verständnis.
bessere Chancen gibt, dann steig‘ ich auch
noch ein bisschen Hand anlegen: Sie wohnen
Deswegen gehen sie und ihre Schwester auch
in den weißen Transporter“, kann Markus
ganz oben unterm Dach, wo man auch
gerne auf den Nordmarktspielplatz, wenn
den Zuzug vieler Menschen nachvollziehen.
nachts „immer ein leises Gemurmel hört“.
Bekannte mit ihren Kindern auf Besuch
Es ist die Frage des Umgangs, der persönli-
Ein bisschen wie im Süden. Und weil die
sind. „Die Kids kommen viel schneller ins
chen Einstellung und Herangehensweise,
Abendsonne noch so schön warm scheint,
Gespräch“. Unvoreingenommen. Daher
sehen die Dinner-Teilnehmer schlicht.
werden Tisch und Stühle auf die Dachter-
hat es die Zwillinge auch gewundert, dass
Dazu gehört, dass man eben nicht in eine
rasse getragen, Kissen und Decken verteilt.
Erdgeschosswohnung zieht. Das weiß man
Dadurch ist alles viel enger, aber „das ist
und gut. Dafür hat man „einfach schöne
irgendwie Nordstadt, wir rücken einfach
Erlebnisse. Man kennt sich irgendwann,
zusammen“, sieht Elisabeth ganz locker.
Nächstes Nordstadtdinner:
viele Leute sprechen einen dann an“, sagt
Sie begleitet ihre Freundin Simone aus der
Samstag, 22. November 2014, ab 18 Uhr
Werner. „Ich habe in einer Woche mit mehr
Schützenstraße. „Ich bin jedes Mal begeis-
Anmeldungen bis spätestens 12. November
Leuten gesprochen als in Glücksstadt in
tert, wie bunt und schön die Nordstadt ist“.
Heike Schulz, Tel.: 0231 – 841 643 75
einem Jahr“, bestätigt Julia. „Ein Freund hat
Nur bei der Veranstaltung fehlt ihr diese
hafen@nordstadt-qm.de
sich mal in eine Bulgarenrunde gestellt. Erst
Mischung ein bisschen. Das einzige Manko
www.nordstadt-qm.de
KULTUR
ihre Eltern aus dem ländlichen Hessen hier viel lieber „in die bunten Buden“ gehen, als gepflegt ins gute Restaurant. Die Zeit ist zu schnell um. Ab zum Dessert ein paar Straße weiter – mit Gästen, die schon zum achten Mal dabei sind: „Ich finde das total spannend, neue Leute kennenzulernen“, ist Lehrerin Lari wieder begeistert. „Man taucht so ein, wenn man in die Wohnungen kommt. Ich habe einmal Feuer gefangen – und dann kein Dinner mehr ausgelassen“. In
Sommer am „U“ Das Einfache ist Trumpf. Zwei blau gestrichene Frachtcontainer, einer als Bar, der andere als Bühne umgewidmet, gestapelte Holzpaletten, alte Teppiche, Lichterketten: Der Platz vorm Dortmunder „U”, als eher abweisende, graue Betonfläche bekannt und beliebt allenfalls bei einer Handvoll Skatern, ist mit denkbar simplen Mitteln zum beliebten Sommertreffpunkt geworden. Von Wolfgang Kienast | Foto: Daniel Sadrowski
die Wohnungen reinzugucken, findet auch Swantje aus Trier spannend, die die wunderschön dekorierten Blätterteigtaschen mit Waldbeerfüllung verteilt. Sie wurde von einem Freund vor der Nordstadt gewarnt, „das soll wohl gefährlich sein“. Das wollte sie sich angucken, und da sie aus Kiel stammt war die WG in der Kielstraße ein Muss. Und Ingenieur Jochen, der in Karlsruhe studiert hat, versteht jetzt genau, wieso ein Kumpel die Nordstadt immer verteidigt hat. „Würde ich jetzt auch immer tun.“ Die anderen nicken. Da kippt eine Flasche um. Grinsende Gesichter: „Siehste, echt gefährlich hier in der Nordstadt“.
Konzerte, Lesungen und DJ-Sessions
stammtisch“ ans „U“ und Lesungen von
finden hier statt, das Publikum fläzt
Autoren aus dessen Umfeld.
sich auf den improvisierten Sitzgelegenheiten, man trifft sich und quatscht, hört zu oder tanzt, schon am frühen Nachmittag oder nach Feierabend, an jedem Donnerstag und Samstag noch bis Ende September.
„Uns ist wichtig, dass das gesamte Budget der Reihe in diese Szene fließt und nicht im Vorfeld irgendwo in der Verwaltung versickert. Wir wären sonst nicht glaubwürdig“, sagt Vogel. „Wir möchten, dass das ,U‘ als Platt-
„Es ist ja kein Geheimnis, dass das ,U‘
form für Experimente begriffen wird,
ein Akzeptanzproblem hat“, sagt Jasmin
als Ort, den man erobern darf und wo
Vogel, im Haus für Marketingfragen
wirklich jeder hinkommen kann. Et-
zuständig. Gemeinsam mit Marc Röbbe-
was, was sonst nur noch beim Fußball
cke von „Heimatdesign“ entwickelte sie
möglich ist.“
das Konzept für ein kleines Festival, das gezielt die kreative Subkultur der Stadt ansprechen soll. „Wir wollten keinen großen Bühnenzauber veranstalten“, sagt Röbbecke. „Es sollte charmant sein und zu Dortmund passen. Und wir wollten Leute für den Platz gewinnen, die dem ,U‘ gegenüber durchaus kritisch
Die Veranstalter scheinen den richtigen Ton getroffen zu haben, wie das bunt gemischte Publikum zeigt. Es wurden sogar „Erstbetretungen“ des „U“ gemeldet. Über eine Fortsetzung 2015 wird bereits laut nachgedacht. Programm: www.sommer-am-u.de
eingestellt sein dürfen.“ Als Mitstreiter konnte – unter anderem – der „Rekorder“ gewonnen werden. Der Verein aus der Nordstadt brachte Kultveranstaltungen wie den „Vinyl15
KULTUR
Tatendrang – fünf Workshops für ein Festival Auf der Landkarte der freien Theaterszene NordrheinWestfalens ist Dortmund traditioneller Gastgeber. Wenn hier im Spätherbst dieses Jahres das renommierte Festival „Favoriten“ über die Bühnen geht, dürfte ein Teil des Publikums mit neu erworbenem Expertenwissen den Produktionen besondere Aufmerksamkeit schenken: die Mitwirkenden von fünf vorbereitenden Workshops, die einen sehr besonderen Blick hinter die Kulissen werfen konnten. Von Wolfgang Kienast | Foto: Daniel Sadrowski
Linda Goebel, Barbara Feldbrugge (Tatendrang) mit Dr. Ümit Kos,an (VMDO)
Die Vorläufer von „Favoriten“ gehen auf die
innerhalb der Szene viel beachteten, von
„Favoriten 2014“ wird kein Ereignis sein, das
1970er Jahre zurück und beginnen mit dem
außen jedoch kaum noch wahrgenomme-
einem Hubschrauber gleich landet und viel
dringenden Anliegen von gleichermaßen
nen Leistungsschau. Seit 2010, initiiert von
Staub aufwirbelt, nur, dass der sich daraufhin
Lehrlingen wie Studenten, gesellschaftlich
der damaligen Leiterin Aenne Quiñones,
neu verteilt wieder legen kann. Um potenzielle
relevante Themen mit Mitteln des Theaters
öffnet sich das Festival erneut der Stadt
Zuschauer über den üblichen Kreis der Kultur-
im öffentlichen Raum zur Sprache zu
und ihrer Bevölkerung und sucht den für
interessierten hinaus gewinnen und diese
bringen und diskutieren zu wollen. Unter
beide Seiten fruchtbaren Dialog. Dieser vor
möglichst nachhaltig für das Theater und seine
dem zwischenzeitlichen Namen „Theater-
vier Jahren angestoßene Prozess entwickelt
Möglichkeiten begeistern zu können, versuchte
zwang“ wandelte sich das Festival zu einer
zusehends Dynamik.
das Leitungsteam früh, unmittelbare Kontakte
RECHT: Kostenfalle Internetbewertungen?
16
von Rechtsanwalt René Boyke
Wer sich zu einem Produkt oder ei-
öffentlich eine negative Bewertung. Die
es sich bei reinen Meinungsäußerungen
ner Dienstleistung im Internet äußern
Auseinandersetzung gipfelte schließlich
(z.B.: „Das Produkt X gefällt mir optisch
will, kann dies über Bewertungsportale
in einer Schadensersatzklage des Händ-
überhaupt nicht.“). Solche Meinungsäu-
oder händlereigene Bewertungsfunk-
lers gegen den Kunden in Höhe mehrerer
ßerungen sind eigentlich von der Mei-
tionen. Auch aufgestautem Ärger lässt
10.000 Euro. Zwar hat das Landgericht
nungsfreiheit gedeckt. Nicht zulässig
sich so Luft verschaffen. Doch gerade
Augsburg die Klage abgewiesen, dies al-
sind aber beispielsweise Schmähkritiken.
dies birgt Gefahren. So kommt es immer
lerdings nur aus formellen Gründen.
Wann die Grenze zu einer solchen überschritten wird, kann im Einzelfall aller-
häufiger zu gerichtlichen Auseinander-
Kunden, die eine Bewertung abge-
setzungen, deren Ausgangspunkt Kun-
ben wollen, sollten einige Grundregeln
denbewertungen im Internet sind.
beherzigen. Tatsächlich können auch
Auch auf „Empfehlungen“ wie „lie-
dings schwer zu beurteilen sein.
So wie in einem Fall eines Bayern,
rechtswidrige Bewertungen Schadens-
ber woanders kaufen“ sollte man im
der im Internet ein Fliegengitter für 22,51
ersatzansprüche auslösen. So müssen Be-
Zweifel verzichten. So urteilte beispiels-
Euro kaufte. Dieser war mit der dem Pro-
hauptungen (z.B.: „Das Produkt X verfügt
weise das Amtsgericht Bonn, dass dieser
dukt beigelegten Anleitung unzufrieden.
nicht über die Funktion Y.“), grundsätzlich
Zusatz in dem von ihm entschiedenen
Nach einigem Hin und Her zwischen dem
wahr sein. Sehr sinnvoll ist es, sich zu ver-
Fall unzulässig war. Der bewertende Kun-
Händler und dem Kunden beschwerte sich
gewissern, dass man die Behauptung im
de verlor den Rechtsstreit.
letzterer bei Amazon und hinterließ dort
Zweifel auch belegen kann. Anders verhält
www.kanzlei-boyke.de
WILDE KRÄUTER
herzustellen. „Linda (Goebel) und ich haben Verbindung zu mehr als zwanzig Organisationen aufgenommen“, sagt Barbara Feldbrugge. „Wir sind bereits vor Monaten durch die Stadt gestreift, wir haben mit Vertretern von Institutionen gesprochen und vorgeschlagen, dass diese
BRENNNESSEL
von Wolfgang Kienast
zum Beispiel für eine bestimmte Produktion eine Patenschaft übernehmen könnten. Wenn die Leute im Vorfeld Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen, Techniker oder Musiker kennenlernen und etwas über deren Arbeitswelt und
Dass Not erfinderisch macht, ist eine
Schuhe unter Zuhilfenahme von Stroh
Intentionen in Erfahrung bringen können, dann
Binsenweisheit. Zum Thema Binsen
und Lumpen repariert wurden, betrieb
hat das betreffende Stück, wenn es später aufge-
ist in Fleischhauers „Enzyklopädie der
eine Art Volksküche, mit der sie in der
führt wird, bereits etwas Vertrautes.”
essbaren Wildkräuter“ zu lesen, zumin-
Lage war, auf Spendenbasis täglich
dest ihre Samen wären in der Küche zu
3.000 frisch zubereitete Mahlzeiten zu
Dieses gegenseitige Kennenlernen ist unter
gebrauchen. Das habe ich noch nicht
verteilen und versorgte zehn Lazarette
dem Namen „Tatendrang“ eigenständiger
probiert. Unabhängig davon gebe ich
mit Lebensmitteln. Eine resolut auftre-
Bestandteil im Festivalprogramm geworden.
gern zu, froh zu sein, dass es nicht Not
tende Nothelferin, der man im Rahmen
Dazu gehören fünf kostenlose Workshops für
ist, sondern Neugier, die mich zum
ihrer Spendensammlungen besser nicht
Kinder und Jugendliche, in deren Rahmen Büh-
Sammeln ins Grüne zieht. Nicht der
widersprach, eine überzeugte Selbst-
nenkünstler aus unterschiedlichen Disziplinen
Hunger, sondern die Gewissheit, mich
darstellerin, die nicht müde wurde, vier
die Stadt besuchen und den Teilnehmern wäh-
über Geschmackserlebnisse freuen zu
Goldmedaillen zu erwähnen, welche
rend der Herbstferien intensive Einblicke in ihre
dürfen, die mir kein Restaurant und
sie für die Erfindung medizinischer
jeweiligen Arbeitstechniken ermöglichen.
kein Lebensmittelladen bieten kann.
Säfte verliehen bekommen hatte. Noch
Fehlschläge eingeschlossen – dann
wirkungsvoller war angeblich Kautzens
muss eine Pizza trösten.
spagyrische Uressenz „Lupasa“ – da
An der VHS beispielsweise gibt die Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreografin Yoshiko Waki einen Tanzworkshop, gerichtet an Jugendliche ab 14 Jahren, bei dem zum Thema Mann/Frau gedacht, getanzt und musiziert werden kann. Zu ihrem Stück „Absolute Helligkeit“ leitet die japanische Schattenspielerin Naoko Tanaka im ehemaligen Museum am Ostwall einen Schattenspielworkshop für Gehörlose und Hörende ab 15 Jahren. Ein Bühnenworkshop „mit Lukas“ und für Menschen ab 12 findet im „Haus der Vielfalt“ im Quartier an der Rheinischen Straße statt. Hier laden junge Regisseurinnen und Performerinnen der Gruppe (nebst Hund Lukas) zu Experimenten mit Nebelmaschinen, Theatervorhängen und elektronischen Verzerrern. Dr. Ümit Kos, an vom Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine in Dortmund, Träger des im vergangenen Jahr eröffneten Hauses, erwartet von der Kooperation positive Impulse auch für die eigene Arbeit. „Unser Projekt ist einzigartig
Bei der Recherche jedoch greife ich mit-
wird‘s dann esoterisch.
unter auf Erfahrungen zurück, die in
Alles ist nachzulesen im genannten Buch.
Notzeiten gemacht worden sind. Dabei
Dort listet sie im Kapitel „Trümmerflora“
bin ich offensichtlich nicht der Einzige.
etliche Pflanzen, die prima im Schutt
Das Eichelkochbuch von Erika Lüders,
zerstörter Städte gedeihen, darunter
1946 in der Reihe „Wiederaufbau der
die Brennnessel, auf die sie zu Recht
deutschen Ernährung“ veröffentlicht,
ein Loblied singt. Das folgende Rezept
wird im Literaturanhang diverser
stammt nicht aus ihrem Schatzkästlein,
Wildkräuterkochbücher erwähnt; für
Sahnejoghurt gab es damals nicht.
das Original zahlt man mittlerweile Sammlerpreise. Weniger bekannt und
REZEPT
antiquarisch zu vernünftigen Preisen
100g grüne Brennnesselblütenstände
erhältlich ist „Des Kräuterweibleins
waschen, abtropfen lassen und in einer
Schatzkästlein“, 1949 von Luise Kautz
großen Pfanne erhitzen. Wenn das ver-
im Selbstverlag herausgegeben. Die
bliebene Wasser verdunstet ist, lassen
Autorin muss eine ebenso faszinieren-
sich die Samen aus den Blütenständen
de wie anstrengende Frau gewesen
streifen. Diese anschließend ohne Fett in
sein, deren Biografie, denke ich, von
der Pfanne rösten. Mit 300 g gewürfelten
Margarethe von Trotta verfilmt werden
Pellkartoffeln und 500 g Sahnejoghurt
sollte. Immerhin hat die auch Hildegard
in der Küchenmaschine zu einer cremi-
von Bingen auf die Leinwand gebracht.
gen Masse verarbeiten. Zum Schluss mit
in Deutschland“, sagt er. „Unter diesem Dach
Kautz, 1862 geboren, leitete nicht nur
finden Sie mehr als vierzig Organisationen, die
jahrelang eine Unfallhilfsstelle, unter
sprach-, religions- und herkunftsübergreifend
anderem gründete sie Erholungsheime
zusammenarbeiten. Theater ist optimal geeig-
für Mädchen und Jungen, zog nach dem
net, Kulturen zusammenzubringen.“
Ersten Weltkrieg ein deutschlandweit
Salz abschmecken. Passt als Beilage zu scharf gewürztem Fleisch ebenso gut wie als Dip beim vegetarischen Büfett.
operierendes Schuhhilfswerk auf, Auswww.favoriten2014.de/tatendrang.php
bildungsbetriebe, in welchen 100.000 17
REPORTAGE
Kunstvoll scheitern Das Bochumer Westend und die Kultur Keine feine Gegend. Schlaglöcher, Fastfood, Porno. Plastiktüten statt Jute-Beutel, Gebrauchtwagen statt SUVs, Kiosk und Kneipe statt Boutique und Bastelladen. Das Bochumer Westend, rund um die Rottstraße, ist eine typische Gegend, wie sie so wächst unmittelbar neben einer Ruhrgebietscity. Wild gewuchert, gut runtergekommen, lange abgeschrieben. Und doch biegt hier an einem Freitagabend eine schicke weiße Nobellimousine um die Ecke, eine neun Meter lange Stretch-Limo mit Chauffeur, und versucht, in eine kleine Garage einzuparken. Passt nicht. Doch das Scheitern ist Programm, die Aktion eine Performance, die Karre gemietet, die Zuschauer applaudieren. Das Westend und die Kultur – eine glückliche, eine zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte. Von Tom Thelen | Fotos: Daniel Sadrowski
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Oben: Rottstr5-Theater und Adhoc-Kunstraum Rechts: Andreas Browa, Gastronomie „Neuland“
an den Schauspielschulen der Republik präsentiert. Wie etwa Thomas Kaschel, Bochumer, Ex-Eleve der Nachwuchstruppe „Young’n’Rotten“, der jetzt als
Gemengelage statt Gentrifizierung
berufener Folkwang-Theaterstu-
Es ist eine oft geschehene, eine oft beschriene, gern genommene Geschichte:
Sex-Lesung gibt. „Wir füllen hier
Ein abgewrackter Stadtteil, billige Mieten, interessante Räume, ideal für
unsere Nische perfekt aus“, so
Künstler, Studenten, Kreative, genügsam, gerne bereit, selbst zu gestalten,
Dreher, „und so soll es sein“.
dent den Folterknecht bei Kukics
sich einzurichten. Stadtplaner freuen sich, denn bald schon können sie ein Kreativviertel ausrufen, auf Galerien verweisen, auf coole Kneipen,
Was wenige wissen ist, dass das
multikulturelle Atmosphäre inklusive. Und das Beste: Große Investitionen
Theater eigentlich der Kunst nach-
brauchen nicht getätigt zu werden, ein paar Spritzen da und dort, den Rest
folgte, die hier nebenan zuerst
erledigen Medien und Mundpropaganda. Das klingt etwas zynisch, doch so
einzog. Jetzt buhlen die Kunsthal-
ist es gar nicht gemeint. Denn, wenn die Dynamik nicht dazu führt, dass der
len, ebenfalls mit Hausnummer 5,
Wohnraum teuer wird und die ökonomisch Schwächeren vertrieben werden,
verstärkt um Aufmerksamkeit.
hat dieser Vorgang eigentlich keine Nachteile. Die Stadt wird bunter, eine
Mit Georg Mallitz arbeitet hier ein
Gemengelage wächst. So wie derzeit im Westend, wo die Pizzeria Kabul
glänzend vernetzter Kurator an
neben Off-Theater und Pornokino existiert, wo eine Garage zu einem Fast-
einer Stärkung dieses Standorts.
White-Cube mutiert und eine Aquarienlagerhalle, in der ein gescheiterter
Er präsentiert ein Programm, das
Unternehmer sich einst das Leben nahm, zu einer Kunsthalle wird.
er explizit auch als Stärkung der
Theater unterm Gleisbett
den wissen will. Das hindert ihn
Wir beginnen unseren Kurzrundgang beim kulturellen Aushängeschild des
so jemanden wie Gunter Hampel
Stadtteils. Das Rottstr5-Theater genießt überregionalen Ruhm, zieht echte
zu holen, eine lange schon in New
überregionale Theaterkritiker an, ein fachkundiges, interessiertes Publikum
York lebende Jazz-Legende. Zwei
sowieso, das liegt vor allem daran, dass hier professionell gearbeitet wird.
Hallen nutzt die Initiative, wun-
Einige Schauspielhaus-Ensemblemitglieder toben sich hier aus, etwa Marco
dervoll nutzbare Kunst-Orte.
regionalen Kunstszene verstanaber nicht daran, bei Gelegenheit
Massafra, der eine fabelhafte „Warten auf Godot“-Deutung hingelegt hat, die perfekt passt in den Theaterraum, der eigentlich eine Lagerhalle unter den Bahngleisen ist, über die regelmäßig die Glückauf-Bahn ihre Reise von Bochum
Gastronomisches Neuland
nach Gelsenkirchen macht. Das dumpfe Grollen wissen die Schauspieler schon
Um die Ecke residiert Andreas Bro-
längst dramatisch zu nutzen. Theaterleiter Hans Dreher empfindet es als
wa. Er versucht, den Künstlern und
Glück, hier zu arbeiten. „Gottseidank ist das kein zweites Ehrenfeld“, findet er
Kreativen und deren Publikum
in Anspielung auf den inzwischen etwas schick gewordenen Stadtteil rund
eine gastronomische und kulinari-
ums Schauspielhaus. Und so trifft sich hier rund um das inzwischen regelmä-
sche Heimat zu geben. Und davon
ßig, doch nicht übermäßig alimentierte Theater ein buntes Völkchen: Da ist
zu leben. Er betreibt die Eckkneipe
Nermina Kukic, Ex-TV-Starlet vom „Marienhof“, die jetzt zuständig ist für die
„Neuland“ (Hausnummer 15),
experimentelle Schiene des Hauses, die Heidi Klum spielte, die Monroe, den
die einstmals Vereinsheim einer
Dennis Hopper und derzeit eine vogelwilde Lesung aus dem Porn-Trash-Roman
Maischützenkompanie war. Die
„Shades of Grey“ darbietet. Wenn das mal nicht in den Stadtteil passt.
gutbürgerliche Kneipe ist schön umgebaut, lediglich die Schei-
Oder Denise Rech, eine eindrucksvolle Schauspielerin, die hier schon als
ben zeugen noch von bier- und
Nero das Publikum entflammte und bei der Premiere fast sich selbst.
schlagerseliger Vergangenheit.
Sie arbeitet hier auch mit dem Nachwuchs, der sich höchst erfolgreich
Gleich zwei Räume sind zu nutzen
19
REPORTAGE
für Kunstausstellungen. Und zwar nicht nur für Bilder an der Wand, sondern auch für Videokunst und Installation. Auf den Tisch kommt entsprechend auch keine reine Kneipenkost zwischen aufgewärmten Bockwürstchen und Frikadelle, sondern mediterrane Snacks mit hoher Affinität zu vegetarischer Frischeküche, bezahlbar und kreativ: Gnocchi mit Waldpilzen und Estragon 8,90 Euro oder ein Lavendel-Kirsch-Crumble für 3,90. Noch läuft der erst kürzlich neu eröffnete Laden nicht rund, es mangelt an Stammkundschaft, auch das ein Zeichen dafür, dass das hier mit einem hippen Szenestadtteil wenig zu tun hat. Browa beobachtet entsprechend gespannt, wie es hier weitergeht: „Die Stadt müsste mehr forcieren“, findet er, noch befinde sich das Viertel zwischen „ei-
Oben: Maler Stephan Geisler
nem spürbaren Vibrieren“ und der Gefahr, dass „das eine Blase“ sei.
der Adhoc-Kunstraum. Der ist eigentlich ein Raum in einer Doppel-
Sein „Bistro, Bar, Stadtzimmer“ will
garage. Betrieben wird das Projekt von Tim Cierpiszewski, Christi-
zumindest einmal eine heimelige
an Gode und Max Rentrop. Die drei laden monatlich Künstler ein,
Heimat bieten, doch ökonomisch
diesen Raum zu bespielen, ihn zu verändern, zu gestalten. So wie
ist das nicht einfach: „Gastronomie
es das Duo „Dan Dryer“ aus Köln tat, indem es dem glamourösen
ist nicht mein Hobby“, so Browa.
Scheitern das Bild der unpassenden Stretch-Limo verpasste. Cierpiszewski: „Wir haben uns ganz bewusst diesen Ort ausgesucht. Das
Doppelgarage mit Kunstanschluss
Konzept ist schon wie ein doppelter Filter. Einerseits befindet er sich im Westend. Andererseits in einer Garage. Inmitten dieser beiden Umgebungen arbeitet die Kunst in situ.“ Klingt kompliziert gedacht,
Gegenüber hat gerade der Fast-
ist aber praktisch, da es durchaus zu faszinierenden Konfrontatio-
foodladen seinen dritten Besitzer
nen von Kunst und Alltag führt.
in einem Jahr: Jetzt gibt es „Indian & Pakistani Food“, was der findige
Viel „klassischer“ arbeitet Stephan Geisler. Er ist Maler, international
Neu-Besitzer aber auch gleich
erfolgreich zwischen Skandinavien und Dubai, nichtsdestotrotz hat
allumfassend ergänzt: „with Pizza,
er sich die Rottstraße als Homebase erwählt. Zum Riesenatelier, das
Nudeln, Döner“. Ein international
er auch für Malkurse nutzt, gehört eine riesige Halle, in der er seine
angehauchtes Erfolgskonzept oder
großformatigen Bilder regelmäßig ausstellt, gerne in Verbindung
vergebliche Notwehr?
mit Tanzperformances. Er residiert hier wegen der überschaubaren Miete für eine Räumlichkeit, die in populären Kunststädten ein Viel-
20
Weitere fünfzig Meter entfernt,
faches kosten würde. „Meine Malschülerinnen lieben diesen Ort“,
dazwischen quasi nur die Merkez-
sagt er. Diese genießen das grau-bunte Flair des Stadtteils, die unge-
Moschee, die 2012 Aufsehen
filterte Schimanski-Atmosphäre zwischen Open-Air-Alkoholkonsu-
damit erregte, dass ihr geneh-
menten und Peep-Show-Flaneuren, gehen dann aber auch schon mal
migt wurde, ein zwölf Meter
in die Innenstadt zum schicken Einkauf. Bochumer Gemengelage, es
hohes Minarett zu bauen, liegt
bräuchte mehr davon.
GESCHICHTE
Vor 100 Jahren: 10.000 Dortmunder Frauen gegen den Krieg Es war ein Skandal. Der Krieg war noch keine sechs Wochen jung, da trafen sich am 10. September 1914 über 10.000 Frauen mit ihren Kindern morgens um 10 Uhr auf dem Dortmunder Südwestfriedhof, um an der Beerdigung eines britischen Soldaten teilzunehmen. Eigentlich sollte alles in gewohnter Stille vonstatten gehen: Ein katholischer Geistlicher hält eine kurze Trauerrede und Mitglieder des Kreiskriegerverbandes geben drei Salven über das Grab. Das übliche Prozedere – wenn eben nicht 10.000 Frauen dabei gewesen wären. Von Andreas Müller
„Leider legte das Publikum eine grenzenlose Würdelosigkeit an den Tag“, schreibt die konservative „Dortmun-
Einlaufens des Zuges sämtliche Hel-
der Zeitung“ in ihrer Abendausga-
ferinnen sofort den Bahnsteig zu
be und meint damit die vielköpfige
verlassen.“
Präsenz der Frauen: „Als wenn eine hohe Persönlichkeit beerdigt würde“.
Es war eben eindeutig ein Schlag ge-
Dabei war es nur der britische Soldat
gen das „nationale Empfinden“, wenn
Bornett Murphy. „Als Kulturnation
Frauen auf das Leid und den Tod, den
legen wir Wert darauf, auch unseren
der Krieg auch über unsere „Feinde“
Feinden ein anständiges Begräbnis
brachte, aufmerksam machten. Auch
zu gewähren; aber andererseits müs-
die Gedanken meiner Oma Käthe
sen wir darauf achten, dass derarti-
Kaufhold, die sehr katholisch war, drü-
ge Leichenbegräbnisse nicht jedem
cken keine Kriegsbegeisterung aus:
nationalen Empfinden ins Gesicht
„Jeden Tag erklangen bald die Sieges-
schlagen.“ Die Zeitung hatte erkannt,
glocken. Ich habe dann immer gebetet
was es war: ein „Bekenntnismarsch“
und geweint für Mütter, auch für die
gegen den Krieg.
armen Mütter im anderen Land, die ihre Männer und Kinder hergeben
So jedenfalls hat es ein Teilnehmer
mussten.“
empfunden und seine Gedanken in einem Tagebuch niedergeschrieben.
Es ist ein Märchen, dass alle Menschen
Der Generalanzeiger veröffentlichte
jubelnd den Krieg begrüßten. Gerade
seine Notizen: „Sollte es der Krieg
viele Frauen standen ihm sehr distan-
sein, der heute in der Stadt ist? Drü-
ziert und kritisch, aber auch hilflos
ben, unseren Augen verborgen, wird
gegenüber. Davon zeugen zahlreiche
ein Sarg getragen, in dem ein toter
Zeitungsberichte. Da waren „Frauen
Soldat liegt. Mit ihm schreitet der
und Kinder mit verweinten Augen“,
Krieg durch die Reihen der Frauen. ...
Frauen, die Lebensmittel hamsterten
Die Gedanken der zitternden Men-
und kein Papiergeld mehr annehmen
schenmassen ziehen mit den Klängen
wollten, so dass der Zahlungsverkehr
des Trauermarsches. ... Salven knal-
zusammenzubrechen drohte.
len! ... Das ist der Krieg! Niemals war er näher. Stille, Explosion und Tod! ...
Auf die Frage, was die Frauen bewegt
In breiten Scharen drängen sie jetzt
haben könnte, in diesen Massen in
an das offene Grab – und füllen es
Trauerkleidung zum Friedhof zu ei-
mit den Blumen, die sie in den Hän-
len, antwortete ein Professor der Ge-
den tragen.“
schichte: „Das waren alles Frauen von den Dortmunder Anarchisten, die da
Auch die Frauen, die seit der Mobil-
hingeschickt wurden.“ Das ist sicher-
machung auf dem Bahnhof in einer
lich nicht des Rätsels Lösung. Denn die
„Erfrischungsstation“ durchfahrende
Frauen wurden nicht geschickt. Und
Soldaten beköstigten, haben nicht so
die anarchistische Bewegung umfass-
funktioniert, wie es von ihnen erwar-
te in Dortmund im Juli 1914 nur etwa
tet wurde. Am 18. August heißt es in
50 Personen. Die Frauen haben sich
der Tremonia: „Keine Verpflegung
eben nicht nur in Kriegsliebesdiensten
von Kriegsgefangenen.“ Die Helfer-
ergangen und Handschuhe, Kniewär-
innen werden angewiesen, „unter
mer, Leibbinden und lange Strümpfe
keinen Umständen“ eine Verpfle-
gestrickt, sondern waren auch noch
gung von Gefangenen vorzunehmen.
zu ganz anderen Sachen fähig. Unkal-
„Vielmehr haben im Augenblick des
kulierbar. Und damit gefährlich.
21
DER KOMMENTAR
CSD bunt, BlockaDO erfolgreich, Polizei führungslos
von Bastian Pütter
Dortmund, 23.8. Ein klägliches Häuf-
Gerade einmal 85 Neonazis hatten
Gruppe Fußball spielender Jugendli-
Zum Kundgebungsort laufende Ju-
chen homophober Straftäter unterliegt
den Weg nach Dortmund gefunden,
cher Platzverweise durchzusetzen. Die
gendliche griff mangels Polizei vor
einem friedlichen BlockaDO-Bündnis,
ein Vielfaches an Gegenprotest stand
Nazis stürmten los, griffen Gegende-
Ort die Reiterstaffel an – absurde
das an der Katharinentreppe Platz
ihnen entgegen. Polizeipräsident
monstranten an und ließen sich nur
Jagdszenen mitten in der Innenstadt,
nimmt, und einem Christopher Street
Lange hatte die Versammlung trotz
mit Mühe an der Petrikirche – direkt
die viel mehr Verletze hätten fordern
Day, der laut und bunt Stellung bezieht
BVB-Spiel und CSD für durchführbar
neben Pflastersteinhaufen – einkeilen.
können. Auch bei der Polizei: Eine ein-
gegen die Bedrohung durch die Dort-
gehalten. Stattdessen setzte er wie
munder Nazis. Ein guter Tag, wäre die
am 1. Mai mit einem chaotischen,
Dortmunder Polizei nicht bis zur Hand-
völlig unterbesetzten Einsatz die
lungsunfähigkeit führungslos.
Gesundheit seiner Kollegen, die von
„Die verarschen uns doch alle“, entfuhr es einer Hundertschaft-Polizistin
Demo-Teilnehmern, Unbeteiligten und Journalisten aufs Spiel.
an der Kampstraße. Sie meinte weder
Das Chaos begann, als plötzlich alle
die kreativen Protestler noch die chro-
Bereitschaftspolizei vom Sammel-
nisch humorlosen Nazis, sondern ihre
punkt der Nazis an der Kampstraße
eigene Führung.
abgezogen wurde, um gegen eine Foto: Felix Huesmann
NEWS
Drogenhandel frisiert BIP Illegale Geschäfte lohnen sich – für die, die nicht erwischt wer-
hand von Drogentoten auf den Umsatz des Kokaingeschäfts ge-
den, und für den Staat. Denn der zählt jetzt alle Umsätze aus
schlossen und die erfassten Schwarzarbeiterzahlen werden als
Prostitution, Drogenhandel, Tabakschmuggel und Schwarzar-
Ausgangsbasis genutzt, um etwas Licht auf die Dunkelziffern
beit mit und hat flugs ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP),
zu bekommen. Und damit die Zahlen noch besser aussehen, gilt
das den Wert aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren
der Kauf von Waffen und Panzern als Investionsgut – was damit
und Dienstleistungen misst. Da natürlich alle illegal arbeiten-
gemacht wird ist für die Statistik uninteressant. Die EU hat die
den Geschäftsleute und deren Beschäftigte keine Erklärung
neuen Berechnungsregeln ab September 2014 festgesetzt – ein
über ihren gesetzlich verbotenen Warenein- und ausgang ab-
Vorteil für jedes Land, das erfolgreich agierende Mafia-Clans
geben, muss das Statistische Bundesamt schätzen. Da wird an-
hat: Hier sind Milliardengeschäfte Berechnungsgrundlage.
Verlage verteilen Zeitungsmarkt Weiter geht’s mit dem Zeitungssterben und den Verlagsver-
Ruhr-Nachrichten, die nun einzige Pressestimme in Dort-
flechtungen im Ruhrgebiet. Hauptakteure sind die Essener
mund. „Teil des Deals“, wie Kenner des Marktes schon vor-
Funke-Mediengruppe und das Dortmunder Verlagshaus
ausgesehen haben. Denn während der Lensing-Verlag, der
Lensing-Wolff, die den regionalen Kuchen untereinander
gerade seine Münstersche Zeitung verkauft, das Monopol
aufteilen: Ein Spiel, dass sich schon geraume Zeit hinzieht,
in Dortmund hält, bekommt Funke nun Bochum und Wit-
offensichtlich mit der Auflösung aller Lokalredaktionen der
ten – Lensing-Wolff schließt die Lokalredaktionen in den
Westfälischen Rundschau (WR) im Großraum Dortmund
Ruhrstädten zum 31. Oktober. Und wahrscheinlich ist das
2013: Das, was jetzt als WR vertrieben wird, ist inhaltlich
nur ein Zwischenstandsbericht – Gerüchten zufolge steigt
komplett fremdgeschrieben – den Lokalteil liefern u.a. die
Verlagschef Lensing-Wolff demnächst bei Funke ein.
Schuldfrage im Envio-Prozess
22
Die Angeklagten im Envio-Prozess können sich erstmal die
aufgetreten ist“, müsse noch geklärt werden. Ob dann aber
Hände reiben. Trotz PCB im Blut von rund 50 Ex-Mitarbeitern
die Angeklagten dafür zur Rechenschaft gezogen werden
und verseuchten Böden – Richter Thomas Kelm sieht in den
könnten, sei fraglich. Andeutungen zufolge drohen dem
Angeklagten nicht die Verantwortlichen eines der größten
ehemaligen Envio-Geschäftsführer Dirk Neupert und seinen
Umweltskandale Deutschlands. Im Zwischenbericht kritisiert
Mitangeklagten keine Verurteilungen wegen Körperverlet-
der Richter die Bezirksregierung, weil diese eine Betriebsge-
zung. „Ein Schlag ins Gesicht der von massiven gesundheitli-
nehmigung viel zu unbestimmt formuliert habe. Der Betrieb
chen Schäden betroffenen Arbeiter“, sieht Ingrid Reuter von
habe nur an kleinen Punkten gegen Auflagen verstoßen. Aber
Bündnis90/Die Grünen, „wenn niemand zur Verantwortung
ob „durch diese Verstöße überhaupt eine Umweltgefährdung
gezogen würde“.
DAS ZITAT
zelne Kette trennte Antifa und Nazis,
Dass die Polizei einen zweiten ange-
Beamte reagierten stellenweise pa-
meldeten Kundgebungsort der Nazis
nisch. Ohne Verstärkung musste die
verheimlichte und nicht sicherte, so
Polizei dann den von Gegenprotest
dass migrantische Anwohner mit
umringten Nazis den Weg freidrän-
dem Tod bedroht wurden – ein wei-
gen und -schlagen.
terer Skandal.
Die wieder alleingelassenen Nazis
Nichts davon hat mit der Entschei-
attackierten
ein
dung zu tun, Protest gegen Nazis
BILD-Kollege wurde geschlagen, ein
Pressevertreter,
in Sicht- und Hörweite zuzulassen.
Agentur-Fotograf wurde von völlig
Langes Vorgänger Wesseler hat dies
überforderten Bereitschaftspolizis-
konsequent umgesetzt, ohne chaoti-
ten angegangen – peinlich: im Beisein
sche Zustände herbeizuführen. Aber
auswärtiger Staatsschutzbeamter,
der wusste auch was er tat und hatte
die schon am 1. Mai fassungslos auf
seinen Apparat im Griff.
„Weil wir zu sehr auf die
Arbeitslosenzahlen fixiert sind, tun wir im Moment zu oft das Falsche. (…) Es gibt einen Anreiz, all jene zu vernachlässigen, bei denen eine Vermittlung eher unwahrscheinlich oder ausgeschlossen ist.
“
Reiner Lipka, Leiter des Jobcenters
den dilettantischen Einsatz reagiert
Gelsenkirchen (IAG) im Interview
hatten. All das verschweigt Lange.
mit der ZEIT.
DAS FOTO
Der schottische Grafiker Tony McKay hat unsere INSP-Konferenz der Straßen-
Grafik: Tony McKay
zeitungen in Glasgow zeichnerisch begleitet. Vielleicht lässt sich so viel sagen zu sozialen Innovationen bei Straßenzeitungen: Es ist kompliziert.
23
NETZWELT
KINOTIPP
endstation.kino & bodo präsentieren: Maps to the Stars Familie Weiss ist mittendrin im ganz normalen Hollywood-Wahnsinn: Kinderstar Benji kann mit seinen dreizehn Jahren schon auf eine Drogenkarriere zurückblicken. Tochter Agatha hat vor Jahren das Haus der Familie in Brand gesteckt. Frisch aus der Psychiatrie entlassen, stürzt sie sich in eine Affäre mit dem Chauffeur Jerome und sucht Benjis Nähe, sehr zum Missfallen
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
www.sozialhelden.de/ projekte/gutschein-zum-gut-sein
ihres Vaters Stafford. Der Guru arbeitet gerade an seinem neuen Buch. Nebenbei behandelt er die alternde Schauspielerin
Im Mittelpunkt des Projektes „GUTschein zum Gut sein“ der Berliner Sozialhelden
Havana, die vom Geist ihrer Mutter verfolgt
– einer Gruppe von Menschen, die gemeinsam soziale Projekte entwickelt um auf
wird, seit sie in einem Remake unbedingt
soziale Probleme aufmerksam zu machen – steht ein kleiner roter Gutschein im
die Rolle spielen will, die ihre Mutter einst
Scheckkartenformat. Die Idee ist simpel: Wer im Besitz einer solchen Karte ist, gibt sie
berühmt machte.
innerhalb von fünf Tagen in Verbindung mit einer kleinen Gefälligkeit an eine Person seiner Wahl weiter. Das kann ein Freund oder Bekannter oder aber auch jemand völlig Fremdes sein. Der neue Besitzer überlegt sich nun selbst, wem er etwas Gutes tun kann, und so wandert der Gutschein zum nächsten Empfänger. Im besten Fall reißt diese Kette nicht ab.
Stars eine Gratwanderung zwischen bissiger Satire und emotionalem Psychothriller. Großartig gespielt, bitterböse, entlarvend. Der Film blickt in das schwarzhumorige
Über 4.500 der kleinen roten Kärtchen sind mittlerweile schon im Umlauf. Mit Hilfe
Herz einer Hollywoodfamilie, die auf der
einer eindeutigen Nummerierung, mit der jeder Gutschein versehen ist, kann man auf
Jagd nach Ruhm, sich selbst und den gna-
der Internetseite des Projektes eintragen, was einem Schönes widerfahren ist, oder
denlosen Geistern der Vergangenheit ist.
nachlesen, welche Anekdoten und Geschichten zum eigenen Gutschein bereits einge-
Das Ergebnis ist eine moderne Hollywood-
tragen sind. Dabei sind mittlerweile die unterschiedlichsten Erlebnisse zusammen-
satire über das 21. Jahrhundert, das nach
gekommen. So bekam zum Beispiel Kellner Felix aus Kassel den Gutschein von einem
Ruhm und Bestätigung giert – und über die
Stammgast inklusive einer Flasche selbst gemachten Likörs überreicht. Wendy aus
Sehnsucht, die Verluste und Zerbrechlich-
Würzburg bekam Hilfe von einem Nachbarn, der ihren Computer reparierte. Ein Frem-
keit, die tief in den Schatten lauern. Maps
der überreichte die Karte Marco aus Potsdam, nachdem er ihm beim Umzug zur Hilfe
to the Stars lief im offiziellen Wettbewerb
kam. Einige Gutscheine haben es so bereits bis nach Portugal und Brasilien geschafft.
der Filmfestspiele in Cannes 2014. Julianne
„Wir sind wirklich überrascht, dass die Aktion so lange in Umlauf ist und finden es super, dass so viele Menschen mitmachen. Natürlich brauchen diese Leute keinen ,GUTschein zum GUT sein‘, um Gutes zu tun. Aber anscheinend hilft er, um wirklich zu
großartige Darstellung als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Do. 11.09. bis Di. 16.09. und Do. 18.09. bis
mal eine Freude macht“, sagt Sabine Kruppa, Initiatorin des
Di. 23.09. um 21 Uhr (außer sonntags)
Projektes. Wer nicht darauf warten möchte, dass ein Gutschein
Mi. 17.09. und Mi. 24.09. um 21.15 Uhr
auf www.sozialhelden.de/gutscheine einen Gutschein bestellen. Auch im bodo-Buchladen am Schwanenwall liegen einige der kleinen Weltverbesserer aus. (sese) Sabine Kruppa
Moore wurde auf dem Festival für ihre
überlegen, wer Hilfe gebrauchen könnte oder wem man einfach
zufällig inklusive einer guten Tat zu ihm findet, kann kostenlos
24
David Cronenberg gelingt mit Maps to the
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Telefon 0234 – 68 71 620 www.endstation-kino.de
VERANSTALTUNGEN SEPTEMBER 2014
Varieté et cetera – „Einfach zauberhaft!“ Die neue Show im Varieté et cetera mit Zauberer Matthias Rauch, Comedy-Jongleur Steve Eleky, Vertikaltuch-Künstlerin Isabel Anobian, Diabolo-Duo „TwinSpin“, den Tanzakrobaten Oksana & Vadim, dem Partnerakrobatik-Duo „2 Trux“ und dem Fahrrad-Künstler Paul Chen.
Am 25. September um 20 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten
VERANSTALTUNGEN | VERLOSUNGEN 11. – 24.09. | Maps to the Stars | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten 16.09. | Markus Barth | Werkstadt, Witten | 2 x 2 Karten 21.09. | Hamlet | Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an:
23.09. | Nomfusi | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten 25.09. | „Einfach zauberhaft!“ | Varieté et cetera, Bochum | 2 x 2 Karten 27.09. | 14. Dortmunder DEW21-Museumsnacht | Dortmund | 3 x 2 Karten
redaktion@bodoev.de. Oder schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an: bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin. Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.09.2014 Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
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05 | 09 | 14 „Der Gott des Gemetzels“
04 | 09 | 14 Geschwister Pfister
DO 04 | 09 | 14
ruhe ihrer Eltern. Die beschließen sich über
FR 05 | 09 | 14
Comedy | RuhrHOCHDeutsch: Geschwister Pfister
die Brutalität ihrer Söhne auszutauschen. Doch im Gespräch bröckeln die schönen Fas-
Musik | 8. Bochumer Musiksommer
Sie sind hinreißend komisch und Entertai-
Über 1.000 Künstler werden die Bochumer In-
saden. Zwar bewegen sie sich in einer Gesell-
ner mit Format: Ursli und Toni Pfister. In
nenstadt auch in diesem Jahr in eine musika-
schaftsschicht, in der die körperliche Ausein-
ihrer neuen Show nehmen die Brüder zwei
lische Erlebniswelt verwandeln. Mit dabei sind
andersetzung eigentlich verpönt ist, doch
ganz Große des Schlagerhimmels ins Visier:
u.a. ATB, Elaiza und Prag zusammen mit den
irgendwann überschreiten sie die Grenze.
Peter Alexander und Mireille Mathieu. Hits
Bochumern Symphonikern. Die insgesamt
Die Autorin Yasmina Reza ist eine der meist-
wie „Die kleine Kneipe“ oder „Akropolis
fünf Bühnen laden den begeisterten Musik-
gespielten zeitgenössischen Autorinnen und
Adieu“ schenkten einer ganzen Generation
freund dazu ein, von Konzert zu Konzert zu fla-
schafft es, ein ernstes Thema „als spannende,
Momente des Glücks und der Zufrieden-
nieren und sich auf Klänge unterschiedlichster
schöne Komödie zu verpacken“.
heit. Dies gilt es nun zurückzugeben. Ursli
Musikgenres einzulassen. Das komplette Pro-
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
und Toni Pfister stehen für aufputschenden
gramm: www.bochumer-musiksommer.de.
Schlager, aufheulenden Schmalz und au-
Innenstadt, Bochum (auch 6. & 7.9.)
genzwinkernden Charme. Spiegelzelt, Dortmund, 20 Uhr
Party | 14 Jahre Cosmotopia – Geburtstags-Sause
Theater | „Der Gott des Gemetzels“
(auch 5. & 6.9.)
SA 06 | 09 | 14
Ferdinand hat Bruno verprügelt. Zwei Zähne
Nachdem die ursprüngliche Location einer
sind weg. Und mit ihnen auch die Gemüts-
Supermarktkette weichen musste, hat sich die Cosmotopia-Crew in den Räumen der
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Großmarktschänke erfolgreich neu erfunden. Zum 14. Geburtstag stehen auf drei Floors
Wo echte Liebe zählt, ist unser Strom.
gleich sechs der aktuellen Resident-DJs an den Plattentellern. Jede Menge Old School Beats werden Der Wolf und Nils Noise servieren, während SuperKlep und NassAir den Rundumschlag in Sachen 60s Soul und Funky Disco wagen. Mit rare Groove, Beats und Swing wiederum verbreiten DJ Martini und der Radius das Cosmotopia-Flair der ersten Stunde. Großmarktschänke, Dortmund, 22 Uhr
SO 07 | 09 | 14 mStro uen d e n en n un n. e t ein r Jetz en werb ft siche i d rben kun Gutschr e / we d . € 1 0 2 2
w
Viele Dinge sind für Dortmund typisch – ein Lokalpatriot zu sein gehört dazu. Und genau diese Lokalpatrioten suchen wir. Werben Sie einen Stromkunden und unterstützen Sie uns dabei, Dortmund weiterhin so lebenswert zu gestalten. Dafür setzen wir uns mit unseren
d ew ww.
Musik | Axel Prahl und das Inselorchester Wenn jemand seine Live-Karriere in Locations wie dem Gewandhaus zu Leipzig, im Mozart-Saal des Konzerthaus Wien oder dem Kieler Schloss startet, dann ist klar: Hier ist
mehr als 1000 Mitarbeitern täglich ein. Nicht nur durch Ihre sichere Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, sondern vor allem auch durch die Förderung zahlreicher Projekte, Initiativen und Vereine. Im Großen wie im Kleinen. Für Dortmund und die Region.
nicht ein singender Schauspieler, sondern ein Musiker und Sänger mehr zu erleben. Axel Prahl singt, was aus der eigenen Feder und dem eigenen Erleben entsprungen ist. Seine Band ist ein kleines, handverlesenes Orchester von neun Musikern, die in der deutschen Rock-, Jazz - und Klassikszene eine Menge Erfahrung einzubringen haben. Zeltfestival Ruhr, Bochum, 18 Uhr
26
DEW21_AZ_130x140_BoDo.indd 1
30.08.13 16:32
07 | 09 | 14 Axel Prahl und das Inselorchester
DI 09 | 09 | 14
12 | 09 | 14 Zweiter Freitag: Dond & Daniel lesen
Zweiter Freitag | Dond & Daniel lesen
Film | Kinoplakat-Flohmarkt
In unserer monatlichen Benefiz-Reihe „2. Frei-
Der Kinoplakat-Flohmarkt in der Schauburg
tag“ sind heute Dond & Daniel zu Gast. Als
geht wieder in eine neue Runde. Ausgewählte
Madeline Juno kommt nach Support-Touren
professionelle Buchhändler wissen sie, was
Plakate, Aufsteller und Banner sowie Aushang-
für Philipp Poisel, Tom Beck und Elie Goulding
verkauft wird. Als begeisterte Leseratten wis-
fotos warten auf neue Besitzer. Wie immer
nach Dortmund. Die Singer-Songwriterin, die
sen sie auch, was sie lieber verkaufen würden.
findet der Besucher in beiden Sälen klassisches
auch den Titelsong für den Kinofilm „Fack ju
Deswegen lesen sie vor Publikum: Vergesse-
und aktuelles Material für kleines Geld, wel-
Göhte“ schrieb und 2014 beim Vorentscheid
nes, Verschollenes, Niebekanntgewordenes.
ches einem guten Zweck gespendet wird.
für den ESC antrat, ist den Kinderschuhen ent-
Bücher, die in einer besseren Welt die Bestsel-
Schauburg, Dortmund, 11 – 13.30 Uhr
wachsen und zeigt, was sie noch so alles kann.
lerlisten anführen würden. Dond & Daniel le-
FZW, Dortmund, 20 Uhr
sen mit verteilten Rollen, loten die Feinheiten
Musik | Madeline Juno
der Sprache aus und lassen Literatur auf diese
DO 11 | 09 | 14
Weise lebendig werden. Der Eintritt ist frei.
Lesung | 14 Jahre Ekamina:
bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, DO, 19.30 Uhr
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Spenden sind willkommen.
Dond & Daniel lesen „Der Holzvulkan“ Seit dem Jahr 2000 steht Ekamia für Literatur und Tonkunst, für Salonkultur, für Zuspiel, Freispiel und Hörspiel. Keine Veranstaltung
SA 13 | 09 | 14 Design | Design Gipfel
hat das Profil der Reihe in gleicher Weise ge-
Rund 70 Designer aus dem Ruhrgebiet und
prägt wie die Lesung vom 31. August 2004, als
ganz Deutschland bieten auf dem 6. Design
Dond & Daniel Hans Pleschinskis Buch „Der
Gipfel in Dortmund limitierte Design-Stücke
Holzvulkan“ vorstellten. Das Buch handelt
an, die es in keinem Geschäft zu kaufen gibt.
von Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig,
Der Trend des Jahres lautet „Recycling“ und
der 1633 bis 1714 lebte, und Wolfenbüttel. Er
bietet ein klares Statement gegen die Arbeits-
wollte Wolfenbüttel auf eine Stufe mit Rom,
bedingungen in vielen Fabriken mit Massen-
Paris und Den Haag hieven. Der Herzog hatte
produktion. Lounge-Musik vom DJ Gärtner
kein Geld – war aber wild entschlossen, ein
der Lüste und kulinarische Köstlichkeiten sor-
Wunderland der Künste zu schaffen.
gen für ein entspanntes Shopping-Erlebnis.
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
Depot, Dortmund, 12 – 18 Uhr (auch So. 14.9.)
FR 12 | 09 | 14 Ausstellungseröffnung | Aiko Tezuka
Fest | „Finale der Seseke“ Unter dem Motto „Finale an der Seseke“ feiert der Lippeverband das neue Flusssystem
Als Folge der industriellen Massenproduktion
der Seseke im Kreis Unna. Nachdem in den
sind textile Motive nicht mehr eindeutig einer
vergangenen 25 Jahren vier moderne Kläran-
Herkunft oder Kultur zuzuordnen. In ihren
lagen gebaut, 73 km unterirdische Kanäle ver-
letzteren neuen Arbeiten verwebt die Japa-
legt wurden und insgesamt 75 km Gewässer
nerin Aiko Tezuka traditionelle Ornamente
gesäubert sind, kehrt die Natur zurück und
mit Alltagssymbolen und offenbart durch die
erobert die neuen Lebensräume. Das „Fina-
Sezierung der einzelnen Stoffbestandteile die
le an der Seseke“, das beim Zusammenfluss
Qualität, die Tradition, die Geschichte und das
von Körne und Seseke an der Wilhelm-Blä-
System hinter uns allzu bekannt erscheinen-
ser-Straße stattfindet, wird am Nachmittag
den Dingen. Die Ausstellung läuft bis zum 9.11.
als Familienfest beginnen und sich in den
Der Eintritt ist frei – um Spenden für das Pro-
Abendstunden zu einer Strandparty mit drei
jekt „Hilfe für Japan“ wird gebeten.
Bands entwickeln. Der Eintritt ist frei.
Park der Partnerstädte, Dortmund, 19 Uhr
Ufer der Seseke, Kamen, 15 – 23 Uhr 27
13 | 09 | 14 Royal Street Orchestra
14 | 09 | 14 Sein letztes Rennen
Musik | Reihe Musikkulturen: Royal Street Orchestra
ne diesen September in die zweite Runde. Unter
ges der Kirche. Diesmal mit „Die Zwei“, die die
Weltmusik in Reinkultur bietet die neunköp-
dem diesjährigen Titel „Alles beim Alten?!“ wer-
musikalische Gestaltung des Gottesdienstes
fige Truppe aus Wuppertal. Balkan-Beats,
den jeweils sonntags vier ausgewählte Film-
übernehmen. Und im Predigtschauspiel geht
arabeske Rhythmen, gemischt mit urbanen
produktionen zum Thema Sport, Sexualität,
es um das, was wir sagen, aber nicht meinen,
Club-Klängen – wo das Royal Street Orchestra
Demenz und Wohnen im Alter vorgeführt. Am
und das, was wir hören, aber nicht gesagt
aufspielt, hinterlässt es meist verblüffte Ge-
14.9. wird der Film „Sein letztes Rennen“ gezeigt.
wurde. Und um die Frage: wie wir eigentlich
sichter. Die Royals über sich selbst: „Ein Bosni-
Weitere Filme: 7.9. „Der Tag, an dem die Hand-
respektvoller und zugleich ehrlicher miteinan-
er, ein Serbe, ein Grieche, klassische, studierte
tasche verschwand“, 21.9. „Wolke 9“, 28.9. „Und
der reden und umgehen können.
Musiker, Autodidakten und selbsternannte
wenn wir alle zusammenziehen“.
Pauluskirche, Dortmund, 17 Uhr
Nichtmusiker. All jenes findet man in diesem
Filmwelt Herne, Herne, 11 Uhr
ungewöhnlichen Konglomerat.“ domicl, Dortmund, 20 Uhr
Kabarett | Storno Musik & Gottesdienst |
Das Trio aus Münster zeigt, wie man krisen-
„Talk to heaven“ mit „Die Zwei“
geschüttelte Zeiten mit Gelächter überlebt.
Ein Gottesdienst, wie man ihn kein zweites
In einer Spezialmischung aus Aktuellem und
Mal in Dortmund findet: Mit Band und Pre-
Bewährtem wollen die Stornisten mit ihrem
Film | Paritätisches Filmfest: „Sein letztes Rennen“
digtschauspiel, Kabarett u.v.m. gehört dieser
neuen Programm „Storno Sonderinventur“ die
Nach dem erfolgreichen Auftakt im vergange-
viermal im Jahr stattfindende Gottesdienst zu
Lachtränen provozieren und bieten Abseitiges,
nen Jahr startet das Paritätische Filmfest in Her-
den kreativsten Beispielen eines neuen We-
Höhepunkte und musikalische Immergrüns so-
SO 14 | 09 | 14
wie das Beste aus der jüngsten Saison an.
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Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr
Ticket-Hotline:
0234 13003
DI 16 | 09 | 14 BODO VERLOSUNG | Markus Barth In seinem neuen Soloprogramm „Mitte 30 und
07. Sept. - 02. Nov. 2014
noch nicht mal auferstanden“ will der gebürtige Oberfranke wenigstens ein paar drängende Fragen
beantworten:
Warum sinkt ab 30 die Bullshit-Toleranz so dramatisch? Ist Franz Kafka wirklich der Richtige, um ihm Lebenshilfe zu geben? Hatte Gott wirklich für jeden Menschen einen großen Plan – oder war bei manchen nicht einfach noch ein bisschen Fleisch übrig? Ein amüsanter Abend übers Schaffen und Scheitern – und den Spaß an beidem. Werkstadt, Witten, 20 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten. Teilnahmebedingungen auf Seite 25. Musik | Dieselknecht
SHOW Do.-Sa. 20.00 Uhr, So. 19.00 Uhr
WWW.VARIETE-ET-CETERA.DE Herner Str. 299 | Bochum
Seit gut vier Jahren ist die Band Dieselknecht (eine Kraut-a-Billy-Band) in allen Gastwirtschaften und auf den Bühnen der Republik unterwegs. Da gibt es bei ausgelassener
28
14 | 09 | 14 Storno
17 | 09 | 14 Sabine Wiegand
Stimmung mit Pils und Korn eine akustische
fred hat Burnout, dabei ist ihm vorher gar
Mischung aus Volkslied, Hillbilly und eige-
kein Licht aufgegangen. Die Blagen haben
nem Punk auf die Teller. Am Morgen müssen
sich an der Börse verspekuliert, in der Arge
die Jungs dann wieder raus zur Feldarbeit.
hat sie Hausverbot und der Vermieter setzt
Am dritten Samstag findet wieder unsere bodo-
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
ihr die Pistole auf die Brust. In 90 irrsinnigen
Stadtführung in Bochum statt. Unsere Experten
Minuten zieht „Dat Rosi“ ihr ganzes Leben auf
geben ihr Wissen weiter, zeigen die Orte, an
links und räsoniert über alle wichtigen und
denen Menschen ohne Wohnung sich aufhal-
unwichtigen Themen in ihrem persönlichen
ten, und besuchen mit Ihnen Einrichtungen, die
Vortrag | Schnittpunkt Buenos Aires –
Mikro- und Makrokosmos.
den Menschen auf der Straße Hilfe anbieten:
Nachbarschaft in der Fremde!
Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr
Von der Suppenküche bis zur Notschlafstelle,
MI 17 | 09 | 14
SA 20 | 09 | 14 Soziales | Stadtführung mit bodo-Verkäufern
Argentinien, ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten und zugleich jüdisches Exil, Fluchtort der Nazis und Rückzugsort des Ehepaares Schindler. Nicht alle Juden erhielten ein
vom Tagesaufenthalt bis zu unserem VerkäuferCafé. Treffpunkt ist die bodo-Anlaufstelle in der
DO 18 – SO 21 | 09 | 14
Stühmeyerstraße 33. „Teilnahmegebühr“ ist der
Festival | Djelem Djelem
Kauf eines Straßenmagazins bei unserem Stadt-
Einreisevisum, denn die Regierung war auf der
Ein Festival der Sinne: Vier Tage lang gibt das
führer. Im Anschluss gibt es Gelegenheit zum
Seite von Hitler. Täter und Opfer teilten plötz-
„Djelem Djelem“-Festival in Dortmund die Ge-
Austausch und zu weiteren Fragen an unsere
lich den Alltag. Auch Emilie und Oskar Schindler,
legenheit, Musik, Lebensweisen und Speisen,
Stadtführer. Anmeldung unter 0231 – 950 97 80.
Retter von 1.200 Juden, wanderten 1949 nach
kurzum die vielen Facetten der reichen Roma-
bodo-Anlaufstelle, Bochum, 11 Uhr
Argentinien aus. Heute hat das Land die zweit-
Kultur(en) zu erfahren und zu genießen. Unter
größte jüdische Gemeinde der Welt. Prof. Erika
der Schirmherrschaft von Hannelore Kraft und
Rosenberg-Band ist als Tochter von geflohenen
mit zahlreichen Kooperationspartnern finden
Juden, als Freundin und Biografin von E. Schind-
Musikabende, Film- und Theateraufführun-
ler Zeitzeugin der zweiten Generation. Sie lebt
gen, Gespräche auf und vor dem Podium und
Was tun, wenn Dir Informationen über eine
und arbeitet in Buenos Aires. Eintritt frei.
Familienfeste statt, um allen Menschen die
Staatsaffäre zugespielt werden? Wie Wahr-
Volkshochschule, Dortmund, 19 Uhr
Möglichkeit zu geben, Grenzen im Kopf und
heit finden in einer Welt, in der
Berührungsängste abzubauen – an vielen Or-
selbst Freunde sich gegenseitig
SO 21 | 09 | 14 BODO VERLOSUNG | Hamlet
ten zwischen Nordmarkt, Auslandsgesellschaft
überwachen und manipulie-
In ihrem dritten Soloprogramm „Dat Rosi
und Depot. Infos zum Festival gibt es telefo-
ren? In der die Datenhoheit
brennt durch“ gibt die sympathische Ruhr-
nisch unter 0231 – 98 21 20 (Theater im Depot,
politische
pott-Proletin „Dat Rosi“ alles. Sie hat aber
www.depotdortmund.de) oder 0231 – 993 42 03
Virtualität oder Realität, Sein-
auch ihr Päcksken zu tragen: Ehemann Mam-
(AWO, www.awo-dortmund.de).
oder Nicht-Sein: Shakespeares
Kleinkunst | Sabine Wiegand
Macht
bedeutet?
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g, amsta er S O B ptemb 20. Se 6.30 Uhr bis 1 11.00 Herbstbasar
der Werkstätten Gottessegen Bochum Schmiedestraße 33, 44866 Bochum
g, amsta r S O D tobe 25. Ok .30 Uhr bis 16 10.30
Tag der offenen Tür & Herbstmarkt der Werkstätten Gottessegen Dortmund Kobbendelle 40, 44229 Dortmund
Kennen Sie uns schon?
Die Werkstätten Gottessegen stellen in Dortmund und Bochum mehr als 540 Menschen mit Unterstützungsbedarf Arbeitsplätze in mehr als 30 Arbeitsgruppen zur Verfügung. Besuchen Sie uns und überzeugen Sie sich von der Qualität unserer Arbeit, den Produkten und Dienstleistungen.
Und das erwartet Sie:
... Verkauf von werkstatteigenen Produkten ... Unterhaltung ... Kunsthandwerk ... ... Leckeres vom Grill und aus der Pfanne ... ... Zeit für Gespräche und Begegnungen mit unseren Mitarbeitern ... Wir freuen uns auf Sie! ... Bringen Sie doch Ihre Freunde und Nachbarn mit!
Werkstätten Gottessegen
Christopherus-Haus Werkstätten Gottessegen gGmbH · Kobbendelle 40 · 44229 Dortmund · Tel. 02 31 / 97 38-0 · www.werkstaetten-gottessegen.de 29
26 | 09 | 14 Böse Clowns
25 | 09 | 14 Polly & The Billets Doux
berühmtester Protagonist Hamlet blickt seit
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
Jahrhunderten auf die Krankheiten der gesell-
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Sie sind jung, dynamisch und vielverspre-
schaftlichen Gegenwart – und auf ihre Verbre-
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
chend: „Polly & The Billets Doux“ aus dem ver-
chen. Und heute? Hamlet im Spiegel von Bits und Bytes: Das Ich zwischen Daten, Überwachung und Auslöschung – was ist der Mensch? Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr
einigten Königreich stehen für original-handgemachten Sound. Ihre Musik ist ein Mix aus
DO 25 | 09 | 14
Folk, Pop, Rock’n’Roll, Soul, Country, Blues und
BODO VERLOSUNG | „Einfach zauberhaft!“
einem Hauch Gospel. Nach acht Headliner-
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Matthias Rauch ist Moderator mit Zauber-
Touren und drei UK-Festival-Saisons kommen
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
hand. Er ist „Deutscher Meister der Zauber-
sie nun erstmals über den Kanal.
kunst“ und moderiert
DI 23 | 09 | 2014
mit einer Mischung aus
BODO VERLOSUNG | Nomfusi
rei und wahnwitziger
verblüffender
Zaube-
subrosa, Dortmund, 20 Uhr
FR 26 | 09 | 14
Der Sound Afrikas trifft auf Motown und
Komik. Mit Kult-Come-
Soul. Heraus kommt dabei eine Packung
dian Steve Eleky an seiner Seite, dem Come-
Die Ausstellung „Böse Clowns“ widmet sich
puren Dynamits. Dank ihrer
dy-Jongleur im Schottenrock, führt er durch
genau dieser beunruhigenden Figur, die in
kraftvollen Stimme und mitrei-
einen zauberhaften Abend. Mit dabei sind
letzter Zeit eine ‚unheimliche’ Karriere ge-
ßenden Bühnenpräsenz hat es
die Vertikaltuch-Künstlerin Isabel Anobian,
macht hat. (Böse) Clowns tauchen heute
Nomfusi bereits innerhalb von
das Diabolo-Duo „TwinSpin“, die Tanzakro-
in den unterschiedlichsten Kontexten auf:
vier Jahren auf die großen in-
baten Oksana & Vadim, das Partnerakroba-
in der (Anti-)Werbung (Ronald McDonald
ternationalen Konzertbühnen
tik-Duo „2 Trux“ und der Fahrrad-Künstler
und Parodien), im politischen Aktivismus
geschafft. Aufgewachsen mit
Ausstellungseröffnung | Böse Clowns
Paul Chen. Weitere Termine unter: www.
(The Yes Men), in Fernsehserien (Krusty bei
Tina Turner, Aretha Franklin und Miriam Ma-
variete-et-cetera.de.
den Simpsons), in Horror- und Hollywood-
keba ist ihre Musik geprägt von den wahren
Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr
filmen (Pennywise in Stephen Kings Es, der
Beats und den funky Grooves aus Soul, Mo-
bodo verlost 2 x 2 Karten.
Joker als Gegenspieler von Batman), in der
town und Sophiatown.
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
Popmusik (Der Plan, The Residents) und in
ANZEIGE
Gefördert vom:
30
Musik | Polly & The Billets Doux
26 | 09 | 14 Marius Jung
27 | 09 – 05 | 10 | 14 Festival n.a.t.u.r. 2014
Film | Die elf Teufel
der zeitgenössischen Kunst. Weitere Infos
Ruhr Nachrichten u.v.a., mit insgesamt rund
unter www.hmkv.de.
„Die elf Teufel“ ist der erste Fußballspielfilm,
600 Einzelveranstaltungen. Die Tickets sind
HMKV im U, Dortmund, 19 Uhr
der in Deutschland 1927 in die Kinos kam. Am
Kombi-Tickets, d.h. Eintritt und freie Fahrt im
Anfang stand schon damals das Klischee: die
gesamten VRR und mit den Sonderbussen.
Musik | Claudia Rudek lädt ein:
Armen und die Reichen, die Malocher und die
Alle Infos zur Museumsnacht unter: www.
Lbow Grease & Fred Ape
verwöhnten Halbprofis. Die Fußballszenen
dortmunderdewmuseumsnacht.de.
Mit der Konzertreihe „Claudia Rudek lädt
werden von „echten“ Fußballern gespielt,
Dortmund, 16 – 2 Uhr
ein“ präsentiert die Gastgeberin jeden vier-
und der Film nimmt die heutigen rasanten
bodo verlost 3 x 2 Karten.
ten Freitag (Café Erdmann, Dortmund) und
Kamerafahrten, parallel zur Außenlinie und
Teilnahmebedingungen auf Seite 25.
Samstag (MuCa, Herne) im Monat bekannte
zum Spielgeschehen, mit beachtlicher Virtu-
und auch unbekannte Künstlerinnen und
osität vorweg. „Die elf Teufel“ wird live von
Künstler des Ruhrgebiets. Ob Folk, America-
Joachim Bärenz am Klavier begleitet.
na, Bluegrass, Gipsy oder Irish Folk, die Freu-
Kino im U, Dortmund, 20 Uhr
SA 27 | 09 – SO 05 | 10 | 14 Festival | Festival n.a.t.u.r. 2014
de an der Musik vereint sie alle. Dieses Mal
bodo ist in diesem Jahr Kooperationspart-
sind zu Gast: LBOW GREASE und Fred Ape.
ner des Festivals „n.a.t.u.r.“, welches sich
SA 27 | 09 | 14
Der Eintritt ist frei – ein Hut geht rum. Café Erdmann, Dortmund, 19.30 Uhr
aus Workshops, Lesungen, Vorträgen, Ak-
BODO VERLOSUNG |
tionen, Sport, Theater, Performance, Musik
14. Dortmunder DEW21-Museumsnacht
und Kunst zusammensetzt. Es ermöglicht
Dortmunds Nacht der Nächte steht wieder
dabei seinen Besuchern, durch aktiven Aus-
Der dunkelhäutige Kabarettist Marius Jung
vor der Tür: Ob atemberaubende Lasershow,
tausch die Ideen und Fragestellungen von
beleuchtet in seinem neuen Programm „Sin-
witzige Comedy, wis-
„n.a.t.u.r.“ kennenzulernen, sich zu Betei-
gen können die alle!“ witzig und manchmal
senschaftliche
Experi-
ligen und ein Stück weit Realität zu verän-
bitterböse das Zusammenleben unserer an-
mente oder mittelal-
dern. Die „Rotunde“ dient dem Festival als
geblichen Multikulti-Gesellschaft. Vor kei-
terliches
Spectaculum
Hauptspielort – aber auch abseits werden
nem Klischee, sei es noch so nett gemeint,
– hier gibt es nichts,
wieder gezielt Orte und Lokalitäten im Vik-
macht er halt. Nach dem Motto „Lachen ge-
was es nicht gibt. Unter dem Motto „Nacht
toria-Quartier bespielt und in das Festival
gen Rassismus“ packt Marius die Hellhäuti-
der Visionen“ wimmelt es von 16 bis 2 Uhr
eingebunden. Das Programm gibt es unter:
gen bei ihrer Befangenheit, um den Krampf
nachts nur so vor spannenden Angeboten
www.festival-natur.de.
aus der Debatte um ein vernünftiges Mitein-
– an 60 Kulturorten, Museen, Kirchen, Kul-
Viktoria-Quartier, Bochum
ander zu nehmen.
tureinrichtungen, sogar im Polizeipräsidi-
Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr
um, beim WDR Fernsehen, Radio 91.2, den
Musik-Kabarett | Marius Jung
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14. dortmunder museums ... der Visionen!
27. September 2014 16 bis 2 Uhr
show aser edensL e Groß dem Fri Uhr auf z um 23 plat
Dortmunds beliebteste Kulturveranstaltung mit einem Riesenprogramm! 600 Veranstaltungen an 60 Orten • Tickets: 14,50 €/11 € • Alle unter 18 Jahren nur 3 €
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19.08.14 11:12
31
BODO GEHT AUS
Pottburger | Dortmund Keine Lust auf Konfektion
Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Bratereien seiner Heimatstadt. „Eigentlich wusste ich sehr genau, wie das Geschäft
32
Burger zu essen ist schick geworden. Wer
aussehen sollte, andererseits findet man
über Mc und King die Nase rümpft, sich im
in London angeblich sechs der weltbesten
Stillen aber danach sehnt, zwischen Bröt-
Burgerläden. Ich bin mit Freunden eine
chenhälften gestapelte Buletten und Beila-
Woche dort gewesen und wir haben sie
Mozzarella, hausgemachtes Pesto und rote
gen zu verspeisen, kann sich den heimlichen
alle getestet. Die Briten haben einen etwas
karamellisierte Zwiebeln (8,90 Euro).
Traum mittlerweile auch im Revier und
anderen Geschmack, aber die karamellisier-
ohne Imageverlust erfüllen. Berlin hatte bei
ten Zwiebeln und die Brötchen à la brioche
dem Trend mal wieder die Nase vorn. Niklas
haben wir von dort übernommen.“ Außer-
Mand, gebürtiger Hauptstädter, betreibt
dem die Trinkgläser und die emaillierten
seit kurzem den Pottburger am Rande des
Teller. „Das sind nur Kleinigkeiten, aber die
Kreuzviertels. Der Laden brummt.
machen den Unterschied.“
Niklas Mand, nicht einmal Mitte zwanzig,
Sämtliche Rezepte hat er gemeinsam mit
Eiweiß bestrichen sind. Die Brötchen backt
ist das, was der Volksmund einen „Hans
seiner Betriebsleiterin Chakira el Quaari
der Bäcker von nebenan, alle Saucen sind
Dampf in allen Gassen“ nennt. Als Jugend-
entwickelt. Neben dem klassischen Hambur-
hausgemacht, die Pommes werden aus
licher ins Ruhrgebiet gekommen, pendelte
ger, hier „Pottburger“ genannt, findet man
frischen Kartoffeln geschnitten und auf
er aufgrund unterschiedlicher Bildungssys-
auf der Karte phantasievolle und leckere –
belgische Art frittiert, außerdem gibt es
teme eine Weile zwischen NRW und Berlin.
wir haben sie probiert – Kreationen wie „Kaa
sie als Süßkartoffelvariante, eine Auswahl
Inzwischen studiert er an der FH in Dort-
Wuummm“: Salat, Tomate, Gurke, feurige
knackiger Salate steht bereit. „Ich habe mich
mund, gründete parallel eine eigene Agen-
Jalapeños, Chili con Carne, Tortilla Chips,
an dem Standard orientiert, der in Berlin
tur und entwickelte dort, als ein Projekt un-
rote Zwiebelmarmelade, dazu ein Körnchen
inzwischen gilt. Dort existieren mittlerweile
ter vielen, das Konzept für den Pottburger.
(7,90 Euro) oder „Altobelli“: Rucola, Tomate,
so viele Burgerläden, dass sich die Betreiber
Inspirieren ließ er sich nicht nur von den
Gurke, gegrillte Zucchini, angeschmolzener
nur noch über die Produktqualität abheben
Das Fleisch kommt von Neuland-Betrieben, für Vegetarier wird jeder Klops auf Wunsch durch knusprigen Halloumi-Käse ersetzt. Veganer müssen bei ihrer Brötchenwahl – mehrere Sorten stehen zur Auswahl – nur auf die mit Sesam verzichten, weil die mit
VERKÄUFERPORTRÄT
Melanie | Dortmund Vor einigen Wochen kam Melanie nach dem Verlust von Job und Wohnung zu bodo. In der Dortmundern Innenstadt haben wir uns mit ihr getroffen, wo sie uns ein wenig aus ihrem Leben erzählt hat: Protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst
können. Von den Gästen wird gefragt,
„Gebürtig komme ich aus Leverkusen.
helfen. Als ich 21 war, verstarb meine
welches Fleisch verarbeitet wird und ob
Aber bereits als ich sechs Monate alt war
Mutter. Mein Freund bekam ein Visum für
es sich um Bio- und Fairtrade-Produkte
ist meine ganze Familie nach Borkum ge-
die Beisetzung, und wir konnten wieder
handelt“, erklärt Niklas Mand. Konse-
zogen. Die Seeluft dort sollte meiner Mut-
nach Deutschland einreisen. In den drei
quent hat er auch auf seine Getränke-
ter helfen, die stark an Asthma erkrankt
Monaten, die wir hier waren, heirateten
karte nur Ausgesuchtes gesetzt. Die
war. Meine Eltern eröffneten auf der Insel
wir mehr oder weniger überstürzt.
Limonaden sind selbstgemacht oder von
eine Pension. Nach der Hauptschule habe
fritz, das Bier von Bergmann und der
ich dort eine Lehre als Raumausstatterin
Wir lebten wieder auf Borkum. Ich habe
Kaffee von röst.art in Bochum.
gemacht. Die habe ich zwar erfolgreich
als Zimmermädchen, als Spülkraft und als
mit der Note ‚gut‘ abgeschlossen, doch
Aushilfe und so ziemlich in jedem ande-
leider wurde ich nach meiner Lehre nicht
ren Job in der Tourismus-Branche gearbei-
übernommen.
tet. Zu der Zeit wohnte ich mit meinem
Weil in stimmigem Ambiente alles doppelt so gut schmeckt, hat er auch diesbezüglich nichts dem Zufall überlassen. Ebenso rustikal wie zeitlos wirkt der hohe, schwarz geflieste Tresen; er harmoniert bestens mit dem vielen Holz im Lokal. Fußboden und Mobiliar sind aus derben Bohlen vom Gerüstbau gefertigt. Sollte ein Tisch wackeln, gehört das zum Konzept. Pottburger, Kleine Beurhausstraße 20, 44137 Dortmund Geöffnet täglich von 12 bis 22 Uhr www.pottburger.de
Mann, meinem Vater und meinem älteren Mit 19 bekam ich meinen Sohn Quentin.
Bruder zusammen.
Mein damaliger Freund musste aber zurück nach Polen, da er hier in Deutsch-
Irgendwann krachte es zwischen mir und
land zu der Zeit noch keine Arbeitser-
meinem Mann immer öfter, da er Proble-
laubnis bekommen konnte. Da ich nicht
me mit Alkohol hatte. Eines Abends wurde
wollte, dass mein Sohn ohne seinen Vater
es mir zu viel und ich habe mich von ihm
aufwächst, blieb mir nichts anderes übrig,
getrennt. Zu der Zeit hatte ich auch einen
als mit ihm nach Breslau zu ziehen. Dort
richtigen ‚Inselkoller‘. Gerade in den
hatte seine Familie einen kleinen Bau-
Wintermonaten konnte man auf Borkum
ernhof, und ich konnte bei der Landarbeit
fast überhaupt nichts unternehmen und
www.facebook.com/pottburger 33
VERKÄUFERPORTRÄT
um fünf Uhr machten alle Geschäfte zu. Das hat mich irgendwann ganz verrückt gemacht. Zu der Zeit lernte ich meinen jetzigen Freund Thomasz kennen. Da er auch von der Insel runter wollte, fassten wir gemeinsam den Entschluss, meine Wohnung zu kündigen und erst mal durch Deutschland zu reisen. Wir fuhren per Anhalter los, schliefen bei Freunden
REPORTAGE
Wer baut denn da mit Lehm?
oder im Zelt. Nach einigen Stationen landeten wir dann mehr oder weniger zufällig beim Zirkus. Da wir kein konkretes Ziel hatten und auch kein Dach über dem Kopf, reisten wir mit dem Zirkus als
Ein Besuch beim Fachwerkhausrestaurator
Hilfsarbeiter weiter. Fast ein ganzes Jahr waren wir beim Zirkus, hatten einen Wohnwagen und kümmerten uns um die Tiere. Nach einer Saison wurde uns das viele Reisen zu viel und wir zogen erst zu einem Freund in Castrop-Rauxel und später in unsere gemeinsame Wohnung in Dortmund. Eine Zeit lang hatte ich einen Job als Helferin über eine Zeitarbeitsfirma. Aber als in dem Betrieb, in dem ich tätig war, Stellen abgebaut wurden, war ich natürlich die erste, die gehen musste. Da wir von unseren Vermietern übers Ohr gehauen wurden, hatte ich zu der Zeit auch keine Wohnung, und Arbeitslosengeld konnte ich nicht beantragen, da ich nicht in meine Wohnung und an meine Unterlagen kam. Da ich das Straßenmagazin schon von meinem Freund kannte, bin ich noch am Tag meiner Kündigung direkt zum Verkäufercafé und habe mir einen bodo-Ausweis ausstellen lassen. Seitdem verkaufe ich regelmäßig in der Innenstadt. Auch wenn der Verkauf nicht immer einfach ist, wäre ich ohne bodo im Moment ganz schön aufgeschmissen. Mein erstes Ziel ist es, so schnell wie möglich wieder eine eigene Wohnung zu bekommen. Danach finde ich dann hoffentlich auch wieder einen Job. Solange muss es irgendwie mit bodo weitergehen.“
Es ist gar nicht lange her, zwei Generationen vielleicht, da galten Fachwerkhäuser als das Letzte, worin man hierzulande wohnen mochte. Schiefe Wände, niedrige Decken, kleine Fenster, krummes Dach, altmodisch und rückständig. Vielleicht kannte man ein pittoreskes Dorf im Sauerland und war als Tourist eventuell in Rothenburg gewesen oder Wolfenbüttel, hatte die Fachwerkparadiese fotografiert und die Bewohner insgeheim bedauert. Michael Waning weiß um die Vorurteile und kann sie widerlegen. Wir besuchen den Holz- und Lehmbaufachmann auf seinem Hof in Herne. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
34
Es ist ein heißer Sommertag. Wir verlassen
zum Horizont ist alles grün. Geradeaus geht
Eindruck. Die Stätte ist denkmalgeschützt.
die A43 bei Bochum-Gerthe, nehmen den
es in die Oestrichstraße, die Durchfahrt nur
Im Haupthaus staunen wir erneut. Trotz der
Castroper Hellweg und schwitzen, trotz
für Anlieger. Linker Hand liegt Hof Waning,
sommerlichen Hitze, die seit Tagen herrscht,
offener Seitenfenster, im Auto ohne Klima-
Hausnummer 138. Beatrice und Michael Wa-
ist es drinnen angenehm kühl. Beatrice Wa-
anlage. Hiltrop. Gerthe. Rechts und links der
ning erwarten uns bereits.
ning scheint zu wissen, was in uns vorgeht:
vielbefahrenen Straße stehen mehrstöckig und grau typische Reihen- und Gründer-
„Wenn Sie heute gesundes Wohnen dar-
Dämmwahn: Häuser in Plastiktüten
stellen möchten, müssen Sie sich vorstellen,
die Holthauser Straße und reiben uns wenig
Die Hofanlage, ein Ensemble von drei
die Fenster öffnen wollen. Wenn Ihnen das
später verwundert die Augen. An einer
Fachwerkhäusern, gilt als eine der letzten
gelingt, haben Sie ein gesundes Klima.“
sanften Welle im Gelände endet plötzlich
komplett erhalten gebliebenen Hofstellen im
die Stadt. Wir sehen Wiesen mit Ponys drauf,
Raum Herne/Bochum. Wohnhaus, Stall und
Unversehens befinden wir uns mitten in
dazwischen vereinzelte Baumgruppen. Bis
Scheune machen einen sauberen, gepflegten
einem Gespräch über den Sinn beziehungs-
zeithäuser. Ruhrgebiet. Wir biegen links in
Sie kommen nach Hause und müssen nicht
35
REPORTAGE
weise Unsinn der momentan allerorts
abzureißen, haben wir gesehen, wie viel wirk-
durchgeführten Fassadenisolierungen.
lich kaputt ist. Von einigen Balken war nur
„Wichtig ist eine angenehme Temperatur
noch Staub übrig, der uns entgegenrieselte,
und vor allem eine optimale Luftfeuchtig-
und der Lehm und das Stroh aus den Fächern
keit. Die liegt in der Regel zwischen 55 und
dazwischen fiel uns einfach vor die Füße.”
60 Prozent. Im Dämmwahn, in dem wir uns befinden, seit die Bundesrepublik ihre CO2-
„Aber im Grunde genommen war das sogar
Einsparung verabschiedet hat und sagt, wir
besser, als wenn immer wieder notdürftig
müssen jetzt unsere Außenwände dämmen,
und mit falschem Material geflickt worden
in diesem Wahn packt man die Häuser in
wäre. Wer an einem Fachwerkhaus herum-
Plastiktüten in Form von Hartschaum oder
bastelt, ohne genau zu wissen, was er da tut,
Polystyrol. Dann werden noch absolut dichte
richtet mehr Schaden an, als dass er tatsäch-
Fenster eingesetzt. Und was machen die
lich repariert. Fachwerk ist das Sensibelste,
Menschen, die in diesen Häusern wohnen?
was wir an Bausubstanz haben.”
Wenn sie nach Hause kommen, reißen sie die Fenster auf. Ab da lohnt sich die ganze Dämmung nicht mehr”, sagt Michael Wa-
Lehmbauherren
ning. „Die Häuser sind nicht mehr atmungs-
Michael Waning kannte den Werkstoff Holz
aktiv”, erklärt er und vergleicht die Eigen-
durch seine Ausbildung zum Tischler und
schaften idealer Außenwände mit moderner
während des Studiums hatte er sich für Lehm
Funktionskleidung, deren Qualität darin
als Baustoff interessiert. „Viele Unterlagen
besteht, dampfdiffusionsoffen Feuchtigkeit
gab es an der Uni allerdings nicht. In der Bib-
nach außen zu transportieren. Natürliche
liothek standen ganze zwei Bücher zum The-
Baustoffe, wie sie bei einem Fachwerkhaus
ma, ein Klassiker aus den 20er Jahren und ein
verwendet werden, würden das ebenfalls
Buch über Lehmbauten in Afrika.“ Doch nach
leisten und ein zu jeder Jahreszeit angeneh-
der umfangreichen Sanierung des eigenen
mes Wohnklima garantieren. Und sowieso,
Hauses war er nicht nur theoretisch, sondern
spätestens wenn die Polystyrolverkleidung
auch praktisch fit am Fachwerk. Waren seine
saniert werden müsse, wäre es mit jeder
künstlerischen Ambitionen bei dem zeit- und
Nachhaltigkeit vorbei.
arbeitsintensiven Unterfangen auf der Strecke geblieben, kamen jetzt Anfragen, ob er
„Fachwerk ist das Sensibelste, was wir an Bausubstanz haben.” Das Haus, in dem und über das wir uns
nicht tatkräftig oder wenigstens beratend bei weiteren Renovierungen unterstützen könne. Der nächste Schritt war die Unternehmensgründung im Metier.
unterhalten, wurde 1821 gebaut. Beatrice und Michael Waning leben hier seit zwanzig
In seiner Firma wird auf traditionelles
Jahren. Das Paar war auf der Suche nach
Handwerk großen Wert gelegt, doch die
einem Ort zum Wohnen und Arbeiten. Er ist
verwendeten Baustoffe sind ausgesprochen
Tischlermeister, hat Architektur studiert,
modern. Beim Ausfachen der Zwischen-
plante aber, sich als Künstler mit dem Bau
räume im Holzgerüst kommen nicht mehr
von Stahlmöbeln selbstständig zu machen.
Weidengeflecht, Stroh und Lehm zum
Das große Bauernhaus ohne direkte Nach-
Einsatz, mittlerweile gibt es spezialisierte
barschaft schien für ein Atelier geeignet zu
Anbieter, die eine Palette Hightech auf
sein; darüber hinaus wollten sie, als zweites
ökologischer Basis entwickelt haben. Ein
Standbein, ein Kulturcafé betreiben.
Dachverband Lehm e.V. wurde ins Leben gerufen – Wanings Firma ist Mitglied –, um
36
„Das Haus war nicht teuer”, sagt Michael
das alte neue Material zurück ins Bewusst-
Waning. „Ein leerstehender Pachthof, an die
sein von potenziellen Lehmbauherren zu
hundert Jahre nicht saniert. Der Zustand war
bringen. Die Lobbyarbeit des Verbandes war
gravierend schlecht.“ Von außen sah es gar
auch baurechtlich unerlässlich, denn abge-
nicht so übel aus. Wir dachten, ach, es steht ja
sehen vom Denkmalschutzbereich, wo aus
noch, das kriegen wir schon hin”, ergänzt sie.
fachlichen Überlegungen ohne weiteres auf
„Erst als wir angefangen haben, die Tapeten
die althergebrachten Werkstoffe zurückge-
griffen wird, dürfen Architekten in Deutschland nur ausschreiben, was ein offizielles Normierungsverfahren durchlaufen hat. Die Normierung von Leichtlehmsteinen und abgestimmten Putzen, Farben und Dämmmaterial erfolgte vor zwei Jahren.
Sanieren geht über Planieren Meist wird Michael Waning zu Restaurierungen gerufen und muss oft ausbügeln, was, wenn auch in guter Absicht, in der Geschichte des Gebäudes falsch gemacht wurde. Ein Putz auf Gipsbasis, um die als unmodern empfundene Holzbalkenoptik zu kaschieren, oder nur das Ausbessern eines beschädigten Faches mit gebrannten Ziegeln sind Akte, welche die erwähnte Dampfdurchlässigkeit mindern. Damit erhöht sich automatisch die Feuchtigkeit in der Wand, was Pilze und Schädlinge anlockt, die ihrerseits das Holz angreifen. „Wo noch nicht saniert wurde, konnten keine Fehler gemacht werden“, sagt Michael Waning, der auch Schadensanalysen vornimmt, sollte jemand mit dem Gedanken spielen, Fachwerkhausbesitzer zu werden. Entsprechende Objekte sind im Revier häufiger zu finden, als gemeinhin angenommen wird. Gerade in etwas kleineren Ortschaften überdauerte im meist vorindustriell dörflichen Kern die historische Bausubstanz. Doch der Bestand schwindet im Zuge großflächig angelegter städtebaulicher Maßnahmen, ungeklärter Besitzverhältnisse oder schlicht an der Überforderung des Eigentümers. „Dabei ist die Sanierung eines Fachwerkhauses noch immer preiswerter als ein herkömmlicher Neubau”, sagt Beatrice Waning.
Hof Waning, Beatrice und Michael Waning, Oestrichstraße 140, 44627 Herne Tel. 02323 – 95 75 66, info@waning.de Das angedachte Kulturcafé auf Hof Waning wurde nicht eröffnet, andere Dinge waren wichtiger, doch Räumlichkeiten im Haus können für Familienfeste, Konferenzen oder Besprechungen angemietet werden. Und wer sich über Bauen mit Lehm informieren möchte, ist herzlich eingeladen, am 6. und 7. September, jeweils von 11 – 17 Uhr, die InfoTage „natürlich bauen“ zu besuchen.
37
INTERVIEW
Das ist vielleicht nicht Detroit Recht auf Stadt im Ruhrgebiet „Interventionen – Stadt für alle“ lautete der Titel einer ruhrgebietsweiten Konferenz, die im letzten September in Bochum stattfand. Die Konferenz gab den Anstoß für die Bildung eines offenen Netzwerks aus urbanen AktivistInnen und AkteurInnen aus sozialer Arbeit, Kunst, Kultur und Wissenschaft. Im Anschluss an die weltweite „Recht auf Stadt“-Bewegung fordert das Netzwerk heraus zur Diskussion über Engagement und Teilhabe in einer Nicht-Metropole. Ihr „Manifest“ trägt den provozierenden Titel „Von Detroit lernen“. Ein Interview. Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski
„Was also kann das Ruhrgebiet von Detroit lernen? Wer in den Trümmern sucht, findet dort zahlreiche Zonen unkommerzieller Urbanisierung: kulturelle oder künstlerische Initiativen, die sich in den Leerständen ausbreiten, und Urban Agriculture Projekte, die sich mit Gemeinwesenarbeit vermischen; eine soziale Selbstorganisierung, die ihr Recht auf Stadt im Sperrmüll von Detroit ganz praktisch in die Hand nimmt.“
38
bodo Die „Recht auf Stadt“-Bewegung von New York bis Hamburg
Wert setzen“. Wert erhält ein Raum aber erst durch seine Nutzung.
verbindet man in erster Linie mit dem Kampf gegen „Gentrifizie-
Tatsächlich ist es aber so, dass kleine, sich selbst organisierende
rung“, die Verdrängung alteingesessener Nachbarschaften in Innen-
soziale und kulturelle Projekte wie „Goldkante“ und „Alsenwohn-
stadtquartieren durch zahlungskräftige Latte-Macchiato-Trinker.
zimmer“ in Bochum oder „Nordpol“ und „Rekorder“ in Dortmund
Was hat das mit dem Ruhrgebiet zu tun?
ihre Räume irgendwann auf dem freien Immobilienmarkt finden.
Recht auf Stadt Ruhr Nichts. Gentrifizierung und die damit verbundenen überhitzten Wohnungsmärkte sind ökonomische Prozesse, die wir praktisch nicht kennen. Nur wenn so etwas künstlich implantiert wird wie beim Phoenix See, sieht man hier Ansätze davon. Im Ruhrgebiet hat man es mit Schrumpfungsprozessen zu tun, mit Armut, das ist etwas grundsätzlich anderes. Das „Recht auf Stadt“ ist jedoch, was die Forderungen angeht, in Berlin und im Ruhrgebiet dasselbe – nur, dass es anders ausbuchstabiert werden muss. Es geht auch hier um Teilhabe, Teilhabe am gesellschaftlichen, am urbanen Leben, und um eine Gegenposition zu einer Ideologie, die Stadtentwicklung nur noch in Kategorien von Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing denken kann. bodo Was heißt das konkret?
Gruppen, die mehr Platz benötigen und wenig Geld haben wie „UzDo“ in Dortmund, die Künstlerinitiative „Freiraum2010“, die Initiative „Bärendelle“ in Essen oder das Netzwerk „DU it yourself“ in Duisburg, beißen sich an der Ignoranz der Stadtverwaltungen die Zähne aus. Menschen, die bereit sind, Leerstände sozial in Wert zu setzen, werden blockiert, stattdessen verbrennt man Geld in der Blase Kreativwirtschaft oder in ruinösen Leuchtturmprojekten. bodo Warum ist das so? RaSR Das hat einerseits mit der Geschichte einer Region zu tun, die es kennt, dass Prozesse von oben gelenkt und dann von breiten Koalitionen bestätigt werden. Dazu kommt ein von Minderwertigkeitsgefühl und Repräsentationsdenken geprägter Kulturbegriff: Das Dortmunder U muss innen aussehen wie ein Großraumbüro,
RaSR Das Ruhrgebiet schrumpft, hier ist unendlich viel Platz.
das man mit Rigipswänden und Standardauslegeware zu einem
Allein in Duisburg gibt es etwa 12.000 leerstehende Wohnungen.
Unort macht. Das darf kein offenes Mauerwerk haben oder teilfer-
Trotzdem halten die Städte an dem Glauben fest, ungenutzte
tig bespielt werden. Kultur ist hier, wenn man gut durchwischen
Immobilien oder Flächen ließen sich früher oder später wieder „in
kann. Es gibt ein großes Misstrauen gegen die Fähigkeiten der
„Wir sind der Meinung, dass es das Ruhrgebiet nicht gibt. Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund und all die anderen Städte betreiben eine kannibalistische Kirchturmpolitik gegeneinander. Sie streiten um Fördermittel und darum, wo der nächste Leuchtturm aufgestellt werden soll“.
39
INTERVIEW
Leute, deshalb scheint es besser, Dinge vor-
Stattdessen zieht sich nördlich der A40 von
bodo Mit toten Industrien meint Ihr Kohle
zugeben. Kulturelle oder soziale Basisiniti-
Duisburg nach Dortmund ein Armutsgürtel
und Stahl?
ativen werden dann nicht als Bereicherung,
durchs Ruhrgebiet, der sich zunehmend
sondern als ordnungspolitisches Problem
verfestigt, eigene Armutsquartiere schafft,
wahrgenommen. Wer damit nicht klar-
und in dem „Minderleister“ und „Bürgerar-
kommt, zieht eben weg.
beiterInnen“ „beschäftigt“ in Armut verbleiben, die durch Tafeln und Sozialkaufhäuser
bodo Ihr schreibt: „Wer neben die Armuts-
„lebbar“ gemacht wird. „Recht auf Stadt“
quartiere Leuchttürme baut, auf dass ihr
bedeutet die Teilhabe aller an einem guten
Licht früher oder später auch die Armen
Leben. Stattdessen trennen sich die Lebens-
erreicht, ist nicht nur ignorant, sondern
sphären von arm und nicht arm immer wei-
zynisch.“
ter: Sichere Konsumzonen und Wohnviertel
RaSR Genauso wie der Fakt der Schrumpfung, des „Minus-Wachstums“ erst einmal
auf der einen, Platz für die Überflüssigen auf der anderen Seite der Bahnlinie.
RaSR Erst einmal, ja: Gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialdemokratie ist es der Montanindustrie gelungen, ihr Sterben durch Milliarden-Subventionen zu verlängern und zugleich andere Entwicklungsmöglichkeiten zu blockieren. Bis zur Stilllegung der letzten Zeche im Jahr 2018 fließen weiterhin jährlich rund 1,5 Mrd. Euro an den Zombie Ruhrkohle AG. Welche Alternativen hätten mit diesen gewaltigen Summen im Ruhrgebiet gefördert werden können? Aber der Traum der großen Industrien geht
zugegeben werden muss, bevor man
Perspektivisch bedeutet das, über ganz neue
ja weiter: Bochum sucht Opel-Nachfolger im
handeln kann, müssen Ursachen und
Formen der Einkommensverteilung nachzu-
produzierenden Gewerbe und alle spielen
Auswirkungen der Armut im Ruhrgebiet
denken – über die Entkoppelung von Arbeit
mit im Rattenrennen um Subventionen
erst einmal gesehen werden, auch wenn
und Einkommen. Konkret heißt das: Wenn
und Standortfaktoren. Für Nokia hatte man
einen andere „Metropolen“-Bewohner
öffentliche Gelder ins Ruhrgebiet fließen,
dem flüchtigen Kapital alle Wege geebnet.
dafür vielleicht schief anschauen. „Vollbe-
müssen sie für soziale Infrastruktur und
Gelsenkirchen wurde mit Geschenken für
schäftigung“ wird es hier nie wieder geben.
in diesem Sinne kommunale Gemeingüter
Unternehmen, Infrastruktur und Flächen
Die Malocher-Folklore kaschiert das nur
verwendet werden und nicht für monströse
zur Solarstadt ausgerufen – wie man das
schlecht.
Leuchtturmprojekte oder tote Industrien.
eben so macht. Diese ganze Industrie ist im
„Wir fordern die Anerkennung einer Produktion von urbanem Leben, das sich nicht dem Zwang der kommerziellen Verwertbarkeit unterwerfen muss, und das Freiräume benötigt, um sich entfalten zu können.“ „Wir trauern dem Verschwinden der für das Ruhrgebiet typischen Industriearbeit nicht nach. Wir wollen die Bilder von den heldenhaft verklärten Arbeitsmännern nicht mehr sehen. Wir stellen diese Identität stiftende Ruhrgebietsfolklore in Frage.“
40
ANZEIGEN
Weltmarkt untergegangen, das Kapital zieht weiter, aber die Menschen bleiben hier. In all dem steckt der alte „Fetisch Bigness“, der sich Veränderung nur als von einer großen Maschine angetrieben vorstellen kann, von mächtigen Industrien, von Kraftwerken, Shopping Malls, Fußballstadien und Massen-Events – unfähig, die Bedürfnisse
Wir sind in jedem Vorort
und Potenziale in den Ritzen des Ruhrge-
zu Hause
biets zu erkennen. bodo Ihr bezieht Euch im Hinblick auf diese
Verbindungen • zahlreiche NachtExpress-Netz • dichtes • zentrale Anschlussmöglichkeiten
Bedürfnisse und Potenziale auf Detroit, das Sinnbild der gescheiterten postindustriellen Stadt. RaSR Das Schauspiel Bochum hat mit seinem Detroit-Projekt versucht, diese Verbindung herzustellen und ist damit in großer
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Ratlosigkeit gescheitert. Wir machen die Unterschiede deutlich: Von der existentiellen Not im auseinan-
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dergebrochenen Gemeinwesen Detroit ist bitte stellen!
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das Ruhrgebiet weit entfernt. Trotzdem ist es ein Labor für solidarische Ökonomien. Eine Kultur des Teilens, die eben nicht „bürgerschaftliches Engagement“ ist, sen organisiert, wo sich der Sozialstaat zurückgezogen hat, sondern wo es um die Entwicklung tatsächlich anderer Modelle der Sorge und Teilhabe geht. Wie nennen das „Produktion des Gemeinsamen“. Auch das müssen Kommunen und Verwaltungen nicht beschließen – sie müssen es eben nur nicht verhindern.
16. September, 19.30 Uhr: Diskussion und Vorstellung im „Nordpol“, Münsterstraße 99, Dortmund. Weitere Termine u.a. in Bochum,
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REPORTAGE
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„Mama sagt, hier sind wir sicher“ Ein Blick hinter die Türen eines Frauenhauses Sie kommen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Seelisch und meist auch körperlich verletzt: Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen und Schutz suchen an einem Ort, der Sicherheit und Trost bietet sowie die Chance auf ein gewalt- und angstfreies Leben – das Frauenhaus. Von Antje Mosebach | Fotos: Brigitte Kraemer
„Mama sagt, hier sind wir sicher“ – mit diesem Kinospot wirbt die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser (LAG) gegen Gewalt an Frauen. Und für den Mut, innere Schwellen zu überwinden und den Schritt in eine andere Zukunft zu wagen. Für manche Frauen ist das Frauenhaus der erste Ort auf dem Weg dorthin. 68 Frauenhäuser unterschiedlichster Trägerschaften gibt es allein in NRW, aber damit immer noch unter dem Bedarf, sagt Beate Kaupen, Sozialpädagogin im Frauenhaus Herne. Besonders die Häuser in den Großstädten seien meist voll. Zudem scheuten viele Frauen den Gang dorthin, zu viele Vorurteile bestünden – und dass, obwohl es diese „Zuflucht für alle von Gewalt betroffenen Frauen“ schon seit Jahrzehnten gibt, allein das in Herne seit 1981, so Beate Kaupen, denn: „Ein männerfreier Raum an geheimem Ort ist besonders Männern suspekt.“
„Auf der Schwelle“ – Fotos gegen Vorurteile
ausstellung ist, zeigen Bilder in bewusstem Schwarzweiß Frauen in einer Zeit des Übergangs, in der sie entweder aus eigenem
Gerne ließen diese dann Geschichten
Die Wirklichkeit ist anders. Es sind Frauen, die
Antrieb oder mit Hilfe der Polizei den ersten
entstehen, von „eingesperrt“ bis „Gehirn-
Schlimmes erlebt haben. Denen die Frauen-
Schritt zur Trennung gemacht haben. In dem
wäsche“, Geschichten, die den Frauen das
häuser die Tür öffnen, um sie vor weiterem
sie die Möglichkeit haben, in angstfreiem
Frauenhaus nicht als Schutzburg, sondern
Unheil abzuschotten. Diese bislang weit-
Raum zu sich zu kommen, zu verarbeiten und,
als eine bedrohliche Unbekannte ausmalen.
gehend unbekannte Welt hinter den Toren
das ist ein großes Ziel, erklärt Beate Kaupen,
fasziniert die Herner Fotografin Brigitte
Selbstvertrauen zu bekommen, um in ein ge-
Auch das weibliche Umfeld betroffener
Kraemer schon seit den 80er Jahren. Einige
waltfreies, selbstbestimmtes Leben zu gehen.
Frauen kann Schuldgefühle provozieren,
Frauenhäuser öffneten ihre Pforten und
die ein Verlassen nicht rechtfertigen: „Na,
gestatten Einblicke in ihren Alltag – auch um
Was beide Frauen festgestellt haben, ist, dass
dann musst du die Prügel ja auch verdient
gegen die Vorurteile zu kämpfen. Brigitte
sich über die Jahre mehr jüngere Frauen und
haben“, komme da. Oder: „Dir geht’s doch
Kraemer konnte so über 30 Jahre ganz leise
besonders auch Frauen aus anderen Kultur-
gut. Andere Männer prügeln ihre Frauen,
hinter den Kulissen mit ihrer Kamera das Le-
kreisen trauen, der häuslichen Gewalt zu ent-
deiner geht doch nur fremd“ – da hat der
ben von Frauen und Kindern begleiten. Sie hat
fliehen und im Frauenhaus Schutz zu suchen,
Mann die sozialen Kontakte gekappt, die
Situationen und Stimmungen festgehalten
viele mit ihren Kindern. Die meisten, die es
Papiere einkassiert und den Kontozugang
und Frauen porträtiert, die „Auf der Schwelle“
hierhin geschafft haben, kehren auch nicht
gesperrt. Und sowieso: „Im Frauenhaus, da
ihres Lebens stehen. In ihrem gleichnamigen
ins alte Leben zurück. Aber das braucht Zeit.
sind ja nur schlimme Frauen“.
Fotoband, der auch Basis einer Wander-
Die bekommen die Frauen. Je nach Bedarf 43
REPORTAGE
können sie bis zu einem Jahr im Frauenhaus
Kaupen großen Halt gefunden: „Ich brauche
enhäuser, die aber von einem „politischen
bleiben. „Und es ist wichtig für sie, dass sie
sie: Vor den Kindern muss ich immer die Star-
Skandal“ beeinträchtigt wird, ist Beate
bleiben“, betont Beate Kaupen, denn „umso
ke sein, hier kann ich einfach mal weinen“. Die
Kaupen wütend: In vielen Fällen müssen
länger die Frauen im Frauenhaus bleiben,
Fürsorge, die simple Frage „Wie geht es dir“
die Frauen trotz ihrer akuten Notlage den
desto besser ist ihr Einstieg ins Leben“.
ist Neuland für Neyla: „Da interessiert sich
Aufenthalt selbst finanzieren, wenn sie
jemand für mich, ich werde ernst genommen,
nicht gerade ALG II-Empfängerin sind. Und
Denn zunächst sind die Frauen sehr erschöpft.
es ist wie eine Familie“, sagt Neyla sichtlich
die Preise in NRW variieren gewaltig. „Es
So wie Neyla (Name geändert), die mit ihren
bewegt. Was sie jetzt empfindet, nach ihrer
ist ein Unding, dass das nicht landesweit
drei Kindern nach ihrer Flucht von ihrem prü-
Flucht? „Erst war es Trauer. Dann bin ich ins
einheitlich geregelt ist“, schüttelt Beate
gelnden Ehemann erst einmal „mehrere Wo-
Bodenlose gefallen. Jetzt bin ich wütend!“
Kaupen fassungslos den Kopf. Während in
chen nur geschlafen“ hat, bevor sie an weitere
Wütend darüber, „dass ich mein Zuhause
Herne der Beitrag mit 7,30 Euro pro Tag und
Schritte denken konnte. Viele Jahre hat sie das
verloren habe, alles, was ich hatte“. Ein nicht
Person noch tragbar sei, würden in Müns-
Martyrium ertragen, „meine Leidensschwelle
unwesentlicher Faktor, den die Frauen, die die
ter schon 65 Euro veranschlagt: „Das kann
war zu hoch“, erklärt sie, trotz mehrfachen
erste Schwelle ins neue Leben überschritten
Frauen ganz schnell in die Schuldenfalle
Knochenbrüchen und blauen Augen, trotz
haben, verarbeiten müssen: ihre Entwurze-
führen. Oder schlimmstenfalls müssen wir
Kontaktverbot zu ihren Geschwistern. Immer
lung, aus Wohnung und Region. Hilfestellung
sie ablehnen!“, ist sie erbost. „Da werden
wieder habe sie auf Besserung gehofft, immer
gibt es im Frauenhaus, auch in der Nachsorge,
die Frauen noch zusätzlich bestraft!“
wieder seinen Versprechungen vertraut, jetzt
beschreibt Beate Kaupen den Einsatzrahmen. Das Ziel ist „einzelfallunabhängige Finan-
sei alles anders, dass es ihm leid tue, dass er sich geändert habe und vor allem - dass er sie so liebe. Geändert hat sich nichts.
„Hier kann ich einfach mal weinen“
zierung“: Jede, egal woher, soll kommen
Keine einheitliche Finanzierungsregelung
können. Ein politischer Kampf, den die LAG noch ausficht – für Frauen und ihre
Eine sehr verantwortungsvolle, intensive
Kinder, die auf der Schwelle zu einem
Aufgabe für die Mitarbeiterinnen der Frau-
gewaltfreien Leben stehen.
Warum sie nicht eher gegangen sei? „Es waren viele Faktoren“, erklärt die selbstbewusst wirkende junge Türkin. „Letztendlich aber war ich noch nicht soweit. Man vergisst sich selbst,
Fotoband „Auf der Schwelle“ – Leben im Frauenhaus
weiß gar nicht, was man mag. Der Fokus
Fotografien von Brigitte Kraemer
lag nur auf ihm. Immer mit dem Gedanken:
Klartext Verlag, 144 S., 19,95 Euro
‚Hauptsache, ihm geht es gut, dann geht es
ISBN 978-3-8375-1138-3
mir auch gut.‘“ Irgendwann war der Leidensdruck zu hoch, aber da war sie schon am Ende. Der Gedanke an ihre Kinder hat sie vom Selbstmord gerade noch zurückgehalten, über
Frauenhäuser: www.lag-autonomefrauenhaeusernrw.de Telefon 0231 – 971 03 00
die Polizei kam sie nach Herne, Hunderte Ki-
Wanderausstellung „Auf der Schwelle“:
lometer von ihrem Zuhause entfernt. Jetzt ist
Termine und Buchung über Email
sie knapp zwei Monate hier und hat in Beate
lag.frauenhaeuser-nrw@gmx.de
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LESERSEITE
Bilderrätsel: Für die kommende Ausgabe haben wir einen Pionier, Unternehmer und Stiftungsgründer in Münster besucht, der in „Holz und Rollen“ macht. Die Sportart, die er nach Deutschland brachte, ist die einzige, die eine völlig eigenständige Jugendkultur hervorgebracht hat. Wer ist´s?
LESERPOST Liebes bodo-Team!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Als ich gestern aus dem Supermarkt kam, stand unser
ich kaufe bodo gerne und finde die Ausgaben immer
örtlicher bodo-Verkäufer vor dem Laden und bot mir
gut bis sehr gut, auch das (relativ) neue Layout. Und ich
die neue Ausgabe an. Erst wollte ich sie nicht holen,
freu(t)e mich immer auf das meistens intelligente Kreuz-
weil meine Taschen schon so schwer waren und ich
worträtsel, vor dem die WAZ in Neid erblassen könnte…
dann nochmal umpacken müsste und, und.... Aber
Und was habe ich heute in der Hand? Die Ausgabe August
dann entdeckte ich Ralph Richter auf der Titelseite
2014 ohne… Warum? Liebe Grüße, A. Laczkovics, Bochum
und hab doch eine gekauft. Als ich bezahlen wollte, konnte ich mein Portemonnaie nicht finden. Rucksack? Jackentasche? Hosentasche? Einkaufstasche? Verflixt, ich hab`s doch grade noch gehabt, das kann doch gar nicht sein! Mir wurde heiß und kalt! Der Verkäufer beruhigte mich und meinte, ich hätte doch vor dem Verlassen des Ladens noch an der Brottheke gestanden. Also bat ich ihn, auf meine Taschen aufzupassen und
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Antwort der Redaktion: Lieber Herr Laczkovics, leider fiel das Rätsel im August der großen (Text-)Konkurrenz zum Opfer. Für unser Themenheft Sport hatten wir so viele schöne Geschichten, die nur in dieses Heft passten, deshalb mussten wir ausnahmsweise das Rätsel dem Rotstift opfern. In diesem Monat ist es wieder dabei. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter
rannte wieder rein. Die Brotverkäuferin hatte mein
Hallo zusammen,
Portemonnaie schon gefunden und in Sicherheit ge-
also erstmal muss ich ein dickes, längst überfälliges Lob
bracht. Gott sei Dank! Wenn der bodo-Verkäufer und
loswerden: bodo ist für mich eines der besten Straßen-
die Frau an der Brottheke nicht gewesen wären, wär ich
magazine, und wie immer ist auch die Juli-Ausgabe
zu Hause in Panik ausgebrochen! Danke an die beiden.
wieder sehr informativ! Also weiter so!
bodo kaufen bringt eben Glück! Kerstin Bomke
Beste Grüße aus Dortmund, Marcus Rohde
bodo dankt: Sparkasse Bochum Jutta und Wido Wagner, Christina Kolivopoulos, Gerhard Volpers, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Kathrin Bohr, Thorsten Baulmann, Hannelore Thimm-Rasch, Petra Karmainski, Volker Schaika, Dr. Rinnert Siemssen, Erika Maletz, Inge Schaub, Esther Hagemann, Oliver Stiller, Auslandsgesellschaft Intercultural, Eberhard Garburg, Britta Richter, Dr. Sabine Siebel, Lothar Lemke, Ute Soth-Dykgers, Annette Düe, Timo Zimmermann, Hildegard Reinitz, Dolf Mehring, Andreas Buergel, Silke Harborth, Petra Danielsen-Hardt, Sabine Raddatz, Peter Knittel, Olaf Jaekel, Hannelore Kuecker, Brigitte Rueggeberg, Teodora Plamenova Todorova, Klaus Joachim Würpel, Dagmar und Manfred Thumeyer, Horst Berndt, AS Antriebs-und Systemtechnik GmbH, Wolfgang Boehm, Karin und Wolfgang Becker, Barbara Dressel, Brigitte Teuber, Jürgen Eickmann, Christiane Lübke, Dr.med. vet. Karen Elisabeth Jacobsen, Urs Platz, Gabriele Weber, Barbara Resch, Frank Steinberg, Peter Jaschinski, Horst Dieter Espeloer, Barbara Lausträter und Michael Klasnik, Ernst Buchholtz, Renate Hilsmann, Wolfgang Becker, Ursula und Ferdinand Meuthen, Gerhard Rohkamm, Dagmar und Martin Bergmann, Martin Vesper, Siegmar Welski, Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga KoesterWais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Ursula Machatschek, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dieter Zawodniak, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda
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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.
Hagen gibt sich Mühe. Denn schon bald könnte es dort unbehaglich werden. Immer wieder verliert die Stadt am Südrand des Potts. Verliert an Einwohnern, das ohne erkennbare Flüchtlingsströme, verliert an Arbeitsplätzen wie einst die fünf neuen Länder, nur ohne Wende. Selbst der letzte Oberbürgermeister flüchtete aus der Stadt, noch ehe er abgewählt wurde. Aufmerksamkeit gilt es zu gewinnen. Nun erinnerte man sich in der Stadt an alte Zeiten, als Schallplatten noch schwarz waren und der Spiegel titelte: „Komm nach Hagen, werde Popstar!“ Nena wuselte damals da rum, und Extrabreit sang „Tag und Nacht wird sie bei dir sein – die Polizei.“ Das könnte die Rettung sein. Man begibt sich auf den Weg zur Polizeistadt. Als neulich auch dort heftig gegen Israel protestiert wurde, waren die Demonstranten nicht so gut organisiert. Gerne halfen Polizisten, oft als Cops beschimpft, weiter, liehen selbstlos ihr Amts-Megafon aus, damit die Antisemiten hörbar brüllen konnten: „Kindermörder Israel“ und anderes Unerträgliches. Da kann Dortmund neidisch werden. Dort kann es die Polizei niemandem recht machen. Erst mault man, sie schaue bei den Nazis gerne weg. Dann schaute sie hin, sah Gegendemonstranten und zeigte sie reihenweise an. Wieder waren alle übel gelaunt. Gerade wird diskutiert, ob Fußballclubs für Polizeieinsätze zahlen sollen. Zeitgleich wird ein israelischer Verein auf Besuch in Dortmund fast von Nazis vom Platz geprügelt. Zusammen genommen und konsequent müssten Juden dann bald dafür zahlen, dass die deutsche Polizei sie schützt. Hagen zeigt neue Wege auf. Mit dem Demoservice der Polizei. Der ließe sich zu einem Rundum-Sorglos-Paket ausbauen. Für Einsteiger gibt es das Megafon, für Fortgeschrittene Transparente, Parolen und Feindbilder. Bei Premiumprotesten guckt die Polizei auch noch gekonnt weg. Motto: „Komm nach Hagen, werde Cop-Star.“
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Werden auch Sie Mitglied in der AWO! Unterbezirk Dortmund
Unterbezirk Ruhr-Mitte
Unterbezirk Unna
Klosterstraße 8 -10 44135 Dortmund 0231- 99 340
Bleichstr. 8 44787 Bochum 0234 - 96 47 70
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