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bodo
Oktober 2016
GA DAS STRASSENMA
Z IN
MERLE WASMUTH | ÜBER PREISE THOMAS FELTES | ÜBER ÄNGSTE SCHLAKKS & CO | ÜBER HIP-HOP 1
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2
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bodo SC HA FFT CH AN CE
N
INHALT | EDITORIAL
04
Merle Wasmuth Ihre Kindheit verbrachte sie in Indonesien, ihre Theaterkarriere führte sie über Köln
und das Wiener Burgtheater nach Dortmund, wo Kay Voges mit seinem Schauspiel ebenso Preise und Auszeichnungen sammelt wie die 28-Jährige Schauspielerin. Von Michael Blatt
18
„Die sicherste aller Zeiten“ Der Bochumer Kriminologe Prof. Thomas Feltes forscht unter anderem
zur Kriminalitätswahrnehmung. Er sagt, die wachsende Kriminalitätsangst sei eine Verlagerung allgemeiner gesellschaftlicher Ängste in den Bereich der Kriminalität. Von Felix Huesmann
32
No Müll today! Kann man leben, ohne Müll zu produzieren? Vanessa Riechmann und
Erdmuthe Kriener schaffen das. Fast zumindest. Ihr monatlicher Abfall passt in ein Marmeladenglas. Wir wollten wissen, warum die beiden müllfrei leben wollen und wie das funktioniert. Von Simone Deckner
44
Ammar will bleiben Ammar Al Sabbagh hat in Bochum eine Wohnung gefunden, seine Tochter
geht zur Schule und er bemüht sich um einen Integrationskurs. Aber jetzt sollen sie wieder weg. Grund dafür ist die Wohnsitzauflage im neuen Integrationsgesetz. Von Maren Wenzel
07 Straßenleben | Wohnungsmarkt 07 Impressum 08 Neues von bodo 16 News
Liebe Leserinnen und Leser,
16 Kommentar | Hier twittert die Polizei 17 Recht | Strafbare Abkürzung?
über das Ruhrgebiet zu reden ist schwierig. Da ist einer-
17 Die Zahl | Das Foto
seits diese nostalgisch verklärte Heimatliebe, die aus Dreck
22 Kultur | Dieselknecht
und Maloche ein Idyll zimmert, das heute als gute alte Zeit
23 Wilde Kräuter | Weißdorn
erscheint. Und da ist die so direkte wie nörgelige Art seiner Be-
24 Veranstaltungskalender | Verlosungen
wohner, deren „Woanders is‘ auch scheiße“ meist gar nicht besonders ironisch
30 bodo geht aus | Gastrosafari
gemeint ist. Von außerhalb ist man andererseits eher mit Mitleid konfrontiert
36 Netzwelt | Steinwache App
oder mit einer distanzierten Höflichkeit, die auch dem verarmten Onkel mit
36 Kinotipp | Köpek
Vorstrafenregister auf Familienfeiern zuteil wird.
37 Bücher
Da ist es doch mal ganz schön, wenn ein Expertengremium mit dem sperrigen
38 Reportage | Hip Hop im Ruhrgebiet
Namen „Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltver-
42 Kultur | Westfälisches Landestheater
änderungen“ in dem ihm eigenen schwurbeligen Wissenschaftsdeutsch diese
43 Mein Verkaufsplatz | Egon
seltsame Nicht-Metropole einmal feiert. Dafür, dass sie keine Metropole ist.
46 Leserseite | Comic
Dass die „polyzentrische“ Struktur, das Zusammengewürfelte einer Region ohne
47 bodo Shop
Zentrum, dafür mit Dutzenden sprichwörtlichen Kirchtürmen und entsprechendem Denken ein Standortvorteil sei, ist eine irritierende Perspektive. Wir
bodo SCHA FFT CHAN CEN
kämpfen mit einer „grenzüberschreitenden“ Arbeit in Nachbarstädten, die wenig voneinander wissen oder wissen wollen. In globaler Perspektive vermeide das aber beinahe alle Probleme, die Metropolen so mit sich herumtragen, sagen die Forscher und sehen gar eine „postmontane Modellregion“ entstehen. Nun gut, dann fehlen ja nur noch Jobs, Wohnungen und Infrastruktur. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de 3
MENSCHEN
Merle Wasmuth
„Da habe ich Blut geleckt“
„Hier herrscht ein offener Diskurs. Man kann auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und auch mal streiten.“
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„Preise sind eigentlich unwichtig, aber gleichzeitig doch auch irgendwie eine Bestätigung, dass der Weg, den man geht, nicht ganz der falsche sein kann“, sagt Merle Wasmuth. Pflichtet man der Dortmunder Theaterschauspielerin bei, so hält sie sich selbst gerade verdammt gut in der Spur. Von Michael Blatt | Fotos: Daniel Sadrowski
Zum vereinbarten Gespräch im „Kleinen
Doch während sich am krisengeschüttelten
Gespenster“. Merle ist nach den ersten Ein-
Café“ in der Chemnitzer Straße kommt die
Burgtheater die großen Dramen zuletzt vor
drücken sofort begeistert: „Da habe ich Blut
28-Jährige mit dem Fahrrad. Zwar liegt der
allem abseits der Bühne abspielten, ist das
geleckt.“ Zu diesem Zeitpunkt hat sie der Burg
Treffpunkt ganz in der Nähe ihrer Wohnung
Dortmunder Haus unter der Leitung von Kay
bereits den Rücken gekehrt und überzeugt
und unweit des Dortmunder Schauspiels.
Voges bekanntermaßen zu einem der inno-
bei ihrem ersten Gastspiel am Südwall Kritik
Da aber dessen Bühne weiterhin renoviert
vativsten Spielstätten im deutschsprachigen
und Künstlerische Leitung gleichermaßen.
wird, heißt es für Ensemble und Publikum
Raum aufgestiegen.
auch zu Beginn der neuen Spielzeit, in das als
In der darauffolgenden Spielzeit holt Inten-
„Megastore“ benannte Ausweichquartier in
Es sind Hugo von Hofmannsthals Elektra und
dant Kay Voges das Schauspieltalent fest
Hörde zu pendeln.
Blanche aus Tennessee Williams‘ „Endstation
nach Dortmund. „Hier herrscht ein offener
Sehnsucht“, mit denen Merle Wasmuth 2007
Diskurs. Man kann auf Augenhöhe miteinan-
Auf dem Probenplan steht an diesem Vormit-
erfolgreich am Max-Reinhardt-Seminar in
der kommunizieren und auch mal streiten“,
tag: „Triumph der Freiheit #1“. Ed Hauswirth
Wien vorspricht und dort ihre Schauspielaus-
genießt das neue Ensemblemitglied von An-
inszeniert Joël Pommerats Referenz an die
bildung beginnt. Zwei Jahre später kommt
fang an die wohltuende Atmosphäre.
Französische Revolution als Gründungsmy-
sie als Elevin ans Burgtheater. Was auf dem
thos des heutigen Europas. „Ich möchte dazu
Papier nach einer Bilderbuchkarriere klingt,
Wasmuth spielt unter Lisbeth Coltof die
gar nicht so viel sagen, da wir noch mitten in
sorgt bei ihr schnell für große Ernüchterung:
Hermile in „Verbrennungen“ und die Vicky
der Entwicklung sind“, entschuldigt sich Mer-
„Die Burg ist ein sehr großer Apparat, in dem
in der vom Regie-Duo Peter Jordan / Leon-
le Wasmuth gut eineinhalb Wochen vor der
ich mich etwas verloren gefühlt habe. Ich
hard Koppelmann inszenierten „Der nackte
Premiere. Also sprechen wir lieber über ihre
weiß nicht, ob er für Anfänger unbedingt zu
Wahnsinn“. Die Partizipation an Kay Voges´
eigene Geschichte, die sie von Indonesien,
empfehlen ist.“
Meisterwerk „Das goldene Zeitalter“ gleich zu
wo Merle die ersten Lebensjahre verbrachte,
Beginn ihres Engagements ist für sie schlicht-
über Köln und Wien ans Dortmunder Schau-
Im Anschluss an eine Aufführung in Köln, wo
weg „abgefahren“. Dabei muss ein Stück für
spiel geführt hat.
sie bereits vor ihrem Studium am Schauspiel-
Merle gar nicht immer aufgedreht daher kom-
haus spielte, lernte die Mimin abends auf der
men. Im Gegenteil, wie sie am Beispiel von
Von Wien nach Dortmund: Das wäre in Ver-
Straße den Schauspieler und Regisseur Björn
Tracy Letts´ „Eine Familie“ deutlich macht.
gleich der Theaterhäuser vor wenigen Jahren
Gabriel kennen und der erste lose Draht nach
„Das Stück war mir persönlich sehr wichtig.
als satter Karriereknick interpretiert worden.
Dortmund ist gelegt. Im Sommer 2012 dann
Ein dreieinhalbstündiger Abend, an dem die
ein wegweisender Anruf. Kurzfristig sucht
Figuren entwickelt und eine Geschichte er-
die Regiewerkstatt „kainkollektiv“ eine Dar-
zählt werden.“
stellerin für ihre Inszenierung von „Lessings Dass Merle Wasmuth ihre Rollen grundsätzlich nicht hinter einer noch so pompösen und opulenten Inszenierung versteckt, sondern, wie sie selbst sagt, sich „keine Grenzen“ setzt und „komplett zur Verfügung stellt“, bleibt den hiesigen Theater-
Geboren in Manado, Indonesien
gästen nicht verborgen. Im Anschluss an
seit 2013 am Schauspiel Dortmund
die Spielzeit 2014/15 erhält sie für ihre über-
Jüngste Auszeichnung: „Förderpreis des
zeugenden Darbietungen den vom „Verein
Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler“
der Freunde des Dortmunder Schauspiels“
Zuletzt im TV: Dortmund-Tatort „Schwerelos“
verliehenen Publikumspreis.
5
MENSCHEN
„Als die Mail des Landes NRW über den Förderpreis kam, dachte ich erst, das sei Spam und habe da erstmal angerufen.“
In diesem Sommer befindet sich die Schauspielerin gerade im ausgedehnten Urlaub. Da erreicht sie eine eMail des Landes NRW, dass sie mit dem mit 7.500 Euro dotierten Förderpreis für junge Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet werde. „Ich dachte erst, das sei Spam und habe da erstmal angerufen“, lacht die Preisträgerin. Bis heute weiß sie nicht, wer sie im Vorfeld für die Auszeichnung vorgeschlagen hat. Die offizielle Verleihung mitsamt Laudatio folgt Mitte November in Münster. Bis dahin wird Merle Wasmuth neben „Triumph der Freiheit #1“ in Dortmund noch in einer weiteren Premiere zu sehen sein, wenn Max Lindemann am 21. Oktober mit „Das Interview“ sein Regiedebüt feiert. „Ich freue mich unglaublich auf die Zusammenarbeit mit Max“, schwärmt Merle. „Er ist meine Generation. Wir sind gerade diejenigen, die nachrücken.“ Für die Schauspielerin ist das Dortmunder Ensemble mittlerweile wie eine Familie, die sich nicht nur eine Bühne teilt oder in der Stammkneipe im Kreuzviertel trifft, sondern auch mal mit Intendant Voges im Kleinen Café zur Stückkritik einkehrt. Bevor sie hier an unserem Tisch vor dem Ladenfenster nach zwei Apfelschorlen und eineinhalb Stunden intensivem Gespräch ihre letzte selbstgedrehte Zigarette ausdrückt, verrät Merle Wasmuth noch, wo sie in Dortmund neben ihrer Wohnung und dem Westpark am besten abschalten oder Text lernen kann. „Der Hauptfriedhof ist wie ein Park. Ich gehe auch gerne auf den Ostfriedhof. Da herrscht so eine konzentrierte, ruhige Art.“
Merle Wasmuth im Oktober am Theater Dortmund: 7. und 27.10.: Triumph der Freiheit #1 13.10.: Die Borderline Prozession 21. und 22.10.: Das Interview 6
STRASSENLEBEN
IMPRESSUM
Keine Entspannung Das Ruhrgebiet liegt im Trend. In den Großstädten zwischen Hamm und Duisburg steigen die Mieten, günstige Wohnungen sind knapp. Das geschieht in allen Ballungsräumen, hier kommt der Faktor anhaltend hoher Armut hinzu. Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Robert Agthe CC BY 2.0
Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Michael Blatt, René Boyke, Simone Deckner, Alexandra Gehrhardt, Peter Hesse, Felix Huesmann, Wolfgang Kienast, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sefa, Sebastian Sellhorst, Didi Stahlschmidt, Maren Wenzel Titelfoto: Daniel Sadrowski Fotos: Robert Agthe (7), Bianka Boyke (17), Martin Bross (24, 29), Mauricio Bustamante (3, 32, 33, 34, 35), Dieselknecht (22), Thorsten Greve (8), Felix Huesmann (3, 19, 38), Chinen Keiya (17), Mette Kramer Kristensen (17), Jason Kruege (24, 28), Sandra Kunze (24, 26), Lutz Leitmann/ Stadt Bochum (29), Daniel Sadrowski (3, 4, 5, 6, 12, 13, 14, 15, 18, 19, 30, 39, 40), Rainer Schlautmann (25), Sebastian Sellhorst (3, 9, 10, 11, 16, 43, 44), Claudia Siekarski (11), Thaisen Stärke (42), Dustin Thiel (8, 46), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (23), Mena Urbitsch (8), Frank Vincentz (16) Cartoon: Volker Dornemann Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung)
Sechs Euro betrug die durchschnittliche Kalt-
sind, steigt konstant, jedoch verschwinden
miete pro Quadratmeter laut dem aktuellen
jedes Jahr mehrere tausend Wohnungen, die
Wohnungsmarktbericht in Dortmund, eben-
Sozialämter und Jobcenter als angemessen
so viel zahlen Mietende in Bochum, wenn sie
anerkennen, allein in Dortmund waren es im
umziehen möchten, etwas weniger in Duis-
vergangenen Jahr 1.600.
burg. In Dortmund zahlt eine Person für ein 40-Quadratmeter-Appartment 20 Euro mehr
Die Entwicklung bekommen nicht mehr nur
im Monat als noch vor zwei Jahren – für man-
Arbeitslose, Alte, Alleinerziehende, Woh-
che Menschen kaum erschwinglich.
nungslose zu spüren, sondern auch Normalverdienende: Nun wird „auch die Lage
In NRW fehlt Wohnraum, vor allem güns-
im mittleren Preissegment als angespannt“
tiger. 120.000 Wohnungen werden in den
bezeichnet, heißt es im Dortmunder Woh-
kommenden Jahren im Land benötigt, auch
nungsmarktbericht. In Bochum stehen bis
im Ruhrgebiet, das entgegen jahrelanger
zu 8.000 Wohnungen leer, sie wieder nutz-
Schrumpfung vielerorts wieder wächst. Im
bar zu machen, ist für die Stadt nur schwer
Vergleich ist das Wohnen hierzulande er-
möglich. Entspannung ist gefragt, Bauen
schwinglich: In Münster, Düsseldorf oder
scheint allgemeine Devise. Doch auch das
dem NRW-Spitzenreiter Köln werden zwi-
dauert Jahre. So lange warten Tausende wei-
schen neun und zehn Euro Kaltmiete pro
ter. Denen hilft es wenig, zu wissen, dass es
Quadratmeter verlangt. In einer Region, die
woanders noch schlimmer ist.
überdurchschnittlich von Armut betroffen ist, wirkt diese Entwicklung jedoch umso stärker. Das Ruhrgebiet ist „Problemregion Nr. 1“ (Armutsbericht des Paritätischen), hier ist, mit Ausnahme von Aachen, die Armutsgefährdung so hoch wie nirgendwo in NRW (Statistisches Landesamt). Die Zahl derer, die auf Transferleistungen angewiesen
Redaktions- und Anzeigenschluss: für die November-Ausgabe 10.10. 2016 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 01.2015 Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0 www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00 BIC: BFSWDE33XXX
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NEUES VON BODO
Vom „Spiel auf Zeit“
An jedem „2. Freitag“
Zsuzsa Bánk bei bodo
Seit Jahren erzählen die Journalistinnen
Seit drei Jahren heißt es an jedem zweiten
Mit dem Les.Art-Festival und den Chamis-
Nina Schulz und Elisabeth Mena Urbitsch
Freitag: Kultur bei bodo am Schwanenwall.
so-Tagen an der Ruhr steht der November
die Geschichten von NS-Verfolgten und
Konzerte von Folk bis Hip-Hop, Lesungen, Ka-
in Dortmund ganz im Zeichen der Literatur.
ihren Kämpfen um Anerkennung und Ent-
barett, Theater – immer mit völlig kostenlos
Im Rahmen des Doppel-Festivals freuen
schädigung. Die Mehrheit hat eine solche
auftretenden Künstlern, bei freiem Eintritt,
wir uns auf eine Lesung der vielfach aus-
bis heute nicht erhalten. Mehr als 70 Jahre
mit einer Spendenbox für unsere Beratungs-
gezeichneten Autorin Zsuzsa Bánk am 10.
nach Kriegsende sind diese ihre Bemühun-
angebote. Das sind die nächsten Termine:
November in unserem Buchladen.
gen ein „Spiel auf Zeit“.
Am 14.10. machen die Herren von Diesel-
Das Les.Art-Festival holt unter der Über-
Die Reportage „Spiel auf Zeit“, die 2010
knecht auf ihrer Deutschlandtour einen Bo-
schon in bodo erschien, wurde 2010 mit dem Alternativen Medienpreis ausgezeichnet. Nun sind ihre Arbeiten in einem Buch er-
xenstopp bei bodo. Zum Teil halsbrecherisch schneller Bluesgrass mit deutschen Texten, gleichermaßen unplugged und unter Strom.
schrift „Heimat“ vom 2. bis 11. November Autorinnen und Autoren aus allen literarischen Feldern nach Dortmund. Eingebettet in das Festival sind die Chamisso-Tage an der
schienen, in dem sie berührende Porträts von
Lesen Sie mehr auf Seite 22.
außergewöhnlichen Menschen zeichnen und
Am 11.11. besucht uns Ursula Maria Wart-
das brüchige Bild dekonstruieren, die Bun-
mann, deren düsteren Heimatroman „Pensi-
desrepublik habe sich ihrer Verantwortung
on Vera“ wir im vergangenen Jahr vorstell-
um „Wiedergutmachung“ gestellt. In einer
ten mit der Warnung: „Achtung, Wolf im
einem Kulturwechsel geprägt ist.
Veranstaltung von bodo e.V., der Mahn- und
Schafspelz“. Ein knallharter Psychothriller
Gedenkstätte Steinwache, des Planerladen
am Schauplatz Dortmund.
Auch Zsuzsa Bánk, deren Eltern 1956 aus
e.V., migrantenpop und der Kulturbetriebe
Besinnlich ist vielleicht das falsche Wort,
nen. Mit Romanen wie „Der Schwimmer“
aber sphärisch schön wird es am 9.12. Und
oder „Die hellen Tage“ oder dem Erzählband
international: Skjella (Foto) arrangieren
„Heißester Sommer“ gelangen ihr Publi-
alte Gesänge aus Südfrankreich, Nigeria,
kums- wie Kritikererfolge gleichermaßen.
der Stadt erzählen Nina Schulz und Mena Urbitsch einige dieser Geschichten. 7.10., 19 Uhr, „Spiel auf Zeit“ Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Chile, Norwegen oder Georgien.
Steinstraße 50, Dortmund.
Alle Veranstaltungen beginnen um 19.30 Uhr.
Ruhr, zu denen die Preisträger des Adelbertvon-Chamisso-Preises in Dortmund lesen. Mit ihm werden auf Deutsch schreibende Autoren ausgezeichnet, deren Werk von
Ungarn flohen, gehört zu den PreisträgerIn-
Am 10. November um 19 Uhr liest Zsuzsa Bánk bei bodo. Der Eintritt ist frei.
Djelem Djelem, die Dritte Das erste Mal ist ein Versuch, das zweite ein
kussionsveranstaltungen, Workshops und
Statement, ab dem dritten Mal ist es eine Tra-
Fortbildungen sowie eine Fotoausstellung
dition. So und so ähnlich war es gleich mehr-
stellten sich gleichermaßen den sozialen
fach in Reden und Moderationen beim drit-
und den politischen Konflikten um jahrhun-
ten Roma-Kulturfestival „Djelem Djelem“ in
dertealte Diskriminierung, „Armutsmigra-
Dortmund zu hören, und in der Tat: Das Fes-
tion“ und die Abschiebung in vermeintliche
tival ist angekommen und behauptet einen
„sichere Drittstaaten“.
festen Platz im Kulturkalender der Stadt.
8
Mit einem Veranstaltungszentrum im Dort-
Eine Vielzahl von Veranstaltungen versuch-
munder Depot und vielen weiteren Orten,
te im September, den Reichtum der Roma-
vom Keuninghaus über die Auslandsgesell-
Kulturen in Deutschland zwischen Literatur,
schaft NRW bis zum Familienfest auf dem
Musik, Theater und Tanz abzubilden. Dis-
Nordmarkt, nimmt sich das Festival im
www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Soziale Stadtführung Wir freuen uns, dass zunehmend auch Institutionen, Einrichtungen und Firmen unsere soziale Stadtführung buchen, um MitarbeiterInnen einen anderen Blick auf ihre Städte zu eröffnen.
In neuen Räumen
Seit September sind unsere Stadtführungen nun ein Qualifizierungsangebot für Schul-
Da sind wir endlich, in unseren neuen Räu-
Besprechungen stattfinden, einfach zu klein
men. Wenn Sie die Oktober-bodo in den Hän-
geworden. Gleichzeitig gibt es Menschen, de-
den halten, haben wir unsere neue Anlauf-
nen es schwerfällt, erst die Treppe zur ersten
stelle in der Schwanenstraße gerade frisch
Etage nehmen zu müssen, um sich mit ihrem
eröffnet. Unsere monatliche VerkäuferInnen-
Anliegen vorzustellen.
versammlung zur neuen Ausgabe haben wir hier schon abgehalten, in den nächsten Tagen werden wir noch Möbel geraderücken und den Laden fertig einrichten.
damit leicht zugänglich: In einem ehemaligen Ladenlokal in der Schwanenstraße haben wir drei helle Räume gefunden, die genug Platz bieten für alles, was wir für unsere Verkäufe-
Menschen, die bei uns Hilfe suchen, ermög-
rInnen leisten möchten: Verkäufercafés und
lichen, möglichst niedrigschwellig zu uns zu
Beratung, die Ausgabe der Magazine, es gibt
kommen. Das hat in unserer Geschäftsstelle
ausreichend Platz für Kleiderspenden und um
am Schwanenwall lange funktioniert. Mitt-
bei einem Kaffee ins Gespräch zu kommen.
sowohl unsere Verkäufercafés und Beratungen als auch Schulklassenbesuche und Gruppenführungen, Redaktionssitzungen und
führungen mit einer Einstiegs- und einer Reflexionsrunde – und einem Mittagessen in der Suppenküche Kana – ergeben eine spannende Ganztagsfortbildung. Die Resonanz auf die Premiere war überaus positiv, und wir
Unsere neuen Räume sind fast ebenerdig und
Wir möchten unseren VerkäuferInnen und
lerweile ist unser großer Büroraum, in dem
sozialarbeiterInnen. Zwei verschiedene Stadt-
Auch durch Ihre Spenden ist das möglich geworden – dafür danken wir Ihnen!
freuen uns auf die Zusammenarbeit. Wer selbst Bochum oder Dortmund „von unten“ kennenlernen will, kann das an jedem zweiten Samstag im Monat in Dortmund und an jedem dritten Samstag in Bochum. bodo-Verkäufer, die wohnungslos sind oder waren, zeigen ihre Stadt aus ihrer Sicht und stellen Initiativen und Einrichtungen vor, bei denen Betroffene Unterstützung finden. Beginn ist um 11 Uhr, die Touren dauern rund zweieinhalb Stunden, Kostenbeitrag 5 Euro. Anmeldung unter 0231 – 950 978 0
Sefa, bodo-Verkäufer in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, auch wie meine Kolleginnen und Kollegen wahrsten Sinne Raum. Die wehende Romaflagge auf Adolf Winkelmanns fliegenden Bildern am Dortmunder U verdeutlicht vielleicht am besten die Wertschätzung, die Dortmund einem mit Ressentiments bela-
möchte ich zu allererst die Gelegenheit nutzen und mich für Ihre Treue bedanken. Viele von Ihnen treffe ich jeden Monat aufs Neue, und das schon, seit ich bei bodo bin. Die letzten Tage waren ziemlich aufregend. Bereits zum vierten Mal habe ich die Möglichkeit, an einer Theaterproduktion mitzuwirken. In der Facebook-Gruppe,
denen und oft an den Rand gedrängten
in der ich zusammen mit vielen anderen Leuten bin, die vor vier Jahren an dem Theaterprojekt
Thema entgegenbringt.
„Crashtest Nordstadt“ mitgearbeitet haben, wurden vor einigen Wochen Darsteller gesucht.
Und das Dortmunder Beispiel macht Schule. Für das nächste Jahr haben bereits die
Ehrensache, dass ich auch wieder dabei bin. Diesmal werde ich wohl so eine Art Türsteher spielen. Aber alles Weitere erfahre ich erst am Tag der Aufführung.
Städte Hagen, Gelsenkirchen und Duis-
Aktuell bin ich dabei, neben dem bodo-Verkauf etwas Neues auszuprobieren. In der Firma
burg ihre Beteiligung an „Djelem Djelem“
meines Neffen habe ich die Möglichkeit, im Verkauf mitzuarbeiten. Ich bin optimistisch,
angekündigt.
schließlich habe ich damit ja bereits einiges an Erfahrung. Bis bald, Ihr Sefa 9
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NEUES VON BODO
Hilfe zur Selbsthilfe Der Anruf beim Sozialamt, der neue Antrag beim Jobcenter oder ein Konflikt mit einem anderen Verkäufer, der geschlichtet werden muss – hinter bodo steckt nicht nur das Straßenmagazin, das Sie jeden Monat bei einer von etwa 130 VerkäuferInnen in Bochum, Dortmund, Herne oder Unna kaufen können, sondern ein Verein, BoDo.Verbrechen.Sept.2016.indd 4
15.09.16 12:14
der die Menschen auf vielfältige Art und Weise unterstützt. Wer das Straßenmagazin verkauft, verdient damit nicht nur eigenes Geld, sondern kann sich auch mit Fragen und Anliegen an bodo wenden: Manche suchen Unterstützung
Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an: n n n n n n n
beim Papierkram mit Behörden, andere nur einen Gesprächspartner. Mit unseren
Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung
Angeboten versuchen wir, unseren VerkäuferInnen direkt behilflich zu sein oder sie an Experten zu vermitteln, wenn wir diese Expertise nicht haben. Selbstvertrauen zu fassen und mit eigener
Kontakt über
Kraft aus einer schwierigen Lebenslage
Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Friedensplatz 7 | 44135 Dortmund | Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org
herauszukommen, darauf arbeiten wir mit den Menschen bei uns hin. Wir freuen uns, ab sofort dafür auch in Dortmund – in unserer neuen Anlaufstelle in der Schwanenstraße – genug Platz und Privatsphäre
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von 9 bis 16 Uhr unter dieser
zentralen Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de
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REPORTAGE
Was steinalte Steine erzählen
12
Der Geologische Garten in Bochum Warum gibt es das Ruhrgebiet? Wieso leben hier über 5 Millionen Menschen, mehr als in Deutschlands größter Stadt Berlin?
Und vor allem, was hat all das mit Geologie zu tun? Diese Fragen
stellt – und beantwortet – der Nationale GeoPark Ruhrgebiet. Eine Station das Parks ist der Geologische Garten in Bochum. Das überschaubare Areal liegt unweit der Querenburger Straße, eine etwa
1,6 Hektar große, grasbewachsene Vertiefung hinterm Sportplatz des Schulzentrums im Stadtteil Wiemelhausen. Zwei Zugänge
führen hinunter zum Grund der Senke, wo auf gepflegter Wiese ein Dutzend exotisch anmutender Bäume wächst. In ihrer Nähe
liegen einige große, rundliche Steine. Teils senkrecht abfallende
Böschungen, oft felsiges Gestein, begrenzen das aufgeräumt wirkende Terrain. Wer sich Zeit nimmt, kann hier auf knapp zwanzig Erklärungstafeln lesen, was genau er vor sich sieht. Wir haben es noch einfacher und können den Experten fragen.
„Also, wenn ich ehrlich bin, meine ungeschulten, laienhaften Augen sehen nicht mehr als einen felsigen Abhang aus ockerfarbe-
nem Gestein, wie man es überall sonst auch entdecken kann. Aber wir befinden uns auf einem geologischen Lehrpfad, da wird es
sich vermutlich doch um etwas Ungewöhnliches oder Bedeuten-
des handeln, nicht wahr?“ Wir stehen an Station 12 des Rundgangs vor einer Tafel mit der Überschrift „Diskordanz Karbon/Kreide“. „Schauen Sie genau hin!“
„Gut. Unten sieht der Fels kompakter und fester aus als oben. Die obere Schicht ist dünner. Man kann waagerechte Linien
erkennen, während die dickere untere Schicht aus schräggestellten Platten zusammengesetzt scheint.“ „Und was könnte das bedeuten?“
Zum Ruhrgebiet sagt heute kaum noch jemand Kohlenpott. Das bestimmende neuzeitliche Kapitel der Region zwischen Lippe und Ruhr ist Geschichte. Vermittelt wird sie vornehmlich in Museen und industriellen Denkmälern wie Zeche Zollverein in Essen oder dem Bochumer Bergbaumuseum. Ebenfalls in Bochum findet man diesbezüglich eine kleine Perle. „Unser Geologischer Garten ist ein Freilichtmuseum im Miniformat“, sagt der Paläontologe Prof. Dr. Jörg Mutterlose, der bodo auf eine Exkursion durch das Naturdenkmal geführt hat. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
„Da muss irgendetwas passiert sein.“ „Sehr gut. Das ist es auch.“
Dann beginnt eine Reise, die uns mehr als 300 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit führt. Im Boden des gesamten
Ruhrgebiets ist Ton- und Sandstein zu finden, Sedimentgesteine
infolge natürlicher Ablagerungen. Da große geologische Umwälzungen wie Vulkanausbrüche während der fraglichen Epoche ausgeblieben sind, darf man davon ausgehen, dass das, was
unten liegt, älter ist. Wie alt, lässt sich beispielsweise anhand von Einschlüssen und der chemischen Zusammensetzung be-
stimmen. Die untere sichtbare Schicht vor uns stammt demnach aus der Ober-Karbonzeit (vor 320 – 296 Mio. Jahren). Bochum
hätte damals inmitten eines flachen, weit verzweigten Flussgebiets gelegen, vergleichbar dem heutigen Amazonasdelta.
Das dazumal warme Klima ließ eine üppige Vegetation schnell
wachsender Farnsamer an verlandenden Seitenarmen gedeihen. Abgestorbene Pflanzenteile wurden nach und nach überlagert
„Schauen Sie genau hin!“ Prof. Dr. Jörg Mutterlose (links) führt bodo-Autor Wolfgang Kienast durch den Geologischen Garten. Der kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.
und im Laufe von Jahrmillionen unter großem Druck von Torf über Braun- zu Steinkohle gepresst.
Die waagerecht liegenden Sedimente sind wesentlich jüngeren Datums. Sie entstammen der frühen Ober-Kreidezeit (99 – 93,5
13
REPORTAGE
Mio. Jahre), in welcher Bochum Küstenstadt eines urzeitlichen
gab es später lohnendere Schächte, denn im 20. Jahrhundert führte
eine zeitliche Lücke von etwa 200 Millionen Jahren, eine Spanne,
vor Ort abgebaut werden. Ein Steinbruch. Als der Betrieb im Jahr
Meeres gewesen wäre. Zwischen den Schichten klafft folglich
fünfzig mal so lang wie die gerade einmal vier Millionen Jahre
dauernde Menschheitsgeschichte auf diesem Planeten. Während dieser Phase wurden nicht nur eventuell gebildete Ablagerun-
gen anschließend wieder abgetragen, sondern auch die Gesteine des Karbon infolge von Verschiebungen der Erdkruste aus der Horizontalen gebracht.
Eine Grenzfläche zwischen verschieden alten Sedimentgestei-
nen, die im Winkel aufeinanderstoßen, wird in der Fachwelt Diskordanz genannt. „Es gibt in ganz Nordrhein-Westfalen nur vier
geologische Aufschlüsse, in denen die Karbon/Kreide-Diskordanz offensichtlich wird“, sagt Herr Mutterlose. „Und einen schauen wir uns gerade an.“
Bei unserer Exkursion haben wir den nördlichen Zugang zum Geologischen Garten gewählt und spazieren dem Uhrzeigersinn ent-
gegen. Eingang und Laufrichtung spielen bei der Erkundung keine Rolle. An Station 16 passieren wir den „Steinkohlenwald“, sechs Abgüsse fossiler Stämme baumartiger Pflanzen aus dem Ober-
Karbon. Pflanzen, die zu Kohle wurden. Die Originale sind Fundstücke aus diversen Ruhrgebietszechen. „Mit den Bäumen, die
Sie auf dem Gelände sehen, hat das allerdings nicht viel zu tun“,
erklärt uns Herr Mutterlose. „Ginkgo und Urweltmammutbaum gelten zwar als lebende Fossilien, sind aber um einige Millionen
Jahre jünger als die Nacktsamer des Karbon. Nichtsdestoweniger denke ich, dass es eine nette Idee war, sie hier anzupflanzen.“
Vorbei am südlichen Zugang nähern wir uns Station 2. Halbhoch
in der Steilwand entdecken wir zwei dunkel gefärbte Stellen. Das
ist jetzt tatsächlich echte Kohle, der Stoff, der die Region zwischen
Duisburg und Hamm einen Wimpernschlag Menschheitsgeschichte lang so nachhaltig prägte. Laut Informationstafel stehen wir
am „Kohleflöz Wasserfall“, oder besser, an einem sehr, sehr kleinen Teil davon. Flöze stehen bergmannsprachlich generell für rohstoffführende Schichten. Manche sind Zentimeter dick, manche haben die Mächtigkeit mehrerer Meter. Von den zahlreichen größtenteils abgebauten Kohleflözen im Ruhrgebiet sind im Bochumer
Geologischen Garten neben „Wasserfall“ auch „Dickebank“ und „Dünnebank“ angeschnitten.
Im Ruhrtal bei Witten lag einst karbonzeitliche Kohle offen an der
Oberfläche. In Wiemelhausen musste man bereits graben, um das
begehrte Naturprodukt fördern zu können. Aus diesem Grund wurde am Standort des heutigen Geologischen Gartens gegen Mitte
des 18. Jahrhunderts die Zeche Friederika gegründet. Offensichtlich
Der Geologische Garten Bochum ist frei zugänglich über den Schulhof des Schulzentrums an der Querenburger Straße und über den Grünzug an der Kleingartenanlage Friederika. Die Stadt Bochum stellt einen sehr informativen 44-seitigen Exkursionsführer als PDF im Internet zur Verfügung. Weitere Fragen beantwortet das städtische Umweltamt. 14
die Firma an gleicher Stätte eine Ziegelei. Der benötigte Ton konnte 1959 schließlich ganz aufgegeben wurde, blieb einzig die resultierende Grube im Gelände übrig. Von industriellen Gebäuden sind hier keine Zeugnisse mehr vorhanden.
Es war Carl Hahne, Professor und Mitglied der „Geologischen
Gesellschaft Bochum“, der das Potenzial der Grube als erdge-
schichtliches Anschauungsstück erkannte. Auf seine Initiative
hin wurde das Areal 1962 unter Naturschutz gestellt, 1971 zum Geologischen Garten ausgebaut und 1974 als Naturdenkmal
ausgewiesen. Vor einigen Jahren, das Aufstellen neuer Informationstafeln inklusive, kam es zu einer Runderneuerung.
Wir haben mittlerweile Station 4 erreicht. „Siltstein mit Rippel-
Prozesse sichtbar sind, und wir reden gleichzeitig über Zeiträu-
steins. Interessanter finden wir „Rippelmarken“, unzählige feine
geht das runter?“
marken“. Silt bezeichnet die Korngröße eines AblagerungsgeLinien im Gestein, die einst in den flachen Gewässern durch
Wellengang oder eine gleichmäßige Strömung entstanden sind,
me von Jahrmillionen? Wie dick ist dann diese Schicht? Wie tief „Ziemlich weit. Etwa drei bis vier Kilometer.“
wie uns Herr Mutterlose erklärt.
Angemessen beeindruckt lassen wir zum Schluss unseren Blick
Gewässergrund?“
linge, Mitbringsel diverser Eiszeiten, vor nicht mehr als 800.000
„Dann ist jede einzelne Linie so etwas wie ein versteinerter „Das könnte man so sagen. Und weil sich allein durch den Jahreszeitenwechsel die Bedingungen der Ablagerungen ändern, entstehen bestimmte Muster.“
„So wie Jahresringe bei Bäumen?“
über die Wiese schweifen, zu den großen, runden Steinen. FindJahren in diese Gegend transportiert. Ursprünglich aus Skandi-
navien stammend, haben sie ein lange Reise hinter sich. Aber das sind wieder andere Geschichten.
„Im Prinzip könnte man das vergleichen.“
„Moment. Wir stehen hier an einem Ort, wo derart kurzfristige
15
NEWS
DER KOMMENTAR
Organisationen für Bleiberecht 21 Organisationen haben ein Bleiberecht für in Bochum wohnende Geflüchtete gefordert – und damit die Aussetzung der Wohnsitzauflage. Diese verpflichtet Menschen mit positivem Bescheid, „für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung […] in dem Land [seinen] gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens […] zugewiesen worden ist.“ 21 Bochumer Initiativen und Parteien sehen darin „eine unzumutbare Härte“ und forderten Oberbürgermeister Thomas Eiskirch in einem offenen Brief auf, „die integrationsfeindlichen und existenzbedrohenden Maßnahmen zu unterlassen“ und sich für eine offene Willkommenskultur einzusetzen. Mittlerweile hat die Stadt die Auflage für Menschen, die vor Inkrafttreten am 6. August nach Bochum gezogen
Hier twittert die Polizei Von Bastian Pütter | Foto: Chinen Keiya CC BY 2.0
sind, vorerst ausgesetzt. Was das neue Gesetzpaket für Betroffene bedeutet, erfahren Sie in unserer Reportage auf Seite 42.
Mit den sozialen Medien sind wir in eine Phase des schriftlichen, öffentlichen Sprechens eingetreten. Eine neu zu erlernende Kulturtechnik, an der
„Es reicht“ – Demo gegen rechte Gewalt
nicht nur Teenager scheitern. Während früher schon das Dahergesagte einiges anrichten konnte, war es wenigstens flüchtig und der Zuhörerkreis begrenzt. Und bevor man es verschriftlichte, gab es die Gelegenheit, kurz
Lange Zeit hatten die Dortmunder Neo-
nachzudenken. Heute produzieren wir in Stein Gemeißeltes in Echtzeit.
nazis um die Partei „Die Rechte“ und den
Das überfordert alle, und bei Behörden fühlt es sich besonders unange-
verbotenen „Nationalen Widerstand“ sich vor allem auf Hetze gegen
nehm an, weil wir ganz anderes von ihnen erwarten.
MigrantInnen und Geflüchtete konzentriert, seit einigen Wochen häufen sich Angriffe auf Linke wieder. Im August wurden mehrmals
Bis vor Kurzem schrieben Polizeipressestellen Meldungen am Folgetag.
Menschen von Neonazis angegriffen, außerdem ein 17-Jähriger von
Inzwischen wissen auch sie, wie mächtig ein Instrument wie der Echtzeit-
Unbekannten attackiert und mit einem Messer verletzt. Am 24. Sep-
Kurznachrichtendienst Twitter ist. Eine theoretisch fast unbegrenzte
tember demonstrierte ein Bündnis aus 40 Gruppen und Initiativen
Reichweite mit gleichzeitig gefühlter Duz-Nähe zum einzelnen Bürger,
unter dem Motto „Es reicht“ gegen rechte Gewalt. 2.000 Menschen
dialogtauglich. Weil alle selbst draußen online sind, kann man über Twit-
sind dem Aufruf nach Dortmund gefolgt. Neonazis haben seit 2000
ter eine vierstellige Zahl Demonstrierender mit einem Tweet anschreien
in und um Dortmund mindestens fünf Menschen getötet. Am 1. Mai
„Gegen Straftäter werden wir konsequent vorgehen!“ und gleichzeitig
2009 griffen sie eine Großdemonstration an, überfielen mehrfach
Einzelfragen beantworten. Tolle Sache.
die Szenekneipe „HirschQ“. Beim Ratseinzug von „Die Rechte“ 2014 stürmte eine Gruppe Nazis das Dortmunder Rathaus. Nur in einem
Das Dumme: Soziale Medien sind – furchtbar menschelnde – Meinungs-
Bruchteil der Fälle kam es zu Verurteilungen.
maschinen, ihr Subjektivitätsgestus steckt an. Weil alle dort irgendeine Haltung zu irgendwas mit sich herumtragen, macht Polizei mit. Eine Dort-
Gemeinsame Sache mit der AfD
munder Demonstration mit „Gerne weiter so!“ anzufeuern oder ihr gar „eine rege Beteiligung“ zu wünschen, verfehlt den Behördenauftrag. Bei unübersichtlichen Einsatzlagen zu pöbeln oder gar eskalierende Falsch-
Eigentlich wollte der Bochumer Rat mit
meldungen zu verbreiten, ist zwar Kern des Twitter-Kosmos. Polizeimel-
einer Resolution seine Solidarität mit den
dungen von angeblich brennenden Polizeiwagen und gefundenen Waf-
Stahlarbeitern von ThyssenKrupp Steel ausdrücken, die Werksschlie-
fendepots, die nachträglich relativiert oder gelöscht werden müssen, wie
ßungen befürchten. Stattdessen wurde die Resolution selbst zum
im Juni in Dortmund, sind jedoch ein Problem. Als die Twitterpolizisten
Politikum – denn SPD, CDU, Grüne und UWG haben sie gemeinsam
Anfang September auf die Frage, warum ein mit Messer bewaffneter Nazi
mit der AfD verabschiedet. „Diesmal hatte Solidarität Vorrang“, kon-
bei einer Demonstration herumlaufe, schriftlich schnauzten: „Strafver-
terten die Grünen Kritik auf die Zusammenarbeit mit der Partei und
fahren ist eingeleitet. Das ist los!!! Zufrieden?“, verprellte das eine ganze
beriefen sich auf formale Vorgaben in der Geschäftsordnung. Die SPD
Reihe mehr Leute als ein schlecht gelaunter Beamter auf der Straße.
thematisierte den Schulterschluss nicht. Die Linke, die die Resolution
16
zwar unterstützte, sich aber der Kooperation mit der „rassistischen
Manche Juristen halten das Twittern durch Polizeibehörden mangels
und zum Teil antisemitischen“ AfD verweigerte, bezeichnete den ge-
Ermächtigungsgrundlage grundsätzlich für rechtswidrig, doch es lauern
meinsamen Antrag als „Dammbruch“ der politischen Kultur. Auch die
noch ganz andere Fallstricke. Als bei der „Es reicht“-Demo gegen rechte
Fraktion FDP&Die Stadtgestalter unterzeichnete nicht – sie nannte die
Gewalt am 24. September das in Dortmund übliche, rechtswidrige Abfilmen
Resolution, die nur symbolischen, doch keinen politischen Effekt hat,
der Demo moniert wurde, verplapperte sich der polizeiliche Twitteraccount
ein „Lippenbekenntnis“.
und bestätigte das Vorgehen schriftlich. Das beschäftigt nun den Landtag.
RECHT
„A.C.A.B.“ nicht zwingend strafbar Von Rechtsanwalt René Boyke Dass Polizisten die
wenn sie auf bestimmte Personen und nicht
überschaubare Gruppe des angegriffenen
Äußerung „A.C.A.B.“
bloß auf ein größeres Kollektiv bezogen ist.
Kollektivs die Äußerung wahrnimmt, ändert
nicht gefällt, kann man nachvollziehen. Schließlich steht das Akronym für „all cops are bastards“, auf Deutsch: „Alle Polizisten sind Bastarde.“ Doch nicht alles, was nicht gefällt, ist auch zwingend strafbar. Anders sahen dies jedoch das OLG Karlsruhe und das OLG München, die die Verwendung von „A.C.A.B.“ als Straftat einstuften und Besucher eines Fußballspiels entsprechend verurteilten. Einer der Beschwerdeführer verwendete „A.C.A.B.“ auf einem Transparent, der andere auf seiner Hose.
Als Meinungsäußerung über den Unwert
daran grundsätzlich nichts.
des kritisierten Kollektivs und seiner sozia-
Eine Strafbarkeit kann aber dann in Betracht
len Funktion sowie der damit verbundenen
kommen, wenn gezielt Polizisten mit der Pa-
Verhaltensanforderungen an dessen Mitglie-
role konfrontiert werden. Einen generellen
der, fällt die Äußerung unter die Meinungs-
Freibrief hat das Bundesverfassungsgericht
freiheit und genießt damit grundsätzlich
also nicht ausgestellt.
grundrechtlichen Schutz. Nur für den Fall, dass die Meinung derart ehrverletzend wäre, dass der Schutz der Ehre den Schutz der Meinungsfreiheit überwiegen würde, käme eine Strafbarkeit in Betracht. Die Richter erklärten, dass zwar ein derarti-
Die Verurteilten legten Verfassungsbe-
ger Angriff auf ein Kollektiv unter bestimm-
schwerde gegen ihre Verurteilung ein. Mit
ten Umständen die Ehre verletzen könne.
Erfolg. Die Karlsruher Richter erklärten (1 BvR
Allerdings ist die persönliche Betroffenheit
257/14 und 1 BvR 2150/14), was jedem Jurastu-
Einzelner umso geringer, je größer das an-
denten normalerweise bereits im Grundstu-
gegriffene Kollektiv ist, da es nicht um den
dium vermittelt wird, nämlich, dass eine Be-
Einzelnen, sondern um das Kollektiv als
leidigung nur dann strafrechtlich relevant ist,
solches gehe. Allein der Umstand, dass eine
DIE ZAHL
2.957 Menschen wurden zwischen Januar und August durch die rot-grüne Landesregierung aus NRW abgeschoben. Mehr als 17.00 0 Geflüchtete „ohne Bleibeperspektive“ reisten zwischen Januar und August aus NRW „freiwillig“ in ihre Herkunftsländer zurück.
DAS FOTO
Verkäuferhochzeit bei der dänischen Straßenzeitung „Hus Forbi“ – dem meistgelesenen Magazin des Landes. Gilbert und Cappella sind obdachlos und verkaufen „Hus Forbi“ im dänischen Vejle. Der Bräutigam im brandneuen „Hus Forbi“-Verkäuferoutfit und seine Braut im wunderschönen Hochzeitskleid feierten mit vielen Freunden und Kollegen. Foto: Mette Kramer Kristensen 17
INTERVIEW
„Wir leben in der sichersten aller Zeiten“
18
Flüchtlingskriminalität, Einbrecherbanden, No-Go-Areas, Terrorismus: Ein Blick in die Schlagzeilen des letzten Jahres zeichnet kein gutes Bild der Sicherheitslage in Deutschland. Es scheint, als lebten wir in einer unsicheren Zeit. Der Bochumer Kriminologie-Professor Dr. Thomas Feltes widerspricht dieser These im bodoInterview und erklärt, warum viele Bürger trotzdem Angst haben. Von Felix Huesmann | Fotos: Daniel Sadrowski, Felix Huesmann
Herr Feltes, wir lesen andauernd von Ein-
Hinsicht: In Bezug auf Euro-
brecherbanden und No-Go-Areas, in denen
pa hatten wir die Banken-
Kriminelle die Polizei nur noch auslachen. Ist
und Finanzkrise, die viele
Deutschland wirklich so unsicher geworden?
Menschen
verunsicherte
Nein, wir leben im Moment in der sichers-
(Ist mein Erspartes noch si-
ten aller Zeiten in Deutschland. Wir haben nur
cher?). Wir haben jetzt ein
das Gefühl, dass alles um uns herum unsicher
Auseinanderbrechen
wird. Das hat verschiedene Gründe. Beim The-
Idee eines geeinten Europa
ma Einbrüche kann man sehen, wie eine poli-
dadurch, dass sich einige
tische und mediale Irreführung bei den Men-
Länder dagegen wehren,
schen ankommt. Wir haben zwar momentan
Flüchtlinge aufzunehmen.
einen deutlichen Anstieg der Taten. Wir haben
Und: Die Menschen spüren,
aber immer noch nicht das Niveau erreicht, das
dass die Globalisierung auch bei uns angekom-
Prof. Dr. Thomas Feltes lehrt
wir vor 15 Jahren hatten. Daran gemessen gibt
men ist. Nicht nur Freihandelsabkommen wie
Kriminologie, Kriminalpoli-
es heute weniger Einbrüche. Die Bevölkerung
TTIP und CETA sind in unseren Köpfen, sondern
tik und Polizeiwissenschaft
hat trotzdem das Gefühl, an allen Ecken und
wir erleben tagtäglich, dass Menschen aus Af-
an der juristischen Fakultät
Enden würde eingebrochen. Das hat vor allem
rika mit dem Schlauchboot nach Europa kom-
der Ruhr-Uni Bochum.
mit der medialen Aufbereitung und der politi-
men. Damit können die Probleme, die in Afrika
schen Diskussion zu tun. Die regelmäßigen po-
bestehen, ganz schnell nach Europa kommen.
litischen Verkündungen, was jetzt alles gegen
Und schließlich: Viele Bürger begreifen, dass
Einbrüche getan wird, erwecken den Eindruck,
die finanzielle und gesundheitliche Altersver-
wir hätten ein riesiges Problem.
sorgung nicht mehr sicher sind. Das alles führt
der
zu einer grundlegenden Verunsicherung. Angst Warum sind die Bürger dafür so anfällig?
vor Kriminalität zu haben, ist dann ein Ventil.
Diese Angst der Bürger ist eine Verlage-
Sie ist greifbar und personalisierbar. Und dazu
rung allgemeiner gesellschaftlicher Ängste
kommt, dass viele Politiker gerade den Eindruck
in den Bereich der Kriminalität. Wir haben in
eines unfähigen Hühnerhaufens erwecken und
der Tat eine unsichere Situation in mehrfacher
AfD-Gedanken hinterherrennen.
19
INTERVIEW
Sie haben sich vor allem mit Bochum befasst.
Wie haben sich Kriminalität und Kriminali-
gestellt haben, dass Menschen weniger Angst
Worum geht es in Ihrer aktuellen Studie?
tätswahrnehmung in Bochum seit der letzten
vor Diebstählen, einfachen Körperverletzungen
Studie 1998 verändert?
und sogar Raub haben, nachdem sie selber be-
Es gibt mehrere Bereiche, die mein Vorgänger Hans-Dieter Schwind und ich abgefragt
Wir haben einen Rückgang der Kriminalität
haben. Zum einen geht es um das sogenannte
in vielen Bereichen – sowohl in der polizeilichen
Dunkelfeld. Das heißt, wir fragen, wie oft die
Kriminalstatistik als auch in den Angaben der
Bochumer im letzten Jahr Opfer einer Straftat
Befragten. Die Bürger glauben aber dennoch,
Was kann man denn gegen diese irrationalen
geworden sind. Das sind bei solchen Befragun-
dass Straftaten zugenommen haben. Das ist
Ängste tun?
gen immer deutlich mehr, als Taten bei der Po-
eines dieser paradoxen Phänomene, die wir
Es nützt nichts, jemandem, der in einem
lizei registriert werden. Im Vergleich zur letzten
immer wieder in solchen Studien feststellen.
dunklen Wald Angst hat, zu sagen, dass da
Studie 1998 können wir aber feststellen, dass
Die Stärke, die wir hier in Bochum erlebt haben,
kein Räuber im Gebüsch lauert. Sie können
dieses Dunkelfeld geringer wird. Es wird also
ist aber durchaus selten. Die Einschätzungen
irrationale Ängste nicht mit rationalen Ar-
mehr bei der Polizei angezeigt, gleichzeitig ging
der Kriminalitätsentwicklung stehen in keinem
gumenten besiegen – deshalb geht auch die
die Zahl der erlittenen Straftaten zurück. Wir
Zusammenhang zu den polizeilichen Daten,
Idee des Innenministers Jäger, die polizeiliche
troffen waren. Da ist die Einschätzung hinterher oft realistischer als vorher.
Kriminalstatistik ab sofort monatlich zu ver-
„Die Angst der Bürger ist eine Verlagerung allgemeiner gesellschaftlicher Ängste in den Bereich der Kriminalität.“
öffentlichen, ins Leere oder führt sogar zum gegenteiligen Ergebnis: Ängste werden noch geschürt. Was unsere Angst vor Straftaten anbelangt, ist Nachbarschaftshilfe ganz wichtig. Es gibt einige Städte, die inzwischen „Kümmerer“ eingestellt haben und die dafür sorgen, dass die Bürger sich mehr austauschen und gegenseitig helfen – aufeinander aufpassen. Wenn der soziale Zusammenhalt wächst, sinkt
fragen außerdem, warum Anzeige erstattet
aber auch nicht zu den persönlichen Erlebnis-
auch die Verbrechensfurcht. Allerdings scheint
wird oder nicht. Hier tauchte der Wunsch, den
sen der Befragten. So wurden beispielsweise
mir, dass die Moral in unserer Gesellschaft zu-
Täter bestraft zu sehen, in früheren Befragun-
nur 0,3 Prozent der Befragten im letzten Jahr
nehmend verloren geht, die für dieses gegen-
gen immer erst an fünfter oder sechster Stelle
Opfer eines Raubüberfalls, 19 Prozent halten
seitige Helfen Voraussetzung ist. Wie anders
auf. Jetzt steht er an erster Stelle. Das interpre-
es aber für wahrscheinlich, dass ihnen das in
könnte man die Ignoranz interpretieren, die
tiere ich als Reflex auf die immer wiederkehren-
den kommenden 12 Monaten passiert. Ähnli-
viele gegenüber dem Leiden von Flüchtlingen,
de Leier der Politiker, die bei jeder Gelegenheit
ches sehen wir bei der Körperverletzung und
aber auch gegenüber Randgruppen in unserer
mehr und härtere Strafen fordern – wohlwis-
auch beim Diebstahl. Insgesamt erscheint mir
Gesellschaft an den Tag legen?
send, dass dies nichts bringt.
das als eine typisch deutsche Einschätzung. Wir Deutsche bewerten Risiken generell höher, als
Sie haben sich auch mit der Kriminalitätswahr-
sie in Wirklichkeit sind. Wir sind ängstlicher als
nehmung der Bürger beschäftigt.
andere Nationen. Franzosen, Italiener und Spa-
Der dritte Bereich unserer Studie ist die
nier beispielsweise gehen das Leben insgesamt
Verbrechensfurcht. Wir haben gefragt, wo sich
entspannter an, und daher können sie auch
die Menschen am sichersten und wo sie sich am
mit diesen Ängsten besser umgehen. Ich frage
unsichersten fühlen. Mehr als 90 Prozent der
mich manchmal, in was für einer Gesellschaft
Bochumer fühlen sich in den eigenen vier Wän-
wir jetzt leben würden, wenn wir in Deutsch-
den am sichersten. Dabei wissen wir, dass das
land Terroranschläge wie in Frankreich gehabt
der unsicherste Ort überhaupt ist. Dort gesche-
hätten – oder was passiert, wenn es solche An-
hen jedes Jahr über 4.000 tödliche Haushalts-
schläge auch bei uns gibt.
unfälle. Auch drei von vier Körperverletzungen ereignen sich in der eigenen Wohnung.
20
Wovor haben die Bochumer besonders Angst?
Wir haben auch gefragt, was die größten Prob-
Sie haben vor allem Angst davor, Opfer
leme in der eigenen Nachbarschaft sind. Da sind
einer Straftat zu werden. Diese Angst ist sehr
wieder einmal die Autofahrer als erste genannt
irrational und kann weder durch die eigenen
worden. Ausländer und Flüchtlinge rangieren
Erfahrungen begründet werden noch durch die
auf dieser Liste ziemlich weit hinten. Im Ver-
polizeilichen Daten. Und das ist eine Angst, die
gleich zum Bundesdurchschnitt haben die Bo-
vor allem Menschen haben, die noch nie Opfer
chumer da also ein eher entspanntes Verhältnis.
einer Straftat wurden. Es gibt Studien, die fest-
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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.
Krankheiten haben ihre Ordnung, allein schon wegen der Abrechnung mit der Krankenkasse. Aufgelistet stehen sie in der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10)“. Die Liste ist wichtiger als dieser Psychrembel, Pschyrembel, den der krankheitsverliebte Durchschnittsdeutsche in dem Schrank stehen hat, in dem ihm manche Tasse fehlt. Die Aufmerksamkeitsstörung gibt es wahlweise mit (F9.0) und ohne Hyperaktivität (F98.8). ADS und ADHS, Seit´ an Seit´. AfD fehlt, obwohl sie auch eine Wahrnehmungsstörung ist. Mancher kurz vor Vorpommern fühlt sich vom Fremden bedroht, obwohl sein Schrumpfdorf weniger Migranten hat, als der BVB samstags auf den Platz schickt. Vielleicht wäre manch AfDler zufriedener, wenn man ihm nur bescheinigte, dass er was Besonderes hat in seinem Kopf. Krankenkassen, welch tolles Thema wären sie für Sozialdemokraten, wenn ihre Spitze nicht so sprunghaft wäre, dass mancher auf ADS mit (F9.0) tippt. Bei AOK, BKK und Co. sollen jetzt die Beiträge steigen, für die Versicherten, exklusiv. Also nicht für Arbeitgeber, die gern und feierlich die paritätische Finanzierung der Sozialversicherung loben. Parität, pari-pari, jeder zahlt eine Hälfte. Ok, ein alter Witz. Entweder zahlen die Arbeitgeber wieder genauso viel wie die Versicherten. Warum? Unternehmer sind dann besonders unangenehme Gesprächspartner, auch für Ärzte, Pillendreher und Krankenhäuser, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht. Vielleicht klappt es dann ja mal mit dem Sparen. Oder wir spielen das alte Kuchenspiel für Kinder. Das erste Kind teilt dabei ein Kuchenstück in zwei vermeintlich gleich große Teile. Das andere darf dafür als erstes sein Stück aussuchen. Wenn Arbeitgeber also behaupten, man mache bei den Gesundheitskosten halbe-halbe, zahlen wir Arbeitnehmer künftig nur noch den Arbeitgeberanteil.
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
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www.awo-ww.de 21
KULTUR
Bluegrass-Mundorgel-Songwriter-Punk Es gibt Musiker, die finden ihren Stil und machen es sich gemütlich. Und es gibt die anderen. Die vier Dortmunder von Dieselknecht stehen immer noch mit beiden Beinen ihrer Musiksozialisation in Punk und Metal. Irgendwann jedoch schalteten sie die Verstärker ab, entdeckten Banjo, Dobro und Kontrabass und die amerikanischen Außenseiterhelden des Bluegrass und Folk. Die Reise führte weiter, zurück über den Atlantik und zur verschütteten deutschsprachigen Musiktradition der Wander- und Arbeiterlieder. Hinzu kamen Eigenkompositionen, so eigenwillig wie energetisch. Auf ihrer Deutschlandtour machen Dieselknecht am 14. Oktober halt bei bodo. Von Bastian Pütter | Foto: Dieselknecht
Wo nichts geplant ist, entsteht der rote Faden
Guntmar Feuerstein hatte es zuvor schon an sie
erst in der Rückschau. „Pa“, der eigentlich Frank
herangetragen, die Band war skeptisch geblie-
heißt und als Bewährungshelfer arbeitet –
ben. Als für den Film „Für einen unbekannten
auch die anderen kommen aus sozialen Beru-
Hund“ der Reding-Brüder ein deutscher Text zu
fen –, sagt: „Irgendwann um die 30 hast du den
vertonen ist, weicht schließlich die Skepsis. „Das
Eindruck, so viel schon gehört zu haben und
hatte so was Deutschpunk-mäßiges, das hat
brauchst etwas anderes.“ Also nimmt er das
riesig Spaß gemacht“, sagt „Pa“. Mit Feuerstein
bisher unbeachtete Banjo aus dem Schrank,
arbeiten die vier, nun unter dem Namen „Die-
irgendwann gekauft wegen einer Kindheits-
selknecht“, eine ganze Reihe von Stücken aus,
erinnerung: In „Ein ausgekochtes Schlitzohr“,
entdecken deutsche Traditionals und suchen
dem Kinohit des Jahres 1977, schmuggelt der
nicht kontaminierte Fahrten- und Wanderlie-
Trucker „Bandit“, gespielt von Burt Reynolds,
der. „Wenn ein Stück schlecht riecht, lassen wir
400 Kisten Bier von Texas nach Georgia, beglei-
die Finger davon“, ist sich die Band einig.
tet von Jerry Reeds hypnotischem BluegrassSoundtrack „East Bound and Down”.
Stücke – eigensinnig, wie die Band ist, mit Als Frank auf einer Party die Mitstreiter seiner
Vorliebe auf Vinyl veröffentlicht. Stampfende,
verflossenen Rockband wiedertrifft, stellen sie
tight gespielte Hymnen, nur ab und an noch
verblüfft fest, dass man inzwischen die gleiche
in halsbrecherischem Tempo, dafür mit betö-
Musik hört: Johnny Cash, Hank Williams. Mit
rend rauem Harmoniegesang. Mitreißende,
neuem Enthusiasmus widmen die Musiker sich
handgemachte Musik, die sich jeder Einord-
dem Nachspielen von Klassikern des Genres. Es
nung entzieht. „Schreibst du Punk, kommen
folgen Jahre als Country-Überfallkommando
die über 50 nicht. Schreibst du Liedermacher,
„Mountain Boys“, das sich an der stromlosen
kommen die unter 50 nicht“, sagt ihr Berliner
Bewegungsfreiheit und an überraschten Zu-
Labelboss mit einem Augenzwinkern. Oder
hörern erfreut: die Energie und das Tempo des
vielleicht doch.
Punk mit dem für viele fremdartig klingenden Sound der USA jenseits der großen Städte. Fr. 14.10., 19.30 Uhr Dieselknecht am 2. Freitag Benefizkonzert im bodo Buchladen Schwanenwall 36 – 38, Dortmund 22
Inzwischen dominieren selbst geschriebene
Wie wäre es, das alles in den hiesigen Musikkosmos und vor allem in die eigene Sprache zu holen? Der Musikerkollege und Produzent
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WILDE KRÄUTER
INDISCHES SPRINGKRAUT von Wolfgang Kienast
Pubertät, sagt man, sei schwierig. War
„What goes up must come down.“ Der
so, ist so, wird wohl so bleiben. Für
Song „Spinning Wheel“ machte die
Angehörige ist es mitunter mühsam,
Binsenweisheit zum Evergreen – und
einen der vielen Leidtragenden noch
auch Pokémons werden zwangsläufig
irgendwie zu erreichen. Nicht selten zie-
ihren Weg nach unten finden. Gingen
hen sich Pubertierende in dunkle Räume
bei Einführung 45 Millionen Spieler
zurück, wo sie Stunden und Tage damit
täglich auf Jagd, waren es im August nur
verbringen, nach sich und dem Sinn
30 Millionen. Stellt sich die Frage, ob es
des Lebens zu suchen. Seit längerem
möglich ist, in diesem Zusammenhang
natürlich auch im Internet. Allerdings
diejenigen, die vielleicht zum ersten Mal
nicht im sogenannten Darknet. Letzteres
seit Jahren bewusst außerhalb digitaler
wollte Andreas Lorenz, CSU-Landtags-
Sphären agiert haben, in der Welt jen-
abgeordneter und als Mitglied des
seits von Einsen und Nullen zu halten.
Innenausschusses im südlichen Bundesland selbstredend Sicherheitsexperte, kurzerhand verbieten lassen – nachdem bekannt geworden war, dass Ali S., der 18-jährige Attentäter von München, psychisch labil, sich ebenda seine Pistole beschaffen konnte.
Vor zwei Jahren, Pokémon Go war noch nicht erfunden, hatte ich einen Workshop zu leiten; ich sollte eine Handvoll Dortmunder Jugendliche für Wildkräuter interessieren. Draußen. Wald. Wiese. Erde. Unkraut: Gähnen. Anfangs war die Begeisterung echt unterirdisch. Mit dem
Laptop und Lederhose sind scheint‘s
Sammeln von Springkraut hat‘s dann
doch nicht immer auf Augenhöhe im
doch geklappt. Deren „explodierende“
Bayerischen. Manchmal weiß ich wirk-
Samenkapseln machten ungelogen je-
lich nicht, ob ich lachen oder weinen soll,
dem Spaß. Hinterher wurde gemeinsam
wenn (okay, nicht nur CSU-) Politiker
gekocht – folgendes Chutney, das sehr
populistisch mit ebenso einfach klingen-
gut zu Käse passt.
den wie realitätsfernen Schnellschüssen auf vermeintlich Missliebiges zielen.
REZEPT 50 g Springkrautsamen mit 1,5 kg Äpfeln
Nicht im Darknet, sondern auf der tag-
(in Stücke geschnitten), 500 g roten
hellen Seite des Netzes lauert Pokémon
Zwiebeln (grob gehackt) und 125 g
Go. Das seit Juli grassierende Spiel lockt
getrockneten Aprikosen (ebenfalls grob
Pubertanden jeden Alters raus aus
gehackt) mit ein wenig Wasser in einem
ihren dunklen Räumen und ungebremst
großen Topf 15 Minuten sanft köcheln
rein in die freie Wildbahn, wo sie, vom
lassen. Gelegentlich umrühren. 500 g
Smartphone geleitet, Pokémons fangen,
Rohrzucker und 400 ml möglichst mil-
vor Straßenlaternen baseln, über Bord-
den Apfelessig zugeben, die Masse kurz
steinkanten stolpern, in Gullys fallen, vor
aufwallen und dann 40 Minuten leicht
Autos laufen. Das ist nicht ungefährlich,
simmern lassen. In sterile Gläser füllen.
weswegen man eine spezielle Versicherung abschließen kann, die bei Invalidität des Versicherten infolge eines typischen Pokémon-Unfalls 30.000 Euro zahlt, 10.000 bei dessen Tod. Sicherheitsexperte Lorenz schweigt bislang zum Thema.
ERSTKLASSIGE UNTERHALTUNG ÜBER DEN DÄCHERN DER STADT!
So, 23. Oktober 2016 ------- 18 Uhr A Tribute to Elvis: Dinner Show So, 27. November 2016 ---- 18 Uhr Science Dinner: Schmackhafte Wissenschaft So, 18. Dezember 2016 ---- 18 Uhr Krimidinner: Die Nacht des Schreckens So, 29. Januar 2017 ---------- 18 Uhr ZDF Krimidinner: Der Kommissar So, 26. Februar 2017 -------- 18 Uhr ZDF Krimidinner: Derrick
Tickets, Veranstaltungen und Infos unter: www.zum-goldenen-u.de 0231 4764780 Leonie-Reygers-Terrasse Dortmund 23
VERANSTALTUNGEN 10 | 16 SA 01 | 10 | 16
BODO VERLOSUNGEN ab 13.10. | Köpek – Geschichten aus Istanbul
Ausstellung | DEW21 Kunstpreis 2016 Bereits zum elften Mal hat die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH den DEW21 Kunstpreis ausgeschrieben und Künstlerinnen und Künstler aus dem gesamten Ruhrgebiet zum Wettbewerb eingeladen. Auf mehr als 1.000 qm präsentieren die 15 Nominierten ihre Arbeiten aus allen Sparten der Bildenden Kunst im Dortmunder U und ermöglichen damit eine spannende Reise durch die zeitgenössische Ruhrgebietskunst. Bis 23.10., Eintritt frei. Infos und Öffnungszeiten: dortmunder-u.de Dortmunder U, Dortmund
16.10. | René Marik RuhrCongress, Bochum | 2 x 2 Karten 28.10. | Rockabilly Varieté et cetera, Bochum | 2 x 2 Karten 28.10. | Bukahara FZW, Dortmund | 2 x 2 Karten 29.10. | Die schwarze Flotte Megastore, Dortmund | 2 x 2 Karten 30.10. | Monster Kabarett Theater im Depot, Dortmund | 2 x 2 Karten
Markt | Plakatflohmarkt Der Kinoplakat-Flohmarkt in der Schauburg geht
Mitmachen und Karten gewinnen:
wieder in eine neue Runde. Ausgewählte Plakate,
Schicken Sie das Lösungswort aus unserem Kreuzwort-
Banner sowie Aushangfotos warten auf neue Be-
rätsel und Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon,
sitzer. Wie immer finden die BesucherInnen klas-
Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@
sisches und aktuelles Material für kleines Geld,
bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund.
welches einem guten Zweck gespendet wird. Schauburg, Dortmund, 11 – 13 Uhr Kindertheater | Nalu und das Polymeer Mit „Nalu und das Polymeer“ hat Martina van Boxen ein Stück Fantasy- und Musiktheater für Kinder ab zehn Jahren geschrieben. In ihrer fantastischen Geschichte geht sie der Frage nach, was wäre, wenn eine Umweltkatastrophe unseren Planeten nachhaltig verändert hätte und das einzig übriggebliebene Material Kunststoff wäre. Weitere Termine: schauspielhausbochum.de Theater Unten, Bochum, 16 Uhr ANZEIGE
Ausstellung
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en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat
Mieter schützen · Mietern nützen!
Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.
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Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.
Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de
Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de
Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00
Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00
Mitglieder im Deutschen Mieterbund
24
sweetSixteen-Kino, Dortmund | 1 x 2 Karten
BODO-TIPP
Truck Tracks Ruhr #4
Dortmund wird zum Roadmovie:
Livehörspiel eines besonderen Ortes.
– Dortmund ist nach Oberhausen,
Die Theatergruppe Rimini Protokoll
„Ein neuer Blick auf scheinbar Bekann-
Recklinghausen und Duisburg das
macht in ihrem neuesten Projekt die
tes – für besondere Nahaufnahmen
vierte Album der Tour, Mülheim (30.11.
gesamte Stadt zur Bühne. Das Al-
des sichtbaren und unsichtbaren Le-
– 17.12.), Bochum (25.1. – 25.2.2017) und
bum: Dortmund, die Tracks: sieben
bens, die von sieben Künstlern akus-
Essen (Frühjahr) werden folgen. Truck
markante und entlegende Orte in
tisch inszeniert werden“, schreibt das
Tracks Ruhr ist eine Produktion von
der Stadt, der Player: ein Lastwagen,
Schauspiel Dortmund.
Urbane Künste Ruhr.
Insgesamt 49 KünstlerInnen sind
Weitere Termine in Dortmund:
der das Publikum von Ort zu Ort, von Track zu Track führt.
Premiere: Do. 6.10., 17 Uhr
insgesamt ein Jahr lang in der von
7. – 8.10., 12. – 15.10., 19. – 22.10.,
Megavorplatz
Jeder Ort wird von KünstlerInnen vor
Rimini-Protokoll inszenierten Per-
26. – 29.10. jeweils 17 Uhr
Felicitasstraße, Dortmund
Ort und live vertont: Es entsteht ein
formance im Ruhrgebiet unterwegs
www.trucktracksruhr.de
Kunst | TINYrooms – oder fast ein Museum 48 Schubladen, integriert in einem Kurzwaren-
MI 05 | 10 | 16
FR 07 | 10 | 16
schrank, sind von 48 Bochumer Künstlern zu
Ausstellung | Thomas Autering & Silvia Liebig
Theater | Drum, welch Land
Kunstwerken umgestaltet worden. Beginn der
Küchenbesuche
wohl könnten betreten wir?
Eröffnung ist um 16 Uhr mit einer Einführung
Während es in der Pfanne brutzelt, Messer kra-
Komödiantisch und ernst – so präsentiert die
durch den Schauspieler und Kurator Gianpiero
chend Gemüse hacken, Wasser brodelt, kringeln
Gruppe „WortSinnWeisen“ ihr Stück über Armut,
Piria. Weitere Programmpunkte bilden musika-
sich zur selben Zeit Bleistiftspäne aus dem Spit-
Verfolgung, Flucht und den Entwurf einer Welt,
lische Darbietungen u.a. mit Serge Corteyn und
zer, kratzt, streicht, punktet Malgerät, schnip-
die für alle Menschen ein Leben ohne Not ermög-
Volker Wendland sowie eine DJ-Lounge. Nach
peln Scheren durch Papier. Seit mehr als einem
licht. Mit Texten von Aischylos, Morus, Tucholsky,
der Eröffnung ist die Ausstellung jeden Dienstag
Jahr zeichnen Silvia Liebig und Thomas Autering
Zweig u.a. zeigt die Amateurtheatergruppe, wie
zwischen 15 und 18.30 Uhr geöffnet und wird län-
in fremden Küchen und halten mit schnellem
aktuell diese „alten“ Werke heute noch sind. Mit
gerfristig zu einem kleinen Museum erweitert.
Strich fest, was ihnen ein- und auffällt. Die Er-
Theater, Musik und Gesang wird erkundet, ob der
Theater der Gezeiten, Bochum, 16 Uhr
gebnisse sind bis zum 23.10. zu sehen. Öffnungs-
Mensch dem Menschen hilft und wie eine für alle
zeiten: blamgalerie.de
gerechte Welt sein könnte. Zugunsten der „Medi-
Blam! Produzentengalerie, Dortmund, 17 – 20 Uhr
zinischen Flüchtlingshilfe Bochum“
DI 04 | 10 | 16
Theater 48, Bochum, 20 Uhr
Veranstaltungsreihe | Wer verfügt darüber? Wie ist es heute um unsere Mündigkeit bestellt? Betrachtet wird diese Frage anhand des Zugangs
DO 06 | 10 | 16 Musik | Anoushka Shankar
Quiz | Film-Quiz „Mord am Hellweg“ 2016 Anlässlich des Festivals „Mord am Hellweg“ be-
zu lebensnotwendigen Grundgütern und wirft
Der Name Shankar steht für die klassische in-
dient sich das Kino im U für das erste Themen-
direkt die nächste Frage auf: Wer verfügt darü-
dische Musik und die Sitar. Wie ihr legendärer
Special aus der gesamten Filmgeschichte – vom
ber? Dazu gibt es fünf Termine mit Fachreferen-
Vater Ravi Shankar lotet auch Anoushka Shan-
Film Noir über den Hollywood-Klassiker bis zum
ten. Die erste Veranstaltung beschäftigt sich mit
kar die Möglichkeiten ihres Instruments aus
Tatort, von der Romanverfilmung bis zum Serien-
dem Thema Wasser. Es referiert Michael Beck-
und überschreitet dabei Genre-Grenzen. In ih-
hit. Es gilt, Filmausschnitte, Filmmusik, verfrem-
mann von Viva con Aqua. Der Eintritt ist frei.
rem aktuellen Programm greift sie die Themen
dete Fotos, Gesichter, Namen und Zitate zuzuord-
Infos: www.pauluskircheundkultur.net
Migration, Asyl und Flucht auf.
nen und Hinweise aller Art zu entschlüsseln.
Pauluskirche, Dortmund, 19 Uhr
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täglich fris
25
VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2016
SA 08 | 10 | 16
FR 14 | 10 | 16
MO 10 | 10 | 16
Markt | Design Gipfel
Film & Party | Remake Remix Rip-Off / DJ Burakete
Musik | Daughter
Rund 60 Designer aus Deutschland bieten wie-
Sie hatten erst zwei EPs und eine Single veröf-
Dieses Mal werden beim popkulturellen Aus-
der handgemachte und innovative Produkte
fentlicht, als man Daughter bereits mit dem Be-
tauschprogramm endstation.goldkante so-
abseits der Massenproduktion an – genau das
griff „Future of London Music“ beschrieb. Kurz
wohl das endstation.kino als auch die Gold-
Richtige für Individualisten, die für clevere, au-
darauf spielten sie vor ausverkauftem Haus in
kante zum Ort des Geschehens – und in nur
ßergewöhnliche Produkte zu begeistern sind
der renommierten Londoner Assembly Hall. Ihr
drei S-Bahnstationen gewechselt. Los geht es
und auch noch was erleben möchten. Denn ne-
Sound hängt höchst eigenwillig zwischen den
um 19 Uhr im endstation.kino mit „Remake Re-
ben dem abwechslungsreichen Produktangebot
Stühlen, ist ebenso von Folk wie von Ambient
mix Rip-Off – Kopierkultur und das türkische
gibt es wieder ein Rahmenprogramm mit Musik,
und Downbeat beflügelt, spielt mit düsteren,
Popkino“. Im Anschluss spricht der Kölner DJ
Live-Acts und vielen Überraschungen.
teils fast morbiden Stimmungen.
Burakete, Initiator und Kurator des Kölner Fes-
Depot, Dortmund, 12 – 18 Uhr (auch 09.10.)
FZW, Dortmund, 20 Uhr
tivals „Türkische Delikatessen“, über die Hintergründe des Films. Mit Cosmic Turkish Disko &
Musik | Nils Petter Molvær Group Mit dem aktuellen Album „Switch“ gelingt dem norwegischen Nils Petter Molvær eine feine Ba-
Anatolian Diskofolk steht er ab 22 Uhr neben
MO 10 – SO 23 | 10 | 16
Guy Dermosessian (Kalakuta Soul) in der Goldkante am Mischpult.
Kinder | Herbstferien: „Back to the Buch“
endstation.kino & Goldkante, BO, 19 & 22 Uhr
lance zwischen synthetischen und organischen
Die DASA weiht Kinder von 8 – 12 Jahren in die Ge-
Klängen. Der Trompeter, bekannt für seinen sehr
heimnisse von Druckerschwärze, Tinte, Drucker-
komplexen Sound, klingt hier sehr entspannt:
pressen und Buchbinden ein. Dabei drucken sie
VERLOSUNG | René Marik – ZeHage! Best of plus X
„Letting go is an important discovery on this CD
an den Maschinen. Die Kinder verzieren ihr Werk
Seit im Dezember 2012 der letzte Vorhang für
and this disc is more peaceful”.
wie die mittelalterlichen Mönche im „Scriptori-
den „Maulwurfn“ und seine Freunde im Berli-
domicil, Dortmund, 20 Uhr
um“ oder die Schriftsetzer der Zeitung und bin-
ner Tempodrom fiel, ist
den es anschließend. Infos: dasa-dortmund.de
einiges passiert: René
DASA, Dortmund, jeweils 11 – 14 Uhr
Marik hat einen Film ge-
SO 09 | 10 | 16
dreht, Theater gespielt,
Kinder | Märchennachmittag
StudentInnen unterrich-
DO 13 | 10 | 16
Kosmopolen auf dem Diwan Auf eine Lesereise in die polnische Märchenwelt
tet, Musik gemacht und geschrieben. Das hat
Musik | Lutz Drenkwitz
ihm alles sehr gut getan, und das wird es auch
begibt sich die Künstlerinitiative Kosmopolen
Wie viele Instrumente kann ein Mensch auf einem
weiterhin. Warum also den kleinen Wühler
e.V. im Kindermuseum mondo mio!. Märchen
Mal spielen? Lutz Drenkwitz bedient Schlagzeug,
nochmal aus der Kiste kramen? Ganz einfach:
und Kindergedichte aus dem Osten werden in
Bass, Gitarre und Mundharmonika gleichzeitig
Er fehlt ihm. In „ZeHage! Best of plus X“ präsen-
deutscher, polnischer und arabischer Sprache
und singt mit markanter Stimme. Eine Ein-Mann-
tiert er das Beste aus „Autsch’n!“ und „Kasper-
vorgelesen und musikalisch begleitet. Der Be-
Band mit deutschen Texten und eigenen Mitteln.
pop“ sowie neuen Nummern.
such ist im Parkeintritt enthalten (auch 23.10.).
Er ist Liedermacher und Rock’n’Roll-Band zugleich.
RuhrCongress, Bochum, 20 Uhr
Kindermuseum mondo mio!, Dortmund, 16 Uhr
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
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BODO-TIPP
WDR 5 Liederlounge live mit Murat Kayi und Gästen So. 16.10., 19 Uhr Domicil, Hansastraße Dortmund
Jeden Monat ist die WDR 5 Lieder-
Liederlounge geht es um politische
erschien im Jahr 2014. Zum anderen
lounge in einer anderen Stadt in
LiedermacherInnen, Musik-Comedy
ist da der Dortmunder Songwriter
Nordrhein-Westfalen unterwegs
und deutschsprachige Chansons.
Hannes Weyland, der mit Band
und bringt Liedermacher live auf
Und so stehen beim Gastspiel in
und Streichern im Domicil auftritt.
die Bühne.
Dortmund zwei Größen auf der
Anfang des Jahres hat die Band ihre
Bühne: Zum einen die ehemalige
EP „Fluchtwagen“ veröffentlicht.
Am Sonntag, 16. Oktober, macht
Straßenmusikerin Cynthia Nikschas
Gastgeber und Moderator Murat
aus Bonn, die heute mit ihrer Band
Die Aufzeichnung der Sendung be-
Kayi im Domicil in Dortmund Stati-
Soul, Blues und Folk zum Besten
ginnt um 19 Uhr im Domicil, Karten
on – und hat sich für diesen Abend
gibt und als Gesangspartnerin
kosten 18 Euro (15 Euro VVK). Die
hochkarätige Freunde und Kollegin-
von Konstantin Wecker unterwegs
Liederlounge läuft immer sonntags
nen eingeladen. Bei der Sendung
ist. Ihr erstes Album „Kopfregal“
von 21.05 Uhr bis 22 Uhr auf WDR 5.
DO 20 | 10 | 16
und Redakteurin der Jungle World und arbeitet
Theater | Heimliche Helden
für die Jüdische Allgemeine, die taz, den Ta-
Eine Behörde. Mitarbeiter, gefangen zwischen
gesspiegel, die Prinzessinnenreporter und die
Formularen und Langeweile. Doch hinter Ak-
Die Berliner Band Riders Connection spielt mit
Ruhrbarone. Stefan Laurin ist Mitgründer des
tenbergen lauert die Subversion. Ein groteskes
und überschreitet zugleich auf charmant-lässi-
Blogs Ruhrbarone und schreibt für die Welt, die
und humorvolles Panorama der grauen Helden
ge Weise Genregrenzen. In ihren Titeln vereinigt
Welt am Sonntag, die Jungle World, die Jüdische
unserer Arbeitswelt, basierend auf literarischen
sie eine Mischung aus Reggae, Soul, Folk und
Allgemeine, die Prinzessinnenreporter und Cor-
Texten aus zwei Jahrhunderten – von Herman
Blues, in der sich ihre ganz eigene musikalische
rectiv. Der Eintritt ist frei.
Melville bis Sigfried Kracauer.
Handschrift offenbart. Auf ein Schlagzeug wird
Goldkante, Bochum, 20 Uhr
Megastore, Dortmund, 21 Uhr
FR 21 | 10 | 16
SA 22 | 10 | 16
Musik | Riders Connection
unbekümmert verzichtet. Dieser Part wird getrost Beatboxing-Buddy Moritz überlassen. Von Beats aus den Bereichen HipHop, Drum and Bass oder Techno bis hin zu Klängen eines Didgeri-
Theater | Das kunstseidene Mädchen
Tag der offenen Tür | Herbstbasar
doos australischer Aborigines ist alles in seinem
Bianka Lammert spielt „Das kunstseidene Mäd-
Die Werkstätten Gottessegen laden in diesem
Mundrepertoire vertreten.
chen“ als eindrucksvolle Geschichte einer wilden
Jahr zum Tag der offenen Tür auf das Gelände
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
Sehnsucht nach selbstbestimmtem Glück und
„Gut Königsmühle“ in Dortmund-Ellinghausen
der prallen Fülle des Lebens. Begleitet wird sie
ein. In der neuen Zweigwerkstatt können die
Ruhrbarone-Lesung | Elke Wittich & Stefan Laurin
dabei von dem Pianisten Oleg Bordo, der mit
Arbeitsgruppen des Papierverbunds besucht
Elke Wittich und Stefan Laurin setzen ihre Lese-
Evergreens – von Friedrich Hollaender bis zu
werden. Natürlich bieten auch alle anderen
tour durch das Ruhrgebiet fort. Die beiden lesen
den Comedian Harmonists – den Musik-Revue-
Gruppen ihre Produkte an: Von Kerzen über
Artikel und Kurzgeschichten sowie verschie-
Soundtrack der 30er Jahre beisteuert.
Holzprodukte, Möbel, Gemüse und Saft, ver-
denste Schwänke. Elke Wittich ist Mitgründerin
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
schiedene Textilprodukte bis hin zu WebteppiANZEIGEN
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Dent(ist) mobil
27
VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2016
chen reicht das Angebot. Für Unterhaltung und
gen. Aber wer sind diese Leute, die da kommen?
Dass Swing, Folk, Reggae und Arabic–Balkan
das leibliche Wohl ist ebenfalls gesorgt.
Wieso verlässt ein Geflüchteter seine Heimat?
keine Widersprüche sein müssen, beweisen die
Gut Königsmühle, Ellinghauser Str. 219
Welchen Schrecken muss man erleben, um alles
Multi-Instrumentalisten mit viel akustischer
Dortmund, 10.30 – 16.30 Uhr
hinter sich zu lassen? Wie kommt man illegal
Gewandtheit und großer Leidenschaft.
über Grenzen und wie viel kostet eigentlich ein
FZW, Dortmund, 20 Uhr
DO 27 | 10 | 16
Schlepper? Für dieses Buch haben Geflüchtete
bodo verlost 2 x 2 Karten
Theater | Der Kissenmann
und Unterdrückung, aber auch über Hoffnung
ihre Geschichten erzählt. Geschichten über Not Musik | Kapelle Petra
Ein Schriftsteller mit dem skurrilen Namen Ka-
auf eine bessere Zukunft.
Die Kapelle Petra kennt man als fleißig touren-
turian K. Katurian wird von zwei finsteren Poli-
Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 19.30 Uhr
des und mehrfach in diversen Fernsehshows
zeibeamten verhaftet. Der Grund: Nach Muster der Geschichten Katurians, in denen regelmäßig
vertretenes Quartett. Nun hat die Band ein VERLOSUNG | Rockabilly
neues Album am Start und geht wieder auf was?
Kinder misshandelt und zum Teil auf grausame
Es wird rockig und schrill. Das Publikum wird
Na klar, auf Tour. Ihr bereits fünfter Longplayer
Art umgebracht werden, werden mehrere reale
auf eine Zeitreise in die 50er- und 60er-Jahre
trägt den schmissigen und einprägsamen Na-
Morde begangen. Katurian soll gestehen, die Po-
geschickt. Gemeinsam
men „The Underforgotten Table“.
lizei droht mit Folter. Doch je mehr die Wahrheit
durch die Show führen
Piano, Dortmund, 20.30 Uhr
ans Licht kommt, desto mehr realisieren alle,
der Showmaster Max
dass keiner seiner Kindheit entkommen kann.
Nix und sein wortkarger
Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
Kompagnon Willi Widder Nix. Für Erstaunen sorgen Toni Farello und
FR 28 | 10 | 16 Revue | Hundert Jahre DADA – eine Revue
FR 28 – SO 30 | 10 | 16 Filmfestival | Too Drunk To Watch
Frau Schmidt mit ihrer Einradshow, die Farel-
Das Punk-Film-Festival „Too Drunk To Watch“
los mit preisgekrönter Partnerakrobatik, der
geht in die zweite Runde. In der Alternativ-Knei-
Hula-Hoop-Künstler Johnny B. Hoops, Fräulein
pe Neuland werden an drei Tagen hintereinan-
Am Phänomen DADA ist so gut wie alles umstrit-
Hildegard mit Skipping Rope, Marie Ann mit
der ausgesuchte Filme präsentiert (Eintritt frei,
ten: Ist DADA Kunst oder Antikunst? Ist DADA
einer Luftring-Darbietung, Rocco Valentino mit
Spenden willkommen). Darunter „Verlierer“ mit
„Kulturbolschewismus“? Lebt DADA? Oder war es
Tempojonglage und der singende Club-Koch Lu-
Campino, Mario Irrek und Ralf Richter, „Tanz auf
ein Ereignis, das plötzlich auftauchte und schnell
igi. Weitere Termine: www.variete-et-cetera.de
dem Vulkan“ sowie weitere Filme, die sich u.a.
verschwand? Auf das Publikum warten Gedich-
Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr
um Bands wie Oiro und Die Kassierer drehen.
te, Lieder, Bilder, Teile einer Sonate in Urlauten.
bodo verlost 2 x 2 Karten
Am Montag gibt es noch eine Abschlussparty
Vorgestellt werden außerdem Wurzeln und Verwandte von DADA, Echos und Reflexionen, Urtei-
in der Trompete, bei der die Malasaners (FolkPunk) und Dørn Shamrock live auf der Bühne
VERLOSUNG | Bukahara
le und Verurteilungen, Nachahmer und Feinde
Bukahara vereinen die Freude am Mischen von
stehen werden. Alle Infos: toodrunktowatch.de
DADAs. Es wirken mit: Oscar Borkowsky, Georg
Stilen mit den instrumentalen Fähigkeiten aka-
Neuland, Bochum, jeweils ab 20 Uhr
Dierks, Werner Köster, Gerd Schmedes, Marcus
demischer Musiker. So
Schröder und womöglich noch andere.
entsteht eine weltläufi-
literaturhaus.dortmund, Dortmund, 19.30 Uhr
ge, entspannte, aber den-
Lesung | Philipp Baar
SA 29 | 10 | 16
noch raffiniert gespielte
Film & Diskussion | Democracy – Rausch der Daten
Popmusik. Mit dem Ein-
Am 29. Oktober ist „Welt-Internet-Tag“. Das
satz von Geige, Kontrabass, Akustikgitarre, Per-
sweetSixteen begeht dieses Ereignis mit dem
Bomben, Grenzen, Schlepperbanden, Seenot,
kussion und Posaune sorgen Bukahara für eine
Film „Democracy – Im Rausch der Daten“, eine Do-
Flüchtlingslager. Bilder, die ganz Europa bewe-
ganz eigene Note in Folk, Weltmusik und Pop.
kumentation, die die Entwicklung einer europäi-
Flüchtlinge unterwegs nach Europa
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Tag der offenen Tür 22. Oktober 2016 | 10.30 - 16.30 Uhr Großer Herbstbasar mit Kunstgewerbe und Produkten aus der Werkstatt
Neuer Veranstaltungsort: Ellinghauser Straße 219 44359 Dortmund „Gut Königsmühle“
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Nach drei Jahren Bauzeit wird vom 27.
stehen und Platz bieten für Lesun-
Am 29. Oktober zeigen die Sympho-
bis 30. Oktober das Anneliese Brost
gen, Ausstellungen oder Poetry
niker von 11 Uhr bis 2 Uhr nachts zu-
Musikforum Ruhr in Bochum eröff-
Slams – ein „offenes Zuhause für
sammen mit Gästen und Partnern
net. Mehr als 45 Millionen Euro hat
alle, die Musik hören, machen, ver-
die Vielfalt der Bochumer Kunstsze-
der Bau am Marienplatz gekostet,
stehen und genießen möchten“, liest
ne, am 30. Oktober gibt es Programm
über 20.000 Privatpersonen hatten
sich auf der Webseite des Musikzen-
für Kinder und Familien. Am 27. Ok-
Musikzentrum Bochum eröffnet
sich mit Spenden am Projekt beteiligt.
trums. Offiziell erklingen die ersten
tober spielt das Orchester ein Kon-
Töne im neuen Haus zum Galakon-
zert für Bochumer BürgerInnen: Die
Das Musikzentrum soll Proben- und
zert am 28. Oktober mit der Kantate
Karten dafür werden im Lokalradio
Fr. 28. bis So. 30.10.
Spielstätte der Bochumer Symphoni-
„Baruch ata Adonaij – Gesegnet seist
und -zeitungen verlost.
Musikforum Ruhr
ker sein, den Ensembles der Musik-
Du, Herr“ und Gustav Mahlers erster
Marienplatz, Bochum
schule für Auftritte zur Verfügung
Symphonie.
www.bochumer-symphoniker.de
schen Gesetzesinitiative zur Datensicherheit be-
Verwandlung zu einem ungeheuren Ungeziefer
arten des Gruselns und Schauderns. In ihrem
gleitet hat. Im Anschluss gibt es eine Diskussion
zunächst mit Ratlosigkeit, schließlich mit immer
„Monster Kabarett“ erwecken sie die klassischen
über Datenschutz und Ermächtigungsstragien.
größerer Grausamkeit reagiert. Jan-Christoph
Schreckgestalten zum Leben.
sweetSixteen, Dortmund, 18.45 Uhr
Gockel widersteht in seiner Inszenierung der
Theater im Depot, Dortmund, 18 Uhr
oft üblichen Kafka-Depression. Die Puppen von
bodo verlost 2 x 2 Karten
VERLOSUNG | Die schwarze Flotte
Michael Pietsch begegnen Menschen, so lässt die Kindertheater | Auf dem Planeten Blau
„Auf See ist der Mensch nur eine Ware unter
Inszenierung die unterschiedlichen Perspekti-
vielen“ – so beginnt die Reportage, für die sich
ven dieser Verwandlung aufeinandertreffen.
Das Mitmachtheater „Hallo Kinder“ im Thealozzi
die Journalisten Cecilia Anesi, Frederik Rich-
Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr
erforscht das Leben auf unserem „Planeten Blau“. Wie ist das mit dem Treibhauseffekt? Was macht
ter, Giulio Rubino und David Schraven vom gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECT!V
SO 30 | 10 | 16
2015 auf die Fährte eines Netz-
VERLOSUNG | Monster Kabarett
werks begeben haben, das im
Lachen bis das Blut gefriert
der Klimawandel mit uns? Was können wir tun, um das Leben auf der Erde zu erhalten? Thealozzi Theater, Bochum, 16 Uhr
großen Stil Menschen schmug-
Die Zeiten sind hart. Für Vampire, Werwölfe
gelt. Es ist wohl eines der zy-
und andere Monster gibt es kaum noch Arbeit.
nischsten wirtschaftlichen Erfolgsmodelle:
Jobs in Geisterbahnen sind heiß
Schrottreife Frachter werden mit Menschen voll-
begehrt, und nur der Glöckner
Ein Raumschiff, die Discovery, sucht im Welt-
gestopft, die bis zu 6.000 Euro bezahlen. Anne-
von Notre-Dame hat eine aner-
raum nach Intelligenzen, bezeugt durch einen
Kathrin Schulz hat einen aufreibenden Monolog
kannte Berufsausbildung. Das
schwarzen Monolithen, gefunden auf dem
für Schauspieler Andreas Beck geschrieben.
„Monster Kabarett“ führt in die
Mond. Es wird angenommen, dass dieser mit
Megastore, Dortmund, 19.30 Uhr (Premiere: 23.10.)
bislang unbekannte Abteilung
dem Planeten Jupiter in Verbindung steht, also
bodo verlost 2 x 2 Karten
X der Agentur für Arbeit. Tief
dort Antworten auf die Welträtsel und das
unter der Erde versucht Jobvermittler Hans H.
Rätsel Mensch zu finden sind. Die Besatzung:
Omunkulus Monstern und Fantasiegestalten
zwei Astronauten, drei Wissenschaftler und ein
Gregor Samsa ist allein, gefangen in seiner Kam-
eine Zukunft zu ermöglichen. Martin Bross und
Computer namens HAL.
mer, bedrängt von seiner Familie, die auf seine
Stefan Keim sind schon lange Fans aller Spiel-
endstation.kino, Bochum, 19 Uhr
Theater | Die Verwandlung
MO 31 | 10 | 16 Film | 2001 – Odyssee im Weltraum (OmU)
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29
BODO GEHT AUS
Gastrosafari | Dortmund Kulinarische Nordstadtreisen
Von Didi Stahlschmidt | Fotos: Daniel Sadrowski
über das Essen“, erklärt Kritzler und weiß, dass die einfache wie direkte Ansprache über
Themen wie Zuwanderung und Migration
das Kulinarische auch die erfolgreichste ist.
kann man bestens über kulinarische Köstlich-
Und historisches „Futter“ gibt es in der Nord-
keiten vermitteln. Oder anders gesagt: Die Lie-
stadt genug. Das erste Anwerbeabkommen
be zu gutem Essen verbindet uns alle, und die
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
schönsten Gespräche finden weiterhin beim
und Italien von 1955 ist hierbei der geschicht-
und kaum woanders sieht und erlebt man so
Essen statt. Der Ansatz, sich die Geschichte
liche Startpunkt der Führungen. 1960 folgten
viel beim „essen gehen“.
der Zuwanderung im Ruhrgebiet und im
ähnliche Abkommen mit Griechenland und
Speziellen in der Dortmunder Nordstadt mit
Spanien, bevor im Jahr darauf mit dem
dem Thema „Küche, Kultur und Kommunika-
Abkommen zwischen Deutschland und der
tion“ zu „erlaufen“, scheint im ersten Moment
Türkei die Arbeitsmigration einsetzte, die
ungewöhnlich: Wir gehen auf „Gastrosafari“.
auch die Dortmunder Nordstadt bis heute
Die Idee zu kulinarischen Nordstadttouren
30
vielleicht am stärksten prägt.
Rund dreieinhalb Stunden dauert die Reise durch jeweils vier Länder(-küchen), kurzweilig gestaltet mit Bildern, Geschichten und Kuriositäten. Dabei gewählt werden zwischen „Lecker is‘ datt 1 – Gastrosafari am Borsigplatz“ mit den Ländern Spanien,
entstand vor etwa sieben Jahren. Hinter ih-
Bei den Rundgängen werden die Herkunft ei-
„Ruhrgebiet“, Italien und der Türkei sowie
nen verbergen sich Annette Kritzler und Anet-
nes Gerichts – garniert mit Geschichten und
„Lecker is datt 2 – Gastrosafari im Münster-
te Plümpe, die Erlebnisstadtführungen durch
Anekdoten – mit den historischen Rahmen-
straßenviertel“ mit Italien, Griechenland,
die drei Nordstadt-Quartiere Borsigplatz,
bedingungen der jeweiligen ersten Einwan-
dem Libanon und der Türkei. Ob die Taberna
Nordmarkt und Hafen unter der Überschrift
derungszeit verbunden. Hierbei wird der
Andaluza, das Caracalla oder der mythische
„Borsigplatz VerFührungen“ anbieten. „Wir
Brückenschlag zwischen Politik, Gesellschaft,
Gründungsort des BVB am Borsigplatz, das
waren der Meinung, dass sich das Thema
Wirtschaft und dem damit einhergehenden
heutige „Pommes Rot Weiß“ – die Besucher
Zuwanderung auch ganz anders in den Fokus
kulturellen Wandel vollzogen. Selten kann
erwartet ein Vier-Gänge-Menü an vier unter-
rücken lässt – und das geschieht wunderbar
man sich so lehrreich den Bauch vollschlagen,
schiedlichen Orten, so bunt wie die Nord-
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26.11.16 HAGEN 02.12.16 BOCHUM
09.12.16 HAGEN 10.12.16 BOCHUM
10.11.16 ESSEN 04.02.17 DORTMUND
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sowie an allen bek. Vorverkaufsstellen. TICKETHOTLINE 06073-722 740
stadt und gespickt mit kleinen Köstlichkeiten und Gaumenfreuden. Dazu kommen die kleinen Anekdoten: Wie haben die Deutschen auf den Pfannkuchen mit der Tomatensoße reagiert? Warum ist die Currywurst auch ein Migrant? Oder: Wie das Essen den kulturellen Wandel mitgeprägt. Es ist eine bunte, facettenreiche kulinarische Entdeckungsreise, bei der man nebenbei viel über kulturelle Vielfalt, andere Essgewohnheiten und ruhrgebietstypische Eigenarten erfahren kann – selbst als Dortmunder. Generell gilt aber auch: Man sollte sich frühzeitig anmelden, die Termine sind schnell ausgebucht. Borsigplatz VerFührungen 7.10. und 9.12., jeweils 18 Uhr: „Lecker is‘ datt 1“ Gastrosafari am Borsigplatz 11.11., 18 Uhr: „Lecker is datt 2“ Gastrosafari im Münsterstraßenviertel Individuelle Gruppenführungen mit Wunschtermin ab 10 Personen, max. 15 Personen möglich. Infos: www.borsigplatz-verfuehrung.de 31
REPORTAGE
NO MÜLL
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L TODAY!
Leben, ohne Müll zu produzieren – Vanessa Riechmann und Erdmuthe Kriener schaffen das. Fast zumindest. Ihr monatlicher Abfall passt in ein Marmeladenglas. Wir wollten wissen, warum die beiden Hamburgerinnen müllfrei leben wollen und wie das funktioniert. Von Simone Deckner | Fotos: Mauricio Bustamante
V
anessa Riechmann kann Menschen verstehen, die sie für eine Spinnerin halten. „Manchmal denke ich auch, ich spinne“, sagt die 35-Jähri-
ge. Dabei führen Vanessa Riechmann und ihre Freundin und Kollegin Erdmuthe Kriener ein stinknormales Leben. Bis auf die Tatsache, dass sie so gut wie keinen Müll produzieren. „Zero Waste“, also kein Abfall, heißt die Bewegung. Sie kommt, wie soll es anders sein, aus Amerika. 2006 beginnt Bea Johnson damit, ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Der Auslöser: Ein Umzug von einem großen in ein sehr viel kleineres Haus. Zunächst lagert die vierköpfige Familie 80 Prozent ihres Hab und Gut zwischen. Bis sie merken: Wir kommen auch ganz gut ohne all die Dinge aus. Bea Johnson wird nachdenklich: Was brauchen wir wirklich zum Leben? Können wir unseren Müll radikal reduzieren? Ihre eindeutige Antwort: Und ob! Vanessa Riechmann sieht eines Abends eine Dokumentation auf 3sat. Danach ist nichts mehr wie zuvor. Die Doku handelt von einer Familie aus Hamburg, die für vier Wochen probiert, ohne Plastik zu leben. Nachdem sie 50 Kisten voll mit Kinderspielzeug, Küchenutensilien und anderem Kunststoffkram aus dem Haus geräumt haben, sieht man die Familie leicht überfordert am Küchentisch sitzen. Ob Käse, Wurst, Kosmetik oder CDs – fast alles ist in Plastik verpackt. Kann man ihm überhaupt entkommen? Begleitet wird der Test von einer Toxikologin des Umweltbundesamtes. Sie untersucht Urin und Blut der Familie auf Schadstoffe. Denn in Plastik sind Stoffe wie Phthalate (Weichmacher) und Bisphenol A (wird zur Kunststoffherstellung genutzt) enthalten, denen eine gesundheitsgefährdende Wirkung nachgesagt wird. Neue Studien deuten darauf hin, dass es einen Zusammenhang geben könnte zwischen erhöhten Bisphenol-A-Werten und Diabetes sowie Störungen der Fruchtbarkeit bei Männern. In Babyfläschchen darf der Stoff EU-weit schon seit 2011 nicht mehr verwendet werden. Das Vorher-Nachher-Ergebnis bei der Testfamilie ist eindeutig: Während anfangs noch deutliche Spuren von Phthalaten und Bisphenol A nachzuweisen sind, nehmen diese in der plastikfreien Zeit um bis zu 80 Prozent ab. Dabei war die Familie überzeugt, schon ziemlich gesund zu leben. „Da bei dieser Familie die Werte so stark sanken, war mir klar: Ich will etwas ändern“, sagt Vanessa Riechmann. Der Zeitpunkt passte: Riechmann und Kriener, die sich 2011 als Musicaldarstellerinnen bei „Sister Act“ kennenlernten, haben gerade zwei Monate Pause zwischen
33
REPORTAGE
Engagements. Sie machen zusammen Sport („Man muss ja fit bleiben“), setzen sich danach ins Café und quatschen. Vor allem übers Kochen und Essen. „Wir haben uns da so hochgeschaukelt“, sagt Erdmuthe Kriener. Während Freundin Vanessa sehr auf ihre Gesundheit achtet, treibt die 31-Jährige etwas anderes an: „Ich will einfach nicht, dass der ganze Müll in den Weltmeeren landet.“ Anfang des Jahres wurde eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass im Jahr 2050 im Meer schon mehr Plastik schwimmen könnte als Fische. Jährlich landen rund neun Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen. Dabei benötigt eine Plastiktüte rund 450 Jahre, bis sie zersetzt ist. Meeresvögel verwechseln den Müll oftmals mit Nahrung: Bis zu 100.000 Tiere verenden daran jährlich, so der NABU, auch Delfine und Schildkröten verheddern sich in den Resten. Oder der Plastikmüll landet in Form von zersetzten Mikroplastikkügelchen in den Mägen der Fische und so am Ende auch wieder bei uns auf dem Tisch. Erdmuthe Kriener verdankt nicht nur ihren ungewöhnlichen Vornamen
Der Wochenmarkt wird zum Lieblingstreffpunkt der Freundinnen. Nicht
ihren Eltern („Man kann sie schon als Hippies bezeichnen.“), auch ihre
nur, weil sie hier problemlos unverpacktes Obst, Gemüse und Brot be-
Einstellung: Die Milch holten sie früher immer direkt vom Bauernhof.
kommen. Auch Käse, Fisch und Fleisch – wenn auch nicht auf Anhieb: „Ich
Einkaufen kennt sie sowieso nur mit Jutebeutel oder Korb. „Ich habe das
war da anfangs sehr schüchtern“, sagt Erdmuthe Kriener. „Okay, wenn
nie verstanden, wieso ich da jedes Mal eine neue Plastiktüte mitnehmen
Sie das nicht unverpackt haben, dann kaufe ich nichts, danke!“, sei ihre
sollte“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Darüber, dass mit REWE erstmals
Standardantwort gewesen. Ihre Freundin Vanessa ist da deutlich for-
eine große Supermarktkette freiwillig auf Plastiktüten verzichtet, freut
scher unterwegs. „Die geht einfach hin und sagt: ,Ich möchte das gern in
sie sich. Das bedeutet ein Minus von 140 Millionen Plastiktüten im Jahr.
meine Dose!‘“ Eigentlich dürfen selbst mitgebrachte Gefäße aus lebens-
Insgesamt werden in Deutschland allerdings circa sechs Milliarden Tüten
mittelrechtlichen Gründen nicht hinter den Verkaufstresen gelangen.
ausgegeben. Die Tüten waren nicht das Problem, als Erdmuthe Kriener und Vanessa Riechmann im Sommer 2015 beschlossen, auf Plastik zu verzichten
Aber es gibt einen kleinen Trick: Man kann das Gefäß auf die Theke stel-
und so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Das Tomatenmark schon.
len und den Verkäufer bitten, die Ware selbst hineinzulegen. „Manche
„Das habe ich am Anfang sehr vermisst“, sagt Erdmuthe Kriener. „Das gibt
drücken da ein Auge zu“, sagt Erdmuthe Kriener. Doch nicht immer läuft
es ja standardmäßig in der Tube oder in der Dose. „Irgendwann fragte ihr
es glatt: „Im Supermarkt wollte Vanessa einmal Wurst in ihre Dose fül-
Freund im Biomarkt einfach mal nach. „Und siehe da: Auch Tomatenmark
len lassen, doch der Verkäufer weigerte sich. Außerdem meckerte er, das
gibt es im Glas. Man muss nur mit offenen Augen durch die Stadt laufen.“
sei doch sowieso nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
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Vanessa Riechmann und Erdmuthe Kriener schaffen das – ihr monatlicher Abfall passt in ein Marmeladenglas.
Nicht nur Verkäufer reagieren so. „Sehr skeptisch“ seien Freunde und Familie anfangs gewesen, als die Freundinnen von ihrem Plan erzählten. Der Satz, den Erdmuthe und Vanessa am häufigsten zu hören bekommen: „Ich könnte das nicht!“, direkt gefolgt von: „Das ist aber bestimmt total teuer und zeitaufwändig!“ Andere sagen, es sei kein Wunder, dass die zwei nicht mehr als ein Marmeladenglas Müll pro Monat produzieren, sie hätten ja keine Kinder. Mit der Kritik können die zwei Freundinnen leben. Gut sogar, denn: „Was wir nicht wollen: Leute missionieren“, sagt Erdmuthe Kriener. Von heute auf morgen sind auch sie nicht zu Müllvermeiderinnen geworden. Worüber sie sich aber freuen: Wenn sie andere inspirieren – und sei es nur, eine eigene Wasserflasche zu benutzen statt sich immer wieder neue, kleine Trinkwasserfläschchen zu kaufen. Ihr Start sah so aus: Sie brauchten alle Lebensmittel auf, die noch in Plastik verpackt waren. Verschenkten ihre Tupperware. Stellten eigene Zahncreme und Deos her. Durchsuchten die Keller ihrer Schwiegermütter nach Einweckgläsern. Und fanden Läden, in denen man unverpackte Ware einkaufen kann. Ihre Erfahrungen teilen sie in ihrem Blog „Alternulltiv“. Gerade ist Vanessa Riechmann beruflich in der Schweiz und ein bisschen verzweifelt. „Hier ist es wirklich eine große Herausforderung, müllarm zu leben, nicht so wie in Hamburg.“ Besonders diszipliniert oder reich müsse man für ein müllfreies Leben auch nicht sein: „Man braucht lediglich den Willen, eine Umgewöhnungsphase und ein Auge dafür.“ Erdmuthe Kriener ist sich sicher: „Es gibt kein Zurück mehr.“ Wieso auch? „Uns geht es jetzt viel besser.“ www.alternulltivhamburg.blogspot.de Mit freundlicher Genehmigung von INSP.ngo / Hinz und Kunzt
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Brecht ? Jelinek ? Böll ? Die kenne ich aus dem Maschinenbaustudium.
www.fh-dortmund.de/bodo_theater 35
NETZWELT
KINOTIPP
sweetSixteen-Kino im Depot & bodo präsentieren: Köpek – Geschichten aus Istanbul „Köpek“ ist das türkische Wort für „Hund“. Der gleichnamige Film erzählt Geschichten aus Istanbul von Menschen, die wie Hunde behandelt werden. Der zehnjährige Cemo verkauft Papiertaschentücher auf der Straße und trägt zum Lebensunterhalt
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
App: Steinwache
seiner Familie bei. Er verehrt ein Mädchen
Seit 1992 beherbergt die Dortmunder Mahn- und Gedenkstätte Steinwache auf der
wird von ihrem ungeliebten Ehemann ter-
Nordseite des Hauptbahnhofs die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dort-
rorisiert. Als ihr ehemaliger Verlobter den
mund 1933 – 1945“. Im Gebäude des ehemaligen Gestapo-Gefängnisses beschreibt die
Kontakt wieder sucht, verabreden sie sich
Ausstellung anhand vieler Fotos, historischer Exponate und mit Hilfe von Zeitzeugenbe-
zu einem heimlichen Treffen. Die transse-
richten die Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung und des Widerstands in
xuelle Ebru prostituiert sich, um über die
Dortmund und der Region.
Runden zu kommen. Sie liebt einen Mann,
Wer sich, anstatt die Ausstellung zu besuchen, lieber eigenständig im Stadtgebiet bewegen möchte, um sich mit der Geschichte der NS-Verfolgung in Dortmund auseinanderzusetzen, bekommt mit der App der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache dazu allerlei nützliche Informationen an die Hand. In der App findet man in der Kategorie „Orte“ eine Übersicht verschiedener Stätten nationalsozialistischer Verfolgung. Von der Bücherverbrennung vor 50.000 Zuschauern auf dem Hansaplatz im Mai 1933 über die
nicht mit ihm in Kontakt kommen. Hayat
der sich in der Öffentlichkeit nicht zu ihr bekennt. Die drei setzen alles daran, dass sich ihre Sehnsucht nach Liebe erfüllt, wenn auch nur für einen Moment. Ein einziges Mal kreuzen sich ihre Geschichten, alle werden tragisch enden.
Gestapozentrale in Hörde und die Deportationen vom Südbahnhof bis hin zur „Pro-
„Köpek“ ist ein aufwühlender Film über
vinzialheilanstallt Aplerbeck“, in der bis Kriegsende über 200 Säuglinge, Kinder und
Menschen, die unter den überkommenen
Jugendliche im Zuge des Euthanasieprogramms ermordet wurden, erläutert die App
Gesellschaftsstrukturen der Türkei leiden.
den geschichtlichen Hintergrund vieler verschiedener Orte in Dortmund anhand kurzer
Authentisch und mit einem aufmerksamen
Infotexte und mit weiterführendem Bildmaterial.
Blick für die Poesie des Alltags erzählt der
In der Kategorie „Stolpersteine“ verortet die Smartphone-Software die zahlreichen Gedenksteine aus Beton und Messing, die seit 2005 für die zahlreichen lokalen NS-Opfer in Dortmund und der näheren Umgebung verlegt wurden. Alle erfassten Orte lassen sich auf einer Karte anzeigen oder direkt anpeilen und laden so dazu ein, die Geschichte der eigenen Nachbarschaft zu erkunden. „Neben den verschiedenen Orten findet man in unserer App auch eine Übersicht der Veranstaltungen, die in der Steinwache stattfinden“, so Markus Günnewig, stellvertretender Leiter der Mahn- und Gedenkstätte. Schnell wird bei der Nutzung deutlich, dass die Verfolgung durch das NS-Regime überall
Ma
rk
Gü
us
36
aus einem besseren Quartier, kann aber
nn
e w ig
Film von Esen Isık zärtliche und bewegende Geschichten über Liebe, Tod und die türkische Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Köpek erhielt den Schweizer Filmpreis als bester Spielfilm, Beren Tuna den als beste Darstellerin. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir ist Schirmherr des Films. Ab Donnerstag, den 13.10. (Bundesstart). Alle Termine: www.sweetSixteen-Kino.de
in Dortmund stattgefunden hat und sich längst nicht nur auf
sweetSixteen-Kino im Depot
das ehemalige Gestapo-Gefängnis Steinwache reduzieren
Immermannstr. 29, 44147 Dortmund
lässt. Die App findet man sowohl für Android als auch für iOS
Telefon 0231 – 910 66 23
im jeweiligen App-Store. (sese)
info@sweetsixteen-kino.de www.facebook.com/sweetSixteenKino
BÜCHER
Gelesen von Bastian Pütter
Die Medien, die wir verdienen Eins der klügsten Bücher zur gegenwär-
Wir schaffen was
Tische sind Böden auf Beinen
David Schraven hat ihn für das Recher-
Henning Sußebach kommt aus Bochum
Es sind vor allem publikumserprobte
chenetzwerk „Correctiv!“ übersetzt und
und studierte in Dortmund Journalistik.
Bühnentexte, die Sebastian 23 in diesem
herausgegeben.
Seit 15 Jahren arbeitet er bei der Wochen-
Buch mit dem hinreißenden Titel versam-
zeitung „Die Zeit“ und erhielt seitdem
melt hat. Und das merkt man auch. Der
beinahe alle relevanten Journalistenpreise.
Bochumer gehört zur allerersten Reihe des
Sein aktuelles Buch ist eine Co-Produktion.
Poetry-Slams, der Vortragskunstform, die
tigen Glaubwürdigkeitskrise der Medien hat die US-Radiomoderatorin Brooke Gladstone geschrieben. Es ist ein Comic.
Auf den schwarz-weiß-türkisen Panels des Zeichners Josh Neufeld begibt sich die Autorin selbst als Heldin auf einen
es längst aus den Studentenkneipen in
Parforceritt durch die Mediengeschichte:
Für den aus Syrien geflüchteten Studenten
Von den Maya über Jefferson, Watergate,
Amir Baitar räumten Henning Sußebach
9/11 bis in die Echokammern des Internets.
und seine Frau Ende 2015 ihr Arbeitszim-
Unaufgeregt erklärt sie, welche Faktoren
mer. Abwechselnd berichten der Journalist
Berichterstattung beeinflussen, welche
und der Student von ihrem Leben unter
Abhängigkeiten sie gefährden. Und erteilt
einem Dach, von der unerwarteten Irrita-
gleichzeitig aller Niedergangsrhetorik eine
tion angesichts der Tiefe des kulturellen
Wortakrobatische Miniaturen, Vokalgedich-
Absage. Früher war eben nicht alles besser.
Grabens und von den Hürden im Alltag.
te, schräge Kurzgeschichten, absurde Dialo-
Die „überholte Idee“ einer journalistischen
Auf der einen Seite der Deutsche, dem sein
Objektivität verwirft sie wie die trügerische
fundamentales Unwissen über den Islam
Vorstellung von Neutralität und plädiert
und die arabische Welt bewusst wird.
dafür, sie einzutauschen gegen Transparenz
Auf der anderen Seite der junge Syrer, der
in der Arbeit, gegen einen offenen Umgang
auch von der vermeintlichen Regel- und
mit Quellen, Interessen und Positionen.
Gottlosigkeit der deutschen Gast-„Eltern“
Denn: Der „Beeinflussungsapparat“, die gro-
überfordert ist. Sußebach beschreibt, wie
ße Verschwörung einer gelenkten Medien-
angesichts der strengen Religiosität plötz-
maschine existiert nicht. Im Gegenteil: „Die
lich Misstrauen aufkommt, Baitar, wie etwa
Medien kontrollieren uns nicht. Sie biedern
nach der Kölner Silvesternacht neue Distanz
sich uns an.“ Ein Buch, so klug wie leicht-
entsteht. Dass die beiden sich aufeinan-
füßig, so meinungsstark wie mitreißend.
der einlassen, voneinander lernen – seine
Wohlbemerkt: in Comic-Form.
Syrifizierung nennt Sußebach das – verän-
Gute Unterhaltung und ein sehr gutes Ar-
dert beide. Eine gute, weil so bedingungslos
gument, eine Karte für Sebastians nächste
ehrliche Geschichte.
„SoloSlamShow“ zu besorgen.
wie sie unsere Gesellschaft manipulieren
Amir Baitar, Henning Sußebach | Unter einem
Sebastian 23
und wie wir dazu beitragen.
Dach. Ein Syrer und ein Deutscher erzählen
Hinfallen ist wie anlehnen, nur später
ISBN 978-3-9817400-04
ISBN: 978-3-498-06445-7
ISBN 978-395461-081-5
Correctiv | 20 Euro
Rowohlt | 19,95 Euro
Lektora | 9,95 Euro
Brooke Gladstone | Der Beeinflussungsapparat. Wie Massenmedien funktionieren,
die große Hallen und auf den Bildschirm geschafft hat. Der studierte Philosoph, den wir im Augustheft porträtiert haben, tourt inzwischen auch mit abendfüllenden Programmen und sammelt Kabarettpreise.
ge, Pointenreiches: Die Texte sind „Hinfallen ist wie anlehnen, nur später“ sind eher verspielt als albern, klug, aber mit dem nötigen Unernst. In der formalen Offenheit und in den bewussten Brüchen erkennt man noch die Interaktion mit dem Bühnenpublikum und hat entweder den stets verschmitzten Blick des Autors vor Augen oder ertappt sich selbst beim laut Lesen: „Bäume sind Büsche auf Balken / Schrauben sind Nägel mit Falten / … / Beine sind Arme zum Laufen / Mauern sind sehr grade Haufen“.
37
REPORTAGE
Rapper sind die Dichter der Neuzeit. Das ist eine These von „Haftbefehl“, in unseren Breitengraden einer der populärsten Typen des Hip Hop-Genres. Auch im Ruhrgebiet gibt es eine spannende Sprechgesang-Riege, die ihre wortgewaltigen Vorträge in einem komplexen Soundkorsett präsentiert. Wir haben uns stellvertretend mit den Dortmundern Schlakks und Gold Roger sowie mit „2Seiten“ aus Dorsten getroffen. Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski
F
trägt meist ein Sakko und ein feines Ober-
hemd mit Fliege, seine Ausdrucksweise ist gewählt und elegant.
Mit „58 Gründe mehr“ hat 2Seiten im letzten
Jahr ein Album in der Art der amerikanischen
Native Tongue Family heraus gebracht. Wie die amerikanischen Genregrößen De La Soul oder A Tribe Called Quest stellt er Einsichten
aus seiner nicht immer geradeaus denken-
den Innenwelt dar. Lesen, Joggen und Nachrüher hießen die Ruhrpott-Rap-Ver-
denken gehören neben der Musik zu seinen
(Bochum) oder Creutzfeld & Jakob
Zeit für mich“, sagt Bülent. Sein Reim-Flow
von Too Strong sind heute in bürgerlichen
als Poetry-Slammer auftritt, ein ganz beson-
für Lacksprühdosen unterwegs. Ihr letz-
Spoken-Word-Kollege Sebastian 23: „Ich bin
hieß „Rap Music is Life Music“ und diese
Art, mit dem Sprachfluss umzugehen. Seine
stammenden 2Seiten zu treffen – kein
ist auch innerhalb gewohnter Denkweisen
keine grob inszenierte Männlichkeit. Bü-
ist irre: Er öffnet sich thematisch ganz ande-
treter Too Strong (Dortmund), RAG
bevorzugten Interessen. „Ich brauche viel
(Witten). Die Rapper Doze und der Lange
gibt ihm dabei Recht. Dass Bülent, der auch
Berufen als Dachdecker oder als Vertreter
derer Sprachkünstler ist, bestätigt auch sein
tes reguläres Album aus dem Jahr 2009
ein großer Fan, Bülent hat eine einzigartige
Losung könnte auch auf den aus Dorsten
Reimstrukturen sind ungewöhnlich, denn er
Kapuzenpullover, kein Baseball-Cap und
sehr offen. Auch wie er an Hip Hop rangeht,
lent Demirtas, so sein bürgerlicher Name,
ren Feldern. So macht er Lieder über bipolare
INTERVIEW
Störungen oder entwirft Plots um psychologische Themen. Bei ihm geht es nie darum,
„Hip Hop spricht zu allen“ Aus amerikanischen Ghettos in die internati-
Auf ganz unterschiedlichen Wegen. Als
verworren und vielschichtig. Im bodo-Inter-
Startschuss gelten oft zwei amerikanische
view spricht die Dortmunder Amerikanistin
Filme, die in Deutschland im Fernsehen und
Sina Nitzsche über die Geschichte und Bedeu-
im Kino liefen: „Wild Style“ von 1983 und „Beat
tung der Kunstform im Ruhrgebiet.
Street“ von 1984. Darin geht es hauptsächlich
Text und Foto: Felix Huesmann
38
Wie ist Hip Hop nach Deutschland gekommen?
onalen Charts. Die Geschichte des Hip Hop ist
um Rap, DJing, Graffiti und Breakdance. Für
Hip Hop im Ruhrgebiet Szenetipp mit Ecken und Kanten mit tollen Autos anzugeben oder wie viele seiner Gegner er schon niedergemäht hat.“
Wir ziehen weiter zum Dortmunder Nord-
markt. Zu oft wird dieser öffentliche Platz medial als graues Sozialdrama mit Neben-
musik und unverschämt galligen Rapbeats.
verschiedene Genres und Unterscheidungen
eine ganz eigene Meinung: „Hip Hop ist
kalpatriotismus zum Beispiel tue ich mich
Zur Hip Hop-Szene im Ruhrgebiet hat er
generell überall eine sehr heterogene Szene, nicht nur im Ruhrgebiet. Es gibt so viele
innerhalb der Szene. Mit übertriebenem Lopersönlich ein bisschen schwer. Man kann
wirkungen ausgeschlachtet. Hier treffen
wir auf Schlakks, der gleich um die Ecke
wohnt, und gehen mit ihm in ein portugiesi-
sches Straßencafé. „Ich finde es sehr beson-
ders, dass gerade hier in der Dortmunder Nordstadt das Leben draußen stattfindet“, sagt Schlakks. „Woanders, in den Vororten,
siehst du ja fast niemanden mehr auf der Straße.“ Er ist ein unaufgeregter Typ und heißt eigentlich Frederik Schreiber.
2Seiten
Seit er Anfang 2011 sein Debüt-Album „Menschlich“ veröffentlichte, wird die Aufmerk-
samkeit um seine Person immer größer. Seine Musik speist sich schon mal aus Welt-
im Strukturwandel. Texte über Armut, Perspekviele Kids waren sie die Initialzündung, denn
Hip Hop ist in den USA als schwarze Subkultur
tivlosigkeit, aber auch Lokalpatriotismus haben
sie hatten sowas vorher noch nie gesehen. In
vor allem in armen Vierteln in New York und
Anklang bei den Arbeiterkids gefunden. Türki-
der amerikanischen Besatzungszone kam Hip
später auch in Los Angeles entstanden. Auch
sche Jugendliche identifizierten sich zum Bei-
Hop auch über die Militärbasen nach Deutsch-
das Ruhrgebiet verbindet man oft mit Armut,
spiel mit den afroamerikanischen oder puerto-
land. GIs haben ihre Musik in den Clubs ge-
Einwanderung, Perspektivlosigkeit. Gibt es da
ricanischen Charakteren in den Filmen, weil
spielt, in die auch die Einheimischen gekom-
auch in der Hip Hop-Kultur Parallelen?
sie vielleicht selbst Ausgrenzungserfahrungen
men sind. Und die dachten sich: Was ist denn das für eine geile Musik!
Ja, die gibt es durchaus. In den 80ern war
gemacht hatten. Das Schöne ist, dass Hip Hop
das Ruhrgebiet – ähnlich wie New York – mitten
gewissermaßen zu allen spricht: zu Kids aus der
39
REPORTAGE
ein positiv aufgeladenes Bewusstsein da-
So ist Hip Hop nicht nur für einen einge-
ist cool, wenn hier im Dortmunder Umfeld
den 1990er Jahren war das noch anders.
für haben, was um einen rum passiert. Es coole Musik entsteht. Aber ich mag das auch
nicht, wenn man sich als Stadt so aufbläht.
Lokaler Aktionismus ist doch einfach cooler.“ Und auch damit kennt er sich aus. Schlakks
bewohnt mit vielen Freunden aus der alternativen Szene ein Mehrfamilienhaus. Zu-
erfolgreich, während die Akteure aus dem
schworenen Zuhörerkreis zugänglich. In
Ruhrgebiet fast immer nur Szenetipps blie-
Damals gab es Zentren wie Stuttgart, wo
gen Strecke war fast niemand.
Max Herre, Massive Töne, Afrob oder die
ben. Kommerziell erfolgreich auf einer lan-
Fantastischen Vier herkommen, oder die
Denyo von den Beginnern sucht dafür nach
Fünf Sterne Deluxe, Deichkind oder die Be-
manchmal ziemlich voneinander entfernt,
Ironie-Hochburg Hamburg um Fettes Brot,
ginner. Allesamt waren sie dabei überaus
einer Erklärung: „Gewisse Subgenres liegen
zum Beispiel das Selfmade Records Univer-
dem ist er seit vier Jahren Mitbetreiber des Clubs Rekorder im Dortmunder Hafenvier-
tel und das Label, das sich um ihn kümmert
(„Tanz auf Ruinen“), vertreibt auch Upcy-
cling-Produkte wie Schlüsselanhänger aus alten Fahrradschläuchen oder Handtaschen
aus alten Landkarten. Schlakks ist eine Mischung aus Freak und Filou. „Wenn du heute auf die Musik schaust, lösen sich die GenreVerschanzungen immer mehr auf.“
Schlakks
INTERVIEW
Mittelschicht, Kids aus Migrantenfamilien und sogar den Kids in der damaligen DDR. sche, vielfältige und großartige Szene, die viel Wie wichtig war und ist der Ruhrgebiets-Hip
mehr Aufmerksamkeit verdient.
ihre Herkunft und ihr Viertel, denn die Kultur
Hop über die Reviergrenzen hinaus?
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droht war. Die Leute waren trotzdem stolz auf
Genau wie das Ruhrgebiet in Deutschland
Im Hip Hop gibt es viele Hymnen auf Städte,
ist ganz fest mit dem urbanen Raum verbun-
ist auch Hip Hop aus dem Ruhrgebiet eher der
die in anderen Genres nicht denkbar wären.
den: Graffiti-Künstler markieren ihr Territo-
Underdog in der gesamtdeutschen Hip-Hop-
Nicht nur auf New York und Los Angeles, auch
rium, B-Boys verteidigen es mit ihrem Tanz.
Landschaft. Die klassischen Zentren sind u.a.
auf den Ruhrpott. Woher kommt dieses lokal-
Durch diese permanente Inszenierung des
Berlin, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt, Heidel-
patriotische Element?
eigenen Viertels setzt man dem schlechten
berg. Das Ruhrgebiet ist da oft zu Unrecht ein
Hip Hop ist in der New Yorker Bronx ent-
Image eine starke Botschaft entgegen: Das ist
blinder Fleck, denn es gibt hier eine dynami-
standen, die in den 1970ern vom Verfall be-
unser Viertel und das ist unsere Geschichte!
sum, das von Philip Dammann (von den aus
rappen würde.“ Sein letztes Album „Räu-
Aber dieses Bewusstsein, dass die Gesellschaft
Jakob) gegründet wurde. Das ist so weit ent-
Was muss gesellschaftlich nach einem Song
muss man in der Schule schon vermitteln.“
Witten stammenden Rappern Creutzfeld & fernt vom Hamburger Hip-Hop-Universum,
dass man teilweise vergisst, dass das auch eine große Daseinsberechtigung hat. Ich fin-
de aber, dass der Ruhrpott trotzdem ganz stark präsentiert ist.“
Dafür könnte zukünftig Gold Roger sorgen.
berleiter“ (2015) war sehr vielseitig angelegt. wie „Yunus“ passieren, in dem er am liebsten
eine rechte Gesinnung kollektiv verurteilt,
die Nazis vertreiben möchte? Gold Roger sagt
Im Oktober erscheint „Avrakadavra“ – hier
rauf wäre, den Bildungsetat aufzustocken. Es
Dieses Album zeigt einen sympathischen Men-
dazu: „Ich denke, die einfachste Antwort dagibt natürlich auch schlaue Faschisten, klar, so
einfach kann man sich das auch nicht machen.
mixt er viel Musik zu bunten Klangteppichen.
schen mit vielen Ecken und Kanten – und noch mehr Charme. Mehr muss Rap nicht leisten.
Wer den rappenden Nerd schon mal live er-
lebt hat, wird staunen. Der Junge aus dem Dortmunder Kreuzviertel, der zurzeit viel in
Köln unterwegs ist, ist smart und redege-
wandt. Er kann im Handumdrehen zu einem Thema improvisieren und hat auch immer eine knackige gesellschaftskritische These
parat. Mit der ersten Stereoanlage vor gut 20 Jahren wird Gold Roger „Ärzte“-Fan und entdeckt das Skaten für sich.
Gold Roger
Mit den ersten Räucherstäbchen wird die
Lieblingsmusik langsamer, und erste Reime werden ausprobiert. Als er 2010 die Musik
von Kendrick Lamar hört, macht es Klick: „Zum ersten Mal wusste ich, wie ich gern
Dieser Bezug auf das eigene Territorium ist
durchgeführt, in dem wir die Hip Hop-Kultur
Was für ein Potenzial hat Hip Hop für unsere
fest in die DNA von Hip Hop eingeschrieben.
im Ruhrgebiet erforscht haben. Sie haben wirk-
Gesellschaft?
Und den findet man dann auch bei einigen
lich tolle Interviews mit Künstlern geführt,
Gerade im Ruhrgebiet ist Hip Hop total
Künstlern aus dem Ruhrgebiet.
allerdings keine mit Frauen. Dabei hatten wir
wichtig für die Jugendarbeit. Anders als mit
vorher sogar darüber gesprochen, dass es gut
gewöhnlichem Schulunterricht erreicht man
Hip Hop gilt als Männerdomäne. Ist das im
wäre, z.B. auch ein paar B-Girls zu fragen. Die
zum Beispiel in Hip Hop-Workshops auch viele
Ruhrgebiet anders?
gibt es sicherlich, aber es ist schwieriger, sie
Kids, die vielleicht vorschnell als „schwierig“
Nein, leider nicht. Ich habe im Sommerse-
zu finden. Hip Hop im Revier ist männlich do-
bezeichnet werden. Da gibt es viele Chancen,
mester ein Projekt mit meinen Studierenden
miniert. Das ist hier nicht anders als im Rest
und Hip Hop könnte in dieser Hinsicht noch
Deutschlands und in den USA.
viel intensiver genutzt werden.
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KULTUR
Was für ein Theater Große Inszenierungen mit einem überschaubaren Budget hinzubekommen, das ist die Spezialität des Westfälischen Landestheaters (WLT) in Castrop-Rauxel. Die Spielstätten des Hauses sind dabei schonmal ungewöhnlich: Die Inszenierung von „Buddy Holly“ fand in einem unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Schwimmbad statt – und das Publikum verfolgte aus dem Becken das Stück. Für den kommenden Herbst präsentiert das Haus einen vollen Spielplan. Von Peter Hesse | Foto: Thaisen Stärke
Im Zeitalter leerer Kassen ein solides Programm
Kostüme wurden in der Werkstatt von der Ge-
zusammenzustellen, ist jedes Jahr eine neue He-
wandmeisterin Maud Herrlein geschneidert.
rausforderung. 30.000 Euro sind es, die das WLT im Zuge des Stärkungspaktes Stadtfinanzen in diesem Jahr einsparen muss. Doch das Ensemble lässt sich davon nicht aufhalten. „Seit 2001 führen wir jeden Sommer mindestens eine Premiere auf“, sagt der geschäftsführende Direktor Günter Wohlfahrt.
„Wir sind nur ein kleines Haus und können nur sehr begrenzt solche Highlights wie Buddy Holly bieten. Ansonsten reisen wir im Sommer durch die Region, wie nach Dorsten oder Recklinghausen“, kommentiert Günter Wohlfahrth. Das Haus besteht aus dem Abend-Theater und dem Kinder- und Jugend-Theater. „Unsere Stücke
Buddy – The Buddy Holly Story
In diesem Jahr waren es gleich zwei: „Der
gelten für die Altersklasse von zwei bis 99“, sagt
Nächste Aufführung am 23.10.
Meisterdetektiv Kalle Blomquist“ nach Astrid
der Schauspieldirektor. Die Spannbreite ist hoch:
im WLT Castrop-Rauxel
Lindgren und „Buddy – The Buddy Holly Story“
Klassiker wie Goethes „Faust“ finden sich genau
www.westfälisches-landestheater.de
von Alan Jones, die Lebensgeschichte des le-
so im Programm wie das Jugendstück „Stones“
gendären, 1959 bei einem Flugzeugabsturz im
von Tom Lycos, einem Stück über zwei Jugend-
Alter von nur 23 Jahren tödlich verunglückten,
liche, deren Hang zu gefährlichen Spielchen
Rockabilly-Songwriters, wurde 1989 in London
irgendwann ein Menschenleben fordert. „Wir
uraufgeführt und feierte auch am Broadway
legen sehr viel Wert auf die Hinführung zum
Erfolge. Im Parkbad lief es an drei Abenden
Theater und haben derzeit 15 Kooperationen
hintereinander vor ausverkauftem Haus.
mit Schulen und Kindergärten, die mindestens
Livebegleitung kommt von einer Band, zu der
einmal pro Spielzeit zu uns kommen“, erklärt
auch Rudy Marhold gehört, der sonst bei der
Wohlfahrt. „Oder wir kommen mit unseren
Götz-Alsmann-Band trommelt. Die liebevollen
Klassenzimmer-Inszenierungen zu ihnen.“
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Veranstaltet von Verein für Literatur e.V., Kulturbüro Stadt Dortmund, Stadt- und Landesibliothek, gefördert von Sparkasse Dortmund und Robert Bosch Stiftung 42
Chamisso-Tage an der Ruhr
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www.chamisso.ruhr
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wie ...... ! so ........
Mein Verkaufsplatz
Egon Rodenberg Center Dortmund-Aplerbeck Mehrmals pro Woche kommt Egon in der Anlaufstelle am Schwanenwall vorbei. Immer mit dabei: Mischlingshündin Hanni. Als wir ihn fragen, ob wir ihn nicht mal zu seinem Verkaufsplatz begleiten dürfen, willigte er sofort ein. „Klar, wieso nicht. Zeige ich euch mal mein Aplerbeck. Ich will grad eh zu mei-
An einem der letzten heißen Sommertage dieses Jahres haben wir bodo-Verkäufer Egon zu seinem Verkaufsplatz in Aplerbeck begleitet. War Egon früher noch in der Dortmunder Innenstadt anzutreffen, verkauft er mittlerweile regelmäßig vor dem Supermarkt im Rodenberg-Center. Text und Foto: Sebastian Sellhorst
nem Verkaufsplatz“, war er sofort mit dabei. Während wir uns gemeinsam auf den Weg
Als wir an dem großen Einkaufscenter
tens einen Unfall sehe. Aber das ist auch
zur Haltestelle Reinoldikirche machen,
ankommen, stehen neben dem Hauptein-
kein Wunder, bei den wenigen kostenlosen
nutzt Hanni jede Laterne und Häuserecke,
gang des Rewe-Markts bereits zwei Näpfe
Parkplätzen, die es hier noch gibt. Erst letz-
um eine ausgiebige Schnupperpause einzu-
mit Wasser und Hundefutter und ein großes
tens musste ich bei einem Unfall als Zeuge
legen. „Seit über sechs Jahren ist die Hanni
Hundekörbchen. Als Egon unsere überrasch-
aussagen.“
jetzt bei mir“, erzählt Egon, während wir
ten Blicke bemerkt, erklärt er uns, dass er
auf den Mischling warten. „Als sie klein war,
die Sachen tagsüber stehen lassen könne,
Während wir uns unterhalten, bleiben
habe ich sie von einem Freund bekommen.
auch wenn er nicht da ist, weil ihn hier eh
immer wieder Passanten und Kunden für
Eigentlich sollte ich nur ein paar Tage auf
jeder kenne. „Ich war heute Morgen schon
einen kleinen Plausch stehen. Die meisten
sie aufpassen, aber dann wollte sie einfach
hier und habe aufgebaut“, klärt er auf. Das
haben das Straßenmagazin zwar schon
nicht mehr weg.“
Hundefutter bekomme er meist von seinen
zu Beginn des Monats gekauft, aber eine
Kunden geschenkt. „Ich glaube, es gibt kaum
Kleinigkeit oder Zeit für eine Streichelein-
In Aplerbeck angekommen, machen wir uns
einen Hund, der es so gut hat wie Hanni“,
heit für Hanni haben die meisten trotzdem.
über Schleichwege und Abkürzungen auf
erzählt er und deutet auf die Hundedame,
Die stört sich dann auch nicht daran, dass
den Weg zum Rodenberg-Center. „Früher
die es sich mittlerweile in ihrem Körbchen
wir sie kurz alleine lassen, um noch einen
hab ich in der Innenstadt verkauft. Als ich
bequem gemacht hat und trotz regelmä-
Kaffee zu trinken, bevor wir uns wieder auf
hin und wieder hier in Aplerbeck einen
ßiger Hupkonzerte auf den angrenzenden
den Rückweg in die Innenstadt machen.
Freund besucht habe, fiel mir auf, dass
Parkplätzen anfängt zu dösen.
man hier auch ganz gut verkaufen könnte. Also habe ich es einfach mal probiert. Das
„Du glaubst nicht, was hier manchmal los
Gute ist auch, dass man sich hier nicht mit
ist“, berichtet Egon. „Erst vor ein paar Tagen
anderen Verkäufern in die Quere kommt. In
rollte hier ein Auto über den Platz, bei dem
der Innenstadt muss man sich ja immer ein
die Handbremse nicht angezogen wurde. Es
bisschen arrangieren. Das klappte damals
gab zum Glück nur Blechschäden.“ Sowas
zwar auch ganz gut, aber hier habe ich mei-
sehe er hier recht häufig. „Gerade am Wo-
ne eigene Ecke und meine Ruhe“, erzählt
chenende ist hier die Hölle los. Es vergeht
Egon, der zurzeit selbst in Aplerbeck lebt.
kaum eine Woche, in der ich nicht mindes43
SOZIALES
Eine leere Wohnung, kein Bodenbelag, Löcher in den Wänden und eine dicke Staubschicht auf den Fensterbänken: Ammar Al Sabbagh betrachtet sein neues Zuhause in Bochum. Im Juni ist er mit seiner Tochter ins Ruhrgebiet gezogen. Er hat eine Wohnung gefunden, seine Tochter geht zur Schule, und er bemüht sich um einen Integrationskurs. Aber jetzt sollen sie wieder weg. Grund dafür ist die Wohnsitzauflage im neuen Integrationsgesetz. Dabei will Al Sabbagh eigentlich nur eins – endlich ankommen. Von Maren Wenzel | Foto: Sebastian Sellhorst
Ammar
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Rückblick: Der 43-jährige Syrer ist wie viele im September 2015 mit
in Bochum sollen die beiden nur noch in Bad Doberan Leistungen be-
dem Zug in Dortmund angekommen. Es war ein guter erster Eindruck.
ziehen können. Keine Sozialleistungen – das bedeutet Umzugszwang.
Blumen, Schokolade, Willkommensplakate. Kurzes Verschnaufen und Ausruhen. Dann aber begann die lange Odyssee des Vaters und der Tochter durch die Bundesrepublik. Herne, Köln, Horst, Neubrandenburg, Rostock, Bad Doberan.
„Ich soll schon wieder von Null anfangen.“ So erfuhr Al Sabbagh vom Integrationsgesetz. Es ist ein Artikelgesetz. Das heißt, es ändert andere Gesetze, auch das Aufenthaltsgesetz. Am 6. August
Al Sabbagh hat in vielen deutschen Städten gewohnt – wenn auch un-
traten die Änderungen in Kraft, auch die Wohnsitzauflage. Konnten an-
freiwillig. Denn als Asylsuchender wird man Kommunen zugewiesen.
erkannte Flüchtlinge bislang ihren Wohnort in Deutschland frei wählen,
Per Transfer ging es von Unterkunft zu Unterkunft. Er hat mit seiner
werden sie jetzt für drei Jahre an Bundesländer gebunden. Und das rück-
will bleiben
wirkend: Alle, die 2016 die Anerkennung erhalten haben, sollen in dem Bundesland leben, in dem sie den Asylantrag gestellt haben. Als Ausnahmen sind bisher nur ein Ausbildungsplatz, ein Arbeitsplatz, ein Studienplatz oder direkte Verwandte in anderen Bundesländern anerkannt. Bei der Wohnsitzauflage geht es um Geld. Denn manche
12-jährigen Tochter in Zelthallen, einer Turnhalle, auf einem ehemaligen
Bundesländer und Kommunen, wie NRW und die Ruhrgebietsstädte, sind
Militärstützpunkt und in Wohnheimen gelebt. Immer nur für ein paar
für geflüchtete Menschen einfach attraktiver als andere. Die Pro-Kopf-
Monate, dann wurden sie wieder in einen Bus gesetzt. Solange ihr Antrag
Pauschale, die der Bund für die Lebens- und Unterbringungskosten der
lief, konnten sie nicht frei über ihren Wohnort entscheiden.
Menschen zahlt, geht aber bislang an die Kommune, die ihren Asylantrag bearbeitet haben. Statt das Geld umzuverteilen, entschloss sich die Po-
„Ich dachte nur: Wir müssen schnell weg von hier.“
litik, die Menschen zu verschieben. „Ich soll schon wieder von Null an-
Umso größer war die Erleichterung, als sie nach neun Monaten den
für meine Tochter und neue soziale Kontakte suchen“, sagt Al Sabbagh
grünen Ausweis aus Plastik in der Hand hielten, der sie als anerkannte
zur Wohnsitzauflage. Eine Wohnung braucht er aber auch, um den Rest
Flüchtlinge ausweist. Nun durften sie umziehen, wohin sie wollten. Und
seiner Familie nachzuholen. Seine Frau und die beiden Söhne (vier und 15
das wollten sie so schnell wie möglich. Zu diesem Zeitpunkt lebten sie in
Jahre) warten darauf, von Damaskus nach Deutschland nachzukommen.
Bad Doberan, einer Stadt mit 12.000 Einwohnern im Landkreis Rostock
In Bad Doberan wäre er wieder wohnungslos: „Ich habe meine Familie
in Mecklenburg-Vorpommern, die vor allem durch den G8-Gipfel im Jahr
seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Wie lange soll ich noch warten?“
fangen. Ich müsste dann schon wieder eine neue Wohnung, eine Schule
2007 bekannt geworden ist. Aber in Bad Doberan empfing sie niemand mit Blumen und Schokolade.
„Ich möchte, dass meine Familie hier lebt.“
Stattdessen musste die Tochter einen Übergriff durch Neonazis erleben.
Außerdem will Al Sabbagh nicht zurück nach Mecklenburg-Vorpommern,
Sie war mit zwei Nachbarskindern auf dem Weg zur Schule, als drei jun-
wo die rechtspopulistische AfD im September 21 Prozent der Stimmen bei
ge Männer sie mit rassistischen Parolen beschimpften und aufhielten.
den Landtagswahlen holte: „Ich habe dort Angst um die Sicherheit meiner
Die Mädchen konnten entkommen und Hilfe holen – ihr Freund wurde
Tochter. Ich habe dort auch keine Freunde, die mir helfen könnten. Ich möch-
ausgeraubt, geschlagen und mit einem Messer angegriffen. Seit dem
te, dass meine Familie hier lebt, weil diese Stadt freundlich zu Refugees ist.“
Vorfall bringt Al Sabbagh seine Tochter immer selbst zur Schule und holt sie wieder ab.
Al Sabbagh ist einer von schätzungsweise 800 Menschen in Bochum, die rückwirkend von der Auflage betroffen sind. Etwa 50 von ihnen haben
„Ich dachte damals nur: Wir müssen schnell weg von hier“, sagt Al Sab-
deshalb Ende August begonnen, vor dem Rathaus zu demonstrieren.
bagh heute. Also packten sie ihre Taschen und zogen ins Ruhrgebiet. Hier
Einige hatten bereits Briefe von der Ausländerbehörde erhalten, in de-
wohnt ein Cousin von Al Sabbagh. Das Ruhrgebiet, sagt er, sei außerdem
nen ihnen mitgeteilt wurde, zu welchem Datum sie die Stadt verlassen
bekannt für seine freundlichen Menschen. In Bochum wurden sie zu-
sollten. Nach 14 Tagen Protest hat die Verwaltung eine Entscheidung ge-
nächst im Kolpinghaus untergebracht. Von der Stadt unterstützt können
fällt. Bis zum 1. Dezember sollen die Menschen keine Aufforderung mehr
hier 52 Menschen schlafen – meist Suchterkrankte und Wohnungslose.
erhalten, die Stadt zu verlassen, wenn sie vor den Gesetzesänderungen am 6. August zugezogen sind. Alle, die danach gekommen sind, erhalten
Eine ehrenamtliche Helferin fand schließlich gemeinsam mit den beiden
weiterhin die Aufforderung umzuziehen.
eine Wohnung. Aber nur mit Hilfe eines Anwaltes bekam Al Sabbagh die Zusage vom Jobcenter, dass die Behörde die Kosten für die neue Woh-
Für Al Sabbagh heißt diese Nachricht, erst mal durchatmen. Er will jetzt
nung übernimmt. Trotzdem bekam Al Sabbagh von Juni bis August aber
seinen Antrag beim Jobcenter neu stellen. Und auch Geld für die Renovie-
keinen Termin, um den Antrag auf Arbeitslosengeld II einzureichen. Mo-
rung und Erstausstattung seiner neuen Wohnung beantragen, damit sie
nate ohne Geld von der Behörde vergingen. Als dann der Termin statt-
nicht länger leer steht. Aber die Unsicherheit bleibt. Denn die Entschei-
fand, kam der Schock: Ihr Antrag wurde abgelehnt. Inzwischen hatten
dung, ob er und seine Tochter in Bochum leben können, ist nur vertagt.
Bundestag und Bundesrat das „Integrationsgesetz“ verabschiedet. Statt
Bis dahin heißt es wieder: warten. 45
LESERSEITE
Engagierte Podiumsdiskussion zum Thema Asyl und „sichere Herkunftsstaaten“ im September bei „Djelem Djelem“, dem Roma-Kulturfestival in Dortmund, moderiert von Bastian Pütter (bodo e.V.): Mit Nizaqete Bislimi, Essener Anwältin und Romni aus dem Kosovo, mit Hasiba Dzemajlji, Sozialberaterin beim Rom e.V. Köln, und mit Emran Elmazi, Referatsleiter im Dokumentations- und Kulturzentrum des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Foto: Dustin Thiel
LESERPOST Transport-Team: Hi liebe bodos, im August hat das
angekommen, und ich habe das Heft von vorn bis
bodo-Transportteam meine(n) Umzug/Wohnungs-
hinten gelesen. Es ist wirklich gut!
auflösung durchgeführt. Alles ist mehr als pünktlich,
Mit ganz vielen guten Wünschen für Sie alle und für
zuverlässig, zügig und reibungslos abgelaufen, und
Ihre tolle Arbeit grüße ich ganz herzlich, R.T, Borken
die Zeit mit den Jungs hat echt Spaß gemacht (trotz
bodo-schwatzgelb: Hallo bodo-Redaktion, als jahr-
der Hitze). Kurz: Absolut empfehlenswert, was da an Arbeit geleistet worden ist. Ich werde auf jeden Fall diesen bodo-Service weiterempfehlen. Nochmals großen Dank an die Truppe und die Verantwortlichen bei bodo. Macht weiter so, Leute ! Ein mehr als zufriedener Kunde und treuer bodo-Leser, T.D. Auswärts-Abo: Hallo, liebes bodo-Team, anlässlich
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zehntelanger Fan der „Schwatzgelben“ hat es mich besonders gefreut, ganz unverhofft ein Sonderheft von Euch zur Borussia in Händen zu halten. Eine tolle Kooperation mit den Experten von „schwatzgelb.de“ und ein wirklich gutes Magazin mit interessanten Hintergrundgeschichten. Und scheinbar auch ein Glücksbringer: Kaum hatte ich das Heft gekauft, begannen die Torfestivals von Warschau und Wolfsburg.
eines Besuchs bei meinem Patensohn und seiner
Weiter so BVB, weiter so bodo, B.F.
Frau habe ich Bekanntschaft mit der bodo gemacht
Verlosungsgewinn: Hiermit möchten wir uns ganz
und war auf Anhieb begeistert. Ich bin in Dortmund
herzlich für den tollen Abend im „Zauberkasten“ be-
geboren und habe die ersten 35 Jahre meines Lebens
danken. Helmut Sanftenschneider hat uns die Hitze
hier verbracht. Natürlich habe ich die Stadt und ganz
vergessen lassen. Die Besucher, deren gebuchte Plät-
besonders die Borussen noch tief im Herzen. Das
ze freiblieben, haben wirklich etwas verpasst.
Abo, das die Kinder mir geschenkt haben, ist gestern
Liebe Grüße, R.E. aus Herne
bodo dankt: Sparkasse Bochum Bettina Andre, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Dr. Josef Balzer, Snezka Barle, Thorsten Baulmann, Wolfgang Becker, Brigitte Behrend, Monika Bender, Petra Bender, Dr. Gerald Bernhard, Rainer Biel, Isabell Bikowski-Gauchel, Anita und Hans-Dieter Bischoff, Petra Bloch, Ole Eric Bogena, Kathrin Bohr, Barbara Bokel, Ingo Bolland, Dorothea Bomnüter, Karl Bongardt, Elsemarie Bork, Udo Bormann, Ulrike Bornemann, Ute Börner, Michael Buddenberg, Doris Buderus, Peter Buning, Daniel Büning, Andreas Bürgel, Helmut Buscha, Susanne Gisela Bzdzion, Christian Chammings, Friederike Claassen, Christine Dahms, Raphael Dammer, Petra Danielsen-Hardt, Georg Demling, Anita Diehn-Driessler, Andrea und Martin Dietz, Tanja Dissmer, Doris Doberstein, Brunhilde Dörscheln, Annette Düe, Ulrike Egbert, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Tobias Eule, Bernd Ewers, Christine Ferreau, Ralf Finke, Fabian Fluhme, Sulamith Frerich, Christa Friedrich, Friedrich Wilhelm Frühling, Ina und Gabriel Fuhler, Christa Fuhrländer, Rolf Geers, Ulrike Gensch, Ina und Arno Georg, Harald Gering, Daniela Gerull-Haas, Carsten Gniot, Nicole Goralski, Udo Greif, Marco Groger, Ralf Grote-Beverborg, Jörg Gruda, Jörg Gruda, Grünbau gGmbH, Christoph Grüter, Rüdiger Haag, Esther Hagemann, Silke Harborth, Annette und Reinhard Harte, Elsbeth und Gerhard Heiart, Barbara und Siegfried Heimann, Regina Höbel, Gabriele Hofmann, Nicole Hölter, Claudia und Markus Holtkamp, Wulf Homann, Erika Janssen, Andrea Joussen, Petra Karmainski, Astrid Kaspar, Doris und Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Klaus-Michael Kinzel, Carsten Klink, Lieselotte Koch, Christina Kolivopoulos, Helmut Konig, Andreas König, Helga Köster-Wais, Gero Krause, Annette Kritzler, Renate Krökel, Hannelore Kücker, Klaus-Martin Kwetkat, Dagmar und Eckard Labohm, Sandra und Friedrich Laker, Marlis Lange, Gabriele Elisabeth Langer, Peter Lasslop, Jochen Otto Ley, Katrin Lichtenstein, Edith Link, Heinz-Günter Lippacher, Annegret Malessa, Erika Maletz, Arne Malmsheimer, Ulrike Märkel, Mechthild Maschetzke, Christel und Rolf Maurer, Verena Mayer, Heide May-Rauterkus, Dolf Mehring, Annemarie Meiling, Jutta Meklenborg, H. M. Menze, Barbara Meyer, Stefan Meyer, Ingeborg Meyhoefer, Ute Michler, Susanne Mildner, Dirk Müller, Wolfgang Neuhaus, Christoph Neumann, Thomas Olschowy, Gertrud und Gerhard Ortland, Christa Patt, Gerd Pelzer, Carsten Piel, Rita Pilenko, Wiltraud Pohl, Dr. Sebastian Poschadel, Suzanne Präkelt, Anita und Rudolf Przygoda, Gerda Przytulski, Bastian Pütter, Sabine Raddatz, Hildegard Reinitz, Ursula Remer, Sandra Rettemeyer, Ute Röder-Bogumil, Ingo Rosner, Meike Ruße, Gabriela Schäfer, Christian Schäferkordt, Volker Schaika, Christian Scheer, Kathrin Scherbauer, Peter Schlender, Dirk Schmiedeskamp, Daniela Schmitz-Häbler, Herbert Schnier, Honda Motorradhaus Schomaker GmbH&CoKG, Nadja Schramm, Thomas Schröder, Hermann Schröder, Larissa Schulze, Dr. Karl-Heinz Schwieger, Hans-Georg Schwinn, Dr. Ludwig Seitz, Margret und Hansjörg Sellhorst, Dr. Sabine Siebel, Frank Siewert, Beate Skodzik, Ute Soth-Dykgers, Michael Stange, Dorothea Staudinger, Oliver Stiller, Rainer Stücker, Johannes Syre, Wulfhild Tank, Thomas Terbeck, Hannelore Thimm-Rasch, Anja Unverricht, Birgitte Velmer, Christel und Gerhard Volpers, Tamara Vorwald-Piepke, Jutta und Wido Wagner, Tanja Walter, Gabriele Elisabeth Weber, Barbara Weber, Christine Weber, Siegmar Welski, Ursula Wiedemann, Roswitha Wolf, Sandra Wortmann, Klaus Joachim Würpel
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1|2
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