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November 2015
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2
INHALT | EDITORIAL
04
Petra Reski Mit ihren Anti-Mafia-Reportagen und Geschichten über die Verstrickungen der deut-
schen Wirtschaft, Politik und Justiz mit der „ehrenwerten Familie“ sticht die Schriftstellerin und Journalistin Petra Reski in unser „watteweiches Gefühl der Sicherheit“. Von Antje Mosebach
12
Yazan Halwani Die international gefeierte Streetart des jungen libanesischen Künstlers
Yazan Halwani verbindet arabische Kalligraphie und westliche Porträtmalerei. In der Dortmunder Nordstadt erzählt nun eine ganze Hauswand eine Geschichte aus dem syrischen Bürgerkrieg.
18
Von Felix Huesmann
Campino Vom Partisanenlied „Sog nit kejnmal“ über Schönbergs „Ein Überlebender aus
Warschau“ bis zu Swing. Gemeinsam mit einem Symphonieorchester spielen die Toten Hosen von den Nazis als „entartet“ verfemte Musik. Ein Gespräch mit Campino über Antisemitismus und Engagement. Von Richard Diesing
36
Tobi Katze Kann man Depressionen ernst nehmen und gleichzeitig laut über sie lachen?
Offensichtlich. „Morgen ist leider auch noch ein Tag“ ist ein Roman voll absurdem Humor für alle, die glauben, Depression sei so etwas wie schlechte Laune. Ein Gespräch mit seinem Dortmunder Autor. Von Bastian Pütter
07 Straßenleben | Wohnraum für alle 07 Impressum 08 Neues von bodo 16 News 16 Kommentar | Im gefühlten Auftrag Liebe Leserinnen und Leser,
17 Recht | Babybettwäsche 17 Die Zahl | Das Foto
für uns beginnt spätestens mit dem Erscheinen des Novem-
22 Debatte | Hier spricht die Polizei
berheftes die aufregendste und auch die anstrengendste Zeit
23 Wilde Kräuter | Schlehe
des Jahres. Mit den fallenden Temperaturen steigt die Zahl
24 Veranstaltungskalender | Verlosungen
der Menschen, die zu uns kommen. Gleichzeitig lassen die
30 bodo geht aus | The Shakespeare
Herausforderungen der Flüchtlingskrise die Sorgen von Wohnungslosen in
32 Kultur | Bier, Kunst und Alchemie
den Hintergrund treten.
39 Rückblick | Die Hölle von Bochum 40 Netzwelt | refugeephrasebook.de
Petra Kohse schrieb dazu in der Frankfurter Rundschau: „Wenn man sieht, was
40 Kinotipp | Herr von Bohlen
der Wille zur Willkommenskultur auszurichten vermag, fragt man sich, warum
41 Bücher
sich bisher keine Versorgungs- oder Beherbergungskultur entwickelt hat? Könnte
42 Reportage | Podemos
es daran liegen, dass uns mit Asylbewerbern einfach mehr verbindet als mit Ob-
45 Verkäuferporträt | Ulrike
dachlosen? Jene, die bereit sind zu helfen (...), teilen mit den Herbeiströmenden ja
46 Leserpost | Comic
die Hoffnung, dass in unserer Gesellschaft jeder einen Platz finden kann.“
47 Spendenshop
Wohnungslose hingegen verweisen auf die Möglichkeit des Scheiterns, behaupten gar das Recht darauf, nicht zu hoffen. Petra Kohse: „Was Obdachlose im Alltag unsichtbar macht, ist wohl, dass sie ihre Existenz nicht als Projekt betrachten.“
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Jeder Einzelne, der zu uns kommt, ist es wert, angenommen zu werden – so, wie er oder sie ist. Rückschläge und Niederlagen gehören zu dieser Arbeit genau wie die Freude über Erreichtes, und – ob Sie‘s glauben oder nicht – eine ziemliche Menge Spaß. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de 3
MENSCHEN
„Ich lüge, um die Wahrheit zu erzählen“
Petra Reski:
„In Deutschland ist es besser, dass man die brauchbaren Leute kauft, statt sie einzuschüchtern.“
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Der Generalstaatsanwalt Arm in Arm mit der stadtbekannten Verteidigerin der Mafiabosse. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Nun, ist ja auch nur ein Roman. Oder? Petra Reski, deutsche Schriftstellerin und Journalistin, mehrfach ausgezeichnet für ihre Anti-Mafia-Reportagen und -Sachbücher, sticht mit ihren Geschichten in unser „watteweiches Gefühl der Sicherheit“ – denn: „Die Mafia ist in Deutschland seit 40 Jahren ein Teil der Gesellschaft“, wie sie weiß. Auch hier, im Ruhrgebiet. Von Antje Mosebach | Fotos: Sabrina Richmann
„Sie sind sehr mutig. Wirklich, sehr mutig!“
im Ruhrgebiet fällt. Grauer Himmel, eiskalt.
es immer machen. Es ging um die heutigen
Der Ausruf eines Zuschauers bei einer ihrer
Für die attraktive, zierliche 57-Jährige, die
Flüchtlinge. Da haben die ehemaligen Flücht-
Lesungen vor ein paar Jahren in Erfurt
gerade noch in Palermo, wo sie einen gro-
linge gegen die angeheiraten Westfalen ge-
mag sich für die meisten als Kompliment
ßen Mafia-Prozess beobachtet hat, im Meer
wettert: ,Ihr habt uns doch damals genauso
anhören. Petra Reski, die seit über 20 Jahren
gebadet hatte, ein kleiner Schock.
schlecht behandelt!‘“
weiß es besser: Das war eine Drohung. Sollen
Sie ist auf Lesetour mit ihrem zweiten Sere-
Petra Reskis Mutter teilt die Welt bis heute
sie. Die Hintergründe zu den Verstrickungen
na-Vitale-Roman und gerade für zwei Tage
ein in „wir“, Blutsverwandte, und „die
von Wirtschaft, Politik, Justiz und Mafia
bei ihrer Mutter in Kamen. Dort wurde sie
anderen“ – „ähnlich wie in Italien, wo es
liefert der Öffentlichkeit jetzt eine andere
1958 als Bergmannstochter geboren. Als ihr
die ,sangue di sangue, sangue di contratto
„falsche Blondine“: Reskis Romanfigur, die
Vater bei einem Grubenunglück ums Leben
(Blut vom Blut, vertragliches Blut)‘ gibt, das
sizilianische Staatsanwältin Serena Vitale,
kam, war sie drei. Ihr Zuhause ist Venedig, wo
ist mir sehr vertraut.“ So hoch sie den Wert
gebürtige Dortmunderin, ermittelt weiter.
Petra Reski, Freundin von Krimiautorin Don-
der Familie schätzt, das Familiengefühl,
Ist natürlich alles erfunden. Aber wahr.
na Leon, seit 1991 mit ihrem Mann lebt, „ei-
wenn alle aufeinandertreffen – es war die-
nem echten Venezianer“. Das Wort ‚Heimat‘
ser „amoralische Familiensinn“, nach außen
Wer ist die Frau, die sich von den Dro-
nimmt sie nicht so gern in den Mund. Schon
alles gut, aber innen harte Gesetze, den sie
hungen der „ehrenwerten Familie“, der
als Kind hatte sie sich nirgendwo zugehörig
bei der Lektüre des „Paten“ wiedertraf und
Clan-Mitglieder von Camorra, Cosa Nostra
gefühlt. „Ich war anders, meine Familie war
der sie zum „ersten Opfer der Mafiafolk-
und ‘Ndrangheta nicht einschüchtern lässt?
anders, hat anders gesprochen, hat anders
lore“ machte. Von Italien gänzlich unbe-
Die ihre Aufgabe als Journalistin darin
gelebt“: Ihre Mutter floh aus Schlesien, der
leckt fuhr die damals Zwanzigjährige mit
sieht, mit gut recherchiertem Material auf
Vater aus Ostpreußen, mit vielen Onkeln
ihrem Freund in einem R4 von Kamen nach
bestehende Gefahren hinzuweisen, anstatt
und Tanten. In ihrer großen Familie wurde
Corleone – und war zunächst enttäuscht.
nur über Urteile zu berichten? Wir treffen
im Gegensatz zu vielen anderen Familien, „in
Erst nach dem Studium kehrte sie zurück,
Petra Reski in einem Café in Dortmund an
denen geschwiegen wurde“, viel über Flucht
1989, als der „Frühling von Palermo“ in die
dem Tag, als der erste unerwartete Schnee
und Vertreibung geredet und gestritten.
Geschichte einging und sie für den „Stern“
Zuviel, für ihren Geschmack. „Ich bin als
eine Reportage machen sollte: „Es war das
Kind recht hart damit umgegangen und
erste Mal, dass ein nicht-mafioser Bürger-
habe ihnen gesagt, sie seien doch alle Nazis
meister gewählt wurde, die beiden später
gewesen.“ Gerade gestern noch ging es hoch
von der Mafia ermordeten Staatsanwälte
her: „Da haben wir rumgestritten, wie wir
Falcone und Borsellino ihre Mafiaprozesse
gegen die Mafia recherchiert und schreibt,
gewannen und eine starke Anti-Mafiabewegung Hoffnung ins Land brachte – da
Geboren: 1958 in Kamen Wohnort: Venedig Beruf: Journalistin, Schriftstellerin Spleen: lässt sich deutschen Kaffee nach Italien schicken Aktuelles Buch: Die Gesichter der Toten. Serena Vitales zweiter Fall.
wurde ich angefixt.“ Seitdem beobachtet, recherchiert und schreibt sie über die Mafia, u.a. für Die Zeit und GEO. Dafür taucht sie in Aktenberge, spricht mit Polizei und Staatsanwälten und
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MENSCHEN
„Man muss sich bewusst machen, dass die Mafia kein italienisches Problem ist.“
häuft ein Wissen an, das sein „psychologisches Ventil“ in der Schriftstellerei sucht. Und es kommt immer Neues hinzu. „Dabei sind es keine reinen Mafia-Geschichten. Es ist viel mehr.“ Denn die Mafia, so Reski, funktioniere nur, wenn gute Kontakte vorhanden sind, wenn das Schweigen an den richtigen Stellen funktioniert – und die Tentakeln reichten da weit und hoch in unsere Gesellschaft hinein. Mit viel Geld. „In Deutschland ist es besser, dass man die brauchbaren Leute kauft, statt sie einzuschüchtern.“ Das deutsche Gesetz sei eine Einladung für die Mafiosi: „Es behindert die polizeiliche Ermittlungsarbeit, schützt die Mafia, schützt die korrupten Politiker. Hier muss z.B. der Investor nicht beweisen, dass das Geld aus sauberen Quellen kommt.“ Sie empfiehlt, mal auf die Caterings für Wahlkampfpartys zu achten oder auf die „italienischen Feste“; mal zu hinterfragen, warum ausgerechnet diese Firma die Ausschreibung gewonnen hat, wer die Subunternehmer sind. Windkraftunternehmungen sind gerade aktuell. „Man muss sich bewusst machen, dass die Mafia kein italienisches Problem ist, auch wenn das die Mafiafolklore vermitteln will.“ Dass Petra Reski das Genre gewechselt hat, von Sachbuch zu Roman, hat auch mit der Demütigung zu tun, die sie vor einem deutschen Gericht erfahren hat, vor das sie der ehemalige Besitzer des berüchtigten Duisburger Mafia-Restaurants „Da Bruno“ gezerrt hatte. Obwohl sie fundiert recherchierte Fakten und Belege für ihr Buch verwandt hatte, sagt sie, mussten Passagen geschwärzt werden. Und den Polizeischutz bekam die Staatsanwältin, „nicht ich“. Jetzt kann die Schriftstellerin über die Mafia schreiben, was sie will: Handlungen und Personen sind frei erfunden. „Ohnehin sind die psychologischen Niederungen viel wichtiger“ – die charakterlichen Schwächen, aber auch Stärken. Und Petra Reski wird schreiben, frei nach dem französischen Schriftsteller Louis Aragon: „Ich lüge, um die Wahrheit zu erzählen.“ Denn wer wird, bitte schön, glauben, dass der Generalstaatsanwalt mit der Mafiaverteidigerin…
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STRASSENLEBEN
IMPRESSUM
Wohnraum für alle Längst ist auch im Ruhrgebiet der Wohnraum knapp. Um die günstigen Wohnungen konkurrieren die Armen mit den Neuen. Von den laut artikulierten Ängsten der bürgerlichen Mitte übertönt, drohen tatsächliche Verteilungskämpfe. Eine Steilvorlage für Populisten – aber auch Chance für eine soziale Kehrtwende in der Wohnungspolitik. Von Bastian Pütter | Foto: Sebastian Sellhorst
Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign 0231 – 106 38 31, info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Mariana Bittermann, René Boyke, Richard Diesing, Felix Huesmann, Wolfgang Kienast, Antje Mosebach, Bastian Pütter, Petra von Randow, Rosi, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Paul Ripke Fotos: Bianka Boyke (17), Gert Elsner (33), facebook (17), Felix Huesmann (3, 12, 13, 14, 15), Carla Meurer (19, 20), Reuters/Allesandro Bianchi (16), Reuters/Ina Fassbender (16), Reuters/Hannibal Hanschke (3, 18), Reuters/Heino Kalis (42, 43), Reuters/Marcelo Del Pozo (44), Sabrina Richmann (3, 4, 5, 6), Daniel Sadrowski (3, 30, 34, 36, 37, 38), Oliver Schaper (22), Sebastian Sellhorst (7, 8, 10, 11, 39, 45, 46), Claudia Siekarski (9, 11), Stefan Tuschy, Bande – für Gestaltung (23), Adolf Winkelmann (32) Cartoon: Volker Dornemann Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare (BO, DO und Umgebung) Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Dezember-Ausgabe 10.11. 2015 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 01.2015 Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kostenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert eingesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehalten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Allein in diesem Jahr fehlen bundesweit
zu machen. Die BAG W stellt zurecht klar:
140.000 Wohnungen, so eine Studie des
EU-Bürger und Asylbewerber spielten zwar
Pestel-Instituts (bodo 10/15). Der Dortmun-
eine Rolle als „Katalysator und Verstärker, die
der Wohnungsmarktbericht stellt eine „kon-
wesentlichen Ursachen liegen jedoch in einer
kurrierende Wohnraumnachfrage unter-
seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungspoli-
schiedlicher Personengruppen mit geringem
tik in Deutschland, in Verbindung mit einer
Einkommen“ fest. Eine Konkurrenz, die sich
unzureichenden Armutsbekämpfung“.
Vorstand: Andre Noll, Nicole Hölter, Marcus Parzonka verein@bodoev.de
mittlung für Obdachlose auswirke, sagt auch
Für bodo bedeutet die neue Situation: grö-
Gerlinde Fuisting, Leiterin der Wohnungslo-
ßere Anstrengungen im Bereich der Wohn-
Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de
senhilfe bei der Inneren Mission in Bochum.
raumvermittlung, Kooperation mit Trägern
Auch wir bei bodo erleben, dass Wohnraum
der Flüchtlingshilfe, u.a. um geduldeten oder
für VerkäuferInnen zu finden, in beiden Städ-
anerkannten Asylbewerbern den Absturz in
ten zur kaum lösbaren Aufgabe wird. Die Bun-
Obdachlosigkeit zu ersparen – eine bisher
desarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
kaum thematisierte Gefahr. Gleichzeitig
(BAG W) befürchtet einen Anstieg der Woh-
bestehen wir darauf, dass Arme und Woh-
nungslosenzahlen um 60 Prozent bis 2018.
nungslose nicht ein weiteres Mal zu Ver-
mittlerweile drastisch auf die Wohnraumver-
lierern eines falschen Konkurrenzkampfs Den Wohnungsmangel zum Anlass zu neh-
gemacht werden: Wir brauchen schnelle
men, Geflüchtete gegen hiesige Wohnungs-
Strategien zur Schaffung bezahlbaren Wohn-
lose auszuspielen, ist jedoch mit fast kei-
raums für alle!
nem der Akteure der Wohnungslosenhilfe
Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund, 0231 – 950 978 0 www.bodoev.de, facebook.com/bodoev
Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 12 , redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ: 370 205 00, Konto-Nr.: 722 39 00 IBAN: DE44 370 205 00 000 722 39 00 BIC: BFSWDE33XXX
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NEUES VON BODO
Kunst und Küche
Helfen Sie helfen!
Schlakks & Opek
Jetzt, wo es draußen kalt und ungemütlich
Eine Begleitung zum Amt kann alle Fragen
Es ist schon eine Ehre, wenn sich Künstler
wird, und man sich mehr zu Hause aufhält,
klären, einige Sätze zu einem Ämterbrief
extra für uns etwas Besonderes einfallen
haben wir für Sie Anregungen für Gaumen
können die Angst verschwinden lassen, ein
lassen. So erleben Sie in unserer Benefiz-
und Geist – mit neuen Kochbüchern und
Gespräch bei einer gemeinsamen Tasse
Kulturreihe „2. Freitag“ am 13. November
unserer Kunstbuchaktion.
Kaffee hilft nicht nur beim Aufwärmen.
eine Premiere von und mit Schlakks &
Unser Buchteam war im Oktober auf der
Manche unserer VerkäuferInnen kommen
Frankfurter Buchmesse und hat sich nicht
fast täglich zu uns – mit Fragen, Problemen
Normalerweise sind sie eher laut. Der Dort-
nur inhaltlich inspirieren lassen, sondern
oder der Bitte um Unterstützung. Andere
munder Rapper Schlakks und sein Beatpro-
gleich reihenweise Kochbücher von der
treffen wir beinahe nur auf der Straße an.
duzent und Drummer Opek ziehen gerne
Gourmet Gallery mitgebracht, ausgelagerte
Manche verlassen uns bereits nach wenigen
rum, um Läden schwitzen zu lassen – mit
Ware, die uns die Verlage gespendet haben.
Wochen in ein „sortierteres“ Leben, andere
einem Mix aus „Weltmusik und guten, alten
bleiben lange. Für uns ist wichtig, da zu sein,
rotzigen Rapbeats“. Auf dem 2014er-Album
mit offenem Ohr, dem Wissen über die richti-
„Tat und Drang“ finden sich breite Beats, aber
ge Vermittlung an KollegInnen oder mit ganz
auch Bläser, Ska-Rhythmen, Akustik-Gitarren.
konkreter Hilfe: von der warmen Jacke bis zur
Darauf liegt virtuoser, wortwahnwitziger
Hilfe beim Einzug in eine neue Wohnung.
Deutschrap der Abteilung schlau und schön.
schönen und spannenden Kunstbänden
Mit neuem Selbstwertgefühl und Vertrau-
Für bodo verwandeln die beiden Musiker
erfreuen, die Sie im gesamten November
en in die eigene Leistungsfähigkeit in ein
ihre Lieder exklusiv in intimere Versionen
bei uns zum halben Preis erwerben können.
geordneteres Leben zu starten, darum geht
mit Akustikgitarre und E-Piano. Wir freuen
es bei bodo. Diese Arbeit braucht Ihre Unter-
uns auf ein Wohnzimmerkonzert in unserem
stützung: Helfen Sie helfen!
Buchladen. Unbedingt anschauen!
in unserem Buchladen viele sehr guterhal-
Bank für Sozialwirtschaft
Der Eintritt ist frei, Spenden kommen den
tene, teilweise neuwertige und wertvolle
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Kunstbücher, vielleicht auch als schönes
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Fr., 13.10., 19.30 Uhr, bodo Buchladen
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Zu den Themen Design, Architektur, Mode oder Kunst finden Sie auf den Aktionsflächen
Opek – mit eher leisen Tönen.
Falsche Freunde Im letzten Heft freuten wir uns über das
vergessen wird angesichts der Herausfor-
beeindruckende Ausmaß der Willkom-
derungen der Flüchtlingsaufnahme, so ab-
menskultur in unseren Städten. Und wir
stoßend erscheint uns eine populistische
verliehen unserer Hoffnung Ausdruck, dass
„Nationalisierung“ der Hilfe, wie sie inzwi-
dabei die Ärmsten von hier nicht verges-
schen mehrere Gruppen betreiben.
sen, nicht gegen eine neue Gruppe ausgespielt werden: „Uns ist egal, woher jemand kommt, der der Hilfe bedarf. Das Recht auf Wohnen, auf Teilhabe, auf ein schönes Leben ist unteilbar.“
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Rechte – unter anderem die Dortmunder Neonazis der „Partei“ Die Rechte – sammeln mit lautem Getöse für „deutsche Obdachlose“, andere Gruppen garantieren, dass von ihnen gesammelte Sachspenden garantiert
So wichtig es uns ist, dass die rapide stei-
keinem Flüchtling zugute kämen.Obdachlo-
gende Zahl der Wohnungslosen nicht
se – die übrigens immer noch zu den größten
www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Diskussion: Blackbox „Der NSU und das Versagen der Behörden“ – mit diesem Thema geht die Veranstaltungsreihe Blackbox des Theaters Dortmund in Kooperation mit bodo e.V. in die nächste Runde.
Die 4 Heiligen 3 Könige
Weit über 200 Prozesstage hat es im Münchner NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und
Wer sagt, dass es nur drei Heilige Drei Kö-
Depot-Inszenierung von Dickens „A Christ-
nige waren? Das Christmas Carol Ensemble
mas Carol“ verspricht einen winterwarmen,
des Theaters im Depot kommt jedenfalls
froh-vergnüglichen Theaterabend.
gleich mit vieren zu uns in die bodo-Buchhandlung – um mit ihrer sehr lebendigen, nun, Lesung aus Janoschs „Morgen kommt der Weihnachtsbär“ Großen und Kleineren die Wartezeit auf Weihnachten zu verkürzen – und uns etwas Gutes zu tun.
Doch zuerst entwickeln die 4 Heiligen 3 Könige bei uns eine Geschichte um eine winzig kleine Gestalt im Schnee, Löcher in der Unterhose und keine Wurstlbude, während zu 16 verschiedenen Versionen „Leise rieselt der Schnee“ – von Heintje bis Heavy Metal – Stück
Gleich dreimal tritt das Theaterensemble
für Stück der Weihnachtsbaum wächst. Ein
für uns mit drei verschiedenen Stücken
familientauglicher Abend!
auf – in Benefizveranstaltungen für bodo. Während der zeitlose Dario Fo-Klassiker „Offene Zweierbeziehung“ in neuem Gewand im Januar ebenfalls bei uns in die Tiefen des „modernen“ Ehelebens taucht, wandelt Geizhals Scrooge am 9.12. wohltätig für uns auf der Depot-Bühne: Die verrückt-komische
vier weitere Angeklagte bislang gegeben – und dennoch scheint es so, als sei die Öffentlichkeit noch lange nicht aufgeklärt über die wahren Ausmaße, darunter die Verstrickungen des Verfassungsschutzes. Und was könnten die Konsequenzen sein? Das fragen sich im Gespräch mit Moderator Bastian Pütter (bodo e.V.) Irene Mihalic (MdB, „Grünen“-Sprecherin für innere Sicherheit), die weitere Aufklärung der Rolle des Verfassungsschutzes im NSU fordert, und Journalist und Autor Robert Andreasch,
Die 4 Heiligen 3 Könige | 27.11., 19.30 Uhr
der für die „antifaschistische Informations-,
bodo Buchhandlung, Schwanenwall 36 – 38
Dokumentations- und Archivstelle München
Eintritt 9 Euro, ermäßigt 5 Euro
(a.i.d.a. e. V.)“ und die Initiative „NSU-Watch“
Nur Abendkasse, Reservierungen unter:
den laufenden NSU-Prozess beobachtet.
Tel. 0231 – 950 978 0
Freitag, 6. 11., 18 Uhr | Eintritt frei Junge Oper, Theaterkarree 1 – 3, Dortmund
Rosi, bodo-Verkäuferin in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, es mussten mal wieder Fenster geputzt werOpfergruppen rechter Gewalt gehören – in Dienst zu nehmen, um sich damit gegen die Hilfe für Flüchtlinge zu positionieren, lehnen wir entschieden ab.
den, denn durch den Regen und Sturm waren die Scheiben nicht mehr klar und die Rahmen voller Staub. Jetzt kann man wieder durchsehen. Geht es Ihnen auch so, dass Sie nach dem Frühstück erst einmal Ihre Tageszeitung lesen? Bei mir ist das so. Bei einem Kaffee wird in der Zeitung gestöbert. Wichtig
Rechte Propaganda auf dem Rücken der
ist mein Rätsel. Da kann man den Kopf anstrengen, ich brauche das einfach. Das hält die Gehirn-
Ärmsten auszutragen, lässt die Men-
zellen fit. Manchmal bin ich richtig ärgerlich, wenn ein Tag dabei ist, wo ich mein Rätsel nicht am
schenverachtung durch die Inszenierung
frühen Morgen schaffe. Danach ist es Zeit, abzuräumen und die Küche zu kehren.
scheinen. Wir und die Einrichtungen, mit denen wir seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, brauchen Unterstützung für eine dringend notwendige Arbeit. Falsche Freunde brauchen wir nicht.
Ich hatte sehr mit dem Blutdruck zu tun. Durch das Wetter ging er mal hoch, dann wieder runter. Es war einfach zu heiß, dann wieder rapide frisch. Der Körper konnte sich nicht so schnell umstellen. Der Sport hat mich geschafft am Montag: Am nächsten Tag tut mir immer alles weh, aber es tut gut. Ja, das war es mal wieder. Ich sage Tschüss bis zum nächsten Mal, Ihre Rosi 9
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Ab sofort haben die Türen unserer Win-
Am Abend des 18. Oktober brachen Un-
tercafés wieder geöffnet. Bis Anfang März
bekannte in unsere Dortmunder Redak-
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Buchladen und bodo-Verkauf. Viel ist bei
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uns nicht zu holen, größere Geldsum-
legenheit zum Aufwärmen, zum Austausch
men haben wir auch am Wochenende
und zu Beratungsgesprächen gibt.
nicht im Haus.
„Unsere Anlaufstellen sind Räume, in
Wie jeder von einem Einbruchsdiebstahl
denen von Armut betroffene Menschen
Betroffene, waren wir erst einmal empört
willkommen sind und respektvoll behan-
und fanden es ungerecht, dass es uns
delt werden“, beschreibt Oliver Philipp
traf. Andererseits wich der Ärger bald der
von bodo. Neben belegten Brötchen und
Erleichterung, als klar wurde, dass sonst
heißen Getränken stehen für die Besucher
kaum etwas fehlte und dass bis auf das
warme Kleidung und Schlafsäcke zur
zerstörte Schloss alles Wichtige heil geblie-
Verfügung.
ben war. Vor allem waren unsere Redak-
Alle Gäste können die Beratungsangebote des Vereins nutzen. bodo berät in allen
tionsrechner noch da und erlaubten uns, gleich nach dem ersten Schreck wieder an die Arbeit an dieser Ausgabe zu gehen. Mit
Fragen rund um Wohnung, Schulden, Ämter und vermittelt im engen Kontakt
Erfolg, wie Sie sehen – Glück im Unglück.
mit dem Hilfenetzwerk an Fachstellen.
Vielen Dank an den freundlichen Kripo-
Wir freuen uns über Kaffeespenden und
beamten von der „Spusi“ (Bild) und an die
über finanzielle Unterstützung unter dem
aufmunternden Wünsche von Leser- und
Stichwort „Wintercafé“.
KundInnen.
Geschäftsleitung Tanja Walter verein@bodoev.de
bodos Bücher Suzanne Präkelt buch@bodoev.de
Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit Bastian Pütter redaktion@bodoev.de
bodos Bücher Online Gordon Smith basar@bodoev.de
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Oder Sie besuchen uns: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund
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REPORTAGE
„Ich bin nicht der Banksy Beiruts!“ Yazan Halwani zu Besuch in Dortmund
12
Der libanesische Künstler Yazan Halwani ist erst 22 Jahre alt. Mit seiner Mischung aus arabischer Kalligraphie, Porträtmalerei und Graffiti begeistert er die Bewohner Beiruts genauso wie die Besucher von Kunstausstellungen in verschiedenen Teilen der Welt. Einige internationale Medien vergleichen ihn sogar mit Banksy, dem unangefochtenen Star der Street Art-Szene. In der Dortmunder Nordstadt hat Halwani nun beeindruckende Spuren hinterlassen. Text und Fotos: Felix Huesmann
D
as haushohe Bild an der Münsterstraße zeigt einen kleinen Jungen, der einen Strauß Blumen in der Hand hält. Sein Name: Fares Al-Khodor. „Fares hatte nicht viel Glück in seinem Leben“, sagt Yazan Halwani. „Er wurde leider in Syrien geboren.“ Nach dem Beginn des Bürgerkriegs
in Syrien kam der 12-jährige Fares zusammen mit seiner Familie nach Beirut. Im Stadtteil Hamra verkaufte er nachts Blumen. „Dort gibt es viele Straßenkinder, Fares fiel aber besonders auf. Er war ein lustiger Junge und immer gut gekleidet. Alleine durch seinen Blick hat er dich dazu gebracht, ihm eine Blume abzukaufen. Alle kannten und mochten ihn.“ Die Geschichte des kleinen Flüchtlingsjungen nahm im vergangenen Juli ein tragisches Ende. Fares und seine Familie wollten Verwandte in ihrer syrischen Heimat besuchen. Bei einem Luftangriff kam der 12-Jährige ums Leben.
„Ich will eine arabische Form der Porträtmalerei schaffen.“ „Ich glaube, viele Menschen denken beim Thema Flüchtlinge nur an die Statistik. Sie fragen sich: Wie viele können wir aufnehmen? Dabei vergessen sie schnell die menschliche Komponente. Mit dem Bild will ich auch zeigen, dass es für viele Menschen aus Syrien keine andere Option gibt, als in ein anderes Land zu fliehen. Sogar ein kurzer Besuch in der Heimat kann den Tod bedeuten. Mir war es aber wichtig, kein trauriges Bild hier in Dortmund zu hinterlassen. Wer sich das Bild anschaut, sieht einen lächelnden Jungen, der Blumen verkauft.“ Dem jungen Künstler ist das gelungen. Eine Woche lange war er auf Einladung des arabischen Kulturfestivals „Huna/k“ in Dortmund. Die Hälfte der Zeit hat er gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Anne Frank Gesamtschule gemalt. Immer wieder musste Yazan Halwani sich dabei von seiner Hebebühne hinunterbeugen, weil Passanten mehr über das Bild erfahren oder sich bei ihm bedanken wollten.
13
REPORTAGE
Der Grund für Halwanis Erfolg liegt im Detail.
Polizei.“ Das erste Mal passierte das allerdings, als
In seinen Bildern verfließen oft haushohe
er 17 war: „Ich war dabei, ein großes buntes Graf-
Porträts mit arabischer Kalligraphie. „Ich will
fiti zu malen. Die Polizisten haben mich gefragt,
eine arabische Form der Porträtmalerei schaf-
ob ich eine Genehmigung dafür hätte. Die hatte
fen“, sagt er. „Anders als in Europa gibt es in
ich natürlich nicht. Also haben wir dann eine
der arabischen Welt keine lange Tradition des
halbe Stunde darüber diskutiert, ob die Wand so
Porträts. Im Islam ist es verboten, Lebendiges
nicht viel schöner aussieht als vorher.“ Am Ende,
abzubilden. Heute machen aber selbst die
erzählt Yazan, haben die beiden mit Maschinen-
gläubigsten Scheichs Fotos mit ihren Smart-
gewehren bewaffneten Polizisten ihm dann sogar
phones. Diese Regeln sind also überholt“,
dabei geholfen, die Buchstaben mit pinker Farbe
meint Halwani, der in einer muslimischen
auszumalen.
Familie aufgewachsen ist. „Viele zeitgenössische arabische Künstler versuchen aber gar
„Das ist auch einer der Gründe, warum der
nicht, etwas Eigenes zu kreieren. Deren Bilder
Vergleich zu Banksy nicht passt. Bei allem
sind eine globalisierte Erscheinung, die man
Respekt für seine Arbeit, aber Banksy hat dieses
überall auf der Welt sehen kann.“
anonyme Gangster-Image. Das funktioniert im Libanon nicht. Wenn du in der arabischen Welt
„Wenn du in der arabischen Welt ein Gangster-Image haben willst, dann wirst du Politiker, nicht Künstler.“
14
ein Gangster-Image haben willst, dann wirst du Politiker, nicht Künstler.“ – „Außerdem“, meint Halwani, „ist meine Technik eine ganz andere.“
Auch Yazan Halwani hat mit einer Kopie westli-
Aufmerksamkeit erregt er vor allem, seitdem
cher Jugendkultur angefangen. „Als ich 14 oder
er sich vom klassischen Graffiti abgewandt
15 war, habe ich angefangen, meinen Namen an
hat. „Die Leute sind meistens daran vorbei
die Wände zu sprühen. Ich hatte vorher Filme
gegangen, ohne meine Bilder wirklich wahr-
über Graffiti im Westen gesehen und dachte mir:
zunehmen“, erzählt der 22-Jährige von seinen
Wenn ich irgendwo sprühe, kommt sofort die
Anfängen. Vieles verändert hat ein Buch über
arabische Kalligraphie, das Yazan Halwani vor
musste ich auch, weil sonst nirgendwo Platz für
vier Jahren bei seinem Onkel entdeckt hat.
meine Bilder war“, erzählt er. Anstelle der Ge-
„Ich hatte sofort die Idee, diese Schriftzei-
sichter korrupter Politiker malt er nun vor allem
chen auf die Wände zu bringen. Meine ersten
Porträts kultureller Ikonen der libanesischen
Versuche waren total simple Schwarz-Weiß-
Gesellschaft. Figuren wie die Sängerin und
Bilder. Aber auf einmal sind die Leute stehen
Schauspielerin Sabah, die in Halwanis bislang
geblieben und haben hingeguckt.“
größtem Wandbild zu sehen ist, vereinen weite Teile des Libanons auch über die religiösen und
„Nach der Arbeit als Ingenieur entspannt es mich, zu malen.“
politischen Grenzen hinweg Yazan Halwani, der so leidenschaftlich über
Auch inhaltlich sind viele seiner Bilder Hin-
arabische Kalligraphie und islamische Kunst-
gucker. Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des
geschichte redet, hat auch eine andere Seite:
Bürgerkriegs bleiben in der libanesischen
Im April machte der junge Künstler seinen Ab-
Hauptstadt religiöse und politische Spaltungen
schluss als „Electrical and Computer Engineer“
sichtbar. „Hamra hat den Ruf, eine Hochburg
an der Amerikanischen Universität in Beirut.
der syrischen Nationalisten zu sein“, sagt Yazan
Seit kurzem hat er einen Job bei einer der welt-
über den Stadtteil, in dem er lebt. „Dabei sind
größten Unternehmensberatungen in Dubai.
das vielleicht ein paar hundert Menschen in
Wie das zusammen passt? „Nach der Arbeit als
einem riesigen Viertel. Es gibt aber ein paar
Ingenieur entspannt es mich, zu malen. Und
Außenposten, an denen immer Leute sitzen
wenn ich viel gemalt habe, hat Mathematik
und wo Parteifahnen wehen. Auch die Wände
denselben Effekt.“ Dass diese Kombination
des Stadtteils sind übersät mit Plakaten mit den
ungewöhnlich anmutet, ist Halwani bewusst.
Gesichtern von Politikern. Niemand sagt denen,
„Aber für mich funktioniert sie.“
dass sie diese Plakate nach einer Wahl entfernen sollen.“ Irgendwann hat Yazan Halwani deshalb angefangen, das selber zu tun. „Das
15
NEWS
DER KOMMENTAR
Terror von rechts Ende Oktober nahm die Polizei in Franken 13 Neonazis fest, darunter Parteifreunde der Dortmunder Neonazis der Scheinpartei „Die Rechte“ und einen Organisator des Pegida-Ablegers „Nügida“. Ihnen wird die konkrete Planung von Anschlägen auf Asylbewerberheime und einen linken Szenetreff vorgeworfen. Inzwischen warnt das Bundeskriminalamt (BKA) explizit vor Anschlägen – allerdings nachdem es in den ersten drei Quartalen 2015 bereits 461 Angriffe auf Flüchtlingseinrichtungen gegeben hat. Das Land mit den meisten Taten ist NRW mit 121. Bei den – im Verhältnis wenigen – ermittelten Tätern sieht das BKA nur ein Drittel in rechtsextreme dem Attentat auf die Kölner Bürgermeisterin Reker könne nicht von
Im gefühlten Auftrag
Rechtsterrorismus gesprochen werden. Stattdessen warnte er vor
Von Bastian Pütter | Foto: cc-by-sa-Gisi080
Szenen eingebunden. Innenminister de Maizière betonte, auch nach
als Flüchtlinge einreisenden islamistischen Terroristen.
Am Tag, als dieser Text entstand, griffen 400 Rassisten im sächsischen Frei-
Foto: Reuters / Ina Fassbender
berg Flüchtlinge an und blockierten ihre Weiterreise in andere Unterkünfte.
17 Punkte
In Greifswald warf ein 41-Jähriger Feuerwerkskörper auf eine Flüchtlingsunterkunft. Im hessischen Lampertheim wurde unter einer Flüchtlingseinrich-
Am letzten Oktoberwochenende be-
tung Feuer gelegt, alle 49 Bewohner überlebten. Bei einem Brandanschlag
schlossen die Regierungen der EU-Länder
auf ein Asylbewerberheim in Hagen-Hohenlimburg wurden 14 der 200
einen 17-Punkte-Plan zur Bewältigung
Bewohner verletzt. Ein ganz normaler Samstagabend.
der Flüchtlingskrise. Die Staatschefs einigten sich darauf, dass Flüchtende bereits bei Betreten der EU registriert und nicht mehr ungefragt in andere EU-Länder weitergeschickt werden sollen. Damit werde die Verantwortung wie vor dem Scheitern von Dublin III wieder auf die europäischen Randstaaten abgedrängt, kritisieren Flüchtlingsorganisationen – mit der Folge humanitärer Katastro-
In einem einigermaßen funktionierenden Gemeinwesen wäre das der Ernstfall. Es wäre die Zeit der Hardliner, der markigen Sprüche zur Wehrhaftigkeit der Demokratie, der Kriegserklärungen an die Terroristen, der bürgerlichen Paniken, der Sympathisantenverhaftungen. Und unsereins müsste „Mäßigt euch!“ rufen und ankämpfen gegen das Kassieren von Freiheitsrechten.
phen in den sogenannten Hotspots an den EU-Grenzen. Positiv
Stattdessen allgemeines Besorgtsein. Ergebnis einer Normenverschiebung
werden die beschlossenen humanitären Maßnahmen auf der
nennt der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick, dass rassistische
Balkanroute bewertet, eine politische Lösung ersetzen sie nicht.
Gewalt auf den Status von Staunachrichten herabgesunken ist. Menschen-
Pro Asyl kritisiert, der EU-Gipfel sende vor allem ein Zeichen der
feindliche Haltungen sind durch rechtspopulistischen Dauerbeschuss tief
Abschottung: „Denn das Desaster ist keine Naturkatastrophe – es
in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen, nicht nur in Bezug auf Roma
beruht auf politischen Fehlentscheidungen, vor allem auf fehlen-
(„Westbalkan“ und so) sogar mehrheitsfähig. Brennende Flüchtlingsheime
der europäischer Solidarität.“ Foto: Reuters / Alessandro Bianchi
sind die Begleitmusik zur Pegida-AfD-Verrohung in den sozialen Netzwerken und zum Notwehr-Populismus der Mitte.
House of Lords Von der Straße ins britische Oberhaus – diesen unglaublichen Aufstieg schaffte John Bird, der Gründer der Straßenzeitung The Big Issue, der als Parteiloser für das House of Lords berufen wurde. 1946 wurde John Bird in London in Armut geboren und war bereits mit fünf Jahren obdachlos. Zeitweise lebte er im
grundlegend etwas, obwohl ja „eine von uns“. Allerdings hatte der Täter nicht „Allahu Akbar“ gerufen, sondern: „Ich habe das wegen Rekers Flüchtlingspolitik getan.“ Nach allgemeiner Logik ist so jemand im Recht oder „geistig verwirrt“. Noch am Tattag veröffentlichte Antifa-Dossiers zwangen selbst die Polizei anzuerkennen: Ein Nazi. Inzwischen ist die Frage nur noch, ob auch dieser Rechtsterrorist mal V-Mann war. Ernsthaft.
Kinderheim oder auf der Straße und saß schon im Teenageralter
Wie hilflos Staat auf die Einzeltäter im gefühlten Volksauftrag reagiert,
das erste Mal im Gefängnis. Diese Erfahrungen bewegten ihn, 1991
zeigt sich dann wieder beim aufrechten Deutschen, der nur drei Tage später
die europaweit erste Straßenzeitung, „The Big Issue“ zu gründen,
in Havixbeck in aller Öffentlichkeit auf einen „Kanaken“ einsticht: Haft-
1995 die Wohltätigkeitsorganisation Big Issue Foundation, die den
gründe liegen nicht vor.
StraßenzeitungsverkäuferInnen dabei hilft, aus der Wohnungslosigkeit zu kommen. John Birds Nominierung ins Oberhaus begründet Baroness Morris Yardley mit der Hoffnung, dass seine Arbeit sowie seine Entschlossenheit, für das zu kämpfen, an das er glaubt, einen entscheidenden Einfluss in den zukünftigen Debatten der Sozialpolitik haben werden. 16
Nicht mal der Mordanschlag auf die Kölner Bürgermeisterin Reker änderte
Nicht nur Zick fordert ein Ende der Relativierung und eine Bezeichnung des rechten Terrors als Terror. Das wäre relativ einfach: Politische statt persönliche Motive, willkürlich oder symbolisch gewählte Opfer, die Tat als Kommunikationsakt, der etwas aussagen soll – die meisten Terrorismusdefinitionen gehen da mit. Einzig: Das Volk fühlt‘s halt nicht.
RECHT
Jobcenter muss Babybettwäsche zahlen Von Rechtsanwalt René Boyke Steht Nachwuchs
gründung des Jobcenters für die Ablehnung
weise durch einen geeigneten Autobabysitz,
ins Haus, muss
lädt zum Fremdschämen ein: Das Jobcen-
geschützt werden.
allerhand
ange-
ter meinte allen Ernstes, es reiche aus, eine
schafft werden. Ein
durch eine ausgelaufene Windel verunrei-
Babybett, Kindersitze,
nigte Bettwäsche lediglich mit einem Hand-
Hochstühle, Kleidung etc. Das alles geht ordentlich ins Geld. Wer Grundsicherung für Arbeitssuchende bezieht, kann dies normalerweise nicht ohne Weiteres stemmen.
tuch abzudecken.
Das Jobcenter lehnte die Leistungen dennoch ab. Die Mutter tat das einzig Richtige: Sie verklagte das Jobcenter vor dem Sozialgericht Heilbronn (Az.: S 11 AS 44/15) und bekam
Es wäre spannend zu wissen, ob der betref-
Recht. Das Jobcenter musste die ohnehin sehr
fende Sachbearbeiter ebenso bei den eige-
niedrigen Kosten übernehmen.
nen Kindern verfährt. Doch das Jobcenter
Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist vom
vertritt nicht nur in hygienischen Fragen
Regelbedarf ein Bedarf für Erstausstattung
einen unvernünftigen Standpunkt. Auch
u.a. bei Geburt nicht umfasst. Allerdings
hinsichtlich des Autositzes argumentierte
werden Leistungen für diesen Bedarf geson-
es tatsächlich, es reiche aus, einen Säugling
dert erbracht (§ 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II) – etwa
mittels einer herkömmlichen Tragetasche
als Sach- oder Geldleistung.
eines Kinderwagens zu befördern.
Dennoch: Als eine Mutter für ihren Säugling
Dieses Ansinnen des Jobcenters ist aller-
eine zweite Babybettwäsche für 25 Euro und
dings nicht nur unverschämt, sondern auch
einen Autobabysitz für lediglich 20 Euro be-
rechtswidrig. Denn schließlich müssen
gehrte, schaltete das Jobcenter auf stur. Und
gemäß § 21 Abs. 1a StVO Kinder bis zum 12.
dies, obwohl die Mutter sich auf eine äußerst
Lebensjahr im Auto grundsätzlich durch be-
preiswerte Ausstattung beschränkte. Die Be-
sondere Rückhaltesysteme, wie beispiels-
DIE ZAHL
540.000 Mit einem Anstieg der Wohn ungslosenzahlen um 60 Prozen t auf 540.000 rechnet die BAG Wohnungslosenhilfe bis 2018, „w enn die wohnungs- und sozialp olitischen Rahmenbedingungen nicht nachhaltig geändert werde n“.
DAS FOTO
Ein Selbstversuch der besonderen Art: Als Obdachloser wird sogar Richard Gere unsichtbar. Während der Dreharbeiten für das im November erscheinende Filmdrama „Time Out of Mind“ bewegte sich Gere unerkannt durch New York, bekam sogar ein übriggebliebenes Stück Pizza geschenkt. Foto: Facebook 17
INTERVIEW
Lebendiges Gedenken „Entartete Musik“ – 1938 stellten die Nationalsozialisten in Düsseldorf die Musik und ihre Protagonisten aus, die für sie das „Jüdische“ und das „Undeutsche“ verkörperten. 75 Jahre später interpretierte die Düsseldorfer Band „Die Toten Hosen“ bei drei Konzertabenden mit dem Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf die ehemals verfemte Musik. Nun erscheint die Aufzeichnung dieser Konzerte. Ein Gespräch mit Campino über Antisemitismus, Musik und Engagement. Von Richard Diesing | Fotos: Carla Meurer, Reuters/Hannibal Hanschke
bodo Immer wieder treten die Toten Hosen
Campino Nicht jede Musik. Natürlich hat nicht
gegen Rassismus und Antisemitismus ein.
jede Musik etwas mit Politik zu tun. Und es
Woran liegt es, dass ihr euch in diesem Be-
gibt eine klare Existenzberechtigung für unpo-
reich so profiliert habt?
litische Popmusik. Aber wenn mir in meinem
Campino Wir sind aus einer Generation, die es nicht anders gewohnt ist, als Musik immer auch mit einer politischen Komponente zu sehen. Haltung war für uns immer wichtig und deshalb auch die Frage: „Welcher Mensch singt da gerade das Lied, das mir gefällt?“ Ein schönes Lied allein hat für uns nie gereicht. Wenn uns also ein Künstler mit seiner Haltung nicht sympathisch war, haben wir seine Lieder auch nicht mehr gehört, egal wie gut die
Leben ein Künstler wirklich etwas bedeutet hat, dann hatte das auch immer was mit seiner Haltung zu tun. Und in diesem Moment kommt man an der Politik nicht mehr vorbei. Ich verstehe aber auch die Bands, die sich damit schwerer tun und argumentieren: „Wir wollen unser Publikum nicht belehrmeistern“ oder „Wir finden, das ist nicht unsere Aufgabe“. Diesen Standpunkt akzeptiere ich total. bodo Bei den drei Konzertabenden wurden vor allem alte Lieder, die als entartete Musik diffamiert wurden, gespielt. Warum nicht neuere Lieder, die sich mit Antisemitismus beschäftigen, wie zum Beispiel „Sommerlüge“ von Danger Dan?
gewesen sein mögen.
Campino Es liegt in der Natur der Sache, dass
1976/77 war ich 13, 14
es im Kern um die Lieder von und vor 1938
Jahre alt, ich verliebte
ging. Die Aufgabenstellung war nicht, neuere
mich in die Musik der gerade aufkommenden
Lieder zu spielen. Wir haben das Feld nur ein
Punkbewegung. In England ging es dabei
bisschen erweitert, um unsere eigene Sicht-
immer auch um „Working Class Attitude“ und
weise zum Thema „Rechtsextremismus“ und
hatte deshalb von Anfang an eine politische
Fremdenfeindlichkeit stärker einzubringen.
Basis. Lieblingsbands wie „The Clash“ oder
Wir hätten auch nie damit gerechnet, dass
„Sham 69“ spielten dann bei „Rock Against
aus diesen drei Abenden mal ein Livealbum
Racism“-Konzerten. Das hat uns beeindruckt,
entstehen würde.
so wollten wir auch sein. Also haben wir deren
18
Lebensgefühl und ihre politische Grundein-
bodo Wie hört es sich an, wenn die Toten
stellung übernommen. So etwas kriegt man in
Hosen Arnold Schönberg oder Hanns Eisler
seinem ganzen Leben nie wieder raus.
interpretieren?
bodo Also hat für dich Musik auch immer
Campino Das kann man vorher nie sagen, das
etwas mit Politik zu tun?
war ja das Spannende. Ich denke, dass uns die
19
INTERVIEW
Abende geglückt sind. Aber ich möchte die
rige Musik geht. Aber das rechtfertigt sich
bestand, dass wir uns mit den Aufnahmen
einzelnen Lieder nicht miteinander verglei-
durch den Anlass. Uns ist klar, dass dieses
noch einmal auseinandersetzen, haben wir
chen. Für uns ging es immer darum, dass das
Projekt kein Mega-Verkaufsschlager wird.
uns damit befasst und waren sehr glücklich
Gesamtkonzept stimmt. Die Herausforderung war es, ein homogenes Programm zu gestalten, obwohl die Lieder so verschieden sind. Da hat es uns sehr geholfen, dass es
ren. Warum erst jetzt die Veröffentlichung der Aufnahmen?
mit dem Ergebnis. Unsere erste Idee war, dieses Programm auch in anderen Städten aufzuführen, für die es ebenfalls eine historische Relevanz geben könnte, z.B. in
einen tragenden Grundgedanken gab. Das
Campino Ganz einfach: Eine Veröffent-
Wien oder Berlin. Das haben wir versucht
ganze Projekt entstand nicht aus einer bana-
lichung war ursprünglich nie geplant.
zu organisieren, allerdings ohne Erfolg. Die
len Laune heraus von wegen „Lass uns mal
Wir haben auch nicht unbedingt damit
Kosten einer solchen Veranstaltung hätten
etwas mit einem Orchester machen“.
gerechnet, dass die Konzerte so erfolgreich
unter normalen Konzert- und Tourneebe-
werden würden. Die Aufführungen wurden
dingungen jeden Rahmen gesprengt. Das
von den Studenten zwar aufgenommen,
ist zwar traurig, aber ohne Sponsoring oder
aber wir haben uns diese Tapes längere
Bezuschussung sind solche Veranstaltun-
Campino War es ja auch nicht. Beim Hören
Zeit nicht angehört. Erst als uns unser
gen nicht möglich. Deshalb kam uns die
merkt man, dass es um teilweise sehr sper-
Arrangeur Hans Steingen anrief und darauf
Idee, wenigstens dieses Album herauszu-
bodo In der Pressemitteilung stand „Es wird kein normaler Toten-Hosen-Abend...“
20
bodo Die drei Konzerte waren vor zwei Jah-
bringen, um diese Abende der Öffentlich-
ihres Glaubens so kleiden. Zum Glück habe
Wir sollten uns lieber bewusst darüber
keit zugänglich zu machen.
ich noch nie erlebt, dass vor meinen eigenen
werden, dass ein solcher Geist unter der
Augen ein jüdischer Mitbürger auf offener
Oberfläche immer vor sich hin schwelt. Dann
Straße beleidigt oder angegriffen wurde.
braucht man sich von ihm nicht überraschen
Antisemitismus habe ich in Deutschland vor
zu lassen. Rechtsextremes Gedankengut fin-
Campino Das Bewusstsein für die Rolle
allem in Form von Graffitis und Judenwitzen
det man in allen anderen Ländern, auf allen
Deutschlands in der Geschichte, was Nazis
erlebt, unterschwellig. Abgesehen von den
Kontinenten und in allen Schattierungen. Re-
waren und sind, das wurde mir in meinem
Hassparolen rechter Dummnazis.
ligiöser Fanatismus ist da letztlich nicht viel
bodo Wann hast du das erste Mal bewusst Antisemitismus erlebt?
Elternhaus sehr früh beigebracht. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube, es war das erste Mal in London, dass mir auf der Straße Juden bewusst begegnet sind. Ich muss so um die fünf Jahre alt gewe-
bodo Waren für dich die Free-Gaza-Demos letzten Sommer mit Sprechchören wie „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ ein Zeichen für steigenden Antisemitismus in Deutschland?
anders. Intoleranz und Ausgrenzung haben denselben Nährboden. In Deutschland leben wir in einer Demokratie, wir können einen solchen Geist nur besiegen, indem man ihn immer wieder überstimmt, um ihm dadurch keinen weiteren Raum zu bieten.
sen sein und sagte zu meiner Mutter „Die
Campino Der Nahostkonflikt wird gerne
Leute sehen aber seltsam aus“, woraufhin sie
dafür instrumentalisiert, völlig verschie-
erklärte, dass orthodoxe Juden sich wegen
dene Grundsatzfragen zu vermischen und
bodo Du hast mit deiner Band zusammen
eine antijüdische Stimmung zu schüren.
2014 den Josef-Neuberger-Preis der jüdischen
Dass der Staat Israel und die jüdischen
Gemeinde Düsseldorf erhalten. Wie wichtig
Gemeinden, die in Deutschland leben, zwei
ist euch diese Auszeichnung?
verschiedene Dinge sind, wird dabei oft nicht berücksichtigt. Es kann nicht jeder Jude für eine Entscheidung der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden. Eine antijüdische Haltung hat leider weltweit eine traurige Tradition. Ende der 30er Jahre gab es zum Beispiel für kurze Zeit für Juden die Möglichkeit, gegen eine große Geldzahlung aus Deutschland ausreisen zu dürfen. Weder die USA, noch die Briten haben daraufhin ihre Einwanderungsquote erhöht oder die Landung dieser Schiffe zugelassen. Kaum jemand wollte damals die Juden bei sich einreisen lassen. Das ist eine seltsame Parallele zu den Problemen der Flüchtlinge von heute. bodo Glaubst du, dass man diese ablehnende negative Haltung Flüchtlingen gegenüber bekämpfen kann, sodass es irgendwann eine Welt ohne Ausgrenzung gibt?
Campino Natürlich haben wir uns sehr gefreut, denn niemand hatte mit so etwas gerechnet. Über den Dialog und die neuerlangte Freundschaft zur jüdischen Gemeinde ist uns noch einmal ganz anders bewusst geworden, wie gefährlich Juden in Deutschland leben – das ist nicht schön. Warum können wir ihnen immer noch kein sicheres, völlig sorgloses Leben garantieren? Die Kindergärten müssen überwacht werden, die Synagogen, eigentlich das gesamte öffentliche Leben. Überall patrouilliert die Polizei. Das ist unglaublich traurig. bodo Kannst du dir vorstellen, so eine Kooperation wie mit der Robert-SchumannHochschule noch einmal zu machen? Campino Auf jeden Fall! Dieses Projekt war für alle ein Riesengewinn, von der Thematik her war es wichtig und gut, und auch die
Campino Fremdenhass wird wohl unaus-
Begegnung mit den vielen jungen Talenten
löschbar bleiben, dafür bin ich Realist genug.
der Hochschule war beeindruckend.
Campino (bürgerl. Andreas Frege, geb. 1962) ist Sänger der Band Die Toten Hosen. 1982 gegründet, zählt sie zu den erfolgreichsten deutschen Rockbands mit Wurzeln im Punk. Zum 75. Jahrestag der Ausstellung „Entartete Musik“ im Düsseldorfer Ehrenhof 1938 veranstalteten die Toten Hosen und das Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule im Oktober 2013 drei Konzerte in der Tonhalle Düsseldorf. Gemeinsam spielten sie das jüdische Partisanenlied „Sog nit kejnmal“, Arnold Schönbergs „Ein Überlebender aus Warschau“, Lieder von Kurt Weill, Hanns Eisler, den Comedian Harmonists, Swing, Jazz, Neuvertonungen von Kästner- und Hessegedichten, Hosen-Songs. Das Live-Doppelalbum mit Begleit-DVD „‚Entartete Musik‘ – Willkommen in Deutschland. Ein Gedenkkonzert“ ist am 30.10.2015 erschienen. 21
DEBATTE
Hier spricht die Polizei Die Bochumer Polizistin Tania Kambouri hat einen „Notruf“ in Form eines Taschenbuchs abgesetzt. Unter dem Titel „Deutschland im Blaulicht“ erklärt sie, wer das Problem für PolizistInnen im Dienst und für unsere Gesellschaft im Allgemeinen ist: junge muslimische Männer. Ein Offener Brief übt Kritik.
In Bochum kann es einem passieren, dass nach
Getragen wird die Sicht auf das Klientel von
einem Notruf zwei Herren mit Spitznamen
einem modischen Kulturessentialismus, der
und ein Kamerateam des Privatfernsehens in
Kultur als Gefängnis sieht: „Meiner Erfahrung
der eigenen Wohnung stehen. Oder statt „Toto
nach ist die kulturelle Prägung das Entschei-
und Harry“ erscheint eine Bestsellerautorin,
dende, und dahinter verbergen sich Werte,
deren Werk sich so liest: „Wenn ich gelegent-
Moralvorstellungen, ein Weltbild, ein Men-
lich privat mit öffentlichen Verkehrsmitteln
schenbild, ein Rollenverständnis.“ Wer Wur-
unterwegs bin und sehe, wie sich insbesonde-
zeln in den „muslimisch geprägten Ländern“
re muslimische Jugendliche benehmen, könn-
hat, in dem wüten „archaische Weltbilder“. Die
te ich manchmal fast ausflippen. Sie reden in
äußern sich in „Respektlosigkeit“ gegenüber
ihrer ,Kanak Sprak‘, auch Kiezdeutsch genannt,
der Polizei und in einem allgemeinen Hang
halb Deutsch, halb Türkisch, ,isch, misch, disch‘
zur Straffälligkeit, der sogar den Hinweis er-
– Sie kennen das sicher auch.“
fordert: „Natürlich begehen auch Bürger ohne Migrationshintergrund Straftaten.“
Von Bastian Pütter
Während Tania Kambouri Talkshow-Auftritte
Foto: Oliver Schaper
absolviert und ihr Buch in die Bestsellerlisten
Der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS)
klettert, flehen BewohnerInnen des Problem-
traut Kambouri nicht, weil sie Kultur nicht
viertels Querenburg in einem Offenen Brief:
erfasse und viele Türken (die für sie immer
„Bitte nicht noch eine ,Multikulti-Kritik‘,
Türken bleiben) inzwischen deutsche Pässe
vermeintlich direkt nach dem Fronteinsatz in
hätten. Stattdessen arbeitet sie mit Pauschal-
einem Problemviertel geschrieben. Bitte nicht
sätzen wie „Das Klientel wird immer jünger“
diesmal Bochum. Und vor allem: Bitte nicht
und rätselhaft wütenden Angriffen auf Krimi-
noch ein Wortbeitrag mit dem Tonfall ,Ich bin
nalitätsforscher.
kein Rassist, aber die Moslems...‘, während täglich Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Un-
Trotzdem ein Blick in die Statistik: Die Ge-
terkünfte stattfinden“.
samtzahl der Straftaten ist in Bochum laut PKS in den letzten 10 Jahren rapide gesun-
Tania Kambouris „Notruf einer Polizistin“,
ken, bei der Straßenkriminalität sogar um
Tania Kambouri
entstanden aus einem Leserbrief an die GdP-
ein Drittel. Bochum schrumpft. Doch auch
Deutschland im Blaulicht
Zeitschrift „Deutsche Polizei“ 2013, verbindet
die Zahl der Straftaten pro 1.000 Einwohner
Notruf einer Polizistin
Anekdoten aus dem Polizeialltag mit ultrakon-
ist rückläufig. Kambouris „Es wird immer
ISBN: 978-3-492-06024-0
servativen Gesellschaftsanalysen und dem Ruf
schlimmer“ scheint sich auf einer anderen
nach Härte und Abschreckung.
Ebene abzuspielen.
Piper | 14,99 Euro
22
WILDE KRÄUTER
SCHLEHE
von Wolfgang Kienast
Es lag durchaus nicht in meiner Absicht,
ten ihr „C“ als Schutzmarke registrieren
die wenigen Zeilen Wildkräuterkolum-
ließen. Verwenden dürfte es nur, wer im
Und die wird sehr explizit benannt: Thilo Sar-
ne erneut den in Deutschland eintref-
Sinne des Religionsstifters agiert. Die
razin beschreibe Entwicklungen, „die schlicht
fenden Flüchtlingen zu widmen. Doch
CSU könnte ihren Namen in Contra So-
und ergreifend wahr sind“. Heinz Buschkowsky
neulich, beim Sammeln von Schlehen,
ziale Union ändern, um die Abkürzung
paraphrasiert die Autorin mit „Bochum ist
bin ich mit einem älteren Spaziergän-
zu bewahren und sie zu guter Letzt mit
überall“, und vermeintliche Kritiker werden
ger ins Gespräch gekommen – es hat
verbürgten Inhalten zu füllen.
rustikal als „Problemaussitzer“ oder „So-
nicht lang gedauert, und wir waren
zialromantiker“ weggebügelt, weil sie das
beim Thema. Es bewegt derzeit alle. Die
vermeintlich Offensichtliche ignorierten: „Das
Unterhaltung verlief unaufgeregt. Mag
ist kein Rechtspopulismus, sondern gesunder
sein, dass es daran liegt, dass die Leute
Menschenverstand.“
im Revier nicht ganz so ängstlich auf neue, ihnen noch fremde Mitmenschen
Tania Kambouri hat übrigens neben dem deut-
reagieren. Vielleicht, weil die Bevölke-
schen auch den griechischen Pass. In ihren und
rung hier zu großen Teilen selbst einen
in den Augen ihrer Kollegen ermöglicht ihr
Migrationshintergrund besitzt.
das, „den Finger in die Wunde zu legen, ohne in den Verdacht zu geraten, ausländerfeindliches Gedankengut verbreiten zu wollen.“ Auch eine seltsame Vorstellung. Rassismus nur für „echte“ Deutsche? Am Rande: Die Passagen zu Roma (die Tania Kambouri „Zigeuner“ nennen möchte, weil nichtdiskriminierende Sprache eine „krankhafte Mode“ sei) sind erschreckend. Ihr Konzept der „Unterbringung gefährdeter Kinder“ – des präventiven Kindesentzugs bei Roma – hat eine Geschichte, die ihr hoffentlich unbekannt ist.
Woanders ist das wohl anders. Im Sächsischen wurde unlängst im Rahmen eines flüchtlingsfeindlichen PegidaAufmarsches symbolisch die Todesstrafe für Angela Merkel und Siegmar (sic) Gabriel gefordert. Und sobald es ums Eskalieren einer sowieso angespannten Lage geht, reagieren Regierungspolitiker aus dem Bajuwarischen mit der Zuverlässigkeit pawlowscher Hunde. Wäre es nicht so traurig, man könnte sich über Seehofers Beißreflexe amüsieren.
Und die CDU? Zugespitzt auf Angela Merkel. Zugegeben, ich hätte nicht gedacht, ihrer politischen Haltung einmal Beifall zu zollen. Unvergessen ihr typisches Zaudern, als der HeidenauMob erstmals tobte. Man kann sie auch jetzt kritisieren. Aber: Respekt. Und was das November-Gericht betrifft: Buchteln haben böhmischen Migrationshintergrund. REZEPT 125 g Gelierzucker (2:1) mit 500 g passiertem Schlehenmus mischen und unter permanentem Rühren drei Minuten köcheln, abkühlen lassen. Für den Buchtelteig 500 g Mehl, 40 g frische Hefe, 80 g Zucker, 80 g Butter, 2 Eigelb und 1 Prise Salz kneten und gehen lassen. Den Teig anschließend halbdaumendick ausrollen, in 10 x 10 cm große
Die aktuelle Situation offenbart unter
Quadrate schneiden, ein EL Mus jeweils
anderem, dass der soziale Woh-
in deren Mitte geben und zu Kugeln
Das Anliegen von „Deutschland im Blaulicht“
nungsbau seit Jahren vernachlässigt
formen. Diese auf einer bemehlten
ist es, die Härten des Polizeialltags zu benen-
wurde und häufig das Vertrauen in eine
Arbeitsfläche noch etwas ruhen lassen,
nen und diejenigen, die daran schuld sind.
angemessene Grundsicherung fehlt.
anschließend dicht an dicht in eine mit
Wertschätzung und Respekt für Menschen im
Außerdem, dass beängstigend viele
Butter ausgestrichene Auflaufform set-
Polizeidienst einzufordern, ist ein legitimes
Bürger ein Handeln aus Empathie oder
zen. Mit zerlassener Butter bepinseln
Anliegen. Ressentiments und pauschale
Mitmenschlichkeit scheinbar aus dem
und im vorgeheizten Backofen bei 200
Schuldzuschreibungen beschädigen es.
persönlichen Repertoire gestrichen
Grad (Gasherd: Stufe 3 – 4) etwa 30 bis
haben – aber dann von anderen fordern,
35 Minuten backen. Die einzelnen Teile
Eine Debatte über einzelne diskussionswür-
wenn es um die eigene Nase geht. Sieht
voneinander lösen und mit Vanillesau-
dige Reformvorschläge verhindert sie damit
so das Fundament des christlichen
ce und/oder Puderzucker servieren.
selbst. Ein Blick ins Netz zeigt: Längst ist
Abendlands aus? Ich hätte da einen Vor-
Schmeckt sensationell.
Kambouri „Kronzeugin für Hetze“, wie die
schlag zu machen: Wie wäre es, wenn
AutorInnen des Offenen Briefs es nennen.
die beiden großen, sich auf Jesus Chris-
Leider.
tus berufenden Glaubensgemeinschaf23
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VERANSTALTUNGEN 11 | 15 BODO VERLOSUNGEN 15. – 24.11. | Herr von Bohlen endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten 19.11. | Watt’n’hallas Comedy-Festival: The Cat Pack Fritz-Henßler-Haus, Dortmund | 5 x 2 Karten 20.11. | Du bist meine Mutter
12.11. Sherko Fatah
6.11. Jovan Nikolic
m o r g e n
Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten 21.11. | Radio Havanna Bahnhof Langendreer, Bochum | 2 x 2 Karten 27.11. | Volker Pispers RuhrCongress, Bochum | 1 x 2 Karten Morgen ist leider auch noch ein Tag | Tobi Katze 10 x 1 Taschenbuch Mitmachen und Karten gewinnen:
9.11. Schulze-Marmeling
15.11. Herbert Feuerstein
a b e n d
Schicken Sie das Lösungswort aus unserem Kreuzworträtsel und Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund.
11.11. Fritz Eckenga
13.11. Piet Klocke
w u n d e r
14,11. Ivette Vivien Kunkel
l
a
17.11. Lütfiye Güzel
n
d
www.lesart-festival.de Verein für Literatur e.V. in Zusammenarbeit mit Kulturbüro der Stadt Dortmund Stadt- und Landesbibliothek
S 24
Sparkasse Dortmund
2. FREITAG
Schlakks & Opek
Meistens laut, diesmal eher leise: Der
sikalische Landschaft der Republik.
Dortmund-Nordstadt und ferner,
Dortmunder Rapper Schlakks und sein
Mit seinem aktuellen, sehr persönli-
warmer Abendsonne lässt Schlakks
Beatproduzent und Drummer Opek
chen Album „Tat und Drang“, getrie-
seine Emotionen und Gedanken in
ziehen gerne rum, um Läden schwit-
ben von Tatendrang und dem Hadern
rhetorisch kunstvoller Weise auf die
zen zu lassen. Für bodo verwandeln sie
mit gesellschaftlichen Zuständen, be-
ZuhörerInnen einwirken. Da kann
ihre Lieder exklusiv in intimere Versio-
einflusst vom großen und kleinen zwi-
man auch mal sitzen bleiben, Tex-
nen: Akustik wechselt sich mit E-Piano
schenmenschlichen Wahnsinn, ist er
ten und Tönen lauschen.
ab und trifft auf eine Stimme, die sich
zurzeit wieder auf Deutschlandtour.
Eine Premiere!
geschmeidig darüberlegt. bodo Buchladen
Irgendwo zwischen virtuosem Ge-
Der Eintritt ist frei.
Schwanenwall 36 – 38, Dortmund
Schlakks bahnt sich bereits seit eini-
jamme und klassischem wortwahn-
Spenden für bodos Beratungs-
Fr. 13. 11. | 19.30 Uhr
gen Jahren seinen Weg durch die mu-
witzigem Deutsch-Rap, zwischen
angebote sind herzlich wilkommen.
als die rote Ruhr kackbraun war. Ein Theater-
für ihn angemessenen Tempo nimmt er seine Zu-
stück für Menschen ab 14 Jahren. Authentische
hörer mit in seinen Alltag und seine fantasierei-
Erinnerungsstücke zeigen den Nationalsozialis-
che Gedankenwelt: Ein Wellness-Wochenende
Zum zweiten Mal wurde 2015 der MO Kunstpreis
mus und seine menschenverachtenden Mecha-
mit seiner Bekannten im Sauerland, seine Er-
„Follow me dada and fluxus“ vergeben; diesjäh-
nismen in individuellen Schicksalen.
lebnisse als unfreiwilliger Bordellbetreiber oder
riger Preisträger ist Ben Patterson. Im Zentrum
KiJuKuMa, Bochum, 10 Uhr (auch 03., 04. & 05.11.)
Neues von Olaf und Birte, deren Ehe endgültig in
SO 01 | 11 | 15 Ausstellung | MO Schaufenster – Ben Patterson
Schutt und Asche liegt, nachdem Rüdiger netter-
der Kunstpreisausstellung steht sein Werk „Two for violins“, das auf die Performance „One for
Ausstellungseröffnung | Seenotretter
weise als Paartherapeut eingesprungen ist. Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr
violin“ von Nam June Paik zurückgeht und als
„Wir sind keine Helden – wir sind Profis“, sagen
ironischer Kommentar zur Musealisierung der
Seenotretter oft. Doch was sind das für Men-
Fluxus-Bewegung gelesen werden kann. Weite-
schen, die rausfahren, um anderen in Not zu
re Werke hinterfragen das Verhältnis von Kunst,
helfen? Rund 1.000 Seenotretter sind auf den
Musik und Performances. Ausstellungsende:
54 Stationen der Deutschen Gesellschaft zur
31.1.2016. Öffnungszeiten: dortmunder-u.de
Rettung Schiffbrüchiger im Einsatz. Zur Eröff-
Nach dreiundzwanzig Semestern Germanis-
Museum Ostwall, Dortmund
nung der Ausstellung erwartet die Besucher ein
tikstudium hat Hirni endlich den Abschluss
bunter Abend mit Vorführung eines Kurzfilms,
in der Tasche und beginnt seinen ersten rich-
Shanty-Chor und Lesungen. Der Eintritt ist frei,
tigen Job – als unterbezahlter Praktikant in
eine Spende erwünscht.
einer Eventagentur. Gefangen im Irrsinn des
Studio B / Rotunde der Stadt- und
Agenturalltags stolpert er von einer Absurdi-
Landesbibliothek, Dortmund, 19 Uhr
tät in die nächste – bis er gebeten wird, das
MO 02 | 11 | 15 Jugendtheater | Lumpenpott Herrmann, genannt Lumpenpott, lebt davon,
kauft. Manches behält er: Stücke mit Geschichte. Geschichten von denen, die damals mitgemacht,
Lesung | Kai Preißler „Montagsmeeting“
Projektteam für „Private Events“ bei der Pla-
dass er mit seinem Karren durch das Ruhrgebiet zieht, Lumpen und Trödel sammelt und ver-
FR 06 | 11 | 15
DO 05 | 11 | 15
nung einer opulenten Hochzeitsfeier zu unter-
Kabarett | Rüdiger Hoffmann
Ex-Freundin Imke, und Hirni ahnt, dass er in
stützen. Die Braut ist keine Geringere als seine
angezettelt, weggehört, an- und brandgestiftet
In seinem neuen Live-Programm „Aprikosenmar-
den kommenden Wochen verdammt clever
haben. Aber auch von denen, die verschwunden
melade“ bleibt der Entdecker der Langsamkeit
improvisieren muss.
sind, verfolgt und verschleppt wurden... damals,
seinem Stil treu. Cool und dabei immer in einem
Caféplus, Dortmund, 17 Uhr ANZEIGE
25
VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2015
Diskussion | BLACKBOX
Martina van Boxen und Choreograf Guido Marko-
seinem großen Konzert wortlos verschwunden
Der NSU und das Versagen der Behörden
witz entwickelten mit jungen Erwachsenen aus
ist. Und nun bekommt Fiete einen Brief von
Weit über 200 Prozesstage hat es im Münchner
Bochum, minderjährigen Flüchtlingen aus der
Mortel, nach so langer Zeit. Überraschenderwei-
NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier wei-
ganzen Welt und Jugendlichen aus betreuten
se wird er in die große Stadt eingeladen. Beim
tere Angeklagte bislang gegeben – und dennoch
Wohngruppen ein Tanz- und Theaterstück.
ersten Wiedersehen erwacht die alte Freund-
scheint es so, als sei die Öffentlichkeit noch lan-
Theater Unten, Bochum, 18 Uhr (auch 7.11.)
schaft… Till Beckmann und Ingmar Kurenbach erzählen auf vielfältige Art und Weise die Ge-
ge nicht aufgeklärt über die wahren Ausmaße. Weder wissen wir genug über die Strukturen
Kunst | Zeche 1: Open!
schichte der zwei Freunde.
des NSU und die vergleichbarerer Terror-Orga-
Die Zeche 1 erwacht zu neuem Leben: Wo einst-
nisationen am rechten Rand, noch hat es ausrei-
mals Reinhild Hoffmann ihr Tanztheater zeigte,
chende Aufklärung über die Verstrickungen des
entsteht nun unter der Leitung von Pottporus
Verfassungsschutzes gegeben. Was könnten Kon-
das „Zentrum für urbane Kunst“ mit Tanz, Musik,
sequenzen sein? Verfassungsschutz abschaffen,
Performances, Debatten, Workshops, Gastspielen
Polizei reformieren? Das fragen sich Irene Mihalic
und eigenen Produktionen. Gestartet wird am 6.11.
1967 wurde das abstrakte Ballett-Stück „Jewels“
und Robert Andreasch im Gespräch mit Modera-
mit der langen Nacht der urbanen Kunst und Er-
in New York choreografiert. Es ist eine Hommage
tor Bastian Pütter (bodo e.V.).
öffnung der Ausstellung „Zeichen und Wunder –
an die Frauen, die Weiblichkeit, den Tanz und die
Junge Oper, Dortmund, 18 Uhr
Graffiti als visuelle Dissidenz“. Der Eintritt ist frei.
wunderschönen Städte St. Petersburg, Paris und
Zeche 1, Bochum, 22 Uhr
New York. Das Stück ist in die drei Akte „Sma-
genheit, Zuflucht und Sicherheit denken. Was aber, wenn jungen Menschen bei dem Gedanken
SO 08 | 11 | 15 Film | Bolschoi Ballett: Jewels
ragde“, „Rubine“ und „Diamanten“ gegliedert.
Theater | Da-Heim Daheim, Zuhause, Heimat. Das lässt an Gebor-
Rottstr 5 Theater, Bochum, 13 Uhr (auch 15 Uhr)
SA 07 | 11 | 15 Kindertheater | Stadt. Land. Baum.
Der Smaragd steht hierbei für die französische Tanzschule der Romantik, der Diamant für den klassischen russischen Tanz und der Rubin
an ihr Zuhause Angstgefühle und verstörende
Mortel und Fiete haben sich eine Ewigkeit nicht
für die moderne amerikanische Tradition des
Erinnerungen in den Sinn kommen? Regisseurin
mehr gesehen, seit Mortel eines Tages kurz vor
Broadway-Musicals. Eine Aufzeichnung aus dem Bolschoi-Theater in Moskau.
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Metropolis, Bochum, 12 Uhr Theater und Literatur | Heinrich Heine Veilchenduft und Freiheitssonne Mit Theaterspiel und Gesang werden Gedichte und Prosatexte von Heinrich Heine auf der Bühne lebendig. Die Umsetzungen in Spielszenen sind dabei so vielschichtig wie die Themen der verschiedenen Texte, mit denen die Theatergruppe „WortSinnWeisen“ einen Einblick in Heines Leben und Werk gibt. Die Veranstaltung findet zugunsten der „Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum“ statt. Kulturhaus Thealozzi, Bochum, 18 Uhr
DI 10 | 11 | 15 Musik | Martin Jondo Der Musiker Martin Jondo begann seinen Werdegang in seiner Heimat Berlin. Er lernte 2000 Gentleman kennen, der ihn sofort auf die „Journey to Jah“-Tourneen mitnahm. Zu Zeiten seines „Sky Rider“-Albums (2010) spielte Jondo unter anderem als Support für Duffy, Erykah Badu, Raphael Saadiq, Peter Fox, Xavier Naidoo, Culcha Candela und immer wieder bei Gentleman, der ihn 2014 auch auf seine MTV-Unplugged-DVD und die anschließende Tour mitnahm. Jetzt kommt Martin Stadt Dortmund Jugendamt
Jondo mit seiner neuen Single „Pink Flowers“ und gleichnamigen Album auf Club-Tour ins FZW. FZW, Dortmund, 20 Uhr
26
BODO-TIPP
Herbert Feuerstein, Piet Klocke und
„morgen-abend-wunder-land“. Das
Das Festival stellt seit dem Jahre
Fritz Eckenga sind dabei, der Cha-
Festival, veranstaltet vom Verein für
2000 literarische Werke sowohl von
misso-Preisträger Sherko Fatah, Jo-
Literatur e.V. zusammen mit dem
bekannten Autorinnen und Autoren
van Nikoli, einer der bedeutendsten
Dortmunder Kulturbüro und der
als auch des literarischen Nachwuch-
Vertreter zeitgenössischer serbischer
Stadt- und Landesbibliothek, präsen-
ses vor. Und damit auch die Jüngsten
Romanliteratur, niederländische Lyri-
tiert seit vielen Jahren an verschiede-
mit der Faszination Literatur ver-
LesArt.Festival Literatur. Kunst. Musik
kerinnen und die ungarischstämmi-
nen Standorten ein außergewöhnli-
traut werden, findet u.a. wieder das
ge Zsuzsanna Gahse – um nur einige
ches Programm mit Begegnungen
legendäre „KindergartenBuchThea-
der spannenden Künstler zu nennen,
zwischen deutschsprachiger Litera-
terFestival“ statt.
auf verschiedenen
die beim internationalen Literatur-
tur und angrenzenden Kunstformen
Dortmunder Bühnen
festival LesArt Festival 2015 in Dort-
wie Musik, Performance oder den
Das ganze Programm gibt es im Netz
5. – 22. November
mund auftreten, unter dem Motto:
Darstellenden Künsten.
unter www.lesart-festival.de
DO 12 | 11 | 15 Musik | John Blek & The Rats
SA 14 | 11 | 15
MO 16 – SA 21 | 11 | 15
Lesung | Hate Poetry
Filmfestival | Türkisches Filmfest Ruhr
Cork ist nicht nur die zweitgrößte Stadt Irlands,
Hassmails haben Hochkonjunktur. Die „Hate Po-
In sieben Vorstellungen ist das Türkische Film-
sondern auch die heimliche Kulturhauptstadt
etry“ macht sie öffentlich. Bekannte Journalistin-
fest Ruhr vom 16. bis 21. November im sweetSix-
des grünen Eilandes. Auch diese sechsköpfige
nen und Journalisten lesen aus Hassmails und
teen Kino zu Gast und zeigt außergewöhnliche
Formation kommt aus Cork. Der Sound der Band
aus den derbsten, vulgärsten und dümmsten
türkische Produktionen. Alle Filme im türki-
– eine Mischung aus Folk, Country und America-
Leserbriefen, die sie bekommen haben. Am Ende
schen Original mit deutschen Untertiteln, vie-
na – ist inspiriert von einer ganzen Bandbreite
der großen Show mit Mely Kiyak, Özlem Topçu,
len Filmgesprächen und Filmgästen. Program-
an musikalischen Stilen und Künstlern: dem
Mohamed Amjahid, Ebru Tasdemir und anderen
minfos, Eintrittspreise und mehr unter: www.
Outlaw Country eines Willie Nelson, den Pro-
dürfen die Zuschauer abstimmen, wer den bes-
tuerkischesfilmfestruhr.de
testsongs von Woody Guthrie oder der Lyrik ei-
ten Hassbrief bekommen und vorgetragen hat.
sweetSixteen Kino, Dortmund
nes Jack Keruoac. Der Eintritt ist frei.
Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr
subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr
Filmfestival | 26. Kinofest Lünen Die 26. Ausgabe des Festivals präsentiert 56 aktuelle deutschsprachige Filme. Das Spektrum reicht von der kurzen Knet-Animation bis zum packenden historischen Spielfilm, von der Musik-Doku bis zur Gesellschaftssatire. Die Verfilmung des Martin Suter-Bestsellers „Die dunkle Seite des Mondes“ von Stephan Rick mit Moritz Bleibtreu und Jürgen Prochnow in den Hauptrollen eröffnet als NRW-Premiere das Festival. Programm: www.kinofest-lünen.de. Cineworld, Lünen
DortmunderWeihnachtsmarkt.de Weihnachtsmarkt.de
DO 12 – SO 15 | 11 | 15
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Dortmunder Weihnachtsmarkt
19. Nov – 30. Dez
22. Nov und 25. Dez geschlossen (Feiertage)
mo – do fr und sa so 24. Dez 26. Dez
10 – 21 Uhr 10 – 22 Uhr 12 – 21 Uhr 10 – 14 Uhr * 12 – 21 Uhr
Verkaufsoffener Sonntag: 6. Dez * nicht alle Aussteller
FR 13 – DI 24 | 11 | 15 Show | Urbanatix In einem Crossover aus Musik, Videoperformance, Parkour, Freerunning, Tanz, Tricking, Biken, Catwall-Trampolin und innovativer internationaler Bewegungskunst wird Urbanatix „Now“ zum kollektiven Puls eines 50-köpfigen Künstlerensembles, der die Schönheit und Unwiederbringlichkeit des Moments greifbar macht. Termine unter urbanatix.de Jahrhunderthalle, Bochum 27
VERANSTALTUNGEN NOVEMBER 2015
systeme, informiert über die Unterschiede zwi-
DO 19 | 11 | 15
schen einem Studium in Deutschland und in den
FR 20 | 11 | 15
Infoveranstaltung | Studieren in Amerika
USA und über den Zulassungsprozess. Welche
Chancen und Voraussetzungen
deutschen Abschlüsse braucht man, um für ein
Gemeinsam mit der Menschenrechtsorgani-
Dr. Joann Halpern, Leiterin des German Centers
Bachelor in den USA zugelassen zu werden? Für
sation „Adopt a Revolution“ zeigt der Bahnhof
für Research and Innovation, gibt einen kurzen
ein Master? Für eine Promotion? Wie wird man
Langendreer das Kurzfilmprogramm „Open Ga-
Überblick über die US-Schul- und Universitäts-
an den besten US-Universitäten zugelassen?
tes“: Elf Kurzfilme junger syrischer Filmemacher
Wie finanziert man ein Studium in den USA?
eröffnen einen anderen Blick auf das heutige
Kann man während bzw. nach dem Studium in
Syrien. Sie handeln von Hoffnung, Liebe, Ab-
den USA arbeiten? Der Eintritt ist frei.
schied, Humor und den Schrecken des Krieges.
Auslandsgesellschaft NRW, Dortmund, 19 Uhr
Im Gespräch mit dem Regisseur Sipan Hota und
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he Filme l für deutsc 26. Festiva mber 2015 ve NEN 12. −15. No EWORLD IN DER CIN
LÜ
Film | Kurzfilmabend Open Gates
Dorte Riemenschneider sollen vor allem Gründe BODO VERLOSUNG | „Watt’n’hallas“
für die Flucht aus Syrien thematisiert werden.
Comedy-Festival: The Cat Pack
Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr
Junggesellinnenabschiede sind out, Scheidungsparties sind in. Doch wie feiert man den zweit-
BODO VERLOSUNG | Du bist meine Mutter
schönsten Tag des Lebens? Die
Der Sohn macht sich auf den Weg zu seiner an
drei besten Freundinnen Lena,
Demenz erkrankten 80-jährigen Mutter im Pfle-
Nessa und Heike müssen sich
geheim. Jeden Sonntag lockt er
entscheiden: Vegane Häppchen
sie für ein paar Momente zurück
oder Extrawürste? Pyjamaparty
in die normale Welt. Es beginnt
oder Tabledance? Kamillentee
eine Reise durch Kindheitsstatio-
oder Komasaufen? Damit sich
nen, Verstrickungen und Bewälti-
der Abend zur rauschenden Party steigert, wird
gungsversuche, die Mutter-Kind-
jedes Tabu gebrochen und kein Höhepunkt aus-
Beziehung zu verstehen und zu
gelassen: Es wird gesungen, geschlürft, gestrit-
verwandeln. Poetisch anrührend, unsentimental
ten und gelacht. Ein spritziger Weiber-Abend
und komödiantisch beleuchtet das Stück den Um-
für alle – auch für (noch) glücklich Verheiratete.
gang erwachsener Kinder mit ihren an Demenz er-
Weitere „Watt’n’hallas“ Termine: fhh.de.
krankten Eltern, wirft ein ganz neues Licht auf die
Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr
Chancen und Abgründe dieser Situation.
bodo verlost 5 x 2 Karten
Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr bodo verlost 3 x 2 Karten
Lesung | Dond & Daniel lesen Michael Frayn Michael Frayn, 1933 in London geboren, ist ein vielseitig beschäftigter Mann. Und außerdem einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Au-
KINOFEST WEBSITE
m, alle Das Program alle Infos Filme und stival rund ums Fe
Gefördert von
Premium Sponsor
28
Ausstellung | Die Roboter
toren Englands. Sein Buch „Streichholzschach-
Sie arbeiten wie wir, sie denken wie wir und sie
teltheater“ beinhaltet „30 zündende Unterhal-
sehen aus wie wir. Oder doch (noch) nicht? Die
tungen“. „Eine Reihe kurzer, absurder Szenen,
Ausstellung zeigt, wie sehr unser Leben und Arbei-
geschrieben von einem der größten und sicher
ten schon heute von intelligenten Systemen und
lustigsten Dramatiker Englands – eine witzi-
Maschinen beeinflusst wird. Von den ersten Stein-
ger als die andere…“, meint Daniel Kehlmann
werkzeugen über menschenähnliche Automaten
zu diesen literarischer Miniaturen.
bis hin zur sensorischen Robotertechnik. Ein Streif-
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
zug durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Mensch-Maschine-Beziehung. Ausstellungs-
Film | endstation.goldkante: Bandsalat 1 „Be Kind, Rewind“ (OmU) von Regisseur Michel
Prog Karten und s t- lu e w w w.k in o fe
SA 21 | 11 | 15
ramm
n e n .d e
Veranstalter
dauer: 21.11.15 bis 25.9.16, dasa-dortmund.de DASA, Dortmund
Gondry erzählt von einer Videothek, die auf VHSKassetten setzt und damit zu verlieren droht.
Markt | BIERinFLASCHEN + VINYLinSCHEIBEN
Dann löschen Mike und sein Freund Jerry (Mos
Die Trinkhalle lädt zum 5. Vinyl-Flohmarkt.
Def, Jack Black) aus Versehen alle Kassetten. Sie
Zwischendurch kann man sich ganz entspannt
beginnen, die verlorenen Filme ohne Budget neu
von der nicht minder vielfältigen Bierauswahl
zu drehen. Das endstation.kino und die Goldkan-
inspirieren lassen. Gestärkt mit Kuchen oder
te suchen regelmäßig den kulturellen Austausch.
Bio-Frikadellen lässt sich trefflich stöbern, ob in
Der Film ist der Auftakt zur Reihe „Bandsalat“.
Plattenkisten oder Kühlschränken.
Goldkante, Bochum, 20 Uhr
Trinkhalle, Bochum, 14 – 21 Uhr
BODO-TIPP
4 Heilige 3 Könige Theater im depot bei bodo
Da kommen vier Leute mit Noten-
rieselt der Schnee“ erklingen, von
familienfreundlichen Abend. Und
ständern die Treppe runter, die
hart bis zart, von Heintje bis Heavy
wer diese vier Ensemblemitglieder
Puschen an den Füßen und einen
Metal, und der Weihnachtsbaum
kennt, weiß, dass es nicht nur beim
Schlitten für den Weihnachtsbaum
Stück für Stück wächst. Da dreht es
Lesen bleibt. Die Einnahmen spen-
im Schlepptau – die 4 Heiligen 3
sich um eine winzig kleine Gestalt
det das Theater an bodo für seine
Könige? Nun – zumindest hat es
im Schnee, Löcher in der Unterhose
Vereinsarbeit.
irgendetwas
und keine Wurstlbude, und Weih-
mit
Weihnachten
zu tun, wenn das Christmas Ca-
Eintritt 9 Euro, ermäßigt 5 Euro
nachten naht…
Nur Abendkasse, Reservierungen
rol Ensemble des Theaters im De-
bodo Buchhandlung
pot Janoschs „Morgen kommt der
Mit dieser Benefiz-Veranstaltung
Schwanenwall 36 – 38, Dortmund
Weihnachtsbär“ lesen und dabei
lädt das Theater in bodos Buchla-
Fr. 29.11. | 19.30 Uhr
mindestens 16 Versionen von „Leise
den zu einem vergnüglichen und
BODO VERLOSUNG | Radio Havanna
unter Tel. 0231 – 950 978 0
Facetten des bewegten Bildes im Ruhrgebiet.
Texten ist. Unverblümt, krass und direkt pen-
Suhl in Thüringen ist nicht gerade der Ort, an
Die Preisträger werden am Samstagabend ge-
delt Volker Pispers zwischen bitterböse und
dem man aufwachsen möchte. Nach der „Wende“
kürt, und im Anschluss können die steifgeses-
charmant-witzig, wenn er die Absurditäten
mutierte die ehemalige
senen Hüften zu verschiedenster Musik gelo-
der Welt zu Ende denkt.
DDR-Bezirkshauptstadt
ckert werden. Wer lieber mit leiseren Tönen das
RuhrCongress, Bochum, 20 Uhr
zu einer Bezirkshaupt-
Festival ausklingen lassen möchte, kommt zur
bodo verlost 1 x 2 Karten
Geisterstadt, in der die
Sonntagsmatinee mit Frühstück um 10 Uhr und
Konfrontation mit Neo-
anschließender Präsentation der Siegerfilme.
nazis die einzig verbleibende Möglichkeit ist, sich
Infos unter www.blicke.org
selbst und Suhl überhaupt wahrzunehmen. Ge-
endstation.kino, Bochum
Musik | Between Das Quintett aus dem Ruhrgebiet hat sich ganz
nau daher stammt „Radio Havanna“. Ihr künstlerisches Schaffen artikuliert die Wut, Widersprüche
dem „b-jazz“ verschrieben: beneath, below, bet-
FR 27 | 11 | 15
und Abgründe, die in Suhl ihren Ursprung finden. Radio Havanna bringen es mit ihrem fünften Al-
SO 29 | 11 | 15
ween. Funkige Jazzstandards, bluesige Balladen,
BODO VERLOSUNG | Volker Pispers
interpretierte Songs – immer eine Spur neben
bum auf den Punkt: Unsere Stadt brennt.
Unter dem Titel „Bis Neulich“ spielt Volker
dem Original – und groovende Eigenkomposi-
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
Pispers ein ständig vor sich hinwucherndes
tionen sind die Markenzeichen von „between“.
bodo verlost 2 x 2 Karten
MI 25 – SO 29 | 11 | 15 Filmfestival | blicke – filmfestival des ruhrgebiets Fünf Tage lang dreht sich während des 23. blicke Filmfestivals wieder alles um verschiedenste BIER_Medien_Anz_Bodo_04RZ.pdf 1 20.10.15
17:19
bzw. mutierendes Kabarett-
Kompositionen aus dem Umfeld von Herbie
programm, das einst im Herbst
Hancock, Wayne Shorter, John Scofield , Nguyên
2002 als Best Of aus 20 Jahren
Lê, aber auch old-school-standards sind dabei
das Bühnenlicht erblickt hat
die Grundlage für ganz eigenständige und mo-
und inzwischen eine ständig
derne Interpretationen.
aktualisierte, wilde Mischung
Kino im U, Dortmund, 20 Uhr
aus ganz alten und ganz neuen
KUNST BIER R ALCHEMIE KUNST UND DAS FLÜSSIGE GOLD DER STADT. EINE AUSSTELLUNG ZUM 500 JÄHRIGEN JUBILÄUM DES REINHEITSGEBOTES.
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29
BODO GEHT AUS
The Shakespeare | Herdecke Beim Biersommelier
Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
ist, ein eigenes Restaurant zu führen. Mich hat interessiert, mein Essen für viele Leute
Die Innenstadt von Herdecke besitzt Charme.
auf den Tisch zu bringen.“ Deswegen hat er
Verwinkelte Gässchen, kleine Läden, Fach-
sich vor drei Jahren mit den „Bleichsteinter-
werk, verschieferte Fassaden. Bedauerlich,
rassen“ an der Ruhr selbständig gemacht.
dass die Traditionskneipe „Tante Alma“ hier
„Allerdings hat sich dort mein erstes Kon-
mehr als ein Jahr leerstehen sollte – bis Natha-
zept schnell in etwas anderes verwandelt“,
Gastronomie um Bierproben, -seminare und
niel Stott sie als „The Shakespeare“ wieder er-
verrät er. Denn kurz nach der Eröffnung
Degustationsmenüs. Selbstverständlich wird
öffnete. Er hat nicht nur den Namen geändert.
seiner Lokalität durfte er eine Erfahrung
es diese Dinge auch im neuen Betrieb geben.
In den gediegenen Räumlichkeiten kann man
machen, die seinen Horizont in puncto Ge-
Zunge und Gaumen überraschen. Bei und mit
nuss und Geschmack auf ungeahnte Weise
einem Getränk, das jeder zu kennen glaubt.
erweitern sollte. „Ich habe ein Indian Pale
In und um Herdecke ist Nathaniel Stott als „der Engländer“ bekannt. Er entspricht dem Bild, das man sich hierzulande von einem Bewohner der Insel macht. Ruhig, höflich, vornehme Blässe, typischer Akzent. Seit 1992 lebt er in Deutschland, hat studiert und ist der Liebe wegen nicht nach England zurückgekehrt. Gearbeitet hat er als Webdesigner.
30
Ale von Fritz Wülfing getrunken. Ich wusste bis dahin nicht, wie gut Bier schmecken kann.“ Wülfing zählt wie Sebastian Sauer zu den Stars der sogenannten Craft-BeerSzene, unabhängigen kleinen Brauern, die seit einigen Jahren mit viel Kreativität und handwerklichem Können für frischen Wind auf dem Getränkemarkt sorgen.
Was für Weintrinker keine Novität ist, mag manch einem im Kontext von Bier noch ungewöhnlich erscheinen. Aber Nathaniel Stott versichert, „die Bandbreite bei Bieren ist zigmal größer als die von Wein. Auch rein geschmacklich. Zurzeit ist bei meinen Gästen ein Pfefferkornbier sehr beliebt. Es ist leicht, cremig und hinterlässt eine tanzende Note auf der Zunge.“ Neben elf weitere Sorten kommt es frisch gezapft vom Fass. Darüber hinaus gibt es etwa sechzig
„Im Hauptberuf war ich Papa“, sagt er. Und
Nach besagtem Erweckungserlebnis ließ sich
Flaschenbiere. Nicht nur Exoten. Auf der
dass er schon immer gern gekocht habe.
Stott bei der IHK zum Biersommelier ausbil-
Karte findet man auch klassisches Pils und
„Ich wollte dann mal ausprobieren, wie es
den und erweiterte das Programm seiner
Alt der Hagener Vormann-Brauerei und
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GRUENE-DORTMUND.DE
RADSPASS STATT STAUFRUST Foto: emanoo / photocase.com
VORFAHRT FÜR DEN RADSCHNELLWEG RUHR
MEHR GRÜN FÜR DORTMUND.
Die Welt besser verstehen ft.nrw
.auslandsgesellscha Austausch reisen wwwReisen Geschichte zeigen Begegnung einmischen bloggen Sprachreisen informieren entdecken bürgerschaftliches Engagement Kultur en Ehrenamt Jugendaustausch Politik denken Beratung Integration Erfahrung Europa Motivation Freundschaften Brücke mit Kilkenny und Guinness auch internatientdecken Veranstaltungen Motivation onalen Mainstream, der aber in deutschen Restaurationen eher selten ist. weit Work & Travel Völkerverständigung Internationale PolitikEnglish Humanität Die Küche jenseits der Degustationsmenüs ist verlässlich schmackhaft. Schnitzel, EinOffenheit Dialog Adventure Camps topf, mal ein Curry- oder Nudelgericht, und, Sprache Erfahrung erzählen Begegnung man ist schließlich beim Engländer zu Gast, verstehen Neugier politische Seminare English Breakfast und Fish’n’Chips. Wer hier berichten Geschichte Eurodesk fragen isst, wird eventuelle Vorbehalte der angeblernen Au Pair Zivilgesellschaft erleben lich so langweiligen Insel-Küche gegenüber mitwirken Austausch Brücken bauen revidieren müssen. erfahren High-School begreifen lesen „The Shakespeare“ bietet auch Konzerte, schreiben Auslandsaufenthalte weltweit Lesungen, Poetry-Slam, Quiz- und Filmadiskutieren reisen chatten Vermittlung bende. „Ich mag den Begriff ,Kneipenkultur‘ Freiwilligendienste erklären Toleranz nicht“, sagt Stott. „Ich spreche lieber von einer Kneipe mit Kultur, in der sich die Leute erzählen zusammenleben Studienreisen wohlfühlen können, als wäre es ihr eigenes Humanität Reisen beraten Wirtschaft Wohnzimmer.“ lachen Auslandspraktikum erleben Demokratie Erinnerung Transparenz informieren begreifen The Shakespeare, Hauptstr. 38, 58313 Herdecke Täglich von 11 bis 23 Uhr, an Markttagen auch früher, an Wochenenden länger Tel. 02330 – 126 76
Telefon: 0231 8 38 00-33, eurodesk@agnrw.de, www.agnrw.de Eurodesk Dortmund/Auslandsgesellschaft NRW e.V., Steinstraße 48, 44147 Dortmund
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KULTUR
Dortmunder Neu Gold Eine Ausstellung 端ber Kunst, Bier und Alchemie vom 27. November 2015 bis 1. Mai 2016
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Ins „U“, ins ehemalige Kellerhochhaus der Union-Brauerei eine Ausstellung zum Thema Bier zu holen, ist schlüssig. Wohl keine der bislang im Haus präsentierten Kunstausstellungen dürfte dem historischen Gebäude inhaltlich näher gewesen sein als „Dortmunder Neu Gold“. Wer Ort und Titel zusammendenkt, wird das goldgelbe Getränk unweigerlich auf der geistigen Netzhaut haben. Die Namensergänzung um „Kunst, Bier & Alchemie“ dagegen wirft Fragen auf. „Das zentrale Thema von ,Neu Gold‘ sind Transformationen“, erläutert Kurator Stefan Riekeles. „Im Braukontext finden wir zahlreiche Verwandlungsprozesse. Hopfen und Malz werden zu Bier. Bier verwandelt dünne Männer in dicke Männer. Das Gebäude, in dem wir uns befinden, war Braustätte, jetzt gibt es dort Kunstausstellungen. Aus einem einst regionalen Grundnahrungsmittel wurde ein Exportschlager. Diese Liste lässt sich nahezu beliebig fortsetzen, wenn man sich die Geschichte von Stadt und Region vergegenwärtigt.“
„Man kann es schlecht in die Ausstellungshalle gießen.“ Kohle, Stahl und Bier – dieser Dreiklang stand für mehr als hundert Jahre felsenfest. Kohle und Stahl sind weg. Fußball ist dazugekommen. Bier ist weniger geworden. Vorbei sind die Zeiten, in denen die ansässigen Brauereien ihre Produkte nicht nur weltweit exportierten, sondern der Name „Dortmunder“ als Synonym für Bier schlechthin gebraucht – und des Öfteren ungefragt verwendet wurde. „Das ist Vergangenheit“, sagt Riekeles. „Bier war der Dortmunder Schatz, man kann es
Am 24. April des Jahres 1516 erließ Herzog Wilhelm IV von Bayern eine Verordnung, die in den späten 1980er Jahren als Deutsches Reinheitsgebot endgültig Karriere machen sollte. Selbst konservative Biertrinker müssen zugeben, dass die Bezugnahme auf besagten Erlass in erster Linie eine clevere MarketingStrategie der heimischen Brauwirtschaft darstellt. Vermutlich hat das Reinheitsgebot längst einen höheren Bekanntheitsgrad als der erste Artikel des Grundgesetzes. Dem Dortmunder „U“ bietet der fünfhundertste Geburtstag der robusten Verordnung die Gelegenheit, eine besondere Ausstellung zu zeigen. Sie wird am 27. November dieses Jahres eröffnet. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Adolf Winkelmann, Daniel Sadrowski, Gert Elsner
aber schlecht in eine Ausstellungshalle gießen. Wer diesen Schatz noch einmal heben will, muss dafür Bilder finden. Und natürlich muss Neues geschaffen werden. Nur weil sich jetzt, wo über Jahrzehnte gebraut wurde, ein Museum befindet, kann man diese Bilder an diesem ganz speziellen Ort zeigen. Unsere Ausstellung ist ein kleiner Teil der neuen Erzählung. Das gilt darüber hinaus auch für die Art, wie wir Gegenwartskunst und Kulturgeschichte zusammenbringen und vermischen.“ Allein durch die Bezugnahme auf das Reinheitsgebot öffnet sich eine zeitliche Dimension, die ausreichend Spielraum für Imagination und Projektion lässt. Bemerkenswert ist, dass es selbst in der Ära von Wikipedia und google keine einfachen Suchbegriffe gibt, die hier auf Knopfdruck eindeutige Erklärungen liefern
Links: Für die Ausstellungser-
könnten. Dem steht gegenüber, dass sich beim Thema „Bier“ jeder als
öffnung schüttet Winkelmann
Experte fühlt. „Das hat mich von Anfang an fasziniert. Es geht bei ,Neu
Bier ins Dortmunder U – und
Gold‘ um einen Text, der vor fünfhundert Jahren geschrieben wurde. Wer
zwar bis oben hin voll. Bild aus
über das Reinheitsgebot redet, glaubt auf einen verbürgten Kanon von
der Installation „Fliegende Bil-
Allgemeinwissen zurückgreifen zu können. Aber fünfhundert Jahre sind
der“ für das Dortmunder U von
lang. Man hat überhaupt keine Ahnung, was währenddessen mit diesem
Adolf Winkelmann, 2010.
Reinheitsgebot passiert ist. Man kann versuchen, es nachzuvollziehen.
Oben: Ayumi Matsuzaka „Future Beer Cycle“, Diagramm des Kreislaufprozesses, 2015.
Wirklich wissen kann man das nicht.“
Kunst trifft auf Kulturgeschichte
Rechts: Iva Vacheva
„Neu Gold“ ist eine Kunstausstellung und keine dezidiert kulturhisto-
„Gloria, Gloria!“, 2009,
rische Schau. Unter den Schlagworten „Kunst, Bier & Alchemie“ werden
Acryl auf Leinwand.
Werke internationaler Künstlerinnen und Künstler mit Objekten der 33
KULTUR
langen Kulturgeschichte des Bieres konfrontiert. Gezeigt werden unter an-
Jüngeren beginnt die Beziehung, als das Gebäude bereits leer stand und
derem klassische Ölgemälde, Videoinstallationen, Werbeplakate, histori-
Schauplatz illegaler Partys war. Wir zeigen auch eine Arbeit der legen-
sche Trinkgefäße, japanische Zeichentrickserien und Fastnachtskostüme.
dären Ausstellung ,Reservate der Sehnsucht‘, die in den 1990er Jahren vom
Bei „Future Beer“, einer Auftragsarbeit der Künstlerin Ayumi Matsuzaka,
HMKV in diesen Leerstand gebracht wurde und das Haus erstmals in den
tritt die grundlegende Idee von Transformation besonders deutlich zu-
Kontext von Kunst gebracht hat.“
tage. „Ayumi Matsuzaka braut ein Bier und dokumentiert den Prozess“, erklärt Riekeles. „Mit dem Urin, den ein Biertrinker ausscheidet, düngt sie
Mit den goldenen Leuchtern aus dem Dortmunder Ratssilber werden aus
ein Feld, auf dem Gerste wächst. Die Gerste wird vermälzt und aus dem
stadthistorischer Sicht bemerkenswerte Objekte präsentiert. Anlässlich der
Malz ein Bier gebraut, das dann wieder jemand trinkt. Wir behaupten
Hafeneinweihung durch Kaiser
einen geschlossenen Kreislauf, den es streng wissenschaftlich genommen
Wilhelm II. wurden sie 1899 von
nicht gibt. Wir behaupten eine ideale Welt, die so nicht existiert. Aber für
der Dortmunder Brauereiwirt-
wenige Moleküle vielleicht doch.“
schaft in Auftrag gegeben. „Wir zeigen sie einerseits wegen ih-
„Interessant an ,Future Beer‘ ist darüber hinaus eine weitere Ebene“, er-
rer symbolischen Bedeutung
gänzt Lena tom Dieck. Sie ist mit der Projektleitung der Ausstellung be-
für die Relevanz von Bier in der
traut. „Ayumi Matsuzaka thematisiert in vielen ihrer Arbeiten, wie der
Stadt und andererseits, weil sie
Mensch wieder in Einklang mit der Natur kommen könnte. Früher war es
aus Gold sind. Wichtige Dinge
in vielen Bereichen üblich, eigene Ausscheidungen zu nutzen und zurück
sind immer aus Gold.“
in den Produktionsprozess zu bringen. In einigen Kulturkreisen wird noch immer so verfahren. Wir dagegen leisten es uns, viele potenziell nützliche Dinge nicht zu verwenden. Das spielt bei der aktuellen ,Upcycling‘Diskussion eine nicht unerhebliche Rolle.“
Arbeitsplatz, Luftschutzbunker, Partyort, Museum Aus „Scheiße Gold machen“, ein alchemistischer Prozess. Als solcher weniger derb, für etliche Menschen dagegen von durchaus existenzieller Natur ist die Geschichte des „U“. „Dortmunder Neu Gold – Kunst, Bier & Alchemie“ erzählt schließlich auch die Verwandlung einer zunächst per-
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Oben links: Hangover ist eine Kronleuchter-Installation. Über eine Seilwinde kann die Installation von der Decke herabgelassen werden, und die Besucher können sich ein Bier aus dem Leuchter nehmen. Je mehr getrunken wird, desto heller wird es also im Raum. Oben: Projektleiterin Lena tom
manent wachsenden industriellen Produktionsstätte über spätere Krisen,
Dieck und Kurator Stefan Riekeles.
Niedergang und Brache und dann in ein Zentrum für Kunst und Kultur.
Rechts: Die Fotografien wurden
„Als wir begannen, die Idee unserer Ausstellung mit konkreten Inhalten zu
von der Künstlerin Eva Teppe in
unterfüttern, haben wir mit zahlreichen Bürgern gesprochen und gefragt,
Shinjuku, einem Stadtteil von
was sie persönlich mit dem Gebäude verbindet“, erzählt Lena tom Dieck.
Tokio, über einen Zeitraum von
„Es gibt unglaublich viele Geschichten zum ,U‘. Wir haben Leute kennen-
einigen Wochen immer um 5
gelernt, die mehr als dreißig Jahre in dieser Brauerei gearbeitet haben.
Uhr morgens aufgenommen. Zu
Die identifizieren sich mit dem Gebäude. Die opfern sogar ihre Freizeit,
dieser Zeit entsteht eine bizarre
um zu verhindern, dass die ehemalige Funktion in Vergessenheit gerät.
Atmosphäre in dieser Gegend:
Wir haben Menschen getroffen, die im Krieg dort Schutz gesucht haben
leblos scheinende, erschöpfte
und vielleicht nur überlebt haben, weil die Mauern so dick waren. Bei den
Körper liegen in den Straßen.
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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.
Es ist zwei Schülergenerationen her. Beim Elternabend eines Marie-Curie-Gymnasiums fragte ich den Physik- und Klassenlehrer, was er an dieser Schule, benannt nach einer Naturwissenschaftlerin und zweifachen Nobelpreisträgerin, tun wolle, um Mädchen in Physik zu fördern. Kurz die Antwort: „Wenn die Mädchen sich melden, nehme ich sie dran.“ Seltsamer Weise Seltsamerweise promoviert das so umsorgte Mädchen von damals heute ausgerechnet an einer Chemischen Fakultät. Fachlich kann das nicht an mir liegen. Eine Schülergeneration später durfte ich auf einer Bildungsmesse in Hannover Vertreter eines Verlages grillen, der Französischbücher herausgab. In praktisch jedem Kapitel ging es darum, dass Jean und Jacques am Moped rumschraubten, während Marie und Sophie dazu in die Hände klatschten, „oh „oh là la la“ là“ kreischten und Madeleines für die tollen Jungs buken. Sehr vergangene Vergangenheit, denkt man. Aber dann stößt man 2015 in der Filiale eines Discounters auf dem Wühltisch auf ein ZwillingsBuch-Paar. „Was ein Mädchen wissen muss – 100 Kindertipps“, heißt das eine, wirklich rosafarben eingebunden. Den Titel des anderen Buches kann man erraten. Ziemlich avantgardistisch ist es nicht blau, sondern moosgrün gehalten. Innendrin geht es ums Popelessen (Mukophagie), schnelles Laufen und Geheimschriften. Mehr brauchen Jungen nicht. Die Mädchenbücher sind schon ausverkauft, als die Bubenbände noch bleischwer herumliegen. Warum? Die preissensible Oma denkt wohl auch heute noch: „ Der Junge liest keine Bücher, der Junge schreibt Geschichte“, und wühlt weiter. Mädchen hingegen sollen alles lieben, was nur möglichst rosa rosa und und blöd daherkommt. Nur Vorsicht, am Ende des Blondinen-Lehrbuchs werden große Frauen vorgestellt, Marie Curie darunter. Und da erfahren Mädchen dann, dass die ihre Nobelpreise wider Erwarten nicht für „Körpercreme und Lotionen“ erhielt.
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
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Unnaer Straße 29a 59174 Kamen 02307 - 91 22 10
info@awo-ww.de
www.awo-ww.de 35
INTERVIEW
„Aha“, sagt meine Depression und legt sich noch mal hin. Kann man Depressionen ernst nehmen als das, was sie sind – eine lebensbedrohliche psychische Erkrankung – und gleichzeitig laut über sie lachen? Offensichtlich. „Morgen ist leider auch noch ein Tag“ ist ein lakonischer Roman voll absurdem Humor, ein Ratgeber ohne Therapeutenton, ein Aufklärungsbuch für alle die glauben, Depression sei so etwas wie schlechte Laune – und ein Bestseller. Ein Gespräch mit seinem Dortmunder Autor. Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski
bodo „Morgen ist leider auch noch ein
TK Die Diagnose hatte ich schon eine ganze
Tag“ ist eine Herausforderung für Buch-
Weile, unter meinen engen Freunden war
händler: Wo einsortieren? In Bochum ha-
das bekannt. Dann hat sich eine Freundin
ben wir es in der medizinischen Abteilung,
von mir das Leben genommen, Heiligabend
Fachbücher Depression, gefunden. Was ist
2013 in ihrer WG eine Straße weiter. Sie war
das für ein Buch?
jemand, mit dem ich mich viel austauschen
Tobi Katze (lacht) Großartig. Naja, ich wollte gern einen Roman schreiben. Rowohlt sagte, mach das. Nun ist es ein „erzählendes Sachbuch“ und irgendwie auch ein biografischer Roman, ein Erfahrungsbericht meiner Bühnenfigur eben. bodo Denn eigentlich heißt Du gar nicht Tobi Katze…
konnte darüber. Es war ein Schock, ich habe es nicht verstanden, ich war wütend. Und ich dachte mir: Wenn sie in der Öffentlichkeit anders, freier hätte darüber sprechen können, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Ich kannte das von mir selber, was dieses Versteckspiel für einen Druck aufbaut. bodo Du hast daraufhin dein Blog „Das Gegenteil von traurig“ begonnen, das dann
TK Genau, das ist meine Bühnenfigur. Für das
ziemlich schnell auf die Seite von „Stern
Buch habe ich die Schraube weitergedreht
online“ umgezogen ist.
und behauptet, meine Bühnenfigur sei ein
36
echter Mensch, der wiederum unter einem
TK Das war für mich die logische Konse-
Künstlernamen – Tobias Siebenleben – auf-
quenz: Ich stehe zumindest ein wenig in der
tritt. Dieser Tobi Katze ist vorlaut, selbstsicher
Öffentlichkeit, ich habe Depressionen, und
usw. – und ich fand es spannend, ihn eine
ich traue mir zu, das irgendwie verständlich
Depression durchleben zu lassen.
machen zu können.
bodo In Wirklichkeit teilt ihr beide diese
bodo In Deinem Blog hast Du geschrieben:
Erkrankung. Wann hast Du angefangen,
„Wer nicht lesbisch oder schwul ist, aber
über Deine Depression zu schreiben?
unbedingt mal dieses herrlich beklemmen-
de Gefühl eines klassischen ,coming out‘ erleben möchte – kann ja mal ganz feierlich den Satz ,Ich bin in Therapie‘ fallen lassen.“ TK Es war wirklich so. Ich hatte Angst davor und hab mich zuerst meiner besten Freundin anvertraut. Deren Reaktion war, wie man sich’s wünscht: „Ach so, aha, ok.“ Und dann war´s gut. Das war toll. Bei meinen Eltern war es eine andere Kiste, weil es da irgendwie eine sehr hohe Schamgrenze gab. Das war eine Hürde. Meine Eltern waren erst kurz geschockt, haben aber dann erstaunlich cool reagiert. Ich hab dann längere Zeit damit verbracht, zu erklären, was es damit auf sich hat, wie man am besten mit mir umgehen könnte, und so. bodo Das klingt doch erst einmal ganz positiv… TK Ich habe da einfach ein tolles Umfeld. Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, dass viel Unverständnis herrscht, dass aber langsam eine Bereitschaft entsteht, dazuzulernen, sich weiterzubilden. Wenn ich in andere Gruppen komme und es kommt das Gespräch darauf, höre ich aber immer noch „Mir geht´s auch manchmal nicht so gut“ oder „Ich bin auch mal traurig“. Depression ist eine Krankheit. bodo Es gibt aber auch die andere Seite: Der bayerische CSU-Innenminister forderte nach der German-Wings-Katastrophe ein Berufsverbot für Depressive.
Am 11. Dezember ist Tobi Katze in der Benefizreihe „2. Freitag“ bei bodo zu Gast. Schwanenwall 36 – 38, Dortmund. Beginn 19.30 Uhr, Eintritt frei. www.bodoev.de
TK Das war grotesk und aus dem gleichen Unverständnis heraus geboren. Die Leute wissen nicht, was Depression ist, es ist aber offenbar etwas im Kopf – also entweder unverständlich und sehr gefährlich oder einfach nicht existent, ein Mangel an Disziplin oder Frohsinn. bodo Der landläufigen Vorstellung von Depression widerspricht es, dass jemand ganz regelmäßig auf Bühnen steigt, gar Bücher schreibt. Wie ging das und wie geht das? TK Ich hatte große Angst davor, dieses Buch zu schreiben. Das ist schon ein großes Projekt. Es hat funktioniert, weil ich eben schon weit bin in meiner Therapie, weil ich Bewältigungsstrategien schon erlernt hatte. Was 37
INTERVIEW
die Aufritte angeht: Früher gab es Alkohol dafür. Das hat hervorragend funktioniert. Inzwischen trinke ich gar nichts mehr, nehme dafür aber Medikamente und bin mit der Psychotherapie durch. Diese Momente, in denen ich nichts machen kann, sind immer noch da. Ich habe dann aber meist noch immer genug Antrieb, das hinzubekommen, mich da hinzuschleppen und eine Show zu machen. Das ist körperlich anstrengend, und das sind Abende, wo ich reinkomme, mich abkapsle, mich hinsetze, für mich bin, rausgehe. bodo Vom Ton her ist „Morgen ist leider auch noch ein Tag“ gar nicht weit weg von Deinen Bühnentexten oder Deinem letzten Buch. Wir haben in der Besprechung zu „rocknrollmitbuchstaben“ geschrieben: „In seinen Geschichten zerfließt die Verabredung darüber, was da draußen tatsächlich passiert. Das ist beunruhigend. Und sehr, sehr komisch.“ Ist das wirklich noch komisch, wenn es um Depression geht? TK Natürlich. Ich wollte dem Thema eine Leichtigkeit geben, etwas, über das man schmunzeln oder lachen kann, etwas Unterhaltsames, bei dem man etwas lernt. Eben kein klassisches Aufklärungsbuch, sondern etwas, bei dem das Gefühl rüberkommt, wie sich so ein Leben anfühlt, was alles dazugehört. Die Verantwortung war dann dabei: Wie kann ich das vernünftig erzählen, ohne zu verharmlosen und ohne dass die Erkrankung hinter dem Gag zurücktritt. bodo Gibt es Leute, die sagen: „Darüber macht man keine Witze?“ TK Oh ja, ich kriege solche Post. Das ist das Internet, da wird man dann auch mal beschimpft. Aber: Jeder, der sich damit beschäftigt, was ich tue, sieht, dass ich mich nicht über Betroffene lustig mache, sondern höchstens über mich und vor allem über die Krankheit an sich. Die hat nämlich ganz schön seltsame Symptome. Es ist nicht schön, die zu erleben, wirklich nicht. Aber mit etwas Abstand betrachtet sind die einfach sehr, sehr lustig. bodo Du triffst auf Leute, die Dich in der Rolle des Experten für Depression kennen 38
RÜCKBLICK
und ansprechen. Eigentlich machst Du Literatur. Wie oft wirst du angesprochen und Leute erzählen unaufgefordert, wie es ihnen geht? TK Schon sehr oft, mir schreiben jede Woche Menschen und wollen Rat oder von
Die Hölle von Bochum Bei dem folgenden Text handelt es sich um einen stark gekürzten Auszug aus einer Reportage im Magazin „Der Spiegel“ mit dem Titel „Wieso kommen die noch?“ Foto: Sebastian Sellhorst
ihrer Situation erzählen. Ich kann da nur sehr knapp antworten, weil ich das nicht so nah an mich ranlassen will. Ich schreibe dann: „Das ist total lieb, aber ich bin da nicht ausgebildet, ich rate Dir, such Dir Hilfe, hier sind Telefonnummern.“ bodo Hast Du Angst, in der Rolle des „Depressions-Profis“ steckenzubleiben? TK Das ist für mich eine wichtige Frage. Ich trenne so gut wie möglich und sage in Interviews nicht: „Seht her, ich bin depressiv und das ist meine Identität“, sondern: „Ich bin Künstler, ich habe Depressionen, und ich beschäftige mich zurzeit künstlerisch damit, und das ist für euch interes-
„In seiner alten Heimatstadt gilt L., 43,
,an der langsamen Aushöhlung unseres Turn-
sant“ – Ich mache das jetzt und das hat
heute als gemachter Mann. Eine Arbeit
und Sportbetriebes‘ mitzuwirken.
auch ein Ende, damit ich eben nicht dieser
habe er schon gefunden und auch eine
Typ bleibe.
Wohnung. Alles falsch. In Wahrheit haust L. unter erbärmlichen Umständen in einer
bodo Jetzt geht das Buch aber erst einmal
dringend renovierungsbedürftigen Turn-
auf die Bühne…
halle im Zentrum von Bochum. Jeden Tag
TK Genau. Ich habe ein Bühnenprogramm geschrieben, bei dem ich aus dem Buch lese mit Standup-Texten als Überleitungen. Daraus mache ich dann eineinhalb Stunden
kommt es in dem Notquartier zu Streit und Schlägereien. L.: ,Es ist die Hölle.‘ Doch die Wahrheit über sein neues Leben mochte L. nicht erzählen.
gute Abendunterhaltung (lacht). Zum Bei-
Bei den Bundesbürgern macht sich zuneh-
spiel im Dezember bei bodo.
mend Angst breit, dass diejenigen, die nun
bodo Wir freuen uns drauf. Vielen Dank.
Woche für Woche zu Tausenden mühelos die Grenzen passieren, das westdeutsche Sozialsystem sprengen und den Wohnungs- und Arbeitsmarkt zum Kollabieren bringen.
Die Situation in den Heimen und Lagern spitzt sich immer mehr zu. In einigen Einrichtungen herrsche eine derart ,aufgeputschte Stimmung‘, berichtet der Essener Sozialdezernent, dass er es nicht mehr wage, ,da einen Sozialarbeiter hinzuschicken, das ist schon beinahe lebensgefährlich‘. Städtische Bedienstete seien nachts überfallen und beraubt worden, Mitarbeiterinnen der Verwaltung würden sexuell belästigt. Die Massenquartiere, ursprünglich als Provisorien gedacht, werden zu Dauerlösungen. Der Frust setzt Aggressionen frei oder wird im Alkohol ertränkt. In der Bochumer Turnhalle, in der Übersiedler L. mit ungewissem Ende ausharrt,
Die Zuzügler drängen in ein Land, in dem
fuchtelt ein Mann mit einer Gaspistole herum,
drangvolle Enge in Auffangquartieren – al-
aus einer Ecke der Halle ertönt Gebrüll: Ein voll-
ten Schiffen, Turnhallen, Kasernen – schon
trunkener Bewohner hat seinem Bettnachbarn
jetzt zu Lagerkoller und Depressionen
aufs Laken gepinkelt.“
führt, aufgrund einer verfehlten Wohnungsbaupolitik bereits letztes Jahr rund
Der Text erschien im Spiegel 8/90 am 19.
800.000 Wohnungen fehlten und sozial
Februar 1990. Die beschriebenen Flüchtlinge
schwache Einheimische zunehmend in die
sind Deutsche, die aus der DDR über die offe-
Obdachlosigkeit gedrängt werden.
ne Grenze nach Westen übersiedelten.
ISBN 978-3-499-62927-3
Mancherorts wehren sich Anwohner gegen
Alarmismus ist genau so wenig hilfreich wie
Rowohlt | 9,99 Euro
den Zuzug in ihre Nachbarschaft. In Dort-
das Ignorieren von Missständen. Die Unter-
bodo verlost 10 Exemplare! (s.S. 24)
mund beispielsweise, wo 6 von 150 Turnhal-
bringung in Massenunterkünften führt zu
len belegt sind, forderte der Vorstand des
sozialen Konflikten unabhängig von der Her-
Vorort-Vereins TuS W. in einer Resolution
kunft. Erfahrungen von Ausgrenzung und
Rat und Stadtverwaltung auf, nicht länger
Perspektivlosigkeit verhindern Integration.
Tobi Katze Morgen ist leider auch noch ein Tag.
www.derkatze.de www.blogs.stern.de/dasgegenteilvontraurig
39
NETZWELT
KINOTIPP
endstation.kino & bodo präsentieren: Herr von Bohlen Er war der funkelnde Saphir in einer grauen Dynastie – Arndt von Bohlen und Halbach, der letzte Krupp. Liebstes Hassobjekt der deutschen Nachkriegspresse. Vom Vater und dessen Handlangern zum Verzicht auf das Familienerbe gedrängt, führte er ein Märchenleben zwischen Sylt, Marrakesch, dem Salzburger Land und Palm Beach, teuren Familiensitzen, um deren Unterhalt er
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
www.refugeephrasebook.de
sich kümmern musste. Ein Bittsteller, verlacht als „reichster Frührentner Deutschlands“. Ein schwuler Paradiesvogel, der das
Nicht nur bei uns haben sich in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen zusammengefunden, um gemeinsam Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland gekommen sind, zu begrüßen und bei ihrer Ankunft zu unterstützen. Die erste Hürde, die sich dabei stellt, ist meist eine Sprachbarriere. Obwohl viele Menschen Englisch sprechen und es viele ehrenamtliche Übersetzer und Dolmetscher gibt, bleibt Verständigung an vielen Stellen ein Problem. Hier will das in Berlin entstandene Projekt „Refugee Phrasebook“ konkrete Hilfestellung leisten.
André Schäfer („Deutschboden“) erzählt die Geschichte des letzten Sprosses einer belasteten Familie, der diesem Land einfach zu viel war. „Herr von Bohlen“ lässt wichtige Zeitgenossen und Freunde zu Wort kommen und verwischt die Grenze
Einen ständig wachsenden Bestand an Phrasen und Vokabeln hat das Projekt mitt-
zum Fiktionalen, wenn ein Reporter Arndt
lerweile in über 30 Sprachen übersetzt und in einer Onlinedatenbank zusammenge-
von Bohlen (Arnd Klawitter) in einer insze-
stellt. Neben gängigen Sprachen, die von sehr vielen flüchtenden Menschen gespro-
nierten Reise Ende der 1970er Jahre an die
chen werden, wie Arabisch oder Serbisch, sind auf der Plattform auch Übersetzungen
bedeutenden Orte seines Lebens begleitet.
in eher weniger weitverbreiteten Sprachen wie Vietnamesisch erfasst.
„Am meisten hat mich die Verlogenheit
Nicht nur einfache Formulierungen des täglichen Lebens wie Begrüßungen und
interessiert, mit der die deutsche Öffent-
Fragen nach Kleidung und Essen beinhaltet die Datenbank. Auch komplexere Wen-
lichkeit über Arndt geurteilt hat. Ich stelle
dungen aus den Bereichen Gesundheit, Medizin und Asylrecht bietet die Seite an. Je
mir die Generation meiner Eltern vor,
nach Bedarf lassen sich mit Hilfe dieser Datenbank druckbare PDFs mit ausgewähl-
die in den 60ern und 70ern so jemanden
ten Sprachen und Formulierungen erstellen. Alle Daten des Projektes unterliegen
wie Arndt von Bohlen bestimmt als einen
einer offenen „Creative Commons“-Lizenz und können nach deren Regeln weiter
widerwärtigen Typen empfunden hat.
verwendet werden.
Die konnten doch nicht verstehen oder gar
Entstanden ist die Plattform vor einigen Monaten auf Initiative einer Gruppe von technik- und sprachaffinen Menschen. Schnell haben sich über das Internet viele weitere Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden, die Übersetzungen
„In Zukunft wollen wir es den Nutzern der Plattform noch leichter machen, sich selbst die von ihnen benötigten Sprachen
e
ai
re
Mill
er
wie er war,“ erklärt Regisseur André Schäfer sein Interesse am Krupp-Erben.
im Anschluss) | Do. 19.11. bis Sa. 21.11., 21 Uhr | Mo. 23.11., 22 Uhr | Di. 24.11., 21 Uhr
und Begriffe zusammenzustellen. Geplant ist eine App und
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
ein Webinterface, das diesen Prozess weiter vereinfacht“, so
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum
Zoe Claire Miller. „Besonders wichtig ist uns dabei der offene
Telefon 0234 – 687 16 20
Ansatz des Projektes. Jeder kann mitmachen.“ (sese)
Zo
Cl
akzeptieren, dass der ,Taugenichts‘ so war,
So. 15.11., 19 Uhr (Filmgespräch mit Regisseur
beisteuern konnten.
40
Licht der Öffentlichkeit brauchte.
www.endstation-kino.de
BÜCHER
Gelesen von Bastian Pütter
Standort Straße Der (Foto-)Band „Standort Straße“ versammelt Lebensgeschichten von Men-
Underdogs
schen, die in einem der Projekte unserer Schweizer KollegInnen von „Surprise“ eine Perspektive gefunden haben: beim Straßenmagazin, beim Wohnungslosenfußball, im Straßenchor oder als Stadtführer.
Prinzip Hoffnung „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber sie berührt.“ Es war ein ungewöhnli-
Unsere Düsseldorfer KollegInnen von „fiftyfifty“ geben nicht nur eine Straßenzeitung heraus, sondern versorgen mit der mobilen Tierarztpraxis des Projekts „Underdog“
Es sind Porträts (Fotos: Matthias Willi),
ches Projekt: Viele Wochen lang besuchte
die Menschen zeigen, die irgendwann
die Kunstpädagogin Michaela Poelke
den Boden unter den Füßen verloren
zehn unserer VerkäuferInnen. An ihren
haben und neu anfangen mussten – sei
Verkaufsplätzen oder in Cafés zeichnete
es durch Krankheit, persönliche Krisen
sie ihre Lebensgeschichten und ihren Blick
oder Flucht. Und es sind Menschen, die
auf die Zukunft auf. Passend zu diesen sehr
ihre Geschichte selbst erzählen (Redak-
persönlichen Perspektiven wählte sie ge-
Der mehrfach ausgezeichnete Fotograf
tion: Olivier Joliat), die Ziele und Träume
meinsam mit ihnen Gedichte von Heinrich
studierte an der FH Dortmund, lebt und ar-
haben, stolz sind auf das Erreichte und
Heine bis Wolf Biermann aus. Sogar die
beitet in Düsseldorf. Seine Aufnahmen er-
auf die eigene Unabhängigkeit.
Brecht-Erben stimmten dem Abdruck eines
scheinen sonst in Spiegel, Zeit oder SZ. Für
Gedichtes zu und Biermann schickte gar
den Kalender begleitete er ehrenamtlich
einen handschriftlichen Text mit Widmung
das „Underdog“-Team und fotografierte
„an die bodo-Verkäufer“.
„Straßenhunde“. Dass die so gar nicht dem
Ex-Punk Joachim steuert inzwischen als Chauffeur Luxuslimousinen, der medienerprobte Rüdi, der auch den Buchtitel
kostenlos die Tiere von Obdachlosen. Zur Finanzierung des Projekts gibt „fiftyfifty“ unter anderem einen Straßenhunde-Kalender heraus, für den diesmal Michael Englert die Motive lieferte.
Klischee entsprechen und der Kalender
ziert, sagt: „Ich bin mehr der Typ: jetzt erst
Mediendesigner Paul Poelke fertigte aus
recht!“ Tatjana hält sich mit Putzstellen
Texten, Gedichten und Fotos Collagen, die
über Wasser und verkauft nebenbei „Sur-
im Februar Teil der Ausstellung „Prinzip
prise“, Dragoslav ist blind, hasst Ämter
Hoffnung“ in der Pauluskirche wurden.
und verzichtet auf Sozialhilfe, den Eritreer
Aus dieser Ausstellung ist nun ein Buch
Yemane Tsegaye erinnert das Schwarzgelb
entstanden, auf das unsere VerkäuferIn-
der „Young Boys Bern“ an seinen Lieblings-
nen und wir richtig stolz sind. Limitiert
club, den BVB. Keine weichgezeichneten
auf 99 Exemplare ist es jetzt schon eine
Erfolgsgeschichten, sondern Porträts
Rarität. Einige Exemplare haben wir noch
echter, faszinierender Menschen. Ein wun-
und geben sie gegen eine Schutzgebühr
derbares Buch haben unsere Schweizer
weiter. Natürlich dürfen Sie uns aber auch
Der Kalender wird in Düsseldorf wie das
KollegInnen von „Surprise“ da gemacht!
einen höheren Betrag spenden. Das Buch
Magazin auf der Straße verkauft, ist aber
und das Projekt, aus dem es entstanden
auch direkt zu beziehen:
ist, sind es in jedem Fall wert.
fiftyfifty-galerie.de/shop/.
nehmen das Heft in die Hand
bodo e.V. (Hg.)
Asphalt e.V./ fiftyfifty (Hg.)
ISBN 978-3-85616-679-3
Prinzip Hoffnung
Underdog. Straßenhunde 2016
Christoph Merian | 29 Euro
vorsatzverlag
Tiamat | 10 Euro
Verein Surprise (Hg.) Standort Straße – Menschen in Not
sich so hervorragend an der heimischen Küchenwand macht, muss nicht überraschen. Für Menschen auf der Straße sind Hunde oft viel mehr als ein Haustier: treue Begleiter und Beschützer. Sie spenden Trost, geben Halt und Struktur in einem Leben, das aus den Fugen geraten ist. Und sie werden meist selbstlos gepflegt, versorgt und geliebt.
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REPORTAGE
Wahlen im Land der Zwangsräumungen Die spanische Partei Podemos ist ein Kind der europäischen Krise Arbeitslosigkeit, Zwangsräumungen, Kürzungen – Spanien traf die Wirtschaftskrise hart. In diesem Klima entstanden Bürgerbewegungen, die für mehr Partizipationsmöglichkeiten und einen sozialeren Staat auf die Straße gingen. Podemos („Wir können“), ein Abkömmling dieser Bewegungen, könnte nach den Parlamentswahlen am 20. Dezember in das Parlament oder sogar die Regierung gewählt werden. Von Mariana Bittermann | Fotos: Reuters / Heino Kalis und Marcelo Del Pozo
AktivistInnen der spanischen „Plattform der Hypotheken-Opfer“ (PAH) protestieren gegen eine geplante Zwangsräumung in Valencia 2013. Mittlerweile gibt es die PAH in 200 Städten in Spanien. Sie verhindert Zwangsräumungen, eignet sich leerstehende Gebäude an, organisiert nachbarschaftliche Solidarität.
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Vor allem die rechtskonservative PP („Volks-
bei den Regionalwahlen büßte die PP deutlich
vor allem an wirtschaftlichen Aufschwung
partei“) um Präsident Mariano Rajoy befürch-
an Rückhalt in der Bevölkerung ein, in den Um-
gewöhnt war. Seit 2000 wurden 700.000
tet, durch Podemos‘ Erfolg bei den Wahlen ihre
fragen sieht es schlecht aus.
Häuser gebaut – pro Jahr. 6,1 Millionen Spani-
absolute Mehrheit zu verlieren. Das bemerkt man in den knallharten Gesetzen zum Schutz
er verschuldeten sich, um ein Haus zu kaufen.
Immobilienblase und Absturz
Dann kam die Finanzkrise und die Immobilien-
det wurden. „Knebelgesetze“ werden diese im
Und die Gründe dafür sind vielfältig. Korrup-
nicht mehr zurückzahlen und wurden prompt
Volksmund genannt, denn ein falscher Tweet
tionsvorwürfe und -skandale begleiten die PP
zwangsgeräumt. Ganze Geisterstädte entstan-
kann bis zu 30.000 Euro kosten. Vor allem die
schon lange. Zuletzt durch die Operation Púni-
den, Millionen von Häusern standen leer – und
Protestformen, für welche die spanischen
ca: Mehr als 50 Funktionäre, Unternehmer und
trotzdem stieg die Zahl der Obdachlosen durch
Bürgerbewegungen bekannt geworden sind,
Politiker unter Korruptionsverdacht wurden
Zwangsräumungen immer weiter an.
werden unter hohe Geldstrafen gestellt. Das
festgenommen. Um über 250 Millionen Euro
Verhindern von Zwangsräumungen, das Be-
soll es insgesamt gehen. Ein Großteil der ver-
Trotz des vorsichtigen Aufschwungs ist immer
setzen von zentralen Orten oder die Organisa-
dächtigten Politiker sind von der PP.
noch fast die Hälfte der Jugendlichen arbeits-
der Bürgersicherheit, die im Juli verabschie-
tion von Demonstrationen über das Internet
blase platzte. Viele Spanier konnten den Kredit
los. Die Gesamtarbeitslosenquote ist zwar von
können mit bis zu 600.000 Euro Ordnungsgeld
Aber auch durch ihre Sparmaßnahmen in der
mehr als 26 auf 22,2 Prozent gesunken, in der
geahndet werden.
Krise hat die PP an Rückhalt verloren. Inzwischen
EU ist das jedoch immer noch der zweithöchste
wird Spanien zwar ein Wirtschaftswachstum von
Wert hinter Griechenland. 750.000 Haushalte
Die Befürchtungen der PP erscheinen real, in
3 Prozent prognostiziert, aber der Preis war hoch.
haben keinerlei Einkommen und erhalten nicht
ganz Südeuropa hat die Wirtschaftskrise die po-
Stark erschütterte die Wirtschaftskrise Spani-
einmal Sozialhilfe. Ein Viertel der Spanier lebt
litische Landkarte nachhaltig verändert. Zuletzt
en, das seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975
an oder unter der Armutsgrenze.
Die landesweiten Proteste begannen am 15. Mai 2011 mit einem Aufruf in 58 spanischen Städten, hieraus leitet sich der Name der oder Indignados (der Empörten) ab: Movimiento 15M (Bewegung 15. Mai). Das Transparent auf der Demonstration in Valencia verkündet: „15M, alle zusammen, empörter denn je!“
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REPORTAGE
Um der Krise zu entkommen und den Anforde-
pen, die in den Monaten nach den ersten De-
gewinnt schon wenige Monate nach ihrer
rungen der Troika gerecht zu werden, wurden
monstrationen entstanden. Sie nennen sich
Gründung 5 Sitze in Straßburg bei den Eu-
bis zu ein Viertel der Ausgaben im Bereich Bil-
„15M“, nach dem Datum der ersten großen De-
ropawahlen. Die 35-Stundenwoche und die
dung und Gesundheit gekürzt. Schulen ohne
monstration, und ihre „Asambleas“ prägen das
Rente mit 60 schreiben sie sich auf die Fahne,
Strom und steigende Zahlen von Hepatitis-C-
Stadtbild. Bis zu mehrere 1.000 Menschen neh-
sowie die Reichensteuer und das Verbot von
Toten sind nur einige der Folgen, die diese Kür-
men an den Versammlungen auf öffentlichen
Zwangsräumungen.
zungen mit sich bringen.
Plätzen teil, in denen über das weitere Vorgehen entschieden wird. Hände in der Luft schütteln
„Ich wollte, dass endlich etwas passiert – der Rest ist Geschichte.”
heißt Zustimmung, gekreuzte Arme bedeuten Veto. Demonstrationen werden organisiert,
„Mir gefällt nicht, was sie tun, aber ich weiß, dass sie es tun müssen.“
Initiativen werden gegründet und Zwangsräu-
Doch auch das Vertrauen in Podemos ist nicht
In diesem politischen Klima entstand Podemos.
mungen werden verhindert. „Die Sache an 15M
bedingungslos. Der Erfolg und das Scheitern
Organisiert von mehreren politischen Netzwer-
ist: Ich bin 15M“, erklärt Manuel. „Es ist nichts,
von Syriza und Alexis Tsipras beeinflusst den
ken gingen am 15. Mai 2011 über 100.000 Spani-
was außerhalb der Menschen existiert. Sobald
Rückhalt von Podemos in der Bevölkerung. Nach
er auf die Straße. Aus diesen Protesten entstan-
du deine Hände und deinen Verstand benutzt,
dem erfolglosen Versuch Syrizas, das „Nein“ bei
den die weltweit ersten Occupy-Camps.
um etwas zu bewirken, bist du 15M.”
der griechischen Volksabstimmung umzusetzen, sank das Vertrauen in Podemos. Und auch
„Ich wusste nicht, was passieren wird, aber ich
Angelehnt an diese Bewegung entstand Pode-
Verbindungen der Parteispitze zur sozialisti-
wollte, dass endlich etwas passiert – der Rest ist
mos. „Die Mobilisierung von Massen, ziviler
schen Regierung Venezuelas senken das Ver-
Geschichte”, erzählt Manuel. Er war der erste, der
Ungehorsam und der Glaube in unsere eige-
trauen. 3,7 Millionen Euro Spenden von Hugo Chavezs Regierung soll eine Stiftung seit 2002 erhalten haben, in deren Exekutivvorstand Podemos Schlüsselfiguren Pablo Iglesias, Íñigo Errejón und Luis Alegre vertreten sind. „Mir gefällt nicht, was sie tun, aber ich weiß, dass sie es tun müssen, um zu gewinnen“, erklärt Manuel seine Meinung zu Podemos. „Die basisdemokratische Ordnung musste in letzter Zeit zum Beispiel einstecken. Dabei will ich nicht, dass Podemos irgendwas für uns macht. Es sollte eine politische Plattform sein, durch die man sich selber engagieren kann. Man muss ihnen aber lassen, dass sie verdammt clever sind. Sie wissen, wie sie sich inszenieren müssen.“ Er selber wird bei der nächsten Wahl trotzdem Podemos wählen.
Ein Obdachloser schläft vor einer ehemaligen Bibliothek im andalusischen Sevilla. In den Armutsstatistiken tauchen Obdachlose gar nicht auf. Allein in Madrid leben nach Schätzungen der Caritas rund
Anders sieht die ganze Sache die Studentin
3.000 Menschen auf der Straße.
Marta. Die 19-jährige wird bei der anstehenden Wahl das linke Bündnis Izquierda Unida
sich in Valencia auf den Rathausplatz setzte. Ihm
nen Kräfte sind essentiell“, schrieben 30 linke
(„Vereinte Linke“) wählen. „Aber viel zu viele
folgten Tausende. Ein Protest-Camp entstand.
Intellektuelle in dem Manifest „Steine bewe-
halten immer noch an den Traditionen fest
„Ich bin an dem Morgen aufgewacht und hatte
gen“, der zum Ausgangspunkt von Podemos
und werden die PP wählen.“ Das Programm
plötzlich die Erkenntnis, dass es so einfach nicht
werden sollte. „Genauso essentiell ist es aber,
von Podemos gefalle ihr gut, aber „vielleicht
weitergehen kann hier in Spanien. Ich wollte,
Schlüssel für die Türen zu schmieden, die uns
in 100 Jahren wird die spanische Bevölkerung
dass sich etwas verändert, ohne wirklich zu wis-
geschlossen werden sollen: in die Institutionen
bereit für diese Ideen sein”, kommentiert sie
sen, wohin es gehen soll.“ Der 34-jährige teilt sich
die Stimmen und Forderungen dieser sozialen
etwas wehmütig.
mit seiner Mutter und einem Untermieter eine
Mehrheit bringen, die weder von der EU noch
Wohnung. Eine Ausbildung zum technischen
von einer korrupten Herrschaft ohne mögliche
Ob sie Recht hat oder nicht, wird sich viel-
Zeichner, musste er abbrechen, weil er sie nicht
Besserung gehört werden.“
leicht in der Zeit nach dem 20. Dezember her-
mehr finanzieren konnte. Seitdem schlägt er sich mit verschiedenen Jobs durch.
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ausstellen. Wahrscheinlich ist, dass keine der Utopisch mag das klingen. Diese Partei, die
alteingesessenen Parteien genug Stimmen
das Volk nicht nur repräsentieren, sondern
für eine absolute Mehrheit bekommen. Ob Po-
Wann immer er kann, engagiert er sich in dem
ihr Sprachrohr sein will und online über ihre
demos dann seine Versprechen halten kann,
Netzwerk aus basisdemokratischen Ortsgrup-
Ziele und Vorgehensweisen abstimmen lässt,
bleibt abzuwarten.
VERKÄUFERPORTRÄT
„Manchmal wundert es mich, dass ich noch lebe.“ Ulrike aus Bochum
Ich komme aus Ochtrup, einer kleinen Stadt an der holländischen Grenze. Dort bin ich als die Jüngste von acht Geschwistern aufgewachsen. Als ich 13 war, bin ich aufgrund von Missbrauch in unserer Familie in ein Kinderheim gekommen. Dort war es zwar auch ziemlich furchtbar, aber man
Viele Lebensgeschichten, die zu bodo führen, handeln von Rückschlägen und Enttäuschungen. Auch Ulrike hat in ihrem Leben schon viel einstecken müssen. Trotzdem hat sie immer die Kraft gefunden weiterzumachen. Ihre Geschichte hat sie uns erzählt. Protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst
wurde wenigstens nicht mehr angefasst. In der Zeit im Heim bin ich immer wieder
Hin und wieder standen zwei meiner Brü-
schlechte Tage, an denen man sich wie
abgehauen und habe draußen geschlafen.
der bei mir auf der Matte und wollten bei
ausrangiert fühlt, gerade wenn es mit
So manche Nacht habe ich unter den Silos
mir wohnen, weil sie selbst auf der Straße
dem Verkauf mal nicht so läuft, aber meis-
einer Getränkefabrik in einem Gewerbe-
standen und nichts hatten. Natürlich habe
tens klappt es dann doch irgendwie und
gebiet verbracht.
ich sie immer bei mir aufgenommen. Man
man kommt mit den Leuten ins Gespräch.
kann sich seine Familie ja nicht aussuchen.
Zusammen mit meiner kleinen Arbeits-
Mit 17 hatte ich meine erste eigene Woh-
Über die beiden bin ich in der Drogensze-
unfähigkeitsrente komm ich so grad über
nung. Ich habe eine Berufsqualifizierung
ne gelandet. Heroin, Kokain, Alkohol, das
die Runden. Man will ja auch was im
zur Näherin gemacht. Zusammen mit
volle Programm. Über kurz oder lang kam
Kühlschrank haben und auch mal etwas
zwölf anderen Mädels habe ich in einer
ich dann auch mit dem Gesetz in Konflikt
Tabak kaufen. Zurzeit habe ich noch eine
Näherei mit angeschlossenem Laden gear-
und verbrachte einige Zeit im Gefängnis.
Strafe wegen Schwarzfahrens offen. Das
beitet. Wir haben Kleidung geändert und
Zwischenzeitlich war ich auch immer mal
bekomme ich hoffentlich schnell geregelt,
Hosen und Oberteile genäht. Daran denke
wieder auf der Straße.
sonst geh‘ ich deswegen in den Knast.
ich gerne zurück. Im Jahr 2000 bin ich dann mit meinem
Für die Zukunft würde ich mir wünschen,
Nach zwei Jahren in meiner eigenen
damaligen Freund ins Ruhrgebiet gezogen.
dass es gesundheitlich bei mir noch
Wohnung bin ich zusammen mit meiner
Nach einer langen Therapie bin ich jetzt
weiter bergauf geht und ich wieder etwas
Schwester in ein altes Fachwerkhaus gezo-
weg vom Heroin. Einmal am Tag bekomme
zunehme. Mein ältester Sohn ist 26 und
gen. Gemeinsam haben wir das alte Haus
ich im Rahmen meines Substitutionspro-
hat mich neulich für einige Tage besucht.
renoviert und wieder bewohnbar gemacht.
grammes Polamidon. Seitdem geht es mir
Das war wirklich nett. Zu meinen anderen
Als wir nach fünf Jahren endlich fertig
zwar etwas besser, aber das Zeug macht
drei Kindern habe ich zurzeit leider
waren, mussten wir dort wieder raus, weil
einen auch kaputt.
keinen Kontakt. Ich hoffe aber trotzdem, dass ich die nochmal sehen kann in mei-
der Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Danach bin ich nach Gronau gezogen. In der
Zu bodo bin ich gekommen, indem ich
Zeit dort hatte ich eine Menge verschiede-
einen Verkäufer auf der Straße an-
ner Jobs. Ich habe Zeitungen ausgetragen,
gequatscht habe. So hab ich jetzt ein
als Kurierfahrerin gearbeitet und geputzt.
bisschen was zu tun. Es gibt zwar auch
nem Leben.
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LESERSEITE
Eine Ausstellung zwischen zwei Buchdeckeln und ein berührender Abend im Literaturhaus Dortmund: In der Reihe „Drei plus x“ stellten wir Ende Oktober die Buchausgabe von „Prinzip Hoffnung“ vor. Mehr auf Seite 41. Foto: Sebastian Sellhorst
LESERPOST Liebe Freunde von bodo!
machen. Wie viel Geld fehlt ihr dazu noch? Ich bin
Hatte heute Gelegenheit, die neue Ausgabe des Maga-
selbst auch nur eine Normalverdienerin, aber kann
zins zu erwerben. Dabei stieß ich auf den Artikel über
etwas abgeben. Barbara R.“
das Café Corba, und wegen der großen Neugier habe ich sofort einen Besuch umgesetzt. Es hat alles gepasst, so wie der Kollege Wolfgang Kienast es beschrieben hat. Danke für den tollen Artikel und den guten Hinweis auf zwei Menschen, die neben ihrer Berufung auch noch sehr viel soziales Engagement auszeichnet. Beste Grüße aus Witten, Tom In unserer Oktober-Ausgabe haben wir in unserem Themenschwerpunkt zu „10 Jahre Hartz IV“ die Geschichte der sechsköpfigen Familie Meßing erzählt, die trotz Arbeit an der Grenze zur Armut lebt – und sich wünscht, einfach mal ein Eis essen gehen zu
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Über alle Medienkanäle erreichen uns auch immer wieder Fragen, wie unsere Arbeit unterstützt werden kann, danke dafür: „Hallo Ihr lieben Menschen, ich sortiere gerade ordentlich aus und habe einen ganzen Schwung Bücher dabei. Die würde ich Euch gerne vorbeibringen. Geht das immer oder soll man vorher einen Termin ausmachen? Und was ist mit Kleiderspenden? LG, B.R.“ Bücher nehmen wir an unseren Standorten in Bochum (Stühmeyerstr. 33) und Dortmunder (Schwanenwall 36 – 38) zu unseren Öffnungszeiten (s. S.7) gerne an. An Kleidung suchen wir zurzeit nur warme Herrensachen, besonders Schuhe.
können“. Die Resonanz ist berührend: Viele unserer
„Liebes bodo-Team, wird dieses Jahr wieder das
Leser haben spontan ihre Hilfe angeboten (die wir
Winter-Café in Bochum organisiert? Und wenn ja:
weiterleiten), wie z.B.: „Hallo, der Artikel über die Fa-
Gibt es dafür noch finanziellen Bedarf? LG S.P.“ Das
milie, die viel arbeitet und trotzdem kaum über die
Winter-Café läuft schon, seit es kälter geworden ist.
Runden kommt, hat mich sehr bewegt. Ich möchte der
Und finanzielle Unterstützung – gerne auch zweck-
Mutter helfen, möglichst schnell den Führerschein zu
gebunden – hilft uns riesig, s.S. 8ff.
bodo dankt: Sparkasse Bochum Ute Soth-Dykgers, Tobias Eule, Annette Düe, Timo Zimmermann, Harald Gering, Dolf Mehring, Hildegard Reinitz, Andreas Bürgel, Silke Harborth, Jochen Otto Ley, Petra Danielsen-Hardt, Sabine Raddatz, Kathrin Bohr , Peter Lasslop, Elsemarie Bork, Jutta&Wido Wagner, Christina Kolivopoulos, Gerhard Volpers, Christoph Neumann, Thorsten Baulmann, Hannelore Thimm-Rasch, Erika Maletz, Volker Schaika, Petra Karmainski, Esther Hagemann, Carsten Piel, Ulrike Wussow, Oliver Stiller, Dr. Sabine Siebel, Ole Eric Bogena, Tanja Tandetzke, Inghrid Plessmann-Deklerk, Ingrid Olier, Katja Resch, Gabriele Weber, Renate Brachmann, Ulrike+Andreas Menzel, Winfried Risken, Karola Distelkamp, Petra Maria Janicke, Andreas Happel, Dieter Brinker, Renate Irmgard + Wolfgang Roch, Andrea von der Heydt, Attia Ute Badke-Gamaledin, Rita Figura, Christine Dahms, Kai Christian Stippel, Carl Gördeler, Manfred Brehme, Bärbel Pieper, Siegmar Welski, Birgit Rudolf, Wolf Töpser, Gerda Heinert, Hannelore Baumgart, Uwe Lück, Larissa Schulze, Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Grünbau gGmbH, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Ursula Machatschek, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer,Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christian Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dieter Zawodniak, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda, Dorothea Staudinger, Tamara Vorwald-Piepke, Daniela Schmitz-Häbler, Gero Krause
DER BODO-SHOP
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Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Postkarte, per Mail oder kommen Sie vorbei – wir freuen uns auf Sie.
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3 | Zubehör mit Schlüsselqualifikation! Ein bodo-Schlüsselanhänger oder ein RuhrGepäck-Schlüsselband. Erhältlich in unserem Buchladen. So lange der Vorrat reicht. 3 Euro | 5 Euro 4 | Verschenken Sie ein halbes Jahr bodo! Ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sach- und Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! RuhrGepäck-Tasche, Modell „Leisure“. LKW-Plane, Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 32,90 Euro (zzgl. 3,90 Euro Versandkosten)
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