1.80 Euro Dezember 2011 | 90 Cent für den Verkäufer
bodo
ZWÖLF SEITEN LITERATUR EXTRA* MOSER | WILLEMSEN | HACKE | BERG | KAMINER BÜCHERGUTSCHEIN* ZWANZIG PROZENT AUF ALLES
08 | Stern sucht Himmel | Single-Disco bei der Lebenshilfe 04 | Provokation und Engagement | Kabarettistin Uta Rotermund 40 | »Armut ist falsch verteilter Reichtum« | 20 Jahre Armutskonferenz 21 | 22 Verlosungen | z.B. Circus FlicFlac – »Schrille Nacht, eilige Nacht«
1
02 EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser, vielen Dank, dass Sie sich für das Straßenmagazin
sind die Bedingungen nicht mehr gut, weder für un-
entschieden haben, denn – wie es in unserer aktuel-
sere VerkäuferInnen noch für die MitarbeiterInnen in
len Plakatkampagne heißt: Lesen ist helfen.
unseren Beschäftigungsprojekten. Wir wünschen uns einen Umzug in zentralere und vor allem ausreichend
Mit dem Kauf des Straßenmagazins haben Sie eine
große Räume und bitten Sie dafür um Unterstützung.
Verkäuferin oder einen Verkäufer unseres Magazins mit mehr unterstützt als mit Ihrem Geld. Sie haben einen Menschen darin bestärkt, anzugehen gegen
unseren Kundinnen und Kunden und andererseits den Menschen auf der Straße näher bringt, einen nachhal-
die Resignation und die Verzweiflung. Sie haben
tigen Schritt nach vorne zu tun.
jemanden dabei begleitet, das Leben selbst in die Hand zu nehmen und etwas zu tun, um seine oder
Sie haben es auf unserem Titel gesehen. Dieses
ihre Situation selbst zu verbessern.
Heft steht ganz im Zeichen des Lesens. Wir finden,
In unserer täglichen Arbeit sehen wir, wie sehr Betteln eine Sackgasse ist, noch einsamer macht und das Selbstwertgefühl weiter schädigt. Bei unseren Verkäuferinnen und Verkäufern sehen wir bei allen Rückschlägen, wie hilfreich unser Angebot ist, einen neuen Anfang zu machen oder sich in der Krise zu stabilisieren.
dass es an den dunklen Adventsabenden und in der stillen Zeit „zwischen den Jahren“ nichts Besseres gibt als ein gutes Buch. Um Sie auf den Geschmack zu bringen, schenken wir Ihnen zwölf Seiten große Literatur in unserem Literatursonderteil (mit den passenden Einkaufstipps vor Ort).
In diesem Heft erzählen wir Ihnen einige dieser guten
Und wir laden Sie herzlich in unseren Buchladen ein:
Geschichten, die ja auch ein Grund sind, warum wir das
Auf Seite 18 finden Sie einen Gutschein, mit dem Sie
hier so gerne und so überzeugt machen.
20 Prozent Rabatt auf Ihren Einkauf an der Mallinck-
Apropos Überzeugen: Sprechen Sie doch einmal mit einem der Menschen, die in der Kälte auf dem Boden sitzen und betteln. Wir haben eine Alternative für
rodtstraße bekommen! Dort treffen Sie auch unsere beiden Auszubildenden Steffi und Sandra, die das Titelbild zieren.
ihn oder sie und eine Reihe an Angeboten für Men-
Und vor Weihnachten gehen unsere Bücher auch in
schen auf der Straße. Und vielleicht empfehlen Sie
Bochum auf Tour: Am 13. und 14. Dezember sind wir
uns in Ihrem Bekanntenkreis weiter oder verschen-
von 11 bis 18 Uhr im Uni-Center Bochum. Gemein-
ken einmal ein Exemplar. Je mehr Käuferinnen und
sam mit dem gemeinnützigen Verein University
Käufer das Straßenmagazin findet, desto erfolgrei-
meets Querenburg (UMQ) eröffnen wir für zwei Tage
cher ist unsere Hilfe für Menschen am Rande.
einen „temporären Buchladen“. Den Preis bestimmen Sie! Wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Am Ende der „guten Geschichten“ in diesem Heft (ab S. 14) verraten wir Ihnen unsere Pläne für das
Das ganze bodo-Team und alle unsere Verkäuferin-
kommende Jahr. Wir zeigen, wie vielen Menschen wir
nen und Verkäufer wünschen Ihnen eine besinnli-
eine Perspektive bieten konnten und stellen Ihnen
che Adventszeit, frohe Weihnachten und ein gutes
vor, wie unsere nächsten Pläne aussehen werden.
neues Jahr.
Um es bildlich auszudrücken, platzt der bodo-Vereins-
Viele Grüße von bodo,
sitz am Dortmunder Hafen aus allen Nähten. Längst
Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de
IMPRESSUM
2
Wir glauben, mit einem Umzug, der uns einerseits
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
Herausgeber und Verleger:
Autoren:
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bodo e.V.
Bianka Boyke (bb), Volker Dornemann (vd),
für die Januar-Ausgabe 01.12.2011
Mallinckrodtstraße 270 | 44147 Dortmund
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Peter Erik Hillenbach (perik), Wolfgang
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Post: Postfach 10 05 43 | 44005 Dortmund
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Mühlmann (nm), Marcus Preis (mp), Basti-
gültig ab 01.03.2009
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an Pütter (bp), Benedikt von Randow (bvr),
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Fotos: Claudia Siekarski (S.2,3,4,5,6,7,8,9,10,
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12,14,15,16,43,46,47), Andre Noll (S. 19 bis
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Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-
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Zeichnungen und Cartoon: Volker Dornemann
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03
INHALT
02 Editorial | Impressum 04 Menschen Uta
Rotermund von Bianka Boyke
Unser Titelbild der Dezember-Ausgabe:
Uta Rotermund ist eine Kontrastperson. Die 56jährige Dortmunder Kaba-
Sandra und Steffi sind unsere beiden
rettistin ist schnippisch und freundlich. Respektlos und warmherzig. Sie
Auszubildenden im bodo-Buchladen (siehe S.14).
selbst beschreibt sich als „direkt, offen und hilfsbereit.“ Sie liebt Loriot
Foto: Claudia Siekarski
und Mr. Bean, sieht beide aber nicht als Kollegen. „Ich bin ja nicht größenwahnsinnig. Ich bin eine kleine, unterhaltsame Nummer.“ 19 Literatur Moser | Willemsen | Hacke | Berg | Kaminer
06 Neues von bodo
Weltbekannte Autoren stellen einmal im Jahr den deutschen Straßen-
07 Maikes Verkäufertagebuch
magazinen Kurzgeschichten zur Verfügung. Wir haben für Sie die besten
08 Reportage Stern
auf zwölf Extraseiten zusammengestellt:
sucht Himmel von Dr. Birgit Rumpel
Kontaktbörsen gibt es viele: online, offline, per Chat, beim Tanztee oder
Einsam in Tokio von Roger Willemsen
im Szenemagazin. Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bleiben da
Selbstabbruch von Axel Hacke
meist außen vor. Ganz anders ist das bei der Single-Disco der Lebenshilfe,
Stadtgeschichten von Milena Moser
die dieses Jahr mit mehr als 500 Besuchern im Keuning-Haus stattfand.
Die Reichen von Sibylle Berg
Berühmte Persönlichkeiten von Wladimir Kaminer
10 Neues von Rosi | von bodo-Verkäuferin Rosi 12 Zum Haare raufen Oekonomia
nervosa von Nina Mühlmann
Staatsverschuldung und die beruhigende Wirkung von vielen Nullen. 12 Kultur Total
Paranormal von Markus Preis
nicht nur eine ganze Reihe skurriler Künstlernamen zu hören, sondern auch eine spannende Privatvorstellung.
Im Weltraum gibt es keine Gefühle im endstation.kino
40 Das Interview 20 Jahre Nationale Armutskonferenz von Volker Macke Zum Jubiläum der Nationalen Armutkonferenz spricht Volker Macke mit deren Sprecher Dr. Thomas Beyer über Perspektiven und gute Lobby-Arbeit.
13 Wilde Kräuter Schlehe von Wolfgang Kienast Wer gerne zu klassischen Volksliedern durch den Westerwald oder wahlweise auch durch Sauerländer Randlagen wandert, der freut sich über Selbstgebranntes aus Schlehen, wenn er Fuchs und Hase Gute Nacht sagt.
gute Geschichten von Bastian Pütter
Weil Sie unser Straßenmagazin kaufen, uns Bücher und Hausrat bringen, in unseren Läden einkaufen und unser Transport-Team beauftragen, können wir so vielen Mitarbeitern eine Perspektive geben. Wie genau das funktioniert? Lesen Sie von den vielen guten Geschichten bei bodo und einem großen Wunsch. 17 Neues von bodo Der Blick von außen von Annalena & Katharina Schneider Die Schülerreporterinnen Annalena und Katharina Schneider über uns und ihren Besuch bei bodo im Dortmunder Norden.
42 Der Kommentar Aber
was ist neu? von Bastian Pütter
Vor einem Jahr stand an dieser Stelle ein Kommentar zur laufenden Verharmlosung neonazistischer Gewalt und zur verantwortungslosen Gleichsetzung von „Linksextremisten“ und Neonazis durch Behörden und (Lokal-)Presse. Der Text endete mit einer Unterscheidungshilfe: „Nazis töten Menschen.“ 42 News | Skotts Seitenhieb 43 Soziale Initiativen Musikalische
Integration von Dr. Birgit Rumpel
44 Kreuzworträtsel | Sudoku 45 Eselsohr Weihnachtsrätsel von Volker Dornemann 46 bodo geht aus Die
Küche – Neue (Ess)Klasse von Bastian Pütter
Sie sind erst 30, haben aber 14 Jahre lang in der gehobenen Gastronomie
18 Literatur Ruß | Wir sind Deutschland! gelesen von Bastian Pütter Feridun Zaimoglu erschreibt sich das Ruhrgebiet als Geschichte eines Gescheiterten, als Krimi, als Roadmovie. Bernd Hoëcker und Volker Dorne-
in Dortmund und Düsseldorf Ideen gesammelt für das erste eigene Restaurant, sagen sie. Und in der Tat hat sie wirkliche Überraschungen zu bieten, diese neue Ess-Klasse. 47 Leserbriefe | Cartoon
mann unterrichten Geschichte als Comic.
40
32 Kinotipp
33 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow
bodo trifft sich mit dem Zauberquartett „Total Paranormal“ und bekommt
14 Neues von bodo Viele
32 Das Ruhrgebiet Iksavauer von Peter Erik Hillenbach
43
14
04
12
3
04 MENSCHEN | von Bianka Boyke | Fotos: Claudia Siekarski
Uta Rotermund: »Ich bin eine kleine, unterhaltsame Nummer«
Uta Rotermund ist eine Kontrastperson. Die 56jährige Dortmunder Kabarettistin ist schnippisch und freundlich. Respektlos und warmherzig. Sie selbst beschreibt sich als „direkt, offen und hilfsbereit.“ Sie liebt Loriot und Mr. Bean, sieht beide aber nicht als Kollegen. „Ich bin ja nicht größenwahnsinnig. Ich bin eine kleine, unterhaltsame Nummer.“ „Ein Porträt ist doch keine Homestory“, sagte Uta Rotermund energisch, als wir sie fragten, ob wir uns bei ihr zu Hause zum Interview treffen könnten. Ihr gehe es um ihren Beruf als Kabarettistin und um ihr Engagement für medica mondiale. Dazu später mehr. Uta Rotermund redet viel und ausschweifend. Aber sie diskutiert nicht gern, eine Meinung hat sie hingegen immer. Da kommt es schnell vor, dass sie einem ein „Das ist doch Bullshit!“ an den Kopf wirft. Böse meint sie das nicht, aber ob es bei ihrem Gegenüber auch so ankommt, scheint ihr nicht wichtig zu sein. „Ich bin eben direkt“, sagt sie selbst immer wieder von sich. Menschen, die sich ihrer Meinung nach auf Ausreden ausruhen, mag sie gar nicht. „Die müssen nur den Arsch hoch kriegen.“ Uta Rotermund ist direkt und mag sich in dieser Rolle – privat und auf der Bühne. Als drei Frauen ihr aktuelles Programm „Golden Girl! Best of all!“ verlassen, während sie auf der Bühne demonstriert, wie man sich mit einem alten, ausrangierten Bettlaken eine Burka basteln kann, baut sie dies nach der Pause nur allzu gerne ein: „Haben Sie das gesehen? Da sind drei Frauen gegangen. Es gibt Menschen, die mögen es einfach nicht, wenn ich zu direkt bin. Macht nichts.“ Uta Rotermund möchte gar nicht nett sein – „Nett ist der kleine Bruder von scheiße!“ – polarisiert gerne. Doch auf die Frage, ob es ihr wirklich nichts ausmache, weicht Uta Rotermund aus: „Es gibt in der Kommunikationspsychologie das berühmte Modell von Sender und Empfänger. Was ich sage und was bei Ihnen ankommt, muss überhaupt nichts miteinander zu tun haben.“ Natürlich stößt sie die Menschen mit ihrer Art manchmal vor den Kopf. „Es gibt doch tatsächlich Menschen, die haben Angst vor mir“, sagt sie zu Beginn unseres Interviews, ist darüber aber nicht
4
05
wirklich überrascht. Uta Rotermund provoziert viel
an ihre Arbeit Ansprüche stellen, mag sie das. Sie
konnte Uta Rotermund bisher bereits 37.000 Euro
zu gerne. Fragt man sie nach ihren Hobbys, klingt
tut es auch.
an medica mondiale überweisen.
„Hobbys sind was für Menschen, die zu viel Zeit ha-
Für unsere Kinder hat sie uns gleich einen ganzen
Ob sie Wünsche für die Zukunft hat? „Einen schnel-
ben. Gelangweilte Hausfrauen mit dem Motto ,Von
Schwung ihrer „Rosaroten Brillen“ mitgebracht.
len, schmerzlosen Tod, und das werde ich auch so
meinem Boden kann man essen‘.“
Die verkauft sie bereits seit 15 Jahren nach ihren
organisieren.“ Denn eins will sie nicht: als „mar-
die Antwort wie eine auswendig gelernte Floskel:
Veranstaltungen für den guten Zweck – die Or-
kiertes und zweimal täglich gewendetes Gammel-
Vielleicht stört Uta Rotermund aber auch nur der
ganisation medica mondiale, die sich für Frauen
fleisch enden.“ (bb)
Begriff. Denn auch sie hat mindestens ein Hobby:
in Kriegs- und Krisengebieten einsetzt. Was für
Lesen. Und das bereits seit ihrem vierten Lebens-
manch' einen Besucher ihres Programms wie eine
INFO
jahr. Irmgard Keuns Jugendroman „Das Mädchen,
lästige Werbeveranstaltung klingen mag, zeigt
Uta Rotermund | Golden Girl! – Best of all!
mit dem die anderen Kinder nicht verkehren durf-
auch, wie warmherzig die Kabarettistin ist. Denn
9.12., 20.30 Uhr| 10.12., 20.30 Uhr | 11.12., 19 Uhr
ten“ erschien 1936, kurz bevor sich die Autorin
als der Gründerin von medica mondiale 1995, zur
Theater Fletch Bizzel, Humboldtsraße 45, Dortmund
ins Exil flüchtete, und handelt von einem kleinen
Zeit des Krieges in Jugoslawien, der Preis „Frauen
Mädchen, das in der Schule und zu Hause immer
Europas“ verliehen wurde, beeindruckte sie Dr. Mo-
wieder unangenehm auffällt, weil sie sich nicht an-
nika Hauser mit ihrer ehrlichen Rede so sehr, dass
passen will. Uta Rotermund las das über 200 Seiten
Uta Rotermund sofort beschloss, die Organisation
starke Buch bereits mit neun Jahren. Ihre Mutter
zu unterstützen.
www.utarotermund.de www.medicamondiale.org
sagte später, dass sie nach der Lektüre verdorben gewesen sei. „Ich nehme an für Erziehungsmaß-
Damals sagte Hauser, dass es nicht nur die Schläch-
nahmen.“
ter auf den Kampffeldern des Krieges sind, die schuldig werden, sondern auch „Sie, meine Herren
Zu unserem Interview in der Moses erlebBar kommt
an den Schalthebeln der Industrie, der Wirtschaft,
Uta Rotermund in schwarz-weißem Zottelpulli und
der Politik, der Macht – durch Ihre Entscheidun-
hautenger roter Lackhose. Den farblich passenden
gen, durch Ihr Handeln oder Nichthandeln.“ Uta
Lippenstift zieht sie vor dem Fotoshooting noch-
Rotermund fand das einfach großartig.
mal nach. Und obwohl Uta Rotermund seit Tagen eine starke Bronchitis mit sich herumschleppt, po-
Dank ihrer „Rosaroten Brillen“, die den Blick aufs
siert sie für uns lange in der Kälte. Wenn andere
Leben ab und zu etwas freundlicher gestalten, 5
06
NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
Mitgliederversammlung
Dokumentarfilm
Die jährliche Mitgliederversammlung im Dort-
Eine ungewöhnliche Veranstaltung, ein besonde-
munder Keuning-Haus ist für uns immer Zeit und
rer Ort, eine ungewohnte Rolle. bodo-Verkäuferin
Ort, zurück und nach vorn zu schauen. Während
Birgitt machte sich Anfang November mit uns auf
Verwaltung
im letzten Jahr ein geradezu arktisches Schnee-
in die Bochumer Rotunde zum Multimedia-Pro-
Brigitte Cordes
treiben die Anreise behinderte, trafen wir uns am
jekt „Doors of Perception“.
info@bodoev.de
16. November bei mildem Herbstwetter.
bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr unter dieser zentralen Rufnummer: 0231 – 98 22 97 96 Mail: info@bodoev.de | Fax: 0231 – 88 22 527
Geschäftsleitung Tanja Walter verein@bodoev.de
Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit Bastian Pütter redaktion@bodoev.de
Die Künstlerin Lisa Lyskava (Bild), die das dreiwö-
Auch wenn die Mittel knapp sind, war es ein erfolg-
chige Spektakel aus Ausstellungen, Performances
reiches Jahr für bodo. Alle Projekte sind in Bewe-
und Dokumentarfilmen zum Thema Wahrnehmung
gung, wir haben weiterhin den Eindruck, dass es
organisierte, hatte uns eingeladen zur Urauffüh-
vorangeht – ein gutes Gefühl übrigens.
rung des Films „Standort Sehnsucht / Lebenswelten.
Viel von dem, was die Leiter der Arbeitsbereiche bei der Versammlung vortrugen, finden Sie in unserem langen Text ab Seite 14. Seit wir vor knapp drei Jahren begonnen haben, unsere Arbeitsberei-
Innen-Ansicht“. Mit gutem Grund, denn Birgitt war eine von 32 Ruhrstadtbewohnerinnen und -bewohnern, die Lisa Lyskava in einfühlsamen Interviews über ihr Leben und ihre Träume sprechen ließ. Viele der Porträtierten warteten gebannt auf ihren Auf-
Vertrieb
che – allem voran Straßenmagazin und Buchprojekt
Oliver Philipp
– einem tiefgreifenden Umbau (in voller Fahrt) zu
vertrieb@bodoev.de
unterziehen, hat sich das Reformtempo kaum ver-
Jedes Interview beginnt mit einem Gedicht, das die
langsamt. Manchmal knirscht es im Gebälk, und ein
Interviewten selbst vollenden, indem sie benennen,
öffentlicher Fördertopf würde uns bestimmt hin und
was für sie Sehnsucht ist. Heraus kommt ein ein-
wieder besser schlafen lassen. Trotzdem glauben wir
drucksvoller Dokumentarfilm, der ein Panorama der
auf einem guten Weg zu sein – und gerüstet für die
Lebenswelten im Ruhrgebiet bietet und ein nach-
Veränderungen, die das neue Jahr bereithält.
denklich machendes Spektrum an persönlichen Ein-
Projekt Buch Suzanne Präkelt buch@bodoev.de
Wir bedanken uns bei unserem neuen Vorsitzenden
tritt, auch Birgitt.
sichten, Einstellungen und Haltungen.
Andre Noll und bei den Vorstandsmitgliedern Nicole
Gleichberechtigt sprechen die Streetartkünstler und
Hölter und Brunhilde Dörscheln, die diesen Weg wei-
die junge türkischstämmige Krankenschwester, der
Buch Online
ter mit uns gehen wollen. Alle drei wurden einstim-
Flüchtling und der Manager, die Chefin der Bochumer
Gordon Smith
mig gewählt. Herzlichen Glückwunsch!
Eve-Bar und der Schichtführer einer Härterei – und
basar@bodoev.de
Wenn auch Sie Mitglied bei bodo werden wollen, rufen Sie uns an.
Birgitt, die beeindruckend offen über Wendepunkte in ihrem Leben spricht, über die Vorurteile, die ihr begegnen, und über ihre Träume. Ein tolles Projekt, ein schöner Abend.
Projekt Transport Michael Tipp
ANZEIGE
transport@bodoev.de
Liebe bodo-Leser, helfen Sie uns, Menschen auf Second Hand Brunhilde Dörscheln
Ermutigen Sie Menschen in Not,
info@bodoev.de
zu uns zu kommen.
Oder Sie besuchen uns: Mallinckrodtstraße 270 | 44147 Dortmund Mo. bis Fr. 11 – 18 Uhr Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr
6 Di. u. Do. 10 – 13 Uhr
den Weg zu bringen.
Bei bodo ist jeder willkommen.
pro verkaufter bodo 1 Euro verdienen* *90 Cent Verkäuferanteil, bei 10 bodos ein Heft Bonus = 1,08 Euro plus Trinkgeld!
Ein selbstbestimmter Zuverdienst für Menschen in sozialen Notlagen!
MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH
Soziale Stadtführung
07
Vereinssitz: Umzug geplant
Hallo bodo-Leser, männlich und weiblich. Wie immer gibt es viele interessante Themen in der bodo zu lesen, die nur von Euch gerne gelesen werden. Dann legt mal los!
Soziale Einrichtungen für Obdachlose standen im
Seit zehn Jahren liegen unser Vereinssitz und
Mittelpunkt der „Sozialen Stadtführung“, bei der
unsere Dortmunder Läden am Dortmunder Hafen.
bodo-Verkäufer Markus Neiß sieben Mitarbeiter-
Der Blücherpark nebenan, viele Stammkunden
Innen des Jugendhilfezentrums Nord die Orte Bo-
und ein großes Netzwerk im nahen Umfeld sind
chums zeigte, die sonst nicht im Mittelpunkt der
immer noch ein Grund, gern hier zu sein. Leider
öffentlichen Wahrnehmung stehen.
wachsen unsere Räume an der Mallinckrodtstraße
Zusammen mit bodo-Vertriebsleiter Oliver Philipp
Ja, so ist es, wenn man wegen Anpassung der neuen Zähne in den Mittagsstunden zum Zahnarzt muss. Denn die Dritten sollen doch gut aussehen.
8. Oktober
nicht mit.
stellte Markus zuerst die Arbeit von bodo vor und
In diesem Heft (S. 11ff.) berichten wir detaillierter,
erzählte, wie er 1997, damals noch obdachlos, zu
was sich vor allem in diesem Jahr alles getan hat
bodo fand. Mittlerweile hat der 49jährige wieder
bei bodo – um es kurz zu machen: Inzwischen sind
eine feste Wohnung und zählt zu den bekanntesten
wir zu viele Menschen auf zu wenig Quadratmetern.
bodo-Verkäufern der Stadt.
4. Oktober
Seit einiger Zeit tragen wir uns mit dem Gedanken,
Wie schnell doch vier Wochen vorbei sind. Nun muss mein gefiederter Freund „Strolchi“ nach Hause. War auch eine schöne Zeit mit dem Piepmatz.
10. Oktober Heute ist der vorletzte Zahnarzt-Termin,
Vorbei an der Beratungsstelle für wohnungslo-
dem abzuhelfen und einige Nachteile unserer jetzi-
se Männer und der Suppenküche führte Markus
gen Adresse gleich mit zu verbessern. Ohne ein Sozi-
die Gruppe zur Bochumer Bahnhofsmission, wo
alticket laufen unsere Verkäuferinnen und Verkäufer
eine Mitarbeiterin sich viel Zeit nahm, die un-
weiterhin zu Fuß. Das heißt: manchmal eine halbe
terschiedlichen Aufgaben der Einrichtung vorzu-
Stunde pro Weg in die Innenstadt. Dazu braucht
12. Oktober
stellen. Nächste Station des Rundgangs war Bo-
unser Buchprojekt mit inzwischen einem Dutzend
Nun ist es mit den Zähnen so weit. Ab zum
chums Übernachtungsstelle für obdachlose und
MitarbeiterInnen zwei Dinge: Parkplätze, damit Ihre
Zahnarzt hin, Anprobe, anpassen und mit-
wohnungslose Menschen. Mit seiner Lage weit au-
Buchspenden zu uns kommen, und eine Lage, die es
nehmen. Bin dann beim Einkaufen prompt
ßerhalb der Stadt und einer stark renovierungsbe-
möglich macht, „mal eben“ in unserem Buchladen
damit aufgefallen. Ab morgen heißt es
dürftigen Fassade steht das Gebäude der Einrich-
vorbeizuschauen. Beides fehlt hier.
dann Zeitungen verkaufen.
Aus diesem Grund werden wir im nächsten Jahr un-
21. Oktober
sere Zelte am Hafen abbrechen und in einen Laden
Heute war bei meinem Hausarzt kurzer vier-
mit Büroetage in größerer Innenstadtnähe umzie-
teljährlicher Gesundheitscheck dran und
hen, unseren MitarbeiterInnen und unseren KundIn-
dann ab die Post, Zeitungen verkaufen,
nen zuliebe. Sobald die neue Adresse feststeht, wer-
wenn denn welche eine haben möchten.
tung sinnbildlich für die Position am Rande der Gesellschaft, die Obdachlose und ihre Versorgung leider immer noch einnehmen. Weitaus freundlicher ging es dann wiederum beim Tagesaufenthalt der Inneren Mission zu, wo der informative Rundgang sein Ende fand.
den wir Sie natürlich umgehend informieren – wir
Auch wenn es sich nur um einen „Probelauf“ handel-
freuen uns jetzt schon darauf. Bis dahin brauchen
te, hat es allen sichtlich Spaß gemacht, und bodo
wir Ihre Unterstützung: Spenden Sie für „Ein Dach,
freut sich schon auf weitere Führungen in 2012.
unter dem Platz für alle ist“.
dann sehen wir weiter. Darum konnte ich heute nicht so lange Zeitungen an Mann oder Frau bringen.
26. Oktober Wie herrlich dieser Faulenzertag. Keine Lust und Nerv, die restlichen Zeitungen zu verkaufen, dafür ist morgen auch ein Tag. Habe dafür gelesen, gestrickt und mit Minka geschmust.
28. Oktober
bodo
Nun ist heute unser monatlicher Verkäuferversammlungstag angebrochen. Denn
schafft Chancen
da werden wieder erfreuliche und negative Themen behandelt. Nun, wir werden weitersehen, was uns der heutige Tag bringt. Und mal sehen, ob ich mit meinen neuen Zähnen bei allen heute auffallen werde.
BODO-VERKÄUFER WERDEN!
WWW.BODOEV.DE
Hoffentlich erfreuliche Ergebnisse. Mit freundlichen Grüßen an Euch alle. Eure Bodoline Maike
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08
DIE REPORTAGE | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Claudia Siekarski
Viele Sterne suchen ihren Himmel
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Kontaktbörsen gibt es viele: online, offline, per Chat, beim Tanztee oder im Szenemagazin. Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bleiben da meist außen vor. Ganz anders ist das bei der Single-Disco der Lebenshilfe, die dieses Jahr mit mehr als 500 Besuchern im Keuninghaus stattfand. Freitagabend, kurz vor sieben am Keuninghaus in der Nordstadt. Ein Kleinbus nach dem anderen fährt vor und lädt erwartungsvolle junge und weniger junge Leute aus. Sie freuen sich auf ein besonderes Highlight: Die Single-Disco für Menschen mit Behinderung mit dem schönen Titel „Stern sucht Himmel“. Seit drei Jahren veranstaltet die Lebenshilfe e.V. Dortmund mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern einmal jährlich diese Disco, auf die sich viele schon seit Monaten freuen. „Wir bekommen das ganze Jahr über Anrufe, werden gefragt, wann die nächste Single-Disco stattfindet,“ erzählt Daniela Rolle, die seit Wochen mit der Organisation beschäftigt ist. Die 29jährige Sozialpädagogin berät bei den ambulanten Diensten der Lebenshilfe Familien mit behinderten Angehörigen und organisiert deren Betreuung. Das Forum des Keuninghauses ist schon gut gefüllt, aufgeregtes Treiben überall. DJ Lars sorgt für die typischen Discoklänge, Spotbeleuchtung, Discokugeln und herzförmige Luftballons zeigen, worum es hier geht. Die kleinen runden Tische sind belegt, auf der Tanzfläche tummeln sich die ersten Tanzbegeisterten. Für fünf Euro Eintritt wird allerdings noch viel mehr geboten als Musik und ein Freigetränk: organisiertes Flirten. Wer das möchte, bekommt am Eingang einen roten Herzaufkleber mit der persönlichen Flirtnummer. Weitere Angebote sollen die Partnersuche erfolgreich machen: An einer Stelle können sich die Besucherinnen schminken lassen, bevor professionelle Fotoporträts für den persönlichen Steckbrief gemacht werden. Bei Bedarf wird auch beim Ausfüllen des Steckbriefs geholfen. Neben den üblichen Angaben wie Name, Alter, Hobbys und Interessen werden dabei auch Fähigkeiten bzw. Einschränkungen abgefragt. Es soll ja alles passen. Etwas abgelegen vom großen Trubel ist die Flirt- und Kuschelecke eingerichtet. Hier können Flirtwillige ihren Steckbrief an Pinnwänden hinterlassen und/oder auf die Suche gehen. Wer einen interessanten Flirtpartner an der Pinnwand entdeckt hat, schreibt ihm oder ihr eine Nachricht. Die Flirtpost wird von ehrenamtlichen Helfern entgegengenommen, und umgehend erscheint die Flirtnummer des Adressaten an der großen Projektionswand direkt neben der Tanzfläche. Flirtwillige sind also gut beraten, beides nicht aus den Augen zu lassen, jeder hofft natürlich, endlich auch die eigene Nummer angezeigt zu sehen. So auch der 43jährige Martin aus Wetter. Er ist schon zum zweiten Mal dabei und hofft, heute eine Partnerin zu finden. „Letztes Jahr hatte ich schon eine Frau gefunden, die hat mir dann aber ein anderer Macker ausgespannt,“ bedauert er. Martin lebte einige Jahre in diversen Großstädten auf der Straße, hat einen Aufenthalt in der Psychiatrie hinter sich und lebt jetzt in einem Wohnheim. „Die haben mich so gut wieder hingekriegt, jetzt wohne ich in einer Außen-WG mit fünf anderen Männern.“ Wonach er hier Ausschau hält? „Schlank und blond soll sie sein, vielleicht auch mit schwarzen Haaren, eher ruhig und nicht so hibbelig. Erstmal will ich sie treffen, vielleicht kann sie auch Besuch bekommen, später dann auch mit Übernachten, aber das muss man erstmal abwarten,“ beschreibt Martin seine Vorstellungen. Als nächstes wird er also die Pinnwände sichten, an denen die weiblichen Suchenden ihre Steckbriefe angehängt haben. Das sind allerdings deutlich weniger als bei den männlichen Steckbriefen. Wer denkt, dass sich nur Teens und Twens bei der Single-Disco tummeln, irrt gewaltig. Die jüngste Flirtkandidatin ist 19 der älteste ein 75jähriger HSV-Fan.
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NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi
Auch in der Flirtecke stehen aufmerksame Helfer bereit, um beim Lesen der Post und beim Zusammenkommen der Flirtwilligen zu helfen. „Manchmal stehen sie schon nebeneinander, man muss sie nur noch zueinander drehen,“ erzählt Alexander Rupprecht, der als Helfer über die Wirtschaftsjunioren hier aktiv ist. In ihrem Ressort „Soziales“ ist die Single-Disco ein fester Termin. „Wir haben das Projekt damals mit angestoßen, wollten unsere Kompetenz beim Organisieren von Veranstaltungen einbringen,“ erinnert sich Rupprecht, der hauptamtlich die Geschäfte des Business-Centers eport Dortmund führt. Nicht nur er hat heute Abend Schlips und Kragen im Schrank gelassen. Etwa 15 Ehrenamtliche aus dem Kreis der Wirtschaftsjunioren engagieren sich vor Ort mit sichtbarem Spaß.
Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser, Weihnachten steht vor der Tür. Die ersten Einkäufe werden schon gemacht. Lange genug steht das Weihnachtszeug in den Geschäften. Ich finde es nicht so schön, dass es so früh in den Geschäften steht. Was sagen Sie denn dazu, oder was hät-
Dazu gehört auch Sonja Dunkel. Die Geschäftsführungsassistentin einer großen Parfümeriekette
ten Sie gesagt, wenn der Fußball als
bringt nicht nur die Utensilien mit, sondern hat sichtbar Spaß daran, die Besucherinnen zu schmin-
Weihnachtsspitze auf den Baum gekom-
ken. „Man bekommt soviel mehr zurück, wenn man diese glücklichen Gesichter sieht. Die Mädchen
men wäre? Es wäre doch eine Katastro-
genießen es, während dieser Minuten vor dem Spiegel etwas Besonderes zu sein“. Sonja Dunkel ist
phe gewesen. Der Ball hat doch nichts
schon zum dritten Mal dabei. „Anfangs musste ich erst lernen, mit den Behinderten umzugehen, sie
mit Weihnachten zu tun. Nach der Um-
sind so offen und viel distanzloser, als man es gewohnt ist, aber sie bringen einen immer wieder
frage, die gemacht wurde, kommt ja
auf den Boden zurück,“ beschreibt die 28jährige ihre Erfahrungen.
nun doch der Engel drauf. Auch wenn wir eine Fußballstadt sind.
Auf der Bühne hat inzwischen die Dortmunder Band „Mid!Live“ den DJ abgelöst, die Tanzfläche ist jetzt restlos gefüllt. In der Flirtecke haben Corinna (20) und Martin (26) es sich auf dem Kuschelsofa bequem gemacht. Grinsend genießt sie es, von ihm neckisch in die Seite gestupst zu werden, auch er strahlt über beide Ohren. Sie haben sich über die Flirtpost gefunden und sogar schon geküsst. Da wollen wir lieber nicht stören. „Was nach der Veranstaltung aus den Pärchen wird, wissen wir ja nicht,“ erzählt Daniela Rolle. „Für manche ist es schwierig, sich regelmäßig zu treffen oder auch nur zu telefonieren, das geht oft nur mit Betreuern.“ Allein die Gelegenheit zu haben, auf Partnersuche zu gehen, ist für viele Besucher
Gestern hatte ich auch viel zu tun. Ich musste unsere Blumenkästen von draußen reinholen. Etwas hatte der Frost schon genagt an den Pflanzen, aber sie sind noch heil geblieben. Jetzt überwintern sie im Keller. Am Tag ist es sehr warm, aber nachts auch schon sehr kalt bis minus 6 Grad.
schon ein besonderes Ereignis, das sie sonst kaum finden. Kein Wunder also, dass die Single-Disco
Haben Sie denn schon für das Weih-
ein echtes Zugpferd unter den Veranstaltungen der Lebenshilfe ist. Und die beste Nachricht zum
nachtsfest alles gekauft? Wir haben
Schluss: Der Termin für nächstes Jahr steht auch schon fest, es ist der 14. September 2012, auf den
schon mal die Weihnachtsgans gesi-
man sich schon wieder freuen kann. (biru)
chert, denn nachher wird alles teuer. Ich möchte mich noch für die vielen Gaben, die Sie mir zukommen ließen, bedanken. Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Fest, viel Gesundheit, ein schönes, ruhiges neues Jahr und sage wie immer: Tschüss, Ihre Rosi
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ZUM HAARE RAUFEN | von Nina Mühlmann
KULTUR | von Marcus Preis | Foto: Claudia Siekarski
Total Paranormal Plötzlich explodiert da mal was Oekonomia nervosa in spiritus sanctus
Wer spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag
bei der Show bin ich ,Kotelett Schabowski‘ aus
die Nase voll hat von Kokosmakronen und La-
,Ost-Ostekiskan‘. Das liegt hinter dem ,Oralgebir-
Ich interessiere mich für Wirtschaft, das ist neu.
metta und den kleinen Lord schon auswendig
ge‘.“ Seine Kunst nennt er „TrashMagie“ verbun-
Nicht die Wirtschaft, sondern mein Interesse.
kann, der bekommt im Sissikingkong in Dort-
den mit Mentalmagieeffekten: „Ich finde z.B. ein
Als Tochter eines Bankers musste ich mich bisher
mund eine echte Alternative geboten: Die „To-
Wort, welches ein Zuschauer sich gemerkt hat, und
nicht darum kümmern. Sie schien etwas zu sein,
tal Paranormal“-Weihnachts-Zauber-Show. Hier
auf dem Weg dahin passieren komische Sachen, da
das ständig und stetig weiter wächst, Punkt.
sollen Tannenbäume schweben und die Zukunft
explodiert dann mal was.“ Marc macht „allgemei-
wird aus Bratäpfeln gelesen. Haben wir gehört.
ne Magie mit Vortrag“, fachmännisch ausgedrückt:
bodo bekam vorab eine Privatvorführung.
„Ich rede sehr viel und beziehe das Publikum mit
Neuerdings lese ich engagiert die Wirtschaftsteile der Zeitungen. Schlagzeilen sind mit Fragezeichen versehen. Die sonst so vor lauter Potenz und Ausrufezeichen strotzende Ökonomie scheint am Ende mit ihrem Latein. Wechselt dennoch nicht in liturgische Hoffnungsgesänge, um den Abgesang auf den Kapitalismus zu übertönen. Schreibt weiter Zahlen, mit Minuszeichen vor lauter Unsummen von kaum zählbaren Nullen. Meine Leidenschaft für Zahlen und das Rechnen wächst synchron zu meinem Wirtschaftsinteresse. Als Künstlerin arbeitete ich immer schon gerne auf der Schwelle von Realität und Fiktion. Präziser formuliert steht die ganze Angelegenheit also hoch bei mir im Kurs. Wenn mein Wirtschaftsund Zahleninteresse eine Aktie wäre, würde dies zur Marktstabilisierung beitragen. Wenn ich in den Nachrichten höre, dass Italien Eintausend Milliarden Euro Neuverschuldung aufnehmen muss, werden die sich dahinter versteckenden einzelnen Zahlen für mich erst sichtbar, wenn ich sie notiere: 1.000.000.000.000. Das Malen der Zahlen, vor allem der Nullen, hat für mich aufgrund der Rundungen eine beruhigendere Wirkung als ein großflächiges Mandala. Diese meditative mathematische Beschäftigung scheint mir eine geeignete Prävention gegen das Burnout-Syndrom zu sein. Wenn ich auf diese Art, als Teil dieses Wirtschaftssystems, zwischenzeitlich innehalte, droht mir sicherlich nicht so schnell, wie dem System selbst, das komplette Erliegen. Dennoch bedeutet dies nicht das Ende des Kapitalismus, der Marktwirtschaft oder der Parole „Geld regiert die Welt.“ Denn so zeigt uns „alle Jahre wieder“ das bevorstehende Wiegenfest vom Christuskind wie auch fortlaufend die roten Zahlen, die die Staaten schreiben: Religionen haben eine unbändige Kraft und Wirkungszeit. Etwas, das gar nicht mehr unter uns weilt, zu existieren aufhört, ist trotzdem immer irgendwie da und unter uns. So ist es mit Christus und so ist es mit Geld. Von daher: frohe Festtage allen Gläubigen, Nicht-, Un- oder Andersgläubigen und all unseren Gläubigern! (nm)
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ein; ich bin nicht so der ernste Künstler, das würde Wir stehen vor verschlossener Tür, die Kneipe, in
mir auch keiner abkaufen.“
der wir uns mit der Zaubertruppe zum Frühstück treffen wollen, hat dicht: Ruhetag. Es ist Novem-
Nun sind auch die beiden anderen Kollegen im
ber, draußen ist es um diese Uhrzeit zu kalt. Kur-
Stuhlkreis angekommen. Der eine stellt sich vor
zerhand bekommen wir Asyl in einem Seminarraum
als „Pille“. Schon wieder so ein komischer Name,
im Kommunikativen Bildungswerk KOBI direkt über
denke ich. Olli Pilsner ist der Kartenhai. Künstler-
der Kneipe. Naja, ein eher nüchternes Ambiente für
name „Der große Pilloso“. Mario Schulte kommt
ein Künstlerinterview, denke ich zunächst. Dem Ort
ohne Künstlernamen aus, er hält als Moderator das
entsprechend bilden wir einen Stuhlkreis, zwei der
Programm zusammen, aber natürlich nicht ohne
vier Zauberkollegen sind noch nicht da.
Zaubertricks, versteht sich. Alle vier sind auch solistisch unterwegs: „Wir treten überall auf, von
Seit 2006 gibt es die Combo, damals war das
Gala bis zur Entzugsklinik – das Publikum funkti-
jüngste Mitglied „Magic Kid“ gerade mal 14 Jah-
oniert immer.“
re alt. Heute tritt er unter seinem bürgerlichen Namen auf: Marc Weide. Im Gegensatz zu seinem
Das Programm verändert sich ständig, laufend
Kollegen Grobi, Grobilyn Marlowe: Polnischer Vor-
werden neue Tricks ausprobiert. Und als wenn
name – irischer Nachname klärt er uns auf. „Aber
das Quartett nicht schon genug wäre, laden
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WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
wildkraeuter.bodo/12_schlehe/ „Oh du schöner Wehehesterwald...” Unver-
In Geschichten tauchen sie noch auf. Ich
meidliche Wanderfolklore, sie bei sonn-
finde Hühner prima, habe ein Faible für
die Jungs immer noch andere Gastkünstler in ihre
täglichen Ausflügen anzustimmen, ließ
schwarzen Humor, und bei den Erzäh-
Show ein, oder der ein oder andere bringt seine
mein Vater sich nicht nehmen. Alle sangen
lungen, die sich ums Federvieh ranken,
persönliche Assistentin mit. Klar, was ist schon ein
mit. In der Kindercrew hatte niemand ei-
kommt beides oft zusammen. Wie der
Zauberer ohne seine Assistentin. „Petranowa Pet-
nen Schimmer, was genau ein Westerwald
Marder sie geholt und der Milchmann
ranowcic“ z.B. macht dann die singende Säge, oder
ist. Ich reimte mir Wester auf Winnetou
überfahren hat, wie sie schneeblind den
„Miss Schweden 1974“ kommt extra aus Skandina-
und Old Shatterhand und war zufrieden.
Weg zurück in den Stall nicht mehr fan-
vien angereist. Übereifrige Zuschauer sollen schon
Das Unbekannte nährt Illusionen. So lässt
den, und niemals darf der Klassiker feh-
mal behauptet haben, einen Kerl im Fummel gese-
sich auch die ungebrochene Nachfrage in
len, der, wie sie orientierungslos über
hen zu haben. Eine Massenhypnose ist am Abend
Sachen Liebe-, Lust- und Landluftjourna-
den Hof gekugelt sind, sternhagelvoll
ebenso wenig ausgeschlossen wie die Taufe eines
lismus erklären, als deren Folge der Zeit-
von versehentlich ins Futter geratenen
Schweins.
schriftenhandel sein Regalsystem umbau-
aufgesetzten Früchten.
en musste. Ähnliches gelang zuvor mal
Kaum zückt die Fotografin in unserem Seminarraum ihr Arbeitsgerät, hält die Zauberer nichts mehr im Stuhlkreis. Aus der Tasche erwacht ein Waschbär, kleine rote Bälle erscheinen und verschwinden wieder, Flaschen beginnen zu rauchen und Spielkarten werden ausgekotzt (entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, aber das nennt man so). Naja, so lange es nur Karten sind und nicht der Weihnachtsbraten... (mp) INFO Total Paranormal – die Weihnachtsshow am 26. Dezember 2011, 20 Uhr Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 44247 Dortmund bodo velost 1 x 2 Karten (s.S. 21)
den Computermagazinen.
Der Aufgesetzte. Eine hochprozentige Methode, Aromen des Sommers in den
Ich kenne mich mit Land besser aus.
Winter zu retten. Ein Ressort, auf das
Meine Biografie. Zwar wird man mich im
sich vor allem die Alten im Dorf verstan-
Pott so schnell nicht mehr los, und hö-
den. Vererbte Rezepturen wurden in ge-
ren Sie mir bloß auf mit Berlin, geboren
selligen Runden auf Wirkung und Würze,
und aufgewachsen aber bin ich in einem
auf Leber und Milz hin geprüft. Schwar-
Sechshundertseelendorf in sauerländer
zer Johannisbeer. Sauerkirsch. Von ge-
Randlage, Sehnsuchtsort schon damals
heimen Zutaten wurde gemunkelt.
in gewissen Kreisen. Herr O. zum Beispiel beschritt den entgegengesetzten Weg. Ihn zog es, der Ruhe wegen, raus aus der Stadt und mitten rein in die Region, in welcher angeblich Fuchs und Hase sich eine Gute Nacht zu sagen pflegen. Es dauerte nicht lang, da prozessierte er gegen einen Landwirt in unmittelbarer Nähe seines neuen Domizils. Der Hahn krakeele täglich früh und ausgesprochen laut. Herr O. gewann. Bei der Dorfgemeinschaft war er fortan und für alle Zeiten durch. Inzwischen hat sich vieles geändert. Hähne, vermuten meine Eltern, würde es mittlerweile auch aus anderen Gründen nicht mehr geben; weil es auch keine richtigen Bauern mehr gäbe, die machten jetzt alle in Pony und Pferd. Selbst Hühner, solche mit ausreichend Platz zum Scharren, Picken, Staubbadnehmen und mal etwas Fliegen, seien sel-
Als Königsdisziplin galt der von den Schlehen. Schon deshalb eine Ausnahme, weil hier Winteraromen eingelegt werden: 250 g Schlehen (nach dem ersten Frost gesammelt), 1 aufgeschnittene Vanilleschote, 2 Zimtstangen, 4 ungeschälte Mandeln und 1 Handvoll Rosinen mit 0,7 l Wodka übergießen und sechs Monate in einem verschlossenen Glas ruhen lassen. Abfiltern. Dann aus 150 g braunem Zucker und 250 ml Wasser einen Sirup bereiten, zur Flüssigkeit geben und weitere sechs Monate warten. Zur Halbzeit gibt es eine Belohnung, wenn Sie die rausgefischten Wodkaschlehen mit 100 g Rohrzucker in 500 ml trockenen Sherry legen, das Ganze über zwei Wochen ab und an schütteln und schließlich filtrieren. Ein ganz vorzügliches Kollateralgetränk. (wk)
ten geworden.
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NEUES VON BODO | von Bastian Pütter und Sebastian Sellhorst| Fotos: Claudia Siekarski
bodo blickt auf ein erfolgreiches Jahr und plant den nächsten Schritt
Viele gute Geschichten unter einem Dach „Wir werden immer größer, jeden Tag ein
markt. Dabei fallen Abschiede oft schwer. Auch
Bei aller Vielseitigkeit ist es vor allem der Buch-
Stück.“ – Ganz so wie im Kinderlied ist es
Lothar Schöps kam über die „nado“ zu uns und
laden in Dortmund, den Steffi und Sandra „im
nicht, tatsächlich ist 2011 jedoch ein beson-
hat uns im September verlassen. Er schreibt uns:
Griff“ haben. Gegenüber neuen MitarbeiterIn-
deres Jahr für bodo: Noch nie waren so viele
„Hallo liebe bodo-Freunde, ich habe vor über ei-
nen, ob in Praktikum, Einstiegsqualifizierung
Menschen in unseren Räumen am Dortmunder
nem Jahr mal ein Praktikum bei bodo gemacht,
oder Zuverdienst, sind sie genauso hilfsbereit
Hafen beschäftigt. Von hier aus bringen wir
und von da an hatte ich so etwas wie eine zwei-
wie bei Buchkunden oder neuen Verkäuferinnen
Menschen in Wohnungen, beraten und helfen.
te Familie in einer mir damals fremden Stadt.
und Verkäufern des Straßenmagazins. Besuchen
Hier bilden wir selbst aus und qualifizieren
(…) Mir wurde die Chance gegeben, wieder eine
Sie die beiden und ihre KollegInnen einmal in
oder vermitteln in Ausbildung und Arbeit. Weil
Struktur in mein Leben zu bringen. Mit viel Ein-
unserem Buchladen (und nehmen Sie den Ein-
Sie unser Straßenmagazin kaufen, uns Bücher
fühlungsvermögen haben die bodos mir zurück
kaufsgutschein von Seite 18 mit).
und Hausrat bringen, in unseren Läden ein-
geholfen: Ich habe einen Weg eingeschlagen, den
kaufen und unser Transport-Team beauftragen,
ich für unerreichbar gehalten habe, ich mache
können wir so vielen Menschen eine Perspek-
eine Umschulung zum Bürokaufmann. Danke, dass
tive geben.
ich Euch ein Stück vom Weg begleiten durfte.“
bodos Bücher: Menschen auf den Weg bringen
Stolz sind wir auch auf unsere beiden Auszubil-
auflösungen. Dazu eine Kooperation mit dem CJD:
denden. So stolz übrigens, dass sie in diesem
Der Umbau von Süd- und Nordtribüne für jedes
„Allein auf weiter Flur“ ist lange her. Heute drän-
Monat unseren Titel zieren. Stefanie Sievers
Champions-League-Spiel des BVB – eine harte
gen sich an manchen Tagen zehn MitarbeiterInnen
und Sandra Gehring machen ihre Ausbildung zur
Arbeit, die aber mindestens so stolz macht wie
Gordon bleibt bei uns. Er betreut den Bereich der
Verkäuferin, Steffi im zweiten, Sandra im ers-
ein reibungslos abgeschlossener Umzug. Und zu
antiquarischen Bücher, in dem er sich ein beein-
ten Lehrjahr. bodo ist Kooperationsbetrieb und
guter Letzt: Die vielen Aufträge von bodo selbst,
druckendes Fachwissen erarbeitet hat, und betreut
übernimmt die Praxis der Ausbildung, die wie bei
ob Renovierungsarbeiten, Transporte oder die Be-
– dankenswerter Weise – unser EDV-Netzwerk.
allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereichs-
lieferung der zusätzlichen bodo-Ausgabestellen.
bodo Transport: Ich will und ich kann Es gibt wirklich viel zu tun: 250 Aufträge in diesem Jahr – Transporte, Umzugshilfen, Wohnungs-
in den Büros, in denen wir noch vor zwei Jahren zu zwei oder zu dritt waren. Wachstum bei bodo bedeutet natürlich etwas anderes als in den Börsennachrichten. Mit steigenden Einnahmen – zum Beispiel in unserem Projekt Buch – steigt nicht unser Gewinn, sondern es verbessern sich die Möglichkeiten, noch mehr Menschen eine Perspektive zu geben. Inzwischen koordiniert mit Suzanne Präkelt eine gelernte Buchhändlerin mit Ausbildungsbefugnis ein Dutzend MitarbeiterInnen. Zum Beispiel Gordon Smith. Vor zwei Jahren baten wir unsere Leserinnen und Leser um Unterstützung. Mit Gordon hatten wir über das Netzwerk Nachsorge („nado“) einen Mitarbeiter gefunden, der viel von dem mitbrachte, was Unternehmen heute suchen: Perfekte Zweisprachigkeit, hervorragende Computerkenntnisse, eine leise, freundliche Art, Engagement. Was ihm fehlte: Zwölf Jahre in seinem Lebenslauf. Mit einer Anschubfinanzierung der bodo-Leserschaft stellten wir Gordon als Vollzeitkraft ein, gefördert durch das Programm Jobperspektive. Die Förderung ist ausgelaufen –
übergreifend funktioniert. Steffi war maßgeblich
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Dass Mitarbeiter dauerhaft bei uns bleiben, ist
an der Neugestaltung des Verkäufercafés betei-
Auch hier geht es darum, Menschen zu begleiten,
jedoch nicht die Regel. Ziel in allen Projekten ist
ligt, gemeinsam mit Sandra zeichnet sie Ware im
ihnen Hindernisse aus dem Weg zu räumen und
es, Menschen Möglichkeiten zu eröffnen und sie
Second-Hand-Laden aus, betreut Verkäuferinnen
ihnen neues Zutrauen in sich selbst zu geben. Wer
bei den nächsten Schritten zu begleiten, ob das
und Verkäufer des Straßenmagazins, bearbeitet
bei uns morgens pünktlich um Viertel vor acht sei-
die eigene Wohnung ist oder der erste Arbeits-
Buchbestellungen und berät Kunden.
nen Kaffee in der engen Küche trinkt, um danach
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Das Straßenmagazin – Lesen ist helfen
loszufahren und schwere Schränke oder ganze
Auch „Blümchen“, dem Dritten im Bunde, ist es
Stadionsitzreihen zu heben, der zeigt zweierlei:
ähnlich ergangen. Als sein Ausbildungsbetrieb
Ich will und ich kann. Manchmal reicht allein das,
in Konkurs ging, konnte er seine Lehre als Gas-
Das Lied vom Immer-größer-Werden passt beim
um zukünftige Arbeitgeber zu überzeugen: Wie
und Wasser-Installateur nicht abschließen und
Straßenmagazin bodo vor allem geografisch.
bei Kai aus Bochum, der über die Aushilfe in unse-
bekam seine bereits abgeleistete Ausbildungs-
Während wir z.B. in Witten noch nach Partnern
rem Second-Hand-Laden zum Transport-Team kam
zeit nicht angerechnet. Entmutigt von diesem
suchen, haben wir bereits jetzt mit neuen Ausga-
und darüber zuletzt in eine unbefristete Stelle im
Rückschlag fehlte die Kraft für einen zweiten
bestellen in Herne und Unna, fünf Öffnungstagen
ersten Arbeitsmarkt. (Herzlichen Glückwunsch!)
Anlauf und er landete auf der Straße. Nach fast
in Bochum und einer 7-Tage-Versorgung in Dort-
fünf Jahren Obdachlosigkeit wohnt er jetzt bei
mund eine bessere Abdeckung denn je.
Nicht immer geht es so reibungslos. In jedem Fall
seiner Freundin. Mit Oliver Philipp haben wir einen neuen Mitar-
hilft aber der Einsatz unserer Zuverdienstler, sich selbst und auch dem Jobcenter zu zeigen, dass
Natürlich habe die Arbeit bei bodo auch negative
beiter, der den Vertrieb der Zeitung koordiniert.
sich jemand mit der „Diagnose“ Langzeitarbeits-
Seiten. „Wenn du ‘nen Keller entrümpelst, der so
Dabei geht es jedoch um weit mehr als um die
losigkeit nicht abgefunden hat.
richtig vermodert ist, dann ist das schon wider-
Frage, wie Zeitungsstapel von A nach B kommen.
lich“, klagt er. Aber solche Aufträge seien nicht
Es sind vor allem die Probleme unserer Verkäufe-
Oder die Alternativen zum Leben auf der Straße
die Regel und das Arbeitsklima würde vieles auf-
rinnen und Verkäufer, deren Olli sich annimmt.
prüft: Olli, Tobi und „Blümchen“ sind drei neue
wiegen. „Die Leute hier sind schon alle ganz cool,
Mitarbeiter im Team von Michael Tipp. Tobi ist 27,
und finanziell lohnt es sich auch.“
Ämterfragen, Beratungstermine, die Koordination der Verkaufsplätze und die Kontakte in die
stammt aus Flensburg und hat dort eine Lehre als
Bäcker abgeschlossen. Nach diversen Jobs bei un-
Die Frage, was sie sich für ihre Zukunft wünschen,
Hilfenetzwerke in immerhin vier Städten. Nicht
terschiedlichen Zeitarbeitsfirmen war er auf dem
beantworten die drei ironisch: „Ein Haus, fünf
zuletzt wirbt Olli auch bei Menschen auf der
Weg nach Spanien, bis er in Dortmund hängen
Kinder und mich reich arbeiten bei bodo“, heißt
Straße, den kalten Platz auf dem Boden gegen
geblieben ist. Die letzten zwei Jahre hat er auf
es da mit einem Augenzwinkern. Doch wenn die
die rote bodo-Jacke einzutauschen: „Wir freuen
der Straße verbracht. Inzwischen hat er wieder
drei auch an ihrem freien Tag auf einen Kaffee
uns über jede neue Verkäuferin und jeden neu-
eine eigene Wohnung. Wie lange noch, da sei er
bei bodo vorbeischauen, macht es den Anschein,
en Verkäufer. Wer arm oder wohnungslos ist und
sich noch nicht sicher. „Aber es ist schon super,
als wäre die Arbeit vielleicht ein bisschen mehr
bereit, sich an unsere Regeln zu halten, ist uns
wenn du eine Tür hast, die du hinter dir zumachen
als der Nebenjob, bei dem man sich ein paar Euro
herzlich willkommen.“
kannst“, erzählt er.
dazu verdient.
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Die Geschichten unserer zur Zeit knapp 90 Ver-
er seine lose Zahnprothese – ganz Heimwerker – re-
Abends geht er manchmal noch für eine Stunde das
käuferinnen und Verkäufer könnten Bände füllen.
gelmäßig mit Sekundenkleber befestige, meldeten
Straßenmagazin verkaufen. Denn aus seiner Drück-
Für manche ist jeder Tag ein Kampf. Sie wissen
sich mehrere Leserinnen und Leser, mit dem Ergeb-
erzeit ist noch ein Bußgeld offen. Und das möchte
morgens nicht, wo sie abends schlafen oder wie
nis, dass Frank inzwischen wieder lächeln kann.
er so schnell wie möglich abbezahlen.
sie über den Tag kommen. Im letzten Jahr noch
Wir sollen uns ganz herzlich bei allen auch hier im
schlief René im bitterkalten Dezember unter dem
Heft bedanken, hat er uns eingeschärft.
Stahlgerüst des monströsen Dortmunder Weih-
Mit Ihrer Hilfe gemeinsam weiter – bodo zieht um
nachtsbaums, während die Glühweinstände sich
Bei anderen, wie unserem wohl bekanntesten Dort-
leerten, wenn die Gäste dort kalte Füße bekamen.
munder Verkäufer Günter, kommt plötzlich Bewe-
Längst ist der Verein mit seinen Arbeitsbereichen
gung in die Arbeitsbiografie. Auch er kann heute
und all seinen Geschichten aus den alten Räumen
Für andere ist das Straßenmagazin eine Stütze und
noch seinen Schlafplatz unter einer Kanalbrücke
am Hafen herausgewachsen. Wir teilen uns Schreib-
Bedingung ihrer Stabilisierung. Wieder eine Woh-
zeigen, hat aber längst eine Wohnung und ist ver-
tische im „Schichtdienst“, telefonieren auf dem Flur
nung zu haben kann auch heißen, dass einem die
heiratet. Nur wirklichen Erfolg bei der Jobsuche
und halten Dienstbesprechungen im Stehen ab.
Decke auf den Kopf fällt. Viele unserer ehemals
hatte er nicht – die Lücke im Lebenslauf war zu
obdachlosen Verkäuferinnen und Verkäufer bleiben
groß. Seit zwei Monaten arbeitet Günter bei dem
Es ist jeden Tag schön zu sehen, wie wir die un-
bei uns, um einen Halt zu haben, den Kontakt zu
großen Buchversender, der in Werne ein neues La-
terschiedlichsten Menschen unter einem Dach
ihren Kundinnen und Kunden und zu uns.
ger errichtet hat. Die in der Tagespresse kritisier-
versammeln und Übergänge schaffen statt zu tren-
ten Ausbeutungsvorwürfe kann er zwar bestätigen,
nen. Doch dieses Dach ist inzwischen zu klein.Dazu
Frank war obdachlos und verlor auf der Straße
doch was für ihn zählt, ist die Chance, wieder an-
kommt, dass wir inzwischen den Eindruck haben,
durch einen schweren Unfall beide Unterschen-
zukommen im Berufsleben. Sein Vertrag ist befris-
es uns und anderen unnötig schwer zu machen mit
kel. Er kämpfte sich zurück ins Leben, und wer
tet, und noch lässt er sich seine bodo-Runde nicht
unserer Randlage ohne Parkplätze vor der Tür.
ihn heute sieht, würde ein solches Schicksal nie
nehmen. Wir jedenfalls drücken die Daumen... Wir möchten umziehen in Räume, die unsere Ver-
vermuten. Frank bewegt sich mit seinen Prothesen beinahe uneingeschränkt, hat eine Wohnung
Einer der Jüngsten bei uns ist Matthias, 21, der im
käufer zu Fuß erreichen können. In Räume, die für
und einen Hausmeisterjob, und samstags trifft er
letzten Jahr aus einer Drückerkolonne floh und auf
unsere Kunden, Spender und für alle Interessier-
seine Stammkunden in der Wattenscheider Fuß-
der Straße landete. Er rutschte in die Drogensze-
ten offen stehen, in denen man und frau einfach
gängerzone, „denn die warten doch auf mich“.
ne ab und kam irgendwann zu uns. Er bekam erst
mal vorbeischaut, Bücher bringt oder kauft, Fra-
einen Platz in einem Wohntraining, später in einer
gen stellt oder Ideen mitbringt.
Und die paar Euro kann er auch ganz gut gebrau-
Maßnahme, in der er Autos restauriert. Jeden Tag
chen, denn für die Zuzahlung zum Zahnersatz
nach Feierabend kommt er nun zu uns auf einen
Unser Wunsch ist ein Dach, unter dem Platz ist
reichte es nicht. Als er im Interview erzählte, dass
Kaffee und hilft bei der Post oder im Buchladen.
für uns alle. Dafür brauchen wir Ihre Hilfe. (bp)
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Termine nach Absprache von 8 Uhr – 20 Uhr
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NEUES VON BODO | von Annalena und Katharina Schneider | Foto: Claudia Siekarski
Der Blick von außen Die 9c des Stadtgymnasiums Dortmund zu Besuch bei bodo Jedem tut es gut, gelobt zu werden, aber hier
doch noch andere Projekte, welche vom bodo e.V.
Schwierigkeiten, die so zurück in ein normales,
haben wir stellenweise schon rote Ohren be-
seit Mitte der 1990er Jahre ins Leben gerufen wur-
geregeltes Leben mit Wohnung und materieller
kommen. Die Schülerreporterinnen Annalena
den. Durch eine Buchhandlung, ein Umzugsunter-
Eigenständigkeit finden.
und Katharina Schneider über uns und ihren
nehmen sowie einen Second-Hand-Laden wurden
Besuch bei uns im Dortmunder Norden.
bereits eine Reihe Arbeitsstellen geschaffen.
Vielen Dank!
bodo unterscheidet sich nicht nur durch ihr soziales Engagement von anderen Zeitungen. bodo
bodo gibt Menschen, die sich in schwierigen Le-
ist gemeinnützig und setzt nicht auf Gewinnma-
Es ist mal wieder Zeitungszeit an Dortmunder
benssituationen befinden, eine Chance, wieder in
ximierung und Auflageninflation, sondern auf
Schulen, und ganz in diesem Sinne haben wir,
die Gesellschaft zurückzufinden und sich ein neu-
journalistische Präzision. Die Artikel sind um-
die Klasse 9c des Stadtgymnasiums Dortmund,
es und geregeltes Leben aufzubauen. Sebastian
fassend und informieren mit „ansprechenden,
gemeinsam mit Herrn Pfennig und Frau Kohn die
Sellhorst berichtete uns über das Konzept: Jeder
ausführlichen Artikeln, begleitet von journalis-
Redaktion der Straßenzeitung „bodo“ besucht.
neue Verkäufer bekommt ein Startpaket von zehn
tisch überzeugenden Fotos”, so ein Schüler der
Redakteur Sebastian Sellhorst hat den bodo-
bodos geschenkt. Danach kann er neue bodos zu
Klasse. Die Hauptthemen sind Kultur, Soziales
Buchladen für uns umgekrempelt, dreißig Stühle
einem Preis von 90 Cent pro Stück erwerben, um
und Lokales.
aufgestellt und zwei Stunden lang Rede und Ant-
diese weiterzuverkaufen. Mit dieser Anschub-
wort gestanden. Unser erster Eindruck: So enga-
finanzierung haben sich schon viele Verkäufer
Auch berichten die Journalisten über ,,unbeque-
giert bodo im Stadtbild auftaucht, so engagiert
langfristig eine Perspektive erarbeitet.
me” Themen in den Städten, über die man sonst nur zurückhaltend informiert wird: „bodo ist also
sind auch die Mitarbeiter in der Redaktion. Durch den Kontakt zu anderen Menschen lernen
ein Teil einer Gegenöffentlichkeit, es ist die Stim-
bodo ist das Straßenmagazin im Raum Bochum
Obdachlose sich wieder einzufügen, ihre Prob-
me derer, die nicht gehört werden“, erzählte uns
und Dortmund, das Besondere an dieser Zeitung
leme selbst in den Griff zu bekommen, sich an
Sebastian, „und gerade diese Unterschiede zeigen
ist ihr soziales Engagement, denn bodo steht für
Regeln zu halten und erhalten die Bestätigung,
die hohe Bedeutung von bodo für Dortmund und
Hilfe. Das Straßenmagazin unterstützt hilfsbe-
nützlich zu sein. Dieses System war schon für
Bochum.” So hat dieser Ausflug uns in eine andere
dürftige Menschen in vielerlei Art. Insbesondere
viele ein Start in ein neues Leben. Neben dem
Welt des Journalismus geführt, einen engagierten
in finanzieller Hinsicht, aber auch wenn jemand
Verkauf des Straßenmagazins schafft bodo e.V.
Journalismus – Das Gespräch zeigte, dass unser
nur mal ein offenes Ohr braucht, ist bodo da und
in weiteren Beschäftigungsprojekten Stellen für
erster Eindruck sich bestätigt hat.
hört zu. Außer dem Straßenmagazin gibt es je-
Langzeitarbeitslose und Menschen in sozialen
(Annalena und Katharina Schneider)
17
18 LITERATUR | gelesen von Bastian Pütter
Bernhard Hoëcker, Volker Dornemann
Feridun Zaimoglu
Geschichte bekloppt
Liebe, Trauer und Vergeltung?
Wollen wir es nicht verschweigen:
Es gibt Klappentexte, die tatsächlich
Wäre dieses Buch nicht von unse-
verblüffen: „Feridun Zaimoglu wen-
rem Illustrator Volker Dornemann
det sich in seinem neuen Roman einer
gestaltet worden, wäre es mir
Region zu, die deutscher kaum sein
kaum in die Hände gefallen. Ein
könnte: dem Ruhrpott, Industriebra-
illustriertes Geschichtsbuch von
che im Wandel zur Dienstleistungs-
einem
Und
region.“ Wer sich davon erholt hat,
dann noch mit einem so national
Fernseh-Comedian?
sieht den Autor dahinter lächeln. Als
trötenden Titel? „Wir sind wieder
ein Kenner der deutschen Romantik
wer“ mit eingespielten Lachern?
mag der Kieler Zaimoglu das Kippbild und den Schwebezustand genauso
Mal langsam. Dieses Buch taugt we-
wie die große (Herzens-)Geste. Das
der zur schwarzrotgeilen Deutschländer-Erbauung noch ist es ein Abklatsch öder TV-Sketch-Formate. Dieses Buch ist total bekloppt. Und das mag ich. Herr Hoëcker (nur echt mit dem Trema über dem e, der Diärese wegen – entschuldigen Sie bitte) und Herr Dornemann erzählen die Geschichte Mitteleuropas bzw. „der Deutschen“, wie es seit Guido Knopp wieder heißt, als einigermaßen irre Improshow. Heinrich IV. findet mit google maps nach Canossa, Martin Luthers Wirken fließt ein in verblüffend authentische Wilhelm-Busch-Verse und -Illustrationen, die komplexen Feld- und Winkelzüge des 30jährigen Krieges werden als atemlose Fußballreportage berichtet und die 1848er Revolution als Comic-Castingshow. Der Studienrat windet sich – oder er findet Spaß an dem durchgeknallten Geschichtskurs, der immer so wirkt, als würden die beiden Autoren die Regieanweisungen aus dem Publikum zugeworfen bekommen: Das Leben Friedrichs der Großen in Briefen an Mama („Küsschen, Dein Kartoffel-Fritzi“) und das Wirken des Otto von
Klappentext-Geklingel seines Verlages wird ihm daher gefallen: „Liebe, Trauer und Vergeltung im Ruhrpott – eine deutsche Saga“, so wird sein neues Buch beworben. Natürlich stimmt das und es stimmt nicht. „Ruß“ ist nicht der große Ruhrgebietsroman, wie auch. Und deutsch im Komparativ ist schief, doch es klingt die Zuwanderungsgesellschaft BRD mit und ist noch in anderer Hinsicht wahr: In Zaimoglus Duisburger Geschichte taucht kein Ruhrorter Türke und kein Hochfeld Rom auf. Zaimoglu hat es nicht nötig, sich an einem Panorama zu verheben. Er zeigt einen Ausschnitt, einen Splitter dieses Ruhrgebiets. Es geht um Renz, den ehemaligen Arzt, der sich nach der Ermordung seiner Frau im Duisburger Kiosk seines Schwiegervaters verschanzt, ein Gescheiterter unter Gescheiterten. Als ihm die Idee der Rache zufällt, beginnt eine Art Krimi und das Roadmovie eines Traumatisierten, in dem nichts so eindeutig ist und in dem die Versionen der Geschichte konkurrieren.
Bismarck anhand der Statusmeldungen auf dessen Facebookseite. Natio-
Selbst das Milieu „anne Bude“ ist so scharf gezeichnet wie künstlerisch
nalsozialismus, Wiedervereinigung – alles dabei.
überformt. „Authentisches“ Sprechen – was ist das eigentlich – und wort-
Ja, das ist total bescheuert. Aber es macht einen Riesenspaß. Und dank der zwischengeschalteten Zeittafeln und der zwischen all den Irrsinn reichlich gestreuten Fakten kann wer will sogar etwas lernen. Muss aber nicht. In jedem Fall bleiben hundert skurrile, auch mal doofe oder schrei-
gewaltige dichterische Ausbrüche wechseln sich ab. Schon in Zaimoglus frühen Romanen Kanak Sprak, Abschaum und Koppstoff war die mitnotierte Ghettosprache eher wahr als echt. Und seit er in seinen letzten Romanen die Märchen- und Schauerromantik heimholte, ist ihm gar nicht mehr zu trauen.
end komische Ideen, ein kurzweiliger Ritt durch die Jahrhunderte und
Umso spannender ist die Lektüre. Wer heimeliges Ruhrpotteinverständ-
die Erfahrung auch für jüngere Leser, dass Geschichte alles ist – nur
nis sucht oder Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Region,
nicht langweilig. (bp)
ist hier falsch. Ruß ist eine vielschichtige, so präzise wie schillernde Geschichte, die bei uns spielt. (bp) bodo verlost 2 Exemplare (s.S. 33)
bodo schafft Chancen
BÜCHERGUTSCHEIN | ZWANZIG PROZENT | AUF ALLE BÜCHER IN BODOS ANTIQUARIAT | IM DEZEMBER | GUTSCHEIN MITBRINGEN | RUMSTÖBERN | KAUFEN | MALLINCKRODTSTR. 270 | DORTMUND | MO – FR | 11 – 18 UHR
18
19
Literatur
Milena Moser
Roger Willemsen Axel Hacke
Sibylle Berg
Wladimir Kaminer
Fotografien von Andre Noll 19
20 Literatur
Stadtgeschichten
„B
itte einsteigen und Türen schließen, der Zug
nun mal nie gut. „Ach was, Humbug“, hat ihre
fährt ab.“ Corinne steht vor dem letzten
Mutter gesagt, „Kate Moss war doch auch schon
schon nicht mehr im Bahnhofsgebäude, sondern
einen Nussgipfel aus einer anderen Tüte und beißt
Wagen zweiter Klasse, ganz am Ende des Zuges, sozusagen auf freier Wildbahn. Mitten in der Stadt.
Der Schaffner pfeift einmal, den Blick fragend
auf Corinne gerichtet, Corinne gibt den Blick an
in der Klinik! Naomi Campbell!“ Corinne nimmt ab. Nie mehr hungern, denkt sie. Egal, was sonst
kommt. „Kommt ja jede Stunde einer“, sagt der
Schaffner, und erst versteht sie nicht, was er meint.
ihre Füße weiter. Die Füße rühren sich nicht. Der
Hat sie laut gedacht? Jede Stunde was? Ein Nuss-
theatralisch und schließt sich dann automatisch.
der Schaffner etwas lauter. Das löst die Starre. Co-
Schaffner pfeift ein letztes Mal. Die Zugtür seufzt
„Nimm den 16 Uhr 48 ab HB“, hat ihre Mutter
gesagt, „dann hol ich dich ab.“ „Ja, jetzt“, sagt der
Schaffner, der nicht mitgefahren ist, der auf den
nächsten Zug wartet. „Ja, jetzt aber!“ Corinne trägt
fünf oder sechs Papiertüten mit Proviant in den Armen. Seit sie Paris verlassen hat, hat sie nicht aufge-
gipfel? Ein Zug natürlich. „17.48 der nächste“, sagt rinnes Füße setzen sich in Bewegung. Tragen sie
aus dem Bahnhofsgebäude hinaus und auf die Stra-
ße. Da ist ein Fluss. Eine Brücke. Corinne kennt
Zürich nicht. Nur Paris und das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist.
hört zu essen. Eine der Tüten fällt ihr jetzt herunter
Vielleicht ist das das Problem, denkt sie. Dass ich
auf den Boden. Ihre Füße reagieren immer noch
den schmutzigen Gehsteig, als bildeten die Flecken
und ein halb gegessenes Schinkensandwich rollt
nicht. Der Schaffner hebt das Brot auf, dreht es in
der Hand, schaut es von allen Seiten an und wirft es dann weg. Corinne drückt die restlichen Tüten
an sich. Sie hat damals nichts nach Paris mitge-
nommen und jetzt nichts dort zurückgelassen. Die
Agentur hat sie ohne Umstände entlassen, von einer
Geldstrafe würde man absehen. Corinnes Karriere ist zu Ende, da besteht kein Zweifel. Bevor sie
überhaupt angefangen hat. Siebzehn und am Ende,
denkt Corinne, der Film zum Buch. Ein Nervenzusammenbruch, auf diesen Begriff hatte man sich
20
Von Milena Moser
geeinigt, ein Nervenzusammenbruch macht sich
Zürich nicht kenne. Und sie heftet ihren Blick auf der ausgespuckten, flachgetretenen Kaugummis eine Karte. Eine Karte für ihre Zukunft.
E
r geht quer über den Platz auf den Hauptbahn-
hof zu, sie schaut ihm nach. Sie möchte sich
aus dem Fenster lehnen, ihm nachwinken, rufen, alle sollen es sehen. Es ist kurz nach fünf, er reiht sich in die Masse der Pendler ein, die Aktentasche
in der einen, die ungelesene Zeitung in der anderen
Hand. Als käme er von der Arbeit. Ganz normal.
Wenn da nicht im dritten Fenster von links in der obersten Etage des Hotels Steigerhof eine nackte
21
Milena Moser, 1963 in Zürich geboren, veröffentlichte 1990 ihre erste Kurzgeschichtensammlung „Gebrochene Herzen oder Mein erster bis elfter Mord“. Mit „Die Putzfraueninsel“ landete sie 1991 ihren ersten Bestseller. Es folgten weitere erfolgreiche Romane und Erzählungen sowie Sachbücher. Milena Moser lebt nun mit ihrer Familie, nachdem sie acht Jahre in San Francisco gewohnt hat, wieder in der Schweiz. Ihr aktueller Roman heißt „Möchtegern“, erschienen im Februar 2010 beim Verlag Nagel & Kimche. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin schreibt Milena Moser regelmäßig Kolumnen und hat zusammen mit der Autorin Sibylle Berg und der Agentin Anne Wieser eine Schreibschule gegründet: www.die-schreibschule.com
Frau wäre, eine nackte Frau, die da nicht hingehört.
Bettrand, greift nach der Fernbedienung, schal-
Die rote Tasche ist seit diesem ersten Tag ihr Mar-
nen.
„Nutz’ doch das Zimmer“, hat er gesagt, „teuer ge-
kaufen können, keine Zeit gehabt, kein Geld, da-
Das Fenster des Hotelzimmers lässt sich nicht öff-
Er bleibt am Kiosk stehen, kauft eine Flasche Was-
tet um, sie hat ja Zeit, sie wird nirgends erwartet.
nug war es ja.“ Auf dem Nachttisch noch ein halb-
kenzeichen. Damals hat sie sich keine Aktentasche mals hat sie eine Strandtasche genommen, heute
volles Glas, im zweiten beginnt der Krimi.
ist es ein teures Modell aus Leder. Fröhlich, arglos,
fanten. Das war das letzte Mal, morgen mach ich
mal ins Strandbad oder zum Stadtbummel. Dabei
fanten mehr, ich schwör’s.
beitet, das Schicksal jeder kleineren Firma in der
ser, eine Schachtel Zigaretten, einen Plüschelefanten.
Das muss aufhören, denkt er. Das mit den Ele-
re Männer bringen ihren Frauen Blumen, wenn sie
Schluss, gleich als erstes morgen früh. Keine Ele-
Tochter Elefanten. Meist schläft sie schon, wenn er
Vielleicht noch einen. Ganz kleinen.
Umgebung, das Leben ihrer Angestellten. Die Ta-
D
Name. Synonym für Entlassungen, Nervenzusam-
Elefanten liebe ich am meisten, hat sie gesagt. Andesie betrogen haben, oder Pralinen, er bringt seiner
nachhause kommt, er beugt sich über sie, atmet ihr
Haar, legt das Tier neben sie, das Zimmer füllt sich,
auf dem Bett ist längst kein Platz mehr, die Rega-
le, der Fußboden, das ganze Kinderzimmer ist voll
grauem Plüsch und rosa Ohren.
A
ls ob er sich freikaufen könnte. Als ob der
Elefant sie auslöschen würde. Sie schaut ihm
nach aus dem Hotelzimmer, er geht quer über den
Platz, nicht über den Fußgängerstreifen, auf dem
Hauptbahnhof zu und sie schaut ihm nach, verzerrt
durch die Fensterscheibe die sich nicht öffnen lässt.
er Lift hält in der 28. Etage, die Türe öffnet sich mit einem leisen Zischen, noch im Gehen
wirft sie einen letzten Blick zurück, in den Spiegel,
einen Kontrollblick, glänzt die Nase, sitzen die Haare, hat sie Spinat auf den Zähnen. Da sieht sie es erst:
Das Rot ihrer neuen Jacke beißt sich mit dem Rot ihrer Tasche.
W
arum sie das nicht vorher gemerkt hat? Es
muss am Licht liegen. Die Lifttür schließt
sich zögernd wieder, als wolle sie ihr noch eine
baumelt sie an ihrer Schulter, als wolle sie nur eben
birgt sie sämtliche Akten, die Sonja gerade bear-
sche jagt Angst ein. Ebenso wie ihr Name, Sonja
Huber, ein an sich harmloser, hübscher, weiblicher
menbrüche, skrupellose Firmenübernahmen. Son-
ja Huber drückt auf den Knopf, die Lifttür öffnet sich wieder. Doch Sonja rührt sich nicht. Die Jacke
ist neu. Sie kann sie nicht ausziehen. Japanisches
Kunstleder, direkt auf der Haut zu tragen. „Ja keine Bluse drunter“, hatte ihr der Designer eingeschärft, „das gibt nur wieder Rümpfe!“ Als mache
sie absichtlich Rümpfe. Als ruiniere sie das Modell
nur dadurch, dass sie es trug. Modeschöpfer und
Chance geben. Sonja reagiert nicht. Sie wird zu
Verkäuferinnen in teuren Boutiquen sind die einzi-
auf seinem Rücken aus, die Mappe fällt aus seiner
nicht einmal passiert ist, nicht, seit sie die Firma
len lässt. Männer, die zu viel Macht haben, lassen
leicht fährt ein Taxi drüber. Über den Elefanten.
So hat sie um ihren Vater getrauert: Jeder, der auch
teure Boutiquen, probiert Kleider an, die ihr nicht
seher ist an und zeigt immer noch die automatische
herrscht ein neuer Wind“, hat sie damals gesagt
Kopfschütteln und bedauerndem Zungenschnal-
Sie wünschte, sie hätte ein Gewehr und könnte ihn von hinten erschießen. Ein roter Fleck breitet sich
Hand, der Plüschelefant rollt auf die Straße, vielStatt dessen tritt sie zurück ins Zimmer, der FernAnzeige, Willkommen im Hotel Steigerhof, Herr und Frau Dr. Fankhauser. Sie setzt sich auf den
spät zur Sitzung kommen, was ihr in zehn Jahren übernommen hat. Am Tag nach der Beerdigung.
nur eine Minute zu spät kam, wurde entlassen. „Es
und ihre Manager haben genickt. Haben sich ge-
duckt. Ducken sich heute noch. Seit zehn Jahren.
gen Menschen, von denen Sonja sich Befehle erteisich von Prostituierten demütigen. Sonja besucht
passen und lässt sich von gehobenen Brauen, von
zen klein und kleiner machen. „Naja, man könn21
22 Literatur
te die Hose eventuell noch etwas auslassen, aber Ihre Schuhe verderben natürlich alles. – Rot? Sie wollen rot? Wirklich? – Unsere Entwürfe richten
sich nun mal an die zierliche Kundin, verstehen Sie.“ Sie genießt diese perfiden, exakt gesetzten Stiche wie ein Mann den Peitschenhieb seiner
Domina genießt. Sie spürte, wie der Druck aus ihr entweicht, mit einem leisen Zischen, wie
das der Lifttür, die sich wieder schließt. Und sie drückt den Knopf: Erdgeschoss.
D
ie Tür zum Atelier ist verschlossen und über
dem Schloss klebt das Siegel des Betrei-
bungsamtes. Darauf ist er vorbereitet. Trotzdem. Was nun? Der Hund zerrt an seinem Knöchel. Genauer, am Hosenbein, die scharfen Zähne in
dem sauteuren japanischen Kunststoff verbissen,
der wie Leder aussieht, aber maschinenwaschbar sein soll. Nichts für scharfe Hundezähne.
Er bückt sich und dabei rutscht die Hose und er denkt an sein Rheuma, er denkt nicht an den
Anblick, den er allenfalls bietet, den oberen Teil
seines weißen Hinterns der Stadtluft ausgesetzt,
nein er denkt an sein Rheuma und er seufzt. Der
Hund heißt Yves. Nach Yves Saint-Laurent. Der genau so einen Hund gehabt hat, eine französi-
Einsam in Tokio
sche Bulldogge oder auch zwei, das Bild aus der
kauernd über überlebensgroßen Skizzen, die
D
spuren hinterlassend. Er hat den Hund. Er hat die
Pool „Jahrhundert Pool“, und einen „Jahrhundert“-
as Hotel, in dessen 20. Stock ich hinter der
französischen Vogue hat ihn inspiriert, ein Bild
Gardine sitze, um die Stadt Tokio zu be-
aus den siebziger Jahren, der Meister am Boden
lauern, heißt „Jahrhundert“. Alles ist epochal hier, das Frühstück heißt „Jahrhundert Frühstück“, der
Hunde respektlos darüber hinweg tapsend, Fuß-
Andenkenshop gibt es auch, falls ich all dies je-
Zigarettenspitze. Die getönte Brille. Was er nicht
mals vergessen sollte. Die Hochbauten gegenüber
hat, sind überlebensgroße Skizzen. Oder einen
stecken im Boden wie von innen beleuchtete Chi-
Atelierboden, auf dem er die Skizzen hätte aus-
tinpanzer ausgestorbener Insekten mit auf- und
breiten können. „Komm schon, Yve-i“, sagt er und
nieder rasenden Fahrstühlen darin. Ja, und es gibt
klickt die Leine an das Nietenhalsband des klei-
Schnittblumen im Aufzug.
nen Hundes, der diese Geschmacklosigkeit mit
Nach Mitternacht steht auf dem großen leeren Platz
Fassung trägt. „Gehen wir halt.“ Unterwegs kauft
vor dem Neuen Rathaus ganz allein ein Mädchen
er eine gekühlte Flasche Champagner und eine
und fotografiert mit ihrem Mobiltelefon den Voll-
Rose in Zellophan. Er öffnet die Flasche auf der
mond. Gibt es jemanden unter den dreißig Millio-
Strasse und nimmt gleich einen Schluck und dann
nen im Großraum von Tokio, der heute nicht zum
noch einen. Yves zerrt an der Leine und zieht ihn
Nachthimmel hinauf blicken kann? Einen Kranken?
weiter. Als sie ankommen, ist die Flasche beina-
Gefangenen? Unterirdisch Arbeitenden? Oder wird
he leer. Das stört sie nicht. „Liebling! Du hast es
der Mond gleich vom Display über die Landesgren-
nicht vergessen!“ „Vergessen?“ Da hat Yves ihn
zen geschickt oder über den Ozean, vielleicht nach
schon in die Küche gezerrt, wo ihre Freundin-
Europa, wo er noch nicht aufgegangen ist, aber jetzt
nen sitzen, um den Tisch herum, auf dem leeren
acht Stunden zu früh eintreffen wird?
Flaschen stehen und ein angeschnittener Kuchen.
„Happy Birthday, Mama!“ Die Damen rutschen,
und er lässt sich auf den Hocker sinken, Frau Zuberbühler von oben hat ihm schon den Hinterkopf
Roger Willemsen studierte Germanistik, Kunstgeschichte
er es früher immer getan hat, als es noch lang und
zum Fernsehen, wo er vor allem Interview- und Kultursen-
fährt in ihrer Erzählung fort – „ich hätte es ja
Bücher des 55jährigen, zuletzt „Die Enden der Welt“ (2010
Mutter füllt die Gläser auf und schaut ihn über
lern. „Einsam in Tokio“ schrieb er nach den Ereignissen in Fu-
zugewandt, er beginnt ihr Haar zu kämmen, wie
und Philosophie und lebt in Hamburg. 1991 kam der Bonner
dunkelbraun war. Frau Messaui von gegenüber
dungen moderierte und Dokumentarfilme produzierte. Die
wissen müssen, ein Mann in seinem Alter“ – seine
bei Fischer erschienen), wurden fast ausnahmslos zu Bestsel-
den Tisch hinweg an. „Bleibst ein bisschen?“
kushima. Veröffentlicht wird die Geschichte erstmals in den
Er nickt. Er ist zuhause. 22
Literaturausgaben der deutschsprachigen Straßenmagazine.
I
ch kenne keine Stadt, über der das Licht so grau aufgeht wie über Tokio, der einzigen Stadt, die aus dem
Anthrazit kommt und auf den Betonflächen langsam,
langsam aufklart, heller wird, mausgrau, staubgrau, flanellgrau, fahl, dann licht. Graue Mauern werfen
das graue Licht grau zurück, mehr Schattierungen
seift der Frühnebel hinein. Auch der Rauch aus den
Klimaanlagen mischt mit. Jetzt treten die Laufschriften heraus, jetzt die in die Fassaden gesäbelten Schriftzeichen, jetzt Billboards und Transparente.
23
Von Roger Willemsen
Drei Tage später darf ich sagen: Der Himmel war
tücher mit Werbeaufdrucken auf der Straße. Dritte
Individualität liegt irgendwo zwischen Söckchen-
es nur im Traum. In den Fenstern der Büros stan-
ten Wänden herum, in Schwarzwald-Kostümen,
Frau angesprochen, eine mit Sommersprossen und
immer schön. Keine Wolke blieb, und Sorgen gab den um vier Uhr nachmittags die Angestellten zu Fitnessübungen. In den Fenstern der großen Hotels
flammten um drei Uhr früh nur noch die Lichter
der Jet-Lag-Patienten, bis vier Uhr früh sind sie allein es, die wachen. Um sechs ging ich zum Frühstücken und aß Spaghetti, danach „Armer Ritter“ zu „Jahrhundert“-Instant Kaffee.
R
andvoll sind Gassen, Brücken, Bahnen, Läden, Bürgersteige, Toreingänge, Verkehrs-
wege aller Art mit sechzehnjährigen Mädchen,
alle gleich alt, ja, auf das Haar gleich alt. Faszinierend. Es muss also eines Tages eine kosmische
Befruchtung über der Stadt niedergegangen sein,
eine, die im nämlichen Augenblick Millionen Frauen schwängerte, die alle im selben Augenblick kleine Mädchen hervorbrachten, die so heransprossen, in dieselben Röckchen, Schühchen, Blüschen hineinwachsend.
Ihre plärrenden Stimmen. Immer kommen sie vom
Hof der gleichaltrigen Freundinnen, von Millionen Freundinnen. Eine trägt eine Baskenmütze, eine andere eine Baseballkappe aus Sandpapier.
Dämchen in Matrosenanzügen sind dabei, Uniformierte im Dienste großer Kaufhäuser. Gemeinsam
verschwinden sie in einem westlichen Dekor, „Das Brot-Restaurant“ überschrieben, wo man sich an
der Theke aus fünfzehn Brotkörben bedient, Sesambrot, Kürbisbrot, Zwiebelbrot, Tangbrot, Algenbrot, Brotbrot. Andere verteilen Papiertaschen-
wieseln mit indischem Curry zwischen gekachel-
mit gestärkten Schürzen und weißen Schleifen im Kreuz. Und so weiter.
Nach vier Tagen habe ich kaum vier Sätze gesprochen. Einem Fremden in die Augen zu sehen, gilt als unhöflich. Man könnte unsichtbar sein und würde es kaum merken.
E
in Sonntagnachmittag in Roppongi: Erkaltete Reste der Nacht, übernächtigte Frauen an
der Seite desinteressierter Männer, amerikanischer
Swing der jüngsten Jahre in der Luft, Lounge Mu-
sic, das Schwirren von Saiten rund um chinesische Dim Sum Lokale, Brasserien, Seven-Up-Läden,
American Diners. An einer Straßenkreuzung zwischen Nüsse-Verkäufern und Zeitschriftenhändlern eine etwa 22-Jährige mit kastanienrot gefärbten Haaren, ein Schild vor sich mit japanischen
Schriftzeichen, darunter auf Englisch: „Slave“. Eine Künstlerin? Eine Prostituierte? Unter ihrem Arm ein Bildband über Audrey Hepburn.
Die Ordnung auf der Straße hat etwas Kultisches. Selbst die Elenden mit der Sozialfunktion „Bettler“ liegen in Kartons brav nebeneinander. Mal steht „Made in the Phillippines“ darauf, mal einfach „Enjoy“ oder „Bananas“. Im Innern sieht man die
Bettler auf dem Rücken liegen und gegen den Plafond stieren. Der ist unbeschriftet. Auch die Ordnung macht traurig. Und einsam.
Nie habe ich eine Stadt auf so vielen krummen Frauenbeinen laufen sehen, alle anders krumm. Die
bund und Rocksaum. Nur einmal hat mich eine einem lustigen vierzigjährigen Gesicht samt Pony. Sie sprach Englisch und sagte wörtlich übersetzt:
„Würden Sie mich bitte in die Kirche begleiten und sich einen netten Segen abholen?“
I
ch hatte eine Schwäche für das Wort „nett“. Aber in der Kirche musste ich nur einmal im
Seitenschiff neben ihr knien, ungesegnet, denn der Pfarrer war auf und davon. Also versuchte ich
einen frömmelnden Gesichtsausdruck, ließ sie im übrigen ein bisschen murmeln und erwarb dann
für eine Faustvoll Yen eine Loreto-Madonna auf
Papier, und weil die so ernsthaft und menschlich aussah wie eine Muttergottes aus dem Passbildautomaten, steckte ich sie ein und ging. Madonnen und Models sind in Japan meist Europäerinnen.
Die zweite Klasse der Menschen, die sich außer den
christlichen Schwestern in Tokio traut, einen Fremden anzusprechen, das sind die Männer vor den Nachtbars,
den wenigen, die sich nicht durch ein „No Foreigners
Allowed“ Sommerfrischler wie mich vom Leib halten. Diese Männer aber können auf Deutsch so schwierige Worte wie „Verwöhnen“ sagen, ein Ausdruck aus der
Weltsprache der Lustversprechen, der gebrochenen.
Man versteht ihn kaum, von so weit weg kommt der Klang: „Verwöhnen“ bellt der Straßenkuppler, der eine
Rolle roter Coupons in der Hand hält wie Rabattmarken. Ich gehe mit ihm, d.h. hinter ihm her, denn er
bleibt immer drei Schritte vor mir. Ich bin ihm peinlich. Wir sind einander beide peinlich.
23
24 Literatur
D
ie Hostess-Bar, in der er mich abliefert, be-
sen, und ich werde mich fragen, wie ich hier raus-
Er sagt das auf Deutsch.
Mobiliar und ein paar Resopaltischen, beschie-
mit nervöser Heiterkeit, ihre Verlegenheit ausbadet,
Der Kuppler zieht eine Grimasse wie im Kabuki-
steht aus einer langen Theke mit Pit-Stop-
nen vom Streulicht einer Neon-Installation. Vom anderen Ende der Theke lächelt mich der einzige Gast an, gequält. Eine Frau im Minirock sitzt vor
ihm auf dem Counter. Ihr Beine quellen unter dem Röckchen hervor wie nasser Puffreis. Ich bekomme einen Barhocker am anderen Ende.
komme, während die Letzte, eine schmale Braune indem sie das Bier in dem vollen Glas mehrmals über den Rand treten lässt. In diesem Augenblick ist die Einsamkeit Aller im Raum vollkommen.
N
ein, ich verzichte auf das Betasten von wem auch immer und mache mich auf die Socken.
Der Geschäftsführer mit seiner eingeübten kosmo-
Sofort bricht der Kuppler aus der Kulisse:
Englisch wird nie wieder so flüssig sein wie jetzt.
Er stellt sich zwischen meinen Hocker und die Au-
politischen Attitüde erklärt mir die Regeln. Sein Hier sind die Erdnüsse. Hier Glas und Bier. Die Erdnüsse – „Essen Sie, soviel Sie wollen“, das Bier –
„wir schenken Ihnen nach, Sie müssen nur trinken.“ Jetzt noch ein gewisses Sümmchen, fünfzig Euro
ungefähr, eigentlich fürs Gedeck, und dann kann’s losgehen. Was?
„Sie haben eine Stunde Zeit. Alle zwölf Minuten
stelle ich Ihnen ein neues Mädchen vor. Vier Mädchen: Das macht achtundvierzig Minuten. In den
„No! You cannot go!“
ßentür und macht seine Rechnung auf: „Noch zwölf Euro bis zur Betastung!“
Ich schüttele meinen betrunkenen Kopf. „Nicht zufrieden?“ „Dochdoch.“ „Verwöhnt?“ „Jaja.“
„Bumsibumsi!“
„Nein, bitte!“
Theater. Jetzt lehnt das blaue Chiffon-Kleid auch noch wartend an der hinteren Schwingtür.
„Ich habe eine Freundin!“ schwindele ich, als hinge alles davon ab, „Girlfriend!“
Ich fahnde nach einem Beweis. Das Erste, das mir
beim Durchsuchen meines Portemonnaie in die Hände fällt, ist das Madonnenbild. Ich hebe es
ganz kurz bis auf die Höhe seiner Augen. Keine Ahnung, was er gesehen hat, aber als er so routiniert nickte, beiseite trat und eigenhändig den Vorhang aus dem Weg raffte, und als ich dann auf der
Straße stand, trunken vor Bier und Glück über diese wunderwunderschöne Hostess-Bar im Herzen von Shinjuku, da hatte mich die Madonna errettet
und eingehüllt, die Madonna in ihrem roten Mantel der Liebe.
zwölf Minuten, die dann noch bleiben, dürfen Sie
sich eines der vier Mädchen aussuchen zum Anfassen. Das kostet dann noch einmal sechs Euro.
Wenn Sie aber mit ihr den Raum verlassen möchten, no problem, no problem“, er wehrt meine imaginären Einwände ab, „aber dann müssen wir neu verhandeln.“
Ich schüttele mehrmals den Kopf. „No problem.“
Er stellt das Bierglas samt Flasche vor mir auf.
D
ie Erste trägt ein süßes blaues Chiffon-
Kleidchen mit Feder besetzten Ärmeln, hat
aber eine Kiefern-Gaumen-Spaltung, vulgo Hasenscharte. Sie spricht kein Englisch, wäre aber
auch im Japanischen kaum zu verstehen. Am Ende
teilen wir ein paar Erdnüsse und die Erleichterung der Trennung.
Die Zweite ist eine Vorbeißerin in Grün und
stammt aus Taiwan. Ich denke an Hartgummi-
Spielzeug und Scherzartikel. Wie treuherzig ihr Gesicht wirkt, und wie früh gealtert! Jetzt schwingt sie sich sogar auf die Theke, blickt von oben auf
mich herab und gießt dabei unaufhörlich Bier nach.
Aus meiner Perspektive, von unten betrachtet,
schwillt ihr Kopf zum Ballon. Die Nächste, verspricht sie, könne fließend Englisch.
D
ie Dritte tritt durch die Flügeltür der Küche
und nähert sich phlegmatisch, gleitet die The-
ke hinauf, die angezogenen Beine unter den Körper
faltend. Tatsächlich: eine Erscheinung! Ich lege die
Hand auf das Bierglas, sie gießt einen Tropfen darauf. Als ich wegziehe, lacht sie und entblößt eine
Reihe von innen ergrauter Schneidezähne. Ab Minute Neun wird sie meine Augen nicht mehr loslas24
Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Journalist in München. Seine journalistischen Arbeiten wurden vielfach mit Preisen ausgezeichnet. „Selbstabbruch“ ist seinem Buch „Wortstoff hof “ entnommen, Verlag Antje Kunstmann, München 2008.
25
Selbstabbruch E
Von Axel Hacke
ines Tages bekam ich eine Mail von Samuel
hinter stecken, so lernte ich, Verbrecherbanden.
Selbstabbruch starben. Seit wir von seinem Tod hör-
sich als Anwalt von Andrew Hacke vor, Direktor der
las ich, antworteten sie: Herzlichen Dank, wir
vorbeizukommen und Ansprüche für sein Geld als
Akaru aus der Republik Benin. Akaru stellte
Andrew Construction Company in Benin. Andrew
Hacke sei zusammen mit seiner Familie am 25. Dezember 2003 beim Absturz einer Boeing 727 in Benin ums Leben gekommen. Sie seien auf dem Weg nach Beirut gewesen, um dort Ferien zu verbringen.
A
ndrew Hacke, so teilte mir sein Anwalt mit,
habe ein Vermögen in Höhe von 15,5 Milli-
onen Dollar hinterlassen, das nun herrenlos sei. Es gebe keine Verwandten von Andrew Hacke mehr
in Benin, und er, Samuel Akaru, habe sich daraufhin im Internet auf die Suche nach Leuten mit dem
gleichen Nachnamen gemacht. Er biete an, mich
in den Besitz des Vermögens zu bringen, bevor die
Continental Bank Benin das Geld konfisziere. Dafür wolle er einen Teil des Vermögens haben. Sein
Angebot: 60 Prozent für ihn, 40 für mich. Ich solle
Sobald man auf den ersten Brief eingegangen sei, treiben die Sache weiter voran, leider kommen wir ans Geld noch nicht ran, schicken Sie tausend
Dollar; wir müssen Beamte bestechen und Gebühren zahlen. Es soll Leute geben, die das tun.
Sie hören nie wieder von Samuel Akaru und seinen Freunden.
ru und Andrew Hacke. Ich entdeckte (was ich mir
schon gedacht hatte): dass ich nicht der einzige Adressat solcher Post bin.
V
iele Menschen bekommen sie, mit gleichem
Inhalt: Ein Vermögen wartet in Afrika. Da-
everappeared.“ Freez’ Vorschlag: 65 Prozent für ihn, 5 für Gebühren, 30 für Leser D.
muel Akaru: „Am liebsten Akaru! Thank you for
namen. Und alle waren Direktoren der Andrew
Construction Company, einer Firma, die durch
das Unglück enthauptet wurde: Die Maschine war voller Chefs namens Andrew. Ein Betriebsausf lug anscheinend.
schrieben hatte, erhielt D. seine Post auf Deutsch.
seits im Internet auf die Suche nach Samuel Aka-
der ihr Familie Mitglied noch entfernter Verwandter
Adressaten, hießen aber alle Andrew mit Vor-
Die Toten trugen den jeweiligen Nachnamen des
neidisch werden. Dann machte ich mich meiner-
wälte in Benin; da dürfte mancher deutsche Kollege
seinem Konto freigeben können … Leider hat we-
Flugzeugabsturz vor vier Jahren verloren hatten.
adressaten ebenfalls Namensvettern bei jenem
E
vollen Namen mitteilen.
der Erbe zu setzen, weil wir nicht die Kapital von
I
Ich entdeckte außerdem, dass viele andere Brief-
Ich war erstaunt über die Gebührensätze der An-
Telefon- und Faxnummer, Adresse, Beruf sowie
ten, haben wir seine Folgend-vonstämme erwartet,
twas später kam Post von Leser D. aus Aachen. Er hatte eine ähnliche Nachricht von einem
Mann namens Peter Freez in Ghana bekommen.
Aber während Samuel Akaru mir auf Englisch geFreez teilte dem D. nach der Anrede „Am liebsten“
mit, er sei Entdecker „einer verlassenen Summe of
$ 12,500,000.00 (nur zwölf Million fünfhundert
tausend Vereinigte Staaten Dollar) in einem Konto, das bis einen unserer Auslandskunden gehört,
die zusammen mit seiner gesamten Familie eine
Frau und zwei Kinder im November 1999 in einem
ch war neidisch. So schöne Wörter hatte mir
Akaru nicht geschrieben: Am liebsten, Selbst-
abbruch, Folgend-vonstämme … Ich sortierte sie
alle in den Wortstoffhof ein. Dann schrieb ich Sadeinen wonderfullen Mailpost. Ist es nicht ein unbelievable Zufall, dass ich Dir gestern auch schreiben wollte? Denn am 21.12.2003 ist Mr. Andrew
Akaru, Prokurist der Andrew Altwörter-Entsorgungs GmbH, hier auf meinem Wortstoffhof zu
einem Abbruch gekommen, als er einen Lkw entladen wollte. Er wurde together mit seiner Schwiegermutter und zwölf Folgend-vonstämmen von
einem Berg alter Phrasen und Metaphern erschlagen. Herr Andrew hinterlässt ein Vermögen von 15,5 Millionen seltener, sehr beautifuller Wörter. Du wollen haben? Ich vorschlagen: 60 Prozent für
mich, 60 Prozent für dich, den Rest für die Duden-Redaktion. Bitte antworte soon, aber nurnurnur auf Deutsch (lass Peter Freez übersetzen!) und
mit Foto und Geld, das ich Dir dann backschicke,
für Deine Auslagen. Mit dem besten Respekt aus meinem Leben! Dein Axel.“
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26 Literatur
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Ihre Buchhandlung im Dortmunder Süden Wir freuen uns auf Ihren Besuch HOMbrucher BUCHhandlung Harkortstraße 71 44225 Dortmund Tel. 0231 – 797 90 99 www.hombuch.de
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27
Die Reichen D
Von Sibylle Berg
unkel wird es wieder und Reif an gedörrten
verwehrt bleiben wird, weil ein Ticket mehr kos-
und Zeit für Mitgefühl. Randgruppen umarmen
selbst wenn das nicht so lang ist. Doch wenn er
Bäumen, lange Schatten auf den Straßen
zur Weihnachtszeit. Zeit an die Reichen zu den-
ken. Die keiner mag, und das wissen sie. Sitzen in ihren Villen, sehen sich an, das wird fad mit
der Zeit, doch zum Rausschauen fehlt der Mut. Draußen sind die, von denen sie verachtet werden.
R
eiche sind nicht beliebt. Zu unrecht. Denn es
sind Menschen. Sie haben Gefühle. Irgend-
wie. Aber wer ist reich? Gunilla von Bismarck? Daniel Vasella?
Christoph Blocher? Oder Sie? Haben Sie schon
einmal Leute gesehen, die gar nichts hatten? Die liegen nackt an der Straße, in verschiedensten
heißen Ländern, wie Müll liegen sie da, und warten auf den Tod, denn dann bekommen sie wenigstens einmal etwas geschenkt: Ihren Abtransport in eine öffentliche Grube. Fast jeder Tourist
der sich freiwillig nach Kambodscha, Haiti oder Polen begibt, ist wohlhabender als 80 Prozent
der Einheimischen. Selbst ein deutscher Sozialhilfeempfänger, aus welchem Grund er auch imSibylle Berg ist in Weimar geboren und lebt heute in Zürich. Sie hat bislang zwölf Bücher veröffentlicht. Ihr letzter Roman „Der Mann schläft“ ist im Herbst 2009 im Hanser Verlag erschienen. Die Theaterstücke von Sibylle Berg („Helges Leben“, „Hund, Mann, Frau“, „Hauptsache Arbeit!“, „Nur Nachts“ u.a.) werden an zahlreichen Bühnen im In- und Ausland gespielt. Übrigens gibt Sibylle Berg auch Schreibkurse (www.die-schreibschule.com).
mer eine Reise in die Slums von Dhaka machen sollte, wird sich reich fühlen müssen. Wird es
richtig begreifen, wenn er das Land wieder verlassen darf, verfolgt von tausend Augen die ihn
beobachten, am Flughafen. Die Augen in Leuten, die ihn beneiden, um den Weg in die Freiheit, in
ein Land unermesslichen Reichtums, das ihnen
tet, als sie haben werden in ihrem ganzen Leben,
dann zurückgekehrt ist, in sein Land, der Sozialhilfeempfänger, wird er wieder nichts sein, arm
sein und nach oben schauen zu den anderen. Für
ihn bin vermutlich sogar ich reich, denn ich kann es mir leisten, in einem der teuersten Länder der
Welt, der Schweiz, zu leben, wo wiederum ich einer der Ärmeren bin, denn es langt mir nicht für
ein Chalet in St. Moritz, eine Villa am Zürichsee. Selbst der Unterhalt eines Rolls Royce liegt für
mich nicht drin. Reichtum ist relativ. Man fühlt sich reich oder mag sicher sein, dass es immer einen geben wird, der reicher ist als man selber,
und kann verzweifeln daran. Kann sich denken,
dass das Leben vertan ist, ob all der Sachen die
man nie besitzen wird, kann aus der Verzweiflung Neid werden lassen, auf all jene, die über
einem selbst zu stehen scheinen, in der Sonne. Neid ist relativ. Es gibt den kleinen, gepf legten,
goldfarbenen Neid eines Herrn Rothschild auf einen Herrn Gates, ein Neidchen, kann man sagen, und es hat den zerfressenden Neid dessen, der im
Straßengraben vor einer Villa schlafen möchte, nicht schlafen darf, weil er das Auge beleidigt.
Wird er die Villa sehen und neidisch sein in einer Form, die dem Hass sehr nahe kommt, weil er keine Rechte hat, keine Chancen. Und dann gibt
es noch den General-Neid, den viele Menschen in sich tragen, die sich vom Leben betrogen fühlen,
27
28 Literatur
die die irrige Idee haben, etwas Großes stünde
haben eine Leidenschaft, und dass sie damit viel
leiser Sport ist, er lässt gutaussehende Häuser er-
Neider hasst Reiche. Aus Prinzip. Die Reichen,
Arbeitsplätzen, die sie schaffen, heißt das, was
anste- ckende Krankheiten, weil er sich sehr gute
ihnen zu, einfach, weil sie sie sind. Der General-
die über Leichen gehen, Geizkrägen, die Men-
schen ausbeuten, Mistkerle, die mit ihren FerrariAbgasen die Luft verpesten, blöde Schlunzen, die
Pelztierchen tot machen. Geld macht nicht glück-
Geld verdienen, ist nur richtig. Denn neben den
sie 22 Stunden täglich tun, den Kapitalismus zu fördern, ihn zu beschleunigen, damit er schneller explodiert, und das ist nur zu bejubeln.
ließ Wissenschaftler auf eine Formel kommen,
D
ziale Kontakte und Naturverbundenheit. Machen
jungen Reichen Partys, das hat sie auch getan
lich, zischelt der Neidische und hat unrecht. Der Versuch, eine Definition von Glück zu finden,
die Glück sehr fördert: Wohlstand, Bildung, sowir uns also nichts vor, Reiche sind glücklich. So wie einer eben glücklich sein kann, der um sein Ende weiß. Hat der Reiche sich sein Geld
erarbeitet, dann hat er viel gearbeitet, und viel
arbeiten macht glücklich. Ein prima Beispiel für
den Mann, der aus dem Nichts kam, ist Deutschlands Geld-Guru Bodo Schäfer. Er ist reich, und
er ist es geworden, weil das immer sein Ziel war. Was wollen sie werden, mein Junge? Reich. Alles
klar. Das hat er gemacht. Er hat einen Bestseller darüber geschrieben und ist noch reicher ge-
worden, er hat 20 Stunden täglich gearbeitet und gespart, und heute hat er einen Rolls Royce, ein
Anwesen in der Sonne und vermutlich müsste er nichts mehr machen. Wenn das so leicht ginge. Denn der sich seinen Reichtum erarbeitet weiß,
wie mühsam das ist, und immer wird er in Sorge leben, dass der Reichtum einfach wieder ver-
ie reich sind, ohne zu arbeiten, haben geerbt. Das ist auch nichts Schlechtes. Gu-
nilla von Bis- marck war immer reich, sie kennt
es nicht anders. Als sie jung war, feierten alle und ist wie unbemerkt in die Jahre gekommen.
Als ich sie in Mar- bella traf, war sie eine Figur,
die Gunilla von Bismarck darstellt. Dauerlachen
en, sie kreieren, und sie tun es für sich, tun es, weil es sie befriedigt. Meist glauben sie an etwas,
28
er reich erscheinen, doch er ist es nicht. Ständig mahlen seine Wangenknochen, so gerne wäre er reich und wird es doch nicht werden. Ihn müssen
wir nicht beneiden. Aber auch keinen wirklichen
Reichen müssen wir beneiden oder verachten. Oder sind Sie noch nicht überzeugt ?
das Land, aber seine Währung wäre der schöne,
ihrer Jugend nichts gelernt hatte, nichts getan
außer Partys zu feiern. Jetzt ist es zu spät, sich
etwas Neues einfallen zu lassen, sagte sie ein wenig traurig beim Abschied. Nicht zum Hassen,
die Gunilla. Nicht zum Hassen ihre Freunde, die des Nachts in Marbella auf den Tischen tanzen.
Tut keinem weh, denn sie ziehen die Schuhe aus dabei. Und wollen doch nur einen Sinn finden, in ihrem Leben, wie wir alle.
und deshalb werden sie wohltätig, das ist mehr an
beit reich zu werden, denn sie denken, sie erbau-
ten und weswegen? Gerhard Schröder?
Für einen normal verdienenden Deutschen mag
einem Anwesen saß und bedauerte, dass sie in
freundliche Dame, die mit mehreren Tieren auf
hassen an denen, deren Ziel es ist, mit ihrer Ar-
Warum sollten wir ihn hassen? Es gibt nichts zu
W
er ist noch reich, wen könnten wir verach-
D
in eine teure Tischdecke. Tags darauf trug sie
N
Bodo ist zufrieden mit sich, er ist geworden, was
Ärzte leisten kann.
einen Trainingsanzug und war eine kultivierte
unter einem platin- blonden Haardeckel, gehüllt
er immer wollte, und er tut keinem weh damit.
schwinden könnte, wie ein geliehener Pelzmantel.
richten, die dem Auge schmeicheln, er hat selten
ichts Böses, der reiche Erbe. Die Erbinnen
tragen die stoffgewordenen Naturkatastro-
phen von Escada und Versace und das ist gut, denn
irgendjemand muss das tun. Sie langweilen sich andere gedacht, als es sich einer je leisten kann,
der um seine Miete besorgt sein muss. Der Männererbe spielt Polo, das stört keinen, weil es ein
ann stellen wir uns ein kleines Land vor.
Es wäre von Bergen umgeben, von hellem
Himmel bedeckt, Seen lägen und kleine Bäche mit Goldfischen darin. Es hätte keinen Namen,
bunte Schweizer Franken. Stellen wir uns weiter vor, in diesem Land lebten nur reiche Menschen. Es wäre sauber, das Land. Straßenreiniger
verdienten 6000 Franken, eine bisschen mehr als
Gepäcksortierer am Flugplatz, ein bisschen weni-
ger als ein Schaffner im Zug wäre das, aber doch soviel, das jeder seiner Arbeit gerne nachginge.
Nachdem einige der Einwohner des Landes ein kleines bisschen gearbeitet hätten, andere durch
Läden ge- schlendert wären, um die Wirtschaft anzukurbeln, träfen sie sich in schönen Cafés und
Restau- rants oder beim Schwimmen im f leischwarmen Wasser. Sie würden miteinander reden,
die Men- schen, weil sie kaum Arg hätten. Reichtum entspannt, er verringert die Angst, und wer sich keine Gedanken darüber machen muss, wie
er den nächsten Tag überlebt, hat viel Kraft für vernünftige Dinge.
29
ANZEIGEN
S
ie füttern Tiere, bilden sich, die Menschen
des kleinen Landes, und legen hübsche Gär-
ten an. Fremden begegnen sie höf lich und leise,
denn sie sind gut erzogen und haben keine Furcht vor allem, was fremd ist, denn sie sind ruhig und
wissen, dass kaum etwas sie bedrohen kann. Darum schlagen sie keine Ausländer zusammen,
denn sie sind gut ausgebildet und wissen, dass jeder Mensch gleich ist. Solange er Geld hat. Die Menschen des kleinen Landes riechen nicht un-
angenehm, weil sie sich sauber halten. Sie bauen ab und an, wenn es ihnen langweilig ist, ein paar
Museen, und verschenken Kunstsammlungen. Sie
lieben Kunst und Künstler, weil sie wis- sen, dass Kunst das einzige ist, das den Menschen vom Tier unterscheidet. Wenn sie verreisen, so fahren sie an
feine gepf legte Orte, denn sie verachten Touris-
mus als den 4. Weltkrieg unserer Zeit. Von dem, was sie zuviel haben, geben sie ab, weil sie wissen, dass Wohlstand nur Spaß macht, wenn man teilen kann. Abends f liegen sie eine Runde über ihren hübschen Häusern, winken und lachen. So wäre das in dem kleinen Land, wo der Reichtum lebt.
D
och auch bei Ihnen zu Hause, gibt es keinen Grund, die Reichen zu verachten. Wenn Sie
in Europa wohnen, eine Arbeit haben und nicht
gar zu viele, die sie versorgen müssen, können Sie sich selber alles leisten, was Reiche glücklich macht: freundlich zu anderen sein, nicht nur an sich selber denken, an hübsche Plätze verreisen
und fein essen gehen. Die Welt wäre eine bessere, wenn alle Menschen reich wären. Keinen Grund
gäbe es mehr für Hass und Missgunst, für Über-
fälle und Kriege. Ich möchte, dass jeder auf der
Welt soviel Geld hat, dass er sich leisten kann, was er will und er wird feststellen, mit der Zeit, dass es gar nicht soviel ist.
29
30 Literatur
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Berühmte Persönlichkeiten auf der Schönhauser Allee: Albert Einstein und Niels Bohr
V
or dem Eingang in die „Schönhauser Arcaden“ sitzt ein Bettler auf einer Pappkiste. Je-
des Mal, wenn ich an ihm vorbeikam, kuckte ich
weg. Es war mir peinlich, ihm in die Augen zu schauen. Der Kerl erinnerte mich an jemanden, den
ich oft im Fernsehen sah. Aber an wen? Eines Tages fiel es mir ein: Dieser lustige, etwas verwirrte Blick, die hoch stehenden Haarbüschel, der graue Schnurrbart – das habe ich in der Werbung für
Herschi-Limonade gesehen. Der Kerl sieht Albert
Einstein, dem verrückten Erfinder der Relativitätstheorie, absolut ähnlich. In diesem Moment konn-
te ich auch seine Sprüche, die er auf den Karton schreibt, viel besser nachvollziehen: „Zwei Mark ist kein Geld“ stand da beispielsweise drauf.
„H
ey Alter, alles ist relativ, nicht wahr?“ Ich
zwinkerte ihm zu und legte zwei Mark in
seinen Becher. Einstein tat so, als ob er mich nicht
verstanden hätte, er wollte wahrscheinlich nicht,
dass seine Tarnung aufflog. „Alles ist relativ – oder
was?“, fragte ich ihn noch einmal. Daraufhin packte er seine Sachen und ging auf die andere Seite der Schönhauser Allee. Dort begrüßte ihn ein anderer
Kerl, der auch ein bekanntes Gesicht trug. Irgendwo hatte ich diesen Dicken schon mal gesehen: Glatze, kalte Augen, fette Wangen, breites Kinn: ohne Zweifel Niels Bohr, der dänische Erfinder der
Quantentheorie. Doch was machte dieser Mann hier auf Schönhauser Allee? Ganz klar: Er traf sich 30
31
Von Wladimir Kaminer
insgeheim mit Albert Einstein, um in aller Ruhe
ablesen. Niels Bohr nimmt einen großen Schluck
sik zu diskutieren. Hier findet ein geheimer wissen-
gels, dann Einstein. Die Flasche ist schnell leer und
mit ihm die aktuellen Probleme der modernen Physchaftlicher Kongress statt.
B
eide Wissenschaftler gehen die Schönhauser Allee entlang und setzen sich auf die Bank
vor dem Sportwarengeschäft. Einen besseren Platz
für einen Kongress kann man in der Gegend gar
nicht finden. Dort warten auch schon andere Wissenschaftler auf sie. Alle begrüßen sich kollegial. Niels Bohr packt seine „Plus“-Markt-Tüte aus und
holt vier Flaschen Korn sowie mehrere Dosen Bier hervor.
D
er Kongress kann beginnen. Von den anderen
Wissenschaftlern kenne ich niemanden, nur
Friedrich Engels mit seiner verlebten Braut, weil die beiden jeden Tag auf dieser Bank sitzen, egal
wie das Wetter ist. Engels hat sich anscheinend vor kurzem den Bart abgeschnitten, aber nur die eine
Seite, jetzt sieht er total schräg aus. Er hält seinen Bart in der Faust und erzählt Einstein irgendwas Lustiges. Leider kann ich ihn nicht verstehen.
aus der Flasche, dann gibt er sie der Braut von Enlandet unter der Bank. Engels mit dem schrägen
Bart sieht heute irgendwie traurig aus. Ihm fehlt bestimmt sein Freund Marx. Den habe ich schon eine Ewigkeit hier nicht mehr gesehen. Früher saßen die beiden gerne zusammen auf dieser Bank
und tranken einen auf die „Deutsche Ideologie“.
Mit einem Schluck schaffte Marx die Hälfte, die andere war dann für Engels bestimmt.
Wladimir Kaminer studierte Dramaturgie in seiner Heimatstadt Moskau. Seit 1990 lebt der 44-jährige in Berlin, publiziert in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und organisiert Veranstaltungen wie seine berühmte „Russendisko“. Mit der gleichnamigen Erzählsammlung sowie zahlreichen weiteren Büchern macht er sich einen Namen als Autor in Deutschland. Sein neues Buch, „Liebesgrüße aus Deutschland“, erscheint im August 2011 bei Manhattan. Die abgedruckte Erzählung erschien 2001 in dem Band „Schönhauser Allee“ bei Goldmann in der Verlagsgruppe Random House.
D
as nichts ahnende Publikum läuft an der Bank vorbei, das gemeine Volk interessiert
sich so gut wie gar nicht für Relativitätstheorien, eher für Konsumtheorien. Junge Mütter mit Kinderwagen machen einen großen Bogen um die Bank. Sie wollen dadurch verhindern, dass ihre
Kinder die Wissenschaftler kennen lernen. Werden sie aber trotzdem! Denn solange die Sonne scheint,
wird der Kongress weiterlaufen – die Wissenschaft
auf der Schönhauser Allee ist nämlich unsterblich, und darauf trinken wir einen.
V
ielleicht erzählt ihm Engels etwas über die
Unvermeidlichkeit der neuen sozialen Revo-
lution und der Notwendigkeit, die politische Macht
zu ergreifen? Einstein schüttelt nur den Kopf – alles ist relativ: Ich kann seine Antwort von den Lippen
31
32 DAS RUHRGEBIET VON A BIS Z | von Peter Erik Hillenbach
KINOTIPP | von endstation.kino
Mein nächstes Kind heißt Iksavauer Zum Abschluss der Reihe: S bis Z.
endstation.kino & bodo präsentieren: Im Weltraum gibt es keine Gefühle
Serra, Richard | Es stehen noch viel zu wenig rostige Stahlskulpturen in unseren Innen-
„Ich bin Simon. Ich habe Asperger. Ich mag
städten herum. Serras wunderbares „Terminal“ am Bochumer Hauptbahnhof rostet stillver-
den Weltraum, Kreise und meinen Bruder
gnügt seit den Achtzigern vor sich hin und zeigt dem Ruhrgebietler wie eine Jahrzehnteuhr
Sam. Gefühle, andere Menschen, Verände-
an, wie die Zeit verrinnt und ferne Reiche untergehen, aber der SPD-Ortsverein bleibt, wenn
rungen und romantische Komödien mit Hugh
auch schwankend.
Grant kann ich nicht ausstehen.“ Soweit ge-
Eine kleine Geschichte des Ruhrgebiets aus kultureller und philosophischer Sicht.
S T U
regelt – bis Sam von seiner Freundin verlasTee trinken | Das macht aber doch nur der Magath, oder?
sen wird und alles aus den Fugen gerät. Si-
Ultras | Fanatismus können wir überhaupt nicht brauchen. Weder im Sport noch in der Politik. Und Kunst-Ultras? Will man die haben? Meese, klar. Aber dem Lüpertz sein „Herkules“, den hat doch ein Kunst-Ultra gemacht, oder? Nee, eben nicht. Das war richtig Arbeit. Das „ultra“ in der Kunst ist nämlich eher nicht beim Pol „Recht auf Rausch“ angesiedelt, sondern beim Pol „Selbstdisziplin“.
V
Vanitas | Ein bisschen barockes Vergänglichkeitsbewusstsein kann uns heutigen Zeitgenossen nicht schaden. Passend zum Jahresende hier die Schlusszeilen aus Andreas Gryphius’ „Cardenio und Celinde“, tätowiert sie Euch über Euer Arschgeweih: „Wer hier recht leben will vnd jene Kron ererben / Die vns das Leben gibt; denck jede Stund ans Sterben.“ Veilchenpastillen | Gehören ins Sortiment jeder Bude. Wer lange nicht mehr an sie gedacht hat, sollte sie wiederentdecken; sie schmecken nach früher.
W
Wasser | Niemals werde ich Leute verstehen, die in tropischer Sommerhitze die Getränkemärkte stürmen und kistenweise Mineralwasser in den vierten Stock schleppen. Bei mir kommt das Wasser aus dem Hahn. Ruhrgebietswasser versiegt nie, ist laborgeprüft und schmeckt gut. Was die medizinische Wirkung des Wassers angeht, hänge ich der Theorie an, dass oft nicht die Tabletten heilen, sondern das Glas Wasser, mit dem man seine Pillekes runterspült. Vor dem Frühstück ein halber Liter lauwarmer Möhnesee, aah! Wunderkind | Ich war, als ich im Alter von vier Jahren in Bochum-Langendreer vor der Tür unseres Mietshauses saß und den wesentlich älteren Kindern aus der Nachbarschaft flüssig aus Grimms Märchen vorlas, vermutlich das letzte Wunderkind, das das Ruhrgebiet hervorgebracht hat. Wir hatten hier nie einen Mozart, und mein Konto ist auch knietief im Dispo. Was machen wir bloß falsch mit der Elitenförderung? Rudi Carrell wusste es, als er zu Arlo Guthries Melodie sang: „… und Schuld daran ist nur die SPD!“
X Z
mon beschließt, für seinen Bruder eine neue Liebe zu finden – obwohl er selbst nichts davon versteht. Aber er hat einen wissenschaftlich todsicheren Plan... Unverkrampft ist das farbenfrohe Filmdebüt des jungen schwedischen Regisseurs Andreas Öhman, das sich souverän in die Tradition skandinavischer Wohlfühlkomödien einreiht, die einen sympathischen Blick auf das Leben und seine schrägen Protagonisten werfen und mit trockenem Humor, Slapstick und Situationskomik ins Schwarze treffen. Dabei folgt die Geschichte vor allem der Wahrnehmung des 18jährigen Simon, dessen Gedankenwelt durch eingeblendete technische Skizzen und Zeichnungen, etwa von Winkelberechnungen für den Wurf eines Basketballs oder Weltraumanimationen, visualisiert wird.
Xaver | Herrschaftszeiten, so heißt ja niemand in unseren Breiten. Vielleicht auch deshalb hat mein Sohn, als er Lesen lernte, ganz korrekt gelesen: „Iksavauer.“ Das ist ein so geni-
Die pfiffige Komödie war 2010 der Überra-
aler Name©, dass Kevin, Mirko und Pamela ganz neidisch werden.
schungserfolg in Schweden.
Zaretten | „Hömma, ich muss nomma anne Bude, Zaretten kaufn.“ Hömma, samma, kumma.
Do 22.12. bis Fr 23.12. um 19.15 Uhr
Vonne, anne, mitte. Durch unsere konzentrierte, per Konsonantenverdoppelung verknapp-
So 25.12. bis Mi 28.12. um 21.00 Uhr
te, gepimpte und alles Überflüssige eliminierende Sprache bekommen selbst banale Sätze oft etwas Dringliches. Kein Wunder, dass der oben genannte Satz manchmal der letzte ist,
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer
den die Mudda vom Vadda hört.
Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Telefon 0234 – 68 71 620
INFO Die hier abgedruckten Einträge wurden zuerst im vergangenen Dezember auf der Kulturplattform www.2010LAB.tv veröffentlicht. Peter Erik Hillenbach ist außerdem Chefredakteur der Restaurantführer „Dortmund geht aus“ und „Bochum geht aus“ sowie Autor der „Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet“. Er lebt im Dortmunder Klinikviertel.
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www.endstation-kino.de
VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2011 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow
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Circus FlicFlac – »Schrille Nacht, eilige Nacht« 20.12. 2011 bis 08.01. 2012 um 20 Uhr (Sa, So & Feiertage auch 16 Uhr) An den Westfalenhallen, Parkplatz E, Dortmund bodo verlost 5 x 2 Karten für den 22.12. 2011 um 20 Uhr
Auch diesmal gibt es wieder Bücher und Karten für tolle Veranstaltungen zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an: redaktion@bodoev.de Oder schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an: bodo e.V., Postfach 100 543, 44005 Dortmund Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. 16.12. | Michael Ehnert | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten 22.12. | Circus FlicFlac | An den Westfalenhallen, Dortmund | 5 x 2 Karten 25.12. | Chris Hopkins‘ Swinging Christmas | Christuskirche, Bochum | 3 x 2 Karten 26.12. | Total Paranormal Weihnachtsshow | Sissikingkong, Dortmund | 1x 2 Karten 28.12. | A Christmas Carol | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten 22. – 28.12. | Im Weltraum gibt es keine Gefühle | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten FairBleiben – ethisch und ökologisch korrekte Bekleidung | 3 Einkaufsgutscheine zu je 20 Euro Liebe, Trauer und Vergeltung? | Feridun Zaimoglu | 2 Exemplare Die Küche – neue (Ess-)Klasse | 1 Vier-Gänge-Menü „all inclusive“ für 2 Personen | Harkortstraße 16, 44552 Dortmund Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
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34 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2011
DO 01 | 12 | 11 Theater | Volkers Lied Spielmann Volker musiziert, Brunhild leidet und Hagen von Tronje sollte man nicht vertrauen – mit diesen drei Figuren des Nibelungenliedes treibt der Bochumer Autor Werner Streletz ein vertrackttragisches Spiel. Es geht um Psycho-Ticks, das
02 | 12 | 11 Butterfahrt 5
04 | 12 | 11 Märchen aus 1001 Nacht
das schon die Nibelungen ins Verderben zog, auch
flöte, Ukulele, Panflöte und anderem Blas- und Zupfwerk
ihr zufrieden. Eines Tages schickt die Stiefmutter Wassi-
heute noch wirksam sein kann. Zum Schluss singt nur
sehr gut umgehen können. Ihr Programm „Musikcomedy
lissa in den Wald zum Holzholen. Dort trifft sie auf Ilja,
noch Volker sein Lied. Werner Streletz schrieb das
für Fortgeschrittene“ verspricht „geschredderte Pop-
einen jungen Burschen, der sich in sie verliebt. Als er ihr
Theaterstück auf Einladung des Rottstr5-Theaters für
songs, gehexelten Rock und eine Prise Wahnsinn.“
folgt, sieht er, wie Wassilissa von der Hexe Baba Jaga
dessen ganzjährigen Nibelungen-Zyklus.
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
gefangen genommen wird. Ilja will sie befreien. Doch
große Geld und die Altlast der dunkel-dräuenden Mär aus dem Mittelalter. Zu erleben ist, wie das Unheil,
Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr (auch 08.12.)
FR 02 | 12 | 11 Poetry Slam | Dead Or Alive Slam
bevor ihm das gelingt, sind noch Abenteuer mit einem
SA 03 | 12 | 11 Theater | Liegen lernen
Bären und einer Räuberbande zu bestehen. „Die schöne Wassilissa“ nach Motiven von Alexander N. Afanassjew wurde für Kinder ab sechs Jahren umgeschrieben. Das
Eine Jugend im Ruhrgebiet in den 80er-Jahren: Das be-
Ensemble entführt die kleinen und großen Zuschauer in
Ein halbes Jahr nach dem ersten Duell treffen sich
deutet Pershing II, ELO, Öko-AG, „Hart, aber herzlich“,
die Welt des russischen Märchens.
lebende und tote Dichter zur Revanche auf der gro-
Arbeitskreis Nicaragua, Cordhosen, Mix-Kassetten, Wald-
Schauspielhaus, DO, 18 Uhr (auch 06., 11., 14., 22., 26.12.)
ßen Bühne. Die Poetry Slammer Franziska Holzheimer,
sterben, Barclay James Harvest, 25 DM Mindestumtausch
Pierre Jarawan, Renato Kaiser und Torsten Sträter
für den Tagestrip nach Ost-Berlin – mittendrin Helmut.
wollen den knapp errungenen Titel verteidigen. Das
Und Britta, die Neue in der Klasse, die derartig schön
Team des Todes schickt mit Raiko Küster, Marco Mas-
ist, dass es für Helmut im Rest seines Lebens nur noch
safra, Nicola Mastroberardino und Werner Strenger
eine Sehnsucht gibt. Er lässt alles stehen und liegen und
Auch in diesem Jahr lädt die Auslandsgesellschaft ein,
erneut vier Schauspieler ins Rennen, die verstorbenen
macht sich auf den Weg nach Berlin... Mit seinem Sprach-
die vorweihnachtliche Stimmung mit kulturellen Bei-
Helden der Weltliteratur Körper und Stimme leihen.
witz ist dem Bochumer Kultautor und VfL-Aufsichtsrat
trägen und internationalem Imbiss zu genießen. Albina
Sebastian 23 moderiert den Kampf frischer, heutiger
mit „Liegen lernen“ 2000 ein Zeitgeistroman der 80er
Gonopolschi singt russische Lieder und Romanzen, Sa-
Texte gegen Klassiker und Überraschungen aus den
und 90er Jahre gelungen, der auf raffinierte Weise sowohl
chiko Bömer-Oshiumi tritt mit japanischen Liedern auf,
Nachlässen, musikalisch unterstützt wird er dabei von
die Atmosphäre zweier Jahrzehnte einfängt, wie auch das
sie wird am Klavier begleitet von Kazuyuki Ogimoto.
DJ Nachtfalke. Und das Publikum entscheidet, ob der
literarische Portrait einer Jugend in Deutschland zeigt.
Miroslaw Tybora und Dagmara Daniel bieten mit Akkor-
Wanderpokal in die WG oder die Gruft wandert.
Die Bühnenadaption bringt nun das WLT als Uraufführung
deon und Violine stimmungsvolle Weihnachtsmusik.
Schauspielhaus, Bochum, 20.30 Uhr
auf die Bühne. „Ich bin völlig locker, was den Umgang mit
Nach der Pause tritt die schottische Tanzgruppe Loch
dem Stoff angeht. Beim Theater herrschen andere Geset-
Ness Monsters auf. Auf dem Programm: Scottish Count-
ze, also: Spielt damit ‘rum!“
ry Dances, Jigs, Reels und Strathspeys (von schnell und
Stadthalle, Castrop-Rauxel, 20 Uhr
lebhaft bis höfisch, ein Querschnitt schottischer Tanz
Musik-Comedy | Butterfahrt 5 Der Humor ist das Schmier- und Gleitmittel, das die Gruppe so gut funktionieren lässt. Er ist mal leise, fast subtil, viel öfter jedoch skurril, manchmal gar anarchisch. Wenn
SO 04 | 12 | 11 Mischmasch | Internationale Weihnachtsfeier
und Musik). Unter der Leitung von David Cheong singt Theater | Die schöne Wassilissa
der Agape-Chor weihnachtliche Lieder. Lateinamerika-
sich der gesamte Blödsinn, den das Quintett so ausheckt
Die schöne Wassilissa lebt mit ihrem Vater, ihrer Stief-
nische Lieder, Huapango und Son aus Mexiko, Zamba
dann noch mit rotzfrecher Clownerie paart, ist die Mi-
mutter und Stiefschwester zusammen. Die Stiefmutter
aus Argentinien, Bolero aus Kuba und Bossa Nova aus
schung perfekt. Den Rest besorgt die Musik. Bei Butter-
kann ihre schöne Stieftochter nicht ausstehen. Während
Brasilien gibt es von Berlinerin Anne Jannick und dem
fahrt 5 stehen fünf Profis auf der Brücke, die mit Gitarre,
sie die eigene Tochter den ganzen Tag verwöhnt, lässt sie
gebürtigen Mexikaner Josue Partida. Einen schwung-
Schlagzeug, Keyboards, Saxofon, Tuba, Klarinette, Quer-
Wassilissa von früh bis spät arbeiten und nie ist sie mit
vollen Abschluss versprechen Vanglis und Jannis mit
CD-TIPP
THE SOUL SESSION | One (Agogo Records / Indigo) „Get down to the essence of your soul“, haucht Sängerin Bajka, deren Timbre stark an die grandiose Erykah Badu erinnert, uns im Opener „Struggles and Blessings“ entgegen. Und schon hat man quasi das Motto dieser Platte. Multiinstrumentalist Ralph Kiefer, der auch schon mit den Poets Of Rhythm positiv auffiel, hat hier ein wirklich cooles, modernes Soul-Album eingespielt. Freunde des Acid Jazz der 90er werden ihre uneingeschränkte Freude daran haben. Die Kombination aus lässig groovenden HipHop-Beats mit 70er Soul und Rare Funk funktioniert noch immer einwandfrei. Und ist ja, guckt man mal in die Charts (z.B. Aloe Blacc oder Cee Lo Green) wieder oder immer noch sehr populär. Kiefer belässt es aber nicht allein bei den HipHop-Beats, seine Rhythmen sind bisweilen auch gerne mal etwas latinesk und nujazzig. Seine Sänger und Gastmusiker sind allesamt Könner auf dem Gebiet zeitgemäßer Soulmusik und geben dem Ganzen die letzte Würze. Gelegentlich hat man gar das Gefühl Guru von Jazzmatazz, Erykah Badu oder Lenny Kravitz sind mal eben im Studio vorbei gekommen. Auch vor dem Covern von Klassikern wie „Light My Fire“ oder „A Horse With No Name“ fürchtet sich Kiefer nicht und braucht sich mit seinen Versionen auch nicht zu verstecken. Auf jeden Fall hört sich die gesamte Platte sehr organisch an und ist natürlich jederzeit voller Soul. (BvR)
34
07 | 12 | 11 Filipa unterwegs
09 | 12 | 11 Bochumer Blues Session
10 | 12 | 11 Ute, die Gute
ihren griechischen Liedern (Gesang, Gitarre und Bou-
räusche, leckeres Essen und vieles mehr. Außerdem ist
ewig weiter gehen. Wenn nicht der Einmarsch der Hun-
zouki). Eine Ikebana-Ausstellung und ein internationa-
Filipa viel lieber unterwegs und erlebt Abenteuer. „Mit
nen drohte. „Ute, die Gute“ erzählt die nie zuvor gehörte
les Buffet runden das Programm ab.
ihrer quirligen Art zieht Filipa kleine und erwachsene
Vorgeschichte allen Übels und das ungeahnte Ende aller
Auslandsgesellschaft, Dortmund, 14 Uhr
Zuschauer gleichermaßen in den Bann und lässt sie ihre
Wormser Tage. In einer Nacht im Bunker spielt sich ein
Abenteuer miterleben.“ (WAZ)
skurriles Psychodrama ab, rund um eine Frau, die von
Flottmann-Hallen, Herne, 10 & 12 Uhr (auch 06.12.)
den Nibelungen mehr als ein Lied singen kann. „Mit der
Kindertheater | Märchen aus 1001 Nacht Das Theater Wundertüte hat die bekanntesten Geschichten aus dem berühmten Märchenzyklus für Kinder ab vier
Kleinkunst | Moses W.
Jahren bearbeitet und mit viel Musik, Tanz und Gesang
Männer sind von Null auf Hundert in drei Sekunden und
inszeniert. Aufwendige Kostüme und ein stimmungsvol-
brauchen für den Einkauf sämtlicher Weihnachtsge-
les Bühnenbild verzaubern Groß und Klein und stillen die
schenke maximal 24 Stunden. Das bedeutet aber nicht,
kindliche Lust auf Phantasie und Abenteuer. „Welch er-
dass ihnen Weihnachten egal ist. Immerhin sind nahezu
frischende Inszenierung mit tollen Darstellern, fantasie-
alle Rollen der Weihnachtsgeschichte männlich besetzt:
vollen Kostümen, witzigen Dialogen und Erzählungen.
1 Zimmermann, 1 Jesuskind, 3 Könige, 1 Komet, 1 Palm-
Eine gelungene Hommage an das Geschichtenerzählen
busch, 1 Ochse und 1 Esel – alles Männer. Lediglich die
an sich. Sehr empfehlenswert. Weitererzählen!“ (Bodo
Rolle der Maria bleibt Frauensache. Moses W. spricht in
Bauer, Welttheater der Straße)
seinem Weihnachtskabarett „Mach Platz, ich mach Plätz-
Bahnhof Langendreer, BO, 15 Uhr (auch 05.12. 10 Uhr)
chen“ darüber, was sich abspielt, wenn Männer sich aufs
ANZEIGE
Christkind freuen. Er backt im Stundentakt, lernt mit
DI 06 | 12 | 11 Kleinkunst | Thomas Gsella Lesereisen führten Thomas Gsella in nahezu jeden Win-
der Weihnachts-CD Lieder auswendig, nutzt den Amazon Last-Minute-Service und vertraut auf die Zuverlässigkeit von DHL. Wenn das kein Gottvertrauen ist. Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
kel der Republik. Wenn er nicht gerade unterwegs ist und liest und schreibt, rührende Liebeserklärung an
Musik | Bochumer Blues Session
den Zauber der Städte und ihrer Bewohner zum Beispiel,
Das Dezember-Special der Blues Session präsentiert
dann findet man ihn in Aschaffenburg. Dort wohnt er
mit Get The Cat und Das mobile Blueskommando dies-
und verfasst Gedichte und Prosa unter anderem für WDR,
mal Blues zum Tanzen. Get The Cat setzen sich spie-
SWR, FAZ, Titanic, Spiegel Online, taz, WAZ, WOZ und SZ-
lend über Genregrenzen hinweg. So interpretiert das
Magazin. Viele Jahre lang war Gsella Titanic Redakteur
Quartett mit Frontfrau Astrid Barth ihre bluesigen Bal-
und von 2005 bis 2008 sogar Chefredakteur des Frank-
laden mit einem deutlich jazzigeren Einschlag sowie
furter Satiremagazins. Er ist Co-Autor des lehrreichen
ihren souligen Nummern. Den musikalischen Gegenpol
Fußballbuchs „So werde ich Heribert Faßbender“, aus
dazu bildet Philipp Roemer mit seiner Gitarre. Locker
seiner Feder stammen elf Bände meist komischer Lyrik.
und leicht lässt er seine Finger über den Gitarrenhals
Im Jahr 2004 erhielt Gsella den „Cuxhavener Joachim-
wandern. Schlagzeug und Bass sorgen derweil für den
Ringelnatz-Nachwuchspreis für Lyrik“ für seine ersten
stimmigen Groove. Das mobile Blueskommando ist mal
Gedichtbände und kürzlich erst den „Robert-Gernhardt-
swingig, mal ruhig. Der Spaß an den Live-Auftritten
Preis“. „Längst ist er kein Gsella mehr, schon seit langem
wird offenkundig, wenn Gräsel, Lüke und Feierfeil die
darf er sich Meista nennen“, wusste Gernhardt.
Lust am Blues transportieren. Tanzbarkeit und gute
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
Stimmung ist ebenso ihr Anliegen, wie ihr zusätzliches Thema, den Rock‘n‘Roll. Der Eintritt ist frei.
MI 07 | 12 | 11 Kindertheater | Filipa unterwegs Filipa ist eine Prinzessin und soll bald Filipanien regieren. So wollen das ihre Eltern, die Königin und der
KulturCafé der Uni, Bochum, 20 Uhr
SA 10 | 12 | 11 Theater | Ute, die Gute
König, die genug regiert haben und nun endlich am
Die Uraufführung „Ute, die Gute“ im Nibelungen-Zyklus
Strand liegen wollen. Aber Filipa will noch nicht regie-
verschafft dieser Mutter aller Könige endlich den großen
ren. Die Krone ist ihr viel zu groß, und einen König hat
Auftritt. Starr und stark und scharfzüngig hat Ute (fast)
sie auch noch nicht. Und es fehlen noch so viele Dinge
alle überlebt. Im Versteck, in ihrem Bunker in Burgund.
in Filipanien. Zum Beispiel eine schönere Landschaft,
Man weiß nicht, wie lange sie dort schon ausharrt. Sie
mehr Tiere, was zum Spielen, frischer Wind, neue Ge-
trinkt viel, Burgunderwein, natürlich. Und so könnte es
35
36 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2011
guten Ute wird die Königin von Burgund ins 21. Jahrhundert katapultiert – inklusive Quarkmasken, Tetrapack-Wein und Global Players.“ (RN) Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
SO 11 | 12 | 11 Kleinkunst | Ox und Esel
13 | 12 | 11 Götz Widmann
15 | 12 | 11 Della Mae
André Wülfing bringt seinen Gelsenkirchener SchauspielKollegen Markus Kiefer für „Ox und Esel“ mit nach Dortmund. Auf eigenwillige Art präsentieren sie das etwas
auch zum Nachdenken anregen, erwarten, heißt es: Wir
im domicil. Diesmal mit drei jungen Bands aus dem Nor-
andere Krippenspiel von Norbert Ebel: Die zwei schrägen
müssen leider draußen bleiben. Ab nach Hause und dort
den der USA: Die Musikerinnen von Della Mae drücken
Burschen im Stall entdecken plötzlich etwas Kleines, Le-
weiter vor sich hin stauben. Denn hier öffnet die „Weih-
ordentlich auf die Tube mit viel Drive und Gesang und
bendiges in ihrem Futtertrog. Das Baby will gefüttert
nachtsmetzgerei“ (so der Programmtitel) ihre Pforten,
einer Mischung aus Altem und Neuem. „Deadly Gentle-
werden, schreit ohne Ende und – da seine Eltern auf
ein X-Mas-Comedy-Shop der ganz speziellen Art. An der
men“ gelten als „Banjo Rapper“. Hier trifft Bluegrass
unbestimmte Zeit auf Weihnachtseinkauf oder Volks-
Theke werden Sie bedient von Fachpersonal, das in die-
auf HipHop, Rap und New Acoustic Music. Schließlich
zählung sind – muss es auch noch vor den Soldaten des
ser Konstellation seinesgleichen gar nicht erst sucht.
das Duo Cahalen Morrison & Eli West aus Seattle mit
bösen Herrn Rodes beschützt werden. Einig sind sich Ox
Auf der einen Seite Der Telök: Deutschlands einziges
archaischen Klängen auf Banjo und anderen Saitenin-
und Esel da nicht unbedingt.
dreiarmiges Comedy-Duo, die beinharten Blutgrätscher
strumenten, betörenden Männerstimmen, gehaltvollen
Theater im Depot, Dortmund, 19 Uhr
auf dem Feld der satt absurden Komik. Und auf der ande-
Texten und neuen Kompositionen.
ren Seite Helmut – the womanizer – Sanftenschneider:
domicil, Dortmund, 20 Uhr
DI 13 | 12 | 11 Musik | Götz Widmann
Genialer Musiker und begnadeter Moderator der bekannten Nachtschnittchen-Comedy-Show aus Herne. Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
„Godfather of Liedermaching“ nennen ihn seine Freunde, das mag vielleicht ein bisschen viel der Ehre sein,
FR 16 | 12 | 11 Musik | Broilers
Mischmasch | Finn-Ole Heinrich & Spaceman Spiff
Mit ihrer energiegeladenen Mischung aus Punk, Ska und
aber tatsächlich hat Götz Widmann einem praktisch
Die Reihe „Lauscher“ präsentiert diesmal einen musika-
Rockabilly eroberten sich die fünf Düsseldorfer mit ihrem
toten Genre ganz neues Leben eingehaucht und ihm
lischen Leseabend mit Finn-Ole Heinrich und Spaceman
aktuellen Album „Santa Muerte“ bereits im Juni einen er-
damit eine völlig andere Richtung gegeben. Sein Stil,
Spiff. Gemeinsam treten sie mit ihrem Programm „Du
staunlichen Platz 3 der Charts. Zudem sind sie als „Bester
eher vom erhobenen Mittel- als Zeigefinger geprägt,
drehst den Kopf, ich dreh den Kopf“ als Geschichtener-
Live-Act“ dieses Jahr für die 1LIVE Krone nominiert. Nun
hat eine ganze Generation von jungen Liedermachern
zähler auf. Finn-Ole Heinrich ist Autor, Spaceman Spiff
stören die Broilers im Dezember noch einmal ordentlich
inspiriert, es einmal anders zu probieren als die Barden
ist Musiker. Der eine liest verstörend schöne Texte und
die vorweihnachtliche Ruhe. „Was macht man, wenn man
der Altachtundsechziger. Jetzt ist er wieder auf Tour
der andere spielt betörend schwermütige Gitarren-Songs,
seine Instrumente noch schlechter beherrscht als Vorbil-
mit seinem neuen Album „Ahoi“ und jeder Menge Klas-
die ungewöhnlich nahe gehen und im richtigen Moment
der wie die Sex Pistols, die Toten Hosen oder The Clash
sikern. Lieder die einen ergreifen, authentisch, lustig,
laut knallen. Die zwei Wortkünstler sind seit einiger Zeit
zu ihren Anfangszeiten? Ganz klar, man lässt sich davon
traurig, zärtlich, böse, herrlich einfach, raffiniert, vor-
als Duo unterwegs. So können sich die melancholisch-
nicht beirren, sondern gründet einfach eine eigene Oi-
getragen mit einer abgrundtiefen Stimme, die Ehrlich-
schönen Lieder von Spaceman Spiff und die filmischen Ge-
Punk-Band“, veräppelte laut.de die Band noch anfänglich.
keit und Menschenliebe ausstrahlt.
schichten von Finn-Ole Heinrich miteinander verbinden.
Zu dem Oi-Punk des Quartetts mischten sich aber nach
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
FZW, Dortmund, 20 Uhr
und nach auch Einflüsse aus dem Psychobilly-, Ska- und Reggae-Bereich hinzu. Entsprechend erweiterte sich das
MI 14 | 12 | 11 Comedy | Der Telök & Helmut Sanftenschneider
DO 15 | 12 | 11 Musik | Bluegrass & Americana Music Festival
Publikum, das sie mit ihrer Musik erreichen – die ewig Gestrigen aus der Skinhead-Szene werfen ihnen bald den Ausverkauf vor. Die Band gibt (zum Glück) einen Scheiß
Für alle, die einen gemütlich besinnlichen Vorweih-
Im 100. Geburtsjahr von Bill Monroe, dem Vater der
drauf und macht einfach mit dem weiter, was Spaß macht.
nachtsabend mit Geschichten, die zum Schmunzeln aber
Bluegrass Music, gastiert das Bluegrass-Festival auch
Westfalenhalle 3a, Dortmund, 20 Uhr
CD-TIPP
JEWRHYTHMICS | Jewrhythmics (Essay Recordings) „Aus den Tiefen des Tel-Aviv-Moscow-Widerstands mit fanatischem Augenmerk aufs Detail und Verwendung analoger Maschinen von vorvorgestern entstehen Songs aus der Symbiose von Yiddish und Italo Disco. Tote Musik mit einer toten Sprache, welche sich in einem Untergrund-Club genauso passend anhört wie auf einer Bar Mitzwa. Koschere Ernährung für die nicht notwendigerweise koscheren Seelen. Jiddisch ist tot! Es lebe Jiddisch!“ Soweit das „Manifest“ des Projektes Jewrhythmics zu ihrem Debüt auf dem umtriebigen Label von Shantel. Jiddische Klassiker und andere All-Time-Hits (u.a. „Misirlou“ von Dick Dale) eingebettet in Synthie-Sounds der 80er-Dico-Ära – das hört sich ja erst einmal ganz spannend an. Aber ich persönlich bekomme leider schon spätestens mit dem zweiten Song ein wenig die Krise. Das hört sich wie gruseligste Italo-Disco an. Einige Songs allerdings finde ich ganz originell. Am ehesten dann, wenn ich an Kraftwerk, Depeche Mode oder Human League denken muss. Leider fühle ich mich bei vielen Songs an Alphaville, Bronski Beat und Modern Talking erinnert. Und das läst mich kurzzeitig erschaudern. So sehr ich derlei musikalische Kooperationen über alle Ländergrenzen hinweg und auch stilistische Vermischungen immer positiv einschätze, in diesem Falle ist das Ergebnis so gar nicht meine Welt. Aber vielleicht gefällt es ja anderen Menschen; durchaus denkbar. (BvR)
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16 | 12 | 11 Der kleine Prinz
BODO VERLOSUNG | Michael Ehnert Knurrend, geifernd und gnadenlos schlägt Michael Ehnert in seinem neuen Programm „Das Tier in
17 | 12 | 11 Feindrehstar
SA 17 | 12 | 11 Musik | Klazz Brothers & Cuba Percussion
17 | 12 | 11 Klazz Brothers & Cuba Percussion
SO 18 | 12 | 11 Theater | Eisenstein
mir – Deutschland primat“ seine
Mit „Classic meets Cuba“ sind sie berühmt gewor-
„Dieses Stück ist ein Wagnis, ein Experiment, ein
Zähne in die schwammig-wurstige
den und haben dafür denn auch einen Echo Klas-
unmögliches Genre. Über 63 Jahre erstreckt sich
Elite unseres Landes. Rücksichtslos
sik und einen Jazz Award bekommen. Jetzt sind
die gespielte Zeit, und sie bewegt sich nicht im-
und böse und dabei enorm lustig.
sie mit neuem Programm unterwegs: „Christmas
mer in großen Sprüngen vorwärts. Auf der Bühne
Eine Körperverletzung, die gut tut.
meets Cuba". Der Titel liest sich zwar wie aus dem
entwirrt sich alles und wird einfach, klar, traurig,
Eine Katharsis, auf die wir lange
Reiseprospekt geklaut: Deutscher Tannenbaum
sentimental, witzig, spannend, unterhaltend; be-
gewartet haben. Denn Ehnert ist
trifft auf Latin Groove, Marzipan auf Merengue und
sorgniserregend wahr und furchtbar deprimierend.
ein ausrastender Einflüsterer, ein
Kubas Sinnlichkeit auf Stille Nacht. Die Fünf sind
Mehr als drei Stunden dauert der Abend, aber er
sanfter Choleriker, ein tief trauriger Komiker, der
allerdings so dermaßen gut an ihren Instrumen-
vergeht wie ein Traum. Wunderbare Schauspieler
nicht bereit ist, sich mit dem Status Quo abzufinden.
ten und dabei so lässig, so sanft ironisch, dass sie
gestalten in klug abstrahierender Regie etwas,
„Eine großartige Analyse deutscher Alltäglichkeiten.
selbst gröberen Kitsch ganz locker und verspielt
das an Volkstheater grenzt, mit kühnen Mitteln;
Soviel pessimistische Ekstase löst Freude aus. Das
in meisterhafte Weihnachten wandeln. Im letzten
sie zeigen das Leben in seinen furchtbaren Verstri-
ist grandioses Kabarett!“ (Hamburger Morgenpost)
Jahr jedenfalls haben sie ihr Meeting in den Phil-
ckungen. Was aus einer Liebe werden kann.“ (WAZ)
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
harmonien Berlin und München vorgestellt. Wird
Schauspielhaus, Bochum, 18 Uhr
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Zeit fürs Ruhrgebiet, Weihnachtszeit.
Teilnahmebedingungen auf Seite 33.
Christuskirche, Bochum, 20 Uhr
Theater | Der kleine Prinz
Theaterlesung | Beyond the Dark
DI 20 | 12 | 11 – SO 08 | 01 | 12 BODO VERLOSUNG | Circus Flic Flac
„Der kleine Prinz“ in Tetiana Sarazhynskas Interpre-
Studierende haben in Projekten forschenden
Für das Programm „Schrille Nacht, eilige Nacht“
tation ist ein Stück für zwei Schauspieler (Markus
Lernens Menschen nach ihrer Lebensgeschichte
reisen 60 Artisten aus China, Russland, aus den
Kiefer und Giampiero Piria) und eine Kinderstimme.
gefragt und sich auf intensive analytische Ver-
USA und Kanada, aus
Der Flieger Saint-Exupéry stützt mit seinem Flug-
stehensprozesse eingelassen. Nach Abschluss der
Kolumbien, aber auch
zeug in der Wüste Sahara ab. Er überlebt diesen
Arbeiten haben sie in der Präsentationswerkstatt,
aus Ungarn und Italien
Unfall und versucht seinen Flieger zu reparieren.
einem Seminar der Fakultät für Sozialwissen-
und sogar aus Köln und
Er muss es schaffen, denn er hat nur wenig Wasser
schaft, ihre Begegnungen mit den Biographen,
Düsseldorf
dabei. Da taucht plötzlich eine seltsame Figur auf.
die Forschungserfahrungen und die Ergebnisse
von ihnen sind so ge-
„Bitte mal mir ein Schaf“, sagt der kleine Prinz. Zwi-
reflektiert, diskutiert, theoretisch weitergedacht
nannte Circus-VIPs; dazu zählen die kolumbiani-
schen beiden entsteht eine Freundschaft. Kann der
und für eine Vorstellung vorbereitet. Mit einigen
schen Motorradakrobaten im „Globe of Speed", die
kleine Prinz dem Flieger aus seiner aussichtslosen
Ausschnitten aus den „Nach-Forschungs-Arbeiten“
todesmutigen Freestyle Springer von „AirFours“
Situation helfen? Ein modernes Märchen über Liebe
werden die Studierenden in dieser Theaterlesung
auf ihren Motocross-Maschinen, aber auch der
und Freundschaft und über das Erwachsenwerden.
mit dem Titel „Beyond the Dark – Biographische
Schweizer Balance-Schamane Rigolo, die ungari-
Für Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren.
Begegnungen in Ruhrnächten“ die Menschen vor-
schen Breakdancer von der „Sick 7 Crew“ und das
Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
stellen, die sie mit ihren Lebensgeschichten ken-
Trapezduo Rose (USA), das schon viele internatio-
nen gelernt haben. Der Eintritt ist frei.
nale Zirkus- und Artistik-Preise einheimsen konn-
MZ der Ruhr-Uni, Bochum, 17 Uhr
te. Schräg, schrill und schnell, aber auch festlich,
Musik | Georg Zimmermann Trio
Viele
frech und fröhlich – so soll es werden im neuen
Georg Zimmermann tischt Musikkunst der etwas anderen Art auf. Er stolpert durch die Absurditäten des
an.
Musik | Feindrehstar
Weihnachtscircus für das Revier. Damit die Feierta-
Lebens, des Chaos' und der virtuellen Welt. Wie eine
Human Jazzhop Palim oder auch Organic Live Pogo
ge zum furiosen Fest für alle Sinne werden – voller
Mischung aus klimperndem Tucholsky und deutschem
with Modern Technical Hip-Hop und House Roots.
Leidenschaft und Action, Spannung und Romantik,
Beatnik singt er von Exzessen, skurrilen Gestalten
Das achtköpfige Musikerkollektiv Feindrehstar aus
Tempo und Nervenkitzel, ziehen die Künstler alle
und der Existenz zwischen web 3.0 und Kneipentre-
Jena steht für live gespielte Clubmusik, Trance und
Register. Ab 20. Dezember heißt es also „Schrille
sen. Unterstützt von Tobias und Jochen Zimmermann
Körperlichkeit, musikalisch gestrickt aus HipHop, Nu-
Nacht, eilige Nacht“ im gelb-schwarzen (wie pas-
stöpselt er die Akustikgitarre in einen etwas aus den
Jazz, Broken Beats, House, Funk und World Music. Zu-
send!) FlicFlac-Zelt an der Westfalenhalle (Park-
Fugen geratenen E-Verstärker und das Ergebnis ist
sammengefasst: Krautclub. Und tanzbar. Die Band ist
platz E, Victor-Toyka Straße). Mehr Infos und Fotos
durchaus tanzbar. Mit geradezu dynamischer Inkom-
Gewinner des Creole Wettbewerbs für Mitteldeutsch-
gibt es unter www.flicflac-dortmund.de.
petenz führt das Trio sein Publikum durch Trash-Folk,
land in 2008 und hat zudem ihre erste EP mit dem
An den Westfalenhallen, Dortmund, 20 Uhr
Blues und Rock. Die Songs atmen dabei stets den
Titel „Dancetrack“ bei Jazzanova veröffentlicht. Im
(Sa, So & Feiertage auch 16 Uhr)
Geist von Satire und Poesie. Der Eintritt ist frei.
Anschluss: Global Player Party von Funkhaus Europa.
bodo verlost 5 x 2 Karten für den 22.12. 2011.
Subrosa, Dortmund, 20 Uhr
domicil, Dortmund, 21 Uhr
Teilnahmebedingungen auf Seite 33.
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38 VERANSTALTUNGEN DEZEMBER 2011
DI 20 | 12 | 11 Musik | Silbermond Silbermond haben in den vergangenen zehn Jahren einen beeindruckenden Weg zurückgelegt. Nach mittlerweile drei Studioalben und über drei Millionen verkauften Tonträgern, den wochenlangen 18 | 12 | 11 Eisenstein
21 | 12 | 11 Jochen Malmsheimer & Tiffany Ensemble
es die Band immer wieder als erstes zurück auf die Büh-
Svobodas „Biene Maja“-Thema war sich das Quintett für
mente-Spezialisten Engelbert Wrobel „Engel“ ruft? Zum
ne. Kennen gelernt haben sich die Mitglieder von Sil-
keine klassische Neu-Interpretation zu schade.
englischen „to swing“ ist es jedenfalls nicht weit, sagt
bermond übrigens 1998 bei dem musikalischen Jugend-
Saalbau, Witten, 20 Uhr
das Wörterbuch und schenkt uns diesen erstaunlichen
Nummer 1 Hits „Das Beste“ und „Irgendwas bleibt“ und zahlreichen Auszeichnungen (unter anderem sieben Mal den ECHO, davon zwei Mal als bester Live Act), zieht
projekt „Ten Sing“ des CVJM in Bautzen in Sachsen. Die aktuelle Tour steht unter dem Motto „Himmel auf“. Westfalenhalle 1, Dortmund, 20 Uhr Kleinkunst | Juckel Henkel
Satz: „Außergermanische Verwandte“ – wir reden vom
DO 22 | 12 | 11
Swing – „sind spärlich und unsicher.“ Außer Sängerin
Zirkus | Roncallis Winterträume
zigartig“. Er selber nennt sie nur „die Zauberhafte“,
Shaunette Hildabrand, sie ist, sagt Chris Hopkins, „ein-
Seit 35 Jahren begeistert der weltberühmte Circus Roncal-
und so langsam haben wir den Zauber von Weihnach-
1954 erblickte der Autor Juckel Henke in Bochum das
li die Zuschauer von Moskau bis München, von Stuttgart
ten wieder beisammen. Wäre da nicht eine Band, „die
Licht der Welt. Volksschule, Gymnasium, Abitur, abge-
bis Sevilla, von Wiesbaden bis Wien. Bernhard Paul, Direk-
swingen kann wie keine, seit Cyrenius Landpfleger in
brochenes Germanistik- und Philosophiestudium. Bis
tor, Clown und Regisseur gilt nicht umsonst als „Erneuerer
Syrien war“. Ein Bochumer, der tausende Konzerte gibt
1971 Amateurfußballer beim VfL Bochum (danach stieg
der Circuskunst“ (Die ZEIT). Nun kehrt er nach drei Jah-
weltweit und dieses eine nur einmal im Jahr zuhause.
der Verein direkt in die 1. Fußball-Bundesliga auf). 12
ren vom 22. Dezember 2011 bis 01. Januar 2012 mit einer
Christuskirche, Bochum, 17 Uhr
Jahre in diversen Schallplattenfirmen (Einpacker, Auspa-
Weihnachtsshow ins Konzerthaus zurück, die exklusiv für
bodo verlost 3 x 2 Karten.
cker, Importeur, Exporteur, Marketingfritze), anschlie-
diesen Ort kreiert wurde. Hochkarätige, internationale
Teilnahmebedingungen auf Seite 33.
ßend für einen Monat als Telefonverkäufer in einer Han-
Künstler versprechen ein turbulentes, poetisches und vor
delsagentur tätig (größter Erfolg: Verkauf von 100.000
allem vielseitiges Programm, das Körperkunst, Komik und
Gartenzwergen an einen großen deutschen Discounter).
Artistik zu einem fantastischen Spektakel vereint.
Weihnachten steht vor der Tür, und mit der neuen Stelle
Autor, Moderator, Röhrenjeansmodel, Kabarettist, Voice-
Konzerthaus, DO, 19.30 Uhr (auch 23. & 25. bis 31.12.)
des Bankdirektors, die Torvald Helmer zum neuen Jahr
over-Sprecher und in einer Essener Werbeagentur als Allzweckwaffe tätig. Aktueller Roman: „Frauen, die nach Schinken stinken“. Der Eintritt ist frei, moderiert von
antreten wird, scheinen sich seine Karrierehoffnungen
SO 25 | 12 | 11 BODO VERLOSUNG | Chris Hopkins‘ Swinging Christmas
dem „Whiskyleser“ Dirk Oltersdorf. Biercafe, Bochum, 20 Uhr
Theater | Nora oder Ein Puppenheim
und alle Träume seiner Frau Nora zu erfüllen. Doch auf das scheinbare Idyll – er nennt sie sein Eichhörnchen, sie schmückt den Tannenbaum – fällt ein Schatten. Ibsen gilt
Klären wir erst einmal, wie das hier geht, „schwingen“.
mit seinen fein skizzierten Figuren als Wegbereiter des
Das Wörterbuch sagt, es handele sich um ein Tu-Wort
naturalistischen Gesellschaftsdramas. „Nora ist ihrem
und bedeute „weit ausholend hin-
Mann ,Eichhörnchen‘, ,Lerche‘ und ,Singvögelchen‘. Das ist
und herbewegen“. Im Weit-Ausholen
bitter und hat zugleich hohes Comedy-Potential. Dieses
ist auch das Wörterbuch gut: 8. Jh.,
arbeitet Kay Voges in seiner Premiere geschickt heraus:
Jochen Malmsheimer „jauchzt und frohlockt“ mal ganz
das althochdeutsche „swingan“ hieß
Caroline Hanke und Axel Holst geben das selbstgefällige
anders. Zwischen seinen unübertroffenen, bitterbösen
soviel wie „schütteln, fliegen, schwe-
Traumpaar Helmer bis ins Slapstickhafte überzogen und
Festgedanken sorgt das fünfköpfige Tiffany-Ensemble,
ben„ ,im Altsächsischen bedeutete es
quälend glaubwürdig zugleich.“ (Süddeutsche Zeitung)
sozusagen als musikalische Verstärkung und Kontrast
„sich schwingen“ oder auch „stürzen“,
Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr
für weihnachtliche Momente. Unter der Leitung von Uwe
und so langsam dämmert einem, dass
Rössler, der auch die Klaviertasten bediente, konnten
es mit Engeln zu tun haben muss, jenen Figuren, die
die Musiker mit eigenen Arrangements bekannter Stücke
fliegen schweben stürzen, weil sie Schwingen haben.
Traditionell befeiert das Cosmotopia Weihnachten mit
begeistern. Von Mozarts „Türkischer Marsch“ bis zu Karel
Ist es Zufall, dass die Swing Society ihren Blasinstru-
einer ausgelassenen Sause. Es wird nicht besinnlich
MI 21 | 12 | 11 Kleinkunst | Jochen Malmsheimer & Tiffany Ensemble
Party | Cosmotopias Weihnachts Sause
COMIC-TIPP
SCHRAVEN & BURMEISTER | Die wahre Geschichte vom Untergang der Alexander Kielland (Carlsen Comics) Eine wahre Begebenheit, eine Katastrophe hat hier zwei Comic-Künstler nicht zur Ruhe kommen lassen bzw. inspiriert. 1980 versank in der Nordsee die norwegische Bohrinsel „Alexander Kielland“. Das Unglück forderte 123 Opfer. David Schraven aus Bottrop, der eine große Faszination an diesen gigantischen Metalkolossen hegt – typisch „Kind des Ruhrgebiets“ - hat sich überlegt, was da wohl genau passiert ist und wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Seine Erklärung resultiert aus einer unglücklichen Liebesgeschichte inmitten schroffer Menschen und der äußerst rauen Nordsee. Er hat daraus eine stimmige, eher düstere Geschichte gemacht, die einen am Ende leicht verstört zurücklässt. Äußerst passend hat der Kieler Comiczeichner Vincent Burmeister dazu seine Bilder gezeichnet, die teilweise über das gesamte Buchformat (60 x 21 cm) reichen. Auch ihn müssen Bohrinseln fasziniert haben, und natürlich die Nordsee. Fast jedes Bild könnte einzeln in einer Ausstellung hängen und für sich alleine etwas erzählen. Seine Bilder sind teilweise wie Bühnenbilder oder wie Großaufnahmen aus einem Film – opulent ohne überdosiert zu sein, auf jeden Fall eindrucksvoll. Man ist zwar nach fünf bis zehn Minuten fertig mit dem Comic, aber Freunde von Kunst in Comics dürften auf jeden Fall ihre Freude haben. (BvR)
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22 | 12 | 11 Roncallis Winterträume
25 | 12 | 11 Cosmotopias Weihnachts Sause
innegehalten, sondern die Korken fliegen und der wil-
cher Theaterabend, der zur Weihnachtszeit Theater und
de Teppichtanz wird gestartet. „Ladies & Gentlemen!
auch Publikum erwärmt, denn über aller „Modernität“
Adressen | Bochum (0234)
The unbelievable, the One-man-Dj-show, oft gefordert
bleibt die zeitlose literarische Qualität sowie die immer
Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10
und endlich wieder zu Gast: Mr. Psycho Jones“, mit
wieder neu zu stellende Frage nach sozialer Verantwor-
Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62
seiner spektakulären und wilden Wundertüte aus Rare
tung und den wahren Werten einer Gesellschaft. „In
Grooves, 60s Beats und Gitarren-Krachern. Funktro-
einer sehr unterhaltsamen Revue schlüpfen vier Bäcker,
nix, die Dortmunder Queens of Funk & Soul, mit ihrem
pardon, Schauspieler in sämtliche Rollen des Charles-
Tanzmarathon aus 60s Soul, 70s Funk, Disco & HipHop-
Dickens-Klassikers, bieten eine rundherum einladende
Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00
Classics, sind ebenso am Start. Und DJ ECE, die Gypsy-
Show und vergessen überdies das Backen nicht. Ein wun-
Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25
Guerilla mit ihren schäumenden BalkanBeats, wird
derbarer Abend. Denn die Inszenierung ist so einfach
Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012
auch noch für erquickliche Groove-Bespaßung sorgen.
wie genial.“ (Ruhr Nachrichten)
Museum, Kortumstraße 147, 51 60 00
Cosmotopia, Dortmund, 22 Uhr
Theater im Depot, Dortmund, 19 Uhr
Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36
(auch 09., 10., 15., 17., 18., 22., 23., 26., 27., 31.12) bodo verlost 3 x 2 Karten.
MO 26 | 12 | 11
Teilnahmebedingungen auf Seite 33.
BODO VERLOSUNG | Total Paranormal Weihnachtsshow Der zweite Weihnachtstag steht bei „Ekamina“ traditionell im Zeichen von Zauberei und Trashmagie. Bei der Total Paranormal Weihnachtsspezialshow werden Tan-
25 | 12 | 11 Nora oder Ein Puppenheim
Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20 Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45 Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0 HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6
Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17 Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01 RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30 Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30 Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30
DO 29 | 12 | 11 Musik | Too Strong meets X-Mas
Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90 Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03 Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35 Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17
nenbäume schweben, Zimt-
Ihr meint, ihr hättet genug für dieses Jahr? Ihr denkt
sterne verschwinden und die
Too Strong zusammen mit Creutzfeld & Jakob und den
Zukunft aus Bratäpfeln ge-
Profis aka Mikromachine & Spax live im FZW braucht
lesen. Oder so ähnlich. Das
kein Mensch? Dann langweilt euch weiter vor eurer Tas-
Adressen | Dortmund (0231)
total fabelhafte Trashmagie
tatur oder glotzt in die Flatscreen. Alle anderen, die
Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00
und
Zauberkunstquartett
Bock haben, feiern, wenn es heißt: Too Strong meets
Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46
Mario Schulte, Kotelett Schabowski aus Ost-Ostekistan,
X-Mas. Nach dem ganzen Weihnachtsfreizeitstress mit
DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79
Pille der Kartenhai und Magic Mark Weide. Eingeladen
Eltern, Oma, Opa, Onkel und Tantchen, Weihnachtsgans
Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45
wird dem Anlass entsprechend ein sehr spezieller Special
und der ganzen Völlerei, begebt ihr euch einfach ins
Guest. Geboten wird eine Show, die mit ebenso erstaun-
neue FZW und schwitzt eure ganzen Schlechtigkeiten
lichen Tricks aufwartet wie sie die Lachmuskeln strapa-
des abgelaufenen Jahres aus.
ziert. Witzig, verblüffend, ein höchst unterhaltsamer
FZW, Dortmund, 20 Uhr
und spannender Balanceakt zwischen Possen von kalkulierter Albernheit und Kunststücken auf Weltniveau. Wer nicht an das Weihnachtswunder glaubt, der kann sich ja an den Zaubertricks versuchen.
FR 30 | 12 | 11 Musik | Downliners Sekt Ein Rauschen, ein Knistern, etwas braut sich zusam-
bodo verlost 1 x 2 Karten.
men. Schabend und langsam bauen sich die Tracks auf,
Teilnahmebedingungen auf Seite 33.
und dann setzt dieser unglaublich tiefe Bass ein und der
BODO VERLOSUNG | A Christmas Carol
Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50
domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30 Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25 F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72 FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20 Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194 Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
MI 28 | 12 | 11
Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56
Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22 Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206 Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25 Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33 Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47 Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78 Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60
Groove zieht an. Eine körnige Melancholie. Das Duo Down-
Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07
liners Sekt kommt aus Barcelona, wo es in Kleinstarbeit
SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23
aus rauen Sounds herrlich unangepasste Konstruktionen
Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20
baut, die dekonstruktiv sind: Sie zerlegen die endlos
U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23 Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40
Charles Dickens‘ „A Christmas Carol“ ist in vielen Varian-
chromglatte Die-Hände-in-die-Höhe-Partyästhetik. Auf
ten gespielt und verfilmt worden. In dieser Bühnenver-
dem „Sonar“, dem größten Festival für elektronische Mu-
sion wird der Klassiker „ge-
sik, haben sie tausende Fans überzeugt. Downliners Sekt
genwärtig“ präsentiert, mit
sind ein meditativ-ekstatisches Spektakel. Damit bleibt
Adressen | Herne (02323)
unkonventionellen Einfällen
sich „urban urtyp“ treu: In ihrem zweiten Jahr macht die
Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52
und live gebackenen Weih-
Konzertreihe klar, dass sie keine ist, sondern wirklich das,
Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99
nachtsplätzchen. Ein win-
was sie von sich behauptet: „immer anders“.
terwarmer, froh-vergnügli-
Christuskirche Bochum, 19 Uhr
Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00 Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11
Adressen | Witten (02302) Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24 Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40
Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2011.
39
40 DAS INTERVIEW | von Volker Macke | Foto: Volker Macke · AWO
20 Jahre Nationale Armutskonferenz Die gute Lobby – Ein Interview mit Dr. Thomas Beyer „Eine unbekannte Erfolgsgeschichte“ wird der Nationalen Armutskonferenz attestiert. Als gewichtiger Zusammenschluss hat sie die Bundesregierung zur regelmäßigem Vorlage eines Armuts- und Reichtumsberichts herausgefordert und sich immer wieder eingemischt in Fragen von Armutsbekämpfung und -prävention. Volker
VM Inwiefern? TB Dass beispielsweise Beschäftigungszuwächse stark im Bereich der Niedriglöhne, Geringverdiener und Teilzeitkräfte liegen. Dass sich mit so etwas
lich kein Grund zum Feiern, oder?
TB Nein, sicherlich kein Grund zur Freude. Aber ein wichtiges Signal. Nämlich 20 Jahre Verdeutlichung, dass es selbst in so einem reichen Land wie Deutschland manifeste Armut gibt.
glücklicherer Position?
TB Man muss immer glücklich sein, wenn es keine Gewalt gibt, ob von außen oder von innen. Aber auch die deutsche Gesellschaft wird die
VM Stichwort Beschäftigungszuwachs: Der immer noch vorbei.
Ungerechtigkeiten, die sich öffnende Schere zwischen arm und reich, nicht ewig aushalten. Derzeit sehe ich als Reaktion hierzulande immer mehr Agonie und Resignation, das zeigt sich
TB In der Tat ist das ein Riesenproblem. Es gibt
auch in den Wahlbeteiligungen. Dass es keine
kaum Chancen für diesen Kreis von Menschen.
Gewalt gibt, macht die Lage selbst ja nicht bes-
Realität ist ja, dass die Bundesregierung von 2012
ser. Die nak sagt seit 20 Jahren: Armut ist falsch
bis 2015 insgesamt 26 Milliarden Euro im Bereich
verteilter Reichtum. Es wird Zeit, dass wir offen
SGB II und III kürzen will. Das trifft vor allem,
diskutieren, wie man das ändert.
die, die Förderung am nötigsten haben. Diese Politik lässt eine ganze Bevölkerungsgruppe bewusst
VM Was kann die Armutskonferenz da tun?
VM Jüngst gingen Meldungen durch die Presse,
im Stich. Und das in Zeiten des Aufschwungs.
Deutschland sei das kinderärmste Land der EU
Stattdessen gibt es dann noch Vorschläge wie
TB Einfluss nehmen. Mit inhaltlicher Arbeit in
und zugleich reich an armen Kindern. Kommen-
einen zwangsweisen Bundesfreiwilligendienst, um
Arbeitskreisen und Konferenzen, mit Stellung-
tatoren großer Zeitungen meinten, Kindern fehle
die Menschen für ein paar Monate aus der SGB-II-
nahmen zu Gesetzgebungsverfahren, mit Öffent-
eher die Unbeschwertheit früherer Zeiten als
Statistik zu holen. Das ist zynisch.
lichkeitsarbeit wie den Veranstaltungen zum
materielle Absicherung. Ärgert Sie sowas?
Europäischen Jahr gegen Armut im Jahr 2010...
TB In der Tat. Ich erinnere mich noch gut selbst
VM Wäre das bedingungslose Grundeinkommen
an solch unbeschwerte Kindertage. Und das wäre
eine realistische Alternative zum heutigen Trans-
jedem Kind zu wünschen. Ich sehe aber auch,
fergeldsystem?
dass allein in Bayern, einem der reichsten Bundesländer, 135.000 Kinder unter 15 Jahren vom Regelsatz leben müssen.
VM In Niedersachsen rund 180.000.
TB Ich glaube das nicht.
TB Der Spruch, dass sozial sei, was Arbeit schafft, jedenfalls ist falsch. Es muss um
TB Da ist es doch ein Skandal, wenn relativiert wird,
gute, um gut bezahlte Arbeit gehen. Zunächst
es gebe diese materielle Armut nicht. Es gibt sie.
brauchen wir kostenlose Bildung für alle, wir
VM Der öffentliche Diskurs trennt derzeit gern zwischen selbstverschuldeter Erwachsenen- und tragischer Kinderarmut...
TB Selbst die Existenz von Kinderarmut wird von
ven, damit die Menschen selbstständig Familien ernähren können. Wir brauchen zudem mittelfristig einen öffentlich gestützten Beschäftigungssektor mit sozialversicherungspflichtigen Mindestlöhnen.
interessierter Seite ja immer noch viel zu oft geleugnet. Aber ich gestehe ein, dass im breiten öffentlichen Diskurs Kinderarmut noch relativ gut zu thematisieren ist. Das verstellt dann manchmal den Blick auf andere Facetten, beispielsweise auf Alleinerziehende, Niedriglöhner und Altersarmut. Gerade dieser Bereich muss uns viel mehr be-
VM Und mit klassischer Lobbyarbeit? TB Wenn man unter Lobbyarbeit versteht, dass wir Anwalt sein wollen, ja. Dann Lobbyarbeit. Wir sitzen aber nicht hauptberuflich in Berlin und
VM Was dann?
brauchen Berufsausbildungen mit Jobperspekti-
40
gewaltsamen Protesten. Ist Deutschland in
eine Besserung so keinesfalls in Sicht kommt.
Aufschwung geht an den Langzeitarbeitslosen
VM 20 Jahre Nationale Armutskonferenz, eigent-
und zuletzt in England führt das zu teils sehr
langfristig Altersarmut aber verschärfen wird und
Macke sprach anlässlich ihres 20jährigen Bestehens mit Thomas Beyer, dem Sprecher der nak.
gedrückt. In Spanien, Frankreich, Griechenland
VM Die soll es in Deutschland aber nicht geben. TB Die Bundesregierung befindet sich da in einem aussichtslosen Abwehrkampf. Verhindern wird sie die Einführung von Mindestlöhnen nicht mehr. Die gibt es mittlerweile überall in Europa.
putzen Klinken von Abgeordnetenbüros, denn das hier ist Ehrenamt. Und von staatlicher Seite bekommen wir kaum Geld, wir müssen fast alles aus Eigenmitteln der Mitgliederverbände finanzieren. Das ist nicht eben üppig. Ministerin von der Leyen hatte ja leider bisher noch keine Zeit für uns. Aber ein kürzlich erfolgtes Gespräch mit dem Staatssekretär hatte zum Inhalt, dass wir mehr eingebunden werden wollen. Beispielsweise in die aktuell zu erarbeitende Neufassung des Armutsund –Reichtumsberichts der Bundesregierung.
VM Bemerkenswert, dass Sie auf die Einbindung erst dringen mussten.
TB Ja, immerhin sind in der nak fast alle großen Wohlfahrts- und Selbsthilfeverbände organisiert. Ich persönlich besuche in meiner Eigenschaft als Sprecher der nak jetzt auch verstärkt soziale Ein-
schäftigen. Unsere Aufgabe als Armutskonferenz
VM Europaweit werden derzeit im Zuge der
richtungen wie Wärmestuben oder die Bahnhofs-
ist, hier die Zusammenhänge aufzuzeigen.
Finanzkrise allerorten Sparmaßnahmen durch-
mission. Ich dachte eigentlich, dass ich mich als
41
TB In der Praxis haben wir bereits in einigen gut, wo es hakt, wo die Hauptprobleme liegen.
Bereichen eine Abkehr von der Agenda-Politik.
Von denen, die von Armut ganz direkt betroffen
Wir müssen diese kritische Überprüfung fortset-
AWO-Vorsitzender in Bayern mit den Facetten
sind, zu hören, bedeutet Lebenswirklichkeit
zen, etwa was die Höhe der Regelsätze oder die
von Armut schon gut auskenne, merke aber jetzt,
abbilden. Beispielsweise wissen wir, dass nur 15
Bezugsdauer des ALG II angeht, um nur einige
dass sich Armut so sehr quer durch die Gesell-
Prozent der rund 3,15 Millionen überschuldeten
Stichpunkte zu nennen.
schaft zieht, dass dies eines der drängendsten
Haushalte in Deutschland derzeit in einer öf-
innenpolitischen Themen überhaupt ist.
fentlichen oder gemeinnützigen Schuldnerberatung beraten werden können. Anlaufstellen und
VM Ist Sozialpolitik also auch Ordnungspolitik?
zeitnahe Termine sind Mangelware; die bun-
INFO
desweit unterschiedlichen Finanzierungsregeln
In der Nationalen Armuts-
TB Vielleicht sogar die wirksamste Ordnungspo-
spitzen das Problem zu. Kommerzielle Regulie-
konferenz (nak) sind unter
litik überhaupt. Weil sie so nachhaltig sein kann.
rer und Kreditvermittler springen ein und viele
anderem die Diakonie, die
Wir hatten ja mal ein funktionierendes Sozial-
von ihnen nutzen die Not der verschuldeten
Caritas, die Arbeiterwohl-
staatsmodell. Leider antworten Kämmerer und
Menschen aus.
fahrt,
Finanzminister, selbst wenn sie den Zusammenhang zwischen Sozialpolitik und Ordnungspolitik erkannt haben, immer öfter, sie hätten trotzdem kein Geld.
TB Armut als beschämende Realität in Deutschland nicht länger tabuisieren – damit die NatiGeburtstage feiern muss.
eine Konferenz für Menschen mit Armutserfahrung. Wofür sind diese jährlichen Treffen gut?
Paritätische,
die Bundesarbeitsgemein-
VM Was wäre zu tun?
onale Armutskonferenz keine weiteren runden
VM Mitte September organisierte die nak wieder
der
schaften der Schuldnerberatungen und Wohnungs-
Dr. Thomas Beyer
losenhilfe, sowie Erwerbsloseninitiativen und der Bundesverband der Tafeln organisiert. In Deutschland leben laut einem Bericht der Vereinten Nationen vom Juli 2011 dreizehn Prozent der deutschen Bevölkerung, also rund zehn Millionen Menschen, unter der
VM Ihre Vorgänger als nak-Sprecher haben die
Armutsgrenze – darunter 2,5 Millionen Kinder. 1,3
TB Wir arbeiten da in Workshops mit den
Hartz-Gesetze von Gerhard Schröder als intrans-
Millionen Menschen benötigen trotz Arbeit staatliche
Menschen ihre Alltagserfahrungen im Umgang
parent und ungerecht bezeichnet. Sie selbst sind
Unterstützung. 450.000 Menschen sind derzeit ohne
mit Transferleistungen, Wohnungsmarkt oder
SPD-Mitglied. Ist es Zeit für eine Distanzierung
Obdach. (Volker Macke)
Schuldnerberatungen auf. So sieht man sehr
von der Agenda 2010? 41
42 DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
NEWS | von Sebastian Sellhorst
Bildungsstreik in Dortmund und Bochum
er Nazis bestimmt seit Wochen die Schlag-
Die Armut in Deutschland ist
Dem Aufruf der Initiative „Bil-
Ordnungsamtsleiter
zeilen. Die Opfer wurden unschuldig und
erneut auf Rekordniveau. Die
dungsstreik“ sind sowohl
in
denhauer fordert einen zwei-
aus rassistischen Motiven zu Opfern. Sie
im Herbst veröffentlichen Zah-
Dortmund als auch in Bochum
ten „Druckraum“ für Dortmund.
wurden verhöhnt durch die Täter und ver-
len des Bundesamtes für Statis-
zahlreiche Schüler und Schülerin-
31.300 Konsumvorgänge gab es
unglimpft durch Ermittlungsbehörden und
tik besagen, dass jeder sechste
nen gefolgt. Am 17.11. demons-
im vergangenen Jahr im Konsum-
Presse („Döner-Morde“). Ein jahrelanges
Deutsche in Armut lebt. Der Pari-
trierten in den beiden Städten
raum Kick. „Das sind über 30.000
staatliches Desinteresse an der Aufklärung
tätische fordert von der Bundes-
insgesamt über 1600 Schüler
Spritzen, die nicht auf der Straße
ist offensichtlich, eine Tatbeteiligung von
regierung einen belastbaren Plan
und Studenten für bessere Un-
und auch nicht auf Spielplätzen
Verfassungsschutzmitarbeitern wahrschein-
zur Armutsbekämpfung.
terichtsbedingungen an Schulen,
lagen“, stellt Moldenhauer fest
lich. Aber was ist neu?
„Nicht nur die Armut in Deutsch-
gegen das „Turboabitur“ in acht
und betont damit die Wichtig-
land hat Rekordniveau erreicht,
Jahren und Zugangsbeschränkun-
keit eines solchen Raumes. FDP/
sondern auch der Reichtum hat
gen zu immer mehr Studiengän-
Bürgerliste, CDU und die Grünen
trotz aller Krisen stetig zuge-
gen durch einen Numerus Clau-
stehen einem weiteren Druck-
nommen. Wenn dieser eklatanten
sus. „Wir fordern, dass so viele
raum postitiv gegenüber und
Ungleichheit kein Ende bereitet
Kapazitäten geschaffen werden,
fordern die Verwaltung auf, die
wird, droht unsere Gesellschaft
bis alle Zulassungsbeschränkun-
Einführung eines mobilen Kon-
zu kollabieren", warnt Ulrich
gen an den Unis aufgehoben wer-
sumraums, wie er in Berlin zum
Schneider, Hauptgeschäftsführer
den“, so Finn Siebert, Mitglied
Einsatz kommt, zu prüfen. Dort
des Paritätischen. Die Bundesre-
des
Bildungsstreikbündnisses.
sind zwei Wohnwagen unterwegs,
gierung habe mit ihren bisherigen
Die Finanzierung des Bildungs-
in denen suchtkranke Menschen
Maßnahmen die gesellschaftliche
systems und der chronische Geld-
unter Aufsicht eines Arztes Dro-
Spaltung noch beschleunigt. Der
mangel an den Hochschulen wa-
gen konsumieren können und
Paritätische fordert die Bundes-
ren ebenfalls Inhalt der Proteste.
ihnen Beratunggespräche ange-
regierung auf, von der geplanten
„Wir wollen nicht, dass Milliarden
boten werden. Der Vorteil dieses
Instrumentenreform Abstand zu
von öffentlichen Geldern für
Modells liege in seiner Mobilität,
nehmen, die Hartz IV-Regelsätze
die Bankenrettung ausgegeben
da die Wohnwagen immer dort
auf eine bedarfsgerechte Höhe
werden. Für die Krise sollen die
eingesetzt werden können, wo
Die Mordserie bestens vernetzter Zwickau-
Das Leid der Angehörigen ist unermesslich und immer einzigartig. Doch: Hier gibt es keine Einzeltäter und keine Einzigartigkeit der Taten, hinter ihnen steht keine Pathologie und kein neues „Sicherheitsproblem“, sondern die Exekution eines hundertfach formulierten Programms: Die Taten wurden in der Szene gefeiert und schon 2010 besungen („Neun sind nicht genug“). Sie setzen nur in Konsequenz um, was ideologischer Kern des Neonazismus ist und mit täglichen Übergriffen eine Praxis vor dem Mord findet: Der rassistische Hass, die Ideologie des unwerten Lebens, die zynische Sprache der Vernichtung eint Tausende europaweit vernetzte Neonazis, auch bei uns vor der Haustür, und nicht erst seit letzter Woche.
Ingo
Mol-
anzuheben, das Bildungs- und
zahlen, die sie verursacht haben,
sich sie Szene sammle. Noch im
Ihre Morde – 182 seit 1990 – werden ver-
Teilhabepaket durch eine echte
dann ist auch mehr als genug für
letzten Jahr hatte die Dortmun-
harmlost und umdeklariert, nur 47 „akzep-
Bildungsoffensive für unterpri-
ein gutes Bildungssystem da“,
der SPD den Rücktritt von Ord-
tiert“ die offizielle Zählung. Die Dortmun-
vilegierte Kinder zu ersetzen und
so Tom Bühler, stellvertretender
nungsdezernent Steitz gefordert,
der Morde werden sämtlich herausgehalten
das Rentensystem armutsfest zu
Vorsitzender der Bezirksschüler-
als der sich für einen zweiten
aus der Statistik. Der Mörder des Punks
machen.
vertretung Dortmund.
Druckraum einsetzte.
Thomas Schulz, der Dortmunder Nazi Sven Kahlin, begeht weiter Überfälle. Doch neonazistische Gewalt richtet sich nicht allein gegen vermeintlich Fremde und gegen politische Gegner: Ein Opfer der Mordserie ist Polizistin. Noch einmal: Aber was ist neu? Im Jahr 2000 tötet der Dortmunder Nazi Michael Berger drei PolizistInnen und erschießt sich selbst. Die Dortmunder Kameradschaft verteilt daraufhin Flyer mit der Aufschrift „3:1 für Deutschland“. Am 2. September 2011 spielt im Dortmunder Kreuzviertel die Brechtener Naziband Oidoxie, die über PolizistInnen singt: „Am Tag der Rache / Woll´n wir euch bluten sehen“. (bp)
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Zweiter Druckraum für Dortmund gefordert
Paritätischer fordert Plan zur Armutsbekämpfung
Aber was ist neu?
SKOTTS SEITENHIEB
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SOZIALE INITIATIVEN | von Dr. Birgit Rumpel | Foto: Claudia Siekarski
Wohnungslose und Suchtkranke musikalisch integrieren Das Diakonische Werk Dortmund und Lünen gründet einen Chor und eine Band, in denen musikalisch Interessierte gemeinsam mit Wohnungslosen und Suchtkranken musizieren. Nach dem Vorbild des Berliner Straßenchores, der seit zwei Jahren in der Hauptstadt existiert, wird jetzt in Dortmund ein neues Projekt in Angriff genommen. „Wohnungslose und Suchtkranke musizieren gemeinsam mit Menschen, die nicht beeinträchtigt sind“, formuliert Hartwig Sabacinski, Leiter des Ludwig-SteilHauses die Projektidee. Erste Erfahrungen mit einem kleinen Chor aus Bewohnern der Einrichtung für chronisch Suchtkranke im Defdahl gibt es bereits. „Es ist toll, die Begeisterung zu sehen, wenn sie die eigene Stimme wahrnehmen“, beschreibt Sabacinski. Durch das gemeinsame Musizieren sollen die Betroffenen wieder einen Sinn im Leben finden, die regelmäßigen Proben sollen helfen, Struktur und Regelmäßigkeit zu schaffen. Auch das Gefühl, in einer Gemeinschaft mitzumachen, in der man wahrgenommen und nicht abgelehnt wird, ist ein wichtiger Aspekt für die Teilnehmer. Später sind auch kleine Auftritte bei Veranstaltungen der Diakonie geplant, etwa bei Jubiläen und Sommerfesten. Damit sollen die Beteiligten Bestätigung erfahren und das Erlebnis, gehört zu werden. Für die Leitung des Chores konnte Jürgen Kleinschmidt gewonnen werden, bekannt als Leiter des Chors „Cantastrophe“. „Wir brauchen einen Chorleiter, der nicht nur musikalisch führt sondern auch ein Gespür für die Gruppe hat, die Menschen zusammenführt und wahrnimmt, wenn es Dinge zu regeln gibt.“ Kleinschmidt, selbst hauptberuflich Sozialarbeiter, ist dafür genau der Richtige. Einen Namen hat der Chor noch nicht, den sollen die Beteiligten selbst entwickeln. Nach der Auftaktveranstaltung, die Ende November stattfand, sind zunächst 14-tägige Proben geplant. Interessenten sind willkommen. Auch mit den Planungen für die Band kommt man voran. Hierfür hat Sabacinski mit dem Nordstadtmusiker Boris Gott bereits einen prominenten Bandleader gefunden. (biru)
INFO Hartwig Sabacinski | Tel. 0231 – 55 776-13
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RÄTSEL
Rätsel-Lösung: BOGEN | Weihnachtsmann-Lösung: Nummer sechs und Nummer sieben sind das gesuchte Zwillingspaar.
Diese neun Weihnachtmänner unterscheiden sich alle durch ein kleines Detail. Zwei jedoch gleichen sich aufs Haar.
In Kooperation mit www.sudoku-aktuell.de
Findest Du das Zwillingspaar?
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ESELSOHR | von Volker Dornemann
Oma hat zu Weihnachten jede Menge Kekse gebacken. Selbst mag sie am liebsten den Keks ohne Loch, ohne Schokolade und ohne Zuckerstreusel. Welcher Keks ist es und wie oft ist er auf dem Bild zu sehen?
Mit einem Sack voller Geschenke streift der Nikolaus durchs Land. Doch auch dem guten Mann ist der Fehlerteufel auf den Fersen. Im rechten Bild hat er wieder einmal 10 Unterschiede eingeschmuggelt. Kannst Du sie finden?
im Bild fünfmal auf. Marmelade in der Mitte. Er taucht Es ist der Butterkeks mit der roten Weihnachtskekse – Lösung: ein Stern ist weg. ter im 2. Haus von rechts fehlt, 10) fehlender Mützenbommel, 9) FensNikos Sack, 7) Nikos Ohr fehlt, 8) eine Fußspur fehlt, 6) Flicken auf Reißverschluss an Nikos Mantel, 5) sen, 3) Nikos Gürtelschnalle, 4) links, 2) fehlende Pfote beim Ha1) fehlender Schornstein am Haus Fehlersuchbild – Lösung:
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46 BODO GEHT AUS | von Bastian Pütter | Fotos: Claudia Siekarski
In einem unauffälligen zweigeschossigen Flachbau in Hombruch „versteckt“ sich eine der spannenden kulinarischen Neueröffnungen der Region. Die erste Überraschung: Wer „Die Küche“ betritt, steht in der Küche. Blickfang gleich am Eingang ist die offene Showküche, statt vom Servicepersonal wird der Gast von Küchenchef Alexander Erdmann begrüßt, der sich im wahrsten Sinne in die Töpfe gucken lässt.
Die Küche – neue (Ess-)Klasse | Dortmund Tradition modern in Hombruch Gastronomie erarbeitetes Können und ein indi-
Gefühl, eigentlich mehr zu können. „So gesehen
viduelles Eingehen auf den Gast. Eine moderne
haben wir 14 Jahre lang Ideen gesammelt“, sagt
Küche mit alten Rezepten: Das Schönste, was
Lukas. „Und hier können wir sie endlich umset-
ihre Gerichte auslösen, sei eine Erinnerung an
zen, hier sind wir Gastgeber. Und wenn wir wol-
die Kindheit, sagt Lukas.
len, machen wir jeden Tag etwas anders.“
Die Karte ist überschaubar – „Mehr als zehn Ge-
Zum Beispiel ein Vier-Gänge-Menü als Kochkurs,
richte braucht man nicht“, sagt Lukas resolut.
das jetzt monatlich angeboten wird, oder die ei-
Außerdem sei fast jeder Sonderwunsch möglich.
gene Feinkostabteilung mit Alexander Erdmanns
Das jeweilige Marktangebot bringt Abwechslung
einzigartiger Vinaigrette zum Mitnehmen.
auf die Wandtafel. Und die Preise sind moderat. Der wechselnde Mittagstisch beginnt bei
Nach sechs Wochen ist bereits klar: Diese neue
vier Euro, nur die Gänsekeule liegt in dieser
Ess-Klasse wird angenommen. Die 25 Plätze im
Woche über der Zehn-Euro-Grenze. Das teuerste
ersten Stock können auf 35 erweitert werden, um
Gericht auf der Abendkarte ist ein Rinderfilet
niemanden abzuweisen. „Die Hombrucher sind
mit Pfeffersauce, Bratkartoffeln und Salat für
wirklich ein freundliches und aufgeschlossenes
scharf kalkulierte 19,50 Euro. Eine weitere Emp-
Publikum. Wenn es mal voll wird und neue Gäste
Keine Fritteuse, keine Mikrowelle, stattdessen
fehlung: Zanderfilet auf Rahmkraut mit Salzkar-
kommen, wechseln andere, die schon gegessen
nur Gasherd und -ofen und -grill – hier kann nur
toffeln für 16 Euro.
haben, von sich aus an die Bar, um Platz zu ma-
frisch gekocht werden. „Der Gast bekommt Einblick
chen. Jeden Abend gibt es Unterhaltungen über
in alle Prozesse, wir verstecken nichts“, sagt Lu-
Wer die Treppe ins Obergeschoss hinaufgeht,
die Tische hinweg. Das ist toll, so haben wir uns
kas Tarabczynski, Barchef und zweite Hälfte des
wird ein zweites Mal überrascht. Ein gar nicht
das vorgestellt.“ (bp)
Esskultur-Duos. Grinsend fügt er hinzu: „Mittags
großer Gastraum, dominiert von einer hineinra-
stehen manchmal vier Kinder hier und schauen
genden Bar, dunkles Holz und gedeckte Braun-
bodo verlost ein Vier-Gänge-Menü „all inclusi-
Alexander auf die Finger. Das muss man als Koch
und Grautöne, indirektes Licht: schick und ge-
ve“ für 2 Personen! (siehe S.33).
schon wollen. Aber das ist ja das Konzept: Es geht
mütlich. „Das ist hier unser Baby. Wir haben von
um die Küche.“
der Grundsanierung an alles selbst gemacht. Es ist so geworden, wie es sollte – und es funkti-
Und um was für eine? Da wird Lukas ernst: „Es
oniert.“
Die Küche – neue (Ess-)Klasse
gibt einfach keinen geraden Stil mehr. Alle ver-
46
suchen alles. Die Rezepte werden vermischt und
Der Weg dahin war nicht einfach. Beide haben
Harkortstraße 16 | 44552 Dortmund
verfälscht, überall ist ,mediterranes Flair‘ dabei.“
bei großen Namen gelernt und gearbeitet – das
Tel. 0231 – 968 398 21
Alexander und Lukas hingegen sind Puristen: Ihr
„Dieckmann‘s“ oder die „Dimberger Glocke“ wer-
www.die-kueche-neue-ess-klasse-dortmund.de
Ausgangspunkt ist die traditionelle deutsche Kü-
den die Dortmunder kennen – wurden aber nicht
Mo. bis Sa. 11.30 – 24.00 Uhr
che. Der Rest sind beste Zutaten, in der gehobenen
glücklich mit der fehlenden Freiheit und dem
Küche bis 22.30 Uhr
47
LESERSEITE
bodo dankt:
Sparkasse Bochum
Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bonbardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pannitz, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ul-
Ein bodo-Büchertresen, wie er bis jetzt nur in der Bochumer Ausgabestelle zu finden war, steht jetzt auch in der Buchhandlung Seitenreich in Dortmund Huckarde. Wir wünschen den beiden Geschäftsführerinnen Claudia Rohmann und Sabine Kurmann viele gute Geschäfte über diesen und freuen uns, 2012 noch weitere spannende Möbel aus alten Büchern zu entwickeln.
LESERBRIEFE
rike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-
Liebe bodo-Redaktion,
Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kin-
da ich schon seit Jahren ein sehr begeisterter und interes-
zel, Annegret Malessa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta
sierter bodo-Leser bin, möchte ich nun auch einmal an eurer
Ein Gedicht von Renate Küppers Wieder naht die Weihnachtszeit, | wieder brennen Kerzen.
Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Mär-
Verlosung teilnehmen. Ein weiterer Grund ist euer Bericht
kel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan
über das Rottstr5 Theater. Womit sich die Frage nach mei-
Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull,
nem Wunschgewinn wohl auch beantwortet hat.
Kinderaugen traurig, groß, | jede Spende zählt,
Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger,
Macht bitte weiter so wie bisher und lasst nicht nach. Die
weisen auf ihr schweres Los | in der dritten Welt.
Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth HeymannRoeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Sabine Raddatz, Petra Danielsen-Hardt,
Arbeit die Ihr leistet ist sehr gut und noch wichtiger für unsere Gesellschaft und für jeden einzelnen Menschen. Mit freundlichen Grüßen, Ralf Braun
Martin Botteck, Thomas Scholle, Hildegard Reinitz, Dolf
Liebes Bodo Redaktionsteam,
Mehring, Renate Schmidt, Ute Soth-Dykgers, Dorothee
Ihr seid auch diesen Monat wieder gut gewesen. Bin überhaupt
Konferenz St. Johannes Baptist, Erika Maletz, Prof. Dr.
fast nie enttäuscht von Eurer Zeitung und dabei lese ich fast
Klaus-Martin Melze, Volker Schaika, Elsemarie Bork,
jeden Artikel. Die bodo liegt halt immer bei mir ‘rum und ich
Peter Lasslop, Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido
schnappe sie mir zwischendurch um ein Stück weiter zu lesen.
Wagner, Marianne Linnenbank, Klara Lehmann, Petra
Also macht bitte in Eurem unverwechselbaren Stil weiter. Mit
Vossebürger^, Hueber Verlag, Franzis Verlag, Gräfe und
der perfekten Mischung von sozialer Aufklärung unter empathi-
Unzer Verlag, Hädecke, Verlag freies Geistesleben, AT, Kosmos, Goldmann/Mosaik, List, Südwest, Compact Via,
Und seh’n wir uns einmal um | in der eig’nen Welt, Armut auch um uns herum | jede Hilfe zählt. Wärmestuben in den Städten | schützen, lindern Not,
Charlotte Steinke, Silke Harborth, Timo Zimmermann,
Pischke, Annette Düe, Armin Rau, Oliver Stiller, Caritas
Spendenaufruf bundesweit | öffnet nicht nur Herzen.
helfen mancherorts zu retten | die vom Tod bedroht. Wieder naht die Weihnachtszeit, | wieder brennen Kerzen, bringen sie mit ihrem Licht | Wärme in die Herzen?
scher Hinwendung zur ehrlichen Berichterstattung und mit der
Heel, Hallwag, DK, Edition Wurzer & Villigst, Urach-
umfassenden Monatsinformation des Kulturangebotes aus dem
Schreiben Sie uns Ihre Meinung!
haus, Hirzel, Stiftung Warentest, Vegane Gesellschaft
Revier bleibt Euer Magazin immer weiter interessant.
bodo e.V. | Postfach 100543 | 44005 Dortmund
Deutschland, Christian Vagedes
Eine sehr begeisterte treue Leserin, Gabriele Legat
oder eMail an: redaktion@bodoev.de
CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
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