1.80 Euro Oktober 2013 | 90 Cent für den Verkäufer
bodo Das Straßenmagazin
28 | Guaia Guaia | »Das Leben ist doch keine Sondergenehmigung« 16 | Roma im Ruhrgebiet | »Der ethnische Blick ist nicht hilfreich« 34 | Gentrifizierung | »Die Idee in der Marketingschleuder« 21 | 18 Verlosungen | z.B. KulturLife – Konzertreihe in der Jahrhunderthalle Bochum
1
02 EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser, schön, dass Sie wieder dabei sind! Und schön, dass
richtung eines Trinkraums von einer Koalition aus
Ihren und unseren Verkäuferinnen und Verkäufern
CDU, FDP und Grünen – jeweils mit völlig konträren
das letzte Heft gefallen hat. Vor allem in Bochum
Vorstellungen über die Ziele – gegen den wütenden
kommen regelmäßig neue Mitarbeiter zu uns,
Widerstand der SPD beschlossen.
bei Verkäuferversammlungen in Dortmund platzt
Die Folge: In Dortmund fand sich kein Betreiber.
unser Versammlungsraum aus allen Nähten. Dabei haben uns auch im letzten Monat wieder Verkäufer verlassen – manche in Wohnung, in Arbeit, in ein geordneteres Leben. Von „Ehemaligen“ besucht zu werden, denen es inzwischen besser geht, gehört
tun, die so gegen den „Saufraum“ polemisierte: „Wer die Augen aufhält und sieht, mit welch hohem Aggressionspotenzial Menschen jenseits von 2 Promille Blutalkohol unterwegs sind, der weiß: Es gibt
zu den besten Seiten unserer Arbeit.
Mord und Totschlag, wenn man schwerstabhängige
Nicht jedem gelingt das, oft vergeht viel Zeit und
Alkoholiker gruppenweise in einem geschlossenen
in vielen Fällen kann es allein darum gehen, zu sta-
Raum zusammenbringt.“
bilisieren, da zu sein und einen Ort anzubieten zum Gespräch oder zum Ausruhen. Unsere Verkäufercafés sind solche Orte, unsere Bochumer Stadtführung zeigt weitere, und über einen Dortmunder Ort möchte ich kurz erzählen:
Das sorgte einerseits für Spott gegen die nicht gerade als Abstinenzler-Bewegung verschrieene SPD, vergiftete aber andererseits das Klima so, dass erst ein großer kommerzieller Anbieter sich schließlich bereiterklärte, den Job zu machen.
Anhand der Geschichte des Café Berta in der Dortmunder Nordstadt lässt sich viel lernen über den Umgang mit „Randgruppen“, über Lokalpolitik und über die Finanzierung sozialer Arbeit. Alles begann damit, dass der damalige Ordnungsdezernent in Urlaub war. Und zwar in Kiel, wo er eine Einrichtung unserer
Und das Ergebnis: Nach zwei Jahren ist das Café Berta eine bei Betroffenen, Kollegen, Anwohnern und in der Lokalpolitik hochgeschätzte Einrichtung. Wir kooperieren erfolgreich, der Nutzen für die Gäste liegt auf der Hand, der Betrieb verläuft friedlich und reibungslos – und: Das Café Berta
Freunde der Straßenzeitung „Hempels“ besuchte.
steht vor dem Aus. Die Projektfinanzierungen
„Hempels“ betreibt eine niedrigschwellige Tagesein-
enden, eine Kostenübernahme durch die Stadt hält
richtung mit sozialarbeiterischer Betreuung, in der
die Verwaltung für ausgeschlossen.
bis 15 Uhr mitgebrachter, niedrigprozentiger Alkohol verzehrt werden darf, einen Trinkraum. Alkoholkranke Menschen bekommen Zugang zu den Hilfsange-
ist: Geschichten wie diese lassen uns denken, dass vielleicht der Grund ist, warum es bodo nach bald
treffen. Gutes Konzept, erfolgreich umgesetzt.
19 Jahren noch gibt.
Die gute Idee geriet dann in die Mühlen der
Viele Grüße von bodo,
Dortmunder Lokalpolitik. Ohne die Akteure der Wohnungslosenhilfe einzubeziehen, wurde die Ein-
IMPRESSUM
Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen unsere prekäre Existenz ohne öffentliche Mittel
boten und müssen sich nicht im öffentlichen Raum
2
Das hatte nicht zuletzt mit der Nordstadt-SPD zu
Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de
BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS
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für die November-Ausgabe 10.10.2013
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Beiträgen und Anzeigen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Redaktion. Leserbriefe und nament-
03
INHALT
02 Editorial | Impressum 04 Menschen Fred
Ape von Dr. Birgit Rumpel
Der Dortmunder Sänger und Kabarettist Fred Ape steht seit 40 Jahren auf der Bühne. Früher mit der Folk-Rock-Band „Ape, Beck und Brinkmann“,
Unser Titelbild der Oktober-Ausgabe:
heute als Solist und im Duo „Ape & Feuerstein“. Als Veranstalter ist er
Guaia Guaia (S. 28)
auch hinter den Kulissen der hiesigen Kleinkunstszene aktiv. Ein Künstler-
Foto: Tobias Hametner
leben, das viele berufliche und private Wendungen genommen hat. 06 Neues von bodo 08 Reportage Tamilen
in Dortmund von Peter Hesse
Jeyakumaran Kumarasamy, der überall nur Kuma genannt wird, ist Mitglied des Integrationsrates in Dortmund und vor über 30 Jahren nach Deutschland gekommen. Mit ihm besucht bodo die tamilische Gemeinde. 11 Soziales Reise
mit Happy End von Martin Niewendick
Als Max Bryan obdachlos wurde, begann er sein Leben auf der Straße zu dokumentieren, filmte und schrieb ein öffentliches Tagebuch. Nun hat er wieder eine Bleibe – und einen Buchvertrag. 12 Recht Verlust
21 Veranstaltungskalender | Verlosungen von Petra von Randow 28 Musik „Das Leben ist doch keine Sondergenehmigung“ von Lisa Sänger Elias und Luis sind „Guaia Guaia“. Seit drei Jahren sind sie unterwegs, ohne Wohnung, nur mit Instrumenten, Verstärker, Laptop und ihren Schlafsäcken. Übernachtet haben sie im Freien, bei Freunden oder bei Besuchern ihrer Konzerte.
Ulrike Mascher ist Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Im
Veith von Bastian Pütter
Interview spricht sie über Rentenpolitik, Altersarmut sowie soziale und
Der Dortmunder Autor, Schauspieler, Regisseur und „Eulenspiegels Enkel” über Wilhelm Busch, Durststrecken, Reimzwang und Fähnchen auf der Landkarte. 13 Wilde Kräuter Wilde
Meine keine Familie im endstation.kino
30 Interview „Vier Jahre sind vertan“ von Annette Wild
des Verzehrchips von René Boyke
12 Kultur Markus
20 Kinotipp
Möhre von Wolfgang Kienast
geschlechtsspezifische Ungleichheiten. 32 Soziales Die „Machbarschaft Borsig11“ von Frederik Gremler Elf engagierte Bürger gründeten 2011 den Verein Borsig11 – am Ur-
Sokrates und der Schierlingsbecher, Edward Snowden und Sellerie, gewürzt
sprungsort der Dortmunder Fußball-Elf. Doch Fußball steht gar nicht im
mit Samen der Wilden Möhre und einer Schafgarbe-Sahnesauce.
Mittelpunkt: Borsig11 will „die Talente der Menschen am Borsigplatz
14 Reportage Ungeliebte Nachbarn. Roma in Duisburg von Stefan Laurin Duisburg wächst: Dank der ungebrochenen Zuwanderung aus Bulgarien
heben“, erklärt Vereinsvorstand Volker Pohlüke. 34 Kultur Die Idee in der Marketingschleuder von Jens Mayer
und Rumänien hat die Stadt nach Jahrzehnten des Einwohnerverlustes den
Die Hamburger Avantgarde-Punkband „Die Goldenen Zitronen“ beschäftigt
Trend umgekehrt. Die Freude darüber hält sich indes in Grenzen.
sich auf ihrem neuen Album „Who’s Bad?“ mit Stadt- und Gentrifizierungs-
16 Interview „Der ethnische Blick ist nicht hilfreich“ von Bastian Pütter Norbert Mappes-Niediek ist freier Ost- und Südosteuropa-Korrespondent. Sein Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“ plädiert für einen Perspektivwechsel. bodo traf den Autor zum Interview in Dortmund. 18 Kommentar
Ruhrgebiet mit ein. Ein Gespräch über Duisburg und die Folgen. 36 Literatur Die Kunst stillzusitzen von Fred Ape Fred Ape, den wir in diesem Heft vorstellen, kann nicht nur singen, sondern auch schreiben. Uns empfiehlt er ein Buch, das ihm in persönlichen
Drei von tausend von Bastian Pütter
Die Armutsfalle: Nur 0,3 Prozent der ALG-II-Empfänger finden monatlich
Krisen geholfen hat. 37 Rätsel | Cartoon von Volker Dornemann
den Weg heraus aus Hartz IV.
36 bodo geht aus Baristoteles von Wolfgang Kienast
18 News | Skotts Seitenhieb
Zu Gast bei einem Surfer, der eigentlich ein Kaffeeautomaten-Museum
20 Netzwelt neusprech.org von Bastian Pütter Der gebürtige Dortmunder Martin Haase, Blogger und Professor für Linguistik, und Kai Biermann, Psychologe und Journalist, sammeln und kommentieren in ihrem Blog Beispiele manipulierender Sprache.
16
themen. Dabei fließen auch Erfahrungen und Beobachtungen aus dem
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eröffnen wollte und nun in Bochum ganz großartigen Kaffee aus „cleanbeanz“ serviert – biologisch produziert und fair gehandelt. 38 Leserseite | Cartoon
30
04
08
3
04 MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Andre Noll
Fred Ape Ein Leben wie in der Achterbahn Der Dortmunder Sänger und Kabarettist Fred Ape
orte wir uns zum Gespräch treffen wollten. Offen-
nach Nordamerika, Mexiko und Kanada, die er in den
steht seit 40 Jahren auf der Bühne. Früher mit der
herzig führt er uns durch die Wohnung im Ober-
1970er und 80er Jahren mit seiner Frau unternommen
Folk-Rock-Band „Ape, Beck und Brinkmann“, heute
geschoss des kleinen Zweifamilienhauses, die er
hat. Ein schwarzweißes Portraitfoto erinnert auch an
als Solist und im Duo „Ape & Feuerstein“. Als Veran-
mit seiner 22jährigen Tochter Shari bewohnt. „Wir
sie, die vor drei Jahren starb. „Seitdem habe ich hier
stalter ist er auch hinter den Kulissen der hiesigen
haben das Haus zusammen mit der befreundeten
kaum etwas verändert“, erzählt Fred Ape.
Kleinkunstszene aktiv. Ein Künstlerleben, das viele
Familie im Erdgeschoss gekauft, wir wollten, dass
berufliche und private Wendungen genommen hat.
die Kinder zusammen aufwachsen.“
Wir treffen Fred Ape zu Hause in Benninghofen. „Ich
Eine riesige Panorama-Ansicht des Bryce Can-
„Körperlich fühle ich mich so fit wie nie“, strahlt
fühle mich sehr wohl hier, wo ich wohne“, hatte er auf
yon National Park fällt im Wohnzimmer sofort
er. Das kommt nicht von ungefähr. Fred Ape spielt
die Frage geantwortet, an welchem seiner Lieblings-
ins Auge. Erinnerung an die zahlreichen Reisen
Tennis (Ü55) und Fußball (ab und an sogar noch Be-
Dass er im Frühjahr 60 Jahre alt geworden ist, lassen allenfalls die mittlerweile grauen Haare erahnen.
zirksliga), und er fährt mehr Fahrrad als Auto. „Alles, was erreicht werden kann, mache ich mit dem Fahrrad, auch im Winter.“ Als Torwarttrainer betreut er die 1. Mannschaft des FC Brünninghausen in der Westfalenliga. Seinen Jugendtraum, Fußballprofi zu werden, ließ er mit 22 Jahren fallen. „Warum das damals nicht geklappt hat, weiß ich bis heute nicht“, schmunzelt er, noch immer von seinen Fähigkeiten als Torwart überzeugt. In jungen Jahren hat seine berufliche Laufbahn wegen dieses Traums einige Umwege genommen. „Ich war ein schlechter Schüler, habe die Mittlere Reife gerade so gepackt.“ Eine kaufmännische Ausbildung brach er nach zwei Jahren ab, als er merkte, dass ihn dieser Beruf niemals glücklich machen würde. Er ließ sich zum Krankenpflegehelfer ausbilden, auch um seinen dialysepflichtigen Bruder zu Hause pflegen zu können, und studierte schließlich Sozialarbeit, „weil das damals alle gemacht haben“. Gleichzeitig startete er seine Karriere als Musiker in der alternativen Folk-Rock-Band „Ape, Beck und Brinkmann“, die in den 1980er Jahren zu bundesweiter Bekanntheit gelangte. Sein erster und einziger Job als Sozialarbeiter führte ihn 1988 nach Schwerte, wo er drei Jahre im Kulturamt arbeitete und gemeinsam mit Herbert Hermes das „Welttheater der Straße“ aufbaute sowie die „Schwerter Kleinkunstwochen“ mit betreute. Beide Veranstaltungen sind noch heute regelmäßig Publikumsmagneten in der Nachbarstadt. „Damals kam ich zum ersten Mal mit Kulturorganisation in Berührung, die vielen Kontakte aus dieser Zeit sind für mich heute noch sehr wichtig.“ Denn Fred Ape steht nicht nur auf der Bühne, er ist auch als Veranstalter aktiv. Seit 1999 ist er zusammen mit Georg Delfmann künstlerischer Leiter des Cabaret Queue in Hörde, außerdem
4
05
ist er Organisator des „Satirischen Adventskalenders“
diskutieren wir wochenlang über einen Text, bis ein
doch lieber nicht im Internet zu machen.“ Heute kann
in Castrop-Rauxel, und der künstlerische Leiter des
Lied wie „Hauptsache“* fertig ist. Denn es muss eine
er darüber schmunzeln. „Ich lese gerne, was ich ir-
„Ruhrhochdeutsch“-Festivals, Horst Hanke Linde-
Haltung zeigen, aber auch unterhaltsam und lustig
gendwann mal geschrieben habe.“ So wie andere sich
mann, hat das Montagsprogramm im Spiegelzelt ver-
sein, dabei keinesfalls beliebig“, beschreibt Fred Ape
an Erinnerungsfotos freuen, freut sich Fred Ape an
trauensvoll in Fred Apes Hände gelegt.
die selbst gesteckten Ansprüche. „Und Feuerstein ist
Texten, die seine Befindlichkeit in einem bestimmten
so ein begnadeter Musiker, er schreibt meistens die
Moment widerspiegeln. Aber auch Texte anderer Au-
Musik dazu, und ratzfatz ist die Idee umgesetzt.“
toren haben ihm in der schweren Zeit geholfen. Ins-
Wie bekommt man all das unter einen Hut? „Manchmal geht das gar nicht alles zusammen – Auftritte, Ver-
besondere „Die Kunst stillzusitzen“ von Tim Parks hat
anstaltungen, Fußballspiele. Wichtig ist erst mal das
Fred Ape ist ein begeisterter Vielschreiber. Auf ca.
genau die Fragen gestellt, mit denen sich Fred Ape
Geldverdienen, dann kommt alles andere. Insgesamt
1.000 Liedtexte schätzt er sein Werk, doch nur ca.
auch gerade beschäftigte (siehe Seite 36).
scheint es zu reichen, auch wenn ich keine großen
10% davon sind auf die Bühne und auf CDs gekom-
Sprünge machen kann“, erklärt er ganz bodenständig.
men. „Ich sehe, wie sich meine Texte radikal verän-
Erfreulicherweise geht es seit einiger Zeit wieder
Dabei ist Fred Ape durch und durch Künstler. „Ich
dert haben vom politischen Schreihals zum Teilzeit-
deutlich aufwärts. „Ich war schon immer so ernst. Bin
bin gern auf der Bühne, spreche auch gern mit den
philosophen.“ Aus Zuschriften weiß er, dass einige
erst im letzten halben Jahr aufgetaut, das hat auch
Leuten.“ Berührungsängste kennt er nicht, der Kon-
davon für manche Menschen in einer bestimmten
mit einer Frau zu tun“, verrät er uns. „Ich fühle mich
takt mit dem Publikum nach einem Auftritt gehört
Lebensphase sehr wichtig geworden sind, was ihn
jetzt total wohl im Leben. Es ist immer ein dünnes Eis,
selbstverständlich dazu, was besonders seinen weib-
sehr anrührt. Vielleicht auch deshalb, weil er selbst
aber so wie jetzt könnte ich auch 100 werden.“ (biru)
lichen Fans gefällt. „Wir stehen hier doch nur wegen
gerade existentielle Tiefpunkte überwunden hat. Die
der Frauen“, kokettiert er auf der Bühne im Schlagab-
Ehefrau beim Sterben zu begleiten, während man mit
* In „Hauptsache, dass er kein Banker ist“ besingt
tausch mit seinem Duo-Partner Guntmar Feuerstein,
der eigenen Krebsdiagnose zu kämpfen hat, ist eine
Fred Ape die Angst eines Vaters vor dem Schwieger-
der ihn umgehend einen eitlen Fatzke nennt. „In
Belastung, die wohl jeden an die Grenze des Erträg-
sohn. Über jeden anderen Beruf und sogar ernsthafte
allem, was wir auf der Bühne machen, steckt auch
lichen bringt. „Ich bin mit meiner Tochter durch die
Verfehlungen könnte er als Vater hinwegsehen, nur
immer ein Körnchen Wahrheit“, gibt Ape zu. „Es kann
Hölle gegangen“, erinnert er sich still. „Mein Leben
darf der Auserwählte um Himmels Willen kein Banker
durchaus sein, dass ich eitel bin.“
ist eine Achterbahnfahrt, dieses Auf und Ab, beson-
sein (und nicht in der FDP).
ders körperlich, das wir durchgemacht haben.“ „Feuerstein und ich, das ist wie eine Symbiose“, schwärmt er über die Zusammenarbeit, die schon 1987
In dieser Zeit war das Schreiben für Fred Ape nicht
begann und nach fast 10jähriger Pause vor drei Jah-
nur ein künstlerischer Akt. „Ich habe ein öffentliches
ren ihre Fortsetzung fand. „Ich muss immer jemanden
Tagebuch geführt, um mir den ganzen Mist von der
haben, der mich spiegelt und kritisiert. Manchmal
Seele zu schreiben, bis mir meine Tochter riet, das
5
06
NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev
bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr unter dieser zentralen Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de | Fax: 0231 – 950 978 20
Geschäftsleitung Tanja Walter verein@bodoev.de
Kultur bei bodo
2 bezahlen, 1 geschenkt
In unserer Benefiz-Reihe „Zweiter Freitag“
Willkommen im Bücherherbst. Zeit, den Trend
freuen wir uns am 11. Oktober auf ein wunder-
zum Zweitbuch sogar zu überbieten, findet un-
bares Team: Rainer Holl und „Call me Mary“.
ser Buchteam. Wer an den Samstagen im Ok-
Rainer Holl ist Autor, Slammer, „Automatopoet“,
bekommt das günstigste umsonst!
Verwaltung
dreimaliger Dortmunder Poetry-Slam-Stadtmeis-
Brigitte Cordes
ter und Les.Art-Preisträger für junge Literatur.
Das Angebot gilt für das gesamte Ladensortiment,
info@bodoev.de
„Call me Mary“ sind Katharina und Feliks, ein
ohne die preisgebundenen Neubücher. Hier kann
Dortmunder Indie-FolkRock-Duo mit dem Ziel zu
richtig gespart werden, denn das Angebot schließt
beweisen, dass es eigentlich nicht mehr als zwei
unsere hochpreisigen Gebrauchtbücher mit ein. Im
aufmerksame Musiker braucht, um ein schlichtes
November werden wir unsere Kilopreis-Aktionen
Lied zu einem wirklich guten Song zu machen.
wiederholen. Auf großen Sonderflächen wird es
Gitarre, Schlagzeug, Herzblut und der Mut zur
samstags Bücher für 1,99 Euro das angefangene
Schlichtheit. Beginn ist 19.30 Uhr, der Eintritt
Kilo geben. Darf‘s ein bisschen mehr sein? Also:
ist frei, über eine kleine Spende für unsere Bera-
Kaufen Sie jetzt die Teuren und nächsten Monat
tungsangebote freuen wir uns.
die Leichten, empfiehlt die Redaktion.
Und noch ein kleiner Ausblick: Der November wird
Passend zur Frankfurter Buchmesse finden Sie in
einen vorläufigen Höhepunkt für unseren Buchla-
unserem Buchladen eine ganze Reihe Bücher von
Vertrieb
den als Kulturort bilden. Am „Zweiten Freitag“, dem
AutorInnen der Shortlist zum Deutschen Buch-
Oliver Philipp
8. November wird die Literaturinitiative „Treibgut“
preis. Unsere Auszubildenden und die Redaktion
vertrieb@bodoev.de
mit dem Autor Hannes Oberlindober zu Gast sein.
werden am 9. Oktober nach Frankfurt fahren und
Am 29. November freuen wir uns auf ein exklusives
mit vielen Geschichten und vielleicht der einen
Konzert des Ingenieurs, Musikers, Programmierers,
oder anderen größeren Buchspende zurückkom-
Filmemachers und fantastischen Menschen Ilias
men. Unser Buchsortiment und die große Abtei-
Ntais. „radioaisle“ heißt sein Projekt – ein Ereignis!
lung antiquarischer Bücher finden Sie in unseren
Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit Bastian Pütter redaktion@bodoev.de
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Suzanne Präkelt
Und am 14. November präsentieren wir voller Stolz
buch@bodoev.de
eine Lesung der drei PreisträgerInnen des Adel-
Apropos Auszubildende: Wir gratulieren Julia
bert-von-Chamisso-Literaturpreises 2013: Marjana
Cöppicus herzlich, die als bodo-Auszubildende
Gaponenko, Anila Wilms und Matthias Nawrat le-
von der IHK Dortmund geehrt wurde: als Absol-
sen in unserem Buchladen.
ventin mit Abschlussnote Eins!
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Transporte und Sachspenden Brunhilde Dörscheln transport@bodoev.de
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tober in unserem Buchladen drei Bücher kauft,
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07
Stadtführung in Bochum
Stadt für alle
Rechte Gewalt in Dortmund
„Es war eine Erfahrung, die unter die Haut
„Interventionen für ein Recht auf Stadt“ hieß
Am 31. August demonstrierte die Nazi-Partei
ging“, hieß es zuletzt im Onlineportal der Wo-
die Aktionskonferenz, die am 28. September im
„Die Rechte“, Sammlungsbewegung gewalt-
chenzeitung „Der Freitag“ über unsere Stadt-
Bochumer Bahnhof Langendreer stattfand.
bereiter Neonazis, in Dortmund. Zum von den
führung. Inzwischen haben verschiedene Medien die Führung begleitet und zeigten sich durchweg beeindruckt vom Blick unserer Stadtführer auf „das andere Bochum“.
In der Reihe „Interventionen – Stadt für alle“ organisierte der Bahnhof Langendreer seit März gemeinsam mit verschiedenen Initiativen aus dem Ruhrgebiet eine ganze Reihe von Veranstaltungen.
Wir freuen uns, mit unserem Bochumer Verkäufer
Wir berichteten z.B. ausführlich über einen kont-
Sascha zusätzlich zu Markus wieder einen zweiten
roversen Rundgang durchs Bermudadreieck mit Dr.
Stadtführer zu haben. Bei unserer Führung im Sep-
Arnold Voss und Wolfgang Wendland und organi-
tember haben sich die beiden bereits wunderbar
sierten selbst mit dem Urbanisten e.V. eine her-
ergänzt. Da uns die Volkshochschule Bochum in ihr
vorragend besuchte Nordstadt-Führung.
Programm aufgenommen hat, finden inzwischen Interessierte auch über diesen Weg zu uns.
Bei der Konferenz – die leider weit hinter unserem Redaktionsschluss lag – hielt bodo-Redaktionslei-
Wie an jedem dritten Samstag findet auch am
ter Bastian Pütter einen Workshop mit dem Titel
19.10. um 11 Uhr wieder eine Stadtführung statt.
„,Geht das hier noch?‘ – Öffentlicher Raum und
Wer teilnehmen möchte, melde sich kurz unter
das Recht auf Stadt“. Gemeinsam diskutierten wir
0234 – 68 07 72 an. Treffpunkt ist unsere An-
Privatisierung und Entmischung, Reglementierung
laufstelle in der Stühmeyerstraße 33. „Teilnahme-
und Überwachung, die unsere Städte neu struk-
gebühr“ ist der Kauf eines Straßenmagazins bei
turieren, und fragten nach Handlungsspielräumen
einem unserer Stadtführer. Im Anschluss gibt es
und Feldern für Interventionen.
heiße oder kalte Getränke bei bodo und Gelegen-
Nazis okkupierten „Antikriegstag“ kamen mit knapp 400 Teilnehmern deutlich weniger als erwartet. Mit einem desaströsen Ergebnis bei der Bundestagswahl kann der Plan, sich als rechtsextreme Alternative zur NPD zu etablieren, zudem als gescheitert gelten. Unverändert hoch bleiben das Gewaltpotenzial und die rechtsterroristische Gefahr. Gegen Ende der Demonstration warf ein Neonazi einen Böller auf die Gegendemonstranten und verletzte die Landtagsabgeordnete der Piraten Birgit Rydlewski und vier weitere Personen (Bild) direkt in unserer Nähe. Nach einer Hausdurchsuchung in BadenWürttemberg in der Wohnung des Täters geht die Polizei davon aus, dass er zu einer Gruppe Neonazis gehört, die Sprengstoffanschläge mit präparierten Modellflugzeugen geplant hat. Darüber hinaus ist die Beteiligung Dortmunder Neo-
Einen ärgerlichen konkreten Bezug fand die Veran-
nazis am NSU-Mord am Dortmunder Mehmet Kubasik
staltung, weil im September die Vermieterin unse-
Thema im Prozess gegen Beate Zschäpe. Wie berich-
Die Tour, die den Alltag von Menschen ohne Woh-
rer befreundeten Berliner Straßenzeitung „stras-
tet wurde ein Briefwechsel zwischen Zschäpe und
nung beschreibt und Hilfs- und Versorgungsan-
senfeger“ mit dieser Begründung kündigte: „Die
dem Dortmunder Nazi Robin Sch. entdeckt, Zeugen
gebote vorstellt, führt diesmal auch am Rathaus
Wohnsituation hat sich im Laufe der letzten Jahre
haben das NSU-Trio mit Begleitung in Dortmund ge-
vorbei. Auf dem monatlichen Rathaus-Flohmarkt
im Prenzlauer Berg so verändert, dass es uns nicht
sehen. Mit 293 politisch motivierter Straftaten von
haben wir ab jetzt auch einen Stand mit guten
mehr möglich ist, ein Projekt Ihrer Art in unserem
rechts in 2012 und 89 Straftaten im ersten Halbjahr
Büchern und schönem Trödel. Besuchen Sie uns!
Objekt zu halten.“
2013 liegt Dortmund an erster Stelle in NRW.
heit zum Austausch.
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7
08 REPORTAGE | von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski
»Es ist dann zufälligerweise Deutschland geworden.« Tamilen in Dortmund In den 1980er Jahren flüchteten viele Tamilen vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka nach Deutschland. Mittlerweile hat die hiesige Gemeinde eine beträchtliche Größe: rund 50.000 Tamilen leben in Deutschland, allein 30.000 davon in Nordrhein-Westfalen. Unter den Migranten gilt die tamilische Gemeinde als gut integriert, was zum Teil am historischen Status der Kolonisierung liegt: der Inselstaat im Indischen Ozean ist seit 400 Jahren geprägt von europäischen Einflüssen. Zu Beginn war die Eingewöhnung, der Wechsel von einem Land ins andere, schwer. Das sagt Jeyakumaran Kumarasamy, ein Mann, der überall nur ‚Kuma’ genannt wird. Er ist Mitglied des Integrationsrates in Dortmund und vor über 30 Jahren nach Deutschland gekommen. „Wir lebten unter erschwerten Lebensumständen im Norden von Sri Lanka und ich wollte einfach nur weg. Ich hatte kein Wunschland, wo ich gerne hin wollte. Es ist dann zufälligerweise Deutschland geworden, als ich im Jahr 1981 hier angekommen bin.“ Das Zusammenleben gelingt am besten, wenn man sich weltoffen zeigt, meint Kuma: „Für mich ist ein absoluter Pluspunkt, dass meine Frau eine Deutsche ist. Durch sie habe ich unglaublich viel kennengelernt, was mir den Einstieg in dieses Land erleichtert hat. Das gebe ich natürlich auch gerne als Beispiel an meine tamilischen Landsleute weiter. Kommunikation spielt einfach eine große Rolle.“ Ω Tamilische Geschäfte und Restaurants prägen das Dortmunder Unionviertel.
¬ Jeyakumaran Kumarasamy, Mitglied des Integrationsrates in Dortmund, ist vor über 30 Jahren nach Deutschland gekommen.
»Denn Bildung ist wichtig.« Diese Offenheit bei gleichzeitiger Bewahrung der eigenen Kultur liegt für Kuma teilweise in der Kolonialzeit begründet: „Tamilen haben besondere Anpassungsfähigkeiten, weil wir durch die Kolonialmächte gewohnt waren, uns mit europäischen Einflüssen vertraut zu machen. Seit dem 16. Jahrhundert wurden große Teile der Insel zuerst von den Portugiesen, dann von den Niederländern und anschließend von den Engländern besetzt. Zu dieser Zeit waren die Menschen auf Sri Lanka bereits sehr gut gebildet und das ist so geblieben. Wenn Tamilen heute in anderen Teilen der Welt zu finden sind, ist auch gleich klar, dass sie dort in erster Linie wegen höherer Bildungsstandards sind. Denn Bildung ist wichtig!“ Es klingt wie eine Binsenweisheit, doch Kuma unterstreicht noch einmal seine Haltung: „Durch höhere Wissensstandards kann man eine bessere Lebensqualität erreichen, das ist zumindest für mich immer ein wichtiges Ziel gewesen. Bundesweit haben wir über 150 Einrichtungen, die sich mit der tamilischen Bevölkerungsgruppe beschäftigen, und oft zeigt sich hier, dass diese Leute von Grund auf gewillt, sind Deutsch zu lernen, die Sprache gut zu sprechen und uns auch Eigenheiten der deutschen Kultur näherzubringen.“ Neben Deutschland sind es vor allem noch Kanada, Südafrika, die Schweiz und Großbritannien, wo die tamilische Kultur in den letzten 30 Jahren heimisch geworden ist.
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Flucht, Asyl und neue Heimat 1983 ist das entscheidende Jahr für die tamilische Auswanderung. Damals begann der Kampf der „Liberation Tigers of Tamil Eelam” (LTTE) – kurz: „Tamil Tigers”, einer paramilitärischen Organisation, die bis ins Jahr 2009 einen blutigen Bürgerkrieg in Sri Lanka führte. Hierbei ging es um die Unabhängigkeit des von den Tamilen dominierten Nordens und Ostens des Heimatlandes, der vom Rest der Insel separiert werden sollte. Die meisten Tamilen sind Hindus, die singhalesische Mehrheit auf Sri Lanka ist mehrheitlich buddhistisch. Der Konflikt eskalierte, bis zu 100.000 Menschen kamen zu Tode. Viele mitteleuropäische Behörden mussten Mitte der 1980er Jahre ein spezielles Flüchtlings-Gremium bilden, das sich mit dem unerwarteten Zustrom tamilischer Flüchtlinge befasste. Auch Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit waren schon damals an der Tagesordnung, natürlich auch im Ruhrgebiet und auch in Dortmund. Hat die tamilische Gemeinde Angst vor fremdenfeindlichen Angriffen? „Bis jetzt nicht“, sagt Kuma und leitet geschickt über, was die Vorzüge seines Kulturvereins, der TK Dortmund, sind: „In unserer Organisation unterrichten wir einen speziellen Sprach- und traditionellen Musikunterricht. Zu uns kommen vor allem Jugendliche, die schätzungsweise zu etwa 250 Dortmunder Familien gehören. Allgemeine Treffen gibt es auch, da erklären wir dann spezielle, deutsche Eigenheiten. Zum Beispiel die Bundestagswahl – und erklären dann, warum es wichtig es ist, dass die Bürger zur Wahl gehen.“ Dadurch, dass Deutschland in starkem Maße an Überalterung und Geburtenmangel leidet, wird selbst von Konservativen eine Zuwanderung von qualifizierten Migranten befürwortet. Wie solch eine Kultur das Stadtbild von Ruhrgebiets-Metropolen in der Zukunft prägen wird, ist unklar. Jeyakumaran Kumarasamy sagt: „Ich gehe davon aus, dass noch mehr Deutsche hier wegziehen, und wo dann Platz ist, kommen die Migranten rein. Man versteht bis heute ja nicht ganz, warum die Deutschen weggehen – das müsste man auch mal klären. Viele Migranten sind hier gut integriert.“ Doch der Weg in das öffentliche Bewusstsein war für die Tamilen-Community mit vielen Schwierigkeiten behaftet: „Unser Verein ist 1992 gegründet worden, und seitdem probieren wir eine Brücke zu bauen, die zwischen tamilischer und deutscher Kultur einen Dialog betreibt. Aus meiner Perspektive muss ich leider auch zugeben, dass unsere Bestrebungen bis zum Jahre 2009 nicht besonders von Erfolg gekrönt waren. Wir waren bis vor vier Jahren eher Einzelkämpfer.“ Mit Ulrich Sierau als Oberbürgermeister sei die Gemeinde allerdings mehr in den Fokus gerückt.
Selbsthilfe und Selbstorganisation Eine direkte Verbindung zu den Einheimischen aufzubauen, ist und bleibt ein schweres Stück Arbeit. „Es gibt in Dortmund das Haus der Vielfalt“, sagt Kuma und ergänzt: „Das wird von der Stadt Dortmund unterstützt. Rund 40 Völkergruppen und Vereine sind da unter einem Dach organisiert, auch Türken, Bosnier, Inder, viele afrikanische Staaten. Innerhalb dieses Hauses verstehen sich alle sehr gut, obwohl es natürlich weitreichende Sprachbarrieren gibt. Dadurch ist man automatisch gezwungen, deutsch zu sprechen. Und viele erfahren so auch direkt, dass das eine Notwendigkeit ist, um hier besser Fuß zu fassen.“ Ein wilder Wust aus Paragraphen und unzähligen Gesetzen erschwert den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Durch einen verschärften Asylbewerberstatus wurde gerade jungen Tamilen oftmals nicht einmal gewährt, die Stadtgrenzen zu verlassen. Im schlimmsten Falle wurde man zurück in die Heimat abgeschoben. Dass von Land und Kommune aus viel für Migranten getan werde, kann Kuma nicht unbedingt bestätigen. Die tamilische Gemeinde kompensiert das seit jeher mit Selbsthilfe und Selbstorganisation. Jeyakumaran Kumarasamy sagt: „Die Institutionen, die von der Stadt Dortmund gesteuert werden, machen meiner Meinung nach seit 25 Jahren so gut wie gar nichts – und vom Land NRW gibt es auch erst seit rund zwei Jahren ein größeres Interesse. Gerade wenn man bedenkt, dass 30 Prozent der Einwohner in Dortmund einen Migrationshintergrund haben, steht das in keinem besonders guten Verhältnis. Gerade Rumänen und Bulgaren haben hier noch nicht einmal einen ansässigen Kulturverein, mit dem man in der Lage wäre, etwas zu steuern oder auf den Weg zu bringen. Dabei gibt auch immer wieder gute Sachen innerhalb von allen möglichen Migranten-Communities, die echt vorzeigbar sind.“ (Peter Hesse) 10
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SOZIALES | von Martin Niewendick | Fotos: MaxBryan.com
Reise mit Happy End
„Wir haben keine Chance, aber wir nutzen
Frau war 95 Jahre alt, da tat sie mir leid“, sagt
Durch seinen Buchvertrag kann er nun endlich
sie“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Max
Bryan. Nach ein paar Nächten im Hostel landete
seine Mietkosten decken, ist wieder krankenver-
Bryan hat sie genutzt. Vor zweieinhalb Jahren
er endgültig auf der Straße.
sichert. Er hat es geschafft. „Eine Chance zu bekommen und etwas daraus zu machen, sind zwei
landete der 38jährige auf der Straße. Bryan wollte sein Schicksal nicht hinnehmen. Also
Seine Waffe ist die Öffentlichkeit. Bereits vor
verschiedene Dinge“, sagt er. Er möchte Vorbild
setzte er sich auf sein Fahrrad und radelte
seiner Obdachlosenzeit war er begeisterter „Ta-
sein für Leute, „die den Glauben an das Glück
los, fotografierte und schrieb über sein Leben
gebuchfilmer“, wie er es nennt. Auch auf der
verloren haben.“
draußen. Nun hat er einen Buchvertrag unter-
Straße waren Kamera und Laptop seine ständi-
schrieben. Die Geschichte einer langen Reise
gen Begleiter. Er interviewte die Menschen, die
Bis Februar soll sein Buch fertig sein. Um die
mit Happy End.
mit ihm auf der Straße lebten, um über ihre Le-
Vertragsunterzeichnung zu feiern, lud Bryan Freunde und Unterstützer zu einer Feier auf den
Max Bryan hat es geschafft. Nach Jahren der
Bauernhof ein. „Es war großartig“, erzählt er.
Obdachlosigkeit, ohne Einkommen, ohne Per-
„Aus allen Himmelsrichtungen sind Leute ge-
spektive, ist er endlich am Ziel. Ein Verlag ist
kommen, die mich sonst nur von Fotos kannten!“
auf seine Tagebucheinträge auf Facebook auf-
Viele von ihnen hätten ihm gesagt, wie sehr Bry-
merksam geworden. Nun soll er seine Geschichte
ans Einträge ihnen Mut gemacht haben. Auch die
auf 400 Seiten zusammenpressen. „In den letz-
„Gutsituierten“ unter ihnen.
ten drei Jahren ist soviel passiert“, sagt Bryan im Gespräch mit bodo. „Da werde ich mich
Seine alten Freunde von den Straßen Hamburgs
von einigen Storys trennen müssen.“ Schreiben
hat er nicht vergessen. So wichtig es ihm ist,
und Filmen ist seine Passion. Die Erleichterung
dass Nicht-Betroffene sein Buch lesen, so wichtig ist es ihm auch, dass er Menschen in Obdach-
merkt man ihm an. bensrealität zu berichten. Auf Facebook richtete
losigkeit erreicht. „Die Leute sollen mein Buch
Er will den Unsichtbaren ein Gesicht und eine
er ein Online-Tagebuch ein. Bald entdeckten ihn
lesen und sehen: Wenn man sein Glück sucht,
Stimme geben. Menschen, die die Gesellschaft
die Medien und berichteten über „Deutschlands
kann man es auch finden. Aus dem Teufelskreis
abgeschrieben haben, weil die Gesellschaft sie
bekanntesten Obdachlosen“. Vitali Klitschko lud
der Obdachlosigkeit auszubrechen, liegt in der
abgeschrieben hat. Die man höchstens aus dem
ihn zu sich ein, im neuen Roman von Matthias
Initiative jedes Einzelnen.“ Vor allem auf eine
Augenwinkel wahrnimmt, vielleicht, weil man
Matussek kommt er in einer Nebenrolle vor.
Sache freut sich Max Bryan besonders: „Sollte ich es zu etwas bringen, würde ich gerne in mein
den Anblick nicht erträgt. Menschen ohne fesIm November 2011, seine Hoffnung auf eine
altes Eck in Hamburg und gucken, wer da noch
feste Bleibe in Hamburg war endgültig versiegt,
ist. Denen will ich dann ihren Anteil am Bucher-
Bryan wurde einer von ihnen, als seine Vermie-
war er losgeradelt. Irgendwo, so dachte er, wür-
lös in die Hand drücken. Schließlich geht es in
terin ihm im März 2011 kündigte, wegen „Eigen-
de er schon etwas finden. Seinen Laptop nahm er
meinen Geschichten um sie.“
bedarf“, wie es auf Juristendeutsch heißt. Die
mit. Es wurde eine 1.000 Kilometer lange Reise
(Martin Niewendick)
Eigentümerin wollte das Haus verkaufen. Bryan
quer durch die Republik. Auf einem Bauernhof
hat sich nicht gewehrt. „Klar hätte ich mich da
im hessischen Steinfurth fand er schließlich
noch drei Jahre durchklagen können, aber die
eine Unterkunft. Bryan lebt immer noch dort.
ten Wohnsitz.
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RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke
Kein Schadensersatz bei Verlust des Verzehrchips
KULTUR | von Bastian Pütter | Foto: Christiane Marowski
One Man Show Markus Veith macht Theater
Ein Familienbesuch im Freizeitpark ist unter-
In der bodo-Kulturreihe „Zweiter Freitag“ hatte
arbeit. Und einige hundertmal verkauft. „Ja, das
haltsam – und kostspielig. Zwar liegen die
Markus Veiths „Eulenspiegels Enkel“ im März
waren schon harte Jahre“, sagt Veith. „Ich kenne
Eintrittspreise für Kinder in der Regel deut-
Premiere. Am 18. Oktober füllt der Schauspieler
das, mit fünf Pfennig in der Tasche tagelang durch
lich unter denen für Erwachsene. Allerdings
und Regisseur die Dortmunder Schauburg. Auf
die Stadt zu laufen. Und irgendwann mit über Drei-
gilt man in manchen Parks bereits erstaun-
der Bühne: nur er selbst, wenige Requisiten und
ßig geht Dir das schon an die Nieren.“
lich früh als Erwachsener: zum Teil bereits
ein Held, mit dem er durchaus das eine oder
ab 12 Jahren.
andere gemeinsam hat. bodo sprach mit dem
So lange die Durststrecke auch währte, eine Rück-
Dortmunder über Durststrecken, Reimzwang
kehr in den gelernten Beruf kam nicht in Frage.
und Fähnchen auf einer Landkarte.
Statt dessen wurde Veith zum Handlungsreisenden
Doch so richtig teuer sollte es nach der Vorstellung des Betreibers eines im Süddeutschen gelegenen Freizeitparks werden, wenn der Kunde den am Einlass ausgeteilten Verzehrchip verloren haben und beim Verlassen des Parks nicht mehr vorweisen können sollte: 150 Euro Schadensersatz für Erwachsene und 35 Euro für Kinder waren dafür im Kleingedruckten vorgesehen. „Zuviel!“ – meinte jedenfalls ein Verbrau-
in Sachen Kultur und spielte auf jeder noch so Markus Veith hat Gärtner gelernt, arbeitete als To-
kleinen Bühne. „Ich habe in meiner Küche eine
tengräber für die Stadt Dortmund und pflanzte Blu-
Deutschlandkarte, auf der ich meine Auftrittsorte
men im Westfalenpark. Doch eigentlich zog es ihn
mit einem Fähnchen markiere. Die ist inzwischen
zur Literatur und auf die Bühne. Nach ersten Rollen
ziemlich flächendeckend gefüllt“, schmunzelt er.
an kleinen freien Bühnen dann der Sprung ins kalte Wasser. „Als ich mein erstes richtiges Engagement
Als das Angebot kam, beim Fränkischen Thea-
hatte, kündigte ich meinen Job. Eine sichere An-
tersommer – einem Festival mit immerhin 72
stellung im öffentlichen Dienst immerhin.“
Spielorten – erst zu spielen und dann zu inszenieren, griff Veith zu. Inzwischen verbringt er als
cherschutzverein und verklagte den Betreiber des Freizeitparks auf Unterlassung,
Er spielte in kleinen Ensembles, machte Kinderthe-
Schauspieler, Autor und Regisseur vielbeschäftigt
er solle die Schadensersatzklausel nicht
ater und stellte seine ersten Bücher gleich ganz
die Sommermonate in der Fränkischen Schweiz, an
mehr verwenden. Das Brandenburgische
alleine her: eine Novelle, Kurzgeschichten, Lyrik,
verwunschenen Spielorten wie dem „Garten der
Oberlandesgericht gab dem Verbraucher-
ein Theaterstück, gedruckt und gebunden in Hand-
historischen Ochsenmühle“ in Klosterlangheim.
schutzverein Recht. Erstens überstiegen nach Ansicht des Gerichts die geforderten 150 Euro den gewöhnlichen Schaden. Die Richter meinten, es sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwarten, dass ein Erwachsener für 150 Euro Speisen und Getränke verzehre. Zwar bestünde theoretisch das Risiko des Missbrauchs, wenn Gäste oder Finder des Chips das Guthaben ausreizten. Allerdings erklärte der Parkbetreiber, dass lediglich in 0,001 Prozent der Fälle Kunden in Höhe der Pauschale in Anspruch genommen worden seien. Zweitens missfiel den Richtern, dass die Zahlungsverpflichtung unabhängig davon bestehen soll, ob den Kunden ein Verschulden für den Verlust des Chips trifft oder nicht. Das Gericht führte aus, dass der Kunde für den Fall, dass er den Verlust des Chips nicht zu verschulden habe, das Recht haben müsse, dies nachzuweisen, um einer Zahlungsverpflichtung zu entgehen. Folge des Urteils: Die betreffende Schadensersatzklausel ist komplett unwirksam. Das Urteil ist übrigens auch für Diskothekenbesucher (und -betreiber) interessant. (rb) www.kanzlei-boyke.de 12
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WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast
wildkraeuter.bodo/35_wilde_moehre/ Dem griechischen Philosophen Sokrates
ten anzulocken, die den auffallenden
wurde seinerzeit unterstellt, neue Götter
Punkt für ihresgleichen halten, dort lan-
ein- und die Jugend mittels seiner Reden
den, herumkrabbeln und bei der Bestäu-
verführen zu wollen. In der ersten Demo-
bung helfen.
In Oberfranken erhielt Veith vor zwei Jahren
kratie auf diesem Planeten reichte das, ei-
auch den Auftrag, Wilhelm Busch auf die Bühne
ner Verurteilung zum Tode ins Auge sehen
zu bringen und entschied sich für einen eigenen
zu dürfen. Sokrates hätte sich ins Ausland
Zugang. Statt eines Rezitationsabends schlüpfte
absetzen können, aus Respekt vor den Ge-
er selbst in die Rolle des großen Humoristen,
setzen aber machte er von sich bietenden
schrieb und inszenierte ein Solostück, in dem
Fluchtmöglichkeiten keinen Gebrauch.
der Dichter selbst spricht – durchweg in Versen
Er glaubte an sein Land, akzeptierte die
im unverkennbaren Busch-Ton.
Spielregeln, konnte die Art seiner Hinrichtung frei wählen und entschied sich
Das zweite Charakteristikum ist die nestartige Form der Fruchtstände nach der Blüte. Von diesen sollten Sie mehr sammeln, als für das bodo-OktoberRezept gebraucht werden. Man kann die Samen trocknen und verwenden, wenn draußen jahreszeitbedingt nicht mehr viel zu holen ist.
„Theater in Reimen ist nun wirklich nicht ,en
für den Schierlingsbecher. Schierling ist
Heuer benötigen Sie außerdem Blüten der
vogue‘“, sagt Veith. „Aber das hat mich gereizt.
giftig, richtig giftig. Der Doldenblütler
Schafgarbe. Man findet sie oft an gleichen
Wenn man Busch liest, haben diese Texte auch
enthält Coniin, welches den menschli-
Standorten wie die Wilde Möhre. Schaf-
etwas Gegenwärtiges, Echtes, das wollte ich auf
chen Körper fußaufwärts lähmt, was bei
garbe hat einen strengen Geschmack. Ver-
der Bühne probieren.“ Und es gelang „mit schö-
entsprechender Dosierung zum Tod durch
wendet man sie sparsam, kann sie jedoch
nem Erfolg“, wie er sagt und dem Höhepunkt,
Ersticken führt. Bei vollem Bewusstsein.
viele Speisen bereichern, wie auch dieses
an Buschs Geburtstag in dessen Geburtshaus in Wiedensahl vor Experten und Nachfahren des Dichters zu spielen und frenetisch gefeiert zu werden. „Das war magisch und wirklich so etwas wie ein Ritterschlag.“ Seit zwei Jahren tourt er nun als Wilhelm Busch durch die Republik. „Der Eulenspiegel war dann die logische Konsequenz“, sagt Veith. „Ich habe in Mölln Kindertheater gespielt und blickte so über die Stadt mit ihren Parabolantennen, da war die Idee geboren.“ Auch Erasmus, „Eulenspiegels
Schierling hat in diesem Kontext einen Platz im Sprichwörtlichen gefunden. Dorthin haben es nur wenige Wildkräuter
ebenso feine wie herzhafte Herbstgericht: Sellerie, gewürzt mit Samen der Wilden Möhre und einer Schafgarbe-Sahnesauce.
geschafft. Der grüne Klee, über welchen
Für letztere dünsten Sie eine Zwiebel,
gelobt wird, die Nesseln, in die sich wer
gehackt, und drei Handvoll Schafgarben-
setzt. Edward Snowden zum Beispiel, Bür-
blütenstände in Öl und Butter an. Lö-
ger einer aktuellen Demokratie, welche
schen Sie die Mischung mit 1/4 Liter tro-
mit Todesurteilen ebenfalls nicht geizt.
ckenem Weißwein ab und lassen Sie das
Da dem Computerexperten sein Leben lieb
Ganze etwa fünfzehn Minuten köcheln.
ist, hat er sich aus dem Staub gemacht.
Anschließend durch ein Sieb gießen, die
Verdenken kann ich es ihm nicht.
Blütenstände ausdrücken. 400g Sahne zugeben, bei mittlerer Hitze reduzieren und
Enkel“, spricht in Reimen. Jedoch weil er muss.
Mir ist mein Leben ebenfalls lieb. Wenn
Als Opfer einer unerbittlichen bildungsbürger-
ich mit Wildkräutern koche, dann ohne
lichen Lyrik-Erziehung hat er so etwas wie eine
Schierling. Es gibt Kochbücher, in denen
Zwangsstörung entwickelt. Erasmus nimmt die
diverse essbare Doldenblütler nicht er-
Außenseiterrolle an und wird ein moderner
wähnt werden, da sie mit ihm verwechselt
Eulenspiegel, der nach tiefem Sturz schließlich
werden könnten. Bei der Wilden Möhre
da landet, wo es zu befürchten war: erst in Talk-
besteht die Gefahr nicht, sie besitzt zwei
Schneiden Sie eine Sellerieknolle in relativ
shows, dann in der Politik.
Merkmale, an denen sie gut zu erkennen
dünne Scheiben und schichten Sie diese,
ist. Nicht immer, aber doch häufig, bildet
abwechselnd mit der Käsemischung, in
So furios und pointenreich das Stück ist, so böse
sie inmitten ihrer aus vielen weißen Ein-
eine gebutterte Auflaufform. Mit der Sauce
und politisch aktuell ist es auch, wie einst das
zelblüten bestehenden Dolde eine dunkle
übergießen und bei 240 Grad im vorgeheiz-
historische Vorbild. „Auch gutes Kabarett hält
Scheinblüte heraus. Das ist ein verdammt
ten Backofen 45 Minuten garen. (wk)
den Spiegel vor: ,Seht mal, was ihr da macht!'“,
cleverer Trick der Pflan-
sagt Markus Veith. „Das Lachen, das im Halse
ze, fliegende Insek-
mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken. Derweil mörsern Sie fünf Esslöffel frischen, noch grünen Samen der Wilden Möhre und mischen ihn unter 150g geriebenen Greyezer.
steckenbleibt, ist die wirkungsvollste Form von Humor.“ (bp)
INFO Am 18. Oktober ist Eulenspiegels Enkel in der Dortmunder Schauburg in der Brückstraße zu sehen. bodo verlost 2 x 2 Karten (s.S. 21). Die Buchfassung ist im Dortmunder OCM-Verlag erschienen und kostet 10 Euro.
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REPORTAGE | von Stefan Laurin | Fotos: Daniel Sadrowski
Ungeliebte Nachbarn Roma in Duisburg Duisburg w채chst: Dank der ungebrochenen Zuwanderung aus Bulgarien und Rum채nien hat die Stadt nach Jahrzehnten des Einwohnerverlustes den Trend umgekehrt. Die Freude dar체ber h채lt sich indes in Grenzen.
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Duisburg im August 2013. Nicht weit entfernt
Beschimpfungen aus vorbeifahrenden Autos
zug entstanden waren, hätte bewältigen können:
von den vor allem von Roma bewohnten Häusern
zeigte, rund um die Uhr zu schützen, gründe-
Es sah Sprachkurse für die Erwachsenen vor, zu-
„In den Peschen“ hält die rechte Splittergruppe
te sich eine Nachtwache, die die Häuser vor
sätzliche Schulklassen, Hilfen bei der beruflichen
Pro Deutschland eine ihrer Wahlkampfkundge-
Überfällen von Rechtsradikalen schützen wollte.
Eingliederung, medizinische Unterstützung und
bungen ab. Pro Deutschland setzt bei seinen
Als es nach einer Bürgerversammlung zum Thema
Kinderbetreuung sowie Maßnahmen zur Verbes-
Kundgebungen auf Konflikt und Protest, hält sei-
Roma zu einer Schlägerei kam, war die Lage end-
serung der Wohnsituation der Roma. 18 Millionen
ne meist noch nicht einmal von zehn Anhängern
gültig eskaliert. Eine Situation war entstanden,
sollte seine Umsetzung kosten – Geld, das die
besuchten Veranstaltungen vor Moscheen, linken
die gut hätte verhindert werden können.
Stadt Duisburg nicht alleine aufbringen konnte.
Zentren und Häusern ab, die von Asylbewerbern
Eine Million hat Duisburg zur Verfügung gestellt.
oder Roma bewohnt werden. Lars Seidensticker,
Gut 7.000 Roma sind in den vergangenen Jahren
Zusätzliche Hilfen vom Bund und von der Europä-
der „Generalsekretär“, wandte sich an die meh-
nach Duisburg gezogen. Der Grund ist der gute
ischen Union flossen bislang nicht, das Land
rere Hundert zählenden Gegendemonstranten,
Ruf, den die Stadt als Industriezentrum zu-
organisierte aus den verschiedenen Fördertöpfen
hetzte über „klauende Zigeuner“ und empfahl
mindest im Südosten Europas noch zu haben
in diesem Jahr sieben Millionen.
für deren Kinder einen verpflichtenden Musik-
scheint. Viele hofften auf Arbeit ausgerechnet in
unterricht, denn solange sie ein Instrument in
einer Stadt, die nach Jahrzehnten des wirt-
Geld, das nicht reicht. Es reicht nicht, um die
den Händen hielten, könnten sie nicht mit Kot
schaftlichen Niedergangs durch hohe Arbeitslo-
Roma vernünftig unterzubringen. Und es reicht
werfen. Selbst für Seidensticker ist die Rede ein
sigkeit und einer hohen Verschuldung geprägt
nicht, um allen Kindern einen Schulplatz zu
Tiefpunkt – mit Provokation kämpft er vergebens
ist. Ihre Versorgung überlastet die Stadt: Sie hat
garantieren und ihre Gesundheitsversorgung
gegen seine Bedeutungslosigkeit an.
nicht genug Schulplätze für die Kinder, nicht
sicherzustellen. Duisburgs Integrationskonzept,
genug Geld für Sozialarbeiter oder Ordnungskräf-
mit dem die Stadt einen vernünftigen Plan
Doch nicht nur rund um Seidensticker und seine
te, die sich darum kümmern, dass die Neuzuwan-
vorgelegt hatte, um die später eingetretene Es-
wenigen, oft erschütternd heruntergekommen
derer nicht in heruntergekommen Häusern von
kalation zu verhindern, war am Land, dem Bund
wirkenden Anhänger, hat sich der Protest gegen
Vermietern ausgenommen werden.
und der EU gescheitert. (Stefan Laurin)
Rechts versammelt. Auch direkt vor der Wohnanlage In den Peschen hat der DGB eine Bühne
Wie in der Dortmunder Nordstadt werden im Duis-
aufgebaut. Duisburg zeigt Flagge gegen Rechts
burger Stadtteil Hochfeld einzelne Matratzenplät-
– auch vor den als „Problemhäusern“ geltenden
ze für mehrere hundert Euro im Monat vermietet.
verklinkerten Hochbauten in Rheinhausen aus
Auf einem „Arbeiterstrich“ suchen Roma-Männer
den sechziger Jahren.
nach Jobs. Viele von ihnen sind Strandgut der seit 2008 währenden Wirtschaftskrise, weiß der
Doch wie es das tut, zeigt das Dilemma der
Pfarrer Heiner Augustin, der vor seiner Zeit in
Stadt: Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link
Rheinhausen in Hochfeld arbeitete und engen
∆ Der Blick auf die Fremden:
(SPD) stellt sich nicht nur routiniert gegen die
Kontakt zu vielen Roma-Familien hat: „Viele, die
Im bürgerlichen Wohnquartier trennt
Rechten und sagt, was man zu solche Anlässen
heute in Duisburg leben, haben früher in England
nur die Straße Alteingesessene und
nun einmal sagt: dass Duisburg eine toleran-
oder Spanien gearbeitet. Sie waren auf dem Bau,
Neuzuwanderer.
te Stadt sei und die natürlich keinen Platz
in der Landwirtschaft oder in der Gastronomie be-
für Rechtsradikale habe. Zugleich machte der
schäftigt. Als die Krise kam, gehörten sie zu den
≈ Stein des Anstoßes: Das
Oberbürgermeister aber deutlich, dass die Stadt
ersten, die ihre Arbeit verloren haben und zogen
„Problemhaus“ In den Peschen 3 – 5.
finanziell alleine nicht in der Lage sei, die Pro-
weiter – nach Duisburg, in der Hoffnung, hier in
bleme, die durch die Zuwanderung entstanden
der Industrie Arbeit zu finden.“
sind, zu bewältigen. In Duisburg hat die Stadt schon vor zwei Jahren Link zeigte aber auch Verständnis für die
das Problem erkannt. Anders als in Dortmund
Anwohner, die sich zum Teil über den Lärm und
wollte der damals zuständige Dezernent Karl Jans-
Schmutz beschweren, den ihre neuen Nachbarn
sen (CDU) nicht mit Ausgrenzung und Repression,
machen. Die Häuser waren im Hochsommer
sondern mit Hilfs- und Integrationsangeboten
teilweise überbelegt, die Situation hat sich mitt-
auf die Zuwanderung reagieren. „Die Menschen
lerweile jedoch entspannt. Der 37jährige SPD-
sind Europäer wie wir und haben einen Anspruch
Mann forderte zudem, kriminelle EU-Bürger nicht
darauf, vernünftig behandelt zu werden“, sagte
wieder nach Deutschland zu lassen, machte sich
Janssen 2011 der Welt am Sonntag. Die Menschen
so eine Forderung von Innenminister Friedrich zu
kämen aus einem unbeschreiblichen Elend, hätten
eigen und gab den Hardliner.
in ihren Heimatländern keinerlei Perspektive und würden zum Teil in umzäunten Gettos leben, ohne
Phasenweise hatte es um die Häuser in Rhein-
Kanalisation, ohne Gesundheitsversorgung und
hausen Konflikte gegeben: In einer Facebook-
ohne Bildungschancen für die Kinder. „Wenn ich
Gruppe wurde gefordert, die Einwohner zu
dort leben müsste“, sagte Janssen, „würde ich
vergasen und die Häuser anzuzünden – der
auch abhauen.“
Staatsschutz nahm die Ermittlungen auf. Weil sich die Polizei gleichzeitig weigerte, die Häuser
Janssen legte damals ein Integrationskonzept
trotz der offensichtlichen Bedrohung, die sich
vor, das der Rat 2012 beschloss, mit dem die
auch durch Nazi-Schmierereien und nächtliche
Stadt die Herausforderungen, die durch den Zu-
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16 DAS INTERVIEW | von Bastian Pütter | Foto: Daniel Sadrowski
»Der ethnische Blick ist nicht hilfreich« Europas Roma – Norbert Mappes-Niediek im Interview
Norbert Mappes-Niediek (geb. 1953) ist seit den
MN Was als romatypisch wahrgenommen wird, zum
du etwas verdienst, musst du den Anderen auch
Balkankriegen freier Ost- und Südosteuropa-
Beispiel der enge Familienzusammenhalt, ist unter-
abgeben. Und wenn der Onkel eine Arbeitskraft
Korrespondent und schreibt für ZEIT, Frankfurter
halb der absoluten Armutsgrenze notwendig, überall.
braucht, dann gehst du eben nicht zur Arbeit oder
Rundschau, den Wiener Standard oder die taz.
Man ist auf die Solidarität der Familie angewiesen,
zur Schule. Und das führt natürlich dann auch dazu,
Sein Buch „Arme Roma, böse Zigeuner“ plädiert
gleichzeitig behindert das den sozialen Aufstieg,
dass patriarchalische Verhältnisse und Herrschafts-
für einen Perspektivwechsel. bodo traf den
denn die Solidarität wird ja auch eingefordert. Wenn
verhältnisse sich wieder älteren Vorbildern annähern.
Autor zum Interview in Dortmund. bodo Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kontakt mit Roma? MN Das war in meiner Kindheit. Noch bevor Recycling Thema war, gab es jemanden, der mit einem Pferdewagen bei uns durch die Straße fuhr und „Lumpen, Eisen, Papier“ rief, und es gab einen Scherenschleifer. Wenn der kam, herrschte eine feierliche, ein bisschen ängstliche Stille. Man spürte die Fremdheit. Und irgendwann bekam ich erklärt: „Ja, das ist ein Zigeuner.“ Es wurde nicht viel dazu gesagt, aber das reichte eigentlich schon aus, um das Ganze mit einem gewissen geheimnisvollen Schleier zu umgeben. bodo Als Journalist kamen Sie während der Jugoslawien-Kriege auf den Balkan. Die Roma waren gar nicht Ihr Thema. MN Stimmt. Aber wenn man auf dem Balkan arbeitet und dort regelmäßig reist, lernt man Leute kennen, man kommt in Roma-Dörfer. Und vor ein paar Jahren wurde das Thema aktuell, weil die Redaktionen mehr wissen wollten: Wie leben denn die Menschen, was treibt sie hierher? Und dann habe ich angefangen, mich auf dem Hintergrund vieler Erfahrungen systematisch mit dem Thema zu beschäftigen. bodo Das erste, das an Ihrem Buch auffällt, ist, dass es seinen Gegenstand nicht definiert: Wer sind „die Roma“? MN Ich habe gedacht, das, was du so im Kopf hast, was du siehst – das schreibst du jetzt mal auf. Aber: Der Autofokus stellt nicht auf das Objekt scharf, sondern auf den hässlichen Hintergrund. Statt eines „Wie sind die denn?“ bleiben nur Bilder einer von Armut und Elend geprägten sozialen Situation. Und immer beliebiger und austauschbarer wird das Objekt im Vordergrund. bodo In Ihrem Vortrag beschreiben Sie das Problem so: „80 Prozent Armut, 18 Prozent Balkan, 2 Prozent Roma“. 16
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Und so entsteht das Missverständnis, das Verhalten
seit langem arbeitslos, führen Puzzle-Existenzen
bodo In Deutschland wird die Diskussion meist sehr
der Roma sei für ihre Armut zuständig.
und leben von prekärer Arbeit, Handel, Transfer-
lokal geführt. Städte wie Dortmund oder Duisburg
leistungen, einige vom Betteln, selten von Dieb-
wähnen sich beinahe allein betroffen.
bodo Wir beobachten also Roma-Armut, nicht
stahl oder Prostitution.
Roma-Kultur? MN Ja. Dass dieses Verhalten dann natürlich auch immer eine kulturelle Form trägt, ist eine andere Frage, das ist immer so, sicher. Aber in der Substanz ist es tatsächlich von den sozialen Verhältnissen geprägt und nicht umgekehrt.
bodo Wir diskutieren in Deutschland ausschließlich über die Belastungen, die von dieser Gruppe ausgehen, dabei ist der Akademikeranteil der Bulgaren und Rumänen, die zuwandern, höher als in der deutschen Mehrheitsbevölkerung.
MN Es leiden natürlich bestimmte Kommunen. Nehmen wir mal Duisburg und Düsseldorf. Duisburg hat ein massives Problem, in Düsseldorf dagegen ist kein Mensch. Düsseldorf leistet sich aber einen Sinti- und Romabeauftragten. Da müsste es natürlich auch Solidarität zwischen den Städten geben, doch alle fürchten den Leuchtturmeffekt:
MN Die Roma migrieren proportional: Es sind 10
Wenn man die Verhältnisse zu gut gestaltet, dann
bodo Die gesamte Debatte um die neue Zuwande-
Prozent der rumänischen Roma, die gehen, genau
kommen viele Leute – und das ist ja auch nicht
rung ist hingegen von ethnischen Begründungs-
wie rund 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die
ganz von der Hand zu weisen.
mustern durchsetzt. Von „Problemhäusern“ über
einzige Gruppe, die überproportional das Land
„Bettelbanden“ bis „Klaukids“ schwingt ein „Die
verlässt, sind Ärzte. Deutschland kauft ganze
bodo Die Migration betrifft die gesamte EU. Im
sind so“ mit. Sie können nicht wohnen, nicht wirt-
Abschlussjahrgänge von Medizinern weg, in dem
Vergleich zu Spanien oder Italien betragen die
schaften usw.
europäischen Land mit der geringsten Ärztequote.
Zuwanderungszahlen von Rumänen hier jeweils nur
Wir verfahren nach dem Prinzip: „Die Ärzte sollen
rund ein Fünftel.
MN Es ist nicht Kultur, das ist eine Ökonomie der Armut. Und daraus kann man lernen: Es müssen bestimmte Grundbedürfnisse erfüllt sein, damit sich das, was wir als ökonomisches Verhalten definieren
kommen, die Patienten sollen bitte dableiben.“ bodo … oder wieder gehen.
MN Nur Deutschland und Österreich haben den Zugang zum Arbeitsmarkt für die neuen EU-Länder beschränkt, die Hauptzuwanderungsländer sind in
– also Sparen, Investieren in Bildung und derglei-
MN Wir können niemanden nach Hause schicken,
chen – überhaupt entwickeln kann. Und unterhalb
das ist eine Illusion. Es sind EU-Bürger, sie genie-
dessen sind wir auf eine ganz andere, nicht minder
ßen Freizügigkeit. So schlecht, dass keiner mehr
bodo Im Januar fallen diese Beschränkungen. Was
logische Ökonomie angewiesen. Der ethnische Blick
kommt, können wir unsere Verhältnisse gar nicht
wird geschehen?
ist nicht hilfreich.
machen. So bekommen wir nur genau die Siedlungen am Bahndamm, die unbetretbaren Viertel und
bodo Sie erklären die Verarmung der ost- und
die Kriminalität, die wir vermeiden wollen.
südosteuropäischen Roma als Ergebnis des Zusammenbruchs des Realsozialismus und schreiben: „Für
bodo Hier werden die Zuwanderer als Touristen
die Roma kam die ,samtene Revolution‘ mit der
bezeichnet, und es wird gefordert, statt Sozialleis-
Scheuerbürste.“
tungen zu zahlen die Bedingungen in den Her-
MN Roma meiner Generation haben durchweg eine
kunftsländern zu verbessern.
der Tat seit Jahren andere.
MN Warum sollte dann jetzt bei uns mit dem Wegfall eine Masseneinwanderung stattfinden? Sie könnten ja jetzt schon in alle anderen EU-Länder gehen. Es ist ja nicht so, dass die Leute so heiß auf die deutsche Sprache wären. Ja, aber es wird noch einmal zum Thema werden. Weil man sich dann theoretisch zur Arbeitssuche im Land aufhalten kann. Aber ich halte das Thema für überschätzt, denn de facto hat
Arbeitsbiographie. Sie hatten in Bulgarien und
MN Man muss das Problem natürlich in den Hei-
keiner dieser Flüchtlinge auf dem deutschen Ar-
Rumänien zwar meist einfache Jobs, aber ein Ein-
matländern lösen. Das ist schon richtig. Aber man
beitsmarkt eine Chance. Man kommt halt hierher und
kommen und teilweise die Möglichkeit zum sozialen
kann nicht meinen, man könne mit Druck, mit Auf-
nützt die Möglichkeiten, die sich anbieten.
Aufstieg. Nach 1990 sind in Rumänien von 8,4
lagen oder mit bestimmten Gesetzen viel erreichen.
Millionen Arbeitsplätzen nur 4 Millionen geblieben.
Das ist ein massives Armutsproblem, das wir in
bodo In Duisburg drohten die Konflikte zuletzt zu
Die Geringqualifizierten wurden entlassen – fast
EU-Mitgliedsländern haben. Da gibt es verschiede-
eskalieren, Neonazis besetzen das Thema, und ras-
alle Roma. Ein unglaubliche Zahl.
ne Mechanismen. Wir haben einen Sozialfonds und
sistische Entgleisungen finden sich bis in die Mitte
einen Fonds für regionale Entwicklung in der Eu-
der Gesellschaft.
bodo Das sind die Leute, die auf der Suche nach
ropäischen Union, die sind aber falsch aufgestellt.
Arbeit nach Westeuropa kommen?
Die müsste man anders organisieren. Ganz grob
MN Vereinfacht gesagt gibt es drei Gruppen: Die Assimilierten, die Mittelschicht und die ganz Armen. Letztere leben unter zum Teil unfassbaren Bedingungen, auf Müllkippen oder in Wäldern wie im Mittelalter. Diese Leute wandern nicht. Ab einem bestimmten Grad von Armut engt sich der Horizont ein. Erstere sind z.B. in den 1960er und 70er Jahren als
gesprochen: Die EU müsste in der Lage sein, jedem ihrer Bürger zu garantieren, dass er genug zu essen hat, in die Schule gehen kann, ein Dach über dem Kopf hat, sich kleiden kann und im Winter Heizung hat, wie wir es in unseren Breiten brauchen. bodo Warum sind Antidiskriminierungsprojekte falsch?
MN Deswegen bin ich auch froh, dass das Thema diskutiert wird, im Unterschied zu vielen anderen Leuten, die denken, man sollte nicht daran rühren. Man sollte daran rühren. Je mehr man darüber hört und erfährt, desto sachlicher wird auch die Diskussion. Das habe ich auch im letzten Jahr festgestellt. Mit jedem Artikel, der in Zeitungen erschienen ist, wurde es besser. (bp)
jugoslawische Gastarbeiter gekommen, sie haben
MN Sie sind nicht falsch. Aber man sollte nicht
INFO
die höchste Integrationsbereitschaft, niemand
meinen, man könnte damit die Armut beseitigen.
Norbert Mappes-Niediek | Arme Roma, böse Zigeuner
erkennt sie als Roma.
Es ist falsch, die Armut linear auf die Diskriminie-
Christoph Links Verlag | 224 Seiten | 16,90 Euro
Die Mittelschicht sind die Menschen, die in ganz
rung zurückzuführen, sie hängt mit dem Mangel an
Mehr auf www.bodoev.de
Europa als Armutswanderer ankommen. Sie sind
bezahlter Arbeit zusammen.
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DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter
Drei von tausend
NEWS | von Bastian Pütter
Immer mehr Wohnungslose
Armut und der Bundestag
DGB fordert Hartz-IV-Reformen
Unmittelbar von dem Erscheinen unse-
284.000 Menschen sind zurzeit in
Die
Armutskonferenz,
Vor allem an der Sanktionspraxis der
res letzten Heftes schaffte es Dortmund
Deutschland wohnungslos, so Be-
ein Bündnis aus Wohlfahrtsverbän-
Jobcenter gibt es seit Einführung
wieder auf den Spitzenplatz einer Tabel-
rechnungen der BAG Wohnungs-
den, Selbsthilfeorganisationen und
der Hartz-Reformen massive Kritik.
le. Wenn wir vom Fußball absehen, ist das
losenhilfe – allein in den letzten
dem DGB, legte vor den Wahlen den
Wer Termine versäumt, sich nicht
meist keine gute Nachricht: Entweder sind
zwei Jahren ein Anstieg von 15
1.500 KandidatInnen für den Bun-
ausreichend bewirbt oder Ein-Euro-
es selbstgebastelte Superlative (Sie wissen
Prozent. Bis 2016 prognostiziert
destag eine „Erklärung zur Bekämp-
Jobs ablehnt, dem werden für die
schon: das größte Fichtengesteck) oder es
die „BAG W“ sogar einen Anstieg
fung von Armut und sozialer Aus-
Dauer von drei Monaten die Leistun-
hat was mit Armut so tun.
um 30 Prozent auf 380.000.
grenzung“ zur Unterzeichnung vor.
gen gekürzt oder ganz gestrichen.
Die „BAG W“ benennt als Gründe
Die nak forderte dazu auf, sich
Der DGB fordert nun auch eine
Mietpreissteigerungen, vor allem in
dazu zu erklären, gesellschaftliche
grundlegende Überarbeitung der
den Ballungsgebieten, bei gleich-
Ursachen von Armut und Ausgren-
Sanktionsregeln und regt eine Ein-
zeitiger Zunahme der Verarmung
zung zu bekämpfen und Gesetzes-
zelfallorientierung und ein Beloh-
der unteren Einkommensgruppen. Es
vorhaben auf ihre Konsequenzen
nungssystem an.
gebe ein unzureichendes Angebot
für benachteiligte Menschen zu
Die Leistungskürzungen, die bisher
an preiswertem Wohnraum, auch
prüfen. Nur 174 PolitikerInnen
einen „völlig unzumutbaren Umfang“
durch einen schrumpfenden sozia-
unterschrieben, davon ganze 3 (!)
hätten, sollen begrenzt werden. Eine
len Wohnungsbestand, dem nicht
KandidatInnen der CDU/CSU.
Kürzung über 30 Prozent hinaus ver-
durch Neubau und soziale Woh-
Von einer Enttäuschung sprach Jo-
letze die Hilfsempfänger in ihrem
nungspolitik gegengesteuert wurde.
achim Speicher, Sprecher der nak.
physischen Existenzminimum. Der
Den hatte natürlich die dpa angerufen, und
Hinzu kämen schwerwiegende so-
„Statt die Augen zu verschließen,
DGB fordert zudem, die Erstattungen
weil in eine gute Agenturmeldung mehre-
zialpolitische Fehlentscheidungen
muss sich die Politik endlich den
für Miete und Heizung komplett aus
re „Stimmen“ gehören, freundlicherweise
bei Hartz IV: Sanktionierung auch
Realitäten stellen. Die Armut in
der Sanktionierung herauszuneh-
auch mich. Also erzählte ich von unseren
bei den Kosten der Unterkunft von
Deutschland steigt“, so Speicher
men. „Mietschulden bedrohen die
Erfahrungen – gar nicht nur von unseren
jungen Erwachsenen, unzureichen-
weiter. „Der Regierung ist es trotz
gesamte Familie in ihrem Grund-
Leuten auf der Straße oder den vielen Men-
de Anhebung des ALG-II-Regelsat-
guter Konjunktur nicht gelungen,
recht“, betonen die Gewerkschafter.
schen, die oft seit 2005 in „Hartz IV“ ge-
zes und das Zurückfahren der Ar-
die Situation von Langzeitarbeitslo-
Die Sanktionspraxis betreffe auch
parkt sind und verzweifelt zu uns kommen,
beitsförderungsmaßnahmen.
sen, Alleinerziehenden, Wohnungs-
die Kernklientel des DGB: „Das Be-
weil das Sanktionssystem der Jobcenter
Besorgniserregend sei die Zahl der
losen, Kindern im Grundsicherungs-
drohungsszenario
ihnen aus Erziehungs- oder Kostengründen
Zwangsräumungen
„kalten“
bezug und Menschen in Altersarmut
bei Jobverlust trägt dazu bei, auch
das Existenzminimum verweigert.
Wohnungsverluste, bei denen Mie-
zu verbessern. Es wird Zeit für eine
schlechte betriebliche Arbeitsbedin-
terInnen vor der Räumung ihre Woh-
grundlegende Debatte über Gerech-
gungen hinzunehmen.“
nung verlassen (65.000).
tigkeit in unserem Land.“
Diesmal hatte das Statistische Bundesamt errechnet, dass Dortmund unter den 15 größten deutschen Städten die mit dem höchsten Armutsrisiko sei. Mehr als jeder vierte Einwohner sei von Armut bedroht.Schon klar, Statistik. Reflexhaft wird an dieser Stelle über Methoden gestritten, über das Konstrukt „relative Armut“, und pflichtschuldig wies der Oberbürgermeister das Ganze als „nur eingeschränkt aussagekräftig“ zurück.
Nein, ich sprach von gut Ausgebildeten, die uns bitten, ob es für ihre Patchwork-Arbeits-
und
existenz bei uns nicht einen kleinen Teilzeitjob gebe – auf der Flucht vor dem Abstellgleis Hartz IV. Ich beschrieb „die ständige Angst, da reinzugeraten und nie mehr rauszukommen“. (Ja, ich sollte mir angewöhnen, in Interviews Schriftdeutsch zu sprechen.) Natürlich, das sind subjektive Erfahrungen, Wirklichkeitsausschnitte, aber die Alternative sind eben Statistiken. Eine schöne der hier unverdächtigen Bundesagentur für Arbeit gefällig? 0,3 Prozent der „Hartz IV“-Empfänger ohne Job finden monatlich eine Arbeit, die ihre Hilfebedürftigkeit beendet. Drei von tausend. Und nicht zwingend auf Dauer: Ein Viertel derer, die letztes Jahr ihren Leistungsbezug beendeten, sind 2013 wieder „Kunden“ der Jobcenter. Daher die „ständige Angst, da reinzugeraten und nie mehr rauszukommen“. (bp)
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SKOTTS SEITENHIEB
Nationale
Hartz-IV-Bezug
✑
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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt
Billig ist im Ruhrgebiet zu Hause. Aldi ist hier weg, Plus auch, und KiK. Auch wird hier oft recycelt, was anderswo keiner mehr haben will. Damit meine ich nicht Nazidemos mit Ideen, die auch hier nicht marktfähig sind. Auch nicht die Love Parade, die wir uns unterjubeln lassen haben, als sie schon streng zu riechen begonnen hatte. Es geht um welke Körper, mit viel Aufwand und Chemie so aufbereitet, dass sie immer noch nicht tageslicht-, aber immerhin kunstlichttauglich sind und dabei gut duften. Die werden hier bei uns gerne zur Schau gestellt, mal in einer Ausstellung namens „Körperwelten“ in Bochum, mal in einer Gala namens „Steiger Award“ in Dortmund. Diese Körperreste in Bochum, in einem ehemaligen Autohaus untergestellt, haben früher für Furore gesorgt. Jetzt lassen sie nur noch staunen, wer sich sonst geistig von RTL2-Kost ernährt. Der „Steiger Award“ wurde lange in Bochum ausgehändigt. PRMann Sascha Hellen zeichnete gerne Promis aus, die sich auch an die Körperwelten verkaufen würden, um noch mal in die Presse zu kommen. Irgendwie ist Hellen die Gala dann kollabiert, 2013, als ausgerechnet der türkische Premier Erdogan die Auszeichnung erhalten sollte, für Toleranz und Menschenrechte. Jetzt gibt es diese Ehren-Dinger aus Plexiglas also wieder in Dortmund, im U, dem Zentrum für Kreativwirtschaft. Zehn Millionen Euro steckt die Stadt jährlich in den Bierturm. Doppelt so viel kostet der Flughafen. Der bräuchte auch dringend Glamour und Gäste. Vielleicht könnte Hellen seinen Steigernippes gleich dort Gewinnern in die Hand drücken, die er anhand der Flugpläne aussucht. Oft wird Dortmund aus Osteuropa angeflogen. Potenzielle menschenrechtsaffine Regierungschefs lassen sich da finden. In der Stadt könnte man dann einen Preis verleihen, für den du dich als Steiger nicht schämen musst. Irgendwas Soziales, an Menschen, die sich für Roma einsetzen etwa.
Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.
Je mehr Mitglieder die AWO hat, desto mehr kann sie in der Gesellschaft bewirken. Desto eher kann sie Menschen helfen, die Hilfe brauchen.
Werden auch Sie Mitglied in der AWO! Unterbezirk Dortmund
Unterbezirk Ruhr-Mitte
Unterbezirk Unna
Klosterstraße 8 -10 44135 Dortmund 0231- 99 340
Bleichstr. 8 44787 Bochum 0234 - 96 47 70
Unnaer Straße 29a 59174 Kamen 02307- 91 22 10
www.awo-ww.de
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KINOTIPP | von endstation.kino
NETZWELT | von Bastian Pütter
endstation.kino & bodo präsentieren: Meine keine Familie Im Jahr 1970 gründete Otto Muehl in seiner Wiener Wohnung eine Kommune, die durch ihre Radikalität über die Kunstszene hinaus Bekanntheit erlangte. 1972 erwarben die Kommunarden das letzte bewohnbare Haus eines verlassenen Gutshofes auf der Parndorfer Heide – den Friedrichshof. Dieser wurde innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten zum Zentrum eines internationa-
Soziales, Kultur, Politik – Jeden Monat stellt bodo ein Online-Projekt vor, das die Welt ein bisschen besser macht:
www.neusprech.org Im Zuge der Enthüllungen Edward Snowdens und des allgemeinen staatlichen Desinteresses an Aufklärung explodierten in diesem Jahr die Verkaufszahlen von
len Netzwerkes von über 20 Stadtgruppen
George Orwells düsterem Zukunftsroman „1984“, erschienen bereits 1949. Orwell
ausgebaut. In den assoziierten Kommunen
beschrieb den präventiven Überwachungsstaat ohne Privatsphäre und prägte den
praktizierten zeitweise über 600 Menschen
Begriff „Neusprech“ für die reduzierte, verschleiernde und beschönigende Sprache,
in halb Europa ein radikal-utopisches Leben
die das Regime in „1984“ als Herrschaftsinstrument einsetzt.
nach den Prinzipen: „Selbstdarstellung, ge-
Ausgehend von der bei Orwell beschriebenen wirklichkeitserzeugenden Macht der Sprache begannen der gebürtige Dortmunder Martin Haase, Blogger und Professor für Linguistik, und Kai Biermann, Psychologe und Journalist, heutige Beispiele manipulierender Sprache zu sammeln. Ihr Blog wurde 2011 mit dem Grimme Online
meinsames Eigentum, freie Sexualität ohne feste Paarbeziehungen, gemeinsame Arbeit und Produktion, kollektives Kinderaufwachsen und direkte Demokratie“.
Award ausgezeichnet, im letzten Jahr erschien der aktuelle Stand des „Lexikons
Nach der Einleitung von gerichtlichen Vor-
der Un-Begriffe“ unter dem Titel „Sprachlügen“ auch als Buch.
untersuchungen gegen Muehl und zuneh-
neusprech.org veröffentlicht im ungefähren Zweiwochentakt neue Sprachschöpfungen aus Politik und Wirtschaft und analysiert sie auf ihren Bedeutungskern und das politische Ziel ihrer Nutzung hin. Ob Hans-Peter Friedrichs „Supergrundrecht Sicherheit“ als gezielte Verdrehung des Grundgesetzes, der „Steuersünder“, der aus dem strafrechtlichen einen irgendwie religiösen Tatbestand macht, oder der
mender Unzufriedenheit vieler Kommunemitglieder wurde Ende der 1980er Jahre der gesamte Besitz in eine Genossenschaft eingebracht, und 1990 löste sich das gemeinschaftliche Lebensexperiment auf.
Euphemismus der „geringfügigen Beschäftigung“ (wo doch Beschäftigung eigent-
Heute ist diese Geschichte nahezu vergessen,
lich Arbeit ist und geringfügig nur die Bezahlung) – Haase und Biermann rücken in
aber es gibt Menschen, in denen sie fortlebt
präzisen, halbseitigen Texten gerade, was sprachlich schief ist.
und die davon wesentlich geprägt wurden.
Die übersichtlich gestaltete Seite erleichtert mit Kategoriensortierung und Volltextsuche das Stöbern, sinnvolle Verlinkungen sind der klare Vorteil zum Buch. Sich hier festzulesen steigert sicher nicht die Laune, doch neusprech.org „hilft dem Denken auf die Sprünge“, wie die Grimme-Jury befand. Dass es dabei immer um Macht geht, stellte Martin Haase im Gespräch mit der taz klar: „Mit Sprache werden Konnotationen und damit positive und negative Gefühle transportiert. Das sind letztlich die Dinge, die uns veranlassen, etwas gut oder
Kommune hineingeboren wurde, begibt sich in „Meine kleine Familie“ auf eine persönliche Reise in die eigene Vergangenheit. Ausgehend von Archivmaterial, das im Film nach 20 Jahren erstmalig öffentlich gezeigt wird, konfrontiert der Regisseur sich selbst und seine Mutter mit der Frage: Was ist Familie?
schlecht zu finden. Eigentlich möchte man als Bürger
Di. 24.10. bis Di. 29.10. um 19.15 Uhr
mit Argumenten überzeugt werden, aber es gelingt den
Mi. 30.10. um 21.30 Uhr
Politikern leider oft leichter durch solche Sprachmanipulationen.“ (bp) Martin Haase
Der Regisseur Paul-Julien Robert, der in diese
Endstation Kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum Telefon 0234 – 68 71 620 www.endstation-kino.de
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VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2013 | VERLOSUNGEN zusammengestellt von Petra von Randow
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KulturLife Konzertreihe in der Jahrhunderthalle Bochum Musikgenuss pur mit Mo‘ Blow, Yasmine Tourist, Mick Falnnery, Classic meets Cuba, Torsten Goods & Band, Rusconi und Aline Frazao bodo verlost 3 x 2 Karten für das Konzert von Mo‘ Blow am 20.10. im Dampfgebläsehaus an der Jahrhunderthalle in Bochum
Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an: redaktion@bodoev.de Oder schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an: bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin. Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.10.2013 09.10. | Jonny Lang | Zeche, Bochum | 3 x 2 Karten 20.10. | Mo‘ Blow | Dampfgebläsehaus an der Jahrhunderthalle, Bochum | 3 x 2 Karten 16.10. | Das Produkt | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten 18.10. | Markus Veith – Eulenspiegels Enkel | Schauburg, Dortmund | 2 x 2 Karten 23.10. | Joe Driscoll & Sekou Kouyatè | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten 24. – 30.10. | Meine keine Familie | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten 31.10. | Cosmotopia Sause Spezial | Großmarktschänke, Dortmund | 3 x 2 Karten Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!
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22 VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2013
DI 01 | 10 | 13 Ausstellung | Neue Bilder vom Alter(n) Höhere Lebenserwartung, bessere Gesundheit und Leistungsfähigkeit - das Altwerden und Altsein 01 | 10 | 13 Martin Fromme
04 | 10 | 13 Ken Bardowicks
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in
Horngestell von Herbert Knebel vor sich geht, also zwi-
peinlich! Das Allerpeinlichste aber ist, dass es Be-
einem Wettbewerb dazu aufgerufen, neue Darstellungen
schen den beiden Bügeln, das sieht man nicht – aber da
weis-Fotos gibt. Und die sind in die Hände der 'Medel-
mit gesellschaftlichen und persönlichen Vorstellungen
ist der Teufel los. Wenn Knebel nicht so blendend aussä-
Bande' geraten, die jetzt „Rache für Rosa“ nehmen
vom Alter(n) einzureichen. Die rund 80 Fotos zeigen ak-
he, hätten seine arglosen Zuschauer das längst gemerkt.
will. In „Rache für Rosa“ rückt der Milchpiraten-Autor
tive und engagierte Senioren, die in Clubs tanzen gehen,
Knebel wiederum beobachtet die Menschen ganz genau:
Kai Lüftner diesmal die Mädchen in den Vordergrund
mit Freunden Motorrad fahren und neueste Videospiele
Er weiß, was sie essen (Plockwurst), wo sie einkaufen
– ohne die coolen Jungs aus den Augen zu verlieren.
ausprobieren. Ebenso gibt es Darstellungen von Krank-
(Wollwort), was sie denken („Boh, leck o Pfanni!“).
Eine Lesung für Kinder ab 6 Jahren.
heit, Isolation oder den Rückzug ins Private. Die Aus-
Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 20 Uhr
Bahnhof Langendreer, Bochum, 16 Uhr
in Deutschland hat sich gewandelt. Dagegen ist unser Altersbild noch durch traditionelle Vorstellungen und Erwartungen geprägt. In diesem Spannungsfeld hat die
stellung möchte Einblicke in verschiedene Lebensbereiche von älteren Menschen geben und hinterfragen, was Alter(n) bedeutet – nicht zuletzt für die Arbeitswelt. Öffnungszeiten unter www.dasa-dortmund.de
FR 04 | 10 | 13 Kabarett | Ken Bardowicks
Musik | Syndicate Wer die Nacht vom 5. auf den 6. Oktober in den Dortmunder Westfalenhallen verbringt, der weiß, was ihn
„Ich bin schlau, gutaussehend, die Krone der Schöp-
erwartet: Verzerrte Bässe auf einer nach oben offenen
fung“, denkt der Mensch von sich. Aber gibt es da noch
Geschwindigkeitsskala. Über 40 internationale DJs
die andere Seite, das Geheimnis hinter der Fassade
und LiveActs liefern die härtesten Sounds, die elek-
Bin ich behindertenfeindlich, wenn ich keine Lust auf
des schönen Scheins, die Fehlbarkeit, das Versagen:
tronische Musik zu bieten hat. Elf Stunden lang feiern
die Paralympics habe? Muss ich einem behinderten
Der Erfolgstrainer, der pleite geht, der Zauberkünstler,
die Besucher frenetisch und enthusiastisch – und ab-
Hotelpagen helfen, wenn er mit meinem Gepäck nicht
dem das Kunststück misslingt oder gar Gott, der bei
solut friedlich. Die vier Hallen sind nach verschiede-
klar kommt? Wie umarmt man einen Contergan-Ge-
der Erschaffung von Adam und Eva offensichtlich nicht
nen Musikstilen der harten elektronischen Musik auf-
schädigten korrekt? Und dürfen Behinderte eigentlich
ganz ausgeschlafen war. Unser Drang nach Perfektion
geteilt: „Masters of Hardcore“, „Hardstyle Kingdom“,
Sex haben? Diese und viele andere Fragen beantwor-
ist lächerlich. Wo das Scheitern programmiert ist, hilft
„Hardtechno Force“ und in diesem Jahr neu der „Ab-
tet Martin Fromme mit satirischer Boshaftigkeit und
nur Humor und eine gehörige Portion Ironie. Denn La-
stract Disctrict“. Mit dabei sind Angerfist, Korsakoff,
grimmigem Witz. Er darf das übrigens – denn er ist
chen ist die beste Antwort, meint Ken Bardowicks und
Outblast vs. Evil Activities, Frontliner, Crypsis, BMG
behindert. „Sie sehen so gut aus auf der Bühne und
wagt sich dabei an Wahnwitz, wirkt Wunder und weckt
und viele andere.
auch privat. Aber schade ist es schon...“ Analytische
wallende Wogen wonniger Wollust.
Westfalenhallen, Dortmund, 20 Uhr
Zusammenfassung einer Zuschauerin über den Aggre-
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
DASA, Dortmund (bis 20.10. 2013) Kabarett | Martin Fromme
Lesung | The Blog House
gatzustand von Martin Fromme. Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr
Kabarett | RuhrHochDeutsch: Bernd Stelter
Blogger aus dem Revier und dem World Wide Web lesen
Deutschland geht’s gut, aber unsere Mundwinkel
ihre Texte: Statements, Essays und Romanfragmente
hängen kollektiv nach unten. Die deutsche Befind-
– gut dosiert mit Musik garniert. Ruhrbarone-Mitbe-
lichkeit steht im offenen Widerspruch zur Realität.
gründer Stefan Laurin moderiert die späte Abendstun-
Wir sind nur dann wirklich glücklich, wenn wir so
de und heißt ab 5. Oktober die unterschiedlichsten
Die freie Reichsstadt Dortmund ist im Mittelalter die
richtig unglücklich sein dürfen. Es wird einfach ger-
Gäste willkommen. Zum Start sind eingeladen: Sascha
wichtigste Hansestadt Westfalens. Jahrhunderte später
ne gejammert: „Tja, wenn die Rahmenbedingungen
Bisley, Sozialarbeiter aus Dortmund, dessen Blog
lässt sich, nur bei genauerem Hinsehen, einiges aus die-
besser wären, dann würde ich auch die Mundwinkel
dortmund-diary.de zu den beliebtesten in der Stadt
ser Zeit wieder finden und hören. Nicht nur Könige und
hochziehen.“ Falsch, meint Bernd Stelter. Erst mal
gehört; Thorsten Bihegue, Dramaturg am Schauspiel
Grafen haben die einst prächtige Stadt besucht und ihre
die Mundwinkel hoch, und dann sehen wir mal, was
Dortmund schreibt auf My Own Private Irgendwo am
Spuren hinterlassen. Ebenso das einfache Volk, Bürger,
aus den Rahmenbedingungen wird. Sollten die Kran-
liebsten über seine zweite Leidenschaft neben dem
Händler, Gesinde und auch Gauner. Begleiten Sie den
kenkassen flächendeckend zur Kostenübernahme von
Theater: der experimentierfreudigen Rap-Musik; so-
Nachtwächter durch die Gassen der Stadt und hören Sie
Gesichtskorrekturen verpflichtet werden, oder reichen
wie Martin Krauss, Berliner Schriftsteller und Sport-
die Geschichten aus alter Zeit: über den Stadtpatron Rei-
vielleicht schon zehn Minuten Kopfstand täglich, um
journalist, der in seinem Blog auf martinkrauss.de
noldus, den Hansekaufmann Berswordt, die grausamen
eingegrabene Mimikfalten aufzulösen? Wir sollten
allerlei Hintergründiges zu aktuellen politischen und
Bestrafungen im Mittelalter und vieles mehr.
uns mehr Optimismus besorgen, Optimismus gibt es
kulturellen Debatten zu berichten weiß.
Treffpunkt: Adlerturm, Dortmund, 19 Uhr
schließlich für kleines Geld an jeder Ecke.
Institut im Schauspielhaus, Dortmund, 22 Uhr
MI 02 | 10 | 13 Geschichte | Leben im Mittelalter
Spiegelzelt am Steinernen Turm, Dortmund, 20 Uhr
DO 03 | 10 | 13 Kabarett | Herbert Knebel Ruhm ist ja kein Zuckerschlecken. Schon gar nicht, wenn
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SA 05 | 10 | 13 Lesung für Kinder | Die Milchpiraten
SO 06 | 10 | 13 Tour | Krimitour Dortmund Mit dem Oldtimerbus aus dem Jahre 1965 werden ARD-
die Leute immer nur das Selbe in einem sehen: Den voll
Die Milchpiraten sind die coolste Bande, die man sich
Tatort-Schauplätze ebenso wie authentische Orte des
im Saft stehenden Mittfünfziger mit Designermütze und
vorstellen kann. Zu Beginn der Sommerferien gab's
Verbrechens vom Dortmunder Norden bis in den Süden
maßgeschneidertem Seniorensakko. Was aber hinterm
eine wilde Party, bei der so einiges daneben ging …
besucht. Bonnie und Clyde führen dabei durch die Kri-
04 | 10 | 13 Bernd Stelter
05 | 10 | 13 Die Milchpiraten
06 | 10 | 13 Krimitour Dortmund
minalgeschichte Dortmunds. Die Besucher erfahren, wo
MO 07 | 10 | 13
DI 08 | 10 | 13
die RAF sich ein Gefecht mit der Polizei lieferte, wo der Ausgangspunkt eines Amoklaufes war und warum eine
Lesung | Jamal Mahjoub aka Parker Bilal
Vortrag und Diskussion | Zwischen den Grenzen
250 km lange Flucht auf dem Fahrrad in der Dortmunder
Jamal Mahjoub, der unter dem Pseudonym Parker Bilal
Martin Schäuble, Journalist und Politikwissenschaftler,
Innenstadt endete. Mit diversen Getränken können die
Kriminalromane schreibt, liest aus seinem neuen Buch,
hat Israel und Palästina zu Fuß von den Golanhöhen bis
Teilnehmer ihre Nerven stärken und passende Livemu-
das im Ägypten der 90er Jahre unter Präsident Mubarak
ans Rote Meer durchquert. In seinem Reisebericht erzählt
sik sorgt für Abwechslung. Als Bonbon gibt es an einem
spielt: Im Sudan war Makana Kriminalkommissar, bis er
er, wie sich die Menschen dort ihr Leben unter der ständi-
Originalschauplatz einen bitterbös-heiteren Krimi von
Ärger mit den Islamisten bekam und auf der Flucht sei-
gen Bedrohung des Nahost-Konflikts eingerichtet haben.
Heike Wulf alias Bonnie. Informationen zur Anmeldung
ne Familie verlor. Nun lebt er in Kairo, in einem Haus-
Er sprach mit orthodoxen Juden und verzweifelten Paläs-
gibt es unter www.krimitour-dortmund.de.
boot auf dem Nil, und hält sich mühsam als Detektiv
tinensern, beobachtete die Protestbewegung in Tel Aviv,
Dortmund, 11 Uhr
über Wasser. Makanas neuer Klient hat viel Geld. Saad
besuchte die frühere palästinensische Ministerin Hanan
Hanafi ist einer der reichsten Männer Ägyptens. Sein
Aschrawi und wanderte eine Etappe mit David Grossman.
Theater | Bochum
weitverzweigtes Imperium aus Immobilien und Indus-
Unter großen Schwierigkeiten gelang ihm ein Abstecher
Ein Lied wird noch gesungen, dann ist Schluss. Nach
triebeteiligungen gründete auf Schutzgelderpressung
in den Gaza-Streifen. Aus den Notizen von unterwegs
dreißig Jahren schließt die Kneipe, und Lotte, die
und Bandenterror. Als Bauunternehmer zählte er zu
entstand ein großer, lebendiger Reisebericht. Er bringt
Frau hinterm Tresen, hat ihre Sachen schon gepackt.
den Profiteuren der Wirtschaftsliberalisierung von Prä-
uns nicht nur den Alltag der Israelis und Palästinenser
Die Band baut ab, die letzten Gäste gehen, nur vier
sident Sadat. Je länger Makana sucht, desto mehr Dreck
näher, er hilft auch zu verstehen, wie hier auf engstem
Freunde, die hier schon 1983 ihr Abitur begossen
und Leichen fördert er zutage, und desto mehr bringt er
Raum unterschiedliche Lebensweisen, Interessen und
haben, wollen noch ein Glas trinken. Also spendiert
sich selbst in Gefahr. Der Eintritt ist frei.
Ansprüche aufeinandertreffen. Der Eintritt ist frei.
Lotte eine letzte Runde und stellt dreißig Schnäp-
Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr
Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 19 Uhr
se auf die Theke. Für jedes Jahr einen. Der Alkohol löst die Zungen. Er beschwört Träume, Gespenster
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und gute Geister der zurückliegenden Jahre herauf. Und wenn Worte nicht mehr reichen, wird gesungen: schöne und traurige Lieder, Mut machende Hymnen und beschwingte Songs der Enttäuschung. Lutz Hübner hat das Libretto zu diesem Singspiel geschrieben. Und er lässt seine Figuren die schönsten und erfolgreichsten, aber auch fast vergessene Lieder des bekanntesten aus Bochum stammenden Künstlers singen: Lieder von Herbert Grönemeyer. Schauspielhaus, Bochum, 19 Uhr (auch 11., 17., 23. & 31.10., 19.30 Uhr) Theater | Drama Queens – Neue Songs aus der Kantine Ein Theater-Ensemble außer Kontrolle und mit überschäumenden Gefühlen – Emotionen, die sich einfach nicht mehr in Worten ausdrücken lassen: Sie wollen einfach gesungen sein. Der Regisseur aus der Hauptstadt bekommt den Haufen kaum noch in den Griff. Denn der Hauptdarsteller droht mit Abreise, der Assistent ist verliebt, die Ensemble-Diva wird von Weinkrämpfen geschüttelt und der Dramaturg steht hilflos daneben und bibbert vor Angst. Denn die Premiere naht unerbittlich. Und wie schon bei den vergangenen Proben zu Hamlet lässt die Probebühnen-Technik das Ensemble auch diesmal im Stich – man muss ausweichen: in die Kantine. Ob das gut geht? Ein rockiger Schauspieler-Liederabend der Extraklasse unter der musikalischen Leitung von Paul Wallfisch, gewürzt mit viel Humor und scharfen Dialogen. Schauspielhaus, Dortmund, 18 Uhr
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24 VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2013
MI 09 | 10 | 13 BODO VERLOSUNG | Jonny Lang Der am 29. Januar 1981 in North Dakota geborene Lang begann bereits mit 12 Jahren Gitarre zu spielen. Mit 14 veröf-
07 | 10 | 13 Jamal Mahjoub
11 | 10 | 13 Call me Mary
SA 12 | 10 | 13
MI 16 | 10 | 13
fentlichte Jonny sein erstes Album. Nicht nur durch seinen 96er Hit „Lie To Me“ sondern auch durch sein versiertes
Gitarrenspiel
Musik | Arve Henriksen Quartet
und seine einzigartige Stimme, wurde er schnell zu ei-
Beeinflusst wurde Arve Henriksen durch verschie-
Um seine Wunschbesetzung für sein neuestes Filmprojekt
ner festen Größe in der Blues Szene. In den folgenden
denste Arten von Folkmusik, zeitgenössischer Musik
zu gewinnen, erzählt der Produzent James der Schauspie-
Jahren ging Jonny Lang u.a. auf Tour mit B.B. King,
und elektronischer Musik. Angeregt durch Nils Petter
lerin Olivia den Plot des Drehbuches:
Aerosmith und den Rolling Stones und wurde für sein
Molvaer beeindruckte ihn jedoch besonders japanische
Die Geschäftsfrau Amy, deren Freund
zweites Album „Wander This World“ für den Grammy
Flötenmusik. Den warmen, weichen und luftigen Sound
beim Anschlag auf das World Trade
nominiert. Strukturierte Arrangements, eine bereite
der Shakuhachi, einer japanischen Flöte, übertrug er
Center starb, verliebt sich auf einer
Weltsicht, traumhafte Melodien und ein ausdrucks-
konsequent auf die Trompete. Dieser Klang wurde zu
Flugreise in den attraktiven Terroristen
starkes Gitarrenspiel prägen sein neues Album „Fight
seinem Markenzeichen und er zu einer weiteren Galli-
Mohammed. Er löst ihre Orgasmusblo-
For My Soul“, und dadurch lässt es sich nur schwer in
onsfigur aktueller norwegischer Musik.
ckade und zieht in ihr Penthouse ein,
eine Genreschublade stecken.
domicil, Dortmund, 20 Uhr
das damit zur Planungszentrale der AlQuaida wird. Osama Bin Laden höchstpersönlich erlaubt
Zeche, Bochum, 20 Uhr bodo verlost 3 x 2 Karten. Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
SO 13 | 10 | 13 Theater | Geschlossene Gesellschaft
Amy, gemeinsam mit ihrem Geliebten beim Selbstmordattentat auf Disneyland Paris in den Tod zu gehen. Da Amy jedoch Gewissensbisse bekommt, verrät sie Mohammed
Der Journalist und Literat Joseph Garcin, die Postan-
an die Polizei, der daraufhin in Guantánamo inhaftiert
gestellte Inés Serrano und die wohlhabende Estelle
wird. Als sie Fernsehbilder von seiner Misshandlung im
Rigault finden sich nach ihrem Tod in einem Zimmer
Gefängnis sieht, wechselt sie die Seiten und wird zur
Das „Ohrwurmsingen“ ist auf Geselligkeit und gute
gefangen wieder. In anhaltender Helligkeit sind sie
Kampfmaschine. Bridget Jones goes Jihad ist die Formel,
Laune ausgelegt. Per Beamer an die Wand projizierte
sich selbst und den anderen schutzlos ausgeliefert.
mit der Mark Ravenhill sein Stück auf den Punkt bringt.
Songtexte ermöglichen es jedem, unkompliziert mitzu-
Es beginnt eine ménage a trois, die in die Tiefen der
„Der Zuschauer soll irgendwann bemerken, dass er diesen
singen. Hermann Suttorp am Klavier und professionelle
menschlichen Schuld führt und an deren Ende eine fa-
schrecklichen Film, von dem da geredet wird, wirklich se-
Sänger und Sängerinnen sorgen für eine stimmungsvol-
tale Erkenntnis steht – eine Erkenntnis, die nicht nur
hen will“, wünscht sich Ravenhill.
le Begleitung und möchten das Publikum zu Höchstleis-
in der Ewigkeit der Verdammnis Bestand hat. In seiner
Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr
tungen animieren. Mit aktuellen Pop- und Rocksongs,
Antitragödie entreißt Sartre auf dramatische Weise
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Schlagern und Evergreens sollen Emotionen geweckt
dem Menschen seine Grundlage: die eigene Selbst-
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
werden. Die Palette der Interpreten reicht von Udo
wahrnehmung durch die Liebe und die Anerkennung
Jürgens und Frank Sinatra bis zu den Beatles und den
der Anderen. Stattdessen sind Sartres Figuren dazu
Toten Hosen. Weitere Veranstaltungstermine und -orte
verdammt, untereinander dieselben Konflikte immer
Für Männer gibt es gerade mal wieder 1000 gute Grün-
unter www.ohrwurmsingen.de.
und immer wieder auszutragen, ohne dabei Erlösung
de zu verduften: Für‘s Geld verdienen und Kinder zeu-
Storckshof, Dortmund, 19.30 Uhr
zu erfahren.
gen werden sie schon nicht mehr gebraucht; jetzt par-
Rottstr 5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr
ken auch noch die Autos von alleine ein. Und wenn es
DO 10 | 10 | 13 Musik | Ohrwurmsingen
FR 11 | 10 | 13 Zweiter Freitag | Rainer Holl trifft „Call me Mary“ In bodos Benefiz-Reihe „Zweiter Freitag“ trifft am
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BODO VERLOSUNG | Das Produkt
Kabarett | Peter Vollmer
um Sex geht, sagen sich immer mehr Frauen: „Vibrato-
DI 15 | 10 | 13 Kindertheater | Fiete Anders
ren schnarchen nicht.“ Kein Wunder, dass viele Männer Fluchtpläne schmieden. Auch Peter Vollmer muss erkennen: Ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen
11. Oktober der dreimalige Dortmunder Poetry-
Fiete Anders ist ein Schaf. Wenn man ein Schaf zwischen
und ein Kind zu zeugen reicht längst nicht mehr aus.
Slam-Stadtmeister und Les.Art-Preisträger für jun-
Schafen ist, bei denen man sich geborgen fühlt, dann
Erst wenn er eine Entziehungskur, eine Scheidung
ge Literatur Rainer Holl auf „Call me Mary“. Das
ist alles gut. Bei Fiete ist es jedoch anders, er ist nicht
und eine Darmspiegelung ohne Narkose überstanden
Dortmunder Indie-FolkRock-Duo tritt an mit dem
wollweiß wie alle aus seiner Herde, sondern rot-weiß ge-
hat…, dann ist ein Mann ein Mann!
Ziel, zu beweisen, dass es eigentlich nicht mehr als
streift. Tief in seinem Herzen spürt er, dass es irgendwo
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
zwei aufmerksame Musiker braucht, um ein schlich-
einen Ort geben muss, wo anders richtig ist. Von dieser
tes Lied zu einem wirklich guten Song zu machen.
Sehnsucht getrieben, macht er sich auf den Weg. Doch
Gitarre, Schlagzeug, Herzblut und der Mut zur
nie fühlt er sich heimisch. Erschöpft und mutlos klettert
Berti Vogts mäht Holländer, Toni Schumacher kauft
Schlichtheit. Beginn ist um 19.30 Uhr. Der Eintritt
er schließlich in einen Zug, kuschelt sich in eine Kiste
Jacketkronen, Fritz Walter liebt den Regen und Jür-
ist frei, für kalte und heiße Getränke ist gesorgt.
und schläft ein. Als er aus der Kiste klettert, traut er sei-
gen Sparwasser schießt sich mit nur einem Tor zur
Spenden kommen den Beratungsangeboten des Ver-
nen Ohren und Augen kaum: Da ist ein Meeresrauschen,
Unsterblichkeit. Die Geschichte der Fußball-Weltmeis-
eins zugute.
da steht eine Leuchtturm, der genauso ist wie er – er ist
terschaften ist reich an vielen unvergesslichen Mo-
bodos Bücher, Schwanenwall 36 – 38, 19.30 Uhr
angekommen! Für Kinder ab vier Jahren.
menten. Ben Redelings schwelgt mit seinem Publikum
Stadthalle, Unna, 15 Uhr
an einem bunten Abend gemeinsam in Erinnerungen
Fußball | Scudetto – „Als der Kaiser Gassi ging“
12 | 10 | 13 Arve Henriksen Quartet
17 | 10 | 13 Hennes Bender
18 | 10 | 13 Ehnert vs Ehnert
und lässt die schönsten und amüsantesten Augenbli-
Identitätssuche durch das Outfit. Doch es gibt leise
BODO VERLOSUNG | Markus Veith – Eulenspiegels Enkel
cke der WM-Historie noch einmal lebendig werden.
Gegenstimmen. Und dann bietet eine Bewegung aus
Erasmus hat ein seltsames Leiden: Nachdem er in
Flottmann-Hallen, Herne, 19.30 Uhr
dem Untergrund die Lösung: Den Dress 1001, gefertigt
seiner Kindheit jahrelang mit Gedichten gefüttert
aus einem Material, so fein, dass nur die wirklichen be-
wurde, kann er nur noch
deutsamen Menschen es überhaupt erkennen können.
und ausschließlich in
„Nihilin“ nennt sie den Stoff, aus dem das einzig wahre
Versen sprechen. Da alle
Outfit zur Erfüllung des Dresscode 1001 kreiert werden
Welt glaubt, er verulke
Hennes Bender ist weder übertrieben groß noch son-
kann und präsentiert Luft! 15 Akteure, Profis sowie
sie mit seiner lyrischen
derlich leise. Deswegen trägt seine neueste Show auch
junge Nachwuchsdarsteller, verbinden in Schauspiel,
Sprache, macht er aus
den treffenden Titel „Klein/Laut“. Damit jeder weiß:
Tanz und Videokunst eine Vision des alten Kampfes vom
der Not eine Tugend: Er zieht als moderner Eulen-
Da vorne steht nicht etwa ein hochgewachsener, stil-
Schein mit dem Sein zu einer aktuellen Geschichte über
spiegel umher und spielt Streiche. Genau wie der
ler Mann sondern der Comedyhobbit der deutschen
die Zwänge zur Behauptung und der Suche der Indivi-
berühmte Narr, hält er der Gesellschaft einen Spie-
Bühnen, stets auf 180 und immer kurz vorm Explo-
dualität nach Freiheit und Wahrhaftigkeit.
gel vor, macht vor nichts Halt und nutzt alles, was
dieren. Bender braucht keine Pyroshow – er ist selber
Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr (auch 19.10.)
die heutige Zeit ihm bietet: Einkaufszentren, Fast-
DO 17 | 10 | 13 Kabarett | Hennes Bender
eine. Wie üblich holt Bender nicht lange aus, sondern beißt sich direkt und ohne Umwege im Wahnsinn der
Food-Restaurants, Bundeswehr, Internet und FernKabarett | Ehnert vs Ehnert – „Küss langsam“
sehen. Er führt die Menschen an der Nase herum,
Realität und ihrer Nebenwirkungen fest! Er ist klein.
In Film und Fernsehen enden Liebesgeschichten immer
aber auch zu mancher erkenntnisreichen Einsicht.
Und laut. Ein kurzer Kracher, der lange nachhallt –
im Moment des höchsten Glücks: Umarmung, tiefer Blick
Schauburg Dortmund, 20 Uhr
oder wie sein Kollege Jochen Malmsheimer ihn nennt:
in die Augen, langer Kuss, toller Sex und dann – Ab-
bodo verlost 2 x 2 Karten.
„Das Cornichon des deutschen Kabaretts“.
blende! Ärgerlicherweise erfahren wir aber nie, wie die
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Werkstadt, Witten, 20 Uhr
von uns beneideten Traumpaare mit dem anschließenden Beziehungsalltag klarkommen. Die bittere Wahrheit ist:
Musik | Tyler Ward
FR 18 | 10 | 13
Sie kommen damit nicht klar! Genau so wenig wie alle
Als Tyler Ward vor fünf Jahren sein erstes Video auf
anderen – Traumpaar hin oder her. Und so endet auch
Youtube hochlud wurde seine Coverversion des Mi-
Tanztheater | Dresscode 1001
die traumhafte Romanze von Michael und Jennifer Eh-
chael Jackson Hits „We are the World“, eigentlich
Eine Gesellschaft ist beherrscht von Kleiderwahn.
nert vor dem Scheidungsrichter. „Küss langsam“ ist eine
Werbung für sein selbstgebautes Tonstudio, in der
Mehrmals täglich wechselt man sein Outfit. Wer privi-
ebenso atemberaubende wie komische Tour durch Män-
ersten Woche mehr als 1,5 Millionen Mal angeklickt.
legiert ist, bestimmt was getragen wird und entschei-
ner- und Frauenbilder unser Zeit, unterfüttert und unter-
Seine Fähigkeit, wunderschöne Melodien und Har-
det, wer welche Kleidung tragen darf. Immer schneller
graben von neuesten Erkenntnissen der Paarforschung.
monien mit eingängigen Hooks zu schreiben, erwarb
und schneller dreht sich bald eine absurde Spirale der
Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr
Ward durch sein Sezieren aktueller Hits. Seine InANZEIGE
NEW INDUSTRIES FESTIVAL
Forschungsabteilung / Ausstellungen Installation / Filme Konferenz / Live-Adventure-Game Performativer Rundgang / Matinéen
Hartware MedienKunstVerein Technische Universität Dortmund Urbane Künste Ruhr U2_Kulturelle Bildung Dortmunder U / Unionviertel
Gestaltung: www.laborb.de
14. September 2013 – 02. März 2014
Förderer:
Medienpartner:
ANZ_Bodo_1309_02RZ.indd 1
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09.09.13 16:24
26 VERANSTALTUNGEN OKTOBER 2013
terpretation von „The Other Side“ veranlasste Jason Derulo, ihn spontan zum Arrangieren einer AkustikVersion seines Hits einzuladen. Mit „If I‘m Being Honest“ stellt er sein Debüt-Album vor. FZW, Dortmund, 19.30 Uhr 23 | 10 | 13 Don Clarke
24 | 10 | 13 Bill Evans
bert weiß auch nicht wirklich, was er will. Wen wundert
DO 24 | 10 | 13
SA 19 | 10 | 13 Soziales | Bochumer Stadtführung mit bodo-Verkäufern Wie verbringen eigentlich Menschen auf der Straße ihren
es da noch, dass Hase meint, er sei ein Außerirdischer.
Tag? Wo halten sie sich auf, welche Angebote und Hil-
Sein Problem ist, dass er nicht bleiben kann, mitten in
fen gibt es? Wie sieht die Stadt aus der Sicht der „Men-
diesem wunderbaren, warmen, wilden und verwirren-
Das Berliner Comedy-Folk-Duo „Das Niveau“ ist ein
schen am Rand“ aus? Bei bodos sozialer Stadtführung
den Chaos, das wir Familie nennen.
bisschen wie Roulette. Man kann ein noch so ausge-
zeigen Verkäufer des Straßenmagazins „ihr“ Bochum.
Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 26. & 31.10.)
klügeltes System haben, voraussehen, wo die Kugel landet, kann man nicht. Wenn Martin Spieß und Sö-
„Spannende Einblicke – Gezeigt werden hier nicht das Bergbaumuseum oder das Planetarium, sondern typische Aufenthaltsorte Obdachloser. Bei dem Rundgang führt bodo-Verkäufer Markus Neiß die Teilnehmer zu sechs Sta-
Musik | Das Niveau
ren Vogelsang mit ihrer Mischung aus Folk-Musik und
MI 23 | 10 | 13
improvisierter Stand-Up-Comedy die Bühne betreten, wissen nicht mal sie selbst, was passiert. Sie spie-
BODO VERLOSUNG | Joe Driscoll & Sekou Kouyatè
tionen, zwei Stunden dauert die Bochum-Tour der etwas
Für das Festival Nuits Metis in Marseille sollten die bei-
len ein Lied, unterhalten sich ein bisschen mit dem
anderen Art.“ (RN). „Die Stadt und ihre Menschen mit
den Musiker zusammen improvisieren und der Funke der
Publikum, improvisieren einen Song – sie lassen sich
etwas anderen Augen zu sehen, ein Bewusstsein für sozi-
Inspiration
über.
treiben, wie die Kugel im Kessel. Wo sie landet, ist
ale Nöte zu bekommen und obdachlosen Menschen näher
Sekou Kouyatè bekam den
nicht wichtig. Wichtig allein ist, dass die Kugel rollt.
gekommen zu sein – dies sind Effekte, die dieses Projekt
Beinamen „Jimi Hendrix der
Dabei streifen die beiden Berlin-Neuköllner Themen
nicht nur bei den Kindern erzielt hat, sondern wohl bei al-
Kora“ durch seine einzigarti-
wie Schwulenrechte, Rassismus, illegale Downloads
len TeilnehmerInnen.“ (bsz) Anmeldung: 0231 – 950 978 0
ge und Genre übergreifende
und Zensur, veranstalten sie Helge-Schneider-artigen
bodo-Anlaufstelle, Stühmeyerstraße 33, Bochum, 11 Uhr
Weise dieses Instrument zu
Nonsens und singen über Bärte, Griechenlands Staats-
SO 20 | 10 | 13
sprang
spielen. Ignoranz gegenüber Stil-Schubladen ist auch ein
verschuldung und den Abschied von Steve Jobs.
Markenzeichen Joe Driscolls, den Cee-Lo Green liebevoll
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
„the gangsta with an iron lung“ nannte. Das Ergebnis der
BODO VERLOSUNG | KulturLife mit Mo‘ Blow
musikalischen Seelenverwandtschaft von Joe Driscoll &
Musik | Bill Evans & Soulgrass
Das sind die jungen deutschen Wilden. Mit fetten
Sekou Kouyatè, die innerhalb einiger Wochen gemeinsa-
Mit gerade mal 22 Jahren holte ihn Miles Davis 1980 in
Grooves, erdigen Sounds und treibenden Rhythmen sorgt
mer Jams entstand, ist ihr zauberhaftes Album „Faya“,
seine Band, es folgten sechs gemeinsame Studioaufnah-
Mo‘ Blow international mehr
eine so irre wie harmonische Fusion aus Afrobeat, Hip-
men und die eine oder andere Welttournee. Nach Miles
und mehr für Furore. Wieder
Hop, Folk und Reggae. Eine einfache Stilbeschreibung
folgten Tourneen mit Herbie Hancock, Mick Jagger und
einmal zählt damit ein Ver-
ist hier weder möglich noch nötig, die beiden Ausnah-
John McLaughlin, bis er sich schließlich mehr den eigenen
treter der ACT-Reihe „Young
memusiker halten es eben mit Louis Armstrong: „Es gibt
Ideen und Projekten widmete. Bill Evans ist ein Meister
German Jazz“ zu den Vor-
nur zwei Arten von Musik: Gute und Schlechte. Es kommt
des Fusion Jazz und mit „Soulgrass“ hat er sich den Blue-
reitern der nachwachsenden
nicht darauf an, was Du spielst, sondern wie du spielst.“
grass als weiteres stilistisches Element vorgeknöpft.
Generation. Das Jazzfunk-Quartett aus Berlin überrasch-
Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr
domicil, Dortmund, 20 Uhr
te bereits mit seinem knackigen ACT-Debüt „For Those
bodo verlost 3 x 2 Karten.
About To Funk“ die Szene. „Party, nicht mit Allerwelts-
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
Wie sagt doch der Volksmund: Die Stimme des Teufels
grooves, sondern mit Anspruch“, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Neben guten Kritiken gab es den „Future
Kabarett | Lisa Feller
Kabarett | Don Clarke
hört sich süß an. Was der gehörnte Verführer aller-
Sound Award“ der Leverkusener Jazztage. Für die Jury
Seit 30 Jahren wohnt der in England geborene Comedi-
dings sonst noch so alles auf Lager hat, ahnt eine jun-
war klar: „Mo‘ Blow zaubern ein mörderisch groovendes
an Don Clarke nun schon in Deutschland und wundert
ge Mutter wie Lisa Feller spätestens nach der Geburt.
Funk Feuerwerk auf die Bühne“. Mo‘ Blow ist eine Band,
sich doch noch immer über die Eigenheiten der deut-
Deshalb dreht sich in Lisa Fellers Soloprogramm „Der
die mittlerweile nicht mehr nur in Deutschland von sich
schen Sprache. So ist für Briten beispielsweise die
Teufel trägt Pampers“ alles rund um ihre Familie, um
Reden macht. Diese Jungs haben sich den Ruf als eine der
Buchstabenfolge „ie“ oder „ei“ kaum auseinander zu
die Schwangerschaft, Kinder, Ehemänner und um die
besten musikalischen Energieladungen wirklich erspielt.
halten. Grundsätzlich kein Problem, wenn man nicht
großen Fragen: Gibt es ein Leben für die Frau 30+ ne-
Dampfgebläsehaus an der Jahrhunderthalle, BO, 20 Uhr
gerade in den Lauenburger Schießverein eintreten
ben der Familie? Und wenn ja – wie kriege ich das alles
bodo verlost 3 x 2 Karten.
möchte. Erstaunlich detailgetreu schildert der „Natu-
unter den familiären Hut?
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
ral Born Comedian“ Geschichten, die aus dem Leben
Werkstadt, Witten, 20 Uhr
gegriffen sind, gepaart mit einer gehörigen Portion Theater | Hase Hase
26
(britischem) Humor. Den deutschen Behörden dürfte
FR 25 | 10 | 13
Frau Hase dachte, ihre erwachsenen Kinder wären aus
allerdings das Lachen vergehen, wenn Don Clarke sei-
dem Gröbsten raus, nur der Jüngste, Hase genannt,
ne Strafzettel für Geschwindigkeitsüberschreitungen
macht Sorgen. Aber dann klingelt es und einer nach
zurückschickt, mit der Bitte, das Bußgeld zu verrech-
Die beiden Brüder Kim „Kix“ und Bo Hjorth „Atomic
dem anderen steht wieder vor der Tür. Der eine wird
nen mit den Stunden, die er in den letzten Monaten
Child“ Jeppesen werden gern in die Psychobilly-
von der Polizei gesucht, die andere lässt sich scheiden,
im Stau stand und zu langsam fuhr.
Schublade gesteckt, doch das greift nicht weit genug.
noch eine andere will gar nicht erst heiraten und Bé-
Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr
Die Dänen verleiben sich so ziemlich jede Spaßmusik
Musik | PowerSolo
24 | 10 | 13 Das Niveau
27 | 10 | 13 Tamikrest
29 | 10 | 13 Tobi Katze
ein, die sich auf dem Planeten so finden lässt. Ver-
„Schwester“ und ist den Tuareg-Frauen gewidmet, die
mus ebenso wie über heiße Herzen – mit Standups und
mischen sie in einem Moment noch die Cramps mit
in der sich zuspitzenden Krise Malis das Überleben ihrer
Texten, die sitzen. Schriftstellerei zum Anschauen.
den Trashmen, schimmern an anderer Stelle die B-52‘s
Kinder und die Moral ihrer Familien sicherten. Zwischen
Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr
durch und die Beastie Boys kommen zum Tequila-Sau-
Dub, Desert Blues, Psychedelic, Funk und Art-Rock
fen vorbei. Dabei werden schwarz-beißender Humor
birgt die Platte große Poesie über Leid und Verlust,
und Zweideutigkeit groß geschrieben.
Melancholie und Hoffnung mit Raum für Sing-Along-
subrosa, Dortmund, 20 Uhr
Rock und einer Hommage an die frühen Pink Floyd.
DO 31 | 10 | 13 BODO VERLOSUNG | Cosmotopia Sause Spezial Die Cosmotopia Crew zelebriert in der Dortmunder Groß-
FZW, Dortmund, 20 Uhr
SA 26 | 10 | 13 Theater | Stromaufwärts Es soll einer dieser typischen Urlaube werden: zwei Paa-
marktschänke wieder ein großes Cosmotopia Sause
DI 29 | 10 | 13
Special. Zum traditionell
Lesung | Tobi Katze
wilden Teppichtanz gibt es
re, eine idyllische Landschaft, weit und breit niemand,
Tobi Katze macht Literandale. Laut und wuchtig trifft
der die Ruhe stören kann. Zwei Unternehmer und ihre
Kabarett auf Slam Poesie. Leise schleicht sich Spon-
mit den langjährigen Cos-
Frauen haben ein gemütliches Boot gechartert. Damit
tanlyrik in die Show, auf Katzes Schreibmaschine,
motopia-Resident DJanes von Funktronix. Zudem feiern
wollen sie auf dem abgelegenen Fluss Orb bis zur Arma-
die er immer mit sich führt. Mit Texten kann er sich
an diesem Abend die Jungs von Baked Beatz ihr DJ-De-
geddon-Brücke stromaufwärts fahren. Aber das schwim-
zudecken, doch anstatt zu schlafen oder zu schnur-
but im Cosmotopia. Gemeinsam mit Alex Sound werden
mende Urlaubsdomizil ist kleiner und enger als erwartet.
ren, schreibt Katze und liest vor, bis es kein Morgen
sie die Nacht um so manchen fetten Beat bereichern.
Keiner von ihnen hat je ein Boot gesteuert und dann
gibt. Tobi Katzes Texte sind wie er: frisch, bitterböse,
Großmarktschänke, Dortmund, 22 Uhr
dringen auch noch beunruhigende Meldungen aus der
nachdenklich, komisch. Der Übergang von Witz und
bodo verlost 3 x 2 Karten.
Firma zu ihnen durch. Schnell wird aus der erholsamen
Wahn ist hier fließend. Er liest über kalten Kapitalis-
Teilnahmebedingungen auf Seite 21.
diesmal ein Wiedersehen
Reise ein gefährliches Abenteuer und die Urlauber laufen
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auf Grund. Ein fremder junger Mann rettet die vier – und übernimmt das Kommando an Bord. Mit feinstem britischem Humor zeigt Alan Ayckbourn in seiner Komödie, wie wenig es braucht, damit normale Bürger die Fassung verlieren und sich bereitwillig vorschreiben lassen, was
Wo echte Liebe zählt, ist unser Strom.
sie zu tun und zu lassen haben. Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr
SO 27 | 10 | 13 Geschichte | Mittelalterliche Schreibstube Als „Nachwuchsmönche“ können Kinder ab 8 Jahren geheimnisvolle Handschriften erforschen und die Schreibkunst des Mittelalters kennenlernen. Aus Pulvern und Pflanzen werden Farben selbst angerührt und
rom n St e u e en n n und n. e t ein r Jetz en werb ft siche n i erbe kundGutschr w / e 1.d 20 € ew 2
kunstvolle Muster und Buchstaben mit Schreibfedern gestaltet. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Eine Anmeldung ist erforderlich.
.d www
Kindermuseum Adlerturm, Dortmund, 10 Uhr Musik | Tamikrest Tamikrest aus Mali, die sich 2006 gründeten, sind die „geistigen Söhne“ von Tinariwen. Ihre intensiven, beinahe hypnotischen Melodien verbinden Gitarrenrock mit der Tradition des Tamasheq Blues. Tamasheq ist
Viele Dinge sind für Dortmund typisch – ein Lokalpatriot zu sein gehört dazu. Und genau diese Lokalpatrioten suchen wir. Werben Sie einen Stromkunden und unterstützen Sie uns dabei, Dortmund weiterhin so lebenswert zu gestalten. Dafür setzen wir uns mit unseren
mehr als 1000 Mitarbeitern täglich ein. Nicht nur durch Ihre sichere Versorgung mit Strom, Gas und Wasser, sondern vor allem auch durch die Förderung zahlreicher Projekte, Initiativen und Vereine. Im Großen wie im Kleinen. Für Dortmund und die Region.
die Sprache der Tuareg, ein nomadisches Volk, das die Sahara über mehrere Landesgrenzen hinweg bewohnt; darunter Niger, Algerien, Libyen und Mali. Der Name Tamikrest ist Tamasheq für Bündnis/Verbindung/Knoten. Der Name ihres neuen Albums „Chatma“ bedeutet DEW21_AZ_130x140_BoDo.indd 1
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30.08.13 16:32
28 MUSIK | von Lisa Sänger | Foto: Pia Pritzel
»Das Leben ist doch keine Sondergenehmigung!« Drei Jahre lang sind Elias und Luis als Straßenmusiker durchs Land gezogen, bei sich hatten sie nur ihre Instrumente, Verstärker und Laptop sowie ihre Schlafsäcke. Übernachtet haben sie im Freien, bei Freunden oder bei Besuchern ihrer Konzerte. 2012 erlangten sie durch den Dokumentarfilm „Unplugged: Leben“ einen größeren Bekanntheitsgrad. Es folgte ein Vertrag beim Major-Label Universal. bodo traf Guaia Guaia beim Zeltfestival Ruhr, wo sie als Vorband für Deichkind auftraten.
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bodo Wo schlaft Ihr heute Abend? Elias Das wissen wir noch nicht genau, wahrscheinlich bei einer Freundin, die wir das vorletzte Mal, als wir in Bochum waren, kennengelernt haben. bodo Wie kam es dazu, dass Ihr beschlossen habt, Eure Wohnung zu kündigen und auf der Straße zu leben? Elias Wir wollten weiter Straßenmusik machen, hatten aber den Sommer vorher die Erfahrung gemacht, dass das Geld, das wir durch den Verkauf von CDs eingenommen haben, fast zu 100 Prozent für Bahntickets draufgeging und vor allem für die Miete. In Frankfurt zahlst du für eine Bruchbude 700 Euro. Da drängte sich die Überlegung einfach auf, wenn wir das nächste Mal unterwegs sind, die Wohnung zu kündigen. bodo Hattet Ihr einen groben Plan, wo Ihr schlafen würdet und woher Ihr etwas zu Essen bekommt? Luis Wir hatten die Erfahrung bei der ersten Tour schon gemacht, dass wir eigentlich sehr gut durchkommen und das alles ganz entspannt ist. Mit dem Essen war das so, wir hatten ja Geld von den CD-Verkäufen. Also sind wir, wie jeder andere Mensch auch, in den Supermarkt gegangen. bodo Hättet Ihr auch alleine weitergemacht, wenn einer von Euch gesagt hätte, ich steig‘ aus? Luis In der Form, wie wir das machen, geht das glaub ich nicht alleine. Elias Wir unterscheiden uns ja von „normalen“ Obdachlosen, die irgendwie da reingefallen sind, da wir das ganz bewusst machen. Ich glaube nicht, dass man sich alleine in der Form dazu entscheidet. Es ist alles auf jeden Fall wesentlich schwieriger alleine. Nicht nur körperlich, sondern auch von der Angst her. Du hast alleine viel mehr Angst, und zu zweit hast du plötzlich gar keine mehr und hast noch Spaß an einer Sache und kannst Erfahrungen miteinander teilen. bodo Ihr durftet einen Winter in der Villa eines Multimillionärs bleiben. Wie lernt man Multimillionäre auf der Straße kennen? Luis Ein guter Freund von uns hatte einen Freund, der diesen Millionär kannte, und der hatte zwei leerstehende Häuser. Für uns war das ein Winter, der auch ganz gut war. Am Ende waren wir aber auch sehr froh, das wieder zu verlassen, weil es nicht so toll ist, auf das Wohlwollen von jemand anders angewiesen zu sein. Elias (lacht) Ich hab es aber auch sehr genossen dort. Aber, Vermieter sind eben immer auch Gönner, selbst wenn du ihnen die Miete zahlst. Das ist schon eine Sache, die echt verrückt ist: Wir leben in einer Welt, die Eigentum predigt, aber die meisten Menschen haben gar nichts. Die zahlen sogar extrem viel Zeit und Geld dafür, dass sie einen Lebensraum haben. Und eigentlich ist das, finde ich, ein Grundrecht, dass du Raum zum Leben hast. Das ist ja unsere Welt, die gehört ja nicht irgendwie so ein paar Leuten. bodo Was sind die größten Steine, die man in Deutschland in den Weg gelegt bekommt, wenn man ohne festen Wohnsitz und Konto leben möchte? Elias Wenn du dir einen Lebensraum nimmst, der ungenutzt ist, und dann vom Eigentümer oder irgendwelchen Ordnungshütern verdrängt wirst, merkst du ständig, dass du illegal bist, dass es dir nicht erlaubt ist, zu existieren an einem Ort. Luis Und das Schlimmste, was du dann noch machen kannst, ist, ein Gewerbe zu betreiben, also einen Lebensinhalt zu schaffen. Du kannst dir weder auf dem Land noch in der Stadt auch nur einen Quadratmeter nehmen und darauf ein Projekt machen. Weil alles in Privat- und Staatseigentum eingeteilt ist. bodo Eure Auftritte wurden regelmäßig von der Polizei beendet, warum habt Ihr Eure Auftritte nie angemeldet? Elias Das Leben ist doch keine Sondergenehmigung. Es ist auch praktisch unmöglich, wir wollten ja frei ‘rumfahren und spontan sein. Aber es ist es auch ein gutes Bild, das stehenbleibt, dass der Ordnungshüter die Musik unterbindet. (Lisa Sänger)
INFO Elias Gottstein und Carl Luis Zielke verließen vor drei Jahren das verschlafene Neubrandenburg und entschieden sich für das (Musiker-)Leben auf der Straße: Im Gepäck haben sie Big Beats, Posaune, Synthesizer-Sounds und ihre Musikalität. Ihre Band heißt Guaia Guaia und passt in zwei umgebaute Mülltonnen, einen festen Wohnsitz haben sie nicht. Ihre aktuelle CD heißt „Eine Revolution ist viel zu wenig“. Der Filmemacher Sobo Swobodnik begleitete die beiden ein Jahr lang. Sein Film „Unplugged: Leben“ erhielt den Publikumspreis des Bayerischen Rundfunks beim Filmfest München.
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30 SOZIALES | von Annette Wild | Fotos: Andreas Düllick · Peter Himsel, VdK
»Vier Jahre sind vertan, und es ist nichts geschehen.« Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, spricht über Rentenpolitik, Altersarmut sowie soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheiten – und kritisiert die bisherige Sozialministerin Ursula von der Leyen.
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Annette Wild Die Mitgliederzahlen Ihres Verbands
AW Nicht nur Menschen, die erkrankt sind, bekom-
wachsen und wachsen. Macht Sie das glücklich, oder
men weniger Geld, sondern auch „normale“ Rentner.
zeigt der Anstieg auch, dass immer mehr Menschen
Suchen auch sie Hilfe beim VdK?
Hilfe benötigen? Ulrike Mascher Ich sehe das mit einem lachenden
UM Ja, natürlich. Wir haben immer mehr Rentnerinnen und Rentner, vor allem aber Rentnerinnen, die
und einem weinenden Auge. Einerseits freue ich mich natürlich über die steigende Mitgliederzahl, weil das ja auch ein großer Vertrauensbeweis ist. Auf der anderen Seite zeigt es aber auch die Ängste, die Nöte und Sorgen der Betroffenen, die zu uns kommen. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass unser Sozialrecht für den Einzelnen schwer nachvollziehbar ist und dadurch die Beratung und Unterstützung immer notwendiger werden. AW Was für Menschen suchen Hilfe bei Ihnen? UM Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind, erwerbsfähig zu sein, beziehungsweise die eine längere Krankheit hinter sich haben und denen von der Krankenkasse geraten wird, nicht mehr zu arbeiten und eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen. Diese Erwerbsminderungsrente zu erhalten ist teilweise ein Kampf, bei dem wir helfen. Wir vertreten aber auch die Position, dass jemand, bevor er unter 50 Jahren berentet wird, die Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation, also einer Neuorientierung im Beruf, bekommen sollte. Für Menschen, die über 40 Jahre alt sind, ist die jedoch schwer zu erreichen. Die Vorstellung der Träger von Reha-Leistungen wie Arbeitsagentur, Jobcenter, Krankenkasse, Renten- oder Unfallversicherung ist häufig: Das lohnt sich nicht mehr. AW Aber die Kosten sind doch geringer, als wenn man diesen Menschen 20 Jahre lang eine Erwerbsminderungsrente bezahlen würde.
Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland
mit ihrer Rente einfach nicht mehr auskommen. Die meisten von ihnen scheuen sich, Grundsicherung zu beantragen, obwohl sie einen Rechtsanspruch darauf haben. Sie sind in Sorge, dass ihre Kinder finanziell herangezogen werden. Das ist zwar bei der Sozialhilfe der Fall, aber nicht bei der Grundsicherung im Alter. Viele haben auch kleine Ersparnisse, um eine ordentliche Beerdigung finanzieren zu können. Wenn sie Grundsicherung beantragen, müssen sie ihre Erspar-
UM Ja, natürlich. Aber die Frage ist, aus welchem Topf
nisse aber offenlegen. Nur bis zu einem bestimmten
das finanziert wird. Die Krankenkasse hat das Inter-
Freibetrag können sie das Geld behalten. Alles, was
esse, die Menschen, die länger krank sind, aus dem
darüber hinausgeht, muss verbraucht werden. Das ist
Krankengeldbezug zu nehmen und sie an andere Kost-
eine zweite Hürde für die alten Menschen. Zudem ha-
enträger zu vermitteln, also an die Arbeitslosen- oder
ben diese Menschen grundsätzlich die Haltung: Ich
Rentenversicherung. Die wiederum wollen wissen: Wer
hab ein Leben lang für mich gesorgt, und ich will
kommt für die Kosten auf, ohne dass es uns zu viel
nicht auf Fürsorge angewiesen sein.
kostet? Das Fatale ist: Alle sozialen Sicherungssysteme stehen unter erheblichem wirtschaftlichem Druck.
AW Was machen Rentner, die mit ihrem Geld nicht auskommen?
AW Die Erwerbsminderungsrente sinkt jährlich. Was ist eigentlich der Grund dafür, dass die Menschen immer weniger Geld bekommen?
UM Sie versuchen, noch mehr zu sparen, oder gehen zur Tafel, um ihre Lebenshaltungskosten zu reduzieren. Ich bin froh, dass so viele Menschen
UM Wir haben seit 20 Jahren eine völlige Neuori-
sich ehrenamtlich engagieren. Es ist toll, dass es zu
entierung in der Rentenpolitik. Der entscheidende
Weihnachten ein großes Spendenaufkommen gibt.
Maßstab ist, dass der Beitragssatz für Arbeitgeber
Es kann aber nicht sein, dass immer mehr Menschen
und Versicherte stabil bleiben soll. Um das zu hal-
existenziell auf die Tafeln angewiesen sind. Da wa-
ten, hat man in mehreren Schritten Leistungen in
ren wir sozialpolitisch schon mal weiter.
der Rentenversicherung reduziert. Wir haben jetzt seit etwa zehn Jahren ein langsames Sinken des Rentenniveaus in allen Bereichen: Altersrente, Wit-
AW Immer mehr alte Menschen gehen auch im Rentenalter noch arbeiten.
wenrente, Erwerbsminderungsrente. In der Folge
UM Ja, wenn sie dazu noch gesundheitlich in der
sind auch die Zahlbeträge gesunken.
Lage sind und die Chance haben, suchen sich viele 31
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von diesen Menschen einen Minijob. Frau von der
bei drei Jahren sind das 84 Euro pro Monat. Die
Leyen stellte sich dann hin und sagte sinnge-
Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben,
mäß: „Das sieht man doch, die Menschen wollen
bei denen wird aber nur ein Jahr angerechnet.
länger arbeiten. Das ist für sie ganz wichtig. Sie
Der VdK und verschiedene Frauenorganisationen
wollen unter Menschen sein und haben Freude an
haben daraufhin gefordert, dass auch für die Kin-
der Arbeit.“ Die Erfahrungen zeigen aber: Es gibt
der, die vor 1992 geboren wurden, drei Jahre an-
zwar durchaus Rentner, die einen Beruf, meistens
gerechnet werden.
einen qualifizierten Beruf, bei dem man mit Kollegen zusammenarbeitet, noch nach dem Zeitpunkt
AW Was entgegnen Sie denn dem Bundesfinanz-
ihrer Verrentung einen Nachmittag in der Woche
minister, wenn er sagt, das sei nicht finanzierbar?
ausüben. Das ist schön, aber nicht unser Thema. Denn es gibt genug, die putzen gehen, die nachts Zeitungen austragen, die Regale in Supermärkten einräumen oder einen Wachdienst in Gewerbeimmobilien ausüben. Das sind übrigens keine Tätigkeiten, bei denen man viel mit Kollegen zu tun hat. Die Arbeiten sind körperlich anstrengend. Es sind häufig keine besonders angenehmen Tätigkeiten und auch keine gut bezahlten. Die alten Menschen machen diese Jobs, um noch ein bisschen Geld zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Wenn uns eine alte Frau erzählt: „Zum Ende des Monats muss ich mir genau überlegen: Will ich noch ein Pfund Äpfel kaufen oder brauche ich noch ein Medikament, das ich selbst bezahlen muss?“ Ich finde die Alternative, kaufe ich mir Äpfel oder ein Medikament, ist in einem Land wie der Bundesrepublik bitter. Deswegen wäre es so wichtig gewesen, dass die Bundesregierung die Ursachen der Renten, von denen man nicht leben kann, überprüft und sich überlegt, was man gegen Altersarmut tun kann. Im Grunde genommen sind jetzt vier Jahre vertan, und es ist nichts geschehen. AW Rentnerinnen geht es laut Armutsbericht noch schlechter als Rentnern. Warum?
UM Dann stellt sich einfach die Frage der Prioritäten. Ein ausgeglichener Haushalt ist eine wichtige Sache und aller Ehren wert. Aber wir leben in einem Land, in dem jedes Jahr großer Reichtum erwirtschaftet wird. Da muss man sich doch fragen: Wie wird dieser Reichtum verteilt? Wie sieht die Besteuerung bei hohem Einkommen aus? Wir hatten unter Helmut Kohl schon mal einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent. Ich sag jetzt nicht, dass wir zu 53 Prozent zurückkehren müssen. Aber etwas mehr als 43 Prozent bringt diejenigen, die ein hohes Einkommen haben, nicht um. Warum gibt es in der Bundesrepublik nicht wie in anderen europäischen Ländern eine Vermögenssteuer? Das ist auch meine Frage an den Finanzminister. Im Juli 2012 ist der 3. Sozialbericht erschienen. Es gab also schon mal einen ersten und einen zweiten. Es gab auch eine Kommission, die nach dem 2. Sozialbericht Lösungsansätze erarbeitet hat. Viel umgesetzt wurde anscheinend jedoch nicht. Der dritte Sozialbericht ist auch schon ein Jahr alt. Eine hochrangige Kommission hat damals viel Zeit und Energie darauf verwendet, Vorschläge zu machen. Es ging darum, eine bessere Ausbildungsund Arbeitsmarktsituation zu schaffen sowie Altersarmut zu vermeiden. Viel mehr ist nicht ge-
UM Das hängt bei der heutigen Rentnerinnenge-
schehen. Jedenfalls hat sich die Armut bei Rent-
neration – und das wird sich so schnell auch nicht
nern und Rentnerinnen nicht gebessert.
ändern – damit zusammen, dass Frauen in der Regel irgendwann ihre Erwerbstätigkeit aufgeben,
AW Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit Ihrer Arbeit
um Kinder zu betreuen. Das ist dann schon eine
viel bewirken können, oder eher, dass Sie gegen
große Rentenlücke. Später wird zwar versucht,
Windmühlen kämpfen?
sich wieder in eine Erwerbstätigkeit einzufädeln. Doch viele Frauen können dann nicht mehr in den erlernten Beruf zurück. Meistens arbeiten Mütter dann Teilzeit, um die Betreuung der Kinder, die ganze Familienarbeit und die Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bekommen. Noch sind viele Frauen in Branchen beschäftigt, in denen nicht gut gezahlt wird, etwa im Einzelhandel. Frauen verdienen 23 bis 25 Prozent weniger als Männer, aber bei der Rente bekommen sie fast 50 Prozent weniger. AW Sie haben sich sehr für die Mütter-Rente eingesetzt. Um was geht es da genau?
Elf engagierte Bürger gründeten 2011 den Verein Borsig11 – am Ursprungsort der Dortmunder Fußball-Elf. Doch Fußball steht gar nicht im Mittelpunkt: Borsig11 will „die Talente der Menschen am Borsigplatz heben. Dabei halten wir den Bewohnern nicht nur etwas vor die Nase, in der Hoffnung, dass sie es annehmen. Sie sollen aktiv mitmachen“. Das erklärt Vereinsvorstand Volker Pohlüke. Für diese Einstellung hat der Verein ein schönes Wort gefunden: Machbarschaft. Zentrales Projekt stellt zurzeit die von der BVB-Stiftung „Leuchte auf“ geförderte Youngsters Akademie dar. „Nach dem Berufswunsch gefragt, wollen viele Kinder hier Fußballspieler werden. Wir wollen weitere Perspektiven aufzei-
UM Das ist wechselnd. Insgesamt ist es so, dass
gen und alternative Berufsbilder beleuchten.“
wir beim VdK viel Zustimmung und Anerkennung
So wohnten die 50 Youngsters zum Beispiel
bekommen. Das hilft dann auch, wenn ein Rechts-
schon einem Tatort-Dreh bei, fuhren Kran im
streit mal nicht so ausgegangen ist, wie wir es
Hafen, besuchten das Stadion, eine Redaktion
erhofft und erwartet haben. Das Problem, das
und die Polizei. Dem DASA-Programmdirektor
wir haben: Diejenigen, die unsere Beratung am
und einem Hauptkommissar Fragen zu stellen,
dringendsten bräuchten, sind am schlechtesten
wäre für die Youngsters sonst schwer möglich.
erreichbar. Die wissen gar nicht, dass es eine Be-
Die Termine bereiten die Sechs- bis Sech-
ratung gibt. Und wenn sie es wissen, müssen sie
zehnjährigen im „Youngsters-Magazin“ auf.
sich auch noch trauen, hinzugehen. Das bedeutet
Außerdem stellen sie die Interviews auf einem
ja auch, zuzugeben: Ich komme mit meinem Leben
eigenen Youtube-Kanal ein.
nicht zurecht. Ich brauche Hilfe. Das ermutigt die Kinder auch mit Deutsch zu
UM Für Kinder, die nach dem 1. Januar 1992 ge-
Annette Wild
arbeiten, denn das ist für viele der Youngs-
boren sind, werden Frauen drei Jahre Rente an-
www.street-papers.org / BISS - Germany
ters ein Hindernis. „Häufig sind es die Kinder,
gerechnet, so als hätten sie in den drei Jahren
die den ersten Schritt machen und sich an
ein Durchschnittseinkommen erzielt. Das heißt,
Aktionen beteiligen“, sagt Guido Meincke,
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SOZIALES | von Frederik Gremler | Foto: Machbarschaft Borsig11
Gute Arbeit FREI!
Union-Busting= systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und Beschäftigten
Dann lieber doch nicht Fußballprofi Die „Machbarschaft Borsig11“ ebenfalls im Vorstand des Vereins, „und über
indischen Dinner ein („scharf und lecker“,
die Kids erreichen wir die Eltern.“ Schließlich
laut Pohlüke). Ein proppenvoller Buchschrank
forciert der Verein noch vielfältige andere
zieht in einem mit Glas abgetrennten Bereich
Projekte, mit wieder anderen Zielgruppen.
die Blicke auf sich: die Weltbibliothek. Dort
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schwanenstraße 30 44135 dortmund t: 0231/5860915 f: 0231/5860921
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stellen die Bewohner ihre Lieblingsbücher in Schon das Büro am Borsigplatz, zur Verfügung
unterschiedlichsten Sprachen zur Verfügung.
gestellt von der Wohnungsgesellschaft Viva-
Besonders die Youngsters nutzen ihn, lesen
west, ist Standort für einige. Direkt im Eingang
dann zum Beispiel Comics.
steht ein kleiner Holzschrank mit Geschirr, CDs und Kinderkleidung: Die „Give-Box“ ist eine
Während des Gesprächs trudelt dann auch
Art gratis Second-Hand-Laden ohne Zwischen-
eine Gruppe von ihnen lautstark ein. Auf
händler. Dort können Bewohner Gegenstände
Cityrollern fragen sie nach den Gewinnen für
untereinander austauschen. Ein Gartenprojekt
ihren Sieg beim von Borsig11 organisierten
ist gestartet. Bewohner erhalten im Hinterhof
Streetsoccer-Turnier. Die Preise: ein Trai-
des Büros eine kleine Parzelle, die sie selbst
ningstag in der Fußballschule des BVB und
nach Belieben bewirtschaften können. Fairen
Tickets für ein BVB-Heimspiel.
Kaffee reicht mir André Koernig, ein Teilnehmer des „Coworking-Space-Projekts“. Für ihn und
Borsig11 ist auf Landesmittel, Spenden und
andere Freiberufler bietet Borsig11 Büroräu-
Engagement angewiesen – Meincke und
me, WLAN und mehr. „Es ist sehr schön, einen
Pohlücke arbeiten fast Vollzeit ohne Bezah-
festen Platz zu haben, wo ich arbeiten und
lung. Und mit Fußballturnieren für die Kids,
etwas lagern kann“, lobt er. Studenten wohnen,
Karten fürs Heimspiel und Förderung durch
im Austausch für ehrenamtliche Tätigkeit,
den BVB ist doch auch ein bisschen der Fuß-
verbilligt über den Büroräumen.
ball, der die Machbarschaft zusammenhält. (Frederik Gremler)
Der türkische Student Mert Erpence zum Beispiel half beim Fußballturnier der Youngs-
INFORMIERT Wir behaupten von uns, dass wir der günstigste Bastelladen in ganz NRW sind. Wir führen ein umfangreiches Sortiment an: SCHMUCKZUBEHÖR z.B. Swarovskisteine, Roncalliperlen, Strass, Glas- und Holzperlen u.v.m. BASTELZUBEHÖR z.B. Tonpapier -karton, Styropor, Acryl, Streuartikel u.v.m. KÜNSTLERBEDARF z.B. Keilrahmen, Farben, Pinsel u.v.m.
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Da wir so günstig sind und über große Mengen verfügen, sind ein Großteil unserer Kunden Kindergärten, Schulen, Jugend- und Seniorenheime, Kirchengemeinden aber auch Privatpersonen.
ters mit und Sesha Sumbramian lädt zum 33
34 KULTUR | von Jens Mayer | Foto: Frank Egel
Die Idee in der Marketingschleuder Die Goldenen Zitronen
Die Hamburger Avantgarde-Punkband „Die
in Detroit. Vielleicht begreift man irgendwann,
Goldenen Zitronen“ beschäftigt sich auf ihrem
dass die Verdichtung in Berlin zu Ende geht.“
neuen Album „Who’s Bad?“ mit Stadt- und Gentrifizierungsthemen. Dabei fließen auch
Die Vision, von der er spricht ist nicht neu, doch
Erfahrungen und Beobachtungen aus dem
die junge freie Kulturszene im Ruhrgebiet hat
Ruhrgebiet mit ein.
immer wieder mit massiven Behinderungen zu kämpfen, wie man zuletzt bei der Besetzung des
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„Ich bin mal gespannt, ob nicht irgendwann
leerstehenden Schulgebäudes „Bärendelle“ in
mal die Idee im Ruhrgebiet aufkommt, dass da
Essen verfolgen konnte. Die resignierte Abwan-
möglicherweise Platz ist – denn da ist Platz!“
derung eines Großteils der interessierten Klien-
Schorsch Kamerun, die Stimme der Goldenen
tel sieht auch Kamerun als größte Gefahr: „Die
Zitronen, weiß wovon er spricht. Als Theaterre-
Innenstädte gibt es nicht mehr. In Oberhausen
gisseur inszenierte er bereits 2010 in Oberhau-
gibt es das Centro – ‚die größte Shoppingmall
sen das Stück Abseitsfalle, das sich mit Themen
Europas’ – wo die Leute auch hingehen und sich
wie Städteverschuldung und Kultursponsoring
aufhalten. Da fragt man sich: Kann man da über-
auseinandersetzt.
haupt etwas anbieten?“
„In Oberhausen am Bahnhof hat die Bahn eine
„Who’s Bad?“, das elfte Album der Hamburger,
alte Beladestation an eine Kunstgruppe aus
setzt sich in vielen Stücken mit dem Thema Gen-
Berlin gegeben – vier Stockwerke für die nächs-
trifizierung auseinander, in den Texten tummeln
ten 25 Jahre. Mietfrei. Das muss man sich mal
sich Investoren, Kaufleute und Kreative, die von
vorstellen! Direkt im Bahnhof. Vielleicht gibt es
Marken, Vermarktung und Städtemarketing reden.
ja mal irgendwann so eine Idee wie meinetwegen
„Hier wird es viel schwieriger etwas auszuprobie-
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ren, ohne schon ein Startkapital zu haben“, führt Kamerun an, und nimmt den von ihm und Rocko Schamoni 1995 in Altona gegründeten Golden Pudel Club als Beispiel: „Wir haben für den Pudel Club keine Art von Kaution oder Abstand bezahlen
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FLÜCHTLINGE SIND SCHUTZSUCHENDE Deshalb: menschenwürdiges Asylund Aufenthaltsrecht
müssen, sondern genau: gar nichts. Das wäre heute nicht mehr denkbar. Mit anderen Worten: Es hätte ihn heute nicht gegeben. Wir hätten niemals auch nur tausend Mark gehabt um den Laden zu starten. Heutzutage musst du in Ottensen/ Altona erstmal 60.000 Euro hinlegen und zwar nur als Abstand.“ Bandkollege Ted Gaier ergänzt: „Das hat auch mit der Politik der letzten zehn Jahre zu tun, dass im Zuge des Stadtmarketings alles auf Verwertung aus war. Es wurden Grundstücke und Häuser nach
Optik Meier
dem Höchstpreisgebot vergeben – an den, der
Ihr Fachgeschäft für Brillen und Kontaktlinsen
das Meiste dafür hingelegt hat, egal was er damit macht. Stadtplanung – völlig egal. Der Wahnsinn
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mit der Elbphilharmonie, wo ja real Geld abgezogen wird aus der Kulturszene. Ein Budget, das eigentlich für freie Produktionen und sonstige Dinge zur Verfügung stehen müsste.“
Öffnungszeiten Mo. – Fr.: 9 Uhr – 18.30 Uhr
Gaier hat auch den Text für das Stück Duisburg
Sa.: 9 Uhr – 14 Uhr
geschrieben, das noch einmal die Geschehnisse
Termine nach Absprache von 8 Uhr – 20 Uhr
um die Katastrophe der Loveparade nachvollzieht: „Eine Analyse, was Städtemarketing bedeutet und was in diesem Falle daraus geworden ist.“ Er habe in klassisch journalistischer Weise recherchiert und alles „zusammengetragen, was über diese Ereignisse verfügbar war: Ich habe versucht, das wie eine Brechtche Erzählung zu machen: Aufstieg und Fall einer Idee. Es ist halt
Gemeinsam tragen wir Verantwortung:
Gemeinsam tragen wir Verantwortung: mit neuer Energie. mit neuer Energie.
ein Beispiel für den Niedergang. Die Protagonisten und die Koalitionen, die da geschmiedet wurden, wie es zustande kam und die Versäumnisse, dass ist in der ganzen Abfolge tragisch ist, ab dem Moment, an dem die Loveparade aus Berlin weggegangen ist. Dass nicht einmal mehr die Idee, dass man sich den öffentlichen Raum nimmt, übriggeblieben ist – das war ja die ursprüngliche Idee. Eine befreiende, eine progressive Idee! Die Katastrophe war ja nur denkbar, weil die Leute da eingepfercht wurden auf diesem Gelände zwischen Autobahn und Gleisen. Es geht darum, zu zeigen, was aus einer Idee wird, die mehrfach durch so eine Marketingschleuder gedreht wird. (jm)
INFO Die Goldenen Zitronen | Who’s Bad? | Buback/Indigo www.die-goldenen-zitronen.de
Die Stadtwerke Witten beliefern ihre Kunden nicht nur mit attraktivem Ökostrom, sondern übernehmen aktiv Verantwortung. Dabei legen sie großen Wert auf einen schonenden Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen und auf die Erhaltung der Natur. Sie investieren in eine umweltfreundliche und nachhaltige Energiegewinnung und damit in eine lebenswerte Zukunft für uns alle.
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36 LITERATUR | gelesen von Fred Ape
Tim Parks
Die Kunst stillzusitzen Ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung Meine erste Begegnung mit Tim Parks war sein Buch „Eine Saison mit Verona“, das für mich zu den besten Fußballbüchern gehört. Weitere Bücher des in Verona gestrandeten Engländers habe ich in der Folge mit Begeisterung gelesen, doch mit „Die Kunst stillzusitzen“ ist Parks zu einem meiner besten Freunde geworden, ohne dass er jemals davon erfahren wird. Wir haben – über den Fußball hinaus – einige entscheidende Gemeinsamkeiten: Wir sind etwa gleich alt. Männer in einem Alter, in dem aus irgendwelchen Gründen das eine oder andere nicht mehr stimmt. Wir sind Autoren, wobei ich mich natürlich nicht mit einem Romancier, der Welterfolge vorweisen kann, vergleichen will. Wir sind Künstler. Fleißig und eitel. Und wir arbeiten ständig an uns. Wir beobachten argwöhnisch die Konkurrenz und fragen uns oft: „Warum der und warum ich nicht?“ Ein ständiges Vergleichen, ein ständiges Messen des eigenen Stellenwerts. Und – jetzt kommen wir zum Thema des Buches – wir erfahren Verkrampfungen und Verspannungen, die einem Rätsel aufgeben und die teilweise so schmerzhaft sind, dass sie nicht mehr auszuhalten sind. Tim Parks ist ein Nachtpinkler. Einer, der seit zwanzig Jahren Schmerzen hat, die er nun nicht länger aushalten kann. Er begibt sich auf den üblichen Pfad der Ärzte- und Apparatemedizin, lässt Prostata und Blase begutachten, Nieren ultraschallen und Harnwege spiegeln, lässt PSA-Werte messen und sich mehr als einmal komplett durchleuchten. Alles ohne Ergebnis, die horrenden Schmerzen bleiben. Seine Lebensqualität steht auf dem Spiel; er muss was tun und beschließt, sich nach und nach zu öffnen. Auf seiner Suche nach Heilung und Gesundheit bleibt er immer der Skeptiker. Ob beim Ayurveda-Lehrer in Indien oder beim Meditieren in der Toskana: Er beobachtet sich ständig. Über unerwartete Zwischenerfolge grübelt er, sodass sie ihm umgehend wieder entgleiten. Sein Denken steht ihm im Weg. Er wird DAS NICHTS (Zen) nicht erreichen, weil er fortwährend darüber nachdenkt, wie er es hinterher in einem Text formuliert. Das ist das Thema des Buches: Für wen mache ich das? Warum ist mir der Erfolg so wichtig, wenn er mir doch ein wie immer geartetes Leiden aufzwingt? In seinem Fall die Verspannung jeglicher Muskulatur des Urogenitaltraktes. Jemals davon gehört? Ich auch nicht. Aber mal ehrlich, über Psychosomatik und Ganzheitlichkeit haben wir uns ja wohl schon alle Gedanken gemacht. Viele waren sogar in Indien und haben sich in folkloristischer Kleidung vor irgendwelchen Gurus auf eine Matte gesetzt, um zu Hause ganz schnell wieder die gleichen Schmerzen zu erleben. Parks lässt nicht locker und stellt die entscheidenden Fragen des Lebens: Warum mache ich das? Warum ist es mir so wichtig, wichtig zu sein? Warum kann ich nicht loslassen und die Dinge einfach so nehmen wie sie sind? Tim Parks nähert sich diesen unbeantwortbaren Fragen, dass es eine Freude und eine Hilfe ist. Wie ich, bleibt er Skeptiker gegenüber esoterischen und therapeutischen Gurus, versperrt aber Niemandem den Weg dorthin. Er akzeptiert. Er lernt mit der Krankheit, mit seinen Verspannungen umzugehen und wird im Geist ruhiger. Und er wird hoffentlich, als mein Freund, noch viele wunderbare Bücher schreiben und mir so immer nah bleiben. Ich sage einfach nur: Danke, Tim, du Bruder im Geiste; Du hast mir geholfen, die Dinge zu sehen wie sie sind. Und am Ende des Tages nicht über alles zu jammern. (Fred Ape) Tim Parks | Die Kunst stillzusitzen Ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung Goldmann Taschenbuch | 368 Seiten | 9,99 Euro
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37 Fehlersuchbild – Lösung: 1) In der Sprechblase steht "Hämmer" statt "Hammer", 2) bei der Volkertoons-URL fehlt das ".de", 3) die Koteletten des linken Neandertalers sind kürzer, 4) ebenso sein Fellhemd, 5) dem rechten Neandertaler fehlt eine Haarlocke. 6) die Bartstoppeln und 7) ein Finger, 8) der Stil des Hammers ist kürzer, 9) rechts am Boden liegt ein Stein zuviel und 10) der Stein hinten mittig an der Wand ist größer.
Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg! Rätsel-Lösung: KASSIBER
RÄTSEL | von Volker Dornemann
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38 BODO GEHT AUS | von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski
Die hauseigenen Kreationen im Ausschank heißen „KOKS: feinster Stoff aus‘m Pott“ und „KOKS: die dunkle Seite von wach“. Simon Hass, Betreiber des Baristoteles, hat ein offensichtliches Faible für Wortspiele. Er brachte schließlich auch Aristoteles, den Philosophen, mit einem Barista, dem Barkeeper italienischer Espressobars, bei der Namensfindung für sein kleines Café am Hans-Ehrenberg-Platz zusammen. Ob der Grieche seinerzeit Kaffee getrunken hat? Unversehens ist man, eine Tasse Espresso oder Cappuccino in der Hand, am Philosophieren. Über Anbaugebiete, Robusta und Arabica, Fair Trade und Bio, Historie, die besten Maschinen und die richtige Röstung.
Baristoteles | Bochum Beim Kaffeephilosophen Für die Kaffeebar lässt er allerdings rösten, nach
Tagesgeschäft mehr und mehr in Richtung Café
seinen Rezepturen natürlich. Er beauftragt die
entwickelte, dürfte grundsätzlich jeden Liebha-
Bochumer Firma röst.art, die Bohnen stammen
ber der schwarzen Bohnen erfreuen. Wer gern
von zuverlässigen Partnern aus direktem Import,
mehr hätte und mit dem Gedanken spielt, sich
fair gehandelt und in Bio-Qualität. Simon Hass
selbst so ein Schätzchen zu gönnen, ist bei Hass
nennt sie „cleanbeanz“, saubere Bohnen, und
ebenfalls an der richtigen Adresse. Er berät,
erklärt, wie eine faire Bezahlung die Lebens-
egal, ob für den Hausgebrauch oder den professi-
und Produktionsbedingungen auf den Plantagen
onellen Einsatz, hilft bei der Suche, repariert, re-
verbessert – als unabdingbare Voraussetzung
stauriert und importiert. „In Italien ist der Markt
für eine höhere Güteklasse beim Kaffee. Davon
abgegrast und die Preise sind entsprechend
möchte er immer mehr Kunden überzeugen. „Ich
hoch“, verrät er. „Die meisten meiner Maschinen
habe mich ja nicht umsonst im Studium mit
stammen aus Frankreich. Ich bringe sie von mei-
Volkswirtschaftspolitik und Marketing beschäf-
nen Urlaubsreisen als Surfer mit. Auf dem Weg
tigt. Die Idee ist, eine coole Marke zu machen,
zum Meer studiere ich Kleinanzeigen und plane
saubere Bohnen anzubieten und trotzdem den
danach die Route. Wenn ich Glück habe, finde ich
Nerv der Zeit zu treffen.“
Anbieter, die dicht beieinander liegen. Dann ist es nicht so tragisch, wenn mal ein Gerät verkauft
Während man sich im Baristoteles also durch
ist, wenn ich komme.“
etliche Aspekte der Kaffeekultur philosophiert, Simon Hass hat Wirtschaftswissenschaften stu-
den fruchtigen „feinsten Stoff“ oder die nussi-
Und Aristoteles? Simon Hass zieht hinterm Tresen
diert. Manchmal, wenn es vor Prüfungen eng wur-
ge „dunkle Seite“ im Porzellan, welches, das soll
ein schmales Buch aus dem Regal. Es trägt den
de und Nächte durchgestanden werden mussten,
nicht unerwähnt bleiben, von dem tschechischen
Titel „Auf einen Kaffee mit Aristoteles“. „Hier
brauchte er einen zuverlässigen Wachmacher. Hass
Künstler Jirí Kozíšek handgefertigt wurde, wäh-
steht, er hat Kaffee nicht gekannt. Ich habe
erinnerte sich an seinen Vater, der sonntäglich auf
rend man dabei vielleicht den leckeren Kuchen
allerdings schon Textstellen von ihm gefunden,
der Suche nach dem richtigen Stoff in der Tasse
oder die hausgemachten Panini probiert, wird
in denen er über Kaffee mit Milch philosophiert.
an der Kaffeemaschine herumgetüftelt hatte, und
man über kurz oder lang auf die historischen
Ob das ein Gemisch ist oder ein eigenes Getränk.
begann bald selbst zu experimentieren. „Das ist
Espressomaschinen zu sprechen kommen, die in
Insofern müsste ihm Kaffee ja eigentlich doch
wie bei gutem Wein“, sagt er. „Man will sich im-
den Regalen glänzen. Ursprünglich nämlich woll-
schon bekannt gewesen sein.“ (wk)
mer weiter verbessern. Wie Kaffee wirkt und wie
te Hass eine Werkstatt mit angegliedertem Mu-
er schmeckt, hängt mit den Maschinen zusammen,
seum gründen.
mit den Bohnen und der Röstung. Zu dem Zweck
38
habe ich damals einen Hähnchengrill umgebaut.
Vor vier Monaten, um seine liebevoll restaurier-
Baristoteles
Das rentiert sich. Ein Kilo vom edlen Mocca Matari
ten Apparate besser präsentieren zu können, ist
Hans-Ehrenberg-Platz 5 | 44789 Bochum
aus dem Jemen kostet roh im Einkauf zwanzig, ge-
er deswegen ins Ladenlokal am Hans-Ehrenberg-
Di. bis Fr. 11 – 19 Uhr | Sa. u. So. 12 – 17 Uhr
röstet fünfundvierzig Euro.”
Platz gezogen. Dass sich seine Ausstellung im
www.baristoteles.de
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LESERSEITE
bodo dankt: Sparkasse Bochum Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell BikowskiGauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dieter Zawodniak, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda, Rüdiger Grote, Gerd Schmidt, Dr. Elmar Linnemann, Irmhild Engelhardt, Olaf Jaekel, Irene Geller, Dr. med. vet. Karen Elisabeth Jacobsen, Christa Fuhrländer, Kerstin Aubke, Reiner Grotepass, Uwe Lück, Wolfgang Schlesiger, Karin Thesing, Christine Richter, Ingrid Heinemann, Ingrid und Herbert Gausmann, Siegmar Welski, Udo Möller, Paul Höringklee, Manuela Kroll, Michael Köhl, Beate Schmack, Gottfried Schubert, Friedegunde Koch, Birgit und Jürgen Ortwald, Oliver Stiller, Helmut Broich, Esther Hagemann, Carsten Piehl, Eberhard Garburg, Wolfgang Kienast, Dr. Rinnert Siemssen, Jonas Pasche, Ursula Ammon und Hans Kaeten-Ammon, Ursula Pohl, SPD Ortsverein Dortmund-Sölde, Volker Schaika, Anita und Rudolf Przygoda, Thorsten Baulmann, Kathrin Bohr, Hannelore ThimmRasch, Sigrid Klaerner, Gerhard Volpers, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, ‚Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Klara Lehmann
Zweiter Freitag: Eine wunderbare Premiere gab es im September bei bodo. „Empfänger unbekannt“, szenisch gelesen von Kabarettistin Sabine Henke (r.) und bodo-Autorin Dr. Birgit Rumpel. Unsere nächsten Termine finden Sie auf Seite 6.
LESERBRIEFE
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin eine aufmerksame bodo-Leserin und habe eine Fra-
Sehr geehrte Redaktion,
ge. In der Zeitung wird darauf hingewiesen, dass die bodo-
ich habe Ihr letztes Heft eigentlich gerne gelesen – bis
Verkäufer einen gut sichtbaren Verkäufer-Ausweis tragen.
zur sprichwörtlich letzten Seite. Da prangte allerdings
Wie soll ich mit Verkäufern umgehen, die keinen Ausweis
eine Anzeige der CDU, die mich ratlos machte. Als Inter-
tragen? Keine Zeitung kaufen? Aber wo haben sie die denn
essenvertretung für die Leidtragenden der Regierungs-
her? Hilfsbedürftig sind sie doch auch ohne Ausweis!
arbeit der letzten Jahre sollten Sie da kritischer sein!
Mit freundlichen Grüßen, Claudia Schroller
Grüße, J.P. Mühlmann
Liebe Frau Schroller,
Lieber Herr Mühlmann,
grundsätzlich sollen unsere VerkäuferInnen ihren Ausweis –
wie zu jeder Wahl bieten wir allen demokratischen Partei-
eine wetterfeste Plastikkarte mit Foto – gut sichtbar tragen.
en an, in bodo zu werben. Das wurde zuletzt auch durch
Das klappt leider nicht immer. Zudem gibt es immer mal wie-
das gesamte Spektrum genutzt, wie sie bemerkt haben.
der die Situation, dass Menschen, die wir nicht kennen, gefun-
Wir freuen uns über die offensichtliche Relevanz unserer
dene, gekaufte oder weitergegebene Zeitungen anbieten. Für
LeserInnenschaft als Werbepublikum. Andererseits sind
uns ist das ein Problem, weil diese Menschen einerseits keinen
wir besonders bedacht auf unsere redaktionelle Unab-
Zugang zu unseren Hilfsangeboten haben und sie anderer-
hängigkeit. Wir erhalten keine staatliche Regelfinanzie-
seits, falls es Beschwerden oder Probleme gibt, für uns nicht
rung, die man uns entziehen könnte, und decken Teile der
erreichbar sind. Wir machen die Erfahrung, dass Menschen,
Kosten lieber mit Anzeigen. Doch: Kein Anzeigenkunde
die unsere Beratung nutzen, davon sehr profitieren. Aus die-
nimmt auch nur indirekt Einfluss auf die redaktionellen
sem Grund freuen wir uns, wenn Sie armen Menschen – und
Inhalte. Was heute antiquiert erscheint, leisten wir uns
auch denen, die vielleicht ein Straßenmagazin anbieten, ohne
einfach – natürlich auch im letzten Heft.
bodo-Verkäufer zu sein – von unserem Angebot erzählen.
Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter
Viele Grüße von bodo, Oliver Philipp
CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann
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