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SYLVIA GOEBEL 47 Bilder
„Es geht um Formen in Bewegung in einer imaginären Welt. Um den Bruchteil einer Bewegung im entscheidenden Moment.“
Anke Gebert, de
siebenundvierzig
„Große Kunst ist immer der sic druck des Innenlebens eines K vieles in der Kunst ist Ausdruck wussten, dass es mir so vorkomm fast alle bedeutenden Qualitäte entstehen und nur wenig Bedeut den bewussten Intellekt geschaff glaube auch, dass alle großen Ma leitung ihres Intellekts versucht widerspenstigen Medium von Far wand den Ausdruck ihrer Gefühle EDWARD HOPPER
Obwohl Sylvia Goebel überwie standslose Werke geschaffen ha dieses Bekenntnis eines doch sche realistischen Malers erstaunlich g bivalente Gratwanderung, die auc ganzen Künstlerleben beschäftigt ben hat. Das subtile dialektische von gefühlsgeleiteter Intuition und ler Durchdringung in der Kunst sow mit der Farbe als künstlerischer Gefühlen sind Grundpfeiler ihrer Arbeit. Doch am unmittelbarsten nähe Sylvia Goebel über ihr künstlerisc nun in diesem Katalog beispielha Zusammenschau vorliegt. Natürli ses Werkverzeichnis keinen Ansp ständigkeit, aber die 47 Bilder - d einige Papierarbeiten - stehen ge als Quintessenz exemplarisch für rische Entwicklung, wobei ein Sch ihren neuesten Werken aus den l liegt, weil in sie Erfahrung und Zie langjährigen malerischen Scha typisch eingeflossen sind.
Dr. Hans Thomas Carstensen Mai 2016
Sylvia Goebel hat vier Jahre lang lebt. Sie arbeitete dort in einem Ki dierte in Jerusalem Kunst. Diese Z geprägt, und nicht zuletzt dieses s che Leben dort gab ihr den Impuls Begriffsgegensätzen zu beschäf prägend für ihr Werk sind: mit de von Intellekt und Gefühl, Inszenie fall, Schaffen und Zerstören, Auflö beginn. Die satten, warmen Farbe inspirierten sie auch über viele hauptsächlich über die Farbe zu mit der Farbe zu gestalten. Farbe ist für sie ein wesentliches mendes Element ihrer Arbeit. Die Inhalt und Form ihrer Bilder, und Zeit hat sie auch Schwarz als kon Gestaltungsmittel in ihre Palette a und in den Rang einer Farbe erho Da Farbe Behutsamkeit im Umga setzt sie sie relativ sparsam ein das Spektrum in einem Bild meis drei Farben, um eine größere Int zielen. Sylvia Goebel geht zunehm
tig mit Farbe um, denn ein Zuviel könnte ihren Charakter zerstören. Bei einigen ihrer jüngsten Bilder schimmern die Farben nur noch ganz zart aus der Bildtiefe hervor. Umso subtiler können sie so Emotionen beschreiben und Stimmungen in uns evozieren. Oft finden wir in ihren Bildern keine harmonischen Farbklänge, die unsere Sehgewohnheiten bedienen. Vielmehr besitzt jedes Werk einen ganz eigenen, manchmal auch dissonanten Farbakkord. Sylvia Goebel benutzt die Farbe nicht als ein bloßes Vehikel, sondern sie löst sie von den üblichen Verknüpfungen mit der Alltagswirklichkeit, befreit sie von ihren gewohnten Assoziationen und verschafft ihr Autonomie – „Farben ein eigenständiges Leben führen lassen“, wie sie es ausdrückt. Manchmal lässt sie es daher bei der Arbeit auch zu, dass die Farben sie im Schaffensprozess nicht nur inspirieren: Sie überlässt ihnen sogar zeitweise die Regie beim Entstehen eines Bildes. Das bedeutet aber nicht, dass sie als Malerin die Kontrolle über das Werk abgibt. Sich in einem schöpferischen Akt vom Rhythmus der Farben mitreißen zu lassen, erfordert gleichzeitig von ihr ein hohes Maß an Konzentration und Wachsamkeit, damit ein konstruktiver Dialog zwischen Kopf und Gefühl entstehen kann eine dynamische Synthese aus Inspiration und Intention. Der Entstehungsprozess eines Bildes ist für Sylvia Goebel jedes Mal von Neuem ein Abenteuer. „Die frische, weiße Leinwand vor mir ist immer wieder wie ein Versprechen. Noch ist alles möglich. Der erste Pinselstrich hat dann etwas Verwegenes und erzeugt mentale Höhenflüge. Dies ist ein Moment, in dem ich am liebsten innehalten möchte, um es bei diesem ‚Versprechen‘ zu belassen.“ Die erste Arbeitsphase vollzieht sich mehr intuitiv, danach mischt sich erst der Kopf ein. Sie verfolgt zwar einen Plan, doch sie muss dabei auch ihrer Intuition freien Lauf lassen, um nicht in eine leblose Pedanterie zu verfallen. So ist der Arbeitsverlauf ein stetes Wechselspiel von Inszenierung und Zufall. Der Zufall kann eine Chance eröffnen, ihn in eine neue Bildidee einzubinden. Doch solche magischen Momente, die während des Malens entstehen können, kommen nicht aus dem Nichts. Die Künstlerin muss ihnen durch eine ständige Bereitschaft zum Entdecken erst den Weg bereiten. Ein auffallendes gestalterisches Element der Bilder Sylvia Goebels ist das der weggenommenen, weggekratzten Farbe. Oft bietet sich dem Betrachter eine mit dem Spachtel oder einem trockenen Pinsel erzeugte raue, manchmal fast schrundige Textur dar. Mehrfach übermalte Farbschichten scheinen von ihr freigelegt oder wieder zugedeckt worden zu sein. So kann aus
den Tiefen des Bildgrundes plötzlich - wie ein vorzeitliches Relikt - ein oszillierendes, transzendentes Leuchten hervorscheinen. Wie eine Archäologin hat sich die Künstlerin durch den Schorf der Zeit auf ihrer Suche nach Verborgenem und Versunkenem gearbeitet. Manche ihrer Bildoberflächen erinnern mich an zerschundene Schlachtfelder, in denen vor Urzeiten der leidenschaftliche Furor eines Schöpfergottes gewütet hat. Sylvia Goebels Arbeit scheint ein beständiges Wechselspiel von Schöpfung, Zerstörung und Neuschöpfung zu sein. Ich fühle mich an Nietzsches Begriff vom Schöpfertum erinnert, wonach Schöpfung nicht nur durchdachtes, geordnetes Entstehen durch eine überlegt lenkende Hand ist, sondern auch den Nachhall eines kosmischen Chaos beinhaltet: „Was macht schöpferisch? Das Verlangen nach Zerstörung, nach Wechsel, nach Neuem, nach Zukunft, nach Werden …“ Dieses Verlangen nach Zerstörung und Wechsel prägt nicht nur den Arbeitsprozess der Künstlerin, sondern auch ihre künstlerische Entwicklung. Ich habe Sylvia Goebels Entwicklung in den letzten zehn Jahren verfolgt, und am meisten hat mir ihre Risikobereitschaft imponiert, sichere Positionen zu verlassen und bewährte Gestaltungsmuster aufzugeben, um immer neue Wege einzuschlagen. Ihre Bildformate sind größer geworden, aber trotz der Größe setzt sie ihre Mittel zunehmend sparsamer ein. Ihre Bilder scheinen auf den ersten Blick puristisch, fast minimalistisch. In ihren Mitteln sind sie reduziert und auf den Punkt gebracht, dennoch wirken sie ungeheuer impulsiv. Bildeten in ihren älteren Bildern schwarze Pinselschwünge noch einrahmende Konturen ihrer Farbfeldmalerei, so sind sie heute oftmals bildbestimmendes, dominierendes Motiv geworden. In einer gestischen Malweise mit breitem Pinsel schwungvoll aufgetragen, beherrschen bizarre schwarze Formen die Bildkomposition - manchmal radikal monochrom, manchmal begleitet von subtilen Farbakkorden. Die geschwungenen schwarzen Kurvaturen besitzen eine fast organisch anmutende Plastizität. So raumgreifend dominant die Pinselschwünge auch wirken, vermitteln sie mit ihren subtilen Abstufungen der Valeurs, der vielfachen Gebrochenheit ihrer Oberfläche und ihrer dreidimensionalen Anmutung doch auch einen geradezu transparenten Eindruck von Tiefe und Unergründlichkeit. Sie versperren nicht unseren Blick - das Auge kann ungehindert den malerischen Urgrund erkunden. Die Entschiedenheit des Malvorgangs teilt sich auch in den Bildern mit: Sie wirken groß, monolithisch – ja, fast monumental. Doch sie erschlagen den Betrachter nicht, sondern teilen uns so nur etwas von der Energie mit, die in ihnen steckt. Diese Bilder haben etwas Entschiedenes und stehen ganz souverän für sich, aber den-
noch lassen sie uns einen F Entdeckungen. Durch den duktus entstehen ganz amb gen, die beim Betrachter gen und einen oszillierend Einerseits erscheinen die B materiell, gleichzeitig entde mente von durchscheinende eingeschriebenen Farbvaleu nicht einmal sicher, ob ich Ferne schaue oder mikrosko turen vor Augen habe. Und es mir sogar vor, als würden als pulsierten und atmeten s Formen scheinen ein fantas zu führen – mal zart und ge wieder unvermittelt in ein os ten überzutreten; eine sche chigkeit kann plötzlich aufb einer schwindelerregenden chen. An manchen Bildstelle etwas Reales herauszubild unversehens wieder entm unseren Blicken entziehen k zulösen.
Die Werke tragen meist abs poetischen Klangsprache. tungshoheit nicht von vornh tung gelenkt und eingeschrä nisvollen Bilder sind eben einer konkreten Wirklichkei len etwas nicht Sichtbares d seine eigene Wirklichkeit. Se selschwung, eine Linie oder Erinnerung an eine konkre mung wachruft, kann diese im nächsten Moment einer soziation weichen. Die Gewis ersten Blick schlüssigen Vero und wir sehen uns gezwunge nehmungsebene zu verlasse Suche nach neuen Entdecku Diese Bilder bevormunden respektieren die selbstbest des Betrachters - seine ind eigene Denkprozesse zu en nen ihnen unvoreingenomm uns ganz eigene Gedankenwelten erschaffen.
Der Regisseur Michael Hane Filme mit einer Skischanze len für einen ausreichenden aber springen müsse der Fi schon selbst. Bei dieser Metapher fielen m Bilder Sylvia Goebels ein: Au Sprungschanze. Sie stehen souverän allein für sich und vordergründige Aufmerksa Fragen, ohne vorgefertigte A Und wenn man sich auf sie öffnen sie jedem Betrachter Gedankenreisen in die Tiefe
“I believe that the great painters tellect as master have attempted unwilling medium of paint and c record of their emotions … Great ward expression of an inner life in this inner life will result in his pers the world. No amount of skillful replace the essential element of EDWARD HOPPER
Although Sylvia Goebel has prim non-figurative works, the above s seemingly extremely realistic pain with astonishing accuracy the tightrope walk that has concerne her throughout her life as an arti of her painterly oeuvre are the su cal interplay of emotion-driven intellectual permeation of art as w ploration of color as the artistic emotions. The most direct way of approa Goebel is through her artistic oeu sented in exemplary manner in t a kind of panoramic display. This does not of course claim to be co but the 47 images (including so paper) stand as it were as the qu her artistic development, whereb her latest pieces of recent years, are ideal types in terms of the ex objectives of her many years’ wor
Dr. Hans Thomas Carstensen May 2016
Sylvia Goebel lived in Israel for fo worked there at a kibbutz and s Jerusalem. This period deeply in and it was not least this exciting life that stimulated her to addres tual opposites that define her wo ambivalence of intellect and emo and coincidence, creation and dissolution and new beginning. Th colors of the South inspired her o mainly to work with color and crea In her oeuvre, color is a decisive, im element. It is the color that dictate and form of the images, and mos has included black as a constit tool in her palette and elevated it of a color. Since color requires cautious tr makes relatively sparing use of it, ally reduced the spectrum to 2image to achieve a greater int
Goebel is increasingly careful in her use of color, because too much color could destroy the art’s character. In some of her latest images the color still shimmers through very softly from the depths of the images. As a result, she can all the more subtly describe emotions and evoke moods in us. Often, her images do not offer harmonious color combinations such as appeal to our visual habits, as each work strikes its own, on occasion dissonant color chord. Sylvia Goebel uses color not as some mere vehicle, extracting it instead from its usual links to everyday reality, liberating it from the customary associations, and giving it autonomy – “letting colors lead an independent existence”, as she puts it. Sometimes she therefore also allows the colors not only to inspire her during the work process, but in part even lets them direct how the image evolves. This does not mean that she as the painter rescinds control over the piece. Allowing herself to be swept along by the rhythm of the colors in a creative act requires extreme concentration and attentiveness on her part if a constructive dialog is to arise between mind and emotion, a dynamic synthesis of inspiration and intention. For Sylvia Goebel, the evolution of each new image is itself an adventure. “The fresh white canvas before me is repeatedly a promise. Everything could still go. The first brushstroke is then somehow daring and sends me on mental flights of fancy. That is the moment when I would most like to tarry for a while, to simply leave things at the ‘promise’.” The first work phase is more intuitive, after which the mind butts in. She follows a plan, but one that also gives free rein to her intuition to avoid it all becoming lifeless pedantry. The work process is thus a constant interplay of staging and coincidence. Coincidence can be seen as the chance to incorporate it into a new pictorial idea. But such magic moments as can arise while painting do not arise from nowhere. The artist first has to pave the way for them by always being prepared to make new discoveries. A striking creative element in Sylvia Goebel’s images is the color that has been removed, scratched away. Often what we see is a coarse, sometimes almost cracked texture made with a knife or dry brush. She seems to have expo-
sed multiple layers of paint or covered them back over. Suddenly, an oscillating, transcendent light can shine forth from the depths of the image, like some relic of ancient times. Like an archaeologist, Goebel has worked her way through the scabs of time to find what is concealed, sunken beneath. Some of her pictorial surfaces remind me of the ridges of battlefields, where ages ago the passionate fervor of a god of creation raged. Sylvia Goebel’s work thus seems to be a constant interplay of creation, destruction, and re-creation. It brings to mind Nietzsche’s notion of creativity, for whom creation was not some orderly creating by plan by a carefully-steered hand, but includes the echo of cosmic chaos: “What drives creativity? The desire for destruction, change, becoming...” This desire for destruction and change not only shapes her work process, but also her path as an artist. I have followed Sylvia Goebel’s development over the last decade and was impressed above all by her willingness to embrace risk, abandon secure positions, and renounce proven creative patterns in order to repeatedly depart down new paths. The format of her images has grown, yet despite the size she is increasingly sparing with the pictorial means. Her images seem at first sight to be purist, almost minimalist. The range of media used is reduced, focused, and yet the pictures seem immensely impulsive. While in her older pieces, black brushstrokes still formed frame contours for her color-field paintings, today they often form the all-defining, dominant theme. The gestural and vivacious application of a broad brush creates bizarre black shapes that dominate the composition – sometimes in radical monochrome, other times accompanied by subtle color tones. The zestful black curves have an almost organic plasticity to them. However expansively the brushstrokes may seem to occupy space, their subtle tonal gradations, the multiple fissures of the surfaces and the three-dimensional quality also offer a truly transparent impression of depth and unfathomability. They do not obstruct the gaze, as the eye can explore the original painterly depths at will. The images also convey the decisive nature of the painting process. They seem large, monolithic, in fact almost monumental. Yet they do not overwhelm us, but simply convey so-
mething about the energy la se works have something re stand quite masterfully for t leave us scope for our own d stural brushwork gives rise moods that create tension a oscillate: On the one hand, massively material, yet the tenderness that gleam in chosen. Often I am not even viewing structures that are microscopically close at han mes I even think these imag ting and breathing. The color to have a fantastic life of thei and refracted only to flip in luminescence; a seemingly suddenly burst asunder to g ginous magnetism. In some real seems to coagulate, onl again, elude our gaze, vanish
Most of the works have abst guage that resounds poeti prompted to opt for a par course of interpretation. images are, after all, not the tual reality, but represent piece has its own reality. Ev brush, a line or a color field of something we actually s impression can give way the to a quite different associatio having pinned the image do sight evaporates and we are first perceptual level and tr mething else. These images are not patro the self-determined maturi our ability to think for ours them without prejudice an own worlds of thoughts and
The director Michael Hane his films to a ski jump: They a de the momentum, but the v have to jump. Hearing this metaphor im Sylvia Goebel’s images to m a kind of ski jump. They sta themselves and seek no su They ask questions without p mined answers. And if you im them, they forever whisk yo the depths of her pictorial w
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