WBV - Geschichte des Baus. Geschichte im Aufbau

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Geschichte des Baus. Geschichte im Aufbau

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IMPRESSUM Recherche und redaktionelle Arbeit: Deutsche Übersetzung: Grafikdesign und Layout: Druck:

D’mots d’histoire, Delphine Debons Stefan Bayard Eddy Pelfini Graphic Design Imprimerie Gessler

© 2018 – Walliser Baumeisterverband (AVE-WBV) ISBN 9782839924535

Geschichte des Baus. Geschichte im Aufbau D E L P H I N E

D E B O N S

WALLISER BAUMEISTERVERBAND


G e s c h i c h t e d e s B a u s. Geschichte im Aufbau

Inhaltsv e rzeichnis 4

Vorwort von Serge Métrailler 6 Einleitung 8 Chronologie Die Präsidenten und die Direktoren des WBV

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Steinbau und Maurer, vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert 18 Von der Route Napoléon zum Lötschbergtunnel, ein Sektor im Wandel 34 Die grossen Herausforderungen der Zwischenkriegzeit 58 Drei Jahrzehnte Wirtschaftswunder, ein beispielloses Wachstum 88 Krisen überstehen 130

Gesterne, Heute, Morgen… die Zukunft bauen von Alain Métrailler 170 Endnoten 174 Literaturverzeichnis 183 Bildnachweis 186 Dankesworte 189

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Vo rw o r t

Titanengleiche Quadratschädel, das mythische Wallis im epischen 20. Jahrhundert, erbauliche Kunstbauten, typische Geschichten … Die Festschrift lässt Sie teilhaben am Abenteuer der Bauherren und ihrer Zunft, des Walliser Baumeisterverbands, der getrieben ist von der unersättlichen Leidenschaft zu bauen, das Land zu entwickeln, es der Welt zu öffnen, seine Ressourcen nutzbar zu machen, Wohlstand zu schaffen und ihm Wohlbefinden und Sicherheit zu bringen. Begleiten Sie diese trefflichen Männer, deren wacher Geist stets dem Neuen entgegenstrebt. Schliessen Sie die Augen und setzen Sie sich anno 1919 an einen Tisch mit den Gründervätern Joseph Dubuis, Baptiste Gianadda und Séraphin Antonioli. Als sie die Richtlinien unsers Verbandes zu Papier brachten und dabei darlegten, welche Gestalt dieser dereinst erlangen sollte, hätten sie sich in ihren kühnsten Träumen, ja nicht einmal im Fieberwahn, vorstellen können, dass kaum ein Jahrhundert später der Kanton über ein Strassennetz von über achtzehnhundert Kilometern verfügen würde, über eine Autobahn, welche bis zu den Marchen des Oberwallis reicht, dass eine majestätischen Krone von zweiundvierzig Staudämmen ihn bekränzen, dass alpenquerende Tunnels ihn dem Norden und dem Süden näher bringen, dass Seilbahnen, der Schwerkraft trotzend und dem Turm zu Babel gleich, bis in den Himmel emporragen würden. Hätten sie Kommunikation in Echtzeit vorausahnen können? Dass jeder Punkt dieser Welt bloss noch eine Hundertstelsekunde entfernt liegt, dass Distanzen nicht mehr in Schienen- und Strassenkilometern gemessen werden? Hätten sie sich bezahlten Urlaub, Sozialversicherungen und berufliche Vorsorge vorstellen können, wo sie doch Zeugen waren, als die Einführung der Unfallversicherung erbittert bekämpft wurde? Hätten sie den Ruhestand mit sechzig für die Arbeiter, dauerhaften sozialen Frieden und konstruktive Sozialpartnerschaft vorausahnen können zu einer Zeit, dem anbrechenden 20. Jahrhundert, als der Kanonendonner der russischen Revolution an den Toren des Westens widerhallte? Sie lebten frei nach General Hoches Motto, res non verba, in Ihren Eigenschaften ähnelten sie unserem Land. Sie waren solide wie Stein, stolz und ungestüm wie der Rotten, grosszügig wie die Sonne, kostbar wie das Wasser der Gletscher und sie prägten das heutige Wallis, schufen die Rahmenbedingungen des Bauhauptgewerbes und gewährleisteten dadurch die Weitergabe von Wissen, Sozialund Fachkompetenz, kurzum, die Nachhaltigkeit unseres Berufsstandes. Auf Delphine Debons, der Autorin und zugleich Tochter eines Unternehmers, lastete die schwere Verantwortung das Vorhaben umzusetzen. Es gelang ihr auf meisterhafte Weise durch historische Forschung und dank unzähliger Begegnungen mit Zeitzeugen und Pionieren, die sich nie scheuten, zu handeln und bisweilen einen erstaunenswerten Mut bewiesen. Über zwanzig Jahre ist es nun her, seit ich auf ihre Zunft gestossen bin. Sie führten mich ein in ihre Welt und in ihre Werte, die an das obgennante res non verba anklingen und das ich mit Geize mit Worten, aber nie mit Taten wiedergeben möchte. Vobis plurimas gratias ago für diese Geschichte im Aufbau, für die Vorbilder an Standhaftigkeit. Januar 2019, 870 000 Stunden später, wird eine neue Seite geschrieben. Lang lebe der Walliser Baumeisterverband!

Serge Métrailler Direktor

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EINLEITUNG

Geschichte des Baus. Geschichte im Aufbau

Die Geschichte des WBV zurückverfolgen bedeutet ...

Begegnungen mit den Unternehmern

Veröffentlichungen zur Walliser Baugeschichte sind eine Seltenheit, wenn man von Arbeiten über Grossprojekte wie Staudämme oder Synthesen zur Technik- und Architekturgeschichte einmal absieht. Die wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Aspekte des Bauwesens sowie seine strukturelle Entwicklung wurden noch nicht spezifisch untersucht. Die bisherigen Forschungsbeiträge, insbesondere zu den Bereichen Wirtschaft, Arbeiterbewegung, Einwanderung oder Bauernhäuser, erlauben Interessierten anhand von Schlüsselthemen jedoch einen guten Einstieg. Sie ermöglichen zudem die Einbettung des Themas in einen allgemeinen Kontext1.

… zu versuchen, seine Verpflichtungen, seine Kämpfe, seine Errungenschaften sowie seine Schwierigkeiten zu verstehen.

Das gesichtete Archivmaterial, das meist aus blutleeren Verwaltungsunterlagen oder Protokollen besteht, lässt das Leben der Unternehmer bestenfalls erahnen. Die Gespräche zwischen den Unternehmern, die Verhandlungen, die Stimmungslagen bleiben verborgen. Zudem sind Privatarchive, ob von Unternehmen oder Unternehmern, äusserst selten. Als Historikerin darf ich mich glücklich schätzen, während meiner Recherchen auf Unterlagen zu stossen, die den Mann zeigen, der hinter der Baustelle steht: handschriftliche Verträge, Spesenabrechnungen oder Notizhefte, beispielsweise des Unternehmers Eucharistie Besson aus Bagnes oder die von Jules Couchepin, denen Sie im Verlauf ihrer Lektüre begegnen werden. Dank solcher Schriftstücke gelingt es uns, den Alltag eines Unternehmers besser zu verstehen, ihm bei seiner Tätigkeit zuzusehen, seine innersten Anliegen und seine Arbeit zu begreifen.

Anlässlich seines hundertsten Geburtstags ist es dem Walliser Baumeisterverband (WBV) ein Anliegen, ein Werk herauszugeben, das neben der Darstellung der eigenen Geschichte ebenfalls die Entwicklung des Bauwesens und insbesondere des Bauhauptgewerbes (Hoch- und Tiefbau) erzählt. Das ist sein Anteil an der Verfassung dieser Geschichte des Baus ... dieser Geschichte im Aufbau. Innehalten, einen Schritt zur Seite gehen, die Perspektive ändern. Genau das tat der WBV, als er mir Zugang zu seinen Archiven gewährte. Wahrscheinlich dachte er, nach hundert Jahren sei es Zeit, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um die Gegenwart besser zu verstehen und mit Zuversicht in die Zukunft zu sehen.

… sich für den wirtschaftlichen und sozialen Kontext zu interessieren, in dem die Mitgliedsunternehmen seit der Verbandsgründung 1919 ihrer Tätigkeit nachgehen. Das Bauwesen greift in sämtliche Bereiche der Gesellschaft: Raumentwicklung und -planung, Fremdenverkehr, Industrie, Mobilität, technologische Entwicklung, Lebensbedingungen der Walliser Gesellschaft. Es ist unmöglich, hier sämtlichen Aspekten auf den Grund zu gehen. Jedes behandelte Thema allein könnte Gegenstand einer spezifischen, eingehenden Untersuchung sein. … Kontaktaufnahme mit einem oft verkannten Beruf, dem Bauunternehmer. Die Männer und die wenigen Frauen stehen an der Spitze von meist lokal oder regional tätigen Kleinstunternehmen und KMU. Im Jahr 2015 beschäftigten 80,7 % von ihnen weniger als zehn Mitarbeiter, rund 17,8 % weniger als fünfzig und 1,5 % weniger als zweihundertfünfzig2. Wer sind diese Unternehmer? Woher kommen sie? Was treibt sie an? Wie sieht ihr Alltag aus? Wie reagieren sie auf die sich ändernde Wirtschaftslage? In welcher Beziehung stehen sie zu ihren Mitarbeitern? Unzählige Fragen begleiteten mich bei der Erstellung dieses Buches.

Ein Bauunternehmer schreibt und spricht wenig. Er handelt. Trotzdem liessen sich viele auf ein Gespräch ein und berichteten mir von ihrem Alltag, von dem, was sie bewegt, von den gegenwärtigen und vergangenen Herausforderungen der Branche. Ob pensioniert oder werktätig, die Unternehmer schenkten mir einige Stunden ihrer kostbaren Zeit. Sie alle haben das Buch bereichert. Ich danke ihnen herzlich dafür.

Während Arbeiter und Architekten ihre eigenen Historiker haben, gehören die Bauunternehmer zu den «Vergessenen» der Geschichte. Das mag daran liegen, dass man sie weder als Künstler und Kreative noch als «Chrampfer» wahrnimmt. Gewöhnlich sagen sie bloss, ohne ihre Arbeiter könnten sie nichts tun. Ebenso ohne Bauherren. Aber dies beruht auf Gegenseitigkeit; ohne sie könnten weder die einen noch die anderen etwas bauen. Ihre alltägliche Arbeit und ihre Geschichte verdienen es, hervorgehoben zu werden. Von den Maurern des 13. Jahrhunderts bis zum Walliser Baumeisterverband Am 3. Februar 1919 suchten Vertreter des 1897 gegründeten Schweizerischen Baumeisterverbands (SBV) sechs Walliser Bauunternehmer auf, um ihnen die Gründung einer kantonalen Sektion vorzuschlagen. Der Walliser Baumeisterverband wurde im Folgejahr offiziell gegründet. Der Wille zu gemeinsamer Interessenwahrung steht für den Wandel und die Konsolidierung des Berufsstandes. Aus diesem Grund schien es mir wichtig, weiter in die Vergangenheit zurückzugehen und die Geschichte des Walliser Baumeisterverbands in einen grösseren Zusammenhang einzubetten. Wie entstanden der Beruf des Maurers und später des Bauunternehmers im mittelalterlichen Wallis? Wie verlief

Eine ausgezeichnete Zusammenfassung zum wirtschaftlichen Umfeld des Wallis im 19. und 20. Jahrhundert präsentieren die beiden Historiker Jean-Henry Papilloud und Myriam Evéquoz-Dayen im kürzlich unter der Leitung von Didier Planche erschienenen Werk Valais économique d’hier, d’aujourd’hui et de demain (2015, siehe S. 13–39, vollständige Angaben im Literaturverzeichnis). Das diesem Buch beiliegende Literaturverzeichnis ist zwar nicht abschliessend, bietet jedoch eine gute Übersicht der wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema Walliser Baugeschichte. 2 Bundesamt für Statistik, Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT), 2015 (vorläufige Ergebnisse). Online unter: www.bfs.admin.ch (abgerufen am 20.07.2018). 1

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die Entwicklung des Sektors bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die schliesslich zur Gründung des WBV führte? Die beiden ersten Kapitel beleuchten diese Fragen auf Grundlage bestehender historischer Arbeiten. Die folgenden drei Kapitel widmen sich der Geschichte des WBV, indem sie diese stark mit der des Walliser Bauhauptgewerbes verknüpfen. Es gilt zu verstehen, wie die Walliser Unternehmer und ihr Dachverband den Sektor vorangebracht haben, wie sie auf den wirtschaftlichen und sozialen Kontext reagiert und sich ihm angepasst haben und schliesslich, welchen Herausforderungen sie sich im Laufe ihrer Geschichte zu stellen hatten. Unterlagen, um Geschichte zu verstehen Die Archive des WBV Die Verbandsarchive dienten mir als Hauptinformationsquelle beim Verfassen dieser Geschichte im Aufbau. Erstmalig wurde einer verbandsfremden Person Zugriff auf die im Untergeschoss des Verwaltungssitzes aufbewahrten Unterlagen gewährt. Es war nicht einfach, sich in einem Fundus dieser Grösse zurechtzufinden, zumal er weder geordnet noch inventarisiert ist. Es braucht einiges an Geduld, um wichtige Informationen zu finden, Dossiers auszuwerten und die Unterlagen chronologisch zu ordnen. Und man muss akzeptieren, dass die Archive einen Teil ihrer Geschichte für sich behalten. Weisse Flecke, Fragen ohne Antworten, Un-

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ausgesprochenes – das Ungeschriebene – gehören zum Alltag eines Historikers. Dieser Tatsache muss er Rechnung tragen. Das WBV-Archiv enthält nur wenige Unterlagen, die vor 1930 verfasst wurden. Danach häufen sie sich allmählich. Erst ab 1945 sind die Protokolle lückenlos vorhanden. Einige Ordner könnten im Besitz ehemaliger Präsidenten oder Sekretäre verblieben oder dem Brand in den SBV-Räumlichkeiten in Zürich zum Opfer gefallen sein. Mit Ausnahme der Sozialkassenarchive, die wir jedoch nicht ausgewertet haben, besteht der Fonds hauptsächlich aus Unterlagen des Vorstands und der paritätischen Kommission. Den Kern des Korpus bilden die Aufzeichnungen der anlässlich der Sitzungen getroffenen Entscheide, Protokolle der Generalversammlungen sowie die Tätigkeitsberichte der Präsidenten. Sie werden ergänzt durch Schriftstücke (Schriftwechsel, Arbeitsberichte usw.), die den Sitzungsdossiers unsystematisch beigefügt wurden. Zu meinem Bedauern liessen sich weder Abschriften der Gespräche auffinden, die den Vorstand zu den jeweiligen Entscheiden veranlasst haben, noch die Akten der Kommissionen und Arbeitsgruppen. Trotzdem ist es ein Privileg, mit einem so gut erhaltenen Fonds arbeiten zu dürfen. Beispielsweise das Auffinden des anlässlich der Gründungsversammlung des Verbands verfassten Protokolls, das sorgfältig in ein Schülerheft geschrieben wurde, oder der ersten, mit Originalunterschriften versehenen Arbeitskonvention, die 1931 für die Region Sitten unterzeichnet wurde, empfindet jeder Historiker

als ein Geschenk. Damit sie nicht verloren gehen, wurden sie sorgsam in einem Schrank im Büro des Direktors, Serge Métrailler, gehütet. Auf seine Anregung hin beschloss der Verband, die Archive zum hundertjährigen Bestehen durch Fachleute klassifizieren und inventarisieren zu lassen, und sie im Anschluss im Walliser Staatsarchiv zu hinterlegen. Ziele: die gute Lagerung des Archivmaterials sicherstellen und dieses den Forschern zugänglich machen. Ein solches Geschichtsbewusstsein ist lobenswert. Hoffen wir, dass sich weitere Berufsverbände oder Unternehmen ermutigt fühlen werden, es ihm gleichzutun, damit eines Tages auch ihre Geschichte geschrieben werden kann. Quellen abgleichen Der Quellenvergleich gehört zum Handwerk des Historikers. Er dient der Verifizierung der Informationen, der Einbeziehung verschiedener Standpunkte und gegebenenfalls der Schliessung von Wissenslücken. Die Archive der Kantonsverwaltung (u.a. die Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Arbeitsverhältnisse sowie die Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit) hätten diese Aufgabe ebenfalls übernehmen können. Aus Datenschutzgründen und wegen mangelnder Zugänglichkeit (ungeordnete oder in Klassifizierung begriffene Archive, für die Suche nach Unterlagen zu unübersichtliche Inventare usw.) gestaltet sich ihre Verwendung bislang äusserst schwierig. Die Einbeziehung einzelner Dossiers und Unterlagen aus verschiedenen im Walliser Staatsarchiv aufbewahrten

Fonds (Kanton, Gemeinden, Private), ermöglichte willkommene Einblicke in spezifische Themenbereiche. Historikerin und … Man sagt, die Geschichte sei ein Kind ihrer Zeit. Sie kann nur im Jetzt und anhand heutiger Fragestellungen geschrieben werden. Zudem erfasst der Historiker sein Thema anhand eigener Erfahrungen, Interessen und der Fragen, die ihn beschäftigen. Da gibt es nichts zu verleugnen. Es ist besser, sich dessen zu bewusst zu sein, seinen Bezug zum behandelten Thema und seine Vorurteile zu analysieren und zu hinterfragen, was letztlich zu grösserer Objektivität führt. Ich bin Historikerin und Tochter eines Unternehmers. Ich habe versucht, aus dieser vermeintlichen Schwäche eine Stärke zu machen und ein ausgewogenes Bild des Berufs zu zeichnen. Ich hoffe, es ist mir gelungen.

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Chronologie Die Chronologie führt einige bedeutende Daten der Geschichte des WBV auf. Es handelt sich um Ereignisse, die in der Schweiz oder im Wallis stattfanden und die Entwicklung des Walliser Bauwesens beeinflusst haben. Die folgenden Seiten erheben selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1918

1919 1920

Landesstreik. Das Wallis ist wenig betroffen, obwohl in dieser Zeit die Streiks im Kanton zunehmen. Gründung der kantonalen Schlichtungsstelle Aufnahme der Gespräche zur Gründung einer Walliser Sektion des schweizerischen Baumeisterverbands (SBV) Gründungsversammlung der Walliser SBV-Sektion unter dem Namen Walliser Baumeisterverband

1919-1920

1930

1931 1934 1935

Bedeutender, schweizweiter sozialer Konflikt im Bauhauptgewerbe. Das Wallis bleibt unbeteiligt.

Bundesgesetz über die Berufsbildung Erste Vorlehreangebote des WBV Unterzeichnung des ersten Walliser Kollektivvertrags für das Baugewerbe. Er ist auf Sitten beschränkt. Erster Beschluss des Walliser Staatsrates über die Vergabe öffentlicher Arbeiten und Lieferungen Einführung eines Eidg. Diploms für Baumeister. Joseph Dubuis, Präsident des WBV, erhält als erster Walliser ein Diplom. Gründung der kurzlebigen Corporation valaisanne de l’industrie du bâtiment et des travaux publics. Dixence-Konflikt infolge der Arbeitsbedingungen der ausländischen und einheimischen Arbeiter

1936

Erste diplomierte Maurermeister im Wallis und erste Bauleiterkurse

1939-1945

1941 1944 1945 1947 1948 1950

1951 1951

Zweiter Weltkrieg. Kriegswirtschaft: Der Bund ergreift Massnahmen zur Marktregulierung und Zuteilung knapper Waren und Werkstoffe wie Zement.

Erster kantonaler Kollektivvertrag für das Hoch- und Tiefbaugewerbe. Gründung der paritätischen Kommission Der WBV tritt der CIVAF (Kantonale Familienzulagenkasse) bei. Erstellung eines Berufsregisters für das Hoch- und Tiefbaugewerbe

1952 1953 1954 1959 1964 1965

Gründung des ständigen Sekretariats des WBV Eröffnung einer Filiale der SBV-Ferienkasse durch den WBV Gründung der kollektiven Krankenversicherungskasse Gründung der Walliser Kammer des Hochund Tiefbaugewerbes Gründung der CAFIB (Walliser Familienzulagenkasse des Hoch- und Tiefbaugewerbes) Beginn der Bauarbeiten am MauvoisinStaudamm. Bis ca. 1973 erlebte das Wallis dank Wasserkraft und Fremdenverkehr einen starken Wirtschaftsaufschwung.

1972

1973 1983 1991 1994

Bedeutende Lohnstreitigkeiten im Bauwesen

1995

Einweihung des neuen Verbandssitzes in der Rue de l’Avenir 11 in Sitten Erstes WBV-Info-Bulletin für Mitglieder

Aufnahme der Bauarbeiten am Staudamm der Grande-Dixence

1996

Sondervereinbarung zwischen dem WBV und den Walliser Gewerkschaften für die Kraftwerkbauten

1998

Einweihung des WBV-Sitzes in der Avenue de la Gare 39 in Sitten

Erste Bundesbeschlüsse zur Konjunkturdämpfung

2000

Ein Abbruch des Allalingletschers verschüttet die Unterkünfte am Mattmarkstaudamm. 88 Arbeiter kommen dabei zu Tode. Die Tragödie löst eine wichtige Debatte über die Arbeitsbedingungen auf den Grossbaustellen aus. Zweites Massnahmenpaket zur Konjunkturdämpfung Annahme eines Freihandelsabkommens mit der EWG durch das Stimmvolk

Inkrafttreten des Internationalen Übereinkommens über öffentliches Beschaffungswesen (GATT-WTO) Eröffnung eines Zentrums für Arbeitssicherheit (PASEC) in Siders mit den Gewerkschaften Reform der Paritätischen Kommission im Sinne der rechtlichen Vorgaben Verabschiedung des Gesamtarbeitsvertrags über die vorzeitige Pensionierung für die Arbeitnehmer des Bauhauptgewerbes und der Plattenleger-Unternehmungen des Kantons Wallis (RETABAT)

2003

Gründung des Verbands BauenWallis

2004

Gründung des Rechtsschutzes für alle

2006

Unterzeichnung eines Abkommens über die Jahresarbeitszeit zwischen dem WBV und den Gewerkschaften Erste Pressekonferenz des WBV

Das Bauwesen leidet bis Ende des Jahrzehnts unter der Wirtschaftskrise

2008

Gründung von AVEmploi SA

Gründung der Pensionskasse des Baugewerbes des Wallis (PKBW)

Unternehmensregister Einsetzung der Kommission Lobbyarbeit und Kommunikation

Beginn der längsten Wirtschaftskrise im Walliser Bauwesen

2015

Erstausstrahlung von WBV TV

Verabschiedung des WBV2000-Konzepts, das den Verband im Sinne einer besseren Kundenbetreuung reformieren soll

2014

2016

Gründung des Vereins zur Verstärkung der Baustellenkontrollen

«WBV»-Ereignis Kein «WBV»-Ereignis 12

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DIE PRÄSIDENTEN DES WBV 1920 - 1948

Joseph Dubuis

1949 - 1967

Séraphin Antonioli

1967 - 1982

Charles Meyer

1982 - 1994

Maurice Gillioz

1994 - 2002

Michel Buro

2002 - 2006

Charly Sierro

2006 - 2014

Jean-Marc Furrer

2014 -

Alain Métrailler

DIE DIREKTOREN DES WBV 1947 - 1983

Amy Pierroz

1983 - 1997

Gérard Rausis

1997 - 2002 Direktorenkollegium 2002 - 2006 Generalsekretär 2006 -

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Serge Métrailler

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«Wenn man sich die alten, durch Walliser erbauten Häuser anschaut, sieht man, dass sie weder Lot noch Richtschnur benutzten. Man war Bauer, Soldat oder Pfarrer, aber kein Baumeister.» Claude Métrailler (1939), Bauunternehmer von 1969 bis 2004, Sitten

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Steinbau und Maurer vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert Mauern zu errichten, filigrane Kirchengewölbe zu gestalten, Suonen in schwindelerregender Höhe in den Fels zu hauen, eine Brücke aus einem einzigen Bogen zu bauen erfordern Geschick und Fachwissen. Bei kleineren Bauarbeiten oder zur Fronarbeit wurde im Mittelalter üblicherweise die Dorfgemeinschaft herangezogen. Bei technisch komplexen Ausführungen wandten sich die Bauherren jedoch an Fachleute. Wer sind die Maurer- und Maurermeister, die im Wallis vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert auf den Baustellen beschäftigt wurden? An welchen Bauten arbeiten sie und unter welchen Bedingungen?

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«Wiederaufbau des Schlosses Tourbillon», Holzschnitt, erschienen 1548 (Detailansicht)

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MAURERMEISTER … Loèche

Viège

… aus der Fremde

Brigue

Conthey Saillon Martigny

DER STEINBAU: EINE EXKLUSIVE TECHNIK1

Sembrancher Orsières Bourg-St-Pierre

Leuk

Visp

Brig

Conthey Saillon Martigny

Sembrancher Orsières Bourg-St-Pierre

Bei mittelalterliche Steinbauten handelte es sich hauptsächlich um Wehrbauten, Schlösser und andere Machtzentren, Sakralbauten sowie Unterstände für den Warentransport, weswegen sie hauptsächlich in Verwaltungszentren, Markt- und anderen grösseren Flecken zu finden sind, die an einer strategisch günstigen Position oder an einer Handelsroute liegen.

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Als Zeichen für Wohlstand und Prestige erfreuten sich Steinbauten ab dem 16. Jahrhundert insbesondere beim Patriziat grosser Beliebtheit, denn Steinhäuser galten als Statussymbol. Um nach der neuesten Mode bauen zu können, beschäftigte man wegen ihrer besonderen Fähigkeiten meist ausländische Maurermeister, weswegen der Bedarf an Maurern erstmalig merklich anstieg.

Das Holz wird entthront

Die ersten Maurer und Maurermeister mit fremdländischen Namen werden in den Urkunden ab dem 14. Jahrhundert fassbar2. Sie stammen hauptsächlich aus dem Piemont, der Lombardei, dem Aostatal, aber auch aus dem Faucigny, der Region um Genf, dem Savoyer Chablais sowie dem Rheinland. Die Meisten dieser Bauunternehmer und Architekten in Personalunion stammen aus dem Valsesia am Südhang des Monte Rosa sowie dem oberen Arvetal. Nach Gaëtan Cassina, dem Spezialisten für Denkmalgeschichte, hielten sie bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Wallis ein Quasi-Monopol auf die wichtigen Bauaufträge3. Im Jahre 1351 beschloss die Gemeinde Martinach ihren Kirchturm aufzustocken. Sie betraute damit den Lathomus Meister Jacuminus de Margui von Torricella4, einen Maurermeister und Steinmetzen. Der Vertrag beschreibt den Auftrag wie folgt: 8,5 pes manualis hohe Fenster, eine achtseitige Turmspitze, 3 Klafter5 und 3 Fuss hoch, überragt von einer Kugel. Der pes manualis ist 1/5 länger als eine Handlänge, in diesem Falle die des Viztums von Martinach. Der Meister erhält für seine Arbeit 72 Gulden guten Goldes, von denen ihm fünf bei der Vertragsunterzeichnung und ein weiterer Teil als Vorschuss während der Bauzeit ausgezahlt werden, damit er für seine Familie aufkommen und seine Arbeiter entlohnen kann. Zudem wird ihm für die rund fünfmonatige Arbeitszeit eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Der Bauherr liefert das notwendige Material sowie vierundzwanzig Nägel. Er ist ausserdem für die Wasserversorgung der Baustelle verantwortlich. Die für die Bauarbeiten notwendigen Seile steuert jedoch der Maurermeister bei. Auch den Tuffstein muss er mit eigenen Mitteln abbauen6.

Als lokaler und leicht zu bearbeitender Baustoff war Holz vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert das wichtigste Baumaterial in den meisten Walliser Dörfern. Stein wurde nur da verbaut, wo seine Eigenschaften gegenüber dem Holz im Vorteil waren: in den unteren Stockwerken von Scheunen und Häusern als Isolation gegen Feuchtigkeit sowie in Küchen mit offenen Feuerstellen zur Verringerung der Brandgefahr.

… und hiesige Aus dieser Zeit sind nur wenige durch ihre Arbeiten oder ihr Geschick herausragende Walliser Maurermeister bekannt. Jean Dunoyer7, alias Vaulet, ein Maurermeister aus Vouvry, ist eine der Ausnahmen. Zwischen 1460 und dem anbrechenden 16. Jahrhundert war der Meister der schönen Glockentürme zwischen Vevey und Le Châble tätig.8 Zeitgleich entstand im Unterwallis eine lokale Maurertradition9. Noch seltener in den Urkunden sind Maurermeister und Maurer aus dem Mittel- und dem Oberwallis, wobei einige wenige in Rechtsakten im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften fassbar werden10. Nur äusserst selten findet man in den Archiven Spuren ihrer beruflichen Tätigkeit. Im Jahre 1629 wurde Meister Stephanus Lathion, Maurer, durch den Kogeneralkommissär für Strassenbau beauftragt, eine Strasse in Nendaz herzurichten und fahrbar zu machen11. Zwar handelte es sich hierbei um keine Arbeit von besonderem Prestige, aber es ist dennoch eine Anerkennung seiner Fähigkeiten, zumal er wohl die Bauleitung innehatte.

Jean Dunoyer, Baumeister der Kirche von Vouvry Neben ihm sein Wappen: in Blau schräglinks silberne Maurerkelle mit goldenem Griff. Die Inschrift bestätigt die Zuordnung: «Meister Jean Dunoyer von Vouvry lies dieses Werk erbauen, welches Meister Jean von eigener Hand fertigte.»

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DIE VALSESIER: PIEMONTESISCHE MEISTER IM WALLIS Wie aus Archivquellen hervorgeht, errichteten bis etwa Ende des 17. Jahrhunderts hauptsächlich oberitalienische Maurermeister, Steinmetzen und Bauunternehmer die Steinbauten im Ober- und im Mittelwallis. Eine Region zeichnet sich durch besondere Kunstfertigkeit in diesem Bereich aus, das Valsesia, am Südhang des Monte Rosa. Das Gebiet wurde im 13. und 14. Jahrhundert teilweise von Oberwalliser Bauern, den Walsern, besiedelt. Aegidius Tschuddi, der 1524 das Tal bereiste, äusserte sich dazu wie folgt: «(...) allda eine große teutsche Pfarrey Pressmellum, teutsch Pressmelch genannt, seynd alles Steinmetzen und gute Maurer, welche weit herumwandlen»12. Nach abgeschlossener Ausbildung in Mailand, Novara oder im Aostatal, liessen sich viele nördlich der Alpen – vorzüglich in der Schweiz – nieder. Nachdem sie sich anfangs mehrheitlich der Deutschschweiz und Freiburg zugewandt hatten, wirkten sie ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hauptsächlich im Wallis. Die Valsesier genossen einen guten Ruf als Kirchenbauer, wurden aber ebenfalls beim Bau öffentlicher und privater Gebäude geschätzt. Einigen gelang eine ausserordentliche Karriere.

Ulrich Ruffiner Ulrich Ruffiner liess sich Anfang des 16. Jahrhunderts im Wallis nieder und beteiligte sich an sämtlichen wichtigen Bauvorhaben der damaligen Zeit, sowohl für Kardinal Matthäus Schiner (Theodulskirche in Sitten) als auch für seinen Gegenspieler Georg Supersaxo (Kapelle St. Anna in der Kirche von Glis). Er hat bei zahlreichen Bauten im Ober- und Mittelwallis Hand angelegt: das Beinhaus in Naters, die Meiertürme von Sitten und Nendaz, das Rathaus von Leuk, die Dalabrücke in Inden sowie die Chibrücke bei Stalden usw. Seinem Können verdankt er eine Vielzahl komplexer Bauprojekte wie z.B. die Neu- und Umbauarbeiten an der Burgkirche in Raron. Als Dank für seine Arbeit wurde ihm das örtliche Burgerrecht verliehen. Im Jahre 1519 beauftragten ihn die Obrigkeit von Bern sowie die Zenden Visp, Brig und Raron mit der Planung einer Passstrasse über den Lötschberg. Das Projekt konnte aus politischen Gründen nicht umgesetzt werden, aber andere, heute noch sichtbare Bauarbeiten zeugen von seinem Können wie die einbogige Chibrücke bei Stalden. Er verstarb zwischen 1549 und 1556 nach einem Sturz vom Kirchturm in Glis13.

Die Gebrüder Bodmer und Kaspar Stockalper Auch das folgende Jahrhundert war durch Valsesier geprägt, allen voran durch die Gebrüder Christian, Peter und Balthasar Bodmer, die in Kaspar Stockalpers (1609-1691) Dienst standen. Dieser war ein Politiker und erfolgreicher Unternehmer, der eine dominante Stellung im Walliser Transithandel erlangt hatte. Ende der Siebzigerjahre des Siebzehnten Jahrhunderts gelang es eifersüchtigen Notabeln, seine Machtfülle zu brechen. Er wurde sämtlicher Ämter enthoben, verlor einen Teil seines Vermögens und wurde verbannt. Auf Kaspar Stockalpers Geheiss errichteten die Gebrüder Bodmer im Zenden Brig mehrere Gebäude. Einige davon für die Burgerschaft, deren Bauvorsteher Stockalper war, andere in seinem Privatauftrag. 1658 begann der Bau am Stockalperschloss, dem grossen Werk des Königs des Simplons und der Gebrüder Bodmer. Die Bauarbeiten dauerten bis zum Sturz des Handelsherrn in den Jahren 1678-1679 an. Laut seinen Rechnungsbüchern unterhielt er zweiunddreissig Arbeiter aus dem Baugewerbe, den plastischen Künsten und dem Kunsthandwerk. Sieben Walliser wurden als Maurer oder Handlanger und achtzehn Ausländer als Facharbeiter beschäftigt14.

Chibrücke, Stalden, 1544-1546. Die Chibrücke ersetzte eine ältere, 1527 erbaute Brücke und war bis 1934 die einzige direkte Verbindung zwischen Stalden und dem Saastal. Pfarrkirche Saint-Germain, 1523 fertiggestellt. Das Kirchenschiff der Pfarrkirche Saint-Germain in Savièse weist für Ulrich Ruffiner typische Stilelemente auf, z.B. das spätgotische Gewölbe sowie die Verwendung von Tuffstein.

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Das Stockalperschloss ist das bedeutendste weltliche Barockgebäude der Schweiz. Es besteht aus drei Teilen: der alten Stockalperresidenz mit den Wirtschaftsgebäuden, dem neuen Schloss sowie der Gartenanlage mit drei Brunnen sowie dem bisweilen als Alpenescorial titulierten Arkadenhof. 23


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ZEUGEN DER VERGANGENHEIT

Bereits vor dem Brand von 1693 war Saint-Maurice, das Tor zum Wallis, nach einem organisierten Grundriss erbaut worden. Zudem bestand die Stadt hauptsächlich aus Steinbauten. Der Brand vom 23. Februar 1693 forderte achtzehn Menschenleben. Mehr als 200 Häuser wurden beschädigt, ebenso die Abtei, die Kirche und die Burg. Die Steinfundamente blieben jedoch verschont. Der Walliser Landrat organisierte den Wiederaufbau. Er fordert jeden Zenden auf, vier Maurer und vier Zimmerleute zur Verfügung zu stellen. Vermutlich gelang es nicht immer, das Soll ganz zu erfüllen, zumindest was die Maurer angeht. Die bedeutende Nachfrage an Baumaterial für ein Projekt dieser Grösse führte zu Preisspekulationen, worauf der Landrat einschreiten musste17.

Vom 12. Jahrhundert bis 1475 war Saillon savoyische Kastlanei und wurde stark gefördert, um den Ort zum Rivalen von Sitten, dem Zentrum der bischöflichen Macht, auszubauen. Zwischen 1258 und 1262 liess Peter II. von Savoyen den Flecken befestigen, die Burg verstärken und einen Bergfried (la Tour Bayart) errichten. Mit den Ausführungen wurde Pierre Meinier betraut, dem sämtliche militärische Baumassnahmen in der Waadt, im Wallis und im Chablais oblagen. Er arbeitete unter der Anleitung des Magister ingeniorum, Jean de Mesoz, einem gebürtigen Gascogner, der als Festungsbauingenieur ebenfalls für den König von England tätig war15.

Sie wurde 1491 von Jean Pianot erbaut und wurde mehrfach verstärkt. Eine der zahlreichen Konsolidierungsarbeiten führte 1523 der aus dem

Sesiatal im Piemont stammende berühmte Walliser Baumeister Ulrich Ruffiner aus.

Saint-Maurice, Kupferstich, erschienen 1654

Die auf der rechten Seite des Bildes zu sehende Rhonebrücke gilt heute als Kulturgut von nationaler Bedeutung.

Die Bebauung der Stadt Sitten ist gedrängt und die Häuser sind nach keinem erkennbaren Plan ausgerichtet. Die Wirtschaftsgebäude stehen unmittelbar neben den Wohnhäusern und die Holz- neben den Steinbauten. Der obige Schnitt lässt diese Durchmischung jedoch nicht erkennen. Bis ins 19. Jahrhundert sollte sich am Stadtbild nichts ändern. Im Jahre 1788 zerstörte ein Brand den nördlichen Teil der Stadt: 126 Häuser, 100 Scheunen oder Ställe, das Schloss Tourbillon sowie die Meierei wurden verheert. Bereits im 17. Jahrhundert erlassene Brandschutzverordnungen, z.B. die Verwendung von Schieferdächern, wurden danach wieder strenger befolgt. Um den Wiederaufbau zu beschleunigen, unterstützte die Burgerschaft die geschädigten Mitburger durch die Bereitstellung des benötigten Baumaterials (Holz, Kalk, Gips). Den einfachen Bewohnern (Nichtburger) der Stadt wurde diese Hilfe jedoch nicht zuteil16.

Sembrancher liegt an der Passstrasse zum Grossen Sankt Bernhard und erhielt 1239 vom Grafen Amadeus IV. von Savoyen diverse Freiheiten verliehen, darunter das Marktrecht. Das Dorf entwickelt sich nach einem für mittelalterliche Flecken typischen Modell: im Erdgeschoss der Steingebäude befinden sich auf die Hauptstrasse ausgerichtete Lager- und Handelsräume sowie Werkstätten und darüber ein bis zwei Stockwerke zum Wohnen. Ab dem 16. Jahrhundert zeichnete sich der Baustil der Häuser durch Formenvielfalt und Freude an dekorativen Elementen aus, was vom Wohlstand des Fleckens und dem Erfolg einzelner Geschlechter zeugt18.

Die gut erhaltene Altstadt erlaubt Rückschlüsse auf das Aussehen der mittelalterlichen Stadt.

Seit dem Bau der Umgehungsstrasse im Jahr 1954 blieb der Ortskern von

Sembrancher, 1890 Sembrancher vom Verkehr weitestgehend verschont, wurde somit aber auch manchem Blick entzogen. Ein

Spaziergang durch den alten Dorfkern lässt noch einiges von der mittelalterlichen Atmosphäre erahnen.

Sitten, Holzschnitt, erschienen 1575

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LEHRLING, GESELLE, MEISTER: AUSBILDUNGSSTUFEN

Leider fehlt es an verwertbaren Zeugnissen, um das Leben auf den Baustellen und die interne Organisation der Walliser Maurer zu rekonstruieren. Obschon der Beruf weniger durchstrukturiert war als in England, im Heiligen Römischen Reich oder in einigen Städten der Deutschschweiz, kann man davon ausgehen, dass die Ausbildung mehr oder weniger gleich verlief. Der Lehrling schloss einen Vertrag mit einem Meister, der sich verpflichtete, ihn gegen ein Entgelt für mehrere Jahre in die Lehre zu nehmen. Die Ausbildung erfolgte auf Baustellen oder in Steinbrüchen. Der Meister unterrichtete den Lehrling im Zeichnen, Zuhauen der Steine und in den Bautechniken. Nach Abschluss der Ausbildung konnte der Lehrling entweder Arbeiter werden oder seine Ausbildung zum Meister fortführen, sofern er die dazu notwendigen Fähigkeiten mitbrachte.

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Kalkbrennofen in Brämis aus dem 18. oder 17. Jahrhundert, 1997-1999 durch die Burgerschaft Sitten renoviert.

Üblicherweise musste ein angehender Meister als Beleg für seine Fähigkeiten ein Meisterwerk erstellen, dass vor gestandenen Meistern besteht, einen guten Leumund vorweisen und die Eintragsgebühr für seinen Titel bezahlen können. Sollte es eine örtliche Zunft geben, musste er dieser beitreten. Als Maurermeister konnte er sich selbständig machen und Arbeitskräfte einstellen. Beim zweiten Punkt konnte es jedoch örtliche Einschränkungen geben. Einige Zünfte auferlegten den neuen Meistern eine Wartezeit, bevor sie einen Lehrling aufnehmen, eine gewisse Anzahl von Arbeitern einstellen oder grössere Baustellen leiten durften19.

Kalk

Die 17 m hohen Mauern von La Cotzette beim Bisse de Clavau in Sitten

DIE WIEDERENTECKUNG ALTER TECHNIKEN Trockenmauerwerk Die in prähistorische Zeit zurückreichende Technik des Trockenmauerwerks besteht darin, grobe oder leicht zurechtgehauene Steine aus Bachbetten, Steinhalden, alten Gemäuern oder Steinbrüchen zu gewinnen und diese mit Ton zu verbinden. Die Masse und der Reibungswiderstand der Steine sorgen für die Stabilität des Bauwerks, allerdings muss die Statik genau berechnet werden. Das Aufschichten eines Trockenmauerwerks erfordert erhebliches technisches Geschick20.

hauptsächlich bei landwirtschaftlichen Bauten (Alpwirtschaften, Weinberge usw.) oder bei Schutzbauten (gegen Überschwemmungen oder Lawinen) und nur selten für Wohnzwecke21. Im Wallis sind noch über 3000 km Trockenmauerwerk erhalten. Aufgrund ihrer ästhetischen, historischen und ökologischen Qualitäten wird die Technik heute wieder vermehrt angewandt. Zudem fördert das Trockenmauerwerk die Artenvielfalt und es lässt das Regenwasser abfliessen.

Vom Mittelalter bis zur Einführung des Zements um 1900 war Kalk das wichtigste Bindemittel zur Herstellung von Mörtel. Der älteste Beleg für den Betrieb eines Walliser Kalkofens stammt aus dem 9. Jahrhundert aus Brig. Landstriche mit Kalksteinvorkommen konnten einheimischen Kalk produzieren (Goms, Mittelwallis), während im Unterwallis für Steinbauten Löschkalk gekauft werden musste. Der Kalk wurde in der Nähe der Abbaustätten hergestellt. Der Prozess dauerte rund eine Woche. Um die notwendigen 1100 Grad Celsius zu erreichen, musste der Ofen zwei Tage befeuert werden, danach wurden die Steine drei bis vier Tage gebrannt und schliesslich zur Kühlung und zur Zerkleinerung in eine Grube mit Wasser gegeben. Kalk begünstigt den hygrometrischen Austausch, was atmungsaktive Wände ermöglicht. Er ist zwar luftdurchlässig, aber dennoch wasser- und schaldicht, was ihn zu einem ausgezeichneten Isolierungsmaterial macht. Heute erfreut sich der Werkstoff beim umweltbewussten Bauen wachsender Beliebtheit. Zudem werden ihm diverse Tugenden zugeschrieben: desinfizierend, feuerbeständig, robust usw.22

In der Schweiz kommt Trockenmauerwerk vor allem in alpinen oder wenig bewaldeten Gebieten zur Anwendung, Wiederaufbau der Schlösser in Martinach und Saint-Maurice im Jahre 1482, erschienen 1548. 26

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DIE ROLLE DES MAURERMEISTERS AUF DER BAUSTELLE

Die Aufgaben eines Maurermeisters konnten sehr unterschiedlich ausfallen. Man war recht anpassungsfähig. Je nach Baustelle und technischen Fähigkeiten konnte er als einfacher Befehlsempfänger, Architekt oder Ingenieur, Bauleiter und Unternehmer auftreten. Auf Grossbaustellen konnte dem Maurermeister die pres-

tigeträchtige Aufgabe zufallen, sämtliche Abläufe zu beaufsichtigen23. Die Maurermeister legten aber auch selbst Hand an, übernahmen Nebentätigkeiten einer Baustelle oder errichteten kleinere Bauwerke. Die ersten Bauunternehmer

ZÜNFTE UND BRUDERSCHAFTEN

In Europa war es seit dem ausgehenden Mittelalter üblich, dass ein Maurermeister sein eigenes Unternehmen gründete und die von ihm betreuten Baustellen mit eigenen Arbeitskräften versorgte. Manchmal betrieb er nebenher einen Steinbruch und belieferte die Baustelle mit Baumaterial25.

Zünfte28 und Handwerkervereinigungen wehrten fremde Konkurrenz ab, reglementierten die Berufsausbildung und stärkten die Bande zwischen den Handwerkern eines selben Berufes. Daneben spielten sie auch eine religiöse Rolle, indem sie sich durch fromme Werke um das Seelenheil ihrer Mitglieder bemühten.

Andere Male entschied sich der Bauherr, den technischen Teil, vom Riss zum Bau, von den administrativen und logistischen Aufgaben zu trennen. In diesem Fall war er es, der sich als Baunternehmer betätigte.

In der Deutschschweiz waren sie ab dem 13. Jahrhundert in den Städten und ab dem 15. Jahrhundert ebenfalls in ländlichen Gebieten tätig. Nebst ihrer herkömmlichen Aufgabe übernahmen sie wichtige militärische (Stadtverteidigung im Kriegsfall, Wache in Friedenszeiten usw.) und politische Funktionen. Manchmal wurden sie so mächtig, dass es ihnen gelang, die politische Macht zu erlangen. Es entstanden regelrechte Zunftstädte wie Basel, Zürich oder Schaffhausen.

Beispielsweise am 2. August 1434 beauftragte die Genossenschaft einer Suone in Vollèges einen gewissen Vulliermodus Biollaz mit Instandsetzungsarbeiten. Auf seine Ausbildung wird nicht näher eingegangen, es ist jedoch bekannt, dass er zwei Wochen später eine Gruppe lombardischer Maurer unter Vertrag nahm. Der Unternehmer trug die Verantwortung für die Baustelle. Er haftete auch für Wasserschäden auf den angrenzenden Fluren, die Maurer konnten dafür nicht belangt werden26. So wurde ebenfalls beim Bau des Stockalperkanals (ab 1651) zwischen Vouvry und Collombey verfahren. Der Bauherr, Kaspar Stockalper, beauftragte den in Monthey ansässigen Unternehmer Jean de Vanthéry. Er war verantwortlich für die Bereitstellung des Baumaterials und der Arbeiter, die Auszahlung der Löhne sowie die Aufsicht der Baustelle. Mit der Bauführung wurde der aus Amsterdam zugereiste und in Yverdon niedergelassene Jean-Henry Murlin (bisweilen Jan-Hendryk Murlin) beauftragt, der bereits am Entrerocheskanal mitgewirkt hatte27. 1705 beschlossen die Geteilschafter der Alpe Meiden im Turtmanntal zusammen mit der benachbarten Alpgenossenschaft Gruben eine Kapelle zu errichten. Zwei Dokumente (hier ein Auszug der Beschlussfassung) geben Hinweise auf die Organisation der Baustelle. Unter den eingestellten Fachleuten befinden sich ein Maurermeister und mehrere Maurer. Die Genossenschafter gehen ihnen bei der Aus28

führung zur Hand (Fronarbeit) und stellen das Baumaterial (Kreide, Bretter usw.). Aus den Unterlagen geht ebenfalls hervor, dass die Vergütung der Maurer1 teils in bar, teils in Naturalien (Getreide, Butter) erfolgt. Dies mag uns heute überraschen, war aber damals gängige Praxis.

In der welschen Schweiz und dem Tessin war die Lage völlig anders. Die im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts in den grösseren Städten aufkommenden Handwerkerverbindungen beschränkten sich auf berufliche, religiöse und soziale Tätigkeiten. Es handelte sich eher um Bruderschaften oder Gesellschaften und weniger um Zünfte. Diese Organisationsform passt gut zu Berufsgattungen, die ein Geschäft betreiben oder sich in einem städtischen oder regionalen Umkreis konzentrieren, sind aber weniger geeignet für fahrende Gewerbe wie z. B. das Maurerhandwerk. Dessen Berufsleute schlossen sich zu Logen zusammen, Verbindungen, die für die Dauer eines Bauvorhabens eingerichtet wurden, um gemeinsame Verpflichtungen wahrzunehmen, Baufragen gemeinsam zu klären usw. Jedoch wird ab dem 14. Jahrhundert von zunftähnlichen Verbindungen in einigen europäischen Städten berichtet. Tatsächlich waren die regionalen und zeitlichen Unterschiede sehr gross.

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Die Walliser Maurerbruderschaft Der erste Nachweis einer Maurervereinigung im Wallis stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts29. Die Region Sitten zählte damals achtzehn Steinhandwerker (Maurer, Maurermeister, Steinmetze)30. Einige werden als Burger bezeichnet, was auf eine gewisse berufliche Sesshaftigkeit hindeutet. Der Wiederaufbau der Kathedrale spielte wohl eine Rolle in der damaligen Handwerkerdichte, wobei die Stadt vermutlich weitere Baustellen zählte, welche den Maurern ein Auskommen sicherten. Im Jahre 1466 schlossen sich vier von ihnen mit dreizehn Schmiedemeistern, allesamt Burger oder Einwohner von Sitten, zusammen, um die Bruderschaft vom Kerzenstock zu gründen. Die «Meysteren Handtwerken undt demüettige Handtwerksleuten» erkannten Gott als ihren «Schöpffer undt allerhochsten Meister» und «aller Güettaten Verleicher (Verleiher)», weswegen sie beschlossen, sich ihm

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durch Danksagungen und Opfer erkenntlich zu erweisen.31 Zu diesem Zweck stifteten sie der Kathedrale einen Kerzenstock, denn sie auf eigene Kosten unterhielten. Dieser Akt der Frömmigkeit steht im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Der Beitritt kostete denn auch ein Pfund Wachs, ein seltener und damit teurer Rohstoff. Der Leuchter, der unter Aufsicht von Pflegern, den Procuratores, stand, wurde zur Beerdigung eines Mitbruders oder eines direkten Familienmitglieds, an Sonntagen und während der hohen kirchlichen Feiertage, bei Festen zu Ehren der Jungfrau Maria oder am Tag des Heiligen Eligius, dem Schutzpatron der Schmiede, angezündet. Dass der Schutzheilige der Maurer nicht erwähnt wird, deutet darauf hin, dass die Initiative zur Stiftung von den Schmieden ausging, und sie sich bereit erklärten, die Maurer aufzunehmen, deren geringe Zahl für eine eigene Bruderschaft wohl nicht ausgereicht hätte. Einzelne, den Schmieden vorbehaltene Statuten stützen diese Annahme.

Neben der religiösen Dimension offenbaren die Regeln der Bruderschaft den Willen, die Berufsausübung zu strukturieren. Jeder Meister, der sich in der Stadt niederlassen wollte, um dort seine Handwerk auszuüben, musste Teil der Bruderschaft werden und wie die anderen zu ihrem Unterhalt beitragen. Die Statuten warnen, man werde denen, die sich weigerten, der Bruderschaft beizutreten, keine Hilfe leisten und sie in keiner Weise begünstigen. Jedem Mitglied, das den Widerspenstigen materielle oder fachliche Hilfe leiste, werde eine Busse von einem Pfund Wachs auferlegt. Meister, die vorübergehend in Sitten arbeiteten und ihre Meisterschaft nicht belegen könnten, aber dennoch als solche arbeiten, unterliegen einer höheren Strafe32.

Gründungsurkunde der Bruderschaft, 1466

Leider sind bis auf die Stiftungsurkunde Unterlagen zur Bruderschaft selten, weswegen ihre Geschichte weitestgehend im Dunkeln bleibt. Wir wissen jedoch, dass sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter dem Namen Confrérie des marteaux (Bruderschaft der Hämmer) tätig war, eine grössere Bandbreite von Handwerksberufen (Schmiede, Maurer, Schlosser, Schreiner, Tischler, Glasmacher usw.) umfasste und sich im Mittelwallis – erwähnt werden Savièse, Nendaz, Isérables, Chamoson – und vielleicht sogar auf das gesamte Kantonsgebiet ausdehnte33. Die Rechnungsbücher dieser Zeit belegen die Teilnahme am öffentlichen Leben durch die Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen und, zumindest für bestimmte Berufe wie Schmiede, die Beaufsichtigung der Lehrlingsausbildung. Viele Fragen bleiben jedoch unbeantwortet: Übte die Bruderschaft ein echtes Monopol aus? Hat sie Regeln für die Berufslehre und die Meisterprüfung erlassen? Änderten sich die Beitrittsbedingungen im Laufe der Zeit? Wie kontrollierte sie die Tätigkeit der Mitglieder in ihrem Wirkungskreis? Unterhielt sie Kontakte zu anderen Bruderschaften und Zünften in der Westschweiz oder anderswo?

Wann die Bruderschaft der Hämmer aufgelöst wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Der letzte Beleg ihrer Existenz ist eine durch Meister Johann Joseph Andenmatten, der wahrscheinlich Procurator der Bruderschaft war, erstellte Abrechnung von 1828. Sie erlosch jedoch spätestens 1848 als die nach dem Sonderbundskrieg an die Macht gekommene freisinnige Kantonsregierung die Mittel der Sittener Berufsbruderschaften dem öffentlichen Schulwesen zuteilte34.

EIN WALLISER BAUMEISTER IM 18. JAHRHUNDERT, JOHANN JOSEPH ANDENMATTEN Der im ausgehenden 18. Jahrhundert in Sitten tätige Maurermeister und Architekt Johann Joseph Andenmatten gehörte wie Jean Dunoyer zu den Walliser Meistern, die es durch die Qualität ihrer Arbeit zu relativer Berühmtheit brachten. Der 1754 in Saas-Balen geborene Johann Joseph Andenmatten war 28 Jahre alt als er den Rat von Sitten um eine Arbeitserlaubnis ersuchte. Zu diesem Anlass stellte er seinen Werdegang vor und erklärte, dass er im Selbststudium durch den Besuch zahlreicher Oberwalliser Kirchen und dem Studium der theoretischen Grundlagen der fünf grossen Baustile seine Berufsfähigkeiten vervollkommnet habe. Er bot an, seine Fähigkeiten anhand von Zeichnungen und Modellen unter Beweis zu stellen. Beim Anblick der Belege zeigte sich der Rat von Sitten ob so bedeutender Fertigkeiten beeindruckt und erteilte ihm die Berufserlaubnis, vorausgesetzt er lasse sich in der Stadt nieder35. Er baute 1786 sein Haus in der Rue de Conthey. Zwei Jahre später fiel ein grosser Teil der Hauptstadt einem Brand zum Opfer. Das Unglück beförderte die Karriere des Maurermeisters und Architekten. Unter den Einwohnern war er der einzige, der den Wiederaufbau ausführen konnte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts steigerte er seine Bekanntheit durch den Bau dreier bedeutender Sakralbauten: der Jesuitenkirche von Sitten (1806-1815), der Rundkirche seines Heimatdorfes (1809-1812) sowie der Kirche von Arbaz (1821)36.

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