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Tagungen: Produktsicherheit und Premiumisierung – 19. IfGB-Forum erneut als Präsenztagung
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Tagen mit 2 G+: Das 19. IfGBForum zog rund 90 SpirituosenExperten nach HöhrGrenzhausen
TAGUNGEN
Produktsicherheit und Premiumisierung – 19. IfGB-Forum erneut als Präsenztagung
Rund 90 Experten der Spirituosenbranche kamen Anfang Oktober nach Höhr-Grenzhausen, um Strategien zu teilen, wie man in der Pandemie nicht nur bestehen, sondern ggf. auch wachsen kann. Der erste Tag stellte u.a. Digitalisierungsstrategien und Maßnahmen zur Gewährleistung von Produktsicherheit in den Fokus. Die Heuft Systemtechnik und die Brennerei Hubertus Vallendar luden am Nachmittag zu Betriebsbesichtigungen ein. Den Begrüßungsabend richtete der Hauptsponsor Heuft im eigenen Kundenzentrum aus. Wie im Vorjahr fand das IfGB-Forum mit strengen Corona-Präventionsmaßnahmen statt.
(WiK) Werner Albrecht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Bonn, moderierte den ersten Tag des 19. IfGB-Forums. „Herzlichen Dank an Dr. Fontaine, Wiebke Künnemann und das ganze IfGB-Team für die Organisation und Durchführung dieser Tagung. Das IfGB-Forum ist die wichtigste Tagung der Spirituosenbranche“, sagte der Moderator. Danke an die VLB, an die Brauer, die das Institut finanzieren und damit auch viele Dienstleistungen für die Spirituosenbranche.“ Er schloss eine Schweigeminute für den verstorbenen Dr. Gundolf Ströhmer an (BF 9/2021, S. 6).
VLB-Geschäftsführer Dr. Josef Fontaine berichtete über die jüngsten Entwicklungen am Institut für Gärungsgewerbe und der VLB Berlin. „Ein Dankeschön gilt allen externen Dozenten, die durch ihr Engagement die Destillateurkurse ermöglichen. Mit der Vereinigung der Destillateurmeister pflegen wir eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, betonte er. Als neue Fortbildungsmaßnahme stellte Dr. Fontaine den „Bier- und Spirituosensommelier vor. Der 14-tägige Kompaktkurs mit Bier- und Spirituosensensorik-Schulungen wird von Experten des Hotels Michelberger mit Food-Pairing ergänzt. „Johannes Fuchs als unser Chefsensoriker verantwortet diesen Kurs.“ Im Folgenden ging der Referent auf die großen internationalen Online-Tagungen und -Schulungen der VLB Berlin ein. Im Hinblick auf das IfGB-Forum betonte er: „Es geht nichts über eine Präsenztagung!“ Dies sei auch am guten Buchungsstand selbst in Zeiten der Pandemie abzulesen. „Wiebke Künnemann genießt bei uns große Freiheiten, das Ergebnis bestärkt uns darin.“ Angelika Wiesgen-Pick, Bundesverband der Deutschen Spirituosenindustrie und -importeure (BSI), Bonn, sprach über aktuelle Themen der Spirituosenbranche. „Die Lockdowns haben die Spirituosenbranche betroffen.“ Die Pandemie habe E-Commerce stark vorangetrieben und die Premiumisierung verstärkt. Die Coronakrise habe die deutsche Spirituosenbranche nachhaltig belastet. Durchschnittlich sei der Gastro-Absatz von Spirituosen um rund 20 % gesunken. Der Absatz über den LEH sei dagegen um rund 7% gestiegen. Der Spirituosenmarkt sei pandemiebedingt um rund 1 bis 2% geschrumpft. Mit ca. 708 Mio. Flaschen (á 0,7L) bliebe der deutsche Spirituosenmarkt aber der größte der Europäischen Union. „Im nächsten Jahr rechnet man insgesamt mit einer weitgehenden Normalisierung im Absatz“, sagte die Referentin.
Im Trend liege immer noch traditionelle deutsche Markenspirituosen, regionale und saisonale Traditionsspezialitäten sowie Craft. Deutschland liegt mit einem auf 5,2L Fertigware gesunkenen Pro-Kopf-Konsum auf Platz 18 in Europa. Getränkemarkt-Analysten wie VINEXPO und IWSR gehen davon aus, dass künftig Premium- und Superpremium-Spirituosen Hauptwachstumstreiber der Branche sein werden. Das Gesamtvolumen von Spirituosen werde von lokalen Produkten angeführt. Importierte und globale Marken würden allerdings bis 2023 um 9% wachsen. Für die Kategorie Whisk(e)y werde bis 2023 ein Wachstum von 7,9% prognostiziert. Wachsen sollen außerdem Gin, Rum und Agaven-Spirituosen. Die vom BSI gegründete Schutzgemeinschaft für geografische Angaben im Spirituosenbereich in Deutschland e.V. überprüft bestehende geografische Angaben. „Wenn Sie betroffen sind, können Sie sich melden; das ist unabhängig von einer BSI-Mitgliedschaft“, betonte die Referentin. Der BSI hat mit GS1 eine Datenbank erstellt, in der alle Produktangaben hinterlegt sind, die von der Lebensmittel-Informationsverordnung verlangt werden. Produktspezifikation, Zutatenverzeichnis, Energie- und Nährwertangaben etc. findet man über den QR-Code des digitalen Flaschenetiketts. GS1 ist ein Netzwerk von Organisationen, die weltweit Standards für unternehmensübergreifende Prozesse entwickeln. Die BSI -Mitglieder stellen auf diese bis dato freiwillige Kennzeichnung um.
Werner Albrecht sprach über aktuelle Fragen des europäischen und nationalen Spirituosenrechts. Die neue EU-Spirituosen-Grundverordnung wurde bereits vor Inkrafttreten am 25. Mai 2021 mehrfach geändert. Zum 20. Mai 2021 wurden u.a. folgende Umformulierungen vorgenommen: „Milch und Milcherzeugnisse“ (statt nur „Milcherzeugnisse“), „Obst“ (statt „Früchte“). Weitere Änderungen durch Delegierte Verordnungen sind in Vorbereitung, u. a. die Definition für „Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs“. Dabei soll klargestellt werden, dass „Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs“ stets durch Destillation gewonnen wird. Nicht verändert wird, dass ausschließlich die in Anhang-I genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse zur Herstellung zugelassen sind (kein Bier). Die Datenbank E-Ambrosia, das EURegister aller geografischen Angaben für Lebensmittel, führt auch ein Spirituosenregister. Um die schwierigen Kennzeichnungsregelungen für zusammengesetzte Begriffe und Anspielungen zu erläutern, plant die Kommission sogenannte Leitlinien zur Spirituosenkennzeichnung. Anspielungen auf geschützte Spirituosennamen sind in erster Linie bei Likören zulässig, z.B. die Anspielung auf Whisky bei einem „Sahnelikör – verfeinert mit Whisky“. „,Whisky‘ darf dabei höchstens halb so groß geschrieben werden wie ,Sahnelikör‘ und muss zudem in einer getrennten Zeile wie ‚Sahnelikör‘ aufgeführt werden“, erklärte Werner Albrecht. „Neu ist, dass z.B. ,Whisky Likör‘ jetzt eine eigenständige rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung ist, die bisher noch einmal separat vorgeschriebene Doppelung ‚Likör‘ kann entfallen.“ Zum 20. Oktober 2021 ist die Änderung der Alkoholhaltige GetränkeVerordnung (AGeV) in Kraft getreten. Spirituosen dürfen nun mit einer geografischen Bezugnahme ergänzt werden, sofern die Anforderungen des Artikels 14 Abs. 1 VO (EU) 2019/787 (Angabe Herkunftsort) erfüllt sind (z.B.„Berliner Gin“ oder „Bodensee Obstler“). Die AGeV-Änderung enthält keine Neuregelung der Süßung von Bränden. Spirituosen, die spätestens am 24. Mai 2021 gemäß dem an diesem Tage geltenden Recht hergestellt und etikettiert wurden, dürfen bis zur Erschöpfung der Bestände abverkauft werden. „Wir planen das Durchführungsgesetz und eine darauf basierende Spirituosen-Durchführungsverordnung für Ende 2022/Anfang 2023, um insbesondere die Vorschriften zum Geoschutz zu implementieren“, erläuterte Werner Albrecht. „Aber das hängt von der nächsten Bundesregierung und dem künftigen Ressortzuschnitt ab.“
Dr. Thomas Jahnen, Heuft Systemtechnik, Burgbrohl, startete den Produktsicherheitsschwerpunkt mit Digitalisierung und Produktsicherheit. Die Digitalisierung in allen Geschäftsbereichen schreitet voran. Mittlerweile werden viele Produktionsschritte über Netzwerke kontrolliert und beeinflusst. Die Zahl der Projekte bei Heuft mit Netzwerk-Anbindung ist seit 1998 exponentiell gestiegen. Anfänglich waren es fast ausschließlich „Service-Projekte“. Höchste Priorität hat dabei schnelle Unterstützung. Aber erst wenn der Bediener ein Problem hat, dass er selbst nicht lösen kann, wendet er sich an Heuft und öffnet das Gateway. Dann können die Service-Ingenieure eingreifen. „Wir können aus der Ferne fast so viel tun, wie die Person, die direkt am Gerät sitzt“, sagte Dr. Jahnen. „Mit Standorten in drei Zeitzonen leisten wir einen 24/7-Service.“ Heuft-Anwendungen wie Leerflascheninspektion und Füllstandskontrolle tragen zur Qualitätssicherung bei. Außerdem unterstützen Heuft-Systeme die Erfüllung gesetzlicher KennzeichnungsverWerner Albrecht, Referent und Moderator
Michael Giesse, Referent
Referentinnen und Referenten des ersten Tages: Martina Frey, Dr. Thomas Jahnen, Angelika Wiesgen-Pick und Dr. Josef Fontaine
Wiedersehen auf dem Begrüßungsabend: VLBPräsident Ulrich Rust, Rotkäppchen-GF Dr. Mike Eberle und Heuft-Verkaufsleiter Markus Oster (v.l.)
Heuft Systemtechnik: Werksführung mit Geschäftsführer Dr. Thomas Jahnen
Grußwort von Heuft-Geschäftsführer Bastian Heuft
Konzentrierte Zuhörer zur Eröffnung des Begrüßungsabends im Heuft-Kundenzentrum pflichtungen wie z. B. Steueretiketten. „Schritt für Schritt fordert z.B. Russland die individuelle Markierung aller Produkte“, erläuterte Dr. Jahnen. Das russische Track&-Trace-System gilt als eines der komplexesten weltweit.“ Ein anderes Feld ist die Produktpiraterie. „Lebensmittelfälschungen erzeugen einen jährlichen Schaden von ca. 13 Mrd. €”, erläuterte der Referent. Eine zusätzliche individuelle Kennzeichnung ermöglicht den Authentizitäts-Nachweis eines Produktes. Hinzu kommen Etiketten für die Rückverfolgbarkeit. Eine chargengenaue Rückverfolgbarkeit ermöglicht im Worst Case auch einen klar umgrenzten Rückruf. Dr. Jahnen schilderte die einzelnen Schritte der Produktcodierung, die auch mit den Instpektionsdaten verknüpft werden kann. Es folgen Kartoncodierung und Palettencodierung. „Die einzelnen Codes werden gelesen und mit dem Code der Transporteinheit verknüpft“, sagte der Referent. Diese Aggregierung von Daten kann dann auch leicht weitergegeben werden. Eine Netzwerkanbindung von Inspektionsgeräten ist heute Standard. „Ich bin sicher, dass wir erst am Anfang der Digitalisierung stehen und künftig viel mehr Entwicklungen zu erwarten sind. Die Digitalisierung bietet viele Chancen für die Zukunft“, zeigte sich Dr. Jahnen zuversichtlich.
Michael Giesse vom Co-Sponsor Vinolok, Jablonec nad Nisou, Tschechien, referierte über Leistung, Design & Nachhaltigkeit. Im Jahr 2002 entwickelte Alcoa, Worms, Glasverschlüsse. „Die Idee dazu hatte ein Arzt, der sich beim Weintrinken über Korkgeschmack geärgert hat.“ 2011 übernahm das tschechische Unternehmen Preciosa die Markenrechte. 2018 wurde das Unternehmen als „Vinolok a.s.“ ausgegliedert. Der Stopfen ist komplett aus Glas. Die aufgesteckte Dichtung besteht aus Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA). Der Glasstopfen wird per Schrumpfkapseln oder mit der Vinolok AluCap auf der befüllten Flasche fixiert. Diese muss auf den Glasstöpsel abgestimmt sein. Es gibt inzwischen mehr als 600 vinolokkompatible Flaschen. Glasstopfen gibt es für Flaschen mit Mündungsweiten von 17,5 mm bis 23 mm und für Flaschen mit 350 bis 1500 ml Füllmenge. Giesse zeigte einen Film aus der Produktion im modernen, automatisierten Werk. Bereits die Standardstopfen sind mit unterschiedlichen Farben und Dekoren erhältlich. Daneben gibt es edle und sehr edle Reihen mit unterschiedlichsten Profilierungen und Größen. Ein Verschluss für ein Premiumprodukt kann bis zu 42g wiegen. Viele Kunden fällen ihre Kaufentscheidung anhand des Verpackungsdesigns. Die durch den besonderen Verschluss hervorstechende Flasche soll Produkte unvergesslich machen. „Vinolok wird von Endverbrauchern als sehr hochwertiger, nachhaltiger Verschluss mit exzellenten Eigenschaften wahrgenommen“, sagte Michael Giesse.
Martina Frey, Heuft Systemtechnik, präsentierte Inspektionslösungen für hochwertige Glasbehälter mit anspruchsvollem Dekor. Sie stellte unterschiedliche modulare Systeme zur Leer- und Vollflascheninspektion sowie Systeme für Etiketten- und Verschlusskontrollen vor. Von herausragender Bedeutung ist das innovative Vollgutinspektionssystem mit Röntgentechnik „Heuft Spectrum II VX“. Dieses ermöglicht erstmals Füllstandsmessung bei Flaschen mit unterschiedlichen Wandungsstärken. Der Röntgenempfänger besteht aus mehreren Sensoren, die die ankommende Röntgenstrahlung in Spannungsimpulse umwandeln. Die Anzahl der Spannungsimpulse des Empfängers ist ein Maß für die eintreffende Röntgenstrahlung. Je nachdem, ob die Flasche korrekt befüllt, unter- oder überfüllt ist, ist der Röntgenstrahl teilweise gedämpft, nahezu ungedämpft oder vollständig gedämpft. Die Flächenwertberechnung kann Einflüsse schwankender Behälterwanddicken kompensieren. Dieser Wert wird aus den separaten Mittelwerten der Messwerte der Sensoren oberhalb und unterhalb des Füllstandes berechnet. Diese Form der Inspektion hat sich besonders bei aufwändig dekorierten, hochwertigen Spirituosenflaschen mit großen Schwankungen der Wandungsstärke bewährt.
Im Anschluss an den Vortrag ging es zu den Besichtigungen bei der Brennerei Hubertus Vallendar und der Heuft Systemtechnik. Der erste Tagungstag schloss mit dem Begrüßungsabend im Heuft-Kundenzentrum. (Wird fortgesetzt)