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Abfüllung: Loop-Tests simulieren Mehrweg-Umläufe an Glasflaschen

ABFÜLLUNG

Loop-Tests simulieren Mehrweg-Umläufe an Glasflaschen

Jan Fischer, VLB-Forschungsinstitut für Bier- und Getränkeproduktion (FIBGP)

Ob zur routinemäßigen Wareneingangskontrolle, der Überprüfung von Unregelmäßigkeiten oder bei der Einführung neuer Flaschendesigns: Der Industrie stehen seit Jahrzehnten zuverlässige und bewährte Standards der Verpackungsprüfung für die Beurteilung von Glasflaschen zur Verfügung.

Abb. 1: PilotFlaschenreinigungsmaschine KHS Innoclean im Wilfried-RinkeTechnikum der VLB Berlin; rechts im Bild ist der Line-Simulator Im Zusammenhang mit der Verpackungsprüfung an Glasflaschen sind vor allem die Standardwerke der Speziellen Technischen Lieferund Bezugsbedingungen – STLB (z.B. für Bierflaschen aus Glas [1]) zu nennen. Verbände wie die BV Glas (Bundesverband Glasindustrie e.V.), der Deutsche Brauer-Bund (DBB) oder der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie arbeiten diese Vereinbarungen zusammen mit neutralen Instituten wie der VLB Berlin aus. Sie unterliegen einer regelmäßigen Überarbeitung und stetigen Weiterentwicklung – nicht zuletzt, um auf Veränderungen der Marktsituation zu reagieren. Auch das Stichwort Lightweighting (Gewichtsreduzierung durch Materialeinsparungen) spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Grundlagen zur Überprüfung festgelegter Qualitätsniveaus stehen somit ausreichend zur Verfügung. Zur Beantwortung spezieller Fragestellungen, insbesondere was die Abnutzung und Alterung von Flaschen betrifft, hat sich an der VLB in den vergangenen Jahren zudem ein weiteres Tool bewährt: der Loop-Test. Im VLB-Loop-Test werden Mehrweg-Umläufe an Glasflaschen simuliert, um die Abnutzung während der Flaschenabfüllung sichtbar zu machen. Diese Simulation umfasst dabei im Speziellen die Abnutzung während der Reinigung in der Flaschenwaschmaschine, außerdem während des Transports auf den Förderbändern. Sicherlich findet ein Verschleiß an den Flaschen auch während des Transports auf dem LKW, im Einzelhandel und schließlich beim Endverbraucher

Foto: oh

statt. Diese Abnutzung geschieht allerdings eher zufällig, sodass man sie sinnvoll und reproduzierbar kaum nachbilden kann.

Äußere Abnutzung und Stabilitätsverlust

Die Durchführung des Loop-Tests ist auf den ersten Blick denkbar einfach: Flaschen eines Testpools werden in der Pilot-Flaschenreinigungsmaschine der VLB (KHS Innoclean; siehe Abb. 1) einer Reinigung unterzogen und durchlaufen danach für ein definiertes Zeitintervall einen Line-Simulator. Dieser Vorgang entspricht einem RecycleUmlauf – Loop genannt – und wird so oft wiederholt, bis ein vorher definiertes Testende, das sich an der zu erwartenden Lebensdauer

der Flaschen orientiert, erreicht ist. In der Regel werden etwa 25 bis 30, in Einzelfällen bis zu 50 RecycleUmläufe (Loops) an den Flaschen simuliert. Mit zunehmendem Alter der Flaschen nimmt das Scuffing zu und die Stabilität geht zurück. Um diesen Alterungsverlauf zu beobachten, werden während des Tests zu be stimmten Zeitpunkten Flaschen aus dem Testpool entnommen. So kann z.B. bei jedem 5. Umlauf die Zunah me des Scuffingrings dokumentiert werden (siehe Abb. 2). Wie bereits erwähnt, ist neben äußeren Abnut zungserscheinungen wie Scuffing vor allen die Abnahme von Stabili tätsparametern zu beobachten. Dabei sind typische Parameter, die sich in Abhängigkeit von der Umlaufhäu

Foto: VLB

Abb. 2: Zunahme des Scuffingrings an Glasflaschen mit zunehmender Umlaufzahl

figkeit verändern und standardmäßig in Loop-Tests überprüft werden, Innendruck- und Schlagfestigkeit, Axialdruckfestigkeit oder das Ab waschen der Heißendvergütung. Die Verpackungsprüfstelle der VLB ermittelt diese Werte, je nach Ver suchsplanung, zu Beginn und am Ende des Tests sowie nach einer ein gangs definierten Anzahl von Loops.

Testflaschenpool

Je nach Art und Häufigkeit der Labortests ergibt sich die Größe des Testflaschenpools und damit der Testumfang. Bei einer invasiven Prüfung, z.B. bei der Ermittlung der Innendruckfestigkeit, deren Ergeb nisse erfahrungsgemäß einer hohen Standardabweichung unterliegen, sollte eine Probenpopulation von 25 Flaschen nicht unterschritten werden. Fragt man die Innendruck festigkeit über einen Prüfumfang von 30 Loops zu jedem 5. Loop ab, ergibt sich ein Testflaschenpool von mindestens 175 Flaschen (25 Fla schen, jeweils zu Beginn, dann nach dem 5., 10., 15., 20., 25. und 30. Um lauf). Addiert man nun Flaschen für oben angesprochene zusätzliche Prüfungen (plus Rückstellmuster), ergibt sich schnell ein Testflaschen pool von 300 Flaschen. Bei einem Umfang in dieser Größenordnung ist mit einer Durchführungszeit von etwa zwei Wochen zu rechnen.

Anwendungsbereiche

Der Loop-Test soll die Praxis bestmöglich und ganzheitlich abbilden. Im Vergleich zu den einleitend erwähnten Prüfmethoden (z.B. Gebrauchsinnendruckfestigkeit nach STLB) ist der Arbeitsaufwand jedoch deutlich höher. Insofern ist der Loop-Test zur routinemäßigen Wareneingangsprüfung nicht geeignet. Der Test ist in vielen Fällen eher als Alternative bzw. als Ergänzung zu den gängigen Prüfplänen (z.B. STLB) zu verstehen. Manche Situationen rechtfertigen jedoch den Arbeitsmehraufwand. Denn in einigen speziellen Anwendungsfällen ist der VLB-Loop-Test ein geeignetes Tool, um Flascheneingenschaften zu beurteilen:

  Einführung von Individualflaschen: Gerade bei der zunehmenden Anzahl von Individualgebinden mit teils ungewöhnlicher Architektur können mit einem Loop-Test stabilitätsbezogene Pro bleme sichtbar gemacht werden. Dasselbe gilt für produktionsbe dingte Schwachstellen, wie z.B. Spannungen im Glas. Individual flaschen sollen sich dem Kunden im Einzelhandel in einwandfreier Optik präsentieren und sich von den herkömmlichen Poolflaschen unterscheiden. Deshalb liegt ein besonderes Augenmerk auch auf ästhetischen Abnutzungen – allen voran dem Scuffing. Ein Loop-Test kann zeigen, wie Scuffing mit der Umlaufhäufigkeit zunimmt, wie es die Flaschenästhetik beeinflusst und bis zu welcher Umlaufzahl Scuffing tolerierbar ist. Anhand dieser Beobachtungen kann bei der Einführung neuer Flaschen sorten die zu erwartende Lebensdauer eingeschätzt werden.

   Auswirkungen von Materialeinsparungen: Der Trend des Lightweightings hat in jüngster Vergangenheit auch vor MehrwegGlasflaschen nicht haltgemacht. Es geht bspw. um Einsparungen hinsichtlich Ressourcen und Kosten oder um ein leichteres Handling für den Endverbraucher. Vor allem in vergleichenden Testreihen können Loop-Tests die Auswirkungen des eingesparten Materials auf die Stabilität der Flaschen aufzeigen. Ein großer Vorteil des Tests ist in diesem Fall, dass der Zeitpunkt (bzw. die Anzahl der Umläufe) abgeschätzt werden kann, bis zu dem die Flaschen Mindestqualitätsanforderungen erfüllen. Auf Basis dessen lässt sich ermitteln, bis zu welchem Ausmaß Materialeinsparungen aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind und ab wann eine deutlich verringerte Lebensdauer der Gebinde die Einsparung negiert.

  Spezielles Glas: Werden Flaschen mit einem neuentwickelten Glas hergestellt, kann ein LoopTest ihre Marktreife überprüfen. In der Vergangenheit konnten auf diese Weise entwicklungsbedingte Unzulänglichkeiten aufgedeckt und kostspielige Rückrufaktionen verhindert werden.

  Änderungen in der Heißendvergütung: Werden neue Heißendvergütungsmittel appliziert, kann überprüft werden, wie sich dieses neue Mittel auf das Scuffing oder die Flaschenstabilität in Abhängigkeit von der Umlaufhäufigkeit auswirkt. Neuere Überlegungen zielen darauf ab, inwieweit man auf eine Heißendvergütung der Flaschen verzichten kann. Des Weiteren sind Loop-Tests zu

50

45

40

35

Internal pressure resistance [bar]

30

25

20

15

10

5

0

0 Loops 5 Loops 10 Loops 15 Loops 20 Loops 25 Loops

Abb. 3: Rückgang der Innendruckfestigkeit während der Lebensdauer einer Glasflasche

nennen, die der Evaluierung von Nachvergütungsmitteln dienen. Diese Nachvergütungsmittel werden nach der Flaschenreinigungsmaschine auf die Gebinde aufgebracht und verlangsamen die Scuffingbildung sowie den Rückgang von Stabilitätsparametern.

  Permanent bedruckte Flaschen: Simulationstests beurteilen auch das Abwaschverhalten des Drucks. Der Vorteil gegenüber Labortests ist in diesem Fall, dass auch die Spül- und Spritzvorgänge in der Flaschenreinigungsmaschine die Bedruckung mechanisch be anspruchen. Gerade vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Produktion und der damit verbun denen Einführung neuer Druckfarben (z.B. ohne Schwermetalle) ist es ratsam, eine Praxistaug lichkeit im Vorfeld der geplanten Markteinführung zu überprüfen .   Neuartige Reinigungschemi kalien: Neuentwicklungen von Reinigungsadditiven für Flaschen reinigungsmaschinen sollen mitunter positive Auswirkungen auf die Flaschenstabilität oder Scuffing bildung haben. Ein Loop-Test kann die Wirksamkeit dieser Chemika lien überprüfen und bestätigen. Werden vergleichende Studien mit herkömmlichen Reinigungsmitteln durchgeführt, können die positiven Auswirkungen auch entsprechend quantifiziert werden.

Auswertung

Die Auswertung der Stabilitätsparameter erfolgt zunächst gemäß der gängigen Prüfvorschriften wie der STLB. Für die Prüfung Gebrauchsinnendruckfestigkeit für Bierflaschen aus Glas ist bspw. spezifiziert: x-k∙s≥11 bar. Dabei ist x der Mittelwert der gemessenen Innendruckfestigkeit, s die Stan

dardabweichung und k ein Faktor, der abhängig ist von der typischen Chargengröße, dem AQL (acceptable quality limit – ein vorher festgelegtes Prüfniveau) und dem Probenumfang. Dieses Auswerteverfahren wird auch bei Loop-Tests verwendet, um festzustellen, ob die Flaschen den marktüblichen Qualitätsanforderungen genügen. Eine weitere Methode der Auswertung bedient sich der Datenmasse, die sich aus vergangenen LoopTests ergeben hat. In Benchmarkähnlichen Vergleichen kann eine Einordnung der Flaschenqualität erfolgen. Abb. 4 stellt die Mittelwerte der Innendruckfestigkeit aller Untersuchungen jeweils zu Versuchsbeginn, nach 10 sowie nach 25 Umläufen dar. Die rote Markierung zeigt den Mittelwert aller Untersuchungen. Mit dieser Darstellung der Ergebnisse ist eine rasche Beurteilung der generellen Qualität sowie des Rückgangs der Stabilität möglich. Jedoch gilt es im Einzelfall zu überlegen, inwieweit ein Vergleich der jeweiligen Flaschensorte mit allen geprüften Flaschensorten zielführend ist. So sind z.B. bei einer Mehrwegflasche andere Werte zu erwarten als bei einer Einwegflasche. Unter Umständen ist es sinnvoll, den Benchmark einzugrenzen und nur relevante Flaschensorten zu berücksichtigen.

[1] Spezielle Technische Liefer- und Bezugsbedingungen (STLB) für Bierflaschen aus Glas: www.vlb-berlin.org/ publikationen/downloads

Kontakt:

Jan Fischer fischer@vlb-berlin.org

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