Edition Br E itkopf
E. f ranck
Sonate Nr. 4 für Violine und Klavier D-dur
Sonata No. 4 for Violin and Piano in D major op. posth.
Eduard Franck 1817–1893
Sonate n r. 4
für Violine und Klavier D-dur
Sonata n o. 4 for Violin and Piano in D major op. posth.
herausgegeben von | edited by Nick Pfefferkorn
Edition Breitkopf 32061 Printed in Germany
Vorwort
Eduard Franck (1817–1893) entstammte einer Breslauer Bankiersfamilie und offenbarte seine musischen Gaben schon in früher Jugend, bereits als Neunjähriger spielte er Bachs Wohltemperiertes Klavier. Als Niccolò Paganini ihn 1831 in Bad Ems konzertieren hörte, wollte er ihn als Begleiter für sein Konzert einsetzen, was jedoch am Einspruch von Francks Mutter scheiterte. Sie war es aber, die zur rechten Zeit (gemeinsam mit Eduards Bruder Hermann) den schon damals berühmten Düsseldorfer Musikdirektor Felix Mendelssohn Bartholdy als Lehrer für ihren Sohn gewann und damit dessen Einstieg in den musikalischen Beruf entscheidend voranbrachte.
In seiner Heimat galt Eduard Franck als Vorkämpfer der musikalischen Romantik. Sein freundschaftlicher Umgang mit Musikern wie Robert Schumann und dem gleichaltrigen William Sterndale Bennett, erst recht aber mit Mendelssohn, wiesen ihm die Richtung und prägten den jungen Mann nachhaltig. Seine ersten Publikationen fanden bei ihnen freundliche Aufnahme und Kritik. Das in Leipzig bei Kistner gedruckte Opus 1, Zwölf Studien für das Pianoforte, konnte er 1837 seinem Lehrer Mendelssohn hochachtungsvoll zueignen. Trotz dieser starken und für Franck prägenden Eindrücke blieb eine eigenständige Entwicklung nicht aus. Zunehmend trat er aus dem Schatten der Vorbilder heraus und man würdigt ihn heute weniger als Nachfolger denn vielmehr als Vermittler zwischen den Generationen, der bereits manch Neues der großen Meister wie Brahms und Bruckner vorwegnahm.
Mendelssohn hatte Eduard Franck bereits in Düsseldorf und später in Leipzig unter seine Fittiche genommen und es folgten bald gemeinsame Konzerte. Franck gewann rasch öffentliche Anerkennung: Egal, wo er als Pianist zu hören war, sein Klavierspiel hinterließ stets bleibenden und tiefen Eindruck. Immer wieder wird die klassische Ruhe, die wundervolle Gleichheit des Anschlags, die perlende Deutlichkeit der Figuren und die Wärme des Ausdrucks hervorgehoben. Die Anerkennung beschränkte sich nicht auf Deutschland; er erwarb sie, wo immer er sich präsentierte. Im Freundeskreis um seinen Bruder Hermann traf er in Paris auf Frédéric Chopin und spielte ihm die neu erschienenen Variations Sérieuses von Mendelssohn vor.
Die Zeit nach den Jahren bei Mendelssohn kann man durchaus Lehr und Wanderjahre nennen, während derer sich Franck in Deutschland, Frankreich und England, am liebsten aber in Italien aufhielt. Reiche Anregung brachte ihm Rom, wo er Mitglied der Congregazione ed Accademia di Santa Cecilia wurde. Der Abschied von Italien fiel ihm schwer, aber er glaubte es seinem Fortkommen als „deutscher Musikant“ schuldig zu sein, in der Heimat zu wirken.
Die Mendelssohns traf er in Berlin wieder, wo Fanny Hensel in ihrem Salon einen Kreis hervorragender Musiker um sich versammelte. Dort begegnete ihm die aus Eckernförde stammende
und von namhaften Dichtern umschwärmte Pianistin Tony Thiedemann (1827–1875), die er 1850 heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, unter ihnen der spätere Komponist Richard Franck (1858–1938), der, wie sein Vater, in Bezug auf die Musikentwicklung eine eher konservative Haltung zeigte.
Eduard Franck konnte 1849 im Leipziger Gewandhaus sein Clara Schumann gewidmetes erstes Klavierkonzert in dmoll vortragen, dem Ignaz Moscheles „edle Haltung, poetische Ideen und gute Instrumentation“ bescheinigte. Auch mit einer Reihe anderer Werke hatte er Erfolg, sodass er 1851 an die Rheinische Musikschule in Köln als Lehrer für Klavier, Partiturspiel und Musiktheorie berufen wurde. Sehr fruchtbar gestaltete sich der enge persönliche und fachliche Kontakt mit Ferdinand Hiller, unter dessen Leitung die Schule zu einer der führenden Institutionen dieser Art ausgebaut wurde. Die dort entstandenen Werke Francks fanden durchweg gute Resonanz, neben Orchesterwerken (Sinfonien, Ouvertüren) auch die Violinsonaten op. 19 und 23 und andere Kammermusikwerke. Zu einem wirklichen Triumph jedoch geriet sein unter Hillers Leitung aufgeführtes erstes Violinkonzert in emoll (1855).
1859 wechselte Franck an die neu gegründete Musikschule in Bern, deren Leitung er übernahm. Geehrt mit dem Titel eines Professor honorarius und dem Doktortitel war er weitgehend verantwortlich für das Musikleben von Stadt und Universität. Bücher zur Geschichte des Konservatoriums und Manuskripte zu mehreren Klaviersonaten erinnern dort an ihn. Allerdings zeigte er damals eine Scheu zu publizieren, die vorwiegend in einer ausgeprägten Selbstkritik begründet gewesen sein mag.
1867 gewann Julius Stern Eduard Franck für sein Berliner Konservatorium, und von 1878 bis 1892, also bis ins 75. Lebensjahr hinein, wirkte er an Emil Breslaurs Konservatorium. Hier, in Berlin, schüttete er ein Füllhorn längst vollendeter, aber zurückgehaltener Werke aus, darunter eine weitere Symphonie, die Streichsextette op. 41 und 50, ein Klavierquintett, ein Streichquartett und etliche Klaviermusik.
Der ersten Violoncellosonate op. 6 ließ er mit op. 42 eine zweite folgen. Die so spät publizierten, ebenso aber die erst posthum aufgegriffenen oder wiederentdeckten Werke – von 18 Klaviersonaten sind bis heute erst 9 veröffentlicht – belegen nachdrücklich, dass Franck in den Jahren seines Schweigens ungebrochen kompositorisch tätig war.
Die beiden 1882/84 komponierten und posthum erschienenen Sextette op. 41 und 50 sind bedeutende Bestandteile einer späteren Schaffensperiode, besonders deutlich bei op. 50 angesichts seiner wehmütigen, retrospektiven Grundstimmung.
Paul Feuchte
Zur Edition
Die vorliegende Sonate erscheint im Rahmen einer Auswahledition bei Breitkopf & Härtel, die das musikalische Schaffen von Eduard Franck beleuchten und seine Werke erstmals in einheitlicher Textgestalt zugänglich machen soll. Die Nachfahren des Komponisten Paul Feuchte (Freiburg) und Andreas Feuchte (Hamburg) haben in jahrelanger Arbeit nahezu jedem Werk, dessen Autograph sich nicht im Nachlass des Komponisten und damit im Besitz der Erben befindet, eine maßgebliche Quelle zuweisen können. Auffällig ist hierbei, wie auch bei den Werken des Sohnes Richard Franck, dass bei etlichen zu Lebzeiten der Komponisten erschienenen Werke keine authentischen handschriftlichen Quellen überliefert sind. Die Sonate in D op. posth. bildet in der Reihe von Francks vier Violinsonaten insofern eine Ausnahme, als dass weder Eduard noch sein Sohn Richard den Druck veranlassten. Auch erhielt das Werk keine Opuszahl und ist – als einzige seiner Violinsonaten –ausschließlich handschriftlich überliefert.
Die vorliegende Urtextausgabe basiert somit auf einer einzigen Quelle:
Autographe Klavierpartitur mit darübergelegter Violinstimme, vollendet am 8. Juni 1861 in Bern. Heute im Privatbesitz der Erben.
Editionsprinzipien
Die Partitur enthält 16 unpaginierte Seiten ohne Titelblatt. Richard Franck, Eduard Francks Sohn, ergänzte auf der ersten Notenseite handschriftlich: „Violinsonate (Bern 1861) Eduard Franck“. Es ist deutlich zu erkennen, dass es sich um eine Reinschrift handelt, die, abgesehen von einigen wenigen Ungenauigkeiten, nahezu fehlerfrei ist. Die wenigen autographen Korrekturen beschränken sich auf Streichungen (vorwiegend von Phrasierungsbögen und Balkungen, seltener von Noten). Im 2. Satz, Allegro vivace, kürzt Franck die Wiederholung des ATeils und den anschließenden Sprung in die Coda durch die Verwendung von Segno ( } ) und Kopfzeichen (:) ab. Um unnötiges Blättern in der Klavierstimme zu vermeiden, wurde in dieser Edition darauf verzichtet und der Notentext nochmals ausgeschrieben. Im 3. Satz, Adagio molto espressivo, fehlen an einigen Stellen die entsprechenden Vorzeichen bei Harmoniewechseln innerhalb ein und desselben Taktes. Der Herausgeber ergänzt in eckigen Klammern (z. B. [h]).
Diese Edition ist frei von willkürlichen Zutaten durch den Herausgeber. Sämtliche Veränderungen gegenüber der Quelle sind eindeutig als solche gekennzeichnet. Verwendet wurden eckige Klammern bei Vortragsbezeichnungen [a tempo] und Dynamiken [cresc.], [ sf ] etc., sowie Strichelungen bei Bögen oder (De)CrescendoGabeln w
Nick Pfefferkorn
Preface
Eduard Franck (1817–1893), born into a Breslau banking family, had already revealed his musical talents by playing Bach’s Well-Tempered Clavier at the age of nine. When Niccolò Paganini heard him give a concert in Bad Ems in 1831, he wanted the youth as an accompanist for his concert, but this failed due to the objection of Franck’s mother. It was she, however (together with Eduard’s brother Hermann) who at the right time was able to persuade the then famous Düsseldorf music director Felix Mendelssohn Bartholdy to teach her son, thus decisively forwarding his entry into the musical profession.
In his homeland Germany, Eduard Franck was considered a pioneer of musical Romanticism. His friendly relations with musicians such as Robert Schumann, his peer William Sterndale Bennett, and above all with Mendelssohn, had a lasting impact in pointing the young man in the right direction. They warmly accepted and reviewed his first publications, and in 1837 he was able, very respectfully, to dedicate his opus 1 Zwölf Studien für das Pianoforte [Twelve Studies for the Piano] to his teacher Mendelssohn. Notwithstanding these strong impressions, formative for Franck, his independent development was inevitable. Increasingly emerging from the shadow of his role models, he is valued today less as a successor than as a mediator between generations, one who has already anticipated much that was still to come from such great masters as Brahms and Bruckner.
After Mendelssohn had taken Eduard Franck under his wing as early as in Düsseldorf, as well as later in Leipzig, joint concerts soon followed, with Franck quickly gaining public recognition: No matter where he was heard as pianist, his playing always left a deep and lasting impression. Repeatedly emphasized were the classic calm, the wonderfully even keystroke, the sparkling figural clarity, and the warmth of expression. Recognition was not limited to Germany but attained wherever he presented himself. Within the circle of friends around his brother Hermann he met Frédéric Chopin in Paris and played for him Mendelssohn’s newly published Variations Sérieuses
The period subsequent to the years with Mendelssohn can certainly be called his apprenticeship, during which Franck spent time in Germany, France, and England, but most preferably in Italy. He was greatly inspired in Rome where he became a member of the Congregazione ed Accademia di Santa Cecilia. Departing Italy was difficult, but he believed he owed his development as a “German musician” to being active within his own homeland.
He once again encountered the Mendelssohns in Berlin where Fanny Hensel gathered in her salon a circle of outstanding musicians. There he met the Eckernförde woman pianist Tony
Thiedemann (1827–1875), idolized by wellknown poets, whom he married in 1850. The marriage produced three children, including Richard Franck (1858–1938), the later composer whose attitude towards musical development was, like his father’s, rather conservative.
In 1849 Eduard Franck was to play his first piano concerto in D minor, dedicated to Clara Schumann, in the Leipzig Gewandhaus. Ignaz Moscheles described it as of a “noble attitude, [with] poetic ideas and good instrumentation.” After success with a number of other works he was appointed in 1851 to the Rheinische Musikschule [Rhenish Music School] in Cologne as instructor of piano, score playing, and music theory. With Ferdinand Hiller, under whose direction the school was developing into one of the leading institutions of its kind, his close personal and professional contact turned out to be very fruitful. Franck’s works composed there were well received, including besides orchestra works (symphonies, overtures) also the violin sonatas opp. 19 und 23, and other chamber music works. His first violin concerto in E minor (1855), performed under Hiller’s direction, was even a real triumph.
Franck relocated in 1859, taking over the direction of the newly founded music school in Bern. Honored with the title of Professor honorarius and the doctorate, he was largely responsible for the musical life of both city and university. Books on the conservatory’s history, together with manuscripts of several piano sonatas, evoke his presence there, though at the time, he showed a reluctance to publish, due mainly perhaps to his pronounced selfcriticism.
In 1867 Julius Stern succeeded in recruiting Eduard Franck for his Berlin Conservatory, from 1878 to 1892, thus up to the age of 75, he was active at Emil Breslaur’s Conservatory. Here in Berlin, he poured out a cornucopia of works that had long been completed but were previously held back from publication, including another symphony, the string sextets opp. 41 and 50, a piano quintet, a string quartet, and a number of piano pieces.
The first cello sonata op. 6 was followed by a second, op. 42. The works published so late, but also the works first taken up or rediscovered posthumously – of eighteen piano sonatas only nine have been published to date – firmly demonstrate that during his years of silence Franck must have gone on composing uninterruptedly.
The two sextets opp. 41 and 50, composed in 1882/84 and published posthumously, are important elements of a later creative period, as is particularly evident in op. 50 with its nostalgic, retrospective mood.
Paul Feuchte
On the Edition
The present edition is being published by Breitkopf & Härtel as part of an anthology edition highlighting Eduard Franck’s musical oeuvre and is intended to make his works accessible for the first time in a standardized text format. Over years of work, the composer’s descendants, Paul Feuchte (Freiburg) and Andreas Feuchte (Hamburg), have been able to assign an authoritative source to nearly every work whose autograph is not located in the composer’s estate and thus within the heirs’ possession. Particularly noteworthy here, just as it is for the works of his son Richard Franck, is the fact that for several works published during the composer’s lifetime, no authentic manuscript sources are extant. The Sonata in D, Op. posth., is an exception among his four violin sonatas in that neither Eduard himself nor his son Richard had it published. Moreover, the work was not assigned an opus number and is the only of his violin sonatas to have survived in manuscript form.
This Urtext edition is therefore based on a single source:
Autograph piano score with the violin part added on a separate stave. Completed on 8 June 1861 in Bern and presently owned by the heirs.
Editorial Guidelines
The score consists of 16 unnumbered pages and has no title page. Richard Franck, Eduard Franck’s son, added in handwriting on the first page of music: “Violin Sonata (Bern 1861) Eduard Franck.”
One can tell at a mere glance, that the score is a fair copy, which – give or take a few inaccuracies – is almost free of errors. The few autograph corrections are limited to deletions (mainly of slurring and beaming, but rarely of notes). In the second movement, Allegro vivace, Franck abbreviated the repetition of the A section by a sudden transition to the coda, marked by } and :. To avoid unnecessary page turns in the piano part, this has been omitted in this edition, and the musical text has been written out again. In the third movement, Adagio molto espressivo, the appropriate accidentals are missing in several measures during the changes of harmony; the editor has added these in square brackets (e. g. [h]).
This edition is free from any arbitrary additions by the editor. All changes to the source are clearly marked as such with square brackets for expression marks e. g. [a tempo], dynamics [cresc.], [ sf ] etc. and dashing for slurs and hairpins w
Sonata in D-dur | D major
Eduard Franck op posth herausgegeben von Nick Pfefferkorn
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