EB 9434
Busoni
– Doktor Faust
Dichtung für Musik in zwei Vorspielen, einem Zwischenspiel und drei Hauptbildern
Poem for Music in Two Preludes, an Intermezzo and Three Principal Scenes
K 303
Klavierauszug
Piano vocal score
ferruC C io busoni
1866–1924
doktor faust
Dichtung für Musik in zwei Vorspielen, einem Zwischenspiel und drei Hauptbildern
Poem for Music in Two Preludes, an Intermezzo and Three Principal Scenes
K 303
ergänzt von | completed by
1. Philipp Jarnach (1925)
2. Antony Beaumont (1984)
Textbuch von | Libretto by Ferruccio Busoni
Klavierauszug von | Piano Vocal Score by Ferruccio Busoni, Egon Petri, Antony Beaumont
Edition Breitkopf 9434
Printed in Germany
Personen Characters
Dichter (Sprechrolle)
Doktor Faust (Bar)
Wagner, sein Famulus, später Rector magnificus (Bar)
Mephistopheles (T)
Der Herzog von Parma (T)
Die Herzogin von Parma (S)
Der Zeremonienmeister (B)
Soldat, Bruder des Mädchens (Bar)
Poet (Speaker)
Doktor Faust (Bar)
Wagner, his famulus, later Rector maginificus (Bar)
Mephistopheles (T)
The Duke of Parma (T)
The Duchess of Parma (S)
The Master of Ceremonies (B)
A Soldier, the girl’s brother (Bar)
Leutnant (T) Lieutenant (T)
Drei Studenten aus Krakau (TBB)
Three Students from Cracow (TBB)
Fünf Geisterstimmen (Gravis, Levis, Asmodis, Beelzebuth, Five Spirit Voices (Gravis, Levis, Asmodis, Beelzebuth, Megäros – BBBarTT)
Megäros – BBBarTT)
Students from Wittenberg, a o Theologian (B), Jurist (B), Naturgelehrter (Bar) Natural Philosopher (Bar)
Studenten aus Wittenberg, u a Theologe (B), Jurist (B)
Chor: Kirchgänger, Soldaten, Hofleute, Jäger, katholische Choir: Churchgoers, Soldiers, Courtiers, Huntsmen, und lutherische Studenten, Landleute (SATB) Catholic and Protestant students, Peasants (SATB)
Orchester Orchestra
3 Flöten (2 auch Piccolo), 2 Oboen (1 auch Englisch Horn), 3 Flutes (2 also Piccolo), 2 Oboes (1 also French Horn), 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott
5 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba
Pauken, Schlagzeug (4 Spieler)
2 Clarinets, Bass Clarinet, 2 Bassoons, Contrabassoon
5 Horns, 3 Trumpets, 3 Trombones, Tuba
Timpani, Percussion (4 players)
2 Harps, Celesta, Organ Streicher Strings
2 Harfen, Celesta, Orgel
Bühnenmusik: 2 Oboen, 6 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Stage Music: 2 Oboes, 6 Horns, 3 Trumpets, 3 Trombones, Pauken, Schlagzeug (2 Spieler), 2 Harfen, Celesta, Violine, Timpani, Percussion (2 players), 2 Harps, Celesta, Violin, Viola, Violoncello Viola, Violoncello
Ort und Zeit der Handlung
Wittenberg und Parma im ausgehenden Mittelalter
Aufführungsdauer
Symphonie: 7 min – Der Dichter : 6 min – Vorspiel I:
11 min – Vorspiel II: 36 min – Intermezzo: 12 min –
Erstes Bild: 33 min – Symphonisches Intermezzo: 7 min –
Zweites Bild: 33 min (Jarnach) / 35 min (Beaumont) –
Letztes Bild: 25 min (Jarnach) / 28 min (Beaumont)
Aufführungsmaterial mietweise erhältlich
Singbare Übersetzungen:
– englisch von Edward J Dent
Place and Time of the Action
Wittenberg and Parma, late Middle Ages
Performing Time
Symphonia: 7 min – The Poet : 6 min – Prologue I:
11 min – Prologue II: 36 min – Intermezzo: 12 min –
First Scene: 33 min – Symphonic Intermezzo: 7 min –
Second Scene: 33 min (Jarnach) / 35 min (Beaumont) –
Last Scene: 25 min (Jarnach) / 28 min (Beaumont)
Performance material on hire
Singable translations:
– English by Edward J Dent
– französisch von Jacques Lasserre – French by Jacques Lasserre
– italienisch von Orania Previtali
– Italian by Orania Previtali
Vorwort
Die vorliegende Neuauflage des Klavierauszugs zu Busonis Doktor Faust vereint die beiden, bislang getrennt erschienenen Werkergänzungen von 1925 und 1984 Unter Beibehaltung des Originalstichs1 sind außerdem zahlreiche Korrekturen implementiert worden, einerseits zum Zweck der Übereinstimmung mit der Dirigierpartitur von 1994,2 andererseits um Lesarten der autografen Partitur dort einzubringen, wo die Erstausgabe des Klavierauszugs Fehler oder irrtümliche Abweichungen aufwies 3 In der Schlussszene von Busonis unveröffentlichtem Bühnentext Arlecchino, II: Teil verneigen sich alle Anwesenden vor Faust, „dem es gegeben ist, auf Augenblicke über die Grenzen des Menschen hinauszugreifen“ 4 Immer wieder geht es in Busonis Werken um Grenzüberschreitungen, um schwarze und weiße Magie, um Menschen und Helden jenseits von Gut und Böse Lange schwebte ihm ein großes, philosophisch-prophetisches Finalwerk vor, doch zögerte er mit der Wahl des Sujets und der Sprache: Ahasver, Dante, Leonardo oder Faust? Auf Deutsch oder Italienisch? Im Jahr 1908, nach Lektüre des Romans Leonardo da Vinci von Dmitri Mereschkowski, entwarf er zwei Bilder (in deutscher Sprache) zu einem Leonardo-Drama: das Abendmahl Christi als jäh aufblitzende, unwiederbringliche Erscheinung auf einer kahlen Wand; ein nächtlicher Leichenzug mit maskierten Sargträgern und Totenglocken Eine Vision des Unerreichbaren, Figuren aus dem Jenseits, Glockenklang: das alles findet sich später in Doktor Faust
Im Frühjahr 1910 verabschiedete sich Busoni endgültig von seinem toskanischen Vorbild und schrieb den ersten Teil seines Faust-Librettos in einem Durchgang nieder Mit Begeisterung las er einen Roman um den Erfinder Thomas Edison, L’Ève future (Eva der Zukunft) von Villiers de l’Isle-Adam, und erkannte Edisons Androidin, Hadaly, als Vorform der Helena, die im Zweiten Bild seiner Faust-Oper als „unerreichbares Ideal der absoluten Schönheit“ in die Handlung einbezogen wird Zum ersten Weihnachtsfest des Weltkriegs, im Dezember 1914, lag das Libretto druckfertig vor 5
Erste konkrete Ideen zur Partitur notierte Busoni am Lago Maggiore im Frühling 1916: für die Helena-Szene eine Glasharfe, sonst Glocken, hohe und tiefe Glocken, aus der Ferne und in nächster Nähe Erste Skizzen zur Partitur selbst tragen das Datum 13 Juni 1917 Zu Weihnachten desselben Jahres komponierte er seine vierte Sonatina für Klavier, eine von zahlreichen Vorstudien, die in die Opernpartitur eingehen sollten „Seit 10 Jahren“, sagte er einmal dem treuen Chronisten seiner letzten Jahre, Gottfried Galston, „habe ich planmässig und zielbewusst jede Note, jeden Ton, jegliche Arbeit, nur als Skizze, Vorübung und Versuch aufgefasst Im ‚Faust‘ werden Sie alles, was Sie schon kennen, wiederfinden, aufgelöst, eingepasst und verarbeitet “6 Öffentliche Lesungen dienten ihm als Prüfsteine Am 20 Mai 1920 trug der Schauspieler Heinrich Devrient das Libretto im Goethe-Haus zu Weimar vor Als Reaktion auf missbilligende Pressestimmen ersetzte Busoni nachträglich den Namen „Gretchen“ durch das neutrale „Das Mädchen“
Nachdem er sich mehrere Jahre im Ausland aufgehalten hatte, kehrte Busoni im Herbst 1920 nach Berlin, seiner Wahlheimat, zurück Mit einer triumphalen Rückkehr ins Berliner Musikleben, Auftritten in den großen Konzertsälen Europas, Erfolgen auch als Komponist und Schriftsteller, flog das Jahr 1921 wie im Zeitraffer vorbei Auch mit der Opernpartitur ging es rasch voran Am 10 März lud das Lessing-Museum zu Berlin zu einer zweiten Lesung des Librettos ein. Diesmal fiel die Resonanz positiver aus, und bald darauf erschien das revidierte Textbuch beim renommierten Potsdamer Verlag Gustav Kiepenheuer 7
Im Juli 1921 übernahm Busoni eine Meisterklasse in Komposition an der Preußischen Akademie der Künste Einer seiner Studenten, der 21-jährige Kurt Weill, erwies sich als besonders tüchtig, unter anderem mit einer handwerklich souveränen Klavierbearbeitung von Busonis Divertimento für Flöte 8 Weill vertiefte sich in die Arbeiten seines Meisters und erhielt offenbar uneingeschränkten Zugang zu dessen Arbeitszimmer, wo er sich mit der Faust-Partitur ausgiebig vertraut machen konnte Am Ende kannte er sich damit besser aus als der für die Erstellung des Klavierauszugs zuständige Klaviervirtuose und ehemalige Busoni-Schüler Egon Petri
Am 29 Mai 1922 sprang Busoni für einen erkrankten Kollegen als Solist in Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert ein Noch ahnte niemand, dass dies sein letzter öffentlicher Auftritt werden sollte Im Sommer arbeitete er mit voller Kraft am Letzten Bild der Oper bis zum Punkt, wo Faust sich zum Gekreuzigten umdreht: „Ich will wie ehemals aufschauen zu Dir “9 Gerade dort hätte Musik aus der Helena-Szene des Zweiten Bilds wiederkehren müssen, doch dazu fehlte die zündende Idee Busonis Ziel, das „unerreichbare Ideal der absoluten Schönheit“ in Töne umzusetzen, sollte sich selbst letztendlich als unerreichbar erweisen
Im Herbst wurde er ernsthaft krank Am 27 März 1923 vertonte er, noch bettlägerig, Goethes Zigeunerlied für Bariton und kleines Orchester, darauf drei Stücke „zur Befestigung [sic] des polyphonen Spiels“ und, am 13 April, die überirdisch-schöne „Traum der Jugend“-Episode im Zweiten Bild der Oper Am 9 Mai gelang es ihm ferner, die Schlussszene des Zweiten Bilds zu Papier zu bringen Allmählich kam er wieder zu Kräften, so dass er im August zum Bauhaus-Fest in Weimar reisen konnte und im November nach Paris, der Stadt seiner frühesten Jugend
Im Januar 1924 verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand wieder Es gelang ihm dennoch, drei kürzere Werke fertigzustellen: ein Orchesterlied nach Goethes Schlechter Trost, eine Triller-Etüde sowie eine Studie für das dritte Pedal, beides für die erweiterte Neuausgabe seiner Klavierübung An seinem 58. Geburtstag, dem 1. April 1924, entwarf er einen „vorläufigen Plan“ zur Schlussszene der Oper In der Hoffnung auf einen ausschlaggebenden Einfall zur Helena-Szene entlieh er Schriften über altgriechische Melodien aus der Preußischen Staatsbibliothek 10 Die Suche verlief ergebnislos, aber dann besann er sich auf seinen jüngsten Beitrag zur Klavierübung Auf einem frischen Skizzenblatt notierte er Fausts entsetzte Reaktion auf die Wiedererscheinung Helenas im Letzten Bild: „Verdamniß! Giebt [sic] es keine Gnade? Bist du unversöhnbar?!“,11 dazu das kämpferisch aufsteigende, punktierte Thema der Triller-Etüde, begleitet von heftig dissonierenden, sich polyphon spiegelnden Harmonien in tieferer Lage
Die Uraufführung von Doktor Faust war schon beschlossene Sache Dem Intendanten der Dresdner Staatsoper, Alfred Reucker, der Busonis Turandot und Arlecchino seinerzeit in Zürich herausgebracht hatte, war zu verdanken, dass ein Termin im Verlauf der Spielzeit 1924/25 vereinbart werden konnte Daher nahm Petri im Frühjahr 1924 die Arbeit am Klavierauszug auf, und am 19 Mai reiste Weill nach Dresden, um dem Generalmusikdirektor Fritz Busch das noch unvollständige Werk aus der Partitur vorzuspielen „Weill kann fast garnicht Klavier spielen“, lästerte Galston 12 Es ist allerdings bezeichnend, dass keiner der Klaviervirtuosen in Busonis engerem Kreis – darunter Petri, Michael von Zadora und Galston selbst – in der Lage waren, die heikle Mission zu erfüllen
Dass Busoni sich erholen würde, schien indessen unwahrscheinlich; undenkbar außerdem, dass er, derart geschwächt,
dass er kaum einen Stift festhalten konnte, die Partitur je beenden würde „Weill hat Skizzen [für die fehlende Szenen] gesehen“, berichtete Galston am 21. Juni, „er findet sie sehr vage, kurz und für zweite undeutbar Besorgnis, dass etwas an Singstimme fehlen könne; das wäre (Weill sagt’s:) nicht zu flicken.“13
Busoni verstarb am frühen Morgen des 27 Juli Drei Tage später wurde er zu Grabe getragen „Wir fuhren zum Wilmersdorfer Krematorium,“ notierte Galston „[…] Der Faust ist unvollständig, und es fehlt das Wichtigste, die Schlussszene, die Krönung, das Kuppelkreuz, das Stück, wo etwas ganz Neues, Allergewaltiges und in Triumph und Glorie alles Überstrahlende hingehörte “14
Händeringend suchte Busonis Witwe Gerda nach Möglichkeiten, die Partitur adäquat ergänzen zu lassen Weill kam offenbar nicht in Betracht (damals ahnte auch niemand, dass er bald zu einer der prominentesten Figuren der neuen Musik avancieren würde); laut Edward Dent gab es Überlegungen, Schönberg dafür einzuladen 15 Schließlich fiel die Wahl auf Busonis ehemaligen Schüler und Assistenten Philipp Jarnach Er soll widerwillig ans Werk gegangen sein,16 fasste sich aus Respekt vor seinem Meister möglichst kurz und komponierte im eigenen frei-expressionistischen, von der „jungen Klassizität“ Busonis deutlich abweichenden Stil Fausts grimmige Tirade an die Mächte des Himmels und der Hölle17 klammerte er direkt aus (dass Dent gerade diese Zeilen als die bedeutendsten im ganzen Libretto hervorhob, lässt aufhorchen) 18 Vielmehr geht sein Faust gleich ans Werk, überträgt dem leblosen Kind die eigene Seele und stirbt Mit Mephistos höhnischer Bemerkung über den im Schnee liegenden „Verunglückten“ endet das Werk in der Tonart der Verzweiflung, es-Moll.
Ohne Jarnachs Beitrag hätte das Werk kaum Lebenschancen gehabt Dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung Aus kritischerem Blickwinkel betrachtet, weist seine Arbeit jedoch einige Mängel auf Zum Beispiel fehlen die letzten elf Takte vor der Abbruchstelle im Letzten Bild, offenbar weil die entsprechende Partiturseite übersehen wurde (im Nachlass Busonis diente es jahrelang als Verpackungsmaterial für das entsprechende Skizzenkonvolut) Zwar besteht kein Zweifel, dass Jarnach mit Busonis letzten Skizzen vertraut war (sie befinden sich in seinem eigenen Nachlass), doch ließ er sie unberücksichtigt Dass er Mephistos sarkastische Frage, „Sollte dieser Mann verunglückt sein?“, als Sprechstimme notiert, gilt als Regelverstoß: freier oder rhythmisierter Sprechgesang kommt zwar in Turandot und Arlecchino häufig vor, nirgends aber in Doktor Faust Ebensowenig dürfte Mephisto das letzte Wort überlassen bleiben Während er Fausts Leiche fortschleppt, sollte, Busonis „vorläufigem Plan“ zufolge, ein Zwischenvorhang fallen, dann erst, zu Chorgesang hinter der Szene, der Hauptvorhang Außerdem versteht es sich von selbst, dass das Werk in Busonis Grundtonart C-Dur ausklingen muss, leise, feierlich und ohne Hast, wie es für ein Mysterium sich ziemt
Der obengenannte „vorläufige Plan“,19 der als Referenz und Richtschnur für die Ergänzung von 1984 diente, erweist sich kei-nesfalls als „vage“ oder „für zweite undeutbar“, wie Weill meinte, vielmehr liefert das Blatt authentische (meist abgekürzte) Angaben, die es einer zweiten Person ermöglichen, die Szene lückenlos zu vervollständigen Beginnend mit Fausts Aufruf „So sei das Werk vollendet“, teilt Busoni den Gesangstext in fünf Abschnitte ein Zu jedem legt er ein passendes Vorbild fest, sei es eine Reprise von bestehendem Material oder ein Ausschnitt aus einem seiner späteren Studienwerke (Goethelieder, Stücke zur Pflege des polyphonen Spiels, Etüden) Damit legt der Plan alle musikalische Einzelcharaktere eindeutig fest Insbesondere die Koppelung von Fausts letzter Handlung („Blut meines Blutes …“) an das dritte polyphone Stück, „bereichert, in einem
Zuge“, überzeugt auf allen Ebenen Allerdings sind die immanenten Nachteile kaum zu übersehen: zum einen ist der Plan eben nur vorläufig; zum anderen summieren sich Busonis Vorgaben zu einem Patchwork aus divergierenden Themen, Tempi, Tonarten und Klangfarben Dort, wo die Stränge zusammengezogen werden sollten, könnte diese zur Zerfaserung führen Immerhin verbindet die im Plan festgelegten Stücke eine Anschauung, die ihre Vielgestaltigkeit relativiert: die „Einheit der Musik“, wie Busoni es nannte, die weite Ideenwelt seines gesamten Schaffens
Anmerkungen zum Notentext
S 135, nach Takt 54 gestattet Busoni einen Sprung auf S 137, T 85
S 172, ab T 600, sowie S 190, ab T 865 liegen ossia-Fassungen vor, die zwar in der Orchesterpartitur, nicht aber im Klavierauszug enthalten sind
Die im Klavierauszug sowie in der Orchesterpartitur häufig verwendete Vortragsbezeichnung dolce gilt als Ersatz für piano, dolcissimo als Ersatz für pianissimo
Bremen, März 2022 Antony Beaumont
1 Doktor Faust / Dichtung und Musik von / Ferruccio Busoni / Ergänzt und herausgegeben von / Philipp Jarnach / Klavierauszug mit Text von Egon Petri und Michael von Zadora, Edition Breitkopf 5289, Leipzig 1926, 319 Notenseiten
2 Ferruccio Busoni / Doktor Faust / Partitur, Wiesbaden – Leipzig –Paris o D [1994] Wb 2313 (3 Bände), 766 Notenseiten
3 Das 370-seitige Originalmanuskript der Oper (drei Bände im sog Imperial-Format, 33 x 48 cm), soll infolge eines Bombenangriffs auf Leipzig in der Nacht vom 3 auf den 4 Dezember 1943 den Flammen zum Opfer gefallen sein. Überliefert sind zwei fotografisch angefertigte Kopien: ein Negativ-Abdruck (Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass Busoni) sowie ein Positiv-Abdruck (Notenarchiv des Norddeutschen Rundfunks, Hamburg)
4 Ferruccio Busoni, Der Arlecchineide Fortsetzung und Ende. Scheinbar ein Fragment (Ms , 1918) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz N Mus Nachl 4,109
5 Ferruccio Busoni, Doktor Faust. Dichtung für Musik, in: Die Weißen Blätter, Heft 4, Oktober 1918, S 11–29
6 Gottfried Galston, Kalendernotizen über Ferruccio Busoni, hrsg von Martina Weindel (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 144), Wilhelmshaven 2000 Eintrag für den 5 Juni 1924, S 141 [= Galston]
7 Doktor Faust: Dichtung für Musik, Potsdam 1920
8 Divertimento für Flöte und kleines Orchester op 52, Ausgabe für Flöte und Klavier bearbeitet von Kurt Weill, Edition Breitkopf 5205, Leipzig 1922
9 Klavierauszug S 334–335, T 498–502
10 Galston, Eintrag für den 24 April 1924, S 59
11 Vgl S 325–326, T 520ff , und S 335–336, T 508ff Abschrift in: Antony Beaumont, Doktor Faust. Ferruccio Busonis unvollendetes Meisterwerk, in: Oper und Operntext, hrsg von Jens Malte Fischer (= Reihe Siegen, Beiträge zur Literatur- und Sprachwissenschaft 60), Heidelberg 1985, S 209–225, hier: S 224 [= Beaumont]
12 Galston, Eintrag für den 7 Mai 1924, S 72 Am 27 März 1926 dirigierte Fritz Busch an der Staatsoper Dresden die Uraufführung von Weills Erstlingsoper Der Protagonist
13 Galston, Eintrag für den 21 Juni 1924, S 160
14 Galston, Eintrag für den 30 Juli 1924, S 190–191
15 Edward J Dent, Ferruccio Busoni. A Biography, Oxford 1933, S 296n
16 Diesbezüglich führte der Autor Gespräche mit drei ZeitzeugInnen: Jarnachs Witwe Elisabeth, dem Musikwissenschaftler Friedrich Schnapp sowie der ungarischen Komponistin und Schriftstellerin Gisella Selden-Goth
17 Ungekürzte Textfassung: S 336ff , T 539–565
18 Edward J Dent, Letters from Germany III: The Return of Busoni, in: The Athenaeum vom 17 Dezember 1920, S 788
19 Abschrift des Skizzenblatts in: Beaumont, S 223
This new vocal score of Busoni’s Doktor Faust includes two separate versions of the scenes left unfinished at the composer’s death, the first published in 1926, the second in 1984. While retaining the original engraving,1 readings in the vocal score have been brought in line, where necessary, with the orchestral score of 1994 2 By consulting photographs of the lost autograph full score, it has also been possible to correct a number of printing errors and misreadings 3
In the final scene of Busoni’s unpublished drama Arlecchino, Part II, the assembled company bows reverently before Faust, the man who had proved himself capable of “reaching out in a trice beyond the frontiers of mankind” 4 Many of Busoni’s works involve the crossing of boundaries, magic both white and black, men or supermen ‘beyond good and evil’ He had long nurtured the idea of a final stage work with prophetical and philosophical elements, but was uncertain about the choice of subject and language: Ahasuerus, Dante, Leonardo or Faust? In German or Italian? In 1908, inspired by Dmitri Merezhkovsky’s novel Leonardo da Vinci, he drafted two scenes (in German) for a drama about Leonardo: the Last Supper as a sudden, irrecoverable vision on a bare wall; a nocturnal funeral cortège with masked pallbearers and distant bells. A vision of the unattainable, figures from the Beyond, tolling bells: all these elements later found their way into Doktor Faust
In the spring of 1910, Busoni abandoned the idea of a drama centred on Leonardo, and wrote the first half of his Faust libretto in one uninterrupted flow. Later, his fascination with a novel about the inventor Thomas Edison, L’Ève future (The Future Eve) by Villiers de l’Isle-Adam, led him to adopt the concept of Edison’s female android, Hadaly, as a model for his Helena, of whom a vision appears to Faust in the Second Scene of the opera as the “unattainable ideal of absolute beauty”. By the first Christmas of the World War, in December 1914, the libretto was ready for publication 5
Busoni jotted down his first ideas for the music on Lake Maggiore in the spring of 1916: a glass harp for the Helena scene, elsewhere bells, high and low, far and near First sketches for the score itself are dated 13 June 1917 The following Christmas, he composed his fourth Sonatina for piano, one of many preparatory studies that went into the making of the opera “For the past ten years,” he told Gottfried Galston, the faithful chronicler of his last years, “I have deliberately used every note, every bar, every new composition as a sketch, a preliminary exercise or an experiment In ‘Faust’ you will find all the pieces you already know, but dispersed, reworked and reintegrated ”6 Public readings served him as benchmarks On 20 May 1920, the actor Heinrich Devrient read the libretto to an audience at the Goethe House in Weimar In response to disapproving comments in the press, Busoni substituted the more neutral ‘Das Mädchen’ for the original ‘Gretchen’
In the autumn of 1920, after six years spent in the US and Switzerland, Busoni returned to Berlin, the home of his choice 1921 passed in a trice, with his triumphal return to the musical life of Berlin, concerts in major European centres, and growing recognition as a composer and writer He also made rapid progress with the score of Doktor Faust On 10 March, the Lessing Museum in Berlin presented a second public reading of the libretto This time, the response was more positive, and shortly afterwards the updated version was published by Gustav Kiepenheuer in Potsdam 7
As from July 1921, Busoni led a master class in composition at the Prussian Academy of Arts One of his students, the 21-year-
old Kurt Weill, proved his proficiency by providing a finely worked piano score of Busoni’s Divertimento for flute and orchestra.8 Weill immersed himself in the Master’s compositions, and evidently enjoyed the special privilege of access to his study, where he could familiarize himself at leisure with the score of Doktor Faust In due course, he knew his way around the work even better than Busoni’s former pupil Egon Petri, who had undertaken to prepare the vocal score for publication
On 29 May 1922, Busoni replaced an indisposed colleague in a performance of Beethoven’s ‘Emperor’ Concerto It proved to be his last appearance in public During the summer, he worked on the Final Scene of the opera up to the point where Faust turns to the figure of Christ on the cross with the words: “Let me look to Thee as once before ”9 For this, he needed to reintroduce music from the Helena scene, but that music still eluded him Ultimately, his goal of transmuting the “unattainable ideal of absolute beauty” into sound itself proved to be unattainable
In the autumn he fell seriously ill. Still confined to his bed, on 27 March 1923 he composed a setting of Goethe’s Zigeunerlied for baritone and small orchestra, followed by three pieces “for the consolidation [sic] of polyphonic playing on the pianoforte” and, on 13 April, the hauntingly beautiful “Dream of Youth” episode from the Second Scene of the opera; on 9 May, he completed the closing section of the same scene Gradually his health improved, enabling him to visit the Bauhaus Festival in Weimar in August, and to travel to Paris, the city of his earliest childhood, in November
In January 1924, he suffered a relapse Nevertheless he succeeded in completing three smaller-scale compositions: an orchestral setting of Goethe’s poem Schlechter Trost, a Trills Study and a Study for the Third Pedal, both to be included in the new, extended edition of his Klavierübung On his 58th birthday, 1 April 1924, he drafted a ‘provisional plan’ for the final scene of the opera. In the hope of finding a germinal idea for the Helena scene, he consulted treatises on Ancient Greek melody, borrowed from the Prussian State Library 10 The search proved fruitless, but then he recalled his recent contribution to the Klavierübung On a fresh sheet of manuscript paper, he jotted down Faust’s horrified reaction to the reappearance of Helena in the Final Scene: “Damnation! Is there no mercy? Are you irreconcilable?”,11 pairing it with the aggressive dotted theme of the Trills Study and its dissonant, polyphonically mirrored harmonies in the bass
Thanks to Alfred Reucker, Intendant of the Dresden State Opera, who had promoted the world premières of Busoni’s Turandot and Arlecchino in Zurich, arrangements had already been finalized for the first performance of Doktor Faust in the course of the season 1924/25 Accordingly, in the spring of 1924, Petri finally began work on the vocal score, and on 19 May Weill travelled to Dresden with two weighty volumes of full score in his luggage, to play the opera, incomplete as it still was, to Generalmusikdirektor Fritz Busch “Weill is hardly a pianist at all,” wrote Galston derisively;12 yet none of the keyboard giants in Busoni’s inner circle – Petri, Michael von Zadora, or Galston himself –appears to have been capable of fulfilling this delicate mission.
Meanwhile, it seemed increasingly unlikely that Busoni would ever recover his health Weakened as he was, to the extent that he could scarcely lift a pencil, it was just as unlikely that he would ever finish the score. “Weill has seen sketches [for the incomplete scenes],” Galston reported on 21 June, “he finds them very vague, brief and incomprehensible to outsiders Anxiety that something in the vocal line might be missing; that (Weill says:) would be impossible to set right ”13
Busoni died in the early morning of 27 July; the funeral followed three days later “We drove to the Wilmersdorf crematorium,” Galston noted, “[ ] Faust is incomplete, and most important of all: the final scene, its crowning glory, its arched cupola, something entirely new, all-powerful, outshining all else in triumph and glory, is missing ”14
It was not at all easy for Busoni’s widow, Gerda, to find a composer capable of completing the score Evidently Weill was not even considered (at that time, few would have believed that he was soon to rank amongst the most prominent composers of his generation), but there was talk, according to the British musicologist Edward Dent, of approaching Arnold Schoenberg 15 Finally the choice fell on Busoni’s pupil and former assistant Philipp Jarnach, whose free expressionist style had already diverged appreciably from Busoni’s own post-war path of ‘Young Classicality’ Jarnach is said to have accepted the assignment with reluctance 16 Out of respect for the Master, he kept his contribution as brief as possible, making no attempt to include Faust’s grim tirade against the powers of heaven and hell17 (the very lines that Dent considered the most important in the entire libretto) 18 In Jarnach’s version, Faust comes straight to the point, transfers his soul to the child lying lifeless at his feet, and dies With Mephisto’s insinuation of ‘misadventure’, the work ends in the key of despair, E-flat minor.
Without Jarnach, the work would hardly have been able to make its way For this he deserves credit and gratitude Viewed more critically, his contribution is not without shortcomings
For example: his version omits the last eleven original bars of full score (the corresponding page lay undiscovered amongst Busoni’s papers, where it served for many years as packaging material for a bundle of sketches), and while there can be no doubt that he was familiar with Busoni’s final drafts (they are preserved amongst his own posthumous papers), he disregarded them completely The use of Sprechstimme to notate Mephisto’s sarcastic question, “Has this man met with an accident?”, constitutes a breach of Busoni’s own rules: free or rhythmicized speech occurs frequently in Turandot and Arlecchino, but nowhere in Doktor Faust Nor should the Devil have the last word According to Busoni’s final draft, once Mephisto has dragged Faust’s corpse away, a drop-curtain should fall; the main curtain closes later, to the sound of offstage voices Furthermore, it goes without saying that the work must end in Busoni’s universal key, C major, softly, solemnly and deliberately, as befits a mystery play.
The above-mentioned ‘provisional plan’,19 which served as guideline for the completion of 1984, proves in no way to be “vague” or “incomprehensible to outsiders”, as Weill had feared; on the contrary, it can be read with relative ease and provides authentic instructions for a seamless completion of the score
Beginning with Faust’s call to action, “So let the work be ended”, Busoni divides the remaining text into five sections, for each of which he stipulates the intended musical model (sometimes noted down in abbreviated form) For these, he draws on materials from the score itself or on his later preparatory works (two of his Goethe Songs, two of the Five Pieces for the Cultivation of Polyphonic Playing, the two late Etudes) By this means, he defines the musical character of each individual section. His coupling of Faust’s final action, “Blood of my blood ...”, with the third Polyphonic Piece, “enriched, in one continuous flow”, convinces in every respect Nevertheless, the inherent shortcomings also need to be addressed: on the one hand, his plan was never more than provisional; on the other, the musical characters, as defined, run the risk of formal incoherence, of blurring into an unstructured patchwork of themes, tempi, keys and timbres At the expected point of culmination, there is hence a danger of dis-
persion Yet the individual works are born of a single, underlying concept: the ‘Oneness of Music’, that wide world of ideas which informs Busoni’s entire oeuvre
Notes on the musical text
Busoni sanctions a cut from the end of m 54 on p 135 to m 85 on p 137
For the passages beginning at m 600 on p 172 and m 865 on p 190, Busoni composed alternative versions These are included in the orchestral score, but not in the vocal score
The term dolce, which occurs frequently in both vocal and orchestral scores, should be read as an alternative to piano, dolcissimo as an alternative to pianissimo
Bremen, March 2022
Antony Beaumont
1 Doktor Faust / Dichtung und Musik von / Ferruccio Busoni / Ergänzt und herausgegeben von / Philipp Jarnach / Klavierauszug mit Text von Egon Petri und Michael von Zadora, Edition Breitkopf 5289, Leipzig 1926, 319 pp
2 Ferruccio Busoni / Doktor Faust / Partitur, Wiesbaden – Leipzig –Paris, undated [1994] Wb 2313 (3 Vol ), 766 pp
3 The 370-page original manuscript (three volumes in so-called Imperial format, 33 x 48 cm) was allegedly destroyed by fire during a bombing raid on Leipzig in the night of 3–4 December 1943 Two photographic copies have survived: a negative print (Staatsbibliothek zu Berlin, Busoni Nachlass) and a positive print (Music Library of North-German Radio, Hamburg)
4 Ferruccio Busoni, Der Arlecchineide Fortsetzung und Ende. Scheinbar ein Fragment (unpubl , 1918) Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz N Mus Nachl 4,109
5 Ferruccio Busoni, Doktor Faust. Dichtung für Musik, in: Die Weißen Blätter, Vol 4, October 1918, pp 11–29
6 Gottfried Galston, Kalendernotizen über Ferruccio Busoni, ed Martina Weindel (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft 144), Wilhelmshaven 2000 Entry for 5 June 1924, p 141 [= Galston]
7 Doktor Faust: Dichtung für Musik, Potsdam 1920
8 Divertimento for flute and small orchestra op. 52, edition for flute and piano by Kurt Weill, Edition Breitkopf 5205, Leipzig 1922
9 Piano-vocal score, pp 334–335, mm 498–502
10 Galston, entry for 24 April 1924, S 59
11 Cf pp 325–326, mm 520 et seq , and pp 335–336, mm 508 et seq
Transcription in: Antony Beaumont, Doktor Faust. Ferruccio Busonis unvollendetes Meisterwerk, in: Oper und Operntext, ed Jens Malte Fischer (= Reihe Siegen, Beiträge zur Literatur- und Sprachwissenschaft 60), Heidelberg 1985, pp 209–225, here: p 224 [= Beaumont]
12 Galston, entry for 7 May 1924, p 72 On 27 March 1926, Fritz Busch conducted the world première of Weill’s first opera, Der Protagonist, at the Dresden State Opera
13 Galston, entry for 21 June 1924, p 160
14 Galston, entry for 30 July 1924, pp 190–191
15 Edward J Dent, Ferruccio Busoni. A Biography, Oxford 1933, p 296n
16 Information based on the author’s conversations with three contemporary witnesses: Jarnach’s widow Elisabeth, the musicologist Friedrich Schnapp and the Hungarian composer and writer Gisella Selden-Goth
17 Full text of this passage on pp 336 et seq , mm 539–565
18 Edward J Dent, Letters from Germany III: The Return of Busoni, in: The Athenaeum, 17 December 1920, p 788
19 Transcript of the sketch in: Beaumont, p 223
Nachspruch Epilogue
Es spricht der Dichter an die Zuschauer
The poet speaks to his spectators
Von Menschensehnsucht ward vor Euren Blicken A history of man and his desire den Abend duch ein tönend Bild entrollt; this night to sound of music has been told, von Fausts Verhängnissen und Un-Geschicken the tragedy of Faustus did inspire Bericht zu geben hat das Stück gewollt the tale of doom before your eyes unrolled Der ungeheure Stoff, durft’ er mir glücken? So many metals cast into the fire, Enthält die Mischung auch genügend Gold? does my alloy contain sufficient gold? Wär’s so, Euch fiele zu, es auszuscheiden: If so, then seek it out for your own hoard; des Dichters Anteil bleibt sein selig Leiden the poet’s travail is his sole reward Noch unerschöpft beharren die Symbole, Still unexhausted all the symbols wait die dieser reichste Keim in sich begreift; that in this work are hidden and conceal’d; es wird das Werk fortzeugen eine Schule, their germs a later school shall procreate die durch Jahrzehnte fruchtbar weiter reift; whose fruits to those unborn shall be reveal’d daß jeder sich heraus das Eigne hole, Let each take what he finds appropriate; so, daß im Schreiten Geist auf Geist sich häuft: the seed is sown, others may reap the field das gibt den Sinn dem fortgesetzten Steigen – So, rising on the shoulders of the past, zum vollen Kreise schließt sich dann der Reigen the soul of man shall reach his heaven at last
Ferruccio Busoni, 23 Juli 1922
Ferruccio Busoni, 23 July, 1922 (Translation: Edward J Dent)