PB 5830 – Strauß, Die Fledermaus (Ouverture)

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Joh. Strauß

PB 5830

Breitkopf & Härtel

Partitur-Bibliothek

Urtext der Johann-StraußGesamtausgabe

JOHANN STRAUSS

1825–1899

DIE FLEDERMAUS

Ouverture

THE BAT

Overture

herausgegeben von | edited by Johann-Strauß-Gesellschaft Wien

unter der wissenschaftlichen Leitung von | under the scholarly direction of Fritz Racek

Urtext der Johann-Strauß-Gesamtausgabe

Urtext from the Johann Strauß Complete Edition

Partitur-Bibliothek 5830

Printed in Germany

Vorwort1

[ ] Johann Strauß dürfte das zunächst „Doktor Fledermaus“ betitelte Libretto etwa im Oktober 1873 zur Ansicht erhalten haben. Am 25. desselben Monats leitete er im Großen Musikvereinssaal ein von ihm veranstaltetes Wohltätigkeitskonzert, in dessen Programmfolge Marie Geistinger, Primadonna und Direktrice des Theaters an der Wien, einen von Strauß komponierten und von Richard Genée textierten „Csárdás mit Gesang“ kreierte. Fünf Tage später brachte die Wiener Presse die erste Meldung, dass der Walzerkönig die Arbeit an einer neuen Operette begonnen habe. Den letzten Anstoß zu diesem Entschluss mag wohl der große Erfolg jenes Csárdás gegeben haben, welcher nun in das im Entstehen begriffene Bühnenstück an zentraler Stelle eingebaut wurde und somit dessen älteste Nummer darstellt. Das Sujet scheint Strauß’ schöpferische Phantasie sehr beflügelt zu haben, denn in glückhaftem Schaffensrausch gewann der größte Teil des neuen Werkes um die Jahreswende 1873/74 musikalische Gestalt, glaubhafter Überlieferung zufolge „in 42 Tagen und Nächten“. [ ] Am 18. Jänner 1874 konnten die Wiener in der Beilage des Neuen Fremden-Blattes lesen, dass die neue Operette zum größten Teil vollendet sei und der Rest bis Monatsende nachgeliefert werde. Ebenda vernahm die Öffentlichkeit auch am 24. Februar, dass die Proben am Theater an der Wien tags zuvor begonnen hatten, dass am 27. Februar nur noch die Instrumentation zweier Nummern des III. Aktes ausständig war und dass im II. Akt unter der Devise „Ein großer Maskenball“ eine hervorragende Dekoration vorbereitet werde. Als vielversprechende Kostprobe hatten schon am 10. Februar die Besucher des Concordia-Balls die „Fledermaus­Polka“ vorgesetzt bekommen. Nach und nach erfuhr man auch die Besetzung der Hauptpartien durch Marie Geistinger, Jani Szika, Karl Adolf Friese und andere Mitglieder des ständigen Ensembles; als einziger Gast von auswärts traf Mitte März Esther Charles-Hirsch in Wien ein, um die Soubrettenrolle der Adele zu übernehmen. Zur gleichen Zeit bescheinigte die k. k. Polizei-Direktion, dass das am 3. März zur Zensur eingereichte Textbuch „vollinhaltlich zur Aufführung zulässig erachtet“ werde, nachdem zunächst ein Zensor an einer Textstelle2 und an einer Coupletstrophe3 Anstoß genommen hatte.

Die Dekorations- und Kostümprobe fand am 1., die Generalprobe vor geladenen Journalisten und Schauspielern am 4. April statt. Tags darauf, am Ostersonntag, dem 5. April 1874, erzielte das überfüllte Theater an der Wien ein Reinerträgnis von 1550 Gulden zugunsten der KaiserFranz-Joseph-Stiftung zur Förderung des Kleingewerbes. „Mit einem Beifallstosen, das das Haus erzittern machte“, bestätigte das enthusiasmierte Premierenpublikum dem Komponisten und seinen Interpreten einen „Sieg auf allen Linien“.4 „Fast jede Nummer setzte die Hände des Auditoriums in Bewegung, und nach den Aktschlüssen konnte der schweißgebadete Strauß nicht rasch genug sein Dirigentenpult verlassen, um der freundlichen Zuhörerschaft von der Bühne aus für ihr Wohlwollen zu danken. An Wiederholungen einzelner Stücke gab es bei solcher Stimmung natürlich keinen Mangel.“5 „Es läßt sich schwerlich sagen, welche Piece der reichen Partitur den Preis verdiene; sie sind alle von ebenbürtiger Schönheit.“6 Neben solchen Bescheinigungen des „eminenten Erfolgs, welchen Strauß’ unerschöpflicher Erfindungsquell und die brillante Aufführung errangen“,7 fehlte es jedoch nicht an kritischen Stimmen: „Es ist doch nicht der durchschlagende Erfolg, den sich das Theater von dieser Novität versprach“, stellt Ludwig Speidel fest, indem er den „traurigen Zustand“ des Librettos rügt,8 in dessen Verurteilung auch Eduard Hanslick mit einstimmt: „Ein unlösbares Problem bleibt es, daß man für solche Worte Musik haben kann, daß nicht der Tongedanke, welcher im Kopf des Komponisten entsteht, lieber in nichts verhallt, ehe er derlei Plattituden sich anschmiegt.“9 [ ]

Die hartnäckige, vom ersten Strauß-Biographen Ludwig Eisenberg 1894 durch eine unklare Formulierung in die Welt gesetzt Legende, dass dieser Premiere im Theater an der Wien nur 15 Aufführungen nachfolgten, wurde schon vor einem Vierteljahrhundert von Franz Hadamowsky widerlegt.10 In Wahrheit erzwangen zunächst einige Gastspielvorstellungen einer italienischen Operntruppe, mit Adeline Patti als Star, und späterhin gelegentliche Besetzungsschwierigkeiten kurze Unterbrechungen der Fledermaus-Aufführungen, die sich, wie am vierten Abend beim Benefiz Kapellmeister Genées, so auch an allen anderen weiteren Abenden vor ausverkauftem Hause der glänzendsten Aufnahme erfreuten. Der Komponist trat dabei noch mehrere Male ans Dirigentenpult, so am 22. April „zum Vorteil des Herrn Szika“, am 28. April zu einem eigenen Benefiz und am 5. Mai zu jenem der Frau Charles-Hirsch, die dann am 21. Mai ihr Gastspiel beendete und ihre Rolle an Henriette Wieser übergab. Erst nach der 49. Vorstellung am 6. Juni – just zu dem Zeitpunkt, als Strauß an der Spitze der Kapelle Langenbach von einer erfolgreichen Konzerttournee aus Italien zurückkehrte – musste die Aufführungsserie wegen Erkrankung der Orlofsky-Darstellerin Nittinger abgebrochen werden. Inzwischen hatten bereits im Friedrich­Wilhelmstädtischen Theater die Vorbereitungen für die Berliner Premiere begonnen, der am 8. Juli 1874 ein sensationeller Erfolg beschieden war. Das Carl-Schultz-Theater in Hamburg, das Deutsche Theater in Budapest – hier leitete Strauß am 22. Dezember persönlich die 20. Vorstellung – und andere angesehene Bühnen folgten rasch nach, und innerhalb weniger Jahre wurde Die Fledermaus Allgemeingut des deutschen Sprachraumes. Den Reigen der fremdsprachigen Bühnen eröffnete am 30. Oktober 1877 das Pariser Théâtre de la Renaissance, für das Strauß in Zusammenarbeit mit den Textautoren A. Delacour und V. Wilder eine völlig neue, „La Tzigane“ genannte Fassung schuf. Angesichts der weiteren Verbreitung der Operette Die Fledermaus über Europa hinaus nach Amerika und Australien konnte es schließlich nur mehr eine Frage der Zeit sein, bis sich ihr auch die führenden Opernhäuser der Welt auftaten. Gustav Mahler vollzog als einer der ersten diesen Schritt 1894 in Hamburg, und noch im gleichen Jahr, zur Nachmittagsvorstellung des 28. Oktober, öffnete auch die Wiener Hofoper dem Meisterwerk ihre Pforten und entkräftete die Bedenken seines Schöpfers, dass dort „das Schwerfällige das Opernsängers nicht leicht zu beseitigen sein dürfte“.11 [ ]

Wien, 1974 Fritz Racek

1 Aus dem Revisionsbericht zur ganzen Operette in Band II/3 der JohannStrauß-Gesamtausgabe.

2 Orlofsky in Nr. 12: „In meiner Villa hat jede Dame das Recht, sich zu verhüllen oder zu enthüllen, so weit es ihr beliebt.“

3 Adele in Nr. 14, Takte 90–128: „Spiel’ ich ’ne Dame von Paris, ach, ach, | die Gattin eines Herrn Marquis, ach, ach, | da kommt ein junger Graf ins Haus, ach, ach, | der geht auf meine Tugend aus, ach! | Zwei Akt’ hindurch geb’ ich nicht nach, | doch ach, im dritten werd’ ich schwach; | da öffnet plötzlich sich die Tür; | o weh, mein Mann! Was wird aus mir! Ach! | ,Verzeihung!‘, flöt’ ich, er verzeiht, ach, ach! | Zum Schlußtableau, da weinen d’Leut’, ach, ach ja!“

4 Sonn- und Montagszeitung.

5 Konstitutionelle Vorstadt-Zeitung

6 Morgenpost.

7 Illustriertes Wiener Extrablatt.

8 Fremdenblatt.

9 Neue Freie Presse.

10 In: Die Wiener Operette, Wien: Bellaria 1947.

11 Johann Strauß an seinen Bruder Eduard, in: Johann Strauß schreibt Briefe, Berlin: Verlag für Kulturpolitik 1926, S. 132.

Preface1

[ ] Johann Strauß probably got the libretto of “Doktor Fledermaus”, as it was first called, for approval in about October 1873. On October 25, he conducted a self-sponsored charity concert in the Golden Hall of the Musikverein building. One of the numbers on the program was a “vocal Csárdás“ with words by Genée and music by Strauß; it was sung by Marie Geistiger, leading lady and directress of the Theater an der Wien. Five days later, the Vienna newspaper Die Presse reported that the Waltz King had begun on a new operetta. The final push may have been the success of the “vocal Csárdás”, which came to have a central place in the work in progress and is thus the operetta’s oldest number. The plot seems to have fired Strauß’s imagination, for most of the work took on musical form in a burst of creativity at the turn of 1873 to 1874, “in 42 days and nights” according to reliable information. [ ]

On January 18, 1874, the Viennese read in a supplement to the Neues Fremden-Blatt that most of the new operetta was finished and that the rest would be ready by the end of the month. The same newspaper informed the public on February 24 that rehearsals at the Theater an der Wien had begun the day before; on the 27th readers learned that only two numbers in Act 3 remained to be orchestrated, and that a sumptuous decor was being prepared for the masked ball in Act 2. On February 10, visitors at the Concordia Ball were treated to a promising taste of the “Fledermaus Polka.” Little by little the cast became known: the principal roles were to be taken by Marie Geistinger, Jani Szika, Karl Adolf Friese and other members of the Theater an der Wien company; the only guest artist, Esther Charles-Hirsch, arrived in Vienna in mid-March to take over the soubrette part of Adele. At the same time, the Imperial-Royal Police Directorate certified that the libretto, which had been submittend for censorship on March 3, was “fully admissable for performance,” after a censor had initially objected to one passage2 and one couplet verse3

The costume rehearsal took place on April 1; the dress rehearsal was held on April 4 before an invited audience of journalists an actors. The next day, Easter Sunday the 5th of April 1874, the Theater an der Wien was sold out; the box office cleared 1550 Gulden for the benefit of the Emperor Franz Joseph Foundation for the Promotion of Small Industry. “With thunderous applause that shook the theatre,” the enthusiastic firstnight audience acknowledged that the composer and the cast had “won out all along the line.”4 “Almost every number set the audience’s hands in motion, and at the end of each act, Strauß, dripping with sweat, could hardly leave the conductor’s podium fast enough to thank the audience from the stage for their favor. Given that kind of atmosphere, there was of course no lack of da capos.”5 “It is hard to say which number of the work deserves the palm; they are all equally beautiful.”6 Along with these attestations of an “outstanding success scored by Strauß’s inexhaustible inspiration and a brilliant performance,”7 a number of more critical voices were raised. “It is not really the boundless success the theatre expected it to be,” wrote Ludwig Speidel.8 He found fault with the “woeful state” of the libretto, an opinion that was shared by Eduard Hanslick: “How music can be found for words like that remains an insoluble puzzle; how is it that musical ideas in the composer’s mind do not simply fade away rather than become attached to such platitudes?”9 [ ]

There is a persistent legend that the world première in the Theater an der Wien was followed by only 15 performances. The unclear wording of Strauß’s first biographer, Ludwig Eisenberg, was responsible for this myth

which was invalidated by Franz Hadamowsky a quarter century ago.10 What really happened was that short breaks accounted in the Fledermaus run due first to previously scheduled appearances of an Italian opera company starring Adelina Patti, and later to occasional casting difficulties. The operetta drew a capacity crowd also on the fourth night, a benefit performance for Genée, and every night thereafter. The composer took the conductor’s podium several more times, for example on April 22 “for the benefit of Mr. Szika,” on April 28 for his own benefit and on May 5 for the benefit of Mrs. Charles Hirsch, who ended her guest appearance on May 21, handing over the role to Henriette Wieser. Not until after the 49th performance on June 6 – Strauß had just returned from a successful concert tour of Italy with the Langenbach Band – did the run have to be discontinued due to the illness of Miss Nittinger, who played Orlofsky.

In the meantime, the rehearsals of Die Fledermaus had begun at Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater in Berlin; the première on July 8 was a sensational success. The Carl Schultz Theater in Hamburg, the German Theatre in Budapest (where Strauß conducted the 20th performance on December 22), and other leading theatres followed in quick succession, and within a few years Die Fledermaus became common property of the German-language area. The first non-German theatre to stage the operetta was the Théâtre de la Renaissance in Paris, for which Strauß – in collaboration with the authors A. Delacour and V. Wilder – wrote a completely new version called “La Tzigane”.

Die Fledermaus continued its request of Europe and jumped the Atlantic and the Pacific to Australia. It was only a matter of time before the world’s leading opera houses opened their doors to Strauß’s operetta. One of the first conductors who took the step was Gustav Mahler in 1894 at the Hamburg Stadttheater. And on the afternoon of October, 1894, the Vienna Court Opera also opened its doors to the masterpiece, dispelling its creator’s concerns that “the ponderous delivery of opera singers will not be easy to get rid of.”11 [ ]

Wien, 1974 Fritz Racek (Translation: Eugene Hartzell, revised by Petra Kamlot)

1 From the critical commentary of the complete operetta in volume II/3 of the Johann Strauß Complete Edition.

2 Orlofsky in No. 12: “In meiner Villa hat jede Dame das Recht, sich zu verhüllen oder zu enthüllen, so weit es ihr beliebt.”

3 Adele in No. 14, bars 90–128: “Spiel’ ich ’ne Dame von Paris, ach, ach, | die Gattin eines Herrn Marquis, ach, ach, | da kommt ein junger Graf ins Haus, ach, ach, | der geht auf meine Tugend aus, ach! | Zwei Akt’ hindurch geb’ ich nicht nach, | doch ach, im dritten werd’ ich schwach; | da öffnet plötzlich sich die Tür; | o weh, mein Mann! Was wird aus mir! Ach! | ‚Verzeihung!‘, flöt’ ich, er verzeiht, ach, ach! | Zum Schlußtableau, da weinen d’Leut’, ach, ach ja!”

4 Sonn- und Montagszeitung.

5 Konstitutionelle Vorstadt-Zeitung

6 Morgenpost.

7 Illustriertes Wiener Extrablatt.

8 Fremdenblatt.

9 Neue Freie Presse.

10 In: Die Wiener Operette, Wien: Bellaria, 1947.

11 Johann Strauß to his brother Eduard, in: Johann Strauß schreibt Briefe, Berlin: Verlag für Kulturpolitik, 1926, p. 132.

Besetzung

2 Flöten (2. auch Piccolo)

2 Oboen

2 Klarinetten in A

2 Fagotte

4 Hörner in F

2 Trompeten in F

3 Posaunen

Pauken

Schlagzeug (3 Spieler): Glocke, Kleine Trommel, Große Trommel, Becken, Triangel

Streicher

Aufführungsdauer

etwa 7 Minuten

Orchestermaterial OB 5830 käuflich lieferbar

Scoring

2 Flutes (2nd also Piccolo)

2 Oboes

2 Clarinets in A 2 Bassoons

4 Horns in F

2 Trumpets in F 3 Trombones

Timpani

Percussion (3 players): Bell, Small drum, Bass drum, Cymbals, Triangle

Strings

Performing Time

approx. 7 minutes

Orchestral material OB 5830 available for sale

Ouverture

zur Operette „Die Fledermaus“

Johann Strauß herausgegeben von Fritz Racek

Partitur-Bibliothek 5830 © 1974 by Doblinger Musikverlag, Wien © 2024 assigned to Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

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