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Farben der Sennestadt Farbkollektion mit Geschichte


Abb.: Hans Bernhard Reichow

Öffentliche Anlagen

Stadtgrün

Wasserflächen


Sen ne s t a d t Ein organisches Stadtmodell

Mit einer großen Vielfalt an Gebäudetypen, vom Hochhaus bis zur Reihenhaussiedlung, und mit großzügigen Freiräumen legte Reichow in den 1950er-Jahren den Grundstein für die heute noch gültige soziale Mischung in der Sennestadt.

Fotos: LWL-Medienzentrum für Westfalen

Bis heute gilt die Sennestadt, eine der wenigen deutschen Stadtneugründungen des 20. Jahrhunderts, auch international als Musterbeispiel für den modernen Städtebau und für die Aufbruchstimmung der 1950er-Jahre. Sie nimmt unter den vielen Siedlungen, die auf der grünen Wiese entstanden, in Bezug auf Größe und städtebauliches Konzept eine absolute Sonderstellung ein. Für mehr als 21.000 Bewohner verwirklichte hier der Stadtplaner Hans Bernhard Reichow mit seinem 1954 preisgekrönten Entwurf die Idee eines alle Lebensbereiche umfassenden Stadtmodells. Typisch für die Sennestadt waren das viele Grün in der Stadt, Nachmittagssonne auf allen Balkons sowie die konsequente Trennung von Wohnen und Verkehr. Straßenkreuzungen gab es nicht – der Plan der Siedlung ähnelt auch heute noch einer organischen Blattstruktur mit sich verzweigenden Straßenadern und lebendig angeordneter Bebauung. Alle öffentlichen Einrichtungen wurden am „grünen Kreuz“ entlang der Parklandschaften angeordnet; sie bildeten ein architektonisches Ensemble, das sich durch Material und Farbe von allen anderen Gebäuden unterschied. Über einem künstlich angelegten Teich formte das Rathaus als höchstes Gebäude die sogenannte „Stadtkrone“. Wohnhochhäuser entlang der Sammelstraßen dienten als rhythmusgebende Landmarken. Mit dem Ziel der Gemeinschaftsbildung erleichterten überschaubare Nachbarschaften und eine gezielte Höhenstaffelung die Orientierung, die Hausgruppenbildung wurde durch ein eigenes Farbkonzept unterstützt.


60 J a hr e s pä te r Demografie und Stadtumbau Fast 60 Jahre sind seither vergangen. Nach dem Erhalt der Stadtrechte 1965 erfolgte 1973 im Zuge der kommunalen Neugliederung die Eingemeindung in die Stadt Bielefeld. Der damit verbundene Verlust der Eigenständigkeit markierte einen Bruch in der Entwicklung der nun auf einen Stadtteil reduzierten jungen Stadt. Heute hat die Sennestadt mit Image-Problemen und demografischem Wandel zu kämpfen, die Bewohnerschaft wird älter und multikultureller. Die Wahrnehmungen von Nachbarschaft und Wohnumfeld verändern sich, das moderne Einkaufsverhalten führt zu Leerständen in den von Reichow geplanten dezentralen Quartierszentren. Andererseits hat die grüne und familienfreundliche Stadtstruktur bis heute wenig an Attraktivität eingebüßt. Seit 2007 nimmt sich das städtebauliche Entwicklungskonzept der Stadt Bielefeld der Sennestadt an. In dem Stadtumbauprojekt „Reichow für das 21. Jahrhundert“ werden eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt, um die Modellstadt zukunftsorientiert weiterzuentwickeln: durch die Revitalisierung der Quartiere und barrierefreie Wege in den Stadtparks, durch zeitgemäße Wohnraumzuschnitte und energetische Stadtsanierung, durch partizipative Projekte und eine lebendige Bürgerbeteiligung. Und nicht zuletzt soll auch die Stadtbahnanbindung an die Bielefelder Innenstadt endlich umgesetzt werden. 2010 wurde die ehemalige Modellstadt als „historischer Stadtkern mit besonderer Denkmalbedeutung“ eingestuft, auch wenn vieles inzwischen nicht mehr im Sinne der Planer der ersten Stunde saniert oder neugebaut wird. Die beschwingte Architektur der 1950/60er-Jahre z. B. hat bei vielen Sanierungen ihren Charme und ihre Leichtigkeit verloren.

Fotos: Sennestadt GmbH

Das Sennestadthaus (1971–1975, links) und der Sennestadt-Pavillon (Mitte) aus den 1960er-Jahren wurden inzwischen saniert und gestalterisch an die moderne Architektursprache von Neubauten wie dem Hallenbad (2009, rechts) angepasst.


Foto: Brillux


Typ 12 Geschosswohnen mit Balkon Anzahl: 241 Baujahr: 1958–1963 Architekt: W. Klotzbach, Wuppertal

Typ 1b Reihenhaus mit Mauervorlagen Anzahl: 193 Baujahr: 1961 Architekt: H. B. Reichow, W. Klotzbach, Wuppertal

Typ 11 Geschosswohnen mit Laubengang Anzahl: 12 Baujahr: 1960 Architekt: H. B. Reichow


F arb e i m St a dt b i l d Das historische Farbkonzept der Sennestadt

„Der Stellenwert des Farbkonzeptes ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Sennestadt. Die Sennestadtplanung als Stadtlandschaft ist in sich schlüssig, alle Einzelbereiche sind aufeinander und auf das Ganze bezogen. Als wichtiges Element der Stadtgestaltung gehört dazu die Farbigkeit der Wohnblocks und Hauszeilen. Farbe wird nicht als blasses Dekor gesehen, sondern ist notwendiger Bestandteil des organischen Städtebaus.“ Peter Holst, Architekt und Stadtplaner

Foto: Peter Wehowsky

Verloren ging nicht nur die stadtbildprägende Architektur der 1950er-Jahre, sondern auch ein weiteres verbindendes Gestaltungselement – die Sennestadtfarben. Für das Architektenteam um Hans Bernhard Reichow war die Farbigkeit der Fassaden von Anfang an ein wichtiges Element der Stadtbildplanung. Die aufeinander abgestimmten Fassadenfarben unterstützten das planerische Leitbild durch die Betonung städtebaulicher Zusammenhänge: Sie formten Einheiten, setzten Akzente und Dominanten und rhythmisierten gestaffelte Hauszeilen oder Hofbildungen durch Kontraste. Erdige Farbtöne und gedämpfte Blau- und Grünnuancen banden die Wohngebäude harmonisch in die Landschaft ein. Gesteigert wurde die Strahlkraft der Fassadenfarben durch „festliche“ Akzente: weiße Laibungen und Faschen, weiße Brüstungen und Balkons sowie weiße Lisenen und Streifen. Durch diese Gestaltung erfuhr die eher bescheidene Architektur des sozialen Wohnungsbaus der 1950/60erJahre eine deutliche Aufwertung. Trotz der vielen unterschiedlichen Handschriften der in der Sennestadt tätigen Baugesellschaften und Architekten konnte so eine identitätsstiftende Geschlossenheit des Ortsbildes erreicht werden. Sechs Jahrzehnte später ist dieses Farbkonzept nur noch in Teilbereichen ablesbar, z. B. in der Südstadt, wo bisher wenig oder kaum saniert worden ist. Erst durch eine Untersuchung originaler Fassadenanstriche, die Auswertung von alten Fotos und vor allem dank der Erinnerungen und Aufzeichnungen des ehemaligen Reichow-Mitarbeiters und Architekten Peter Holst wurde eine Rekonstruktion und Neuinterpretation des Farbraums Sennestadt möglich.


Zusammen mit Peter Holst und alberts.architekten entwickelte das Brillux Farbstudio Braunschweig Vorschläge für die Farbgestaltung der Wohnhausfassaden der Sennestadt. Im Lageplan werden später die tatsächlich umgesetzten Fassadenfarben erfasst.

F arb e n d e r S e n n es t a d t Baustein für lebendige Identität Mit dem Pilotprojekt „Farben der Sennestadt“ soll die Sennestadt farblich wieder ein erkennbares Gesicht erhalten – denn eine gemeinsame Farbenwelt schafft städtische Identität. Auf Basis ihrer gemeinsamen Recherchen mit dem Sennestädter Planungsbüro alberts.architekten entwickelten die Farbdesignerin Hanne Fink vom Brillux Farbstudio Braunschweig und Peter Holst ein modernes Farbkonzept, das die historischen Farbtöne wiederentdeckt und für das 21. Jahrhundert neu interpretiert. Der neue Farbkanon besteht aus 30 Fassadenfarbtönen und neun Akzentfarben für Haustüren, Treppenhausfenster oder Sockelanstrich. Durch ähnliche Grauwerte und Sättigungen sind alle Farbnuancen harmonisch miteinander kombinierbar. Für moderne Bauten wurden warme Weiß- und Grautöne in den Farbkanon aufgenommen. Eine möglichst durchgängige Anwendung der Farbkollektion soll zu einem optisch geschlossenen Stadtbild beitragen – und damit die Identität des Ortes und den Wert der einzelnen Gebäude stärken. Für den Einsatz der Fassadenfarben wurden Empfehlungen zusammengestellt, die an die ursprüngliche Farbharmonie der Sennestadt angelehnt sind: dazu gehört die Gestaltung mit weißen Faschen, weißen Balkonbrüstungen und dunkelgrau lackierten Haustüren. Sozusagen als Farbpause sollen graue Fassaden im Wohngebiet die Wirkung der farbigen Fassaden erhöhen. Besonders authentisch wirken die Farbtöne auf grobem Putz, wie er in den 1950/60er-Jahren verwendet worden ist.


„Wie kann ich einen Stadtteil lebendig erschließen, nicht nur über Gebäudestrukturen, sondern auch über Farbe? Dieses Gestaltungsthema taucht immer wieder auf. Unser Vorschlag für die Sennestadt: am Kiefernwaldrand rote Fassaden als Komplementärakzent sowie ein pulsierendes Farbenspiel verschiedener Helligkeiten und Sättigungen, ein Rhythmus aus Farbe und Farbpause, wie der Herzschlag des Menschen.“

Farbstudien: Brillux Farbstudio Braunschweig

Hanne Fink, Brillux Farbdesignerin


Objekt Mehrfamilienwohnhäuser Luheweg 1–11 33689 Bielefeld Ausführung Joswieg GmbH Malerbetrieb Ravensberger Bleiche 16 33649 Bielefeld

Foto: Roland Borgmann, Farbstudien: Brillux Farbstudio Braunschweig

Fassade 1

Fassade 2

Fassade 3


Foto: Brillux

Der eigens mit dem Brillux Farbstudio aufgelegte Farbfächer macht die Farbkollektion sicht- und greifbar. In der Sennestadt steht Brillux auch in Zukunft mit seinen Beratern bei der Farbauswahl und Fragen zur technischen Umsetzung zur Verfügung.

Gem e i nsa m e F a r benwelt Ein Farbfächer für das 21. Jahrhundert Die Farbkollektion wurde von Brillux in einem Farbfächer zusammengestellt, der helfen soll, bei den anstehenden Sanierungsvorhaben in der Sennestadt für jedes Haus den richtigen Ton zu treffen – und im gleichen Zug wieder eine zusammengehörige Stadtansicht zu schaffen. Damit wird Wohnungseigentümern, Wohnungsbaugesellschaften und Investoren ein praktisches Instrument an die Hand gegeben, denn die Farbempfehlungen geben der Farbwahl Sinn und Orientierung. Gleichzeitig bieten sie viel Spielraum für Individualität. Im vergangenen Jahr wurde das Farbkonzept bereits bei mehreren Häusern einer Wohnungseigentümergemeinschaft umgesetzt. Der Farbfächer und die Farbentwürfe vom Brillux Farbstudio erwiesen sich für die 140 Eigentümer als großer Vorteil, denn der in sich stimmige und begrenzte Farbraum erleichterte den sonst in der Regel eher schwierigen Abstimmungsprozess enorm. Inzwischen wurde die Farbkollektion auch für die Gestaltung einer Reihenhausanlage und sogar für einen Neubau zugrunde gelegt. Die Organisatoren des Pilotprojekts setzen auf eine breite Basis in der Bevölkerung. Durch Informationsveranstaltungen und eine Ausstellung wird der neue Farbkanon weiter bekannt gemacht. Derzeit wird eine Plakette vorbereitet, mit der Häuser in den Farben der Sennestadt ausgezeichnet werden sollen. Die Webseite „Farben der Sennestadt“ erläutert die Hintergründe und vermittelt mit Musterentwürfen und Bestandsdokumentationen, welche stadtbildprägende Kraft in einem gemeinsamen Farbkanon liegt.

Mehr Informationen zum Farbkonzept der Sennestadt unter www.sennestadt-farben.de


Vorschau 3/16 WDVS mit positiver Ökobilanz

5270/148/28.2/0416 8826.9651.1002

Foto Titel: historisches Foto

Foto Rückseite: Christian Eblenkamp, Rietberg

Die Nachhaltigkeit der Baustoffe spielt bei vielen Bauprojekten eine immer größere Rolle. Ökologische Wärmedämm-Verbundsysteme haben den Vorteil, dass sie nicht nur während der Nutzungsphase, sondern auch schon in der Herstellung einen Beitrag zu Umweltund Klimaschutz leisten und sich im Anschluss an die Nutzung zudem besser entsorgen lassen. Mit Ecotop bietet Brillux eine innovative Neuentwicklung im Bereich der Wärmedämm-Verbundsysteme, die aus natürlichen Rohstoffen besteht. Das Wärmedämm-Verbundsystem vereint alle ökologischen Aspekte und ist mit dem Umweltzeichen „Der blaue Engel – schützt das Klima“ ausgezeichnet. Das System Ecotop ist ein nicht brennbares Wärmedämm-Verbundsystem mit Dämmplatten aus verdichteter Mineralwolle oder Steinlamellen. Der Anwendungsbereich umfasst die Wärmedämmung von Alt- und Neubauten. Besonders geeignet ist das ökologische WDVS für Fassadendämmungen, bei denen eine Nichtbrennbarkeit gefordert ist, wie es grundsätzlich bei Hochhäusern und bei vielen öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern oder Kindergärten der Fall ist.

Brillux | Weseler Straße 401 | 48163 Münster Tel. +49 251 7188-8799 | Fax +49 251 7188-54905 kontakt@brillux.de | www.brillux.de


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