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Slowgirl“: Bombastisches Debüt
Bombastisches Debüt
Die Dekadenz engagiert für die Frühjahr-Eigenproduktion mit Regisseur Nicola Bremer und Schauspielerin Marlies Untersteiner zwei ShootingStars der jungen Szene und beschreitet mit „Slowgirl“ ganz neue Wege.
Nach Monaten der kulturellen Abstinenz endlich wieder eine Premiere! Normalerweise werfe ich mich ein ganz klein wenig in Schale und düse voller Vorfreude ab. Ich hole an der Kasse mein Ticket und setze mich erwartungsvoll in den atmosphärischen Keller der Dekadenz.
Normalerweise. Diesmal ist alles anders. Ich sitze im Trainingsanzug im Wohnzimmer, die Premiere wird mir über einen Zugangslink vom Smartphone direkt auf den Fernseher gestreamt. „Slowgirl“ oder „Das bombastische Debüt einer Superheldin“ entstammt der Anarcho-Feder von Nicola Bremer, der mit seinen Text- und Regiearbeiten stets am Puls der Zeit agieren will. Das Stück des 31-jährigen in Italien aufgewachsenen Sohnes einer Schweizerin und eines Deutschen steckte schon vor Corona in den Startlöchern. Anna Heiss und ihr Team haben sich auf das Experiment eingelassen, und Bremer verfasste eine Adaption für den virtuellen Raum.
Die langsamste Frau der Welt. Gewonnen werden konnte für den „bombastischen“ Monolog die junge Südtiroler Schauspielerin Marlies Untersteiner, die es meisterlich versteht, das zugeschaltete Publikum in den Sog der Story hineinzuziehen. „Hallo, liebes Publikum, ich bin Marlies Untersteiner, und das Stück, das wir auf die Bühne gebracht hätten, wäre das allererste Theaterstück über ‚Slowgirl‘ gewesen, der langsamsten Frau der Welt“, spricht die Protagonistin direkt in die Kamera, die tatsächlich eine ernsthafte Konkurrenz zum Schauspiel ist. Die gewagte Kameraführung vom 23-jährigen Filmstudenten Jakob Dellago erinnert an „Victoria“, den 140-Minuten-Film ohne Schnitt von Sebastian Schipper. Gekonnt gesetzte Lichtspiele von Armin Ladinser und Simon Boccolari und eine minimalistische Bühne sowie Kostüm von Mirjam Falkensteiner lassen den Zuseher vergessen, dass er nicht in einem Marlies Untersteiner macht sich Gedanken, wie man sich der Rolle von „Slowgirl“ annähern könnte
Filmplot steckt, sondern in einer Inszenierung.
Eine Inszenierung, die eigentlich wie ein theatralischer Mockumentary daherkommt, denn es geht gar nicht um „Slowgirl“, sondern um die Schauspielerin Marlies Untersteiner, die eine fiktive Story in ihren Probenalltag einbaut. Sie ist wie alle Performing Artists seit Monaten höchst frustriert in dem totalen Stillstand gefangen und bekommt einen Kreischanfall, als sie der bekannte Regisseur Nicola Bremer anruft, um sie für die Rolle als „Slowgirl“ zu gewinnen. Sie erfährt von der „angetrunkene Dramaturgin“ durch mehrere PräsidentenredenTranskriptionen, dass „Slowgirl“ in den Vierziger-, Fünfziger-Jahren gelebt hat, wo der Hype um Superman & Co. voll im Gange war.
Aber sie, die langsamste Frau der Erde, steigt zur Superheldin auf. Worin sie heldenhaft ist, bleibt allerdings ein Geheimnis. Live soll sie selbst in einem Super-8-Film zu sehen sein, den ihre Freundin Antonia gedreht hat. Mit Entschleunigung die Welt retten. Marlies macht sich verzweifelt Gedanken, wie man sich so einer Rolle annähern könnte: Muss ich dann nicht alles langsam spielen? Wäre das nicht einfach nur langweilig? Und überhaupt! Ich habe noch nie zuvor einen Monolog gespielt. Und sie wendet sich direkt an das imaginäre „Slowgirl“: Wie soll man sich deine Langsamkeit vorstellen? Ist es, wie unsichtbar sein? Oder so etwas wie Leichtigkeit? Nein, antwortet die Stimme, meine Langsamkeit ist einfach nur Langsamkeit. Schade, ich dachte schon, es wäre ein versteckter Hinweis, mit Entschleunigung die Welt zu retten. Aber Nicola Bremer ist eben ein Digital-Natives-Gamer, er freut sich an der Performance-Kunst mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Beweis für seine blühende Fantasie: Als kniffliger Gag folgt nach dem Abspann eine kurze Szene, in der Antonia (Eva Kuen) Slowgirl (Viktoria Obermarzoner) beim Herumwerken in der Küche filmt. Er will ein offensichtlich junges Publikum mit dieser Liebeserklärung an das Theater einfach nur unterhalten.
Hoffen wir, dass das auch baldigst live geschieht!
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KULTUR Neue Unterkommissionen
z Der deutsche Landeskulturbeirat wird in seiner Arbeit von fünf Unterkommissionen in den Fachbereichen „Musik“, „Theater und Tanz“, „Bildende Kunst, Fotografie, Architektur“, „Literatur“ sowie „Volkskunde, Heimatpflege, Kulturhäuser“ unterstützt. Die Landesregierung hat diese nun neu ernannt. Sie setzen sich aus Fachleuten der einzelnen Bereiche zusammen – darunter auch einige aus Brixen und Umgebung: Die Brixnerin Stefanie Prieth beispielsweise gehört zur Unterkommission „Bildende Kunst, Architektur, Fotografie“, die Vahrnerin Viktoria Obermarzoner ebenso wie die ursprünglich aus Schrambach stammende Christine Helfer zu jener für „Theater und Tanz“. Die Unterkommissionen bleiben für zwei Jahre im Amt, drei weniger als der Landeskulturbeirat. Dadurch soll die Rotation garantiert und die Meinungsvielfalt gestärkt werden. Der Landeskulturbeirat berät die Landesregierung bei der Vergabe von Fördermitteln und setzt sich auch mit strategischen Fragen der Kulturpolitik auseinander. eh


K&K Kunst & Kultur
BILDUNG Franzensfeste digital
z Die Festung Franzensfeste beschreitet neue Wege bei der Vermittlung ihrer historischen Inhalte an Schulklassen. Drei Kurzvideos geben einen Einblick in vergangene Zeiten. Eleonora Klauser Soldá und Antonio Russo stellen darin drei ganz besondere Orte vor: die Backöfen, in denen täglich bis zu 260 Kilogramm Brot gebacken wurden, den Goldstollen, um den sich bis heute zahlreiche Geschichten ranken, und die lange Treppe, die ganze 452 Stufen zählt und über einen unterirdischen Gang die untere mit der oberen Festung verbindet. Per Videokonferenz vertiefen Eleonora Klauser Soldá und Antonio Russo die Inhalte, beantworten Fragen und diskutieren mit den Schülern. „Das Interesse der Schüler an der Festung war groß“, so Klauser Soldá, „und die Abwechslung im Schulalltag wurde mit Begeisterung aufgenommen.“ Esther Erlacher, Koordinatorin der Festung Franzensfeste, ergänzt: „Wir möchten die größte historische Festungsanlage in Südtirol noch viel stärker als außerschulischen Lernort für alle Schulstufen etablieren. Derzeit erarbeiten wir zusätzliche didaktische Formate – auch für die Ausstellung über Bunkeranlagen, die ab Herbst zu sehen sein wird.“ Den Start für das neue digitale Vermittlungsformat bildete der Aktionstag „Schule schaut Museum“ am 3. März. Die Teilnahme an diesem neuen Programm ist weiterhin von der zweiten Klasse Volksschule bis zur dritten Klasse Mittelschule nach Anmeldung bei eleonora. klauser-solda@franzensfeste.info möglich. job

kurz
notiert
Den ganzen März über nimmt die Musikschule Brixen Anmeldungen für das Schuljahr 2021/22 entgegen. Die Anmeldungen finden im Einklang mit den geltenden coronabedingten Schutzmaßnahmen online statt. Infos unter www.musikschule.it. Mit großem Erfolg wurde 2019 in der Dekadenz Dietmar Gampers Satire „100 Jahre Südtirol oder Der Geburtstag einer Greisin“ mit einer überragenden Eva Kuen in der Hauptrolle aufgeführt. Am 20. Februar präsentierten Dekadenz und Raetia nun auch die Hörspielversion. Zum Tag der Frau startete Brixens Stadträtin Monika Leitner mit der Aktion „Post für dich“ eine Initiative, um Frauen trotz Corona etwas Zuversicht zu schenken. Eva Kuen, Nora Pider, Patrizia Solaro, Nadia Rungger und Maria C. Hilber schrieben mutmachende lyrische Botschaften an imaginäre Frauen.
NACHGEFRAGT „Zum Mitmachen motivieren“
JOSEF RAINER, vielseitig begabter Künstler, Gewinner des Kunstwettbewerbs zum „Josef-Mayr-Nusser-Memorial“, über seine Intention, die Menschen zum Mitmachen zu motivieren.
Herr Rainer, gerade erst besuchten fast 100 Personen virtuell ihr Atelier im Zuge der vom SKB angebotenen Studio Visits, dann gewannen Sie den Wettbewerb zu Mayr-Nusser. Ein schwieriges Thema …
Josef Mayr-Nusser ist vor 76 Jahren in einem Viehwaggon in Erlangen seinen Strapazen erlegen. Er sollte wegen Eidesverweigerung auf Hitler nach Dachau gebracht werden. Seine Gebeine waren von 1963 bis zu Seligsprechung 2017 in der Kirche von Lichtenstern am Ritten beigesetzt und liegen heute in der Pfarrkirche von Bozen. Zu seinem Gedenken hat das Bildungshaus Lichtenstern einen Wettbewerb für eine künstlerische Intervention ausgeschrieben.
Die Jury hat sich für Ihr Konzept entschieden. Wodurch konnten sie überzeugen?
Bei der Idee der Gebetsmühle ist es darum gegangen, in diese bedrückende Thematik etwas Positives einzubringen. Das Werk soll an Schmerz und Verlust der Familie Mayr-Nusser gemahnen, aber nicht Ohnmacht und Verzweiflung suggerieren. Ich wollte das Thema Bildung und die Menschen integrieren und zum Mitmachen motivieren. Die Wanderer an der Sigmund-FreudPromenade sollen verweilen und sich beim Drehen der Mühle Gedanken machen.
Wie kann man sich die Skulptur vorstellen?
Die Gebetsmühle ist eine zwei Meter hohe Skulptur aus Bronze mit fünf übereinandergesetzten drehbaren Elementen und einer Abschlussscheibe. Darauf stehen die Begriffe Mut, Glaube, Hingabe, Aufrichtigkeit und Familie, die beim Drehen Töne erzeugen, die von Manuela Kerer komponiert wurden.
irene.dejaco@brixner.info Leserbriefe an: echo@brixner.info

NEU IM REGAL Schutzhütten erleben
Südtirols 30 schönste Bergwanderungen mit Übernachtung in Schutzhütten hat Peter Righi in seinem neuen Wanderführer gesammelt. Der Autor will damit laut Vorwort dem „Eiltempo“, mit dem viele Wanderer von Gipfel zu Gipfel stürmen, entgegenwirken und zum Erlebnis einer Übernachtung in Schutzhütten einladen. Die aufgelisteten Zweitagestouren eignen sich dabei auch für relativ unerfahrene Wanderer: Sämtliche Touren sind ohne Klettersteig oder Gletscherausrüstung begehbar. Das Buch enthält detaillierte Wanderkarten, eine genaue Etappenbeschreibung für Auf- und Abstieg, eine Packliste und Tipps vom Autor sowie Angaben zu Schwierigkeitsgrad, Gehzeit und Höhenmetern. Für einige der Schutzhütten hat der Autor zudem interessante Fakten und Geschichten gesammelt und im Buch verewigt. Auch Schutzhütten in der Brixner Umgebung haben es in die Top 30 von Peter Righi geschafft: So finden sich Zweitagestouren zur Schatzerhütte, zur Brixnerhütte, zur Tiefrastenhütte sowie zur Flaggerschartenhütte.


Peter Righi Zweitagestouren in Südtirol Folio-Verlag 2021
