Brixner 374 - März 2021

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THEATER

Bombastisches Debüt Die Dekadenz engagiert für die Frühjahr-Eigenproduktion mit Regisseur Nicola Bremer und Schauspielerin Marlies Untersteiner zwei ShootingStars der jungen Szene und beschreitet mit „Slowgirl“ ganz neue Wege.

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Mit Entschleunigung die Welt retten. Marlies macht sich ver-

ach Monaten der kulturellen Abstinenz endlich wieder eine Premiere! Normalerweise werfe ich mich ein ganz klein wenig in Schale und düse voller Vorfreude ab. Ich hole an der Kasse mein Ticket und setze mich erwartungsvoll in den atmosphärischen Keller der Dekadenz. Normalerweise. Diesmal ist alles anders. Ich sitze im Trainingsanzug im Wohnzimmer, die Premiere wird mir über einen Zugangslink vom Smartphone direkt auf den Fernseher gestreamt. „Slowgirl“ oder „Das bombastische Debüt einer Superheldin“ entstammt der Anarcho-Feder von Nicola Bremer, der mit seinen Text- und Regiearbeiten stets am Puls der Zeit agieren will. Das Stück des 31-jährigen in Italien aufgewachsenen Sohnes einer Schweizerin und eines Deutschen steckte schon vor Corona in den Startlöchern. Anna Heiss und ihr Team haben sich auf das Experiment eingelassen, und Bremer verfasste eine Adaption für den virtuellen Raum.

Die langsamste Frau der Welt. Gewonnen werden konnte für den „bombastischen“ Monolog die junge Südtiroler Schauspielerin Marlies Untersteiner, die es meisterlich versteht, das zugeschaltete Publikum in den Sog der Story hineinzuziehen. „Hallo, liebes Publikum, ich bin Marlies Untersteiner, und das Stück, das wir auf die Bühne gebracht hätten, wäre das allererste Theaterstück über ‚Slowgirl‘ gewesen, der langsamsten Frau der Welt“, spricht die Protagonistin direkt in die Kamera, die tatsächlich eine ernsthafte Konkurrenz zum Schauspiel ist. Die gewagte Kameraführung vom 23-jährigen Filmstudenten Jakob Dellago erinnert an „Victoria“, den 140-Minuten-Film ohne Schnitt von Sebastian Schipper. Gekonnt gesetzte Lichtspiele von Armin Ladinser und Simon Boccolari und eine minimalistische Bühne sowie Kostüm von Mirjam Falkensteiner lassen den Zuseher vergessen, dass er nicht in einem

Marlies Untersteiner macht sich Gedanken, wie man sich der Rolle von „Slowgirl“ annähern könnte Filmplot steckt, sondern in einer Inszenierung. Eine Inszenierung, die eigentlich wie ein theatralischer Mockumentary daherkommt, denn es geht gar nicht um „Slowgirl“, sondern um die Schauspielerin Marlies Untersteiner, die eine fiktive Story in ihren Probenalltag einbaut. Sie ist wie alle Performing Artists seit Monaten höchst frustriert in dem totalen Stillstand gefangen und bekommt einen Kreischanfall, als sie der bekannte Regisseur Nicola Bremer anruft, um sie für die Rolle als „Slowgirl“ zu gewinnen. Sie erfährt von der „angetrunkene Dramaturgin“ durch mehrere PräsidentenredenTranskriptionen, dass „Slowgirl“ in den Vierziger-, Fünfziger-Jahren gelebt hat, wo der Hype um Superman & Co. voll im Gange war. Aber sie, die langsamste Frau der Erde, steigt zur Superheldin

auf. Worin sie heldenhaft ist, bleibt allerdings ein Geheimnis. Live soll sie selbst in einem Super-8-Film zu sehen sein, den ihre Freundin Antonia gedreht hat.

zweifelt Gedanken, wie man sich so einer Rolle annähern könnte: Muss ich dann nicht alles langsam spielen? Wäre das nicht einfach nur langweilig? Und überhaupt! Ich habe noch nie zuvor einen Monolog gespielt. Und sie wendet sich direkt an das imaginäre „Slowgirl“: Wie soll man sich deine Langsamkeit vorstellen? Ist es, wie unsichtbar sein? Oder so etwas wie Leichtigkeit? Nein, antwortet die Stimme, meine Langsamkeit ist einfach nur Langsamkeit. Schade, ich dachte schon, es wäre ein versteckter Hinweis, mit Entschleunigung die Welt zu retten. Aber Nicola Bremer ist eben ein Digital-Natives-Gamer, er freut sich an der Performance-Kunst mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Beweis für seine blühende Fantasie: Als kniffliger Gag folgt nach dem Abspann eine kurze Szene, in der Antonia (Eva Kuen) Slowgirl (Viktoria Obermarzoner) beim Herumwerken in der Küche filmt. Er will ein offensichtlich junges Publikum mit dieser Liebeserklärung an das Theater einfach nur unterhalten. Hoffen wir, dass das auch baldigst live geschieht! irene.dejaco@brixner.info Leserbriefe an: echo@brixner.info

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