John Ramsey / Marie Chapian
DeZemberDie Geschichte unserer Familie
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John Ramsey / Marie Chapian Dezemberdrama Die Geschichte unserer Familie 272 Seiten, gebunden, 14 x 21 cm Erscheinungsdatum: 01.08.2014 ISBN 978-3-7655-0903-2 Bestell-Nr. 190903 EUR 17,99 (D) / SFr *26,90 / EUR 18,50 (A) * unverbindliche Preisempfehlung des Verlags
Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel: „The Other Side of Suffering – The Father of JonBenét Ramsey Tells the Story of His Journey from Grief to Grace“ bei FaithWords in der Verlagsgruppe HachetteBook Group, Inc. © 2012 by John Ramsey Die deutsche Ausgabe wurde durch Vereinbarung mit dem Verlag FaithWords, New York, NY, USA veröffentlicht. Alle Rechte vorbehalten. Sie wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen Deutsch von Angela Klein-Esselborn
© 2014 Brunnen Verlag Gießen www.brunnen-verlag.de Umschlagfotos: Polaris; istockphotos Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger Satz: DTP Brunnen Druck: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 978-3-7655-0903-2
Viele Menschen verdanken ihre GrĂśĂ&#x;e dem tiefen Leid, das sie erfahren haben. Ch. H. Spurgeon
Inhalt Vorwort
1 Das Schreckliche passiert 2 Botschaften vom Himmel 3 Warum dieses Leiden? 4 Leben im Chaos 5 Engel 6 Stolpersteine 7 Unter Beschuss 8 „Unter dem Schatten deiner Flügel“ 9 Liebe, Scheidung und Gnade 10 Was ich bereue 11 Vertrauen 12 Gutes aus dem Bösen? 13 Ganz unten: die Zusage 14 Geschenk einer Freundschaft 15 Nicht länger Spielball 7
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16 Widerstandskraft 17 Abschied von Patsy 18 Gottes größtes Versprechen 19 DNA – neue Richtung im Fall JonBenét 20 Vergebung – ein Geschenk an uns selbst 21 Die besten Zeiten 22 Stolz 23 Gott nahekommen 24 In Indien 25 Der Traum vom Fliegen 26 Der Blick verändert sich 27 Gibt es Dämonen? 28 Das Vermächtnis meines Freundes 29 Den Sturz aufhalten 30 Zurück ins Leben 31 Ein ganzer Mensch werden 32 Berührt von Gott 33 Wieder glücklich? 34 Neuanfang
Anhang
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Ich gehe hinaus ins Freie. Ein Gespinst aus Pappeln, ein Sonnenstrahl fällt schräg durch die Blätter, der vom Winter befreite Duft der Erde, ein singender Vogel. Ich wünschte, ich könnte für einen Augenblick zurückscrollen, zu einem Augenblick mit meinen kichernden Kindern im Lufthauch des beginnenden Frühlings ... Während mir das Herz gegen mein Hemd pocht, merke ich, dass kein Spaziergang draußen mehr einfach sein wird. Ich entdecke den Ü-Wagen am Bordstein ... Mein Kiefer verspannt sich beim Anblick der Reportermeute. Hat einer von ihnen Kinder?, frage ich mich. Der Reporter, der sich als Fernmeldetechniker ausgab und neben dem Haus mit Drähten hantiert, um Zugang zu unseren Privatgesprächen zu bekommen – hat er Kinder? Nennt ihn jemand Papi, wenn er heimkehrt nach der Arbeit, bei der er sich als jemand ausgegeben hat, der er nicht ist? Ich würde gerne zurückkehren und mich auf die Kinderschaukel setzen und mit den Füßen über den Sand streifen ... Ich erinnere mich an JonBenéts Sneakers mit den Schmetterlingen auf der Spitze. „Schau mal, Papi, sieh dir mal meine neuen Schuhe an!“ Schon als Kleinkind liebte sie alles, was glitzerte und leuchtete. Beim Anblick unseres ersten Weihnachtsbaums und der bunten Lichter klatschte sie begeistert in die Hände. Von Geburt an gab sie rückhaltlos Gas. Geboren wurde sie in Atlanta in Georgia, genau zweiunddreißig Minuten, nachdem Patsy mich aufgeweckt und gesagt hatte: „John, es wird Zeit. Wir müssen jetzt ins Krankenhaus!“ Zu behaupten, JonBenét sei begeistert auf die Welt gekommen, wäre eine Untertreibung.
Du hast mit deinen Kindern gelacht und ihre Unschuld und Neugier bestaunt. Begreif es endlich. Du wirst nie wieder glücklich sein. Und womöglich siehst du nie wieder das Licht, zumindest nicht das, was du immer als strahlend und schön definiert hast, nein, das findest du nie wieder ... Was habe ich falsch gemacht? Wo habe ich in Gottes Augen versagt? Warum schützte er JonBenét nicht? Wurde ich von Gott bestraft? Gewiss nicht. Gott würde mir nie ein Kind wegnehmen, um mich zu bestrafen ... Ich gab mir die Schuld an dem, was geschehen war. Natürlich gab ich mir die Schuld. Ich hatte nicht dafür gesorgt, dass unser Zuhause sicher war. Ich hatte mir nie ausgemalt, es könnte jemand eindringen, während wir schliefen. Patsy und ich zermarterten uns den Kopf, bombardierten Herz und Kopf mit so vielen Fragen. Warum hatte ich die Alarmanlage nicht reparieren lassen? Warum hatte ich nicht dafür gesorgt, dass unser Kellerfenster repariert wurde? Warum hatten wir unser Haus zu der Weihnachtsführung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht? ... Warum hatte ich unseren Hund nicht erst kurz vor unserer Abreise zu den Nachbarn gebracht? Warum hatte ich zugelassen, dass die Erfolge unserer Firma in der Zeitung standen? Warum hatten wir gedacht, wir lebten sicher und unerreichbar für das Böse? Warum warum warum? Es war die reinste Folter zu wissen, dass ich die Vergangenheit nicht ungeschehen machen konnte, die Zeit nicht zurückdrehen und alles anders machen konnte. Ich klagte auch Gott an. Wo warst du, Gott? Warum hast du den Killer nicht aufgehalten? Warum hast du unser Kind nicht gerettet? Warum habe ich mein Kind nicht gerettet? ... Gott hat nie einen grausamen, anklagenden Finger auf Patsy und mich gerichtet. Es konnte nicht sein, dass Gott uns mit einem Fluch überzog. Also wussten wir, wir mussten damit aufhören,
ihm vorzuhalten, er habe uns im Stich gelassen. Doch ich konnte nicht anders als zu schreien: „Wo warst du, Gott? Warum hast du das zugelassen?“ Ich musste aufhören, Gott zum Sündenbock oder zur Ursache unseres Unglücks zu machen ... Ich war schon immer ein Mann, der seine Emotionen gut im Griff hatte. Wutausbrüche hatte ich fast nie. Bei einem traurigen Buch oder Film musste ich nicht weinen. Ich neigte nicht zu Streitsucht. Ich war ein Schlichter. Es war nicht meine Wesensart, zu schreien oder zu streiten oder umgekehrt, mich allzu sehr zu begeistern ... Nachdem JonBenét gestorben war, wollten wir Boulder verlassen und nach Hause zurückkehren, zurück nach Atlanta. Wir hatten viele Jahre in Atlanta gelebt. Burke, JonBenét und John Andrew waren dort geboren worden, unsere Verwandten und langjährigen Freunde lebten dort ... Am Morgen hatte Patsy gesagt: „Wenn noch mehr Leiden vor mir liegt, weiß ich nicht, ob ich es durchstehen kann.“ Natürlich stand uns Leiden bevor, das wussten wir beide. „Wir stehen es durch, Liebling“, versprach ich ihr. Jetzt nahm ich ihre Hände in meine und sagte nichts weiter. Eine Weile verharrten wir schweigend. Patsy konnte kaum aufstehen; dann betraten wir mit unseren Verwandten den Altarraum. Ich legte einen Arm um sie, damit sie nicht stolperte, und gemeinsam setzten wir uns in die vorderste Reihe, um uns von unserer Tochter zu verabschieden ... Nach dem Gottesdienst verließen wir die Kirche, um unseren Platz in dem Beerdigungszug einzunehmen, und gerieten unverzüglich von Trauer in Schock, als Paparazzi und Reporter buchstäblich hinter jeder Säule und jedem Busch hervorkamen. Sie rempelten sich gegenseitig an, um Fotos von uns zu machen, als wir in die Limousine einstiegen. Sie fotografierten, wie wir um
Fassung rangen. Sie fotografierten, wie der Sarg unseres Kindes von den Sargträgern getragen wurde. Als wir ans Friedhofstor kamen, versuchten Reporter und Kameraleute hineinzuspähen, um Fotos von der Grabrede zu erwischen. Wir waren uns nur vage der Geschehnisse bewusst, nahmen nur schemenhaft das Blitzlichtgewitter um uns herum wahr. Die Medien waren gierig nach einer Sensationsgeschichte, um Talkshows zu füllen und sensationslüsterne Schlagzeilen schreiben zu können ... Wir betteten JonBenét in Atlanta zur letzten Ruhe und traten wenige Tage später unsere gefürchtete Rückreise nach Boulder an. Ich wollte der Polizei unbedingt helfen, den Mörder unseres Kindes zu finden, und Patsy hielt es für die beste Lösung, Burke bis zum Ende des Schuljahres mit seinen Freunden an der Schule zusammen zu lassen. Wir wussten, dass sich die Polizei vollkommen auf Patsy und mich als Täter eingeschossen hatte, doch wir nahmen an, sie würden rasch feststellen, dass wir als liebevolle Eltern zu so einer Tat nicht fähig waren ... Vergrößerte Fotos von JonBenét prangten auf Kiosken und Bildschirmen auf der ganzen Welt ... Persönliche Fotos unserer Familie erschienen ohne Erlaubnis. Ein Fotograf, den wir angeheuert hatten, um uns für unsere Weihnachtskarten zu fotografieren, verkaufte die Bilder an die Boulevardzeitung mit dem höchsten Gebot. Andere Fotos von uns, die wir zum Entwickeln eingeschickt hatten, wurden gestohlen und ebenfalls verkauft. JonBenéts Krankenakte war aus der Praxis ihres Arztes gestohlen worden. Die Tatortbilder der Polizei waren gestohlen und an die Boulevardpresse verkauft worden. Ich war entsetzt, als JonBenéts Autopsieaufnahmen im Globe landeten ... Unsere normale, liebevolle Familie geriet von allen Seiten unter grausamen, bösartigen Beschuss und es wurde ein Muster sichtbar: Die Polizei gab den Medien hinter verschlossenen Türen irrefüh-
rende Informationen, um diesen Beschuss mit Munition auszustatten ... Während uns niemand von der Polizei für unschuldig hielt, glaubten uns doch viele andere Menschen. Viele waren uns gegenüber mitfühlend und freundlich. Häufig kamen auf der Straße oder in Restaurants Fremde auf uns zu. „Tut mir leid, was Ihnen und Ihrer Familie angetan wurde.“ „Wir glauben Ihnen.“ Wir erhielten Hunderte ermutigende Briefe! Ich war dankbar für jeden Brief und die Gedanken, die darin ausgedrückt wurden, und versuchte, jeden Einzelnen zu beantworten. Eine Mutter schrieb: „Wegen Ihrer Geschichte nehme ich mir fünf Minuten extra, wenn mich meine sechsjährige Tochter bittet, mich zu ihr zu setzen und Teetrinken zu spielen.“ Die Frau schrieb weiter, dass sie eine Vollzeitstelle hatte und sich kaum Zeit für ihre Tochter genommen hatte, was sie jetzt aber ändern wolle. Dieser und ähnliche Briefe brachten mich auf den Gedanken, dass JonBenéts kurzes Leben auf dieser Erde etwas Gutes bewirken könnte. Ich war immer sehr ichbezogen gewesen und hatte mich nicht sonderlich um meine Nächsten gekümmert, doch dieses überströmende Mitgefühl absolut fremder Menschen veränderte mich von Grund auf.