Leseprobe Verliebt ins Leben - ISBN 978-3-7655-1304-6

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Uwe Heimowski

Verliebt ins Leben 44 frische Mutmacher


Uwe Heimowski Verliebt ins Leben 44 frische Mutmacher 128 Seiten, gebunden, 10,5 x 17cm Erscheinungsdatum: 31.01.2013 ISBN 978-3-7655-1304-6 Bestell-Nr. 191304 EUR 9,99 (D) / SFr *14,90 / EUR 10,30 (A) * unverbindliche Preisempfehlung des Verlags

Bibelzitate folgen i.d.R. der Übersetzung: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft. Andere verwendete Übersetzungen sind wie folgt gekennzeichnet: Hfa – Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc.™ Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Alle weiteren Rechte weltweit vorbehalten.

© 2013 Brunnen Verlag Gießen www.brunnen-verlag.de Umschlagmotive: Sunny studio Igo Yaruta, Aleshyn Andrei/Shutterstock.com Umschlaggestaltung: Olaf Johannson (spoondesign.de) Satz: DTP Brunnen Druck: CPI Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-7655-1304-6



Inhalt Einleitung Neue Chance? Alles hat seine Zeit Psychosomatisch Eine Handvoll Reis Grillkäse und Gastfreundschaft Peinlich Mumbai und mehr Das ist Kunst, Papa! Ich bin es nicht Bruttosozialglück Denk dran! Der Sinn des Lebens Die beiden Wölfe Die Spieluhr eBay Eine Stimme geben Elefantenshow FC-Bayern-Strampler Fragespiel Good, better, best Hör nicht auf – spiel weiter Im Straußenei 3

5 7 10 13 16 19 22 25 28 31 33 36 39 41 43 45 48 51 54 57 60 63 66


Keine Verdammnis? Geh du vor Mama Ein Licht anzünden Muscheln und Meer Nach Auschwitz an Gott glauben? Neu denken mit Albert Einstein Wintertaufe im Planschbecken Robinson Schatzkiste Steine im Weg Stolpersteine Strandgebet Verliebt Vom Engel berührt Vuvuzela Wahltag Wenn ich groß bin Wie die Großen Wildgänse Zugewendet – abgewendet? Wo ist meine Krone? Quellenangaben

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69 72 74 77 79 82 85 88 91 94 96 99 102 105 108 110 112 114 117 119 122 124 127



Einleitung „Na, euch geht es wohl immer gut?“, begrüßte mich ein Bekannter, den ich seit Monaten nicht gesehen hatte und jetzt bei einer Sitzung traf. „Wie kommst du denn darauf?“ Ich war etwas überrascht, denn wenn er mich einfach gefragt hätte: „Wie geht’s dir?“, wäre meine ehrliche Antwort so ausgefallen: zu wenig Schlaf, viel Stress auf der Arbeit, meine Frau Christine zur Fortbildung, ein paar seelsorg­ liche Notfälle … Also, wie kam er darauf? „Ich sehe immer mal deine Einträge und Fotos bei Facebook. Wunderbare Kinder, strahlende Familie. Glückwunsch!“ Und schon musste er weiter. Mir ging das noch eine Weile durch den Kopf. Was für ein Bild gebe ich nach außen ab? Mehr Schein als Sein? Nein, dachte ich. Das ist kein falsches Bild. Ich komme an meine Grenzen, es ist nicht immer leicht, mit der Fülle der Aufgaben, einem Pastorenjob und einer halben Stelle im Bundestag. Und mit fünf Kindern. Aber wenn ich die Summe nehme, ist es eindeutig: Ich bin verliebt in dieses Leben! Es ist aufregend, spannend, lebenswert, herausfordernd, erfüllend. Das lerne ich gerade auch von Menschen, denen es nicht immer gut geht. 6


Einige Beispiele davon erzählen diese 44 kleinen Geschichten. Manchmal braucht man diesen Blick von außen: Er wirkt dann wie eine frische Brise und macht das Alltägliche wieder zu etwas Besonderem.

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Neue Chance? David ist leidenschaftlicher Musikfreund. Mit seiner Stereoanlage nimmt er Titel aus dem Radio auf, überspielt andere und mischt sie neu zusammen. Stundenlang kann er sich seinem Hobby hingeben. David wohnt in einer betreuten Wohngruppe, tagsüber arbeitet er in einer geschützten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Davids großer Traum ist ein Mischpult, mit dem er verschiedene Klangquellen zusammenführen und seine eigenen Songs erstellen kann. In der Werkstatt verdient er sein eigenes Geld, doch das Sparen gelingt ihm nicht. So bleibt der Wunsch lange unerfüllt. David wird indes nicht müde, Kataloge und Prospekte zu wälzen. Er träumt seinen Traum. Eines Tages wittert David seine Chance. Der Musiksender MTV veranstaltet ein Preisausschreiben. Hauptgewinn: ein Mischpult! Natürlich ist David einer der Ersten, der eine Postkarte mit dem Lösungswort abschickt. Er weiß jede Antwort, nur beim Schreiben helfe ich ihm ein wenig. Die Ziehung der Gewinner kann er kaum erwarten. Täglich wird er nervöser. Endlich kommt 8


der große Tag. Wir sitzen in seinem Zimmer. David fiebert der Verlosung entgegen. Die junge Frau auf der Mattscheibe fischt ins Glas, zieht eine Karte, verliest den Namen – doch Davids ist es nicht. Für einen Moment ist er fassungslos. Ich versuche ihn zu beruhigen: „Schade, David, das tut mir echt leid. Es haben eben sehr viele Leute mitgemacht.“ Verdutzt sieht David mich an, langsam zieht ein Lächeln über sein Gesicht. „Macht ja nichts, ich habe ja morgen wieder eine Chance.“ Gerade will ich widersprechen, weil die Verlosung doch einmalig war, da tippt David auf den Videorekorder: „Ich hab’s aufgenommen, da kann ich morgen noch mal mitmachen.“ Und so sitzt David an den folgenden Abenden in seinem Zimmer vor dem Fernseher. Immer neu aufgeregt. Immer mit der Hoffnung auf die „neue“ Gewinnaussicht. Irgendwann verblasst das Interesse, und David wendet sich neuen Dingen zu. Bis dahin hat er uns jedoch alle angesteckt mit seiner chancenlosen, aber herrlichen Begeisterung. Wir schmunzeln, klar. Und doch kann ich mir einiges abschauen von diesem jungen Mann mit dem kindlichen Gemüt: Er lebt seinen Traum, un9


beirrt. Er glaubt an seine Chance. Er verzagt nicht nach einer Enttäuschung. Sofort schöpft er neue Hoffnung und wagt es aufs Neue. Um wie viel mehr habe ich selber Grund zum Träumen, zum Hoffen, zum Ergreifen von Chancen? Der neue Tag, der vor mir liegt, ist keine Konserve, keine Aufzeichnung, deren Ausgang schon feststeht. Ich kann ihn gestalten. Ich kann etwas daraus machen. Die Chance dazu steht bei 100 Prozent. Und so schließe ich mich den Worten aus Psalm 143,10 an: „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“

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Alles hat seine Zeit Livia nestelt an Mamas T-Shirt herum. Die bestickte Knopfleiste fühlt sich gut an. Sie schiebt die kleinen Finger neugierig in den Ausschnitt, entdeckt den BH, jauchzt einmal in wonnevoller Erinnerung – und verliert gleich wieder das Interesse. Ein Jahr lang hat Christine sie gestillt. Hier an Mamas Brust hat Livia getrunken, gegessen, gekuschelt, Nahrung und Wärme, Trost und Geborgenheit aufgenommen. Das ist erst wenige Wochen her, doch jetzt ist es Vergangenheit. Es bleibt das neugierige Erforschen des bestickten Saumes an der Knopfleiste. Kurz flackert die Erinnerung auf. Das war’s. Livia hat jetzt einen Trinkbecher. Sie mag Bananenbrei und kleine Brotschnittchen. Mamas Brust? Nee, nee. Unsere Tochter ist jetzt groß. Wie heißt es doch gleich im Buch des Predigers? Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, 11


ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit; töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit; zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit; lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. (Prediger 3,1-8) Auch das Stillen hat seine Zeit. Und dann das selbstständige Essen und Trinken, das Matschen und Kleckern, das Erforschen und Ausprobieren. Das Kleinsein – und das Großwerden. Die Tonlage des Textes aus dem Buch des Predigers klingt irgendwie klagend und unzufrieden, wie ein großes Lamento. Zumindest wird es in der Regel so verstanden. Aber liegt da nicht auch ein Segen darin, dass 12


alles seine Zeit hat? Wenn Abschnitte zu Ende gehen, eröffnen sich neue Lebenswege. Eigene Erfahrungen sind möglich, neue Herausforderungen warten. Livia wird groß. Sie kann vieles selber machen. Sie bekommt eine Persönlichkeit. Der geschützte Moment, wenn Mama sie gestillt hat, hat ihr etwas mitgegeben, das sie ihr ganzes Leben lang behalten wird: das Gefühl und die Grund­ erfahrung, geliebt und geborgen zu sein. Würden wir versuchen, das nun festzuhalten, würde aus Geborgenheit Enge, aus Liebe ein Gefängnis. Stillen hat seine Zeit. Freiheit und Vertrauen haben ihre Zeit. Genieße jede Zeit, kleine große Livia. Und Gott schenke, dass es uns ebenfalls gelingt.

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Psychosomatisch Unser Auto spinnt. Es springt an, es fährt – und dann verliert es plötzlich an Leistung. Die Drehzahl sinkt in den Keller, wir müssen anhalten. Zwanzig Sekunden warten, neu starten. Nun geht es wieder. Bis zur nächsten Steigung. Erneut gibt es auf. Wir fahren in die Werkstatt. Ich erkläre das Malheur. „Leuchtet irgendein Lämpchen auf?“, will der Mechaniker wissen. „Nein, es zeigt nichts an.“ „Ist die Temperatur gestiegen?“ „Nein, alles war normal.“ Der Mann öffnet die Motorhaube, schaut hinter einige Motorteile, zieht an ein paar Schläuchen und schüttelt den Kopf: „Nichts zu sehen. Alles in Ordnung.“ „Aber …“, stammle ich, „es fährt nicht, es kann nicht alles in Ordnung sein.“ Er erbarmt sich und schließt ein Diagnose­gerät an. „Negativ“, brummelt er. „Nichts zu sehen.“ Er will noch wissen, ob ich vielleicht schlechten Diesel getankt hätte. Da sei neulich eine Frau 14


mit Heizöl gekommen. Ich fühle mich ein bisschen verschaukelt. Das Auto springt an, es bringt mich ohne Mätzchen nach Hause. Am nächsten Tag steht eine längere Fahrt bevor. Dienstlich. Nach fünf Kilometern auf der Autobahn fällt die Leistung wieder ab. Im Schneckentempo schleiche ich nach Hause. Wieder in die Werkstatt. Diesmal eine andere. Und wieder findet der Mechaniker nichts, auch sein Diagnosegerät zeigt an, dass alles in Ordnung ist. „Das kann aber nicht sein, ich bin gerade mit Tempo 7 nach Gera gezuckelt und habe zwanzig Mal neu starten müssen.“ Er willigt ein, mit mir eine Probefahrt um den Block zu machen. Und was geschieht? Das Auto schnurrt und zieht, als sei es frisch vom Band gelaufen. Ich fasse es nicht. Im Büro erzähle ich davon. Renate, die Gemeindesekretärin, schüttelt den Kopf: „Wenn es kein Auto wäre, würde ich sagen, es ist psycho­ somatisch.“ Wir lachen. Doch eigentlich ist das ziemlich ernst. Schon ein paar Mal war ich wegen Beschwerden beim Arzt und musste mir diese Diagnose anhören: psycho15


somatisch. Dabei waren es jedes Mal allergische Reaktionen – wie ein anderer Arzt herausfand. Natürlich gibt es viele Faktoren, die unsere Gesundheit angreifen. Und ich bin sehr dankbar, dass viele Ärzte nicht nur nach organischen Ursachen suchen, sondern auch die Seele zu ihrem Recht kommt. Doch ab und zu wird ein solcher Begriff inflationär gebraucht, um die Grenzen der eigenen Heilkunst zu kaschieren, und dem Patienten wird noch ein schlechtes Gewissen gemacht. Immer wieder ist mir das auch bei Christen begegnet: Dir geht’s nicht gut? Na, da kann doch irgendetwas nicht in Ordnung sein. Hast du gesündigt? Zu wenig gebetet? Nicht genug geglaubt? – Da kann man ja nur psychosomatisch reagieren … Zweieinhalb Wochen zickte mein Auto. Dann fand sich eine undichte Leitung. Kühlerflüssigkeit war ausgelaufen. In fünf Minuten war es repariert. Wir wissen nicht alles und können nicht alles erklären. Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Und irgendwie ja auch ganz gut – dann können wir uns mit vorschnellen Diagnosen zurückhalten.

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Eine Handvoll Reis Timothy leitet ein Kinderheim in Indien. Wir treffen uns in der Nähe von Mumbai. Timothy zeigt uns seine Arbeit, dann reden wir bis spät in die Nacht. Ich frage ihn, wie er die aufwendige Arbeit finanzieren kann. „Das meiste Geld kommt von Spendern aus Deutschland und der Schweiz“, erklärt Timothy. „Aber weißt du, es macht mir Mühe, wenn unsere Arbeit nur von Spenden aus dem Ausland getragen wird. Wie sollen wir existieren, wenn das mal wegbricht?“ Nachdenklich schüttelt er den Kopf. „Und noch etwas macht mir Mühe“, fährt er fort. „Es ist nicht gut für Menschen, wenn sie immer nur Empfänger von Almosen sind. Natürlich brauchen wir Hilfe. Aber im Geben liegt der eigentliche Segen, nicht im Nehmen. Das hat Jesus gesagt, und es gilt auch für die Armen. Deswegen möchte ich gerne eine 70:30-Quote für unsere Arbeit erreichen. Mindestens 30 Prozent der Finanzen sollen aus dem eigenen Land kommen.“ Noch ist dieses Ziel nicht erreicht. Doch eine interessante Aktion hat Timothy schon gestartet: 17


„Wir nennen sie ‚Eine Handvoll Reis‘. Viele Familien aus befreundeten Gemeinden machen mit“, berichtet er. „Die meisten Familien in Indien kochen zweimal am Tag Reis. Einmal morgens, einmal abends. Die Frauen haben einen großen Sack voll Reis in der Küche stehen. Pro Person nehmen sie eine Handvoll heraus und kochen sie. Das ist die Portion für eine Mahlzeit. Nun war unsere Idee, pro Mahlzeit jeweils eine Handvoll Reis in ein Extragefäß zu tun. Die ist für unser Waisenhaus gedacht. Zwei Hände, sieben Tage. Sonntags nehmen die Familien den Reis mit in den Gottesdienst, dort wird er gesammelt und zu uns gebracht. Wenn sechzig Familien mitmachen, können wir alle Kinder hier im Heim satt bekommen.“ Er macht eine Pause, dann fährt er strahlend fort: „Und weißt du was? Wir haben mehr als genug Reis.“ Ich bin beeindruckt. Wenn jeder ein bisschen gibt, fällt das für den Einzelnen kaum ins Gewicht – und doch kann ein ganzes Kinderheim davon ernährt werden. Hier sehe ich ganz konkret, dass das Prinzip „Geben ist seliger als nehmen“ Wunderbares wirkt. Mindestens genauso wie die Idee an sich fasziniert mich Timothys Haltung. Seine Einstellung 18


zum Geben und seine Einstellung zu den Armen. Er sieht nicht nur ihre Bedürftigkeit, sondern erkennt ihre Möglichkeiten. Er ermutigt Menschen, großzügig zu sein mit dem, was sie haben. Teilen ist jedem möglich. Und es macht niemanden arm. Es gibt noch den Ärmsten einen besonderen Wert. Wie kommt Timothy darauf? Timothy ist Christ. Er glaubt, dass das, was Jesus gesagt hat, für alle Menschen gilt. Für Arme und Reiche gleichermaßen. Und dass ein Segen darin liegt, auf Jesus zu hören. Für Reiche und Arme.

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