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Reinhold Ruthe Gl端ck


«Ich aber – Gott nahe zu sein ist mein Glück.» Psalm 73,28 (Einheitsübersetzung) Jahreslosung für das Jahr 2014

Der Autor Reinhold Ruthe, geboren 1927, ist verheiratet mit Charlotte, mit der er die erste deutsche Eheschule gründete. Er ist Eheberater und Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche und leitete bis 1990 eine evangelische Familienberatungsstelle. Später Dozent für Psychologie und Pädagogik an zwei staatlichen Fachschulen. Er gründete mit Frau und Tochter das Magnus-Felsenstein-Institut für beratende und therapeutische Seelsorge und ist Autor von über 100 Büchern.


Reinhold Ruthe

Gl端ck Nur ein fl端chtiger Gast? Oder ein berechtigter Anspruch f端rs Leben?


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Die Bibelstellen sind in der Regel aus «Hoffnung für alle» (revidiert 2002) und «Die Gute Nachricht» zitiert. Dieses Buch basiert in weiten Teilen auf dem längst vergriffenen Buch von Reinhold Ruthe aus dem Jahr 2001: «Glück. Wege zu einem erfüllten Leben». Es wurde dann vom Autor 2012 ergänzt, erweitert und bearbeitet.

2012 by Brunnen Verlag Basel Umschlag: spoon design, Olaf Johannson, Langgçns Foto Umschlag: Maga/Shutterstock.com Satz: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel Druck: Aalexx, Großburgwedel Printed in Germany ISBN 978-3-7655-4163-6


Inhalt

Vorwort.............................................................................7

Baustein Nr. 1: Glück hat viele Gesichter .............................10 Baustein Nr. 2: Zwçlf Irrtümer über das Glück .....................27 Baustein Nr. 3: Ich teste mein Glückspotenzial .....................38 Baustein Nr. 4: Türen zum Glück........................................47 Baustein Nr. 5: Worte über das Glück..................................54 Baustein Nr. 6: Was sagen die Glücksformeln? .....................58 Baustein Nr. 7: Was haben Glück und Sinn des Lebens gemeinsam?...............................................68 Baustein Nr. 8: Glück ist ein erfülltes Leben .........................73

Glaube und Glück .........................................................103 Nachwort ......................................................................105 Anmerkungen ...............................................................106

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Vorwort

Glück – nur ein flüchtiger Gast? Handelt es sich um Gewissheit oder um eine Vermutung? Hat man einen berechtigten Anspruch darauf? Ist das Glück immer heimatlos und nicht sesshaft? Oder gibt es Menschen, bei denen das Glück einkehrt, bleibt und sich mehr oder weniger zu Hause fühlt? Viele behaupten … & &

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dass Glück nur eine begrenzte Lebensfreude beinhaltet, dass Glück mehr oder weniger ein Zufallsprodukt darstellt, dass Glück uns nur ein vorübergehendes Wohlgefühl beschert, dass Glück sich als ein unverfügbares Gefühl entpuppt.

Kçnnen wir das Glück selbst schmieden, oder fällt es uns arbeitslos in den Schoß? Kçnnen wir es erjagen, oder ist es ein Zufallstreffer? In der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 heißt es: «Das Streben nach Glück gehçrt zu den von Gott geschenkten unveräußerlichen Rechten eines jeden Menschen, gleichberechtigt neben Freiheit und Leben.» Die Verfasser der Erklärung hatten nicht nur das private Glück vor Augen, sondern auch das çffentliche Glück aller Menschen. Und sie waren überzeugt: Jeder kann es anstreben. Der Mensch kann also nach Glück streben. Und wie sieht das Ergebnis aus? 7


Zweifellos kreisen die Sehnsüchte der Menschen um Glück und Glücklichsein. Zum neuen Jahr, zur Hochzeit, zum Geburtstag, zur Prüfung und zum neuen Lebensabschnitt wünschen wir uns auf Karten und bei Telefonaten vor allem Glück. Was meinen wir damit? Andere Begriffe sind: Zufriedenheit und Lebensfreude, Lebensinhalt und Lebenserfüllung, innere Ausgeglichenheit und vor allen Dingen Sinn im Leben. Diese Begriffe bedeuten mehr als ein kurzatmiges Glück, beinhalten mehr als High-Sein. Oft habe ich den Schlager gehçrt, gesungen von der wohlklingenden Stimme Bobby McFerrins: «Don’t worry, be happy!» – «Mach dir keine Sorgen, sei glücklich!» Funktioniert dieser Appell zum Glücklichsein? Kçnnen wir das Glück zwingen? Wie strebt man es an? Gibt es vorherbestimmte Glückspilze und Pechvçgel? Wir gehen dem nach, wie Menschen aussehen, die glücklich leben und die zufriedener als andere sind. Wie haben sie das angestellt? Gibt es wirklich so etwas wie einen Glückscode, von dem immer wieder die Rede ist? Die unterschiedlichsten Wege, viel diskutierte Mçglichkeiten, wissenschaftliche Glücksuntersuchungen und gängige Praktiken werden im Folgenden vorgestellt. Doch nicht zuletzt ist das Glücksstreben eine Frage an uns Christen. Ist Glück in der Bibel eine Randerscheinung? Oder sind Glück und Glückseligkeit auch Ziele des christlichen Glaubens und Lebens? Ich bin als Christ überzeugt, dass es Wege gibt, das Glück sesshafter zu machen und es im Herzen der Menschen heimischer werden zu lassen. Dieses Büchlein ist kein Rezeptbuch, das den Erfolg garantiert, aber es enthält Strategien, unser Gesamtbefinden zu verbessern. 8


Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie einen Seelsorger oder einen Menschen Ihres Vertrauens. Ich wünsche Ihnen neue Einsichten und ein paar neue Anregungen, Ihr Glückspotenzial zu vergrçßern, wenn Ihnen der Sinn danach steht. Viel Glück und viel Segen auf all Ihren Wegen. Reinhold Ruthe

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Baustein Nr. 1: Glück hat viele Gesichter In einem Seminar über Zufriedenheit habe ich die Teilnehmer ermutigt, alles unter dem breit gefächerten Thema «Glück» zusammenzutragen, was ihnen in den Sinn kam. Die Flipchart war voll von unterschiedlichen Aussagen. Sie charakterisieren, was alles mit dem schillernden Begriff ausgesagt werden kann: & & & & & & & & & & & & & & & & & & &

Gelebter Traum, gutes Selbstwertgefühl, beherrschte Emotionen, Schçnheit und Jugend, stille Zufriedenheit, innere Übereinstimmung, glückliche Lebensumstände, schçner Schein, ein lebendiger Prozess, frei von Krankheit, frei von Belastungen, heitere Gelçstheit, harmonisch gestimmt sein, positiver Umgang mit Stress, hohe Lebensqualität, gelingendes Leben, ohne Begehrlichkeit leben, erfülltes Leben, den Sinn im Leben gefunden haben.

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Deutlich wird: Jeder bringt andere Aspekte zur Sprache. Jeder schildert ein anderes Gesicht des Glücks. Jeder setzt andere Schwerpunkte. Woran liegt das? Wir Menschen denken, fühlen, empfinden und reagieren verschieden. Keine zwei Menschen auf der Welt sind gleich. Weil das so ist, haben wir auch unterschiedliche Vorstellungen vom Glück. Dieser Begriff lçst bei allen Menschen andere Gefühle und Reaktionen aus. & & &

Welche Aussage spricht Sie am stärksten an? Welches Lebensgefühl berührt Sie am meisten? Welche dieser Feststellungen – wählen Sie ruhig zwei oder drei – stehen ganz oben auf Ihrer Wunschliste?

Genuss und Spaß werden großgeschrieben Die Flut der Ratgeberliteratur schwappt über. Wir leben in einer «Erlebnisgesellschaft», wie der Soziologe Gerhard Schulze formuliert hat. Konsum, Genuss und Spaß werden großgeschrieben. Glück wollen alle. Doch ganz gleich, ob Liebesverzückung, plçtzlicher Karrieresprung, endloses Dçsen am Palmenstrand oder Betreuung von Straßenkindern in Rio de Janeiro – Glück ist schwer zu fassen. Viele mçchten am liebsten den Jackpot des Lebens knacken. Die RatgeberFabrikanten spüren die Sehnsucht Unzähliger und schreiben sich die Finger wund, was der Mensch alles anstellen soll, um glücklich zu werden. Mit Sicherheit kann man sagen: Happiness ist nicht machbar. Glück ist zu kompliziert, zu vielschichtig. Es kann eben nicht jeder das große Los ziehen. Und mit einigen «Psychotechniken» wird das Glück nicht erzwungen. Nicht wenige wollen uns aber weismachen, Glück sei machbar, Glück sei käuflich, Glück kçnne trainiert werden. Wir müssten nur das Trainingsprogramm für die Seele beherrschen. Da heißt es in einer Frauenzeitschrift: «Übung Nr. 5: 11


Kreieren Sie Ihre Vision! Erschaffen Sie in Tagträumen das Zukunftsbild von sich, das die schçnsten Gefühle in Ihnen auslçst. Nur darauf kommt es an! Weder was Ihr Verstand noch was andere Leute dazu sagen würden, spielt irgendeine Rolle.» Oder: «Übung Nr. 6: Bauen Sie Luftschlçsser – das trainiert die Fantasie, die Sie für die Wirklichkeit brauchen … Gçnnen Sie sich was! Wir brauchen jeden Tag eine Portion von Glück.»

Glück ist die Folge einer positiven Lebenseinstellung Nein, diese Übungen sind nicht der Weg zum Glück. Diese Übungen sind Symptomkosmetik. Sie vermitteln uns ein paar Minuten lang schçne Gefühle, in die wir flüchten. Sie schenken uns aber keine zufriedene und glückliche Lebensgrundstimmung. Einer der bedeutendsten Psychiater der Gegenwart, Professor Viktor E. Frankl, hat immer wieder betont, dass man Glück nicht anstreben kann. Glück ist die Folge einer Lebenseinstellung, die Arbeit, Leben, Liebe und den Sinn des Lebens bejaht. Glück ist der Erfolg einer Kette von Lebensstilmustern, die dem glücklichen Menschen im Lauf seines Lebens zugewachsen sind. Der Erfolg muss erfolgen. Erfolg tritt dann ein, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllt sind. Der Selbstappell: Sei jetzt mal erfolgreich!, ist ein Witz. Auch der Erfolg kann nicht angestrebt werden, wenn wiederum Voraussetzungen im Menschen selbst nicht erfüllt sind. Glück ist ein Geschenk, eine Zugabe, wenn viele Voraussetzungen stimmen. Glück ist ein Nebenprodukt, das abfällt, wenn in uns eine Reihe von Grundmustern stimmig sind. Und davon soll in diesem Buch die Rede sein.

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Was verstehen wir unter Glück? Ja, was verstehen wir eigentlich unter Glück? Ist es ein Gefühl? Eine erträumte Situation? Schwebt jemand im «siebten Himmel»? Meint der Mensch ein Sonderangebot bei Aldi? Hat er Glück gehabt und wurde bewahrt? Meint Glück das große Los? Was meinen wir, wenn wir von «großem Glück» und von «kleinem Glück» sprechen? Das Wort «Glück» ist bereits seit dem zwçlften Jahrhundert bezeugt. Es ist sinnverwandt mit dem altgermanischen Wort «Heil». Heilung, Rettung, Beistand, günstige Vorzeichen und auch Zufall kçnnen damit bezeichnet werden. Das englische Wort «luck» wurde aus dem mittelniederländischen «[ghe]lucke» abgeleitet. Der Begriff «gelücke» hat sich im Mittelhochdeutschen unter verschiedenen Bedeutungen festgesetzt: Geschick, Zufall, Schicksal[smacht], günstiger Ausgang, [guter] Lebensunterhalt. Das Verb «glücken» ist eine Ableitung davon und meint «gelingen».1 Was dem Menschen glückt oder gelingt, hat etwas mit Glück zu tun. Wer heil wird, wer ganz wird, wer Heilung, Rettung und Beistand erfährt, ist ein glücklicher Mensch. Wie glücklich müssten Christen sein, die diese Hilfen erfahren haben! Glück hat viele Gesichter. Das machen schon die Begriffe deutlich, die in allen Sprachen unterschiedlich sind. Im Lateinischen sprechen wir von fortuna und beatitudo. Im Griechischen sprechen wir von eutychia und eudaimonia. Im Englischen sprechen wir von luck und happiness. Im ersten Fall meinen wir den Zufall, der uns gut gesonnen war: «Wir haben Glück gehabt.» Etwas salopp sagen 13


wir sogar: «Wir haben Schwein gehabt.» Das Schwein ist der Inbegriff des Glücks. An Silvester werden Glücksschweinchen verschenkt. Und die Sparkassen verschenken Glücksschweine in allen Grçßen und Formen als Spardosen. Jesus hat für Menschen auf der Suche nach Glück seine «Seligpreisungen», seine «Glücklich-Preisungen», formuliert (siehe Matthäus 5,3ff.): Glücklich sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihrer. Glücklich sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getrçstet werden! Glücklich sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen! Glücklich sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden! Glücklich sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Glücklich sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Glücklich sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen! Glücklich sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihrer! Vorschlag: Lesen Sie jeden Tag eine Glücklich-Preisung und lassen Sie den Satz in der Stillen Zeit auf sich wirken. 14


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Kçnnen Sie die Aussagen von Jesus mit Glück identifizieren? Welche Vorstellungen haben Sie persçnlich von Glück? Welcher Umstand, den Jesus anspricht, macht Sie am glücklichsten?

Was macht glücklich? Unter dieser Überschrift wurde Deutschlands führende Meinungsforscherin, Frau Professor Elisabeth Noelle-Neumann (sie starb 2010), von «ideaSpektrum» interviewt. Sie zählte zu den Pionieren der Glücksforschung in Europa. Die Gründerin des Instituts für Demoskopie Allensbach stellte fest, dass der Anteil der sich als glücklich bezeichnenden Deutschen trotz nie gekannten Wohlstands seit 1953 gleich geblieben ist. Er liegt etwa bei 30 Prozent. Das Jahr 1965 brachte bisher den Glücklichkeitsrekord von 33 Prozent. Die Glücksforschung interessiert sich beispielsweise besonders dafür … & & &

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was Menschen motiviert, ein glückliches Leben zu führen, welche Ziele Menschen sich setzen, um zufrieden zu sein, welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Freiheitsgefühl und guter Arbeit, welcher Zusammenhang besteht zwischen Zufriedenheit und Arbeitsplatz und dem Gesundheitsstatus, welche Verschiebung der Werte in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat, welche Erwartungen der Bürger an Staat und Gesellschaft hat, wie Aktivität und Lebenssinn über das Glücksgefühl des Menschen entscheiden.

Frau Noelle-Neumann erlebte in der Glücksforschung eine Trendverschiebung. «Rechte Werte», die für individuelle 15


Freiheit, für Eigeninitiative und für Übernahme von Verantwortung stehen, haben einer Befürwortung von «linken Werten» Platz gemacht. Unter «linken Werten» versteht man Gleichheit, soziale Sicherheit und Geborgenheit, auch Ansprüche gegenüber Staat und Gesellschaft. Frau NoelleNeumann wçrtlich: «Die Verschiebung nach links ist sehr ernst, weil sie zusammenhängt mit Aktivität und Passivität. Aktivität wird eher mit Lebensformen erreicht, die in der politischen Rechten geschätzt werden – Verantwortung übernehmen, Anstrengungen nicht wegschieben, den Wettbewerb bejahen. Diese ‹rechten Werte› aktivieren den Menschen. Nur haben wir augenblicklich ein starkes Übergewicht an ‹linken Werten› – nach dem Motto: ‹Geborgenheit ist schçn, der Staat soll alles machen!› Aber: Am engsten verbunden mit einem glücklichen Leben ist das Aktivieren von Menschen.»2 Glück hat einen Zusammenhang mit Kreativität und Handeln. Auch im Alltag nach der Pensionierung ist es notwendig, dass Menschen sich engagieren, sich für andere einsetzen und ihnen helfen. Nächstenliebe dient dem anderen und auch dem eigenen Leben. Nächstenliebe stärkt das Selbstwertgefühl. Nächstenliebe beglückt den Mitmenschen und bestätigt das eigene Leben.

Das Glück der Goldenen Regel Glück ist: Schenken und beschenkt werden, Glück ist: Geben und nehmen, Glück ist: Annehmen und angenommen sein, Glück ist: Befriedigen und befriedigt werden, Glück ist: Achten und geachtet werden, 16


Glück ist: Bestätigen und bestätigt werden. Selbstliebe und Nächstenliebe sind unteilbar, darum lautet das Urwort des Alten und des Neuen Testaments (3. Mose 19,18; Luther): «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.» Jesus spitzt das Wort zu und sagt, dass in diesem Wort, verbunden mit der Liebe Gottes, das gesamte Gesetz und die Propheten enthalten seien. Mehr brauchen wir nicht. Wer Gott über alles liebt, wer sich ihm ganz ausliefert und wer sich intensiv dem Nächsten zuwendet, der führt ein zufriedenes und glückliches Leben. Warum ist das so? & & & &

Er nimmt alles, was kommt, aus Gottes Hand. Er sieht in allem Geschick das Geschickte. Er kann getrost und ruhig alles diesem Herrn überlassen. Er hat Kraft und Energie für den Nächsten zur Verfügung, weil er sich nicht egoistisch um sich selbst drehen muss.

Nicht nur im Christsein, sondern auch in anderen Religionen ist die «Goldene Regel» Trumpf: «Was euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch» (Matthäus 7,12). Das heißt doch: Wer Gutes tut, wird Gutes erfahren. Wer Toleranz beweist, wird Toleranz erleben. Wer Ehrlichkeit praktiziert, wird von seinem Nächsten Ehrlichkeit erwarten kçnnen. Weil aber dieses Gesetz der Gemeinsamkeit, dieses Kardinalwort von der Nächstenliebe, von vielen nicht mehr prakti17


ziert wird, ist die Liebe erkaltet. Wir erleben den «Wärmetod der Zwischenmenschlichkeit», wie es der längst verstorbene Ethnologe Professor Konrad Lorenz vorausgesehen hat. Ist es ein Wunder, wenn uns das Glück zwischen den Fingern zerrinnt? Jetzt wird es verständlich. Glück ist die Folge der oben genannten positiven Einstellungsmuster. Glück ist das Ergebnis dieser entscheidenden Faktoren. Und wir fragen uns: Was geschieht mit dem Menschen, dessen Herz Liebe verstrçmt? … Und wir fragen uns:

Das «große» Glück? Die Werbebranche mçchte uns fortwährend «das große Glück» vermitteln. Mit «kleinem Glück» gibt sie sich nicht ab. Wie heißt es in einem Fernsehspot: «Wir machen Millionäre!» Im Hintergrund erscheint eine Luxusvilla, und der Millionär geht auf einen Wagen der Luxusklasse zu. Alles wird übertrieben und dramatisiert und überzeichnet. Aus dem Star wird der Superstar. Aus dem Superstar wird der Megastar. Norbert Schnabel greift in einer christlichen Zeitschrift diesen Trend auf. «Mut zur Ehrlichkeit, oder: Vom Zwang, gut drauf zu sein … Die Werbebranche zieht kräftig mit. Hyperschlanke, athletisch-durchtrainierte Traummodels springen tagtäglich auf allen Kanälen voller Lebenslust morgens aus den Betten, bersten schier vor Übermut, genießen schon die Frühstücksmarmelade beinahe ekstatisch und sind zusammen mit braun gebrannten, lachenden Supertypen den ganzen Tag über einfach toll drauf. Sie sind jung, dynamisch, immer obenauf, haben alles fest im Griff. Genuss pur, und zwar jetzt sofort, ist ihre Devise, und vor allem: ‹Happiness ist machbar, ist käuflich. Lass dir nichts entgehen, lass dich auf gute Laune polen!› Was hier auf die Spitze getrieben wird, machen sich immer mehr Zeitgenos18


sen auch in ihrem Alltag zum Leitmotiv: Das meiste aus seinem Leben holt der raus, der gut drauf ist, ständig unter Strom steht, sich nichts entgehen lässt, sich die rosarote Brille auf die Nase schweißen lässt. Unter diesen Sonnyboys und -girls haben ¾ngste, Zweifel oder Niedergeschlagenheit keinen Platz. In sich gekehrte, schweigsame und komplizierte Menschen sind nicht gefragt. Langeweiler und kritisch eingestellte Typen passen nicht zur eigenen locker-flockigen Stimmung.»3 Schnabel hat Recht: Wer die meisten Stimmungsnormen nicht erreicht, hat das Gefühl, bei ihm stimmt etwas nicht. Er ist out, er ist ein «Loser», ein Verlierer. Nur die Energiebündel zählen, die strahlenden Optimisten, die begeistern und mitziehen. Sie sind immer gut drauf und demonstrieren ein Glück, das gemacht ist. Sie verkçrpern ein Glück, das gestylt und hochgejubelt wurde – aber es ist innen hohl. Die Devise lautet: Sei happy! Reiß den Mund zu einem breiten Lächeln auf, und du hast Glück und Erfolg! Wie es in dir drin aussieht, geht niemanden was an. Diese Glücksrezepte verleiten zu einem vorgespielten Glück, sie sind unecht und kçnnen nur enttäuschen. Sie halten nicht, was sie versprechen. Man sollte jedem, der sich hintenherum das Glück erschleichen will, zurufen: «Hüten Sie sich vor dem großen Bluff!»

Der große Fisch an der Angel der Sehnsucht Viele kennen die ausgezeichnete Geschichte von Ernest Hemingway, Der alte Mann und das Meer. Es ist ein Gleichnis für alle Glückssucher in unserer Welt. Da ist ein armer Fischer. Er wartet auf den Fang seines Lebens. Er mçchte zu gern das große Glück an seiner Angel haben. Er lebt von der Hand in den Mund und wartet auf das Highlight seiner alten Tage. Täglich ist er auf See, rudert gegen Wind und Wellen an. Eines Tages hat er den großen Fisch an der Angel. Es 19


schießt ihm durch den Kopf: «Das Glück ist in greifbarer Nähe!» Ein unmenschlicher Kampf beginnt, das Ungetüm des Meeres heil aus dem Wasser zu ziehen. Der Fisch spürt den Tod, er schlägt verzweifelt mit den Flossen und bäumt sich gegen den alten Mann im Boot auf. Der alte Mann überschlägt das Gewicht des Riesenfisches. Mitten im verzweifelten Kampf rechnet er aus, was der Fang ihm bringen kann. Der Riesenfisch hat verloren. Der alte Mann hat ihn im Schlepptau und versucht so schnell wie mçglich den Heimathafen anzusteuern. Plçtzlich rumort es im Wasser. Seine Beute wird von Haien angegriffen. Die Meute der hungrigen Raubfische wird grçßer, und der Fang des alten Mannes kleiner. Er schlägt mit den Rudern auf die Haie ein, aber sie lassen sich nicht abschütteln. Die Haie zerfetzen seinen großen Fang. Abgekämpft und schachmatt landet der alte Mann im Hafen. Im Schlepptau hat er lediglich ein abgenagtes Skelett. Der Traum vom großen Glück hat sich in Nichts aufgelçst. Das ist ein grandioses und zugleich düsteres Bild für die Jagd des Menschen nach dem großen Glück. Wer den großen Fisch an der Angel hat – und wer mçchte das nicht? –, ist noch nicht glücklich. Der große Fang ist eine Illusion, die Jagd nach dem Glück eine falsche Strategie. Überall im Leben lauern die Haie, um uns das Glück streitig zu machen. Der Reiche, Glückliche wird beneidet. Menschen liegen auf der Lauer, von dem Glückskuchen etwas abzubekommen. Was drückt Hemingway mit seinem Gleichnis aus? &

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Wer auf den großen Fang seines Lebens lauert, wird bitter enttäuscht. Das Warten auf das gewaltig große Millionending frustriert und verzehrt alle Energien der Zufriedenheit. Wer das Glück erhaschen will, fängt sich Skelette ein. Wer mit dem, was er hat, zufrieden ist und nicht nach dem großen Fischzug schielt, lebt hingegen ruhiger und glücklicher. 20


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Wer sich, seine Gaben, seine Arbeit und sein Leben akzeptiert, wie es ihm «zufällt», wird nicht von Sehnsucht nach dem großen bzw. «noch viel, viel grçßeren» Glück zerfressen werden.

Wenn die Gier das Glück zerstçrt Eine lehrreiche chinesische Legende berichtet von einem Schüler, der seinen Meister auf dem Spielplatz fragt: «Wie kommt es eigentlich, dass die Menschen überall glücklich werden wollen und es trotzdem nicht fertigbringen?» Der Meister denkt einen Augenblick nach und schaut auf die spielenden Kinder. «Schau sie dir an, sie sind alle glücklich.» «Das sind die Kinder, und wie ist es mit den Erwachsenen?», fragt der Schüler. Der Meister holt aus den Taschen seines Gewandes eine Handvoll Münzen und wirft sie zwischen die spielenden Kinder. Im gleichen Augenblick ist das Lachen der Kinder verschwunden, wie die Besessenen stürzen sie sich auf die Münzen. Jeder will die meisten für sich einstecken. Einige Kinder schreien, andere weinen. Die einen jubeln, die anderen machen grimmige Gesichter. Der Meister dreht sich zum Schüler um: «Was glaubst du, wer hat das Glück zerstçrt?» Der Schüler findet nur zwei Worte: «Die Gier!» Der Meister nickt ihm zu: «So ist es.» Die immer wieder ab- und anschwellende Finanzkrise, die die ganze Welt bis heute in Atem hält, zeigt die Gier des Menschen unverhüllt. Gier charakterisiert die Maßlosigkeit, die Unersättlichkeit, die Habsucht und die Vçllerei, wie die Bibel das bezeichnet. Wenn es um Geld und Besitz geht, zeigt der Mensch sein wahres Gesicht. Er kann den Hals nicht vollkriegen. Ist es nur das Gefühl, zu kurz zu kommen? Sind 21


es nachvollziehbare Erziehungsfehler? Wurden Kinder übersehen, übervorteilt und zu kurz gehalten? Erziehungseinflüsse spielen sicher eine Rolle. Aber sind sie der Hauptgrund? Ich glaube es nicht. Der Mensch vergleicht sich. Diese Ursünde wird sofort nach der Vertreibung aus dem Paradies deutlich. Wer hat mehr zu sagen, der ¾ltere oder der Jüngere? Was ist wichtiger, Ackerbau oder Viehzucht? Wer bekommt den Segen, Kain oder Abel? Wer bekommt mehr, der eine oder der andere? Unerfüllte Ansprüche kennzeichnen den Menschen. Am Ende steht der Eifersuchts-Vergleichsmord. «Je mehr er hat, je mehr er will, nie schweigen seine Wünsche still.» Ein wahrlich treffendes Sprichwort. Gier kennzeichnet den Menschen. Er giert nach Anerkennung, er giert nach Bestätigung, er giert nach Ehre, er giert nach Ruhm, er giert nach Karriere, er giert nach Lust, Spaß und Besitz. Und genau diese Dinge machen nicht glücklich. Sie beruhigen auch nicht, wie viele meinen. Denn die psychosomatischen Kliniken sind voll von Leuten, die viel haben, die begütert sind, die aber latent unter Burnout-Syndromen und Depressionen leiden.

Die Gier torpediert den Genuss Gier gehçrt zweifellos zu den Süchten. Mit der Gier sind Habsucht, Karrieresucht, Ehrsucht, Ruhmsucht, Eifersucht, Bestätigungssucht und Anerkennungssucht verbunden. Gier und Unersättlichkeit sind Geschwister. Gier verhindert die Gelassenheit, Gier torpediert den Genuss. Das Wort Gier kommt in vielen Umschreibungen vor: Wir sprechen von Geldgier, von Habgier, von Lebensgier, von Sexgier, 22


von Neugier, von Fressgier und Raffgier. Diese Dinge stçren den Genuss. Und zum Glücklichsein gehçrt immer auch der Genuss. Der wirklich Glückliche kann genießen. Er ist ja zufrieden, weil er nicht mehr haben muss. Gott hat dem Menschen so viel Freude am Leben und so viel Genuss an seinen Gaben zugesprochen, dass er schon auf den ersten Seiten der Bibel betonte: «Du darfst essen von allen Bäumen im Garten» (1. Mose 2,16; Luther). Nur ein Bäumchen sollte er nicht anrühren, um sich nicht unglücklich zu machen. Und genau das lässt er nicht in Ruhe. Die Sünde hat den Genuss infiziert. Solange wir wie gebannt auf die Allmacht des Geldes schauen, ziehen wir uns die Schlinge der Unzufriedenheit und des Unglücks um den Hals. Gier erstickt unsere Gelassenheit. Gier erstickt den inneren Frieden. Geld und Gier werden zur Sorge Nummer eins in unserem Leben. Da hat der Apostel Paulus ein hilfreiches Wort an den jungen Timotheus geschrieben. Es gilt uns in gleicher Weise: «Dabei ist doch jeder reich, der an Gott glaubt und mit dem zufrieden ist, was er hat. Denn wir sind ohne Besitz auf diese Welt gekommen, und genauso werden wir sie auch wieder verlassen» (1. Timotheus 6,6–7; Hoffnung für alle). Genügsamkeit ist ein Geschenk, Genügsamkeit macht gelassen, Genügsamkeit lässt uns stressfrei sein. Wir sind reich, wenn wir zufrieden sind mit dem, was wir haben; wir sind reich, wenn wir aus Gott, in Gott und mit Gott leben; wir sind reich und glücklich zugleich, wenn sein Friede in uns wohnt.

Der «Graumacher» des Glücks Im menschlichen Gehirn haben die Forscher einen «Graumacher» entdeckt, der Glücksgefühle und Trauer schon 23


nach kurzer Zeit einebnet. Der Psychologe Philip Brickman von der Universität Michigan sprach mit Menschen an beiden Enden der Glücksskala, also mit Lottomillionären und mit Querschnittsgelähmten. Dabei zeigte sich, dass die Glückspilze nur in der ersten Zeit nach dem Volltreffer in euphorischen Glücksgefühlen schwelgten. Aber schon bald danach fielen sie wieder in ein gefühlsmäßiges Mittelfeld zurück. Viele erlebten das als grauen Alltag. Die berauschenden Glücksgefühle waren verschwunden. Viele litten mehr als vor dem großen Glück. Bei den Querschnittsgelähmten fand Brickman einen ähnlichen Ablauf, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Ein Unfall, der jemanden aus seinem gewohnten Leben gerissen hatte, belastete die Betroffenen schwer. Aber nach relativ kurzer Zeit hatten sie sich arrangiert, sie hatten sich mit ihrem Schicksal einigermaßen ausgesçhnt. Die Forscher glauben, dass der seelische Apparat über einen Schutzmechanismus verfügt, überbordende Reaktionen zu entschärfen. Fachleute sprechen von einer «hedonistischen Adaption». Gegen diesen «Graumacher» helfe nur die «Enthaltsamkeit», so der Entdecker Philip Brickman.4 In der Theologie sind Keuschheit und Enthaltsamkeit, Demut, Milde und Sanftmut Verwirklichungen der Zucht, während Unkeuschheit, Unenthaltsamkeit, Hochmut und hemmungsloser Zorn Formen der Unzucht sind. Die abstinentia, die Tugend der Enthaltsamkeit, soll stärken, nicht schwächen, soll beflügeln und nicht lähmen. Die Tugend der Enthaltsamkeit, die im Fasten angewandt wird, kann durchaus zur Heilkunst gezählt werden. Enthaltsamkeit soll aus «einem heiteren Herzen» erfolgen. Darum lehnt Jesus die finster blickende Heuchelei beim Fasten entschieden ab. Wenn in diesem Sinne Enthaltsamkeit nicht falsch verstanden und ausgeübt wird, stärkt sie unser Seelenleben und lässt uns wirklich glücklich und zufrieden sein. Der katholische Theologe Thomas von Aquin konnte darum 24


den erstaunten Zuhçrern den Satz sagen: «Ziel und Norm der Zucht ist die Glückseligkeit.»5

Krankheit als Glücksfall «Krankheit als Glücksfall»: Mit dieser überraschenden Zwischenüberschrift kennzeichnet der katholische Facharzt für Psychiatrie, Manfred Lütz, in seinem Bestseller Lebenslust einen wichtigen Abschnitt seines Buches. Wçrtlich heißt es bei ihm: «Damit wären wir bei der Krankheit als Chance … Wie also kçnnte man solche Unfälle des Lebens als Glücksfälle betrachten? Um auch hier Missverständnisse zu vermeiden: Krankheit ist für den einzelnen Menschen zunächst einmal eine Last, und man wünscht niemandem eine Krankheit. Ein Leben ohne Krankheit gibt es nicht … In der Antike kannte man einen ‹morbus sacer›, eine heilige Krankheit.»6 Lütz schildert in seinem Buch eine Reihe katholischer Heiliger, die durch Krankheit Christen wurden und große Orden gründeten oder als Heilige Verehrung empfingen. Er erzählt ausführlich die Geschichte des Jesuitenordens und seines Gründers, Ignatius von Loyola, oder des Franziskanerordens mit dem Gründer Franz von Assisi. Er kann wçrtlich sagen: «Man kommt nicht umhin festzustellen, dass die katholische Kirche der Krankheit viel zu verdanken hat … Krankheit gehçrt zum Leben dazu, sie bringt schärfere Kontraste ins tägliche Einerlei der dahinlaufenden Zeit. Niemand wird Krankheit idealisieren. Wer die Krankheit aber bloß als bedauerliches Defizit wahrnimmt, der bleibt an der Oberfläche und dem entgeht die Tiefe und der volle Geschmack des Lebens.»7 Lütz sieht auch im Schmerz «zunächst einmal einen Glücksfall, einen diagnostischen Glücksfall». Die Zahl der Menschen in der Weltgeschichte ist groß, die durch Krankheit oder traumatische Erlebnisse eine Lebenswende, eine 25


Umkehr ihres bisherigen Denkens und Glaubens erlebt haben. Ich selbst kann nur bestätigen, dass die Kriegsgefangenschaft, in die ich mit siebzehn Jahren geriet, einen totalen Umschwung in meinem Leben gebracht hat. Nur im Nachhinein kann ich das bestätigen: Die Kriegsgefangenschaft war ein Glücksfall in meinem Leben. Ein glückliches Leben ohne Leid, ohne Schmerzen, ohne Krankheiten und ohne Rückschläge wäre ein Leben ohne Entschiedenheit, ohne Lebendigkeit und ohne Leidenschaft, wäre eine saft- und kraftlose Veranstaltung. Wirkliches Glück erwächst oft aus Leiden, auch aus Enttäuschungen und Traumatisierungen. Christen verstehen, dass Gott auch durch Krankheiten, Leid und Schmerzen, durch belastende Erlebnisse zu uns reden will. Um es noch einmal mit Manfred Lütz zu sagen: «Jede Religion und sogar jeder Atheismus ist eine Antwort auf das Leiden der Menschen.» Im Leide haben Unzählige zum Glauben gefunden. Menschen, die sich als glücklich bezeichnen, haben offensichtlich Leid und Belastungen als von Gott gegeben in ihr Leben integriert.

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Baustein Nr. 2: Zwçlf Irrtümer über das Glück «Der phrygische Kçnig Midas hatte einen Freund von Bacchus zehn Tage festlich bewirtet. Zum Dank wollte Bacchus ihm einen Wunsch erfüllen. Midas sagte: ‹Gib, dass alles, was ich berühre, sich in Gold verwandelt.› So geschah es. Ein abgebrochener Zweig, ein Stein, ein Apfel, sogar Wasser wurden zu Gold. Als Midas jedoch – ganz beglückt – ein Festmahl genießen wollte, hatte er statt Brot, Fleisch und Wein nur Gold im Mund. Nichts konnte seinen Hunger stillen, nichts seinen Durst lçschen. ‹Erbarme dich und nimm dieses Elend von mir›, flehte er Bacchus an, der ihm auch diese Bitte sofort erfüllte.»8 Der goldgierige Kçnig Midas steht beispielhaft für die Glückserwartungen vieler Menschen. Gold und Glück haben die gleichen Anfangsbuchstaben, aber sonst nichts gemeinsam. Die Parabel entlarvt den Menschen mit seinen Wünschen und seinen Erwartungen. Die Geschichte der Goldsucher in Amerika und anderswo ist ebenfalls bezeichnend. Das glänzende Metall ist der Inbegriff hçchsten Glücks und hat bisher Unzählige enttäuscht. Was Kçnig Midas anfasst, wird zu Gold. Aber er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Geld und Gold allein machen nicht glücklich. Gold kann ich nicht essen, Gold kann ich nicht trinken. Gold ist kalt und leblos. Gold schenkt ihm keine Liebe, keine Zärtlichkeit. Es stillt nicht seinen Hunger und seinen Durst. Es befriedigt keine emotionalen Bedürfnisse. Der Mensch ist reich und gleichzeitig leer. Er ist von 27


Gold umgeben. Der reichste und doch ärmste Mensch der Welt bettelt: «Erbarme dich und nimm dieses Elend von mir!», fleht er den Gott Bacchus an, der ihm die Bitte sofort gewährte. Der Goldrausch hätte ihn umgebracht, hätte Bacchus nicht den alten Zustand wiederhergestellt. Glück hängt nicht von Gold, Geld oder materiellen Dingen ab. Glück wird aus vçllig anderen Quellen gespeist. Unsere Medien vermitteln den Eindruck, wir würden in einer Alles-ist-mçglich-Gesellschaft leben. Unsere Chancen seien grenzenlos. Wer trotzdem hinterherhinkt, sei selbst schuld. Bei uns und in Amerika herrscht ein Boom an Glücksliteratur. Glücks-Gurus erkennen ihre Chance, dem heutigen Menschen den Weg zum Glück freizuschaufeln. Sie glauben, das Patentrezept zu kennen, wie man glücklich wird und woran es liegt, dass manche Menschen das Glück gepachtet zu haben scheinen. Psychologen und Soziologen untersuchen, welche Spielregeln des Glücks das Happysein fçrdern. Bei den Untersuchungen werden aber auch Irrtümer aufgedeckt, mit denen viele Menschen herumlaufen.

Irrtum Nr. 1: Schçnheit und Reichtum machen glücklich Weit gefehlt. Lieschen Müller mag es glauben. Die Forschungen belegen das Gegenteil. Schçne Menschen haben keineswegs ein häufigeres und hçheres Glücksempfinden. Viele schçne Frauen erleben, dass ihr makelloser Kçrper die Männer anlockt. Die Fassade und das Outfit sind der Anreiz. Die Enttäuschung ist umso grçßer, weil häufig das Glück zu zweit nur von kurzer Dauer ist. Die Scheidungsrate der Schçnen und Superschçnen liegt weit über dem Durchschnitt. Bei den Reichen und Superreichen sieht es ähnlich aus. Bei der Befragung von Multimillionären kam heraus, dass 28


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Reinhold Ruthe Sie sind einzigartig 144 Seiten, Paperback e [D] 10.95 / e [A] *11.30 CHF *18.80 Bestellnummer 111.376 ISBN 978-3-7655-1376-3 Dieses Buch bietet Selbsthilfe und Anregungen, Selbstwertstçrungen effektiv zu begegnen und ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Reinhold Ruthe zeigt dabei verschiedene Stçrungen auf und gibt Hilfen, wie man die Probleme genauer lokalisieren und dann auch effektiv angehen kann.

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Reinhold Ruthe Vom Umgang mit Defiziten 144 Seiten, Paperback e [D] 10.95 / e [A] *11.30 CHF *18.80 Bestellnummer 111.449 ISBN 978-3-7655-1449-4 Defizite kçnnen Menschen plagen, verunsichern, niederdrücken. Ruthe kennt als erfahrener Seelsorger die Hilflosigkeiten. Er weiß, an welche Grenzen Ratschläge stoßen kçnnen und wann es darum geht, an der persçnlichen Gottesbeziehung zu arbeiten und Vertrauen zu Gott aufzubauen.

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Reinhold Ruthe Verwçhnt – bestraft fürs Leben 144 Seiten, Paperback e [D] 9.95 / e [A] *10.30 CHF *16.80 Bestellnummer 111.470 ISBN 978-3-7655-1470-8 Warum werden Kinder zu Tyrannen? Wieso kommen immer weniger in der Gemeinschaft zurecht und sind den Anforderungen des Alltags nicht mehr gewachsen? Ruthe sagt, dass zum großen Teil die Verwçhnung dafür verantwortlich ist. Und er liefert Erklärungen und Hilfen für Eltern und Erzieher.

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Reinhold Ruthe Unsere Lebenskrisen meistern 144 Seiten, Klappenbroschur e [D] 9.99 / e [A] *10.30 CHF *16.80 Bestellnummer 111.492 ISBN 978-3-7655-1492-0 Krisen gehçren zum Wachstumsprozess. Sie stellen sich ein, wenn wir aus dem seelischen Gleichgewicht geraten. Der Glaube aber verleiht Selbstvertrauen, stärkt das Abwehrsystem, mobilisiert unseren Willen und ist ein Schutzfaktor für unsere Seele. Mit vielen praktischen Beispielen!

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