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«Wir müssen uns immer tiefer in das Wort Gottes hineinlesen, hineinbeten, hineindenken, hineinleben – das ist das Geheimnis eines fruchtbaren Dienstes.» Hans Staub im Unterricht zur Predigtlehre; zitiert nach Harald von Sacken.

& Geboren am 6. April 1898 in Erlenbach ZH, Schweiz. In Meilen/Herrliberg erlernte er den Beruf des Bankkaufmanns. & 1921–1925 Ausbildung im Predigerseminar St. Chrischona. & 1925–1927: Prediger in Adliswil. & 27. Oktober 1927: Hochzeit mit Anna Bçsiger. & 1927–1931: Prediger in Thalwil. & 1931–1945: Prediger in der Bethel-Kapelle in Zürich. 1945–1947: Inspektor für die Schweiz und Lehrer am Predigerseminar St. Chrischona. & 1. Januar 1947 bis zu seiner Pensionierung 1967: Leiter (Direktor) des Chrischona-Werkes. & Am 2. Mai 1967 ist Hans Staub gestorben. &

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Markus M端ller

Hans Staub: Betend f端hren Der fr端here Direktor der Pilgermission und das Geheimnis eines fruchtbaren Dienstes

Ein Lebensbild

Verlag Basel . Giessen


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

2012 by Brunnen Verlag Basel Umschlag: waterproof grafikdesign, Ingo C. Riecker, Neuffen Fotos Umschlag: Benjamin Haas/Shutterstock.de (betende Hände); Archiv Pilgermission St. Chrischona (Hans Staub) Satz: InnoSET AG, Justin Messmer, Basel Druck: Aalexx, Großburgwedel Printed in Germany ISBN 978-3-7655-4178-0


Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil I Hans Staub – Person und Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Aus dem selbstverfassten und ergänzten Lebenslauf . . . . 2. Wie man später über Hans Staub schrieb . . . . . . . . . . . . . 3. Der Weg in die Leitung der Pilgermission . . . . . . . . . . . . . . 4. Ein erstes Nachfragen bei Weggefährten . . . . . . . . . . . . . 5. Aus den Ansprachen bei der Trauerfeier am 8. Mai 1967 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Was eine Studentin aus dem Jahr 1967 berichtet . . . . . .

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Teil II Markante Ereignisse 1947–1967 im Zusammenhang mit der Geschichte der Pilgermission . . . . 39 7. Start der Heiligungskonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vom Ausbau der Frauenbibelschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Die Pilgermission wird 125 Jahre alt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Die Chrischona-Kirche wechselt ihren Besitzer . . . . . . . . . 11. Die Frage der Akademisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Wissen wir alles, was war? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil III Gedachtes und Geglaubtes aus Predigten, Vorträgen und Zeitschriftenartikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5


13. Hans Staub über seinen Vorgänger Friedrich Veiel . . . . . 14. Aus Predigten und Andachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Erinnerungen eines aufmerksamen Predigtund Vortragshçrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Aus dem Unterricht von Hans Staub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Was Hans Staub wichtig war . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Korrespondenz [Schmunzeln erlaubt!] . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil IV Die Arbeitsweise von Hans Staub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 20. Die Stille, das Hçren und die Zettel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Teil V Erfahrungen mit Hans Staub (Nachfragen bei Weggefährten und Nahestehenden) . . . . 139 21. Erinnerungen von Manfred Baumann (späterer Komiteepräsident) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Erinnerungen von Hans Rüdiger und Jan Veenhof . . . . . . 23. Woran sich Schüler, Bekannte und Nachfolger erinnern 24. Einige Perlen in der Erinnerung von Diakonissen . . . . . . . 25. Aus dem Kreis der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Ein paar letzte Puzzleteile fürs Gesamtbild. . . . . . . . . . . . .

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Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Anmerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

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Vorwort Einen Blick auf bewegende und von Gott gesegnete Persçnlichkeiten in Vergangenheit und Gegenwart zu werfen, hat etwas Faszinierendes an sich. Wir wissen: Nur zu viele solch beeindruckender und prägender Persçnlichkeiten sind nie wirklich beachtet und gewürdigt worden. Wo es aber gelingt, Wissen und Wissenswertes aufzufinden, prägende Eindrücke zusammenzustellen und Erinnerungen abzurufen, geschieht etwas sehr Schçnes. Genau dies ist hier die Absicht. Die im Folgenden beschriebene Persçnlichkeit ist Hans Staub, vierter Direktor der Pilgermission St. Chrischona. Hans Staub hatte erst eine Banklehre absolviert. Nach einigen Berufsjahren entschied er sich für eine Ausbildung auf St. Chrischona. Nach deren Beendigung war er Prediger an drei Orten im Kanton Zürich und ab 1945 gleichzeitig Inspektor der Chrischona-Gemeinden der Schweiz sowie Lehrer auf St. Chrischona. Dem Gesamtwerk der Pilgermission stand er ab 1947 zwanzig Jahre lang bis unmittelbar zu seinem Tod im Jahr 1967 vor. Hans Staub gilt als stille, aber umso profiliertere Persçnlichkeit. Drei seiner besonderen Kennzeichen waren gemäß dem damaligen Komiteepräsidenten Ernst C. Saur das Beten, die Seelsorge und die Verkündigung. Es waren wohl jene Begabungen, die die Pilgermission St. Chrischona in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in besonderer Weise bençtigte. In jedem Fall wurde so das Sprungbrett für eine echte Blütezeit des Werkes der Pilgermission St. Chrischona in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts geschaffen. Hans Staub fügte sich in die Reihe ganz unterschiedlich begabter Direktoren ein: Gründer der Pilgermission war ein pionierhafter, sehr wohl apostolisch beauftragter Mensch. Christian Friedrich Spittler rief 7


im Laufe von knapp 60 Jahren neben der Pilgermission über 30 weitere, teilweise bis heute bestehende Werke ins Leben. Sein Nachfolger Carl-Heinrich Rappard war wie wenige andere Menschen ein ausgesprochener Evangelist. Dass Evangelisation und Heiligung des einzelnen Menschen untrennbar zusammengehçren, war für ihn fraglos. Nach ihm kam Friedrich Veiel, der als «Hüter und Mehrer des Vätererbes» in die Geschichte eingegangen ist. Veiel war es, der Hans Staub im Jahr 1947 als seinen Nachfolger berief. Nach Hans Staub führte Edgar Schmid das Werk der Pilgermission. Ihm war als erste Amtshandlung die Beerdigung seines Vorgängers aufgetragen. Auf Edgar Schmid schließlich folgten Karl Albietz (1991– 2001), Markus Müller (2001–2012, gleichzeitig Autor dieses Buches) und ab 2012 RenØ Winkler. Über Spittler, Rappard (und dessen Frau Dora) sowie Veiel ist viel Wissenswertes auch in Buchform zugänglich. Nicht so über Hans Staub. Mit den folgenden Ausführungen sollen Einblicke in das Leben dieses einzigartigen, wenig bekannten Leiters eines wachsenden Werkes gegeben werden. Die Idee bei der Zusammenstellung war es, insbesondere Erinnerungen von noch lebenden Bezugspersonen zusammenzutragen (etwa von den eigenen Kindern, Dozenten und ehemaligen Studierenden) sowie Auszüge von wesentlichen Predigten, Vorträgen und Zeitschriftenartikeln als Ganzes zugänglich zu machen. In allem – sowohl bei der Auswahl von Auskunftspersonen als auch bei der Auswahl von Predigten, Vorträgen und Artikeln – steht das Beispielhafte und Stellvertretende vor Augen. All diese Aspekte helfen, ein Bild über diese einzigartige, bis heute inspirierende Persçnlichkeit zu vermitteln. Aus allem ergibt sich ein Lebens-Bild – ein Lebensbild in mçglicherweise etwas anderer Form, als man dies zunächst erwarten würde. Am Zustandekommen der folgenden Einblicke haben viele 8


Menschen mitgewirkt. Ihnen allen sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Speziell und wiederum stellvertretend gilt der Dank Doris Ackermann (sie erzählte als Tochter von Hans und Anna Staub in sehr feiner Art über Leichtes und auch Schwieriges aus dem familiären Erleben), Helen Schmid (sie hat als Ehefrau des Nachfolgers von Hans Staub unermüdlich Fragen beantwortet, beim Schreiben ermutigt sowie zahllose wertvolle und weiterführende Tipps gegeben) und Diakonisse Ruth Eschmann (sie hat in einzigartiger Liebe bei vielen Schwestern des Diakonissen-Mutterhauses St. Chrischona Erinnerungen und Einsichten eingeholt und alte Unterlagen neu zugänglich und verfügbar gemacht). Besonderer Dank gilt sodann den bereits verstorbenen Herren Hans Bühler und Wilfried Jerke. Beide vermittelten jeweils in der Schweiz und in Deutschland Antworten auf interessante Fragen rund um Hans Staub und stellten uns diese einige Tage vor ihrem eigenen Tod im Jahr 2010 bzw. 2011 zur Verfügung. Ihr Material war der Grundstock für diese Schrift. Und dann gebührt den fleißigen Abschreiberinnen wichtiger Dokumente herzlicher Dank. Stellvertretend seien hier Ruth Wallmeroth, Simone Loos und Elke Schlabach erwähnt. Für mich als 7. Direktor des Werkes der Pilgermission war es am Ende meiner beiden Amtsperioden ein großes Vorrecht, mich mit einem meiner mir sehr lieb gewordenen Vorgänger nochmals vertieft befassen zu dürfen. Die unterschiedlichen Beiträge der verschiedenen Vorgänger sind jeweils in ihrer Zeit kostbar gewesen. Markus Müller

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Teil I Hans Staub – Person und Charakteristika



1. Aus dem selbstverfassten und ergänzten Lebenslauf

Der folgende Lebenslauf wurde von Hans Staub im Hinblick auf die Anmeldung zur Ausbildung auf St. Chrischona selbst verfasst und am 20. April 1921 eingereicht. Edgar Schmid hat – als unmittelbarer Nachfolger – Ergänzungen eingebracht (Glaubensbote vom Juli 1967). Geboren am 6. April 1898 in Erlenbach bei Zürich, besuchte ich in Stäfa sechs Jahre die Primar- und drei Jahre die Sekundarschule. Da ich Lust hatte zum kaufmännischen Beruf und auch immer gute Zeugnisse erhielt, trat ich im Frühjahr 1913 in die Lehre bei der Leihkasse Meilen-Herrliberg ein. Mit gutem Erfolg bestand ich im April 1916 die kaufmännische Lehrabschlussprüfung. Danach verblieb ich noch bei genannter Bank, bis ich am 15. Februar 1917 im Bankhaus AG Leu & Co in Zürich in Stellung trat. Nach anderthalb Jahren folgte ich dann wieder dem Rufe meines ehemaligen Lehrgeschäftes in seine Dienste, wo ich bis Ende August 1920 angestellt blieb. Der Wunsch nach Vervollständigung meiner sprachlichen Kenntnisse und die Vorteile, die die Fremde in Bezug auf Charakterbildung bieten kann, veranlassten mich, den Kreis meiner Lieben einmal zu verlassen, um mich von der Banque Cantonale Neuchâteloise engagieren zu lassen. Da ich das Glück hatte, fromme Eltern zu haben, kam ich schon früh unter den Einfluss des Wortes Gottes. Im Frühjahr 1914 wurde ich in Stäfa konfirmiert. Diesen Anlass nahm ich keineswegs so leicht und äußerlich wie die meisten meiner Kameraden; aber dennoch hätte mich der etwas mechanisch und für die jungen Gemüter nicht sehr anziehend gehaltene Religionsunterricht nicht veranlassen und begeistern kçnnen, entschieden auf Jesu Seite zu treten. Vielmehr wurde 13


durch die erwecklichen Predigten des Ihnen nicht unbekannten Jakob Kübler u. a. im Vereinshaus Stäfa mein Gewissen geweckt, so dass ich die Notwendigkeit einer Sühne der Schuld meines bisherigen Lebens einsah und die Vergebung durch Christus ernstlich suchte und fand. So wurde es mein Bestreben und Bedürfnis, das Leben nach den Maximen des Wortes Gottes einzurichten und es dem zu weihen, dem es rechtmäßig gehçrt. Diese Gesinnung zu nähren hatte ich reichlich Gelegenheit in den Gottesdiensten des Vereinshauses […] und des dortigen Jünglingsvereins. Aber nicht nur durch diese, sondern fast mehr noch dadurch, dass ich Lust und Freude zum Lesen erhielt, wurde mir durch die Bibel und christliche Literatur eine Menge Belehrung und Erkenntnis zugänglich. Die Gottesmänner, welche mich am meisten angesprochen haben und den grçßten Einfluss ausübten, sind: Georg Steinberger, Fritz Binde, Reuben A. Torrey, Markus Hauser, Georg Müller, Jakob Vetter, Otto Stockmayer, Gerhard Tersteegen und andere. Ich habe vor allem gesehen und gelernt, dass Gottes Gebote noch heute ausführbar und seine Verheißungen erfahrbar sind und dass nichts die menschliche Seele wahrhaft zu befrieden vermag als die wahre Gottergebenheit und ein ganzes Christentum. Man sagt: «Gerettetsein schafft Rettersinn», und ich fühlte auch wirklich eine Schuld gegenüber der Welt. Was mich nun bewogen hat, ganz in den Dienst des Herrn zu treten und dieses Gesuch an Sie zu richten, ist der Wunsch, meine Zeit ganz dieser hohen Tätigkeit zu widmen, und die nach und nach festgewordene Überzeugung, dass dies so des Herrn Wille und mein zu betretender Weg sei. So weit die eigenen Aufzeichnungen. Die von Hans Staub gemachten Angaben ergänzt Edgar Schmid anlässlich von dessen Beerdigung folgendermaßen: 14


Als Hans Staub vor der Wahl stand, die Offerte als Bankverwalter anzunehmen oder sich für das Seminar auf St. Chrischona zu melden, war seine Entscheidung durch ernstes Verantwortungsbewusstsein gekennzeichnet. Am 1. September 1921 trat er im Predigerseminar auf St. Chrischona ein und wurde nach vierjähriger Studienzeit am 26. Juli 1925 eingesegnet. In der Zeit vom 1. September 1925 bis 31. August 1927 war er als Gehilfe in Adliswil (ZH). An seinem geliebten Zürichsee folgten die nächsten Dienstjahre. Im September 1927 kam Hans Staub nach Thalwil, wo er sich am 27. Oktober verehelichte mit Anna Bçsiger, die ihm während 40 glücklichen Ehejahren eine treue Gehilfin und mittragende Stütze war. In dieser Zeit wurden den Eheleuten eine Tochter, die heute als Lehrerin tätig ist, und ein Sohn geschenkt, dessen Berufung als Ordinarius an die Universität Freiburg im Breisgau der Heimgegangene kürzlich noch erleben durfte. – Seine einzige Schwester, die heute mittrauert um ihren Bruder, half stets willig mit, wo immer es galt, Hand anzulegen. Im Juni 1931 erfolgte die Berufung an die Bethel-Kapelle in Zürich, wo sich für den Heimgegangenen ein reicher Wirkungskreis im Verkündigungsdienst und in der Seelsorge auftat. Ich selber durfte während meines Dienstes in der Bethel-Kapelle verschiedentlich auf Spuren seines gesegneten Wirkens stoßen. Am 23. August 1945 berief das Komitee der Pilgermission Hans Staub als Lehrer und Inspektor des Schweizer Zweiges des Missionswerkes nach St. Chrischona, und anderthalb Jahre später wurde ihm als Nachfolger von Direktor Friedrich Veiel-Rappard die Gesamtleitung anvertraut. Mit ihm wurde damals sicher zur rechten Zeit der rechte Mann berufen. Es war ihm geschenkt, in seiner verbindlichen Art auch in der Öffentlichkeit Vertrauen zu erwerben und manche Brü15


cken zu schlagen. Ein schlichter, aber überzeugter und echter Glaube hat Hans Staub hineingeführt in das weite Feld menschlichen Lebens, nicht als Genießer, sondern als Diener, nicht als einer, der sich vordrängte, sondern als einer, der sich Jesus Christus gegenüber verpflichtet wusste. Was Hans Staub anfasste, geschah sorgfältig und überlegt. Entscheidungen traf er nie oberflächlich. Er beharrte auch nicht auf seiner vorgefassten Meinung und verfocht nicht starre Prinzipien, wenn eine andere Auffassung überzeugend dargelegt wurde. Es war seinem Gemüt unerträglich und mit seinem Wesen unvereinbar, dass sich Spannungen entwickelten. Aber wenn solche bestanden, sollten sie gelçst werden durch die heilenden Kräfte des Evangeliums. Er erstrebte die Harmonie, ohne billig zu harmonisieren, und wirkte stets verbindend, ausgleichend und versçhnend.

2. Wie man später über Hans Staub schrieb

Etwas mehr als 20 Jahre später schreibt Klaus Haag in der Jubiläumsschrift Wenn Gottes Liebe Kreise zieht. 150 Jahre Pilgermission St. Chrischona1: Das Komitee betraute Hans Staub 1946 einstimmig mit der Leitung des Gesamtwerks. Daneben behielt er bis 1959 auch die Verantwortung für die Schweizer Gemeinschaften. Aus der Kraft, die er sich aus der Stille vor seinem Herrn holte, bewältigte er diese Doppelaufgabe, bis ihn Eugen Reichart 1959 im Inspektorat ablçste. Staubs Anliegen für seinen Dienst und für die Arbeit des ganzen Werks war: «Das Gebet um ein Ohr, das da hçrt, was der Geist den Gemeinden sagt, muss bei uns bleiben. Denn nur 16


soweit und solange unser Dienst dem Willen des hçchsten Herrn entspricht, kçnnen wir unter seinem vollen Segen stehen.» Zum inneren und äußeren Aufbau des Chrischona-Werkes lesen wir: Hans Staub erlebte ein neues Aufblühen der Pilgermission. Zunächst brachte die Notzeit in Deutschland neue Aufgaben. […] Nach 1948 nahm die Zahl der Brüder wieder stark zu, so dass 1959 bereits über hundert junge Männer in der Ausbildung standen. Auch erhçhte sich gleichzeitig die Zahl der Bibelschülerinnen auf über vierzig. Klaus Haag schließt den Bericht mit einem Satz von Hans Staub: Das Bleibende sind nicht Menschen und Eindrücke, nicht Wahrheiten und Erfahrungen, sondern Jesus allein! Nochmals 10 Jahre später schreibt ebenfalls Klaus Haag im Chrischona-Magazin2: Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Hans Staub mit großer Dankbarkeit miterleben, wie dem Werk wieder eine Zeit des Wachsens geschenkt wurde. Die Zahl der Bewerbungen für das Predigerseminar und die Bibelschule für Frauen nahm von Jahr zu Jahr zu. Die Ausbildung erfolgte ohne Probleme, weil auch das Lehrerkollegium ergänzt und erweitert werden konnte. Zu den «neuen Zweigen im Tessin und in Südafrika» lesen wir: Die Gemeindearbeiten in der Schweiz, in Deutschland und Frankreich erfuhren Belebung und Ausweitung. Weitere missionarische und seelsorgerliche Aufgaben ergaben sich für die Pilgermission im Tessin. Hier konnte 1962 in Locarno mit einer Gemeindearbeit unter Deutschsprechenden begonnen werden. Eine ähnliche Aufgabe zeigte sich 1965 im südlichen Afrika. Ein Stadtmissionar sollte im Raum Johannesburg unter deutschsprechenden Einwanderern mis17


sionarisch wirken. Dass aus diesen Anfängen sowohl im Tessin als auch im südlichen Afrika verschiedene Stadtmissionen entstehen würden, konnte zu Beginn niemand ahnen. Es bleibt bei der Jabez-Erfahrung, mit der Hans Staub zeitlebens gerechnet hat: «… und Gott ließ geschehen, was er erbeten hatte.»

3. Der Weg in die Leitung der Pilgermission

Es ist interessant, in einigen Dokumenten der 40er Jahre zu stçbern. Auffallend ist das Schlichte, Knappe, aber doch sehr Eindeutige in den Berichten. Aus dem Glaubensboten vom Mai 1945: Der Weg nach St. Chrischona Unser Inspektor Hermann Gysel steht jetzt im 73. Lebensund im 46. Dienstjahr. Seit 1937 hatte er den Posten als Inspektor für die Schweiz mit Wohnung auf St. Chrischona inne. Nun musste ein Nachfolger gesucht werden. Unser Komitee glaubt sich so geleitet, dass es unsern Bruder und Prediger Hans Staub, seit 1931 tätig an der Bethel-Kapelle in Zürich, berief. Bruder Staub steht im 48. Lebensjahr. Von 1921–1925 war er Schüler auf St. Chrischona, hat also seit seiner Einsegnung 20 Dienstjahre zurückgelegt. Mit den erworbenen Kenntnissen und einer reichen Erfahrung wird er uns auch als Lehrer wohl dienen kçnnen. Mit den Brüdern auf den Stationen ist er gut bekannt, auch mit manchen unserer Arbeitsfelder, so dass es ihm nicht schwer sein wird, überall Eingang zu finden. Wir erwarten Bruder Staub mit seiner Familie zum Beginn des neuen Schuljahres im September. 18


Aus dem Glaubensboten vom Januar 1947: Zur Amtsübergabe von Direktor Veiel zu Direktor Staub Am 10. Dezember 1946 fand in Basel die Sitzung des Komitees statt, zu der auch die fünf Schweizer Senioren und der Senior aus dem Elsass sowie der Vertreter der Chinamission, Bruder Krampf, eingeladen waren. Da Direktor Veiel mit dem Abschluss des Jahres sein Amt niederlegt, musste die Bestimmung getroffen werden, wem die Verantwortung für das Werk übertragen werden soll. Wir nehmen solche Beschlüsse sehr ernst. Es ist auch viel Gebet um gçttliche Leitung vorausgegangen. Das Komitee glaubte sich vom Herrn so geführt, dass es die Leitung des Werkes in die Hand unseres Inspektors Hans Staub legte. Mçge der Meister seinen Knecht ausrüsten mit aller Kraft und Erleuchtung seines Heiligen Geistes, dass die Pilgermission allezeit das ihr aufgetragene Werk unter seiner Leitung und zu seiner Ehre ausrichte! Der abgehende Direktor benutzte die Gelegenheit, dem Komitee ganz herzlich zu danken für alle ihm während langen Jahren erwiesene Liebe, Geduld und treue Hilfe. Aus dem Glaubensboten vom Juni 1949: Eine von mehreren Kurzmitteilungen Zur Wohnsituation auf St. Chrischona: Im Zuge der Veränderungen im Mutterhause ist Alt-Direktor Veiel am 22. April von seiner bisherigen Wohnung in der «Friedau» in die Wohnung unseres früheren Lehrers F. Schubert in die «Alte Heimat» umgezogen, wo er sich mittlerweile wohnlich eingerichtet hat. Gerne will er auch weiterhin in dem ihm so liebgewordenen Werke mithelfen, soweit es seine Kraft ihm erlaubt, um seinen Lebensabend treu zu nützen. Im Verlaufe des Sommers wird dann Direktor Staub in die «Friedau» einziehen. 19


4. Ein erstes Nachfragen bei Weggefährten

Eine Erzählrunde mit Hans Bühler (Schüler von Hans Staub und später Leiter der Frauenbibelschule auf St. Chrischona) Von einer spannenden Erzählrunde mit pensionierten Predigern und Predigersfrauen am 19. März 2010 anlässlich einer Seniorenwoche in Rämismühle/Schweiz berichtet Hans Bühler. Er sandte uns die Zusammenstellung der geäußerten Gedanken nur wenige Wochen vor seinem Tod zu. Ihm und seiner Frau Elisabeth sei an dieser Stelle besonders herzlich gedankt. Hans Bühler schreibt: In seinem Buch Trends 20163 schreibt der heutige Direktor Dr. Markus Müller: «Auf die latente und dann scharf artikulierte Unzufriedenheit mit der Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Schweigen über die Zeit des Nationalsozialismus gab es von Seiten der Christen … nur wenig angemessene Antworten.» Solche Antworten waren, so kçnnen wir rückblickend sagen, unmittelbar nach dem Krieg wohl noch gar nicht mçglich. Heute jedoch sind wir gefordert, die Geschehnisse jener Zeit aufzuarbeiten. Darum gedachten wir an unserer diesjährigen Begegnungs- und Informationswoche für pensionierte Prediger in der Rämismühle im Besonderen unseres früheren Direktors Hans Staub. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit der schweren Aufgabe beauftragt, als Nachfolger des deutschen Leiters, Friedrich Veiel, das Werk weiterzuführen. Wir müssen zu der historischen Wahrheit stehen, dass die Stimmung in Basel und Umgebung damals keineswegs freundlich und wohlwollend war, im Gegenteil: sehr ablehnend gegen das, was auch immer von Chrischona kam. Man sprach missfällig von den 20


«Braunhemden dort oben». Das Komitee verfügte, dass der neue Leiter ein Schweizer sein musste. Gott hatte einen Mann für diese Aufgabe vorbereitet, der die Gnade besaß, vorsichtig, weise und zurückhaltend aufzutreten. Es war Hans Staub, ein Absolvent des Predigerseminars. Staub hatte in seinem früheren Arbeitsfeld etwas ¾hnliches erlebt. Eine theologische Krise, ausgelçst durch einen Pfarrer, hatte die damals noch von Chrischona unabhängige Bethelgemeinde in Zürich erschüttert und in eine Zerreißprobe gestellt. Das führte dazu, dass die Verantwortlichen den Wunsch hatten, die Bethelgemeinde der Pilgermission St. Chrischona anzuschließen. Hans Staub wurde als Leiter und Prediger an diese Gemeinde berufen. Unterstützt durch den Prediger Edwin Sturm, der zwei Jahre nach ihm kam, verstand er es, mit äußerster Vorsicht das Vertrauen der Gemeindeglieder wieder zu gewinnen. Nach 14-jähriger Tätigkeit in Zürich wurde er erneut in eine delikate Situation berufen, eben in die Leitung der Pilgermission St. Chrischona. Als Studierende erlebten wir den Direktor Hans Staub als einen, der große Lasten trug. Beter und Schaffer Wenn er mit schweren Schritten morgens zu seinem täglichen Gebetsgang über den Berg ging, merkte man etwas von diesen Lasten, die er in der freien Natur des Chrischona-Waldes vor Gott ausbreitete. Er hatte seinen Stenoblock dabei. Das stenographierte Predigtmanuskript nahm er mit auf die Kanzel. Seine Ansprachen waren aufgelockert durch Beispiele aus der Kirchengeschichte, besonders von Persçnlichkeiten des Pietismus. Beeindruckend war seine gewählte Sprache. 21


Zwei typische Merkmale kennzeichneten Hans Staub: Er war ein Beter und ein Schaffer. Oft zitierte er das Jabezgebet aus 1. Chronik 4,10: «Ach, dass du mich segnetest und mein Gebiet mehrtest und deine Hand mit mir wäre und schafftest, dass mich kein Übel bekümmere.» Dass er seine schriftlichen Arbeiten selber schrieb, ist einem Bruder aufgefallen, der die Abteilung «Vervielfältigungen» leitete und nie einen Auftrag vom Direktor erhielt. Hans Staub trug nicht nur an problematischen und Probleme schaffenden Studenten schwer. Auch im Dozentenkollegium gab es Meinungsverschiedenheiten, die zu Spannungen führen konnten und da und dort auch führten. Wo etwas schiefging, wurde oft die erste Verantwortung beim Direktor vermutet. Bei offenen Auseinandersetzungen fiel es ihm schwer, sich in gleicher Weise zu verteidigen bzw. zu rechtfertigen. Eher nahm er auch diese Lasten auf sich und trug sie im Gebet zu dem Herrn, bei dem er wieder Mut und Zuversicht fand, zu vergeben und seinen Weg weiterzugehen. Sparsamkeit Sparsamkeit war ein weiterer Zug, der Hans Staub kennzeichnete. Beispielsweise ging er abends nicht durch die Häuser, ohne die seiner Ansicht nach unnçtig brennenden Lichter auszulçschen. Wenn die Fenster zum Lüften geçffnet wurden, stellte er die Heizung ab. Einmal beobachtete er beim Essen einen Studenten, der am Brot die Kruste abschnitt. Der Direktor sagte: «Das wird nicht weggeworfen.» Er nahm die Abschnitte an sich und aß sie. Nach auswärtigen Diensten pflegte er den Weg von Bettingen nach Chrischona zu Fuß zurückzulegen. Dadurch schonte er den mit Chauffeurdiensten beauftragten Bruder, nutzte die Zeit aber auch zur Fürbitte. 22


Lehrer und Seelsorger Aus seinem Unterricht sind zwei Fächer besonders beeindruckend gewesen: die Auslegung des Philipperbriefes (sie diente den Absolventen in ihren ersten Dienstjahren als Anleitung für Bibelstunden) und sein Seelsorgeunterricht. Zum Seelsorgeunterricht: Es war Seelsorge an der eigenen Seele. Prägend war z. B. sein Rat, im Umgang mit jungen Menschen nie zu sagen: «Das kannst du nicht.» Wir haben die Aufgabe, Menschen zu ermutigen. Das gilt auch für unseren Dienst an Depressiven. Depressive Menschen gleichen einem Schiffchen, das jederzeit stranden kçnnte. Unsere Aufgabe als Seelsorger ist es, dem Schifflein wieder einen Stoß zu versetzen, damit es ein Stück weiterfahren kann und schließlich das Ziel erreicht. Hans Staub kannte die bedrängenden Fragen junger Leute im Blick auf die Wahl ihres Lebenspartners. Auf Chrischona gab es den sogenannten Heiratsparagraphen, der verlangte, dass man während der Ausbildung kein Verhältnis mit einem Mädchen eingehen durfte. Der Direktor sprach diese Problematik offen an und versuchte mit einem Vergleich aus dem Sportleben zu helfen. Ein Athlet, der sein Ziel anstrebt, muss auf vieles verzichten und die Zeit zum Training nutzen. So soll auch der Studierende die begrenzte Zeit der Ausbildung nutzen, ohne sich ablenken zu lassen. Brüder, die in dieser Beziehung Not hatten, haben bei Direktor Staub Hilfe gefunden. Es gab auch Brüder, die sich über diese Ordnung hinwegsetzten, nicht immer zu ihrem Besten. Fürsorger Hans Staub lag die Altersvorsorge der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr am Herzen. Beispielhaft war sein Engagement für die Prediger im Ruhestand. Solidarität war ein wich23


tiger Wert für den damaligen Direktor. Auf diese Zeit gehen die Anfänge der heutigen Pensionskasse zurück. Missionar Besonders auffällig war seine Suche nach Mitteln und Wegen, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, die nicht in Gottesdiensten anzutreffen sind. In diesem Zusammenhang erkannte er die Notwendigkeit von Ferienhäusern und schrieb: «Mit dem bloßen Wort an den heutigen Menschen heranzukommen ist nicht leicht. Andererseits ist uns der Herr Jesus selbst Beispiel dafür, wie er den ganzen Menschen ansieht und ihm dient. Er hat nicht nur gepredigt und getrçstet, sondern auch hungrige Menschen satt gemacht und geheilt. So ist es zweifellos nach seinem Willen, wenn wir nicht nur in der ausgesprochenen Diakonie, sondern auch in Heimen Menschen nach innen und außen zur Erholung und Stärkung dienen. Darum müssen wir mit der Botschaft dorthin gehen, wo die Leute Zeit haben: in den Ferien.» Erholung Für Hans Staub war es Erholung, wenn er dem persçnlichen Freund, der im Tessin ein Chrischona-Ferienheim leitete, die Buchhaltung auf Vordermann bringen konnte. Die Fahrten nach Monti waren so teils Arbeit, teils Freizeit, aber auch Gelegenheit, sich zu entspannen, Ruhe zu genießen und Distanz zu finden. Mit seinen Wanderkameraden genoss er auch die Schweizer Alpen. Seiner Frau zuliebe verzichtete er jedoch auf zu waghalsige Klettertouren. Wenn er uns als Klasse zu sich in die Familie einlud, bekamen wir eine Ahnung, wie er sein Gemütsleben pflegte. Aus seiner großen Auswahl klassischer Musik liebte er die Kantate von Johann Sebastian Bach besonders: «Wir eilen mit schwa24


chen, doch emsigen Schritten o Jesu, o Meister, zu helfen zu dir, zu dir!» Er çffnete uns jungen Studenten Herz und Ohr für die Werke großer Meister. Oft ermunterte er uns, die berühmten Oratorien, die im Basler Münster zur Aufführung kamen, zu besuchen. Seine Unterschrift war ungeschnçrkelt, wie seine schlichte, klarsichtige Natur. Einer seiner Grundsätze lautete: «Ein Werk soll in den Linien bleiben, in die Gott es berufen hat.» Aus dem Umfeld von Wilfried Jerke (Schüler von Hans Staub und später Leiter des Brunnen Verlags Gießen) Wilfried Jerke schreibt am 9. Januar 2011, ebenso wie Hans Bühler kurz vor seinem Tod, folgende Zeilen: Im Folgenden einige Antworten von pensionierten Predigern auf die mir von Direktor Markus Müller gestellten Fragen. Ich zitiere ihre Antworten meist wçrtlich oder fasse sie kurz zusammen: Wie ist dir Direktor Staub in Erinnerung? «Als eine sehr ausgeglichene Persçnlichkeit. Er war ruhig, hçchst diszipliniert und hatte dabei eine wohltuende Ausstrahlung.» «Seine väterliche, korrekte und seelsorgliche Art. Ich habe ihn selbst als persçnlichen Seelsorger erlebt.» «Ruhig und besonnen, freundlich. Wir hatten großen Respekt vor ihm. Er kam gut vorbereitet in den Seelsorge-Unterricht und betonte immer wieder, dass es im Dienst auf die geistliche Einstellung ankomme. Geistliche Substanz war ihm sehr wichtig.» «Still und zurückhaltend, mit besonderer Ausstrahlung.»

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«Im Fach Predigtlehre hat er uns mit Hingabe und Begeisterung den Verkündigungsdienst lieb gemacht.» «Er war ein Beter. Das spürte man, und das machte ihn auch zu einem begnadeten Seelsorger, dem wir vertrauen konnten. Öfter bin ich ihm bei seinen morgendlichen Gebetsrundgängen begegnet. Sein Unterricht in Seelsorge war beeindruckend – auf den zukünftigen Dienst ausgerichtet und auch für uns selbst seelsorgerlich.» Gibt es besondere Erfahrungen mit ihm? «In den ersten Weihnachtsferien hat er unsere Klasse in seine Wohnung eingeladen und einen eindrucksvollen Abend gestaltet. Er stellte uns die Kantate ‹Meine Seele rühmt und preist› vor. Nach einer guten Einleitung in den Text und die Komposition ließ er uns die Schallplatte hçren. Es war für mich ein besonderes Erlebnis. Der zweite Hçhepunkt an diesem Abend war die von Direktor Staub sehr eindrucksvoll vorgelesene Geschichte ‹Das letzte Stündlein des Papstes›. Die Geschichte erzählt, wie der Heilige Franz den Papst auf sein Sterben vorbereitet.» «Direktor Staub war immer aufgeschlossen für unsere Fragen und Anliegen, auch wenn wir es nur selten wagten, ihn darauf anzusprechen. Er konnte zuhçren, verständnisvoll und klar antworten.» Wie ist er mit besonderen Herausforderungen umgegangen? «Direktor Staub war in Konflikten ausgleichend.» «In unserer Klasse entwickelten sich einige Reibungspunkte mit einigen unserer Lehrer. Darum wollten wir mit ihnen ins Gespräch kommen und haben sie dazu in unsere Klasse eingeladen. Direktor Hans Staub zeigte großes Verständnis für unsere Anliegen … Dann hieß es auf einmal: Es darf keine weiteren Gespräche zwischen Lehrern und Schü26


lern mehr geben. Das war für uns ein Schock. Direktor Staub hat darunter gelitten, aber gegen einige Hardliner konnte und wollte er sich nicht durchsetzen. Das haben wir zwar bedauert, aber ich bin ihm immer mit großem Respekt und Hochachtung begegnet.» Was hat er speziell in das Leben und die Geschichte der Pilgermission eingebracht? «Es war sicherlich das besondere Verdienst von Hans Staub, dass er als Direktor von St. Chrischona nach den Kriegsjahren das Vertrauen der näheren Schweizer Bevçlkerung wiedergewonnen hat. Während des Krieges nämlich waren einige Lehrer auf Chrischona nazifreundlich eingestellt gewesen.» «Die Zahl der Studenten wuchs. Chrischona genoss damals großes Vertrauen, das in Deutschland dann später durch die grçßere Präsenz von Edgar Schmid noch stark zunahm.» «Hans Staub ging es nicht um äußere Effekte, Glanzpunkte, Erfolge, Strategien und Programme. Er war ein stiller, treuer, demütiger, auf das Geistliche ausgerichteter Diener seines Herrn. Kann etwas Besseres über einen Arbeiter im Reich Gottes gesagt werden?»

5. Aus den Ansprachen bei der Trauerfeier am 8. Mai 1967

Bei einzigartigen und bewegenden Persçnlichkeiten wird gerade in Reden anlässlich von Trauerfeiern konzentriert zusammengefasst, was solche Menschen in besonderer Weise charakterisiert. Dies gilt nicht minder bei Hans Staub. Im Folgenden sind Auszüge aus unterschiedlichen Traueransprachen anlässlich seiner Beerdigung im Mai 1967 zusammengestellt (zitiert aus dem Glaubensboten vom Juli 1967). 27


Aus der Traueransprache von Edgar Schmid, dem Nachfolger von Hans Staub Euren Gatten und Vater, liebe Trauerfamilie, unseren Bruder, Direktor, Lehrer und Freund und umsichtigen, väterlichen Berater an diesem Ziel zu wissen – ist das nicht in allem Schmerz und in allem Leid der plçtzlichen Trennung Grund zur Freude und Dankbarkeit? Ist das nicht Trost, starker, handfester – darf ich sagen – zum Jubel hinführender Trost? Wenn wir fragen, wie es zu solcher Hoffnung kommt, so lassen Sie mich antworten mit dem Bibelwort, das, wie ich weiß, auch im Leben unseres lieben Hans Staub eine besondere Bedeutung hatte: «Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten» (1. Petrus 1,3). Hans Staub rechnete mit dem «Christus praesens». Die Auferstehung Jesu war für ihn nicht ein «zu wenig historisch belegtes Geschehen». Die Auferstehung Jesu war für ihn nicht eine religiçse Spekulation, ein idealistisches Postulat oder eine religionsphilosophische Konstruktion; sie war für ihn die entscheidende Lebensfrage für den Menschen jetzt und heute. Er war überzeugt, dass es keine christliche Gotteserkenntnis gibt, die nicht in der Auferstehungstatsache ihre letzte Reife und Tiefe erfahren würde … Im Lebenslauf zeichneten sich zwei Dinge besonders ab. Einmal: Das Leben von Hans Staub war gütig geführt von Gott. Und das andere: Hans Staub hat, christlich erzogen, versucht, Gott zu dienen. Es war sein Verlangen, dass Jesus Christus in dieser Welt Gestalt gewinne. Wie vielseitig war doch sein Dienst! War aber dieser Dienst nicht im besonderen Hçren auf die Nçte anderer und im helfenden Zusprechen zu einer Ausreifung gekommen? Er hatte die Fähigkeit, sich mit 28


zartem Einfühlungsvermçgen in die Lage anderer zu versetzen, und er war weit davon entfernt, vorschnelle Werturteile zu fällen. War ein Gespräch aber beendet, so war sein Dienst noch nicht beendet. Wem es vergçnnt war, etwas mehr in seine «Privatsphäre» zu schauen, weiß, wie der Dienst seinen Fortgang nahm im Gebet. Wir haben eine profilierte Beterpersçnlichkeit verloren und einen Bruder, dessen schlichter, aber überzeugender Glaube ihn hineingeführt hat in das weite Feld menschlichen Lebens, nicht als einer, der sich vordrängte, sondern der sich der christlichen Verantwortung bewusst war. Darum strahlte er auch Güte aus, die sicher zuerst seine Familie erfahren hat, aber darüber hinaus viele Menschen in unserem Land und über den Grenzen. Aus der Ansprache von E.C. Saur, Präsident unseres Komitees Wenn wir in dieser Stunde Abschied nehmen von unserem Direktor Hans Staub, dann sind wir ja alle erschüttert über diesen Eingriff des Herrn über Leben und Tod und versuchen zu erfassen, was es heißt: «Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege.» Wenn ich uns als Trost und Hilfe etwas sagen soll, so lasst mich in kurzen Strichen das Wesen, das Leben und Wirken des Heimgegangenen nachzeichnen, so wie ich es als Mitarbeiter im Komitee unserer Pilgermission sehen und erleben durfte. […] Direktor Hans Staub war ein Beter, er war ein Seelsorger, und er war ein vollmächtiger Verkündiger. 1. Er war ein Beter. Ein Glaubenswerk wie die Pilgermission ist in allem auf die gebenden Hände des Meisters ausgerichtet. Es muss und es darf erbeten sein! Während seiner ganzen Tä29


tigkeit lag die Bitte um die für das immer grçßer werdende Werk nçtigen Mittel und für die vom Herrn zubereiteten rechten Menschen auf seinen Lippen, wobei er bei den Menschen wirklich an alle dachte, an die Brüder im leitenden Gremium des Komitees, an die Mitarbeiter im Lehrkçrper und in allen Funktionen des Betriebes auf dem Berge, und nicht zuletzt an all die Jahr für Jahr sich neu meldenden Seminaristen, die – der Schule für vier Jahre anvertraut – ausgesandt werden sollten für den Dienst im Reiche Gottes und für den Bau und die Zubereitung der Gemeinde des Herrn auf dieser Erde. Direktor Staub konnte aber nicht nur bitten; er konnte warten und konnte danken. Wenn der Rechnungsabschluss eines Jahres vorlag, waren das für ihn nicht leere Zahlen. Er sah dahinter all die großen und kleinen Geber und vor allem den grçßten Geber, unseren Vater im Himmel, und konnte spontan und bewegt zum gemeinsamen Dank aufrufen. 2. Er war ein Seelsorger. Als solcher hatte er eine besondere Ausrüstung, ein Charisma, das ihm in seiner Stellung und in seiner Aufgabe eine große Hilfe war. Die Kräfte für diese Seelsorgetätigkeit schçpfte er aus dem nie versiegenden Quell der Gottesoffenbarung an uns Menschen, in seinem Wort und dem Wissen darum, dass er, Christus, Hilfe in allen Situationen des Lebens sein kann und ist. Er konnte den bei ihm Hilfe Suchenden anhçren und ihm in seine Schwierigkeit hinein nachgehen, weil er sich selbst seiner menschlichen Grenzen und Schwächen bewusst war. Er hat die Probleme und Nçte der sich ihm Anvertrauenden aber nicht nur angehçrt und Ratschläge erteilt; er hat sie selbst aufs Herz genommen und vor den Thron des Hçchsten gebracht. Das hat viel an seiner physischen Kraft gezehrt. Es wird nie an den Tag kommen, wie vielen Menschen er so Wegweisung geben und reale Hilfe sein durfte. 30


3. Schließlich war er ein vollmächtiger Verkündiger des ewig gültigen Gotteswortes. Er nahm es ganz und nahm es ernst für sich selbst und für die, an die er es weitergeben durfte. Wie dankbar wurde sein Verkündigungsdienst aufgenommen, hier oben auf dem Berge, draußen in den Gemeinschaften, in denen er diente, und durch das gedruckte Wort neben anderem im Glaubensboten. Unvergesslich sind mir einige seiner einleitenden Betrachtungen an unseren monatlichen Komiteesitzungen, welche auf seinen Vorschlag hin eingeführt wurden, nachdem vorher während Jahrzehnten zu Beginn der Besprechung jeweils fortlaufend ein Psalm gelesen wurde. Aus der Ansprache von E. Reichart, Inspektor in der Schweiz Direktor Staub konnte – aus seinem Schatz der Schrifterkenntnis und geistlicher Herzens-, Lebens- und Diensterfahrung heraus schçpfend – Altes und Neues darbieten. In zwanzig Jahren Gemeindedienst, davon fünfzehn Jahre in der Großstadt Zürich, hat er reiche Seelsorgeerfahrung gesammelt. Wie wurden deshalb auch seine Seelsorgestunden von Schülern und Schülerinnen besonders geschätzt, und wie bedauern sie es, dass er den Unterricht nicht bis zum Semesterschluss Ende Mai durchführen konnte! Immerhin hat er zwanzig Jahrgänge unserer Schüler reich befruchtet. Seine Lehrgabe und väterlich-seelsorgerliche Art kamen auch in jeder Wortverkündigung zur Geltung, sei es in Referaten an Gemeinschafts- und Bezirkskonferenzen, Männertagungen, Bibelkursen, Festansprachen, Sonntagspredigten und Andachten. Unvergesslich werden allen Teilnehmern die Referate an den Männertagungen im Februar dieses Jahres in Winterthur, Aarau und Lausanne sein. Diese Botschaften sind ein Vermächtnis des lieben Heimgegangenen: «Jesus, der Beter», «Jesus und die Gemeinde», «Jesus Christus, gestern und 31


heute», das war die Mitte seiner Verkündigung. Die letzten Christus-Predigten auf St. Chrischona und in Zofingen werden sich allen, die sie hçrten, eingeprägt haben. Direktor Staub lehrte nicht nur, sondern lebte aus, was er lehrte: Verkündigungsdienst ist Priesterdienst. Seine Predigten waren nicht nur durchdacht, sondern auch durchbetet. Priester sein heißt: Lasten tragen, fremde wie eigene Schuld und Not auf sich nehmen und zum Gnadenthron bringen. Er hat die Last des ganzen Werkes der Pilgermission in allen Teilen auf priesterlichem Herzen getragen und uns alle aufgefordert, es mit ihm zu tun. Das tiefe geistliche Niveau in Kirchen, Schulen, Gemeinden und Gemeinschaften legte sich als Last auf sein Herz, und er flehte um Erweckung und Neubelebung. «Wir haben ja Zugang», war eines seiner beliebten Worte, «darum lasset uns hinzutreten zum Gnadenthron, da uns Hilfe wird zu jeglicher Frist!» Aus der Ansprache von E. Frische, Inspektor in Deutschland Alle, die unseren geschätzten und lieben Direktor Staub näher gekannt und ihn in seiner Verkündigung erlebt haben, wissen, dass er ein Mann gewesen ist, dessen Denken und dessen Sprache vom Umgang mit der Bibel geprägt waren. Das kam besonders in einem Wort zum Ausdruck, das alle diejenigen immer wieder aus seinem Munde hçrten, die in der Lebens-, Arbeits- und Gebetsgemeinschaft des Mutterhauses auf St. Chrischona mit ihm zusammenlebten. Es war das Wort aus 1. Chronika 4,10: «Ach, dass du mich segnetest und meine Grenze mehrtest, und deine Hand mit mir wäre!» Der Inhalt dieses biblischen Gebetes war ganz offenbar der innere Impuls für das persçnliche Leben und das dienstliche Wirken unseres lieben Heimgegangenen. Wir alle wissen, wie der Herr auf diese Bitte geantwortet 32


hat. Bei allen menschlichen natürlichen Grenzen darf heute zur Ehre des Herrn bezeugt werden, was am Ende des genannten Bibelwortes steht: «Und Gott ließ kommen, was er bat.» Wie durfte das Werk der Pilgermission auch in Deutschland wieder seine Grenzen mehren – nicht in der Auswirkung von Machtstreben und mit fleischlichen Mitteln, wie wir es im politischen Raum so notvoll erlebt haben! Nein: Der Herr tat hinzu! Neue Arbeitsfelder taten sich auf, und erst in seinem letzten Dienstjahr setzte der Herr neue geistliche Grenzpfähle in Südafrika, wo unter den deutschsprechenden Einwanderern ein kleiner Zweig der Pilgermission begonnen werden durfte. Mehr noch als die äußeren Grenzen weitete der Herr die inneren Grenzen seines Knechtes. Das kam vor allem in seinem Gebetsdienst zum Ausdruck. Hier beim wahrhaft priesterlichen Dienst im Heiligtum wurde das Herz weit. Es war ein Beten, das die Welt umspannte, sowohl mit ihren menschlichen Nçten als auch in ihrem inneren, verlorenen Zustand. Aus der Ansprache von P. Graf, Vorsteher des Diakonissen-Mutterhauses St. Chrischona Vor allem aber hatte Hans Staub ein warmes Herz für den Auftrag der Diakonie. Er sah diesen Dienst neben der Wortverkündigung in gleicher Weise vom Herrn der Gemeinde gegeben, gewollt und gesegnet. Oft betonte er bei Brüderkonferenzen die Bedeutung und Verheißung des Diakonissendienstes und wies auf den inneren Reichtum und die Befriedigung hin, womit ein Leben erfüllt wird, das ganz im Dienst des hçchsten Herrn steht. Er war ein Mann der Stille und des Gebets. Sein verborgener Umgang mit dem Herrn wirkte sich aus im täglichen Leben und Dienst, gemäß dem Wort des Herrn in der Bergpre33


digt: «Bete zu deinem Vater im Verborgenen; dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten çffentlich.» Diese gçttliche Vergeltung darf er nun empfangen im Reich des ewigen Lichtes, wo er in vollkommener Weise dem Herrn dienen und sein Angesicht schauen darf. Aus der Ansprache von Pfarrer Th. Schubert, Dorfkirche Riehen Direktor Staub ist für uns ein Gesandter des Herrn Jesus Christus gewesen, und wir danken ihm, unserem Herrn, für das, was er durch ihn gewirkt hat. Er hat besondere Gaben und Fähigkeiten gehabt und war uns in vielem ein Vorbild, vor allem in der Treue und in der Hingabe an die Aufgabe und den Dienst. Man sagt, dass wir in unserer Zeit Vorbilder brauchen, und wir sind deshalb froh, heute auf den Verstorbenen hinweisen zu dürfen. Seine vorbildliche Treue und Pflichterfüllung wird uns immer wieder vor Augen stehen. Jeder, der in einem Amt steht, weiß, wie schwer das Wort des Apostels sein kann: «… dass nicht mehr von einem verlangt wird, als dass man treu erfunden werde.» Im Blick auf den verstorbenen Direktor haben wir den Eindruck, dass das in ihm und in seinem Wirken erfüllt gewesen ist; ein Mann, der mit Treue und letzter Hingabe und tiefer Demut sein Amt versehen hat. Aus der Ansprache von W. Müller, Gemeindepräsident Bettingen In unserer Dorfchronik, im Buch also, das wir im Jahre 1963 aus Anlass der 450-jährigen Zugehçrigkeit von Bettingen zu Basel und der Schweiz herausgegeben haben, steht u. a. der Passus: «Das große christliche Lehr- und Liebeswerk, das 34


sich so im Laufe der letzten 120 Jahre auf der Anhçhe von St. Chrischona formte und eine weltweite Wirksamkeit gewann, hatte von Anfang an danach gestrebt, mit dem unterhalb gelegenen Dorfe Bettingen, zu dem es gemeindemäßig gehçrt, auf gutem, ja freundschaftlichem Fuße zu stehen; so bestand ein fruchtbares Geben und Nehmen beiderseits während all der Jahrzehnte seit der Gründung der Pilgermission.» Es zeigt dies, dass zwischen der Pilgermission und unserer Gemeinde seit jeher ein gutes Einvernehmen herrschte. Und trotzdem glaube ich sagen zu dürfen, dass es Direktor Hans Staub war, welcher seit 1947 der Pilgermission vorstand, der mit unserer Gemeinde jene menschlichen Anknüpfungspunkte schuf, die für eine echte Dorfgemeinschaft notwendig sind und die erst eine ersprießliche und segensreiche Zusammenarbeit wirksam werden lassen. Obschon das Werk von Jahr zu Jahr weiter wuchs, sowohl auf St. Chrischona wie auch auf den Arbeitsfeldern der Schweiz und jenseits ihrer Grenzen, und somit die Arbeitslast von Direktor Staub immer grçßer wurde, hat er viele Jahre seine Dienste auch unserer Gemeinde – als Mitglied der Steuerkommission und als Mitglied der Rechnungsprüfungskommission – zur Verfügung gestellt, und in dieser dçrflichen Arbeitsgemeinschaft war er bei weitem der gebende Teil gewesen. Ich habe ihn in all den Jahren unserer Zusammenarbeit nicht nur als einen gewappneten und wohlausgerüsteten Diener am Worte Gottes, als einen erfahrenen, verstehenden und Vertrauen schaffenden Leiter der Pilgermission kennen und schätzen gelernt, sondern auch als einen Mann, der die Interessen seiner Wohngemeinde wahrzunehmen wusste. […] Menschen mit solchen Tugenden werden immer seltener. Wahrlich, wir alle haben viel verloren! 35


6. Was eine Studentin aus dem Jahr 1967 berichtet

Wir schließen diesen ersten Teil mit einer kurzen Erzählung einer Studentin ab, die Hans Staub in seiner allerletzten Wirkungszeit erlebt hat und dann auch eines Morgens mit der schockierenden Nachricht fertigwerden musste, dass Hans Staub plçtzlich und unerwartet gestorben ist. Helena Kohlscheen-Sturzenegger aus Brasilien hat uns, nachdem sie von unserem Interesse an Hans Staub hçrte, spontan folgenden Beitrag zugestellt: Wir in der Bibelschule hatten bei Direktor Hans Staub im Jahr 1967 noch Unterricht (Seelsorge). Er war sehr eindrücklich, ein wahres Vorbild für uns. Ich habe ihn in wertschätzender Erinnerung. Wir hatten jeweils am Donnerstagnachmittag Unterricht bei einem anderen Dozenten und kamen meist sehr aufgewühlt von diesem Unterricht zurück. Da empfanden es viele von unserer Klasse jeweils wie Balsam, wenn wir am Freitagmorgen zuerst bei Direktor Staub das Fach Seelsorge hatten. Da wurde unsere Seele wieder ruhig, gelassen und getrost. Ein feiner Mann. Seine ruhige, bedachte, demütige Art war allein schon eine Wohltat und Balsam für die aufgewühlte Seele. Er war ein Beter. Wie oft sahen wir ihn vom Brüderhaus aus in den Wald gehen und wussten: Direktor Staub macht seinen Gebetsrundgang. Er hat uns auch Persçnliches aus seinen Kämpfen im Gebet erzählt. […] Seine letzte Schulstunde (am 21. April 1967) bei uns war über «Seelsorge am Sterbebett». Die Bibelstellen, die er uns dazu angab, habe ich immer noch in meiner Bibel eingeklebt. Es war für uns dann am 2. Mai ein großer Schock, als unsere Klassensprecherin morgens früh ins Zimmer geeilt kam und sagte: «Es ist etwas Schreckliches passiert. Direktor Staub ist 36


gestorben.» Das hçre ich heute noch in meinen Ohren – und empfinde noch die weichen Knie, die wir durch diese Nachricht erhielten. Natürlich lag es im Hinblick auf die Zusammenstellung eines Büchleins über Hans Staub auf der Hand, die damalige Bibelschülerin nach den in der letzten Schulstunde zitierten Bibelstellen zu fragen. Sie schreibt zurück: Diese «Bibelstellen am Sterbebett», die uns damals Direktor Staub diktiert hatte, will ich gerne mitteilen. Es sind: Die Psalmen 23; 73; 16; 22; 121; 126. Aus Hiob die Stellen 19,25; 14,1–6; 16,22. Aus Jesaja nannte Direktor Staub die Kapitel 43, 53, 54, 65 bzw. aus Kapitel 41 den Vers 10. Aus Jeremia wurde 29,11 genannt und aus 1. Chronik der Vers 25 aus Kapitel 29. Aus dem Neuen Testament nannte Hans Staub folgende Bibelstellen: Johannes 3,16; 5; 10; 11,25f.; 14; 16; 17 Rçmer 5,1f.; 8,17f.; 8,31ff.; 14,7–9 1. Korinther 15 2. Korinther 4,17f.; 5,1 Philipper 1,21; 3,20 2. Timotheus 1,10 1. Petrus 1,3–9 1. Johannes 3,1f.; 2,1 Offenbarung 3,10f.; 20; 7,9; 14,13; 21,1–7 Diese Stellen hat er uns in der letzten Seelsorgestunde diktiert. In der nächsten war er schon am Ziel … Das war schon noch besonders eindrücklich!

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Anmerkungen 1

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Unter dem Titel «Das Chrischonawerk unter Hans Staub – 1947 bis 1967». Im Oktober 2000. Markus Müller: Trends 2016. Die Zukunft lieben, Basel: Brunnen 2009, Seite 141. In: «50 Jahre Bibelschule für Tçchter auf St. Chrischona». Glaubensbote vom April 1965. Glaubensbote vom November 1950. Aus dem Glaubensboten vom September 1961.

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Der Autor

Dr. Markus Müller, Jahrgang 1955, war von 2001 bis 2012 Direktor der Pilgermission St. Chrischona in Bettingen bei Basel. Dort war er schon seit August 1999 Dozent mit dem Hauptauftrag «Aufbau und Leitung des Fachbereichs Diakonie». Zuvor absolvierte er das Studium der Heilpädagogik, Erziehungswissenschaft und Anthropologie. Drei Jahre arbeitete er am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Er promovierte 1986 in Behindertenpädagogik an der philosophischen Fakultät in Fribourg/Schweiz. Danach arbeitete er zehn Jahre im vollzeitlichen Dienst des CVJM München. Es folgten drei Jahre als Dozent an der Hçheren Fachschule für Sozialpädagogik in Zizers/Igis (Stiftung Gott hilft). Seit April 2012 arbeitet Markus Müller als Heimpfarrer der Heimstätte Rämismühle bei Winterthur (Schweiz). Er ist verheiratet mit Doris, die aus dem Schwarzwald (Deutschland) stammt. Die beiden haben vier Kinder.

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