Andreas Benda (Hrsg.)
Zu Dir rufe ich
Andreas Benda (Hrsg.)
Zu Dir
rufe ich Das Herz vor Gott ausschßtten – Gebete von den biblischen Psalmen bis zu Augustinus, Luther, Bonhoeffer und Betern der Neuzeit
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
2., durchgesehene und überarbeitete Auflage © 2012 Brunnen Verlag Basel Umschlag: Olaf Johannson, Langgöns Umschlagfoto Vorderseite: Akaiser / Shutterstock.com Umschlagfoto Rückseite: Bibelgalerie Meersburg (Nachbildung einer Christus-Johannes-Gruppe aus dem Jahre 1310) Satz: Rudolf Horn, Linden Druck: Finidr Gedruckt in der Tschechischen Republik ISBN 978-3-7655-1196-7
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Inhalt Zu Dir rufe ich
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Ermutigung zum Gebet Das Vaterunser Du bist da Dich bete ich an Dir zu dienen ist Glück Ja, Vater Du sorgst für mich Gott, sei mir Sünder gnädig Du zählst all meine Tränen Lass mich dein sein und bleiben
9 13 15 41 63 74 87 97 114 143
Quellen
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Zu Dir rufe ich „Lehre uns beten.“ Mit dieser Bitte kamen die Jünger zu Jesus (Lukas 11,1). Beten ist einfach, jedes Kind kann beten. Es ist aber auch schwer. Wie oft gerät uns in guten Tagen das Gebet – das Reden mit Gott und das Hören auf ihn – zu einem kleinen wohlformulierten Vortrag! Und wer vor den schweren Fragen seines Lebens steht, dem fehlen die Worte oft ganz. Dabei finden wir in der Bibel – vor allem bei den Betern der Psalmen – Gebete, die sich in unerhörter Kühnheit an Gott wenden: zitternd vor Furcht, gesättigt vor Glück, triumphierend vor Freude, in verzweifelter Klage. Aber auch aus der frühen Kirchengeschichte, über Augustinus, Luther, Bonhoeffer und bis in die Neuzeit sind uns Gebete überliefert, die unser eigenes Beten bereichern können. Manche dieser Texte mögen uns Heutigen zunächst eher fremd erscheinen. Es sind Gebete, die glühen vor Gottesliebe und Hingabe, die aber auch von tiefer Selbsterkenntnis sprechen.
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ZU DIR RUFE ICH
Einige dieser Gebete wurden in „Zu Dir rufe ich“ gesammelt und den Bitten des Vaterunsers zugeordnet, das Christus den Jüngern als „Mustergebet“ gab. Konfessionelle Grenzen spielten bei der Auswahl keine Rolle. Die Bibelworte und Zitate zu Beginn jedes Abschnitts sind als Ermutigung gedacht, mit Gott so zu reden, wie es uns gerade ums Herz ist. Um die Auswahl von vornherein zu begrenzen, wurde in der Regel auf neuere Gebete verzichtet und auch auf Gebetslieder, die durch die Gesangbücher ja leichter zugänglich sind. Ich danke den vielen Freunden, die mich auf geeignete Gebete hingewiesen haben. Die Auswahl ist unvollständig und bruchstückhaft, wie es nicht anders sein kann. „Zu Dir rufe ich“ möchte dennoch dazu anregen, das Herz vor Gott auszuschütten und es zugleich an ihn zu verlieren. Andreas Benda
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Ermutigung zum Gebet Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen. Wer Dank opfert, der preiset mich, und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes. Psalm 50,15.23 (LÜ)
Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält dich aufrecht! Er lässt den Gerechten niemals wanken. Psalm 55,23 (EÜ)
Wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Joel 3,5 (LÜ)
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ERMUTIGUNG ZUM GEBET
Vertrau ihm, Volk (Gottes), zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht. Psalm 62,9 (EÜ)
Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen. Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen. Psalm 91,14–15 (LÜ)
Rufe zu mir, so will ich dir antworten und dir große, unfassbare Dinge mitteilen, die du nicht kennst. Jeremia 33,3 (EÜ)
Die Elenden und Armen suchen Wasser und es ist nichts da, ihre Zunge verdorrt vor Durst. Aber ich, der Herr, will sie erhören; ich, der Gott Israels, will sie nicht verlassen. Jesaja 41,17 (LÜ)
ERMUTIGUNG ZUM GEBET
Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr … Jeremia 29,12–14 (LÜ)
Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. Jesaja 58,9 (EÜ)
Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen. Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien und hilft ihnen. Psalm 145,18–19 (LÜ)
Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.
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ERMUTIGUNG ZUM GEBET
Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten. Matthäus 7,7–8.11(EÜ)
Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei. Johannes 16,24 (LÜ)
Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden. Markus 11,24 (LÜ)
Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Johannes 15,7 (EÜ)
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Das Vaterunser
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nd wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
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DAS VATERUNSER
Darum sollt ihr so beten:
Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Matthäus 6,5–13 (LÜ)
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Du bist da „UNSER VATER IM HIMMEL“
Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: Stillewerden und Stillesein und Hören, bis der Betende Gott hört. Søren Kierkegaard (1813–1855)
Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. 1. Johannes 3,1 (EÜ)
Wenn ein christlich Herz ernstlich zu Gott betet, schreit, seufzt, fleht und hält an, so ist’s unmöglich, dass ein solch Gebet nicht sollte von Gott erhöret werden. Martin Luther (1483–1546)
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DU BIST DA
Jene, die es nicht gelernt haben, Gott um schlichte Dinge zu bitten, werden auch weniger vorbereitet sein, ihn um große zu bitten. Wir dürfen nicht allzu edelmütig sein. Ich vermute, manchmal hemmt uns beim Beten um geringfügige Dinge mehr das Gefühl der eigenen Erhabenheit als die Ehrfurcht vor derjenigen Gottes. C. S. Lewis (1898–1963)
Der gerade Weg ist der kürzeste, und dieser kürzeste führt dich zu Gott. Versuch es doch mit deinem reichen Gott! Zähle auf seine Hilfe! Komm als ein Bettler, und Gott wird dir seine Hilfe nicht versagen. Komm ohne Forderungen, nur auf seine Gnade hin. C. H. Spurgeon (1834–1892)
DU BIST DA
Herr, rede du allein beim tiefsten Stillesein zu mir im Dunkeln. Gerhard Tersteegen (1697–1769)
O gütiger Gott, wenngleich die Himmel deine Größe nicht fassen und ich ein so armes Würmlein der Erde bin, unwert auch deiner geringsten Guttat, so können doch alle deine Gaben mein Herz nicht stillen und meiner Sehnsucht nicht Schweigen gebieten – du nur allein. O gib dich mir! Johannes Tauler (1300–1361)
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DU BIST DA
Herr, ich weiß nicht, um was ich dich bitten soll. Nur du weißt, was ich brauche. Du liebst mich besser, als ich mich selbst zu lieben weiß. O Vater, gib deinem Kinde, wovon es selbst nicht weiß, wie es dich darum bitten soll. Ich wage dich nicht zu bitten, weder um Kreuze noch um Tröstungen; ich bringe einfach mein Herz dir dar und öffne mein Herz für dich. Sieh an meine Nöte, die ich selbst nicht kenne; sieh her und tu an mir nach deiner fürsorglichen Güte. Schlage oder heile, beuge mich nieder oder richte mich auf; ich bete all deine Ratschlüsse an, ohne sie zu kennen. Ich schweige nur; ich bringe mich dir zum Opfer, ich gebe mich dir hin. Ich habe kein anderes Verlangen,
DU BIST DA
als deinen Willen zu tun. Lehre mich beten. Bete du in mir. François Fénelon (1651–1715)
Gott, zu Dir rufe ich in der Frühe des Tages. Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu Dir; ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht; ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht; ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe; ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede; in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld; ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich. Dietrich Bonhoeffer (1906–1945)
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DU BIST DA
Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe. Wach auf, meine Seele, wach auf, Psalter und Harfe, ich will das Morgenrot wecken! Herr, ich will dir danken unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten. Denn deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. Erhebe dich, Gott, über den Himmel und deine Herrlichkeit über alle Welt! Psalm 57,8–12 (LÜ)
O Gott meines Heils, übe mich ein in die Freude. Lass mein Herz in dir, mein Retter, damit es Anteil erhält an deiner Liebe! Alexandre Rodolphe Vinet (1797–1847)
DU BIST DA
Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast. Du breitest den Himmel aus wie einen Teppich; du baust deine Gemächer über den Wassern. Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und kommst daher auf den Fittichen des Windes, der du machst Winde zu deinen Boten und Feuerflammen zu deinen Dienern, der du das Erdreich gegründet hast auf festen Boden, dass es bleibt immer und ewiglich. Mit Fluten decktest du es wie mit einem Kleide, und die Wasser standen über den Bergen. Aber vor deinem Schelten flohen sie, vor deinem Donner fuhren sie dahin. Die Berge stiegen hoch empor, und die Täler senkten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast.
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DU BIST DA
Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wieder das Erdreich bedecken. Du lässest Wasser in den Tälern quellen, dass sie zwischen den Bergen dahinfließen, dass alle Tiere des Feldes trinken und das Wild seinen Durst lösche. Darüber sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen. Du feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffest. Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus der Erde hervorbringst, dass der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke. Die Bäume des Herrn stehen voll Saft, die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat. Dort nisten die Vögel, und die Reiher wohnen in den Wipfeln.
DU BIST DA
Die hohen Berge geben dem Steinbock Zuflucht und die Felsklüfte dem Klippdachs. Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere, die jungen Löwen, die da brüllen nach Raub und ihre Speise suchen von Gott. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon und legen sich in ihre Höhlen. So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Werk bis an den Abend. Herr, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter. Psalm 104,1–24 (LÜ)
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DU BIST DA
Ich danke dir, mein Schöpfer und Herr, für die Freude, die du mir an deiner Schöpfung geschenkt hast. Johannes Kepler (1571–1630)
Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, der du nicht geschaffen, nicht geboren, sondern von Anfang und von Ewigkeit her bist! Ich bete dich an, ich ehre, lobe und preise dich und sage dir Dank von Grund meines Herzens für alle deine Wohltaten, besonders dafür, dass du Himmel und Erde, Sonne und Mond und alle Kreaturen durch deine Allmacht geschaffen hast, durch deine Weisheit regierst und durch dein göttliches Wort erhältst. Die Sonne, wenn sie aufgeht, verkündigt den Tag. Sie ist ein Wunderwerk des Herrn. Es muss ein großer Herr sein, der sie gemacht hat und sie so schnell laufen heißt.
DU BIST DA
Die hellen Sterne zieren den Himmel. Durch Gottes Wort halten sie ihre Ordnung und wachen sich nicht müde. Ich danke dir, Gott, dass du die Erde samt allen Kreaturen durch deine Güte und Barmherzigkeit dem menschlichen Geschlecht zu Dienst geschaffen und ausgeteilt hast. Besonders lobe ich dich, meinen Schöpfer und Herrn, dafür, dass du auch mich zu einem vernünftigen Menschen nach deinem Bild geschaffen, mir Leib und Seele und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hast und bewahrst. Groß ist deine Güte an mir, der du mich nicht blind, taub, stumm, lahm oder gebrechlich hast lassen geboren werden. Solange ein lebendiger Odem in mir ist, will ich nicht vergessen, was du mir Gutes getan hast. Wilhelm Löhe (1808–1872)
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