Renate Hartwig: Der goldene Skalp

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Renate Hartwig Der goldene Skalp

L SE rial A B te AG s Ma L ER 端tzte V N h NE -gesc N t U BR yrigh p Co

www.brunnen-verlag.ch


«Wer wagt, gewinnt – deshalb wage ich weiter.» Renate Hartwig

Die Autorin

L Renate Hartwig, geboren 1948 in Lindau, ursprünglich SE rial SozialA B ate arbeiterin, ist heute Publizistin und Einer AG Bestsellerautorin. M ihre kritischen L s breiten Öffentlichkeit wurde Hartwig durch R e E ützt N Vbekannt, Bücher über «Scientology» E sch die sie schrieb, während Ndiese-gOrganisation e N sie sich mutig gegen einsetzte. Mit demselRU right B ben Engagement p kämpft sie für ein Gesundheitssystem, in dem y Co nicht der Mammon im Mittelpunkt steht. Sie der Mensch und stellt sich gegen die, wie sie sagt, von «Kapitalinteressen» dominierte Gesundheitspolitik. Die Art, wie sie seit Jahren gegen mafiçse Strukturen kämpft, findet in weiten Kreisen Anerkennung.

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Renate Hartwig

Der goldene Skalp Wie uns die Machenschaften L SE rial der Gesundheitsindustrie A B te AG s Ma L das Fell Rabziehen tzte VE EN esch端 N t-g UN BR yrigh p Co

Verlag Basel . Giessen


L SE rial A B te AG s Ma L ER ützte V N scDeutschen h Bibliografische Information Nationalbibliothek NE -geder N Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der t U BR yrigh detaillierte bibliografische Daten sind im Deutschen Nationalbibliografie; p CoInternet über www.dnb.de abrufbar.

2014 by Brunnen Verlag Basel Umschlag: spoon design, Olaf Johannson, Langgçns Umschlagfotos: Simon Booth, Shutterstock.com Satz: innoset AG, Justin Messmer, Basel Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany ISBN 978-3-7655-2026-6


Inhalt

Vorwort der Autorin ......................................................

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1. Die Wut eines Greenhorns ......................................

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2. Wer hat den Bergdoktor auf dem Gewissen?............

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Abrechnen in den Weihnachtsferien ............................... Das Geschäftsmodell Arzt ............................................. L l SE ria........ A Wenn ehrlich nicht mehr hilft, dann halt unehrlich B ate G A sM Die Langfinger vom Stamme «Nimm» RL zte............................ E Die Wut der ¾rzte ......................................................... N V schüt E Nichts mehr wert........................................................... NN ge

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tU BR yrigh p 3. Vom Patienten Co zum Schnäppchenjäger ....................

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Der Bonus für die Gesunden .......................................... Sirenenschreie ............................................................... Schnäppchenjagd beim Arzt .......................................... Warum ein besserer Rollstuhl? Gelähmt ist gelähmt! ...... Wer kriegt zu Recht unser Geld? ....................................

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4. Frau Doktor! Die Kassen sind krank! ......................

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Die Kassen sind «schizofirm» geworden .......................... Eine Kasse verpuppt sich................................................ Das Kartell der Kassen ...................................................

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Frankenstein weckt das Kassenmonster........................... 83 Geschlossene Kassen-Gesellschaft .................................. 89 Die Reise des Geldes...................................................... 91 Der ewige Zahlenknoten ................................................ 94 Der Traum vom Sparen zerplatzt ................................... 97 Unbeantwortete Fragen.................................................. 98 Alle Organe kuschen...................................................... 100 5. Nützliche Idioten – wie Selbständige von den Krankenkassen ausgenommen werden..................... 108 Das Jahr der Tränen ....................................................... 109 Ein Fragezeichen in meiner Abrechnung......................... 111 6. Kannibalen unter sich – wie sich ¾rzte selbst L SE rial A zerfleischen ............................................................. 121 B e

G at LA es M R E zt Was ist die KassenärztlicheVVereinigung? N schüt ........................ E N ge In der Regressfalle.......................................................... UN ght-............................................... R Knuspern am Hexenhaus B yri p o Millionen ausCdem Keller ...............................................

Verschanzt im Selbstbedienungs-Saloon ......................... Kassenärztlicher Konzern ............................................... Ein Aprilscherz im Februar ............................................ Der Beitragsgeldfluss fließt und fließt............................. Der Speck und die Mäuse .............................................. Sexuelle Stçrung im Kartenleser .................................... Und wie schützen wir die Daten? ................................... Sollen wir lachen oder heulen? .......................................

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7. Häuptlinge in der Drehtür – wo Politiker und Lobbyisten sich die Klinke in die Hand drücken ...... 165

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8. Die Jagd nach dem goldenen Skalp.......................... 177 Das Postfach quillt über ................................................. Dann gehen wir eben ins Olympiastadion! ..................... Die Hausärzte verraten die Patienten.............................. Hausärztlicher Kundendienst ......................................... Die Politiker verraten die Hausärzte ............................... Der letzte Kampf der Hausärzte..................................... Der Tag X...................................................................... Eine Telefonlawine geht ab ............................................ Die Ideen der ¾rzte ....................................................... Eine Ideenfabrik in der Post............................................ Der Tanz geht erst los ....................................................

180 181 185 188 196 199 200 203 208 213 216

9. Räuber auf der Pirsch – die Konzerne nehmen L SE rial A Witterung auf .......................................................... 222 B e

G at LA es M R E zt Ein fantastischer Deal .................................................... N V schüt E N -ge Ein gescheitertes N Uni-Experiment .................................. ht RU rig...................................................... Sturm überBKronach py Krankenhäuser Cozu verschenken ......................................

224 226 229 233 Ich will nicht verkauft werden........................................ 234 Rote Karte für den Klinikverkauf.................................... 237 10. Bittere Medizin – die lukrative Symbiose von Kassen und Pharmafirmen................................................... 239 Rabattverträge und die Krankenkassen ........................... Die andere Seite der Spar-Medaille................................. Sparen ist unerwünscht.................................................. Satire: Aus Staub wird Gold!.......................................... Eine Krankheit als Geschäftsmodell? ..............................

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11. «Klinik ist wie Bundeswehr» – der unmenschliche Alltag von Pflegekräften .......................................... 252 Die Pflege liegt am Boden .............................................. Die stillen Helden fangen an zu schreien ........................ «Feigheit gehçrt zum System» ........................................ Eine Pflegekonferenz in eigener Sache ............................ Die Billig-Falle............................................................... Ruhiggestellt mit Medikamenten ................................... Der glücklichste Fall ......................................................

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12. Helvetia und ihre medizinischen Einwanderer ......... 281 Eine Therapeutin pendelt............................................... Klinikärzte werden heimisch .......................................... L SE rial A Ein deutscher Exportschlager ......................................... B ate AG Die Schweizer Versicherten und Ldie Kosten.................... sM R VE ützte Die Schweiz und wir......................................................

N h NE -gesc N t RUehemaligen 13. Die WutBdes righ Greenhorns....................... y p Co

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Hippokrates’ letzte Jünger ............................................. 307 Eine zwei Jahrtausende alte Provokation ........................ 311

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Vorwort

Weshalb dieses Buch? Habe ich nicht schon alles aufgeschrieben? Nein! Acht Jahre lang saß ich in der ersten Reihe der Schmierenkomçdie, die sich «unser Gesundheitssystem» nennt. Ich kenne das miese Programm. Jetzt ist es Zeit für eine letzte Warnung. IchEwill L aus meinem l S dieses A Herzen keine Mçrdergrube machen. Deshalb B eria Buch.

G at LA es M R E zt N V schütRenate Hartwig, April 2014 E N e UN ght-g R i B pyr Co

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1 Die Wut eines Greenhorns

Ich war ein Greenhorn, eingeklemmt in den Sitz eines Reisebusses, auf meinem Weg in eine neue Welt. Greenhorns waren Männer und Frauen, die in ein unbekanntes Amerika aufbrachen, um ein neues Leben zu beginnen. Sie waren unerfahren und hatten keine Vorstellung von dem, was sie hinter dem Ozean erwartete. Sie waren perfekte Opfer für die Spießgesellen, die das raue Leben im neuen Land schon kannten. Die nutzten ihre Unerfahrenheit aus und benutzten Lsie für ihre PläSE rial Aber geA ne. Es fällt mir nicht leicht, mir das einzugestehen: B ate AG Und nauso ein Greenhorn war ich auch. L R ztes Mlange habe ich die Wahrheit nicht gesehen. VE N schüt E N -gmeine Vor acht Jahren begann e Reise. Mit dem Bus fuhr eine t Nürnberg UN nach h R g Gruppe Hausärzte zu einem Treffen, bei dem i B yr p o sie richtig Dampf C ablassen wollten. Sie waren wütend und verzweifelt. Überall um mich herum klagten Männer und Frauen über ihre Situation. Sie schimpften und fluchten über ein Gesundheitssystem, in dem sie Gefangene bei Wasser und Brot waren. Aber keine ¾rzte mehr, die gerne Patienten behandelten. Sie hatten Angst um ihre Zukunft, denn die Entscheider hatten sie an der Kehle gepackt und drückten ihnen die Luft ab. Die Honorare waren schlecht, und was ich in diesem Bus hçrte, machte mir Sorgen: Viele Existenzen und Praxen standen vor dem Ende. Eine Welt ohne Hausärzte? Keine, in der ich leben wollte. So lange ich mich erinnern kann, hatte ich nie negative Erfahrungen mit ¾rzten gemacht. Begegnungen mit ihnen hatte 11


ich genug: Ich weiß noch heute, wie mein Kinderarzt, Dr. Wagner, ausgesehen hat. Graue Haare, für mich als Kind schien er riesengroß. Ja, er kam mir immer vor wie ein guter Riese. Wenn mir etwas wehtat, dann konnte er das wegzaubern. Ich konnte als Kind nicht verstehen, warum andere Kinder im Wartezimmer weinten und Angst hatten vorm Herrn Doktor. Aber es gab noch andere wichtige ¾rzte für mich. Mein Vater war in meiner Kindheit schwer krank, und unser Hausarzt, Dr. Euler, kam immer zu uns nach Hause und hat ihn hervorragend betreut. Außerdem hat unsere ganze Familie meine kranke Mutter im Alter mit Unterstützung unseres damaligen Hausarztes daheim gepflegt. Dazu kamen Schwangerschaften, Geburten und natürlich Krankheiten. Alles waren Momente, in denen ich auf ¾rztinnen und ¾rzte L angewiesen l SE immer A war und viele kennen gelernt habe. Sie haben B ateria das erG M füllt, was ich von ihnen erwarte:LA vertrauensvolle, verlässliche tes ERZeit z t Partner zu sein. Sie habenVsich genommen, zu verstehen N schü E und zu helfen. NN e t-gDa Usich alles. h R g 2007 änderte saß ich mit meinem rauen Hals i B yr p o im Sprechzimmer C meines Hausarztes. Ich war allein – der Doktor war kurz raus zum Telefonieren gegangen. Plçtzlich bewegte sich das Bild auf seinem Computerbildschirm, und ein breiter roter Streifen erschien. «Die Behandlungszeit für diesen Patienten ist abgelaufen», leuchtete da. Ich war ziemlich schockiert. Bisher gab es für mich in diesem Zimmer nur den Arzt und mich. Aber auf einmal hatte ich das Gefühl, als würde ein Fremder zwischen uns sitzen und bestimmen, dass ich jetzt zu gehen hätte. Aber ich konnte diesen Fremden nicht sehen und fragte mich: Wer entscheidet hier eigentlich, wie lange der Arzt mit mir reden darf? Ich wollte das verstehen, und als der Arzt zurückkam, habe ich ihn sofort auf dieses Laufband angesprochen. 12


Er war ziemlich überrascht, es passte ihm nicht, dass ich den Hinweis auf seinem Bildschirm bemerkt hatte, und er sagte nur: «Ach wissen Sie, das ist das System.» Ich wollte, dass er mir das erklärt, aber er meinte: «Dazu reicht mein Budget nicht!» Ich war irritiert – bisher hatte ich nicht gehçrt, dass der Arzt für mich ein Budget hat. Bis dahin war ich immer voll Vertrauen zum Arzt gegangen, aber die Minuten in diesem Behandlungszimmer waren für mich wie ein Schock. Es war der Aufbruch in eine neue Welt, von der ich wenige Augenblicke vorher im Wartezimmer noch keinen blassen Schimmer hatte. Eigentlich ist das Bild von der neuen Welt ziemlich absurd, denn der Irrsinn dieses Gesundheitssystems trifft uns schon bei Lappalien wie einem Kratzen im Hals. Eigentlich sollten wir es deshalb kennen wie den LWeg zum Hausl SEAhnung A arzt. So habe ich auch gedacht, dass ich eine B ateria von dieG A sM sem System hätte. Ich habe immer dass wir mit RL ztegeglaubt, E t unseren Kassenbeiträgen Vein Solidarsystem finanzieren, in N schü E N dem der Gesunde für denge Kranken zahlt. In dem Kassen das t-der Patienten verwalten und das nur UNWohle h R g Beitragsgeld zum i B r opy existiert: im Krankheitsfall den Menschen zu dem einenCZweck mit den notwendigen Mitteln zu helfen. Damals wurde mir aber klar, dass wir für das «System» eine vçllig neue Landkarte brauchen. Ich merkte zum ersten Mal, dass ich ein Greenhorn war. Zwar habe ich eine Versichertenkarte in meinem Geldbeutel, bin also Bürgerin des Landes «Gesundheitssystem», aber ich wurde wie alle anderen Kassenpatienten schçn dumm gehalten. Denn ohne unser Wissen wurde die Gesundheitsversorgung umgepflügt und neu gestaltet, so dass ein gänzlich wildes und unentdecktes Land entstanden ist. In diesem Land herrschen nicht mehr Solidarität, Mitgefühl und Menschenwürde. In diesem Land schwingen die Betriebswirte, Ökonomen und Investoren die Gewinnpeit13


schen, und ¾rzte, ¾rztinnen, Schwestern und Pfleger müssen spuren. In diesem Land war ich eine Fremde. Wenige Tage später klingelte es bei uns, und vier ¾rzte standen vor der Tür. Mein Hausarzt hatte drei Kollegen mitgebracht, und bis spät in die Nacht saßen sie mit uns am großen Tisch im Esszimmer und klagten ihr Leid mit dem Gesundheitssystem. So hçrte ich zum ersten Mal Wçrter wie «Regelleistungsvolumen», «Fallpauschale» oder «Regress», und die ¾rzte erzählten von vçllig absurden Abrechnungen. Ich war entsetzt: Jeder Arzt bekommt im Quartal pro Patient eine bestimmte Summe. Egal, wie oft der Patient in seine Praxis kommt. Als die vier gegangen waren, sagte ich zu meinem Mann: «Entweder ich lese die falsche Zeitung, oder die vier haben uns die letzten Stunden für dumm verkaufen wollen. Oder sie sind einfach nicht ganz richtig im ELKopf!» Sich A Von dem, was die mir da erzählten, hatte rial nie etwas B atenoch G A gehçrt. Es war für mich wie eineLFremdsprache, R ztes M in der sie sich E unterhalten haben. Ich wollte Welcher Hornochse üt N V schwissen: E kommt auf die Idee, NNein tsolches -ge System, von dem 90 Prozent Uabhängig h R g der Bevçlkerung sind, so zu verkomplizieren, dass es i B yr p o niemand mehr Cversteht? Also bin ich bereits einige Wochen später in den Bus eingestiegen und mitgefahren. Ich wollte kämpfen! Denn eine Welt ohne Hausärzte war keine, in der ich leben wollte. Mein Albtraum war, dass die freien niedergelassenen ¾rzte weggespart werden und Handelsvertreter der Gesundheitskonzerne ihren Platz einnehmen. Die haben zwar auch Medizin studiert, sind aber für mich keine ¾rzte mehr, weil es ihnen nicht um unsere Gesundheit zu gehen hat, sondern darum, den Gewinn ihrer Arbeitgeber zu steigern. Das Ende der Busreise war ein Debakel. Die ¾rztinnen und ¾rzte wollten, dass ihre Sorgen gehçrt würden. Stattdessen wurden ihre Redebeiträge von einem anwesenden Politiker, übrigens selbst Arzt, als ein Benehmen wie 14


«Rotz am ¾rmel» betitelt. Es wird keine Hilfe kommen. Das wurde mir damals klar. Also wollte ich kämpfen. Ich wollte diesen Fremden finden, der den ¾rzten im Nacken sitzt und sie zwingt, ihre Patienten abzuspeisen. Ich wollte nicht, dass er unser Gesundheitssystem mit Haut und Haaren verschlingt. Also drehte ich jeden Stein um, ihn zu finden und in die Ecke zu treiben. Ich telefonierte, recherchierte, schrieb Bücher, gründete eine Bürgerinitiative und mietete für eine Demo das Olympiastadion in München. Ich wusste, dass Patienten und Hausärzte gemeinsam für das Gesundheitssystem aufstehen und es im Schulterschluss verteidigen müssen. Sonst würde es niemand machen. Ich hatte immer geglaubt, dass ¾rzte und Patienten nichts mehr wollen als eine gute Gesundheitsversorgung erhalten. Aber ich war noch immer ein Greenhorn. LUnd ich musste l SEgibtrkeinen A die Wahrheit schmerzhaft kennen lernen: Es B ate ia SchulG A sM terschluss und kein Mitgefühl mehr. ¾rzte nutzten mein RL ztDie e E t V Engagement und meine Wut fürüihre Zwecke aus. In all den N sch NE der Jahren ging es derNMasse ¾rzte nie darum, die Systemfehler t-gsiee hätten die Macht dazu! Aber sie Ubeheben; h R g des Marktes zu i B pyr haben sich diesem Co System angepasst und sich eingerichtet. Es ging immer nur um die Honorare und nie um das, wofür ich eigentlich angetreten bin. Ein ¾rztefunktionär hat mir mal hçhnisch geraten, ich solle mich besser nicht so für die ¾rzte aus dem Fenster lehnen. Denn eins sei sicher: Egal, wer der Schar vorweglaufe, er müsse nur einen Hunderteuroschein hochhalten und die ¾rzte würden blind hinterherlaufen. Egal in welche Richtung. Damals habe ich mich çffentlich mit dem Funktionär angelegt, heute muss ich ihm leider recht geben: Für die große Masse der ¾rzte stimmt das. Das habe ich jahrelang nicht erkannt, und ich habe diese ¾rzte immer entschuldigt. Wahrscheinlich liegt das an meiner Prägung als Sozialarbeiterin. Ich habe lange Jahre in der Bewährungshilfe 15


viele schwierige Fälle betreut, an deren Lage angeblich immer etwas anderes schuld war. Und so habe ich ¾rzte eben auch entschuldigt und ihr Verhalten gerechtfertigt, so als kçnnten sie bei diesem System nicht anders reagieren. Aber in Wirklichkeit sind sie selbst verantwortlich. Sie zanken sich um Honorare und Patienten. Der Wettbewerb hat mittlerweile aus Haus-, Fach- und Kinderärzten Konkurrenten gemacht, die sich gegenseitig misstrauen. Da tun mir die ¾rzte einerseits leid, andererseits bekomme ich eine riesige Wut auf sie, weil sie es eigentlich in der Hand hätten, das System zu verändern, aber stattdessen im Hamsterrad den Honoraren hinterherrennen. Nur die ¾rzte und ihr Verhalten zu kritisieren wäre zu kurz gedacht. Wehren wir uns denn als Beitragszahler? Mein Eindruck ist, dass wir schon selbst glauben, in diesem Wildwestkrimi irgendwo auf Öl zu stoßen und selbst Profit EL ausl dem SysAS teriadie tem herauszuschlagen. Uns Patienten B bezeichnen Kassen G a A M immer mehr das seit Jahren schon als Kunden, und L ichehabe t s in unseren Kçpfen ERmittlerweile z t V Gefühl, dass diese Propaganda chüso geblendet und übersehen, ENWiresind s N Wurzeln geschlagen hat. N t-g hVerhältnis RU das g dass dieses B System zu uns Menschen komplett i r y p o verändert hat.CWir sind keine Patienten mehr, und auch unsere Gesundheit ist zweitrangig. Nach acht Jahren Recherche und Kampf mache ich mir deshalb nichts mehr vor: Das Solidarsystem existiert nicht mehr. Das ist nur noch ein sozialromantisches Märchen, das wir uns zur Beruhigung vor dem Schlafengehen erzählen. In Wirklichkeit stehen nur noch Ruinen, und die werden Stück um Stück von denen abgetragen und verkauft, die seit Jahren auf die Geldberge unseres Gesundheitssystems aus sind. Denn wir reden hier über einen wachsenden Markt! Durch den fließen jährlich allein an Kassenbeiträgen 190 Milliarden Euro. Plus ca. 70 Milliarden Euro, die durch Zuzahlungen und unzählige Gesundheitsprodukte dazukommen. 16


Für ein Stück von diesem Kuchen ist jeder bereit, seinen Nächsten gewinnbringend zu verschachern. Die Krankenkassen die Funktionäre. Die Funktionäre die ¾rzte. Die Politiker die ¾rzte. Die ¾rzte die Patienten. Die Gesunden die Kranken. Die Kranken die Schwerkranken. Denn das neue, marktregierte System verwandelt uns alle, es macht uns krank! Wir nehmen aber gar nicht wahr, was mittlerweile aus ¾rzten, Pflegekräften, Patienten und Politikern geworden ist. Unsere Gesellschaft ist längst auch mit dem Virus des Dollar-Fiebers verseucht. Rückblickend saß ich acht Jahre lang in einem Kinofilm, in dem sich vor meinem Auge die Auswüchse der menschlichen Gier abgespielt haben. Nur dass dieser Film nicht nach zwei Stunden aus war. Er hat bis heute nicht aufgehçrt. Nach jedem Ende wartete ein neuer Abgrund. Acht Jahre habe ELLebenszeit l hatte ich SEigentlich a A i ich für diese Schmierenkomçdie investiert. r G B MasoteBesitz von mir mir geschworen, dass nie wiederLA ein Thema s ERimmer zteein menschlicheres Get ergreifen darf. Mein Ziel V war ü ENbineich schnoch nicht angekommen. Unsundheitssystem N –N dort g U ghsot viel erlebt, dass ich mich fühle wie terwegs habe BRich yaber ri p o ein Container, C bis zum Rand angefüllt mit dem Unrat dieses Systems. Ich muss einfach die Türen aufklappen und das alles zu Papier bringen, sonst platze ich noch. Darum ist dieses Buch auch meine Geschichte mit dem System. Ich werde hier die Fakten aufschreiben, die mittlerweile Regale voller Ordner und Boxen in meinem Archiv füllen. Aber auch die vielen Erlebnisse, die mehr als Fakten unserem Gesundheitssystem die Maske herunterreißen. Meine Erkenntnis dabei ist: Diese gierigen Fremden, nach denen ich so lange gesucht habe, das sind wir alle. Die Gier beherrscht uns, darum ist unser krankes Gesundheitssystem nicht mehr zu heilen. Es wird immer kränker und schwächer, und die Medikamente, die ihm als politische Reformen gespritzt wer17


den, bringen rein gar nichts. Darum müssen wir die Augen çffnen! Wir haben nur zwei Mçglichkeiten: Entweder wir übernehmen als Versicherte und ¾rzte endlich Verantwortung und starten neu. Oder wir vergessen das mit der Solidarität und dem Mitgefühl, verhçkern das letzte Tafelsilber und finden uns damit ab, dass wir kein Miteinander mehr wollen. Dann sollten wir uns aber besser mit dieser Welt anfreunden, die ich Ihnen, werte Leserinnen und Leser, in den nächsten Kapiteln zeigen werde. Und lassen Sie mich jetzt schon sagen, es ist eine hässliche Welt! Und sie wird immer hässlicher. In ihr sind wir allesamt Greenhorns. Leichte Beute. Wirklich gut kennen sich nur die aus, die dieses System gebaut und erdacht haben. Ihnen sind wir als Patienten und ¾rzte ausgeliefert.

L SE rial A B te AG s Ma L ER ützte V N h NE -gesc N t U BR yrigh p Co

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