Tanja Jeschke: Paulina aus der Kürbisstraße

Page 1


Tanja Jeschke Paulina aus der Kürbisstraße

al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – tis ht-ge n o f ig ` pyr o C

www.fontis-verlag.com


Die Autorin Die deutsche Schriftstellerin, Essayistin und Literaturkritikerin Tanja Jeschke ist 1964 in Pretoria (Südafrika) geboren und hat schon viele Kinderbücher geschrieben, die zum Teil Auszeichnungen und Top-Beurteilungen erhielten (etwa «Die besten 7 Bücher für junge Leser 2013», Deutschlandfunk). Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Stuttgart.

al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – tis ht-ge n o f ig ` pyrDie Illustratorin o C

Constanze Spengler studierte Illustration und Kommunikationsdesign an der HAW, der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Sie ist freie Grafikerin, Autorin und Illustratorin und lebt und arbeitet in Hamburg.


Tanja Jeschke

Paulina aus der Kürbisstraße al Zwçlf Geschichten sel ateri a n B tes M e n n tz zu den –Jahreszeiten und Bru schü e s ti ht-g g i `fonKirchenfesten r opy C

Mit Illustrationen von Constanze Spengler


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

l a a M n BMarie» «Ein Jahr mit e tes n z n t u (Gabriel VerlagB/rThienemann chü Verlag, Stuttgart). s – e s g ergänzte, erweiterte nti hier histt-eine g i `foDies r py Co und neubearbeitete Ausgabe.

a Dieses Buch erschien bereits früher selunter dem teri Titel:

2014 by `fontis – Brunnen Basel Umschlag: Spoon Design, Olaf Johannson, Langgçns Illustrationen: Constanze Spengler, Hamburg Satz: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel Druck: Finidr Gedruckt in Tschechien ISBN 978–3–03848–016–7


Inhalt 1. Das alte Jahr fliegt über den Balkon ...............

7

2. Wie Paulina das neue Jahr entdeckt................ 18 3. Spaghetti für die «Heiligen Drei Kçnige»..... l eria sel ........................ t 4. Paulina geht zu Fuß bis Ostern a a n B tes M e n z runEinbrecher hüt 5. Tante Usch und ........................ Bihr c s – e s g i t t `fon yrigh 6. Die Frohe-Ostern-Idee....................................... p Co 7. Paulinas Ecke .........................................................

28 37 46 55 67

8. Pfingsten – und lauter Wunder ........................ 77 9. Von Maike, Herrn Klomm und anderen Neuigkeiten ............................................................ 88 10. Paulina ist nicht allein....................................... 96 11. Ein nikolausiger Tag.......................................... 106 12. Woher das Schçne kommt............................... 117 5


al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – tis ht-ge n o f ig ` pyr o C


1. Das alte Jahr fliegt über den Balkon Paulina ist acht Jahre alt und wohnt in der Kürbisstraße. Die Kürbisstraße hçrt da auf, wo der Fußballplatz anfängt. Und am Rand vom Fußballplatz, l eria selihreatFahrräder nämlich da, wo die Jungs immer aba B sM n e te stellen, da steht das rHaus unn hvon ütz Paulinas Familie. Es B c – ges tis Vor ist ein altesfoHaus. n ht- allem die Dachrinne ist alt. g i ` r opy schimpft der Vater immer. «Woher «Viel zu C alt!», soll ich das Geld für eine neue nehmen!?» Das weiß Paulina auch nicht. Sie legt den Kopf schief und hçrt, wie das Regenwasser überall durch die kaputte alte Dachrinne tropft. «Hçrt sich doch schçn an!», sagt sie. «Wir brauchen gar keine neue.» Das Wasser spritzt an manchen Stellen gegen die Fensterscheiben. Es gurgelt und klopft. Der Regen ist ganz wild heute. Vielleicht hat der Himmel es eilig, 7


denkt Paulina, vielleicht muss er es noch schaffen, alles alte Wasser vom alten Jahr fertig zu regnen, bevor es ganz zu Ende geht. Denn heute ist der allerletzte Tag des alten Jahres, und morgen beginnt das neue. Morgen früh ist alles neu. Da soll der Himmel bitte endlich eine schçne weiße Schnee-Tischdecke ausbreiten! Paulina wünscht sich nichts mehr als das, denn zu Weihnachten hat sie doch einen neuen Schlitten bekommen, der noch immer unbenutzt im Wohnal sel ateri zimmer steht. a n B tes M e n z n vorütdem Die Mutter drehtrusich Spiegel in ihrem h B c s – is aussieht tdas t-ge wie ein Teich mit Seeneuen Kleid, n h o f g i ` pyr rosen. Sie geht Co gleich mit dem Vater zur Silvesterparty, und Sonja, das ist Paulinas große Schwester, darf zum ersten Mal mit. Denn jetzt ist sie groß genug. Sonja tut, als sei sie gar nicht aufgeregt, dabei ist sie es doch, und zwar sehr. Das sieht Paulina an den roten Flecken überall an Sonjas Hals. Sonja trägt ein blaues Kleid, das glitzert, und eine Kette, die noch mehr glitzert. 8


«Du siehst ganz neu aus», sagt Paulina, «gar nicht mehr wie Sonja.» Das gefällt Sonja. Sie findet sich neu viel schçner als alt und macht ein Etepetete-Gesicht mit spitzen Lippen, weil sie glaubt, so was passt jetzt zu ihr. Paulina und ihr kleiner Bruder Franz bleiben zu Hause. Tante Usch kommt zum Aufpassen. Tante Usch wohnt vier Häuser weiter, ist doppelt so dick wie die Mutter und hat einen lila Schimmer in ihial erbleiben, sel ihnen t ren weißen Haaren. Sie wird bei bis a a B sM n e te n das das alte Jahr vergangen ütz neue Jahr da ist. run und h B c – ges tisnächstes «Tschüss,fobis n ht- Jahr!», ruft die neue Sonja g i ` r py zum Abschied. Co Und als die drei die Tür schließen, rennen Paulina und Franz zum Fenster und schauen, wie sie im Auto die Kürbisstraße hinunterfahren. Die werden sie in diesem Jahr nie wieder sehen. Nie wieder. «Jetzt feiern wir drei Silvester», sagt die alte Tante Usch, «und dann geht ihr Mäuse schlafen.» «Darf ich denn bei deinem Silvester auch ein Computerspiel spielen?», fragt Franz. Er ist ganz 9


schçn listig, denn er weiß, dass Tante Usch nicht so gut Nein sagen kann wie der Vater oder die Mutter. «Was für ein Spiel soll das denn sein?», fragt Tante Usch zurück. Franz will schon loslegen und ihr genau erklären, was er meint, aber Paulina ruft rasch: «Franz, die Tante Usch hat doch gar keinen Computer, das weißt du doch!» «Immer noch nicht?», ruft Franz jetzt. «Du hast wirklich immer noch keinen?» Er wirft die Arme l l eria fallen. tBoden in die Luft und lässt sich Bauf aseden a en ztes M n n t «Tante Usch, du haust mich Bru schü um!», stçhnt er dort – tis ht-ge unten. n o f ` yrig p o «Tja, Franz», sagt Tante Usch, «mein Silvester C geht ohne Computer.» Und zwar so: Wackelpudding mit Vanillesoße essen und Witze erzählen und zum Schluss das alte Jahr über den Balkon schmeißen. Tante Usch sagt, wenn man das Alte nicht rauswirft, kann das Neue nicht kommen. Man muss es richtig kräftig wegjagen, weil es nämlich lieber bleiben will, das Alte, sagt sie. Es ist wie mit Staub und 10


Gerümpel und schlechten Gewohnheiten, die gehen nicht von selbst. Paulina weiß genau, dass das neue Jahr erst um Mitternacht kommt, wenn sie und Franz schon lange schlafen. Sie mçchte so gern aufbleiben und endlich einmal sehen, wie es dabei zugeht. Ob das neue Jahr vielleicht angeschaukelt kommt wie ein Schiff oder angeflogen wie ein Vogel? Oder ob es sich einfach vom Himmel herunterfallen lässt wie al eriBoden sel vom t der Regen? Oder ob es aufsteigt wie a a B sM n e te n der Nebel? run chütz B ges is – htdasselbe: t Aber es ist immer Franz und sie müssen n `fo yrig p ins Bett wie Cokleine Kinder, und wenn sie dann am nächsten Morgen aufwachen, ist das neue Jahr einfach so da. Das gefällt Paulina nicht, und deswegen wird sie heute Nacht wieder versuchen, wach zu bleiben, um nichts zu verpassen. Sie wird ihre Augen ganz groß machen und aufhalten und aufhalten, bis sie brennen. Aber wetten, dass sie ihr dann doch wieder zufallen und der altbekannte, müde Silvesterschlaf stärker ist? 11


Ha – in ein paar Jahren bin ich so groß wie Sonja, denkt Paulina, und dann gehe ich auch auf die Silvesterparty und sehe, wie das neue Jahr ankommt. Tante Usch sitzt auf dem gelben Sessel im Wohnzimmer, lçffelt Wackelpudding und erzählt ihren alten Witz von der Tüte, den sie jedes Jahr erzählt: Kommt eine Tüte zum Bäcker und sagt: Zwei Brçtchen bitte. Sagt der Bäcker: Du hast wohl `nen Knall. Also hçr mal, sagt die Tüte, plustert sich auf und platzt, dass es knallt. Tante Usch al sel ateri wackelt beim Lachen wie der Pudding. a n B tes M e n z n Franz kriegt einen Man muss ihn hüt Bru Lachanfall. c s – e tis dem t-gZimmer dann immer aus werfen, sonst hçrt er n h o f g i ` r y p gar nicht mehr Co auf zu lachen. Paulina lässt den Wackelpudding durch die Zähne hin- und herflitschen, bis er fließt wie Saft. Dabei beobachtet sie Franz genau, der immer noch lacht. Tante Usch freut sich, dass ihr Witz so witzig ist. Sie hat ganz rote Wangen und nickt Franz frçhlich zu und sagt: «Jaja, diese Tüte, diese Tüte, so was!» Paulina kichert. Aber Franz soll jetzt mal auf12


hçren, findet sie. «Franz, es reicht!», ruft sie wie der Vater. Natürlich hçrt Franz nicht auf sie, das tut er nie. Er lacht noch mehr und noch lauter und holt zwischendurch Luft wie eine Schiffssirene. Das hat er mit Lars geübt, Lars ist sein Freund. Es hçrt sich grauenhaft an. «Wir müssen ihn jetzt aus dem Zimmer werfen», sagt Paulina zu Tante Usch. Aber die steht auf und çffnet die Balkontür.

l el aniemand eria swird t «Nee, nee», sagt sie, «hier rausa B sM n e te n geschmissen. Nur das ütz das geht jetzt kopprunaltecJahr, h B – es heister!» fontis ight-g ` pyr Koppheister Co ist ein sehr schçnes Tante-UschWort, es heißt: Das alte Jahr wird jetzt über den Balkon geschmissen, und zwar kopfüber. Franz vergisst weiterzulachen und geht mit Paulina und Tante Usch auf den Balkon. Sie stehen da und schauen in die dunkle Nacht. Es ist sehr kalt. Der Regen hat aufgehçrt, aber aus der alten Dachrinne tropft es noch immer. Paulina sieht zum schwarzen Himmel hinauf. 13


Der Wind weht von den Birken am Fußballplatz herüber. Dies also ist die letzte schwarze Nacht vom alten Jahr. Paulina sieht es überall, das alte Jahr. Dort drüben im Fußballtor hockt es, und da hinten vor der Garage von Herrn Kleber liegt es, und in den nassen ¾sten der Bäume kraxelt es herum. Und hier auf dem Balkon ist es auch, und es weiß genau, dass es bald vorbei ist, das alte Jahr. Irgendwo in der Nähe gibt es einen Knall. Einige al sel ateri Leute aus der NachbarschaftBa lachen. en ztes M n n t «Das war die Tüte!», ruft Bru schüPaulina laut. – s ge tischon t-wieder Franz fängt an zu lachen, aber nur n h o f g i ` r y opmuss was sagen: «Quatsch, das war kurz, dennCer ein Silvesterknaller!», sagt er und guckt Paulina an, ob sie ihm auch glaubt. Meistens glaubt sie ihm nämlich nicht, wenn er etwas weiß, aber dieses Mal doch, auch wenn sie dazu die Nase rümpft. Tante Usch stützt sich mit ihren dicken Armen auf die Balkonbrüstung und sagt: «Los, Mäuse, jetzt schmeißen wir!» Und Franz und Paulina greifen mit beiden Hän14


al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – tis ht-ge n o f ig ` pyr o C

15


al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – e tisalten t-gJahr, den nach fdem das überall in der Luft n h o g i ` r y op es weit weg. Koppheister geht es! hängt, und C werfen Tante Usch macht auch mit. «Ach, du altes Jahr, jetzt pack ich dich am Kragen!», ruft sie mit ihrer hohen alten Stimme und schwenkt die Arme mit geballten Fäusten über dem Kopf. Dann çffnet sie die Hände und schleudert etwas mit aller Kraft von sich. Paulina schaut genau hin: Tante Uschs altes Jahr fliegt da mit Schwung hinaus. 16


«Das war’s!», ruft Tante Usch in die Nacht und lässt die Arme zufrieden baumeln. «Das war’s!», rufen Franz und Paulina hinterher. Sie sind – puh! – ganz schlapp vom Schmeißen.

al sel ateri a n B tes M e n n tz Bru schü – tis ht-ge n o f ig ` pyr o C

17


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.