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Schneller, exklusiver, ausführlicher Hinter den Kulissen tobte ein Wettstreit, der zahlreiche Rekorde brach: 15 Tage nach der Wahl des neuen Papstes war das erste Buch über Franziskus I. auf dem Markt. Wir berichten, was zu erwarten ist
© Fotografia Felici
Herder: Papst Franziskus I. rechnete nicht mit der schnellen Übersetzung
Markt
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ie einen waren die schnellsten, die anderen sind stolz darauf, das aus ihrer Sicht am meisten fundierte Buch vorgelegt zu haben. Die einen freuen sich über ihre große Weitsicht und die analytische Dimension ihres Werkes, während die anderen angeben, dass sie die Einzigen seien, die nicht über ihn schrieben, sondern die den neuen Chef selbst als Autor hätten. Nur 15 Tage nach der Wahl Jorge Mario Bergoglios lag das
erste Buch über den neuen Papst im Schaufenster. Mit der Wahl des Papstes brachen die Verlage alle Rekorde. Die Eile war berechtigt: „Der Papst war gerade gewählt, da standen unsere Kunden bereits im Laden und wollten ein Buch über ihn kaufen“, berichtet beispielsweise Hellena Astaras-Hein, Buchhändlerin bei Carolus in Frankfurt, kopfschüttelnd. Denn das Ergebnis einer Papstwahl ist auch für den am besten vernetzten Verlag nicht vorherzusagen. Papstbücher zu schreiben, das liegt heute nicht mehr in der Hand von Theologen, sondern in der von schnellen Journalisten.
Herder veröffentlicht nicht nur Bücher über den neuen Papst, sondern Bücher von ihm Andreas Bernheim
BuchMarkt Juli 2013
Obwohl die sich an diesem 13. März je nach Bauchgefühl gut vorbereitet fühlten und eine Menge Biografien möglicher Kandidaten gesammelt hatten, wurden sie doch allesamt überrascht. Den Kardinal aus Argentinien hatte keiner von ihnen auf der Liste. Das bedeutete: gleiche Startchance für alle. Denn über den Mann wollte alle Welt lesen. Dass letztlich neben Kösel der Münchener Riva Verlag das Rennen um den ersten Titel auf dem Markt gemacht hat (so ntv), lag dabei an drei entscheidenden Zutaten: an der guten Nase von Verlagschef Oliver Kuhn, an der weisen Autorenauswahl mit Heiko Haupt sowie der dann folgenden Teamarbeit im Verlag. Gerade dass das Haus sonst eher auf Promis spezialisiert ist, hatte das Interesse mit dem Papstrücktritt Benedikts geweckt, erzählt Pressefrau Tina Nollau. Denn der Papst, das sei ja auch ein Promi, für den sich die Massen interessieren würden. Ein Mensch also, der in dem auf Biografien oder Bekenntnissen von 95
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Als Verlag für Promis sollte auch ein Papst-Buch dabei sein Tina Nollau
Stars und Sternchen spezialisierten Haus gut aufgehoben war. Autor Haupt, freier Journalist und sonst eher bei Technik und Autobüchern bewandert, nicht katholisch und auch kein ausgewiesener Papstkenner, hatte den Auftrag für die Biografie erhalten. Er musste sich in dem Augenblick, als Franziskus auf den Balkon trat, verwundert die Augen reiben, um sich dann mit zwei Rechercheuren in die Arbeit zu stürzen. Schnell und gut, das war seine Vorgabe, die er durchhielt. Denn nach nur 15 Tagen legte der Riva Verlag seine Papst-Biografie vor. Ein Buch mit knapp 180 Seiten, broschiert, 9,99 Euro teuer, ein Mitnehmer für den Laden. „Franziskus – Der Papst der Armen“ ist durch die flotte Machart des Verlages, das gute Marketing sowie das perfekte Timing bereits in zehntausend Exemplaren bis heute einverkauft. „Da hat der Vertrieb Vollgas gegeben“, schil-
dert Tina Nollau, wieso da alles so gut geklappt hat. Das Buch ist gut, davon ist sie überzeugt. Fundiert, mit der Handschrift eines handwerklich soliden Journalisten und aus dem Blickwinkel des Entdeckers einer überzeugenden Biografie geschrieben, landete es von Beginn an in vielen Schaufenstern. Die Tatsache, dass der Riva Verlag nicht zu den ersten katholischen Adressen gehört, störte dabei nicht. „Der Titel ist wohl eher in den populären Buchhandlungen gelandet“, erinnert sich die Pressefrau an Büchertische bei Hugendubel, Mayersche und Thalia, auf denen der Papst-Titel von Riva lag. Trotzdem habe sie viele Anfragen katholischer Buchhandlungen erhalten, „die katholische Klientel hat es ganz sicher gefunden“, ist sich Tina Nollau aus vielen positiven Rückmeldungen sicher. Was Autor Heiko Haupt gehörig bei seiner Recherche geholfen hat, um ein Bild von diesem Jorge Mario Bergoglio zu erhalten, ist ein Interviewbuch mit dem ehemaligen argentinischen Kardinal. Mittlerweile ist es auch auf Deutsch er96
schienen. Wo sonst, als bei Herder. „Unser Verlag veröffentlicht nicht nur Bücher über den neuen Papst, sondern Bücher von ihm“, sagt dazu Pressesprecher Andreas Bernheim nicht ohne Stolz. Über die guten Verbindungen von Verlegerbruder Dr. Raimund Herder nach Barcelona zu Herder Editorial ist es dem katholischen Haus gelungen, Kontakt zu Bergoglios argentinischem Verlag zu bekommen. Schnell wurde man sich handelseinig und
durch allein fünf engagierte Übersetzer gelang die schnelle Herausgabe des 2010 erschienenen Bestsellers „El Jesuita“ auch in deutscher Sprache. Ein Buch, in dem Kardinal Bergoglio zwei Radio-Journalisten Rede und Antwort steht, viel erklärt und ganz tief einblicken lässt in seine Überzeugungen. „Papst Franziskus – Mein Leben, mein Weg“ ist somit das einzige Buch bislang, in dem der neue Papst so ausführlich mit seiner Meinung und seinen Gedanken selbst zu Wort kommt, so der Verlag. „Der Gesprächsband erlaubt einen intensiven und nahen Einblick in das Denken des Papstes“, beschreibt Pressesprecher Bernheim. Im ebenfalls frisch übersetzten zweiten Titel „Offener Geist und gläubiges Herz“ werde eher das spirituelle Fundament des neuen Papstes erkennbar. Denn in dem Band erschließe Jorge Mario Bergoglio als Seelsorger die Bibel. Beides sind also Bücher nicht aus zweiter, sondern aus erster Hand. Da hat der Herder Verlag die Latte hoch aufgelegt. Im Wettstreit um das erste Buch über den Papst stand auch Kösel. Sein Titel „Franziskus – Der neue Papst“, von Simon Biallowons ist nach gleichem Muster wie der vom Kollegen Heiko Haupt entstanden. Nach der Wahl musste der erst 29-jährige Journalist quasi aus dem Nichts über Nacht eine Biografie zusammenrecherchieren. Er hatte dazu alle wichtigen Informationen zur theologischen Position und zu den bisherigen thematischen Schwerpunkten des neuen Papstes zusammengefasst. BuchMarkt Juli 2013
Biallowons macht dabei auch die Herausforderungen für den neuen Papst deutlich, greift zugleich aber auch die Nachfolgesituation nach Benedikt XVI. auf: Welches Erbe hinterlässt der deutsche Papst, wo steht die Weltkirche nach dem Benedikt-Pontifikat? „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Titel gemacht, er wurde durchgehend gut bewertet“, freut sich Pressesprecherin Susanne Klumpp über die zügige Arbeit des Autors. Ob Riva, wie es der Fernsehsender ntv in einem Interview Ende März behauptet, nun wirklich zuerst auf dem Markt war, lässt sich letztlich nicht klären, Kösel vermerkt immerhin den 27. März als Ersterscheinungstag für das 160 Seiten dicke broschierte Werk. Das wäre ein Tag früher gewesen als die Mitbewerber aus München. Einen absoluten Profi in Sachen Papst hatte der Schwesterverlag im Random HouseKonzern, C. Bertelsmann, am Start: Andreas Englisch war bereits unter Johannes Paul II. Vielschreiber in Sachen Vatikan und als Korrespondent des Springer Verlages mit allerbesten Kontakten ausgestattet. „Nach dem Rücktritt Benedikts, den Englisch übrigens schon Tage vorher in einem Interview vorausgesehen hatte, haben wir mit ihm entschieden, ein Buch in Doppelfunktion vorzulegen“, berichtet Pressesprecherin Heidrun Gebhardt. Inhalt sollte ein Resümee auf den deutschen Papst, ein Bericht über das spannende Konklave sowie ein Ausblick auf die Herausforderungen an den neuen Papst sein. Also zunächst einmal unabhängig von der Überraschung solch eines bis dato eher Unbekannten wie Bergoglio geplant. Dass auch der zunächst eine Herausforderung für ihn war, hat der Autor durch seine glänzenden vatikanischen Kontakte schnell wettgemacht. Seit acht Jahren schreibt Englisch bei C. Bertelsmann, der Verlag freut sich über seinen unterhaltsamen und zugleich fundierten Stil. Nicht nur als Journalist, auch als Autor hat er eine Fangemeinde und immer gute Verkaufszahlen. Die Informationen von vielen Zuträgern, die Hintergründe aus unzähligen Autofahrten mit führenden Kardinälen, gute Zugänge zu Insiderwissen hat der Vielschreiber Englisch in einigen Nächten zu einem detaillierten Hintergrundbericht zusammengeschmiedet über die Frage, wie es zu der Wahl des für viele so unbekannten
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Dass es wirklich fundiert ist und keinesfalls ein Schnellschuss, das belegt der Verlag mit dem ersten Rezensenten: kein geringerer als Papstsekretär Erzbischof Georg Gänswein. Der habe das Manuskript geprüft und abgesegnet, bestätigt Verlags-Pressesprecherin Anja Volkmer. Ein größeres katholisches Lob für die fundierte Arbeit des Autors Hesemann scheint es kaum zu geben. Damit kommt das Buch mit viel Vorschusslorbeeren auf den Markt. Kann es sie halten, wäre dies zugleich für seinen Autor, der lange Jahre auch in der mystischen Ecke zuhause war und nicht weniger als 37 Bücher veröffentlicht hat, eine besondere Auszeichnung. Die kann sich sein Kollege, der ZDFJournalist Jürgen Erbacher, bereits einstreichen. In der Riege der zweiten Welle von Papstbüchern ist er Hesemann acht Wochen voraus. Zwar kann er nicht mit derart vielen Exklusivinterviews aufwarten. Das macht seine Arbeit aber nicht weniger wertvoll. Denn Erbacher hat in seinem Pattloch-Titel „Papst Franziskus – Aufbruch und Neuanfang“ Zitate und Aussagen von Kardinal Bergoglio und auch die ersten Stellungnahmen des neuen Papstes Franziskus thematisch geordnet und sie den aus seiner Sicht wichtigen Anforderungen der Kirche gegenübergestellt. Neben Biografie und inhaltlichen Standpunkten fügt er zudem die Schilderungen von fünf der sechs deutschen Kurienkardinäle hinzu. Sie berichten über ihre persönlichen Eindrücke von der Papstwahl. Kein Blick durchs Schlüsselloch des Konklaves, wie der Verlag betont, aber durchaus zwischen den Zeilen erhellend. Das ergibt im Ergebnis auch einen besonderen deutschen Blick auf den neuen Papst. Dabei sind die Zeilen von Kardinal
Der Autor bleibt anonym Thomas Nahrmann © Patmos Verlag
argentinischen Jesuiten zum Papst kommen konnte. „Das Buch steht seit vier Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste“, freut sich Heidrun Gebhardt über das Produkt mit 288 Seiten Umfang und eigenem Bildteil. Ein wenig mehr Zeit hat sich da der Herbig Verlag gelassen. Sein Titel „Papst Franziskus“ von Michael Hesemann erscheint erst Ende Juli und wartet dann aber sogleich mit mehreren Superlativen auf. „Weltexklusiv“ sei das erste ausführliche Interview mit der Schwester des Papstes, Maria Elena Bergoglio. Exklusiv habe Autor Hesemann auch Einschätzungen des Papstbruders Georg Ratzinger. Interviews mit dem besten Freund des neuen Papstes, Rabbi Skorka, sowie seinem bisherigen Assistenten Pater Marcórunden runden das Buch ab.
Walter Kasper beachtenswert. Sein persön- die großen Erwartungen und Herausfordeliches Statement macht deutlich, wieso ihn rungen anknüpfen, die an den neuen Papst viele im Konklave für einen besonderen gestellt werden“, so Nahrmann. Unterstützer des argentinischen Kardinals Wie es in den Bücherregalen mit dem gehalten haben. Papst weitergehen wird, da sind sich die Neben den schnellen Büchern erster Stun- Verlage größtenteils einig: Man werde gede, die durchaus bereits viel Substanz haben nau beobachten, was dort im Vatikan pasund den nun folgenden stärker analytisch siere und beizeiten in Buchform nachlegen. geprägten und intensiver recherchierten „Ich denke aber nicht, dass Papst FranzisTitel stößt der Patmos Verlag besonders kus in dem Maße zur Feder greifen wird, hervor: Er hat die Namenswahl des neuen wie es Papst Benedikt getan hat“, versucht Papstes zum Anlass genommen, in fikti- Patmos-Sprecher Nahrmann eine Einschätven Briefen diesen heiligen Franziskus an zung. Herbig wartet auf neue Impulse und den Papst schreiben zu lassen. „Was würde überraschende Anstöße zu kirchlichen, soFranz von Assisi dem neuen Papst raten?“, zialen und gesellschaftlichen Fragen durch kommentiert der Verlag diese Briefe, die den Papst, wie Anja Volkmer angibt. Kösel den Papst bestärken sollen, notwendige und C. Bertelsmann „sind gespannt, was da Schritte der Umkehr und Veränderung an- noch vom Papst kommen wird“. Riva hält zugehen. Dass das nicht nur ein ungewohn- Schnellschreiber Heiko Haupt noch in der ter Angang ist, sondern auch noch durchaus Reserve, um zu warten, ob er im Herbst kritisch und kühn, zeigt eine Besonderheit: bereits nachlegen soll. der Autor des Patmos Titels „Lieber Bruder Franziskus“ bleibt anonym. Allein Andreas Bernheim kann mit breitem Lä„Wir arbeiten mit ihm seit Jahren zu- cheln in die Branche schauen. „Der Verlag sammen“, kommentiert das Verlagsspre- Herder will auch weiterhin Papst Franzischer Thomas Nahrmann. Wegen seiner kus in seinen eigenen Worten den Lesern Fundierung und Zuverlässigkeit sei er bekannt machen“, umschreibt er das, was auch die erste Wahl gewesen und habe in Freiburg alle stolz macht. „Wir haben zwei Wochen nach der Wahl sein fertiges uns die Rechte an weiteren fünf Büchern Manuskript im Verlag abgegeben. Da er aus der Feder Jorge Mario Bergoglios darin aber durchaus recht kritische Passa- gesichert.“ Diese würden seine Haltung gen anbringe, „die nicht allen Katholiken zu Glaubensthemen und seine geistlichen schmecken“, sei dieser Kunstgriff der Ano- Wurzeln verständlich machen. nymität gewählt worden. Möglich macht diese Ankündigung die „Nicht dass unser Autor die Diskussion bereits erwähnten Beziehungen zum argenund Auseinandersetzung scheut, aber er tinischen Stammverlag des neuen Papstes zweifelt am offenen und fairen Dialog in sowie dessen Ankündigung zu Beginn des der Kirche und fürchtet aus gutem Grund Pontifikates. Denn dort hat Franziskus Denunziationen“, begründet das Nahrmann. festgelegt, dass alle Rechte an bisherigen Die Erfahrungen auf den Titel seien durch- Veröffentlichungen bei den Ursprungsveraus positiv, das betreffe sowohl Verkaufs- lagen bleiben. Dass Herder so schnell zuzahlen, als auch Reaktionen. Es zeige also, gegriffen hatte und Übersetzungen vorlegte, dass der Weg, ein Buch abzuliefern, das hatte der neue Papst übrigens wohl nicht einen ganz anderen Ansatz verfolgt, richtig erwartet. Als Manuel Herder ihm die ersten gewesen sein. „Wir halten uns nicht damit beiden Bücher bei einer Generalaudienz auf, den Papst dem Publikum vorzustellen“, Ende April überreichte, konnte er voller sagt der Patmos-Sprecher. Diese Informa- Überraschung nur „Danke“ sagen, ist aus tionen könne jeder durch andere Medien dem Freiburger Haus zu hören. erhalten. „Mit unserem Buch wollen wir an Christian Schlichter BuchMarkt Juli 2013
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