Jung und Alt auf Augenhöhe

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SZ-Landkreisausgaben

EBERSBERG

Mittwoch, 24. April 2013 Ebersberg Seite R8

Jung und Alt auf Augenhöhe Europäisches Treffen in Vaterstetten zeigt: Lernen zwischen Generationen ist wichtig VON SOPHIE ROHRMEIER

Vaterstetten – Computerwissen, Sprachkurse, ein Besuch mit dem Hund oder Jagen – so unterschiedlich sind die Dinge, bei denen sich Jung und Alt in verschiedenen europäischen Ländern begegnen. In Vaterstetten haben sich gestern Menschen aus fünf EU-Staaten getroffen, um zu fördern, was in vielen Ländern eine Seltenheit geworden ist: dass alle Generationen voneinander lernen. Die Vaterstettener Volkshochschule (VHS) ist Mitglied der „Grundtvig Learning Partnership“ zwischen Deutschland, Frankreich, Polen, Österreich und Ungarn – und gerade Gastgeber des internationalen Austauschs. „Ich will sehen, was in einem anderen Land zwischen den Generationen passiert – wo wir doch die Idee noch gar nicht hatten“, sagt Jean-François Granjon vom Atelier des Cultures bei Toulouse. „Lernen zwischen Generationen ist für uns ganz neu.“ Granjon will Bürger Europas treffen, die „sich bewegen“ – und damit Europa weiterbringen. Dafür sind die Lernpartnerschaften da, ein EU-Projekt, das es Organisationen für Erwachsenenbildung ermöglicht, zusammenzuarbeiten – und zwar über Themen von allgemeinem Interesse.

Die Volkshochschule ist Gastgeber des internationalen Austausches Unter den 19 Teilnehmern des Treffens sind Weiterbildende aus Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich und Deutschland – aber auch ältere Lernende, sechs aus Budapest, zwei aus Krakau. Letztere haben die Chance dieser EU-Förderung ergriffen: in ein anderes Land zu reisen, um dort zu hören, wie man den älteren Bürgern eine Beteiligung am Lernen bieten will. Und zwar nicht getrennt von der Jugend, sondern im Austausch mit ihr. Die Kommunikation zwischen den EU-Staaten indes ist ganz persönlich im kleinen Dachraum der Vaterstettener Grundschule, in dem sich die Projektteilnehmer versammeln. „Bei uns auf dem Land passiert der Austausch zwischen Jung und Alt automatisch – beim Fi-

schen oder Jagen“, erzählt Granjon. „Nicht, dass das gerade mein Dinge wäre ...“ Im Stuhlkreis sitzen die Gäste und erzählen auf Englisch, Polnisch und Ungarisch von den Erfahrungen in ihren Bildungseinrichtungen mit dem ZusammenLernen von jungen und alten Erwachsenen. In Granjons Atelier also gibt es noch gar kein entsprechendes Angebot. Ähnliches erzählt Ewelina Firszt, Koordinatorin des EU-Projekts an einem polnischen Institut für Weiterbildung nahe Krakau. „Es ist ein wichtiges Thema. Aber diese Lernpartnerschaft ist unser erstes Projekt.“ Einzelne Veranstaltungen habe es gegeben, bei denen Jugendliche ihre Kenntnisse über das Internet an Senioren weitergaben. „Aber es gab nichts Langfristiges.“ In Vaterstetten dagegen denkt man schon länger über das Lernen zwischen Generationen nach. Sprachkurse bringen hier Jung und Alt zusammen, berichtet Jürgen Will, Geschäftsleiter der VHS hier. Dennoch: „Um euch die Wahrheit zu sagen: Wir haben noch immer kein wirklich gutes Konzept.“ Denn es sei schwer, Jugendliche zum Mitmachen zu bewegen. Dieses Problem kennen alle hier, auch Ingrid Schöll von der Bonner VHS. Mehrgenerationenhäuser etwa träfen vor allem das Interesse der älteren Generation. „Die Jungen zögern immer etwas.“ Eine Methode aber sei besonders erfolgreich: Menschen mittleren Alters, die einen Hund besitzen, besuchen alte Menschen, die kaum kommunizieren – doch plötzlich, über das Tier, begönnen sie zu interagieren, erzählt Schöll. „Wenn wir das inserieren, melden sich bis zu 90 Freiwillige.“ Der Anreiz bei allen Generationen, so berichtet Zsuzsanna Brenner aus Ungarn, sei dann da, wenn sich weder Alt noch Jung benachteiligt fühlen. „Wenn beide Seiten schon Wissen mitbringen, lernen sie gerne voneinander.“ Den erhofft sich auch Götz Beckenbauer, Hauptamtsleiter der Gemeinde Vaterstetten, von dem Projekt: „Wir schätzen jeden internationalen Austausch, das bringt neue Motivation.“ Und eine neue Dynamik. Die Übersetzungen überkreuzen sich im Dachraum. Und zuweilen treffen sich die Erfahrungen – in einem Lachen.

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