Magazin zum Geschäftsbericht

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2014. Lösungen für unsere Kunden. Magazin zum Geschäftsbericht


Inhalt.

2 Unsere Business Areas.

Mit seinen acht Business Areas ist Bühler techno­logisch und regional hervorragend positioniert – und ist für seine Kunden Lösungspartner vor Ort für die Nahrungsmittelverarbeitung sowie für Prozesse etwa in der Auto-, Glas-, Elektro- und Verpackungsindustrie.

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22 Isigayo, Mosambik.

Nachhaltige Agrarwirtschaft verändert das Leben der Menschen.

Services & Solutions.

Kundengeschichten

30 Jinjing, Peking.

Gebäude mit höherer Energieeffizienz durch Low-E-Glas mit Silberbeschichtung.

16 Whitworth, Grossbritannien.

Eine Technologiepartnerschaft, die auf der gemein­samen Leidenschaft für ideale Lösungen beruht.

36 Kundenservice.

Herausgeber: Bühler AG, 9240 Uzwil Text und Redaktion: Bühler AG, Corporate Communications, Uzwil; PEPR, Peter Eberhard, Oetwil am See; Janine Stephen, ECA; Daniel Whitaker, Whitworth Brothers; Justus Krüger, Jinjing Konzept/Gestaltung: New Identity Ltd., Basel Fotografie: Thomas Schuppisser, Zürich; Raffael Waldner, Zürich Lithografie: Roger Bahcic, Zürich Druck: galledia, Flawil


Was andere Industrien in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich durchlaufen haben, erfasst jetzt auch den Maschinen- und Anlagenbau: die Transformation zu Services- und SolutionsGeschäftsmodellen. Nach wie vor bleibt die Hardware ein Schlüsselfaktor im Wettbewerb. Doch davon ausgehend rücken Dienstleistungen – vom Engineering über den Bau, die Inbetriebnahme, Wartungs- und Optimierungskonzepte bis hin zu Aus- und Weiterbildung – zunehmend in den Vordergrund. Warum? Weil sich in vielen Fällen nur durch massgeschneiderte Lösungen und gesamthafte Systembetrachtungen signifikante Leistungssteigerungen ergeben. Und auch die Adaption regionaler Bedürfnisse verlangt nach neuen, serviceorientierten Konzepten – etwa um gemeinsam regionale Lebensmittelprodukte zu entwickeln und diese anlagentechnisch ab­zubilden. Wir von Bühler nehmen für uns in Anspruch, in unserer Industrie Motor dieser neuen Serviceund Solutions-Welt zu sein. Wir unternehmen alles, damit unsere Kunden erfolgreich sein können. Davon berichtet dieses Magazin. Inzwischen sind wir mit fast 100 Standorten weltweit nah bei unseren Kunden. Dabei folgen wir dem Motto «in der Region für die Region». Lesen Sie, wie wir mit unseren Kunden in unserem neuen Anwendungslabor in China zusammenarbeiten (Seite 11); wie wir eine neue Getreidemühle auf die Bedürfnisse in Afrika angepasst haben (Seite 22); oder welche Vorteile wir in Spanien unseren Kunden mit der neuen Service- und Solutions-Station bringen (Seite 39). Mit herzlichen Grüssen,

Calvin Grieder CEO


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Grain Logistics. Bühler Grain Logistics bietet Lagerlösungen, Maschinen und Komponenten entlang der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette an – von den Erfassungsstellen der Agrarprodukte bis zur Verarbeitung. Ob Siloanlagen für Ernte­ zwecke, Umschlaglager für den Getreidehandel oder Lager konzepte für das verarbeitende Gewerbe: Grain Logistics ist von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme weltweit ein kompetenter Partner mit individuellem Vor-Ort-Kundendienst. Grain Logistics sorgt mit seinem Know-how und seinen Serviceleistungen dafür, dass Nachernteverluste, die weltweit noch immer in sehr grosser Zahl vorkommen, weiter verringert und weniger Rohstoffe verschwendet werden. Mit einem Anteil des in Anlagen von Bühler hergestellten Malzes von 75 % ist Grain Logistics zudem weltweit führender Anbieter von individuell abgestimmten Lösungen für Mälzereianlagen.


Unsere Business Areas.

Grain Milling. Die Business Area Grain Milling leistet einen bedeutenden Beitrag zur Welternährung. Rund 65 % des globalen vermahlenen Weizens wird auf Mühlen von Bühler vearabeitet. Grain Milling bietet seinen Kunden modernste Prozesstechnologie und innovatives Engineering für die Verarbeitung von Weizen, Mais, Roggen, Hafer, Gerste, Hirse/Sorghum, Buchweizen und Soja. Der Geschäftsbereich ist ein Lösungspartner für seine Kunden und deckt die gesamte Wertschöpfungskette von der Beratung, über Engineering, Montage und Inbetriebnahme bis hin zu Wartung sowie Ausund Weiterbildung ab. Der Geschäftsbereich bearbeitet auch die Märkte Brauereien und Bäckereien mit innovativen Anlagenkonzepten. Die Bühler Anlagen garantieren einen sensiblen Umgang mit den wertvollen Rohstoffen, erreichen höchste Produktqualität und Ausbeute und ermöglichen die Optimierung von Produktions- und Personalkosten. Der Geschäftsbereich ist mit 40 eigenen Niederlassungen und der Präsenz in 140 Ländern auf allen Kontinenten aktiv.

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Sortex & Rice. Bühler Sortex & Rice leistet einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten Versorgung mit Reis und Hülsenfrüchten und ­garantiert darüber hinaus mit einer einzigartigen, selbst entwickelten Sortiertechnologie hohe Standards für die Lebensmittelsicherheit. Als weltweiter Massstab für das Optical Sorting gewährleistet die hochmoderne SORTEXTechnologie, dass zahlreiche Getreidesorten mit heraus­ ragender Präzision und Geschwindigkeit sortiert werden. Mangelhafte Körner und Fremdstoffe werden aussortiert, während Geschwindigkeit und Ertrag maximiert und der Verlust intakter Körner sowie Produktionsabfälle folglich auf ein Minimum reduziert werden. Dank unserer Reputation in Forschung und Technologie bei der Aufbereitung von Reis­ nebenprodukten haben unsere Kunden den maximalen Nutzen. Mit Reismühlen in allen grossen Reisanbaugebieten und weltweit über 25 000 installierten Sortieranlagen ist Sortex &  Rice mit seiner umfassenden Kompetenz, einschliesslich Beratung, Projektmanagement, Installation und Inbetriebnahme, der Technologiepartner der Wahl.


Unsere Business Areas.

Value Nutrition. Die Business Area Value Nutrition kombiniert innovative Prozesslösungen für die Lebensmittel- und Futtermittel­ industrie und legt ein besonderes Augenmerk auf die immer höheren Anforderungen an werthaltige menschliche und ­t ierische Ernährung. Value Nutrition ist somit der globale Lösungspartner für Produzenten von Lebensmitteln und Tierfutter: von Teigwaren und Nudeln, Cerealien und Snacks über Haustierfutter bis hin zu Fisch-, Vieh-, und Geflügel­ futter. Der Beitrag auf diesem Gebiet ist substantiell: Rund 40 % der globalen Pasta-Produktion läuft über ­Maschinen von Bühler, bei Cerealien sind es 35 % und bei Futtermittel 20 %. Die Kerntechnologien von Value Nutrition liegen in den Bereichen Extrusion und Trocknung: Diese sind jeweils eingebettet in ein umfassendes Know-how über den Gesamt­ prozess. So setzt Bühler in ­diversen Verfahren immer wieder internationale Mass­stäbe, beispielsweise bezüglich der Energieeffizienz im Herstellungsprozess.

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Consumer Foods. Consumer Foods leistet weltweit einen entscheidenden Beitrag zur Produktion von Kakao, Schokolade, Kaffee und Nüssen. Mit einem Marktanteil von 60 % setzt diese Business Area Standards in der Schokoladenherstellung und engagiert sich für die kontinuierliche Entwicklung neuer innovativer Technologien. Das Unternehmen ist Komplettanbieter von Produkten und Serviceleistungen für die Industrie und hält für jede Verfahrensstufe modernste Produktionsanlagen bereit. Bühler steht für energie­effi­ziente Prozessabläufe mit maximaler Rohstoffausbeute und höchster Produktqualität.


Unsere Business Areas.

Druckguss. Bühler Die Casting ist weltweit führender Anbieter von Aluminium-Leichtbaulösungen für die Automobilindustrie und unterstützt diese bei der Reduzierung von C0 ² -­ Emis­sionen. Etwa 20 % aller Fahrzeuge verfügen über Motorblöcke, die mit Anlagen von Bühler gefertigt wurden. Die Business Area liefert optimierte Druckgiessmaschinen und Zellenlösungen, vollständig integrierte Prozesssteue­rungen, Know-how im Bereich Anlagenplanung sowie weltweiten Kundendienst und Prozesswissen. Mit einem star­ken globalen Dienstleistungsnetz, mehreren Anwen­dungszentren und eigener Produktion, Maschinenrevision und Technologiestandorten in Europa, Asien und Nordamerika unterstützt die Business Area Die Casting ihre Kunden in allen Investitionsphasen unter Gewährleistung maximaler Produktivität und Qualität – von der Planung bis zur In­betriebnahme und über die gesamte Lebensdauer der An­lage hinweg.

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Grinding & Dispersion. Bei der Produktion von Farben, Druckerzeugnissen, Solarmodulen oder Batterien für Elektroautos wird auf Anlagen und Lösungen von Bühler Grinding & Dispersion vertraut. Etwa 75 % der in Solarmodulen verwendeten Silberpaste werden mit Anlagen von Bühler gefertigt. Bühler Grinding & ­D ispersion bietet umfassendes Know-how und liefert ihren Kunden massgeschneiderte Systeme für komplexe Prozessabläufe. Als Technologie­partner für Verfahrenstechnik verfügt die Business Unit Grinding & Dispersion nicht nur über modernste Maschinen, sondern auch über Komplett­ lösungen zur Herstellung hochentwickelter Materialien. Durch unsere kontinuierliche Entwicklung ermöglichen wir unseren Kunden, bessere Produkte herzustellen und mit Marktneuheiten die Branche anzuführen.


Unsere Business Areas.

Leybold Optics. Mit seinen Vakuumbeschichtungsanlagen trägt Bühler Leybold Optics unter anderem zur Optimierung von Energieeffizienz, Komfort und Lebensmittelkonservierung bei. Die Dünnfilme, die wir mit unseren Maschinen auftragen, reichen von funktionellen Beschichtungen für Fenster­ scheiben bis zu Coatings für Scheinwerfer­reflek­toren und flexible Verpackungen. Beschichtungen für Produkte aus der Ophthalmologie und Präzisionsoptik wie zum Beispiel Linsen, Laser oder Hochleistungstele­skope runden das ­Produktportfolio von Leybold Optics ab. Ge­b äude mit beschichtetem Fassadenglas benötigen bis zu 50 % weniger Energie für Heizung und Kühlung. Die Business Area vereint modernste Anlagentechnik mit umfassendem Prozess- und Anwendungs-Know-how, um ihren Kunden vollständige Produktionslösungen anbieten zu können.

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Vom Schweizer Maschinenbauer zum globalen LĂśsungspartner.


Services & Solutions.

Längst geht das Angebot von Bühler über Maschinen und Anlagen hinaus. Mit umfangreichen Ausbildungs-, Beratungs- und Engineeringleistungen, Anwendungsund Entwicklungszentren in allen grossen Kunden­ regionen und einem weltweiten Netz von rund 100 ServiceStationen ist das Unternehmen heute ein globaler industrieller Lösungspartner. Die Kunden profitieren durch höhere Effizienz und Produktivität, bessere Qualität – und die Möglichkeit, neue Märkte zu erschliessen. Mit Atta – einem Vollkorn-Weizenmehl – nehmen es Inder so genau wie Schweizer mit ihrer Olma-Kalbsbratwurst, Italiener mit Parma-Schinken, Amerikaner mit HotDogs oder Chinesen mit der Peking-Ente. Nur wenn Atta etwas süsslich schmeckt und einen speziellen Röst­geruch ver­ breitet, entspricht es den regionalen Vorlieben. Mit herkömmlichen Walzenstühlen gelang es bislang nicht, diese Eigenschaften beim Vermahlen hervorzubringen. Die Inder verwenden ­deshalb bis heute sogenannte Chakki-Mühlen, in denen Mahlkörper aus ­Stein die notwendigen hohen Prozess-Temperaturen erzeugen. Deren Nachteil: Sie eignen sich nur für kleine Produktionsmengen. Bühler ist es jetzt gelungen, mit der PESAMühle eine Lösung für die industrielle Herstellung von Atta bereitzustellen. Hierfür wurden spezielle Walzenstühle ent­ wickelt, sodass nicht mehr die wartungsintensiven und anfälligen Steinmühlen verwendet werden müssen. Eine PESAMühle ersetzt 20 Chakki-Mühlen, ist ­flexibler in der Anwendung, energiesparend, produktiver und ertragreicher. ­ «In punkto Wirtschaftlichkeit und Qualität ist das für uns ein Quantensprung», sagt Prakash Parakh, Inhaber der Parakh Agro Industries in Pune, der die neue Atta-Mühle bereits einsetzt. Für Bühler ist PESA Sinnbild eines Paradigmenwechsels hin zu einem globalen Lösungsanbieter. In der alten Bühler Welt wurden die Produkte in der Schweiz ­entwickelt und in der Welt vertrieben. Die neue Bühler Welt arbeitet konsequent nach der Devise «In der Region – für die Region» – und zwar ganzheitlich und ­lösungsorientiert. «Praktisch alle unsere Kunden sind auf der Suche nach neuen, den lokalen Vorlieben angepassten ­P rodukten, mit denen sich traditionelle

und auch neue Erzeugnisse industriell herstellen lassen», sagt Stefan Scheiber, Leiter des Bereichs Grains & Food von Bühler. Scheiber beschreibt einen globalen Megatrend, der dabei ist, weltweit die Nahrungsmittelindustrie grundlegend zu verändern. Und nicht nur die: «Erst, wenn wir unsere Technologien und Maschinen einbetten in Lösungs- und Servicepakte, können wir deren volles Leistungspotenzial um­­setzen», sagt Samuel Schär, der bei Bühler das Advanced-Materials-Geschäft verantwortet. Die Druckguss-Maschinen von Bühler etwa sind bei Automobil­ herstellern ein­g ebunden in komplexe Produk­tions­abläufe. «Ein wesentlicher Teil unseres Geschäfts heute besteht darin, voll­ständig integrierte Giesszellen zu designen und unsere Kunden hin­sichtlich ­der Maschinenprozesse, Giessform und des Fabriklayouts zu beraten», sagt Schär. Vollständig optimiert, lässt sich die Produktivität im Druckguss so um bis zu 10 % und mehr steigern. So sind neben der Regionalisierung gestiegene Anforderungen nach Produk­-­ ti­vität, Energieeffizienz, Qualität und Sicherheit wesentlicher Treiber lösungsorientierter ganzheitlicher Konzepte: «Die Optimierung einzelner Maschinen ist vielfach ausgereizt», sagt Bruno Mendler, der bei Bühler das Gebiet Business Development (BD) verant­ wortet. In den meisten Fällen ermöglicht erst der Blick auf ein Gesamtsystem eine signifikante Performancesteigerung: «Das ist wie im Verkehr», bringt es Mendler auf den Punkt: «Die Mobilität verbessern wir auch nicht dadurch, dass einzelne Autos einfach schneller fahren. Es kommt darauf an, das System intelligent und hoch verfügbar zu machen», so Mendler.

Bühler hat dafür in den vergangenen Jah­ren massiv in den Ausbau seiner Lösungskompetenz und Servicekapazitäten investiert und bietet heute ein umfassendes Portfolio an: • Analytik. Bühler verfügt über profes­ sionelle Labore, in denen grundlegende Prozessabläufe analysiert werden können. Was passiert mit einem Getreidekorn genau, wenn es durch die Walzenstühle läuft? Wie verändert sich ein Stoff morphologisch, der die Rührwerksmühle Cenomic™ aus der Business Area Grinding & Dispersion passiert? Wird er echt zerkleinert oder werden nur die bestehenden Einzelteile ausei­ nandergezogen? Bühler hat das notwendige Equipment, um gemeinsam mit seinen Kunden genaue Kenntnis zu erlangen und Anwendungen und Maschinen entsprechend anzupassen. • Produktentwicklung. Bühler öffnet seine Anwendungszentren für Kunden, um gemeinsam neue Maschinen­ konzepte, Rezepte und Endprodukte zu entwickeln und zu testen. In China etwa unterstützt Bühler lokale Schoko­ ladehersteller mit einem speziellen Labor. In diesem helfen mehr als 30 lokale Experten mit, landestypische Süsswaren und die dafür notwendigen Produktionsanlagen zu entwickeln. Im neuen Lebensmittellabor im Bundesstaat Minnesota / USA können Kunden neue Nahrungsmittel ausprobieren und dabei Versuche auf einer kompletten Verarbeitungslinie durchführen. • Beratung. Die Business Area Leybold Optics bietet zusätzlich zu ihren VakuumBeschichtungsmaschinen das notwendige Prozess-Know-how, um etwa wärmeisolierende Architekturgläser oder optische Filter herzustellen. Zusammen mit den Anwendern werden diese Rezepturen dann auf die konkrete Anwendung massgeschneidert.

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Bühler hat in den vergangenen Jahren massiv in den Ausbau seiner Lösungskompetenz und Servicekapazitäten investiert und bietet heute ein umfassendes Portfolio an.

Bruno Mendler, Chief Strategy Officer.

•E ngineering. Bühler verfügt über ein umfangreiches Maschinen- und Kompo­ nenten-Portfolio, um ganze Wertschöpfungsketten abzubilden – etwa in der Getreide- oder Schokoladenverarbeitung. Die Bühler Ingenieure entwickeln daraus eine Anlagenlösung für Mühlen, die Futtermittelherstellung oder Schokoladenproduktion, die optimal auf die Bedürfnisse der individuellen Kundenanforderung angepasst ist. •B au / Inbetriebnahme. Auch im Jahr 2014 hat Bühler weltweit zahlreiche Anlagen den Kunden übergeben wie zum Beispiel die sechste Getreide­ver­mahlungslinie mit einer Kapazität von 750 t/24 Std. für Sayga Flour Mills in Khartoum/Sudan, welche Bühler innerhalb einer Rekordzeit von ledig­lich vier Monaten installiert und in Be­trieb gesetzt hat. • Wartung. In den vergangenen Jahren hat Bühler ein lückenloses Service­ angebot zur Wartung und Instand­hal­ tung der Maschinen und Anlagen entwickelt, um einen optimalen Betrieb und hohe Verfügbarkeit sicherzustellen: Inzwischen hat Bühler ein weltweites

Netzwerk mit über 80 Service und Solutions Stations (SAS) geschaffen, im Endausbau sollen über 100 SASLocations die enge Kundenbetreuung sicherstellen. Schulung und Training: Einzigartig sind die zahlreichen Aus­ bildungsangebote, um Kunden und auch eigene Mitarbeitende so zu quali­ fizieren, dass sie die Hightech-Aggre­ gate voll ausschöpfen können. Das jüngste Beispiel dieser weltweiten Bildungsinitiative ist eine Müllereifachschule in Kenia, die im Frühjahr 2015 eröffnet wird. Die African Milling School wird, wie die bewährte Schweizer Berufslehre, die theoretische Wissensvermittlung mit der Praxis verbinden. «Kein anderer Anbieter kann die ganze Wertschöpfungskette vom Labor, über das gezielte Engineering bis zur weltweiten Service-Unterstützung und Schulung vor Ort abdecken», sagt Scheiber. Für die Geschäftsentwicklung ist diese Kom­ petenz heute schon von zentraler Bedeutung. «In der Kombination von führender Maschinentechnologie mit unserem ­umfassenden Lösungs-Know-how haben wir unser Druckguss-Geschäft in

den letzten Jahren massiv nach vorne gebracht», sagt Advanced-Materials-Chef Schär. Mit einem Marktanteil von rund 25 % ist Bühler Die Casting zur unangefochtenen Nummer eins seiner Industrie anvanciert. Über 20 % aller Fahrzeuge weltweit haben Motor­ blöcke, die auf einer Bühler Maschine gefertigt wurden; in China sind es sogar über 45 %. Vorausschauende Analytik. So umfangreich das Service- und Solu­ tionsportfolio von Bühler heute schon ist: Dem Unternehmen ist klar, dass dies nur den Startpunkt eines langfristigen Trends markiert – Stichworte Sensorik, vorausschauende Analytik und präventive Wartung. «Die Möglichkeiten der Sensorik werden den Betrieb und den Unterhalt unserer Maschinen revolutionieren und zu weiteren, massiven Produktivitätssteigerungen führen», sagt Strategie-Leiter Bruno Mendler. Messfühler in allen relevanten Anlageteilen werden beispielsweise kleine Unregelmässigkeiten im Betrieb schon melden, bevor ein Schaden auf­tritt. Der Bühler Servicetechniker kann


Services & Solutions.

Der NIR Multi Online Analyzer überwacht die Qualität von Rohmaterial und Endprodukten kontinuierlich in Echtzeit.

dadurch proaktiv den Ursachen auf den Grund gehen. Die meisten Fehler wird das System aber selbständig finden. Durch diese sogenannte vorausschauende Analyse wird es möglich, notwendige Revisionen in einem idealen Zeitfenster durchzuführen. Unerwartete Ausfälle werden zur absoluten Ausnahme werden. Ebenso können durch die Auswertung der Sensordaten bisher unbekannte ­Ursachen für eine zu schnelle oder atypische Abnützung von Komponenten ­gefunden und die Anlagen automatisch stets optimal betrieben werden. Mit der für derartige Systeme notwendigen Sensortechnik hat Bühler bereits eine jahrzehntelange Erfahrung. Die SORTEXHochleistungssortierer stehen seit über 60 Jahren für absolute Spitzentechno­ logie im Bereich der optischen Sensorik. Analog, wie die neueste UltraVision-­ Generation von SORTEX mittels hochsensibler Bildsensoren und moderner Fehlererkennungssoftware Fremdstoffe und qualitativ schlechte Körner mit extremer Genauigkeit ausscheiden kann, werden künftig sensorbestückte Bühler Maschi-

nen auch kleinste Abweichungen vom Normalzustand registrieren, in Echtzeit beurteilen und, falls nötig, gleich korri­ gieren können. «Die vorausschauende Analytik ist für uns ein grosses Thema», betont Scheiber: «Wir haben bereits erste entsprechende Maschinen in Entwicklung. Und auch hier wird die Regionalisierung ein entscheidender Erfolgsfaktor sein.» Welche Daten wie erhoben und für was sie genau genutzt werden können, wird von Branche zu Branche, von Land zu Land und von Unternehmen zu Unternehmen sehr unter­ schiedlich beurteilt. Während für einige Hersteller die Prozessdaten ihrer Anlagen die geheimen Rezepte ihrer Produkte enthalten, sehen andere den Betrieb der Produktionsmaschinen nicht als ihre Kernkompetenz und wollen ihn so weit­ gehend wie möglich auslagern. «Mit unserer regionalen Präsenz sind wir in der Lage, auch den Einsatz der modernen Sensorund Analysetechniken in unseren Platt­ formen genau an die Bedürfnisse des einzelnen Kunden vor Ort anzupassen», schaut Scheiber in die Zukunft.

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Bühler  Solutions & Services.

Engineering & consulting. Engineering. – Konstruktionsengineering – Fertigungsengineering – Fertigungsabläufe – Optimierungen – Hardwareengineering – Softwareengineering Consulting. – Individuelle Bedürfnis- und Ursachenanalyse – Höchste Effizienz hinsichtlich Leistung, Energieverbrauch usw. – Verringerte Betriebskosten – Flexible Finanzierungsmodelle

Bühler Prozesstechnologien (Auswahl).

Getreide

Reinigen Sortieren Lagern Fördern

Mahlen

Sichten

Mischen

Mischen PaDDY-REIS Mischen

KAFFEEBOHNEN

Mischen

Mischen Kakaobohnen Mischen

ÖLSAATEN

Schälen

Weichen BIOMASSE

BATTERIeAKTIVeMaterialien

funktionelle pulverkomponenten z.b. PIGMENTE

Lagern Fördern

Dosieren Verwiegen

Homogenisieren

ALUMINiUM, MAGNESIUM

Hochreine Metalle und Legierungen

Aus- und Weiterbildung. – Hochqualifiziertes Personal – Effizienter Anlagenbetrieb – Optimale Hygiene und Qualität der Endprodukte – Hohe Lebensdauer und Verfügbarkeit von Anlagen und Maschinen

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Ausbildungszentren Schulmühlen Bakery Innovation Center Technologiezentren


Services & Solutions.

Serviceleistungen.

Verpacken Mehl Kneten

Extrudieren

Trocknen

Kühlen Pasta

Extrudieren

Trocknen

Besprühen

Trocknen Frühstückscerealien

Extrudieren

Trocknen

Vermahlen, Zerkleinern Food Ingredients

Extrudieren

Trocknen Aquafeed, Petfood

Hygienisieren

Pelletieren

Kühlen Mischfutter, Pellets

Dämpfen

Flockieren

Kühlen Flocken

Keimen

Darren Malz

Nassmahlen Dispergieren

Konditionieren Dispersionen – Farben & Lacke – Elektronische Pasten – Batteriematerialien – Agrochemikalien

Wartung. – Individuelle Wartungskonzepte – von einfacher Wartung bis zum «Total Care»-Programm – Minimierte Stillstandszeiten – Erhöhte Sicherheit und Trans­parenz bei der Herstellung Ersatzteile. – Verlängerte Bühler Produkt­garantie – Werterhalt von Maschinen und Anlagen – Verlängerte Lebensdauer von Maschinen und Anlagen Nachrüstung. – Aktualisierung auf den neuesten Stand der Spezifi­­ kationen hinsichtlich H ­ ygiene, Energie­effizienz usw. – Verbesserte Qualität und ­Produktivität – Verlängerte Lebensdauer ­ von Maschinen und Anlagen Instandsetzungen. – Zuverlässiger Support ­ durch Experten – Minimale Stillstandszeit der ­Maschinen – Verlängerte Lebensdauer von Maschinen und Anlagen Revisionen. – Gleichbleibend hohe Produktqualität – Geringere Energiekosten – Walzenservice für maximalen Ertrag

Standorte in Uzwil/Schweiz, Beilngries/Deutschland, London/Grossbritannien, Minneapolis/USA, Stockton/USA, Raleigh/USA, Manhattan/USA, Wuxi/China. Holland/USA, Bangalore/Indien, Brescia/Italien

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Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Whitworth Brothers Victoria Mills ist ein erstklassiges Getreide verarbeitendes Unternehmen, das sich erfolgreich am hart umkämpften britischen Markt behauptet. Seit 15 Jahren begleitet Bühler jeden Schritt des Unternehmens – eine Beziehung, die auf der gemeinsamen Leidenschaft für ideale Lösungen beruht. Von Daniel Whitaker (Text) und Raffael Waldner (Fotos).


Whitworth, Grossbritannien.

Der Müllereimarkt in Grossbritannien.

Wellingborough, Grossbritannien

· Weizenernte in GB: 11,92 Mio. Tonnen

Weissbrot 51%

· Gemahlener Weizen: 7,50 Mio. Tonnen

Misch- und Vollkornbrot 8%

· Ausfuhr von Weizen: 1,48 Mio. Tonnen

Gebäck 11%

· Einfuhr von Weizen: 1,63 Mio. Tonnen · Produziertes Mehl: 4,95 Mio. Tonnen

Kuchen 2% Stärke und Sonstiges 28%

(Alle Zahlen für 2013/14 geschätzt; Quelle: National Association of British and Irish Millers)

· Kapazität für die Mehlproduktion bei Victoria Mills: 800 Tonnen pro Tag · Neue, von Whitworth Bros. erprobte Weizensorten: 50 – 100 pro Jahr · Inbetriebnahme der originalen Victoria-Getreidemühle mit Dampfantrieb: 1886 · Eröffnung der weltweit ersten Getreidemühle mit Dampfantrieb (Albion, London): 1786

A

rchäologen, Anthropologen und Historiker sind sich einig, dass das Wissen um den Anbau und das Mahlen von Getreide zur Verwendung als Nahrungsmittel der wichtigste Schritt auf unserem Weg zur Zivilisation war. Brot wurde als «Grundnahrungsmittel» bekannt. Zweifelsohne hat das Mahlen von Getreide zu Mehl entscheidend zum grossartigen Erfolg des Familienunter­ nehmens Whitworth Brothers beigetragen. Die Firma betreibt die vermutlich modernste Mühle der Welt in Wellingborough in den East Midlands, Gross­ britannien.

der westliche Teil des Landes, der regelmässig von heftigen Niederschlägen heimgesucht wird. Roger beschreibt eines der Körner liebevoll als «ein ent­ zückend pralles Kugellager, das gerade lang genug ist, um die darin enthaltenen minimalen Lufteinschlüsse erkennen zu lassen». Das Korn stammt aus dem recht guten Erntejahr 2013. Sein Blick trübt sich jedoch, als er auf das zweite, kleinere, kümmerliche Korn aus dem verregneten Sommer 2012 zeigt, das Roger als «schockierend» beschreibt. Diese zweite Probe lässt sich «kaum zum Mahlen verwenden», erklärt er.

In den letzten Jahren konnte das Unternehmen ein erstaunliches Wachstum verzeichnen. Bei der Übernahme durch den derzeitigen Eigentümer Martin George im Jahr 1998 erreichte Whitworth Brothers Limited kaum einen Anteil von 2 % am britischen Müllereimarkt. Heute jedoch ist das Unternehmen mit einem Anteil von mehr als einem Viertel am freien Mehlmarkt der grösste Akteur.

Die heimische Ernte besitzt deshalb einen so hohen Stellenwert, weil weniger als 15 % des gemahlenen Weizens in Grossbritannien Importware ist, die hauptsächlich aus Kanada, Deutschland und Frankreich stammt. Die Müller benötigen daher ein umfassendes Know-how, um analysieren zu können, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen und wie sie ihren Mahlvorgang an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen können.

Auch die Nachfragesituation in Gross­ britannien gestaltet sich nicht unbedingt einfacher. Einerseits besteht eine alt­ bewährte und traditionelle Vorliebe für ein breites Sortiment an Backwaren – von geschnittenem, industriell gefertigtem Weissbrot über handwerklich hergestelltes Vollkornbrot bis hin zu Biskuitgebäck, Crumpets, Früchtebroten und sonstigen Backwaren. Andererseits bedeutet das Bevölkerungsmosaik in Grossbritannien mit seinem kosmopolitischen Geschmack für Whitworth aber auch, die Anforde­ rungen für indisches Chapati, polnisches Roggenbrot und nahöstliche Fladenbrote zu kennen. Aufgrund der multiplen Herausforderungen, die sich in diesem Markt aus der Verarbeitung der Ressourcen und der Bereitstellung der fertigen Produkte ergeben, wird die benötigte Technik in der Regel vor allen anderen Müllereimärkten in Grossbritannien entwickelt. Eine Technologiepartnerschaft. Um als Müller in Grossbritannien zu überleben, geschweige denn einen Erfolg wie Whitworth zu verzeichnen, ist ein gutes

Der Kampf um das britische Brot. Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, da der Mehlmarkt in Grossbri­ tannien – mit weit über einer Milliarde Euro – nicht nur gross ist, sondern auch welt­weit als der vielleicht anspruchsvollste Handelsmarkt gilt. Maritimes Klima mit unerwarteten Wetterfronten vom Atlantik und der Nordsee machen die Getreideernte versorgungstechnisch sowohl hinsichtlich der Qualität als auch der Erntemenge zu einer unberechenbaren Aufgabe. Roger Butler, seit 2000 Managing Director bei Whitworth, hält dem letzten Nach­ mittagslicht von Northamptonshire am modernen Whitworth-Standort der ­Victoria Mills zwei Weizenkörner entgegen. Beide Körner stammen aus dem Herzen des britischen «Weizengürtels», den flachen, fruchtbaren Grafschaften östlich des M1 Motorway. Dieser Teil des Landes ist besser vor dem Regen geschützt als

Moderne Griessputzmaschinen trennen die Stärke vor der Feinvermahlung.

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Verladung aus einem der zwanzig riesigen Silos von Victoria Mills, die jeweils mehr als 100 Tonnen Mehl beinhalten, auf eines der 120 Transportfahrzeuge des Unternehmens.

Gespür für Investitionen unabdingbar. Es muss in Mitarbeitende, in Beziehungen zu Lieferanten und Kunden, in erster Linie aber in die Mahlmaschinen investiert werden. Vor 15 Jahren wählte Whitworth Bühler zu seinem Haupttechnologie­ partner, und gemeinsam haben die beiden Unternehmen Victoria Mills zur heute wahrscheinlich fortschrittlichsten Müllerei der Welt gemacht. Roger fasst die Gründe für Whitworths Entscheidung wie folgt zusammen: «Bühler stellt herkömmliche Strukturen in Frage. Ebenso wichtig ist, dass das Unternehmen seine Versprechungen einhält. Wenn es sich einer Herausforderung gegenübersieht, dann meistert es diese.» Gleiches gilt für Whitworth, und das Ergebnis ist eine Anlage, die jährlich über 700 000 Tonnen Mehl produziert – gegenüber gerade einmal 85 000 Tonnen im Jahr 1999 bei der Übernahme durch Martin George. Neben Maschinen zur Herstellung von herkömmlichem Mehl besitzt das Unternehmen inzwischen vier Wärmebehandlungsanlagen, die im Vergleich zu den

Bei Victoria Mills ist korrosionsbeständiger Stahl allgegenwärtig. Dieser soll eine Produktverunreinigung, beispielsweise durch abgelöste Farbpartikel, vermeiden.

meisten Wettbewerbern zusätzliche Kapazitäten schaffen. Die erhöhten Produktionsmengen und das erweiterte Produktsortiment sind allerdings vielmehr die Folge als der Grund für Whitworths Erfolg. Dieser Erfolg hat sich durch Qualitätskontrolle und Lebensmittelhygiene, auf die sich die Kunden rundum verlassen können, sowie durch Effizienz eingestellt, welche dauerhaft wettbewerbsfähige Preise ermöglicht. Fokus auf Hygiene. Operations Director Mike Peters demon­ striert begeistert die am Standort Victoria Mills ablaufenden Prozessschritte. Der Weizen wird der Anlage zugeführt, gereinigt, gemahlen und in Futterweizen – der pelletiert wird – und Mehl getrennt. Zum Schluss werden beide Sorten als Schüttgut in die gelben Whitworth-Lastwagen geladen, die wohl jedem bekannt sind, der auf den englischen Hauptverkehrsstrassen unterwegs ist. Mike hebt an dieser Stelle insbesondere die Qualitätskontrolle – die mittels automatisierter

Regelkreise und optional zuschaltbarer Qualitätsprüfungen nach Best-PracticesVerfahren erfolgt – und das hygienische Design hervor. Zudem erläutert er, warum dies so wichtig ist: «Die Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit in Grossbritannien zählen zu den strengsten weltweit. Darüber hinaus besitzt der Schutz unserer eigenen Reputation sowie der Reputation und der Marke des Kunden oberste Priorität. Deshalb legen wir ständig Wert auf Filter. Gummidichtungen wurden durch langlebigeres Metall ersetzt und Teile, die früher weiss gestaltet waren, sind heute blau gekennzeichnet, damit sie sich vom Mehl abheben.» Bei der Betrachtung der Mahlmaschinen fällt zuerst der Glanz des korrosions­ beständigen Stahls ins Auge. Ernst Hobi von Bühler, der die bestehende Anlage am Standort in enger Zusammenarbeit mit Whitworth etabliert hat, beschreibt, warum dies erforderlich ist. «Mit korrosions­ beständigem Stahl wird zwar ein hoch­ preisiger Werkstoff verwendet, dieser gewährleistet jedoch, dass das Mehl


Whitworth, Grossbritannien.

Martin Georges Familienunternehmen. Hinter Martin George hängt ein Porträt seines Grossvaters, der als Lernender bei Whitworth Brothers begonnen hatte, bevor er die damaligen Eigentümer überzeugen konnte, das Unternehmen in den 1930er-Jahren an ihn zu ver­ kaufen. Beide Männer blicken recht zufrieden auf das, was sie erreicht haben. Seit Martin das Unternehmen 1997 durch Auszahlung seiner Brüder und Familie selbst in die Hand nahm, wurden Veränderungen im grossen Stil vorgenommen. Zunächst erfolgte eine neue Fokussierung auf den Mahlvorgang, während andere Geschäftsfelder wie Bäckereierzeugnisse und Kochzutaten abgetreten wurden. Daran schloss sich die nachhaltige Vergrösserung des Unternehmens an, welche die Whitworth Bros. vom zwölften auf den ersten Platz der nationalen Mehlproduzenten verhalf und die Produktion in nur einem Jahrzehnt von 100 000 Tonnen Mehl auf eine Million Tonnen Mehl pro Jahr ansteigen liess. Für diesen Erfolg waren die unermüdliche Konzentration auf die Qualität der Technik und die Kostenkontrolle massgeblich.

nicht durch abgelöste Farbpartikel, Metall­ beschichtungen oder Rost verunreinigt wird.» Im Laufe der Jahre hat Roger das technische Know-how von Bühler im ­Bereich Metallurgie und Beanspruchung von Maschinen als entscheidenden Wettbewerbsvorteil schätzen gelernt. Ohne spezielle Vorkehrungen können an ursprünglich nützlichen Maschinenteilen allmählich Risse, unerwünschte Schwingungen und Schäden entstehen, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind oder schlimmere Folgen haben: Sie gefährden die Sicherheit und die Hygiene des Mehls. Ernst ergänzt noch einen ­w eiteren Vorteil der Komponenten aus korrosionsbeständigem Stahl: «Dieses Material erfüllt nicht nur eine Funktion, sondern sieht auch noch wunderschön aus. Wir sind Ingenieure, aber wir haben auch Gefühle.» In guten wie in schlechten Zeiten. Whitworth unterhält weitere enge Beziehungen zu verschiedenen Akteuren. Camgrain ist eine landwirtschaftliche Genossenschaft mit einer Lagerkapazität von über

«Wir hatten Glück mit unserem Standort», gibt Martin zu, und meint damit die Nähe der Victoria Mills zu den weit reichenden Weizenanbaugebieten und dem wichtigsten britischen Strassennetz, «ausserdem haben wir mit Sicherheit das Beste aus dem gemacht, was uns zur Verfügung stand.» Auf der anderen Seite des Flus­ses Nene – der einst Wassermühlen antrieb und als Verkehrsweg diente – stehen heute verlassene Schuh- und Bekleidungsfabriken, die sehr beeindruckend widerspiegeln, was mit Unternehmen geschieht, deren Eigentümer sich nicht angemessen anpassen und unzu­reichend investieren. «Ein wesentlicher Aspekt ist, dass dieses Unternehmen ein langfristig planender Familienbetrieb ist», weiss Martin. Bei öffentlichen Gesellschaften werden gegebenenfalls Einsparungen zugunsten der Quartalsergebnisse vorgenommen oder das Unternehmen wird für einen schnellen Gewinn verkauft. «Unsere Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden wissen aber, dass wir alle nötigen Investitionen tätigen und unseren Standort niemals aufgeben werden.»

Martin George, Präsident des Verwaltungsrats.

«Ein wesentlicher Aspekt ist, dass dieses Unternehmen ein langfristig planender Familienbetrieb ist.» Doch nicht nur Martin ist Whitworth seit jeher persönlich verbunden. Roger Butlers Vater Bill beispielsweise war der Vertriebsleiter für Martins Vater. Mittlerweile arbeitet der Bruder des derzeitigen Finanzdirektors für Martins Sohn Michael in einer Private-Equity-Firma, was für beide den Beginn einer späteren Karriere bei Whitworth Bros. bedeuten könnte. Die Beziehung zu Bühler beschreibt er beinahe so, als handle es sich um ein Familienmitglied. Die erfolgreiche Bewältigung zahlreicher Herausforderungen hat beide Unternehmen mit Sicherheit eng zusammengeschweisst. Martin zählt die umgesetzten Innovationen auf: «Indivi­ duelle Lagerbehälter; der erste Walzenstuhl auf dem Dach des Gebäudes; ein Grad der Automatisierung, durch den ein Müller vier Mühlen bedienen kann. Wir haben auf unserem Weg viel dazu­gelernt.»

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einer halben Million Tonnen, die Getreide von Landwirten beschaffen und für ­Whitworth bereitstellen kann. Über Camgrain unterstützt Whitworth seine ihn ­b eliefernden Landwirte in schwierigen Zeiten. Beide Unternehmen arbeiten ­ in immer engerer Zusammenarbeit auf das gemeinsame Ziel hin, die Produktqualität auf einem gleich hohen Niveau zu halten. Auch im Hinblick auf die Zufriedenheit der Mühlenmitarbeiter, einschliesslich der Lernenden, führt Whitworth vor zahlreichen Wettbewerbern. Die Zusammenarbeit mit Bühler ist in der Tat von ganz besonderer Natur und hat sich nach dem von Roger Butler bereits beschriebenen, «schockierend» schlech­ten Erntejahr 2012 noch verstärkt. Jenes Jahr stellte die britischen Müller auf eine harte Probe, denn schliesslich verlangten ihre Kunden ein gleichbleibendes Produkt, das mit dem verfügbaren Getreide offensichtlich nicht zu gewährleisten war. Durch die von Bühler bereitgestellten analytischen und rezeptbasierten Anpassungen sowie Steuerungsfunktionen konnten die fachkundigen Müller von Whitworth jedoch ihre Mischungen und Verarbeitungen der Getreidekörner variieren, bis ein akzeptables Mehl entstanden war. Whitworth Brothers meisterte diese Phase mit Bravour – so war das Unternehmen beispielsweise als einzige Müllerei in der Lage, sämtliche Märkte der Supermarktkette «Sainsbury’s» mit ausschliesslich in Grossbritannien produziertem Weizen beliefern zu können. Roger berichtet, dass «Bühler uns eine Flexibilität im Mahlprozess ermöglicht, mit der wir auch einem sehr schwierigen Erntejahr gewachsen sind. Das wissen wir wirklich zu schätzen.»

Durch die vollständige Automatisierung kann ein Müller drei separate Getreidemühlen überwachen.

Sirius Plansichter klassieren das Mahlgut.


Whitworth, Grossbritannien.

Bühlers neueste Walzenstühle Antares beherrschen den Walzenboden.

Mehlkörper

Kleie

Keimling Das Weizenkorn – seine drei verschie­ denen Bestandteile werden beim Mahlen getrennt.

Der Vermahlungsprozess Victoria Mills kann eine Vielzahl verschiedener Weizenqualitäten verarbeiten, dar­unter auch «hartes» Getreide mit hohem Proteingehalt – das zu Mehl verarbeitet wird, welches beim Backen optimal die Form beibehält. Etwa 80 % des ­G etreides machen den Mehlkörper aus, der als wichtigster Rohstoff für das ­spätere Mehl dient. Der restliche Teil, d. h. Keimling und Kleie, wird in der Regel ­ in Form von Pellets als Futtermittel verwendet. Je nach Verwendungszweck variiert die Verarbeitung jedoch sehr stark: So wird bei Vollkornmehl das gesamte Korn ­v erwendet, während für Weissmehl beispielsweise nicht viel mehr als die Hälfte des Korns genutzt wird. Die für die ­Vermahlung zuständigen Mitarbeitenden mischen das Getreide sorgfältig gemäss dem jeweiligen Auftrag. Dieses Erzeugnis wird auch als «kontrolliertes Mahlgut» ­bezeichnet. Seit 2003 kommt ein «Schälprozess» zum Einsatz, bei dem die ­Aussenhülle des Korns und somit auch Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln entfernt werden. Am Standort Victoria Mills wurde dieses Verfahren zum ersten Mal angewendet; mittlerweile kommt es aber weltweit zum Einsatz. ­

Die Hauptmahlung erfolgt durch riesige Walzenstühle, die den Grossteil der «Walz­ ebene» der Anlage einnehmen und das Korn aufbrechen. Ein pneumatisches Ansaugsystem mit Zyklonabscheidung ­fördert das Mahlzwischenprodukt zur obersten Ebene. Abschliessend durchläuft das Mahlgut den «Sichter», in dem es durch einen leistungsfähigen Rüttelvorgang in seine verschiedenen Bestandteile aufgeteilt wird. Von hier gelangt das Mahlgut über Kleieschleudern nach unten zum «Auslass», bevor das Mehl schonend auf einem Kettenförderer gesammelt wird. Dieses Verfahren ist aus sanitären Gründen dem eher traditionellen Schneckenmechanismus zur Entnahme von Mehl vorzuziehen. Ein pneumatischer Förderer transportiert das fertige Mehl zum Mehl­ silo und zu Verladebehältern. Das Sichten mit zweifacher Kontrolle dient als vorsorgliche, abschliessende Massnahme zur Vermeidung von Verunreinigungen im Mehl. Für die Untersuchung des Endproduktes wird die Nah-Infrarot-Technologie (NIR) verwendet. Dabei werden Mineralstoff-, Protein-, Feuchtigkeits- und Stärkegehalt überprüft.

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Eine Kompaktmühle wird zum Wachstumsmotor einer Gemeinde. Im ländlichen Mosambik ermöglicht eine robuste, inno­­va­tive Kompaktmühle den Einstieg in die nachhaltige Agrarindustrie – und verändert das Leben der Menschen. Von Janine Stephen (Text) und Raffael Waldner (Fotos).


Isigayo, Mosambik.

Hier wächst mehr als Mais. Landwirtschaftliches Wachstum verringert Armut dreimal so effektiv wie das Wachstum in anderen Branchen. · Durchschnittspreis für Mais in Mosambik: 4 – 6 Meticais (US¢ 13 – 20) pro Kilogramm · Von der ECA gezahlter Preis: 7 Meticais (US¢ 23) pro Kilogramm · Anzahl der im ersten Projektjahr von der ECA unterstützten Landwirte: 863 Drei Jahre später: 3600 · Anzahl der Landwirtinnen: 18 %

Catandica, Mozambik

· Durchschnittliches Jahreseinkommen (bar) im ländlichen Mosambik: US$ 30 pro Person · Anstieg des durchschnittlichen Jahreseinkommens eines ECA-Landwirtes: US$ 650 · Anzahl der dauerhaft geschaffenen Arbeitsplätze im Müllereiwesen: 7 (bis zu 21 bei voller Auslastung) · Umsatz der ECA in 2013: US$ 1,4 Millionen

D

ie Fahrt vom mosambikanischen Hafen Beira bis in die im ­Landesinneren gelegene Stadt Catandica dauert sechs Stunden. Der Ort ist umgeben von ländlichen Dörfern, in denen die Menschen das Land bestellen und auf Regen warten, der die kleinen Mais- und Bohnenfelder nährt. Die Frauen verwenden hier noch heute einen schweren Holzpfahl und Mörser, um ihren eigenen Mais zu zerkleinern – eine mühsame und zeitaufwendige Aufgabe. Andere Dorf­ bewohner nutzen einfache, von einem Generator angetriebene Hammermühlen, um Mehl herzustellen. Bislang noch in ­einem Lagerhaus am Rande von Catandica verborgen, produziert ab sofort eine brummende, kompakte Maismühle von Bühler den feinsten Griess und das beste Mehl der Provinz Manica. Für Kleinbauern ­ ist so mit einem Mal ein stabiler Markt für ihre Ernteerzeugnisse entstanden – ein bislang unbekannter Luxus.

Mehrwert und Vertrauen. Die ECA hatte stets eine «Vision» von der Maisverarbeitung. «Der Verkauf von ­u nverarbeitetem Mais gestaltet sich in Mosambik für kleinere Erzeuger überaus schwierig», erklärt Grant. Das Geheimnis liegt in der Wertsteigerung. Die ECA ­erzielte den Durchbruch mit dem Abschluss eines Dreijahresvertrages zur Belieferung der mosambikanischen Bierbrauerei ­Cervejas de Moçambique (zu SAB Miller South Africa gehörend) mit Maisgriess, um traditionelles Bier herzustellen. Mit ­d iesem Kunden konnten sich die ECA und AgDevCo auf die Suche nach der geeigneten Mühle begeben. Sie benötigten ein robustes, höchst zuverlässiges Einsteigermodell, das zudem Griess in Spitzenqualität lieferte. «CDM stellte sehr hohe Anforderungen», weiss Grant. «Schlussendlich konnte einzig die IsigayoMühle von Bühler allen unseren An­for­de­ rungen gerecht werden.»

Die Eigentümer der Isigayo-Mühle, die zwei Tonnen Mahlgut pro Stunde herstellt, sind Grant und Alison Taylor von der ­E mpresa de Comercialização Agricola (ECA). Das junge Unternehmen möchte nicht nur das Wachstum der Agrarindustrie in dieser hauptsächlich für den Anbau von Mais bekannten Region Mosambiks ankurbeln, sondern auch die Landwirte unterstützen. So stellt die ECA den ortsansässigen Landwirten hochwertiges Saatgut und Düngemittel zur Verfügung, damit diese ihre Erträge erhöhen können, und sichert ihnen den Kauf des geernteten Maises zu. «Wir unterstützen Landwirte dabei, wirtschaftlich tragfähig zu werden, so wie wir es sind», erklärt Grant Taylor. Und es funktioniert: Landwirte mit Flächen von nur 0,25 bis 5 Hektar pro­ duzieren bis zu viermal so viel Mais wie zuvor. Von entscheidender Bedeutung ­ ist dabei, dass sie ihren Überschuss nicht mehr am Strassenrand oder an «skrupel­ lose Käufer zu einem niedrigen, reduzierten Preis» verkaufen müssen. Ganz einfach, weil die ECA ihren Vertragsland­wirten einen Spitzenpreis zahlt.

Bei der Isigayo handelt es sich um eine vormontierte Mühle, die in zwei Versand-

container eingebaut ganz einfach in ländliche Gegenden befördert werden kann. Die Installation dauert eine Woche. Die im Rahmen einer Bühler Innovation Challenge entwickelte Mühle vereint erstklassige Mahltechnologie zu einer schlüsselfertigen Lösung, für deren Betrieb lediglich eine geeignete Stromquelle benötigt wird. Die Isigayo kommt ohne elektronische Touchscreens und Komponenten aus, die in ­einer ländlichen Umgebung viel zu anfällig wären. Sie ist ausserdem für einen ­B etrieb von über 40 Jahren ausgelegt. Wie es Bühlers Leiter Business Development, Anton Holenstein, formuliert, gibt sie Bühlers Grundüberzeugung, den Erfolg seiner Kunden zu ermöglichen, ­ an Start-up-Unternehmen weiter, die in das Mahlgeschäft einsteigen. Die Isigayo stellte für die Taylors eine erhebliche Investition dar und war teurer als andere – weniger zuverlässige – Einstiegsmodelle. «Die Qualität war ein wich­ tiges Kriterium, und die einfache Montage­ lösung machte diese Option zusätzlich

«Durch die Mühle können wir Spitzenpreise zahlen, da wir uns mitten in einem hervorragenden Anbaugebiet befinden, in dem unsere Logistikkosten weit unter denen anderer Anbieter in der Region liegen. Unsere Einsparungen geben wir an die Landwirte weiter. Die Erzeuger können zu­versichtlich anbauen, weil sie wissen, dass sie einen Absatzmarkt für ihre Produkte in ihrem eige­nen Distrikt haben. Wir beabsichtigen ausserdem, Maismehl im Distrikt zu vertreiben, sobald wird uns im nächsten Jahr am Markt etabliert haben.» Grant und Alison Taylor, ECA.

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Durch die Isigayo-Mühle von Bühler wurden bereits sieben dauerhafte Arbeits­plätze im Müllereiwesen geschaffen, denen weitere folgen werden. Oben Packer Jó Zacharia, 23 (links), und Paulo Santos, 30; Sack mit gemahlenem Maisgriess.

Der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt im ländlichen Mosambik eine besondere Bedeutung zu. Evance Musarurwa, ECA-Müller, erklärt: «Dieses Unternehmen ist das nahezu einzige in der Region. Es bietet Arbeitsplätze und bezieht (den Mais) vor Ort, sodass es einen wichtigen Teil des Wirtschaftslebens unserer Gemeinde ausmacht.»

Claude Inauen, Vertriebsleiter für Südafrika bei Bühler, sorgte dafür, dass die Isigayo-Mühle die ECA mit Maisgriess erster Qualität beliefern konnte, wie es einer der Hauptkunden verlangte.


Isigayo, Mosambik.

Die hochwertigen Mühlenbauteile der Isigayo sind in nur zwei Versandcontainern eingebaut – was den Transport und die Montage erheblich vereinfacht. Alles, was an Infrastruktur noch benötigt wird, ist ein Lager sowie eine geeignete Stromquelle.

sehr interessant für uns», erklärt Grant. «Wir benötigten kein aufwendiges Projektmanagement.» Die Isigayo ist zudem eine bewegliche Anlage, was in Regionen mit politischer Instabilität oder veränderten Witterungsbedingungen, die sich auf ­ die Landwirtschaft auswirken, entscheidend sein kann. Neben dem Namen Bühler ­haben wir uns schliesslich «aufgrund der Serviceleistungen und der uns entgegengebrachten Hilfe und Unterstützung für das Modell Isigayo entschieden», sagt Alison. Bemerkenswertes Wachstum. Die Taylors bekamen bereits einen Vorgeschmack auf das Serviceniveau von ­Bühler, als unser Vertriebsleiter für Süd­ afrika, Claude Inauen, nach Mosambik flog, um vor Ort zu prüfen, ob das Modell Isigayo den von CDM für die Bierproduktion benötigten Griess gewinnbringend produzieren konnte. Er analysierte die Bierbestandteile von CDM und empfahl einige einfache Änderungen an der ­Isigayo, um fettarmen Griess in der richtigen Qualität produzieren zu können – und verdoppelte den Ertrag. Dadurch

konnte die ECA den Anforderungen von CDM gerecht werden und ihren Land­ wirten weiterhin einen angemessenen Preis zahlen. «Grant ist kein Müller oder Brauer, er ist Landwirt», erklärt Claude. «Weil ­ wir den gesamten Prozess berücksichtigen, kann Bühler diese Art von Serviceleistung anbieten.» «Die Anlagen von Bühler sind der Rolls Royce der Branche», erzählt ECA-Müller Evance Musarurwa stolz. «Die Isigayo sieht von aussen vielleicht aus wie ein Container, aber im Inneren verbirgt sich eine hochmoderne Anlage. Entkeimer, Walzwerke, Siebe – alles neue Technologie. Die Mühle arbeitet hinsichtlich Entnahme, Qualität und Kapazität sehr effizient. Sie ist eine einfache Lösung für ein anspruchsvolles Problem.» In nur d ­ rei Anbausaisons konnte die ECA ein bemerkenswertes Wachstum erzielen. Der mosambikanische Präsident eröffnete ­ die Mühle im Juni offiziell und lobte ihren Beitrag zur Nahrungsmittelsicherheit und nachhaltigen Entwicklung im Distrikt Barue. Die ECA möchte die Produktion in ihrer Mühle – die für einen 24 / 7-Dauer­ betrieb ausgelegt ist – noch weiter hochfahren und im Jahr 2015 in drei Schichten

arbeiten, wofür 21 Arbeitskräfte benötigt werden. Felder im Wandel. Der Job als Packer hatte das Leben von Shingirai John bereits verändert. Der im Distrikt Barue Geborene stammt aus ­e iner Familie, die ihren Lebensunterhalt bereits mit dem Anbau von Mais bestritt; heute stellt er jemanden ein, der ihn bei der Bewirtschaftung der Felder unterstützt. «Mit der Ankunft der Mühle war ersichtlich, dass das Unternehmen wächst», erklärt John. «Das bedeutete einen sicheren Arbeitsplatz und die Chance auf die Verbesserung meiner Existenzgrundlage.» Die Landwirte aus dem nahe gelegenen Dorf Chozvo sind gleichermassen begeistert. «Die ECA hat unserem Dorf viel Sicherheit gebracht, weil wir wissen, wo wir unsere Ernte verkaufen können», sagt Pedro Chico Dzimba. «Zudem unterscheidet sich der von ihnen gezahlte Preis von dem, was uns andere für unsere Erzeugnisse anbieten würden. Die Gemeinde ist sehr glücklich über diese Entwicklung.» «Die ECA hat nicht nach einer bestimmten Zauberformel gehandelt,

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Die ECA kauft den gesamten Mais auf, den die ortsansässigen Landwirte produzieren können. Der Betrieb ist in nur drei Jahren erheblich gewachsen, sodass zusätzliche Lagermöglichkeiten benötigt werden.

«Wir halten unsere Vorgehensweise für ein reproduzierbares Modell – sowohl hinsichtlich der Zusammenarbeit der ECA mit ihrem Netzwerk aus Landwirten als auch hinsichtlich der Mühlenlösung (im Sinne von Bühlers Anlagen und Servicepaket). Das Modell besitzt das Potenzial, fähigen Unternehmern eine schlüssel­-fertige Komplettlösung zur Verfügung zu stellen.» AgDevCo AgDevCo investiert in Vorhaben gegen soziale Benachteiligung und setzt sich für Armutsbekämpfung und Nahrungsmittelsicherheit ein. Das Unter­ nehmen hat beispielsweise auch die Isigayo-Mühle finanziert. AgDevCo war überzeugt, dass das Geschäfts­ modell der ECA den ganzheitlichen Chris Isaac, AgDevCo Executive Director, Business Development.

­Ansatz bietet, den erfolgreiche Projekte in dieser Region benötigen. «Für das ­ländliche Afrika sind Komplettlösungen erforderlich», weiss AgDevCos Exe­ cutive Director Business Development, Chris Isaac. «Zahlreiche Projekte mit Kleinbauern haben sich als nicht nachhaltig erwiesen, weil sie sich nur mit ­einem Teil des Problems befassen.»


Isigayo, Mosambik.

Eine Frau in Catandica, Mosambik, trägt einen handgeschnitzten Holzmörser und zwei schwere Holzstössel. Zum Zerkleinern von Mais wird noch immer dieses traditionelle Verfahren genutzt – eine harte, ermüdende Aufgabe.

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Abigail Neva Mabiza, 30, Landwirtin.

«Ich bin mein ganzes Leben lang Landwirtin gewesen. Mit dem Mais, den ich anbaue, versorge ich meine Kinder; den Rest verkaufe ich. Über viele Jahre haben wir gerade ausreichend Mais für unsere Familie produziert. In den letzten drei Jahren aber konnten wir mehr erzeugen und diese Übermenge an die ECA verkaufen. Ich besitze etwa 3 Hektaren Land. Im ersten Jahr der Zusammenarbeit mit der ECA habe ich 50 Säcke Mais geerntet. Im zweiten Jahr waren es 60 Säcke. Und im dritten Jahr konnte ich 120 Säcke liefern. Im ersten Jahr besass ich keine Ochsen, die mir bei der Bestellung der Felder halfen. Im Jahr darauf setzte ich auf einem Teil des Feldes Ochsen sowie etwas Dünger ein. Im dritten Jahr kamen die Ochsen und der Dünger auf der gesamten Fläche zum Einsatz. Der Dünger hat uns einen grossen Vorteil verschafft. Wenn man bedenkt, dass die ECA das Saatgut für uns vorstreckt, erhalten wir von ihr einen guten Preis für unsere Erzeugnisse. In all den Jahren konnte ich es mir nicht leisten, ein Tier zu kaufen, doch in diesem Jahr kaufte ich zwei Rinder, mit denen ich meine Felder pflügen kann. Mit diesen zusätzlichen Einnahmen werde ich meinen Kindern den Schulbesuch ermöglichen.»

Der Grossteil der einheimischen Bevölkerung ernährt mit der Landwirtschaft seine Familien. «Mais zählt hier zu den Grundnahrungsmitteln», erklärt ein Landwirt. «Gibt es keinen gemahlenen Mais in einem Haus, sagt man, dort herrsche Hunger.»

Die Isigayo, die für einen 24 / 7-Dauerbetrieb ausgelegt ist, wird zur Nahrungs­ mittelsicherheit in der Region beitragen. Der wichtigste Kunde der ECA, Cervejas de Moçambique, ist froh, einen lokalen Anbieter für Maisgriess zu haben. «Das lässt sich gut mit unseren Unternehmenswerten zum Ausbau lokaler Wertschöpfungsketten vereinbaren», so Adrian Mitchell von CDM.


Isigayo, Mosambik.

Charles Langton, 55, in dem kleinen Lebensmittelgeschäft, das er aus den Gewinnen seiner landwirtschaftlichen Produktion aufgebaut und ausgestattet hat. Seine Familie hilft ihm, das Geschäft zu führen. «Das Geld für den Aufbau des Geschäftes habe ich der ECA zu verdanken», sagt er.

versteht die Grundlagen aber gut und tritt den Landwirten fair gegenüber», weiss Chris Isaac. «Die Investition in die Mühle war sinnvoll, denn die ECA musste einen Mehrwert schaffen, um ihre Marktposition zu sichern.» Wie es Inauen auf den Punkt bringt, können Start-up-Unternehmen hohe Kosten für Transport, Personal und Logistik einsparen, weil die Mühle genau ­ in den Gebieten aufgestellt wird, in denen die Kleinbauern ihre Felder bewirtschaften. «Die Arbeit kann mit einem kleinen Budget und nach nur kurzer Rüstzeit aufgenommen werden. Die Isigayo ist überall dort einsatzbereit, wo Einsteigerlösungen in kleinem Massstab benötigt werden», so Inauen weiter. Weiter unten im Chozvo Valley lebt Langton Charles mit seiner Frau und seinen sechs Kindern auf einem vier Hektar grossen Stück Land. Sein Hof scheint verhältnismässig wohlhabend zu sein: Ziegen und Hühner laufen umher und die Maisfelder sind für die Aussaat vorbereitet. «Bevor die ECA tätig wurde, konnten wir

unsere Erzeugnisse nur schwer verkaufen», erzählt Charles. «Wir mussten unsere Produkte mit einem geliehenen Lastwagen über grosse Entfernungen transportieren.» Seine Einnahmen hat er in seinen Landwirtschaftsbetrieb reinvestiert: Über Bewässerungsrohre leitet er nun Bergquellwasser mithilfe der Schwerkraft auf seine Felder. All seinen Kindern möchte er den Schulbesuch ermöglichen. Im Dorf hat er ausserdem ein Geschäft eingerichtet, in dem er Grundnahrungsmittel verkauft. Er ist ein weiteres Beispiel für die Erfolgsgeschichte der ECA. Wie Charles sagt, «hat die ECA eine sehr posi­tive Veränderung für die gesamte Gemeinde – nicht nur für einzelne Familien – hervorgebracht».

Moses Muchayaya, Leiter Agrarwissenschaft bei der ECA, wurde in der Provinz Manica geboren und kennt die Bedürf­ nisse der ortsansässigen Landwirte. Durch ihre transparenten Systeme konnte die ECA die Landwirte für sich gewinnen.

«Durch uns weiss der Landwirt, dass er einen Absatzmarkt für seine Erzeugnisse hat und das bietet ihm genug Sicherheit, um eine möglichst gute Ernte anzustreben. Auch die Mühle der ECA hat das Vertrauen in den Markt gestärkt. Die Mühle muss kontinuierlich mit Mais versorgt werden. Als uns die Landwirte im ersten Jahr ihren Mais verkauften, dachten sie, wir wären wieder eines dieser Unternehmen, das sich für etwa ein Jahr hier hält. Im zweiten Jahr sahen sie, dass wir ein weiteres Lagerhaus gebaut hatten und sich auch sonst vieles verändert hatte. Und im dritten Jahr konnten sie die Mühle bestaunen. Inzwischen sind sie überzeugt, dass ihnen die ECA über längere Zeit erhalten bleibt und sie einen sicheren Markt für ihre Erzeugnisse haben.» Moses Muchayaya, 46.

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Der blaue Himmel von Peking. Die fortschreitende Urbanisierung in China stellt die Bauindustrie beim Bau energieeffizienterer Gebäude vor immer grössere Herausforderungen. Das Low-EGlas von Jinjing mit seiner Silberbeschichtung kann die Wärmedämmung erheblich verbessern. Von Justus Krüger (Text) und Raffael Waldner (Fotos).


Jinjing, China.

Die Experten für beschichtetes Glas.

Yizhuang, China

· Die Jinjing Group wurde 1999 gegründet. · Der Hauptsitz befindet sich in Boshan in der ostchinesischen Provinz Shandong. · Die Produktionsstätte von Jinjing in Peking wurde 2013 in Betrieb genommen. · 10 Millionen Quadratmeter: Jahresproduktion von beschichtetem Glas bei Jinjing Peking. · 33 Millionen Weight Cases (à 50 kg) Floatglas: Jahresproduktion der Jinjing Group. Das entspricht etwa 10 % der Gesamtproduktion in China.

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in ungewohntes Bild: Im Pekinger Vorort Yizhuang wimmelt es für gewöhnlich von Arbeitenden, Büropersonal und Lastwagen. Yizhuang ist ein Industriegebiet, das 45 Fahrminuten südöstlich vom Stadtzentrum entfernt liegt. Heute, Anfang November 2014, herrscht allerdings Ruhe im Ort, der beinahe menschenleer wirkt. Die Produktion steht still. Auf den Strassen kaum ein Fahrzeug. Der Grund: In Peking und den angrenzenden Gegenden wurden vorübergehend die Fabriken geschlossen, um den berüchtigten Smog über der chinesischen Hauptstadt für ein paar Tage zu verringern. Und die Massnahme hat gefruchtet. Doch während die Einwohner Pekings den blauen Himmel geniessen, sind langfristigere Massnahmen erforderlich, die Chinas wirtschaftlichen Erfolg ökologisch nachhaltiger machen müssen. Natürlich sind sich Regierung und Privatunter­ nehmen dessen bewusst. Eines der Unter­ nehmen, das in dieser Angelegenheit aktiv wird, ist der Glashersteller Jinjing. Energieeinsparungen ganzer Kraftwerke. Xu Jun, Technology Manager für die Glas­ herstellung im Unternehmen, ist einer der wenigen Mitarbeitenden, die während des Antismog-Betriebsunterbruchs im Jinjing-Werk in Pekings Vorort anwesend sind. «Normalerweise arbeiten in diesem Werk um die sechzig Mitarbeitende», sagt er. «Der Betriebsunterbruch wird nun für die Durchführung von Wartungs­ arbeiten genutzt.» Das Werk in Yizhuang, das Anfang November so ruhig dasteht, ist in der Regel einer der Hauptproduktionsstandorte des Unternehmens. Herzstück der Anlage ist ein grosser, hochmoderner Glas­ beschichter mit dem vielversprechenden Namen Apollon von Leybold Optics, ein Geschäftsbereich der Bühler Group. Insgesamt misst der Anlagenteil mit der Leybold Maschine über 100 Meter in der Länge und füllt damit eine komplet-

«Water Cube», das Schwimmzentrum der Olympischen Spiele 2008.

Nationalstadion «Vogelnest», der Hauptaustragungsort der Olympischen Spiele 2008.

Burj Khalifa Tower in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

China-Pavillon der Expo 2010 in Shanghai.

Berühmte Gebäude mit Glas der Firma Jinjing.

te Werkshalle aus. «Wir produzieren allein­ in diesem einen Werk in Peking jährlich Millionen von Quadratmeter Low-E-Glas», erklärt Xu. «Low-E» steht für «geringes Emissionsvermögen» und bezieht sich auf die Isolationseigenschaften von Glas. Je niedriger das Emissionsvermögen ist, desto besser sind die aus diesem Glas gefertigten Fenster gegen Wärmeverluste isoliert. Die jährlichen Energieeinsparungen, die sich allein mit dieser einen LeyboldMaschine von Jinjing durch das hergestellte Low-E-Glas erzielen lassen, wirken sich bereits deutlich aus: Sie entsprechen einem wesentlichen Teil der jährlichen Energieproduktion eines gesamten Kernkraftwerkes. «Genaue Mengen lassen sich nur sehr schwer abschätzen», weiss Xu. Der Grund dafür ist, dass das Emissions­ver­mögen eines Gebäudes neben der Glas­qualität von zahlreichen weiteren Faktoren beeinflusst wird: In welchem Verhältnis stehen die Fenster zum Gebäude insgesamt? Aus

welchen Baustoffen bestehen die Wände? «All diese Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle», ergänzt Xu. «Es steht jedoch fest, dass sich Low-E-Glas grundsätzlich äusserst positiv auf die Energieeffizienz auswirkt.» Neue Städte für Hunderte von Millionen Menschen. Dies gilt insbesondere in ­China. Immobilien, und damit auch das Baugewerbe, sind ein ganz wesentlicher Faktor der chinesischen Gesamtwirtschaft. Und daran wird sich mit ziemlicher Sicherheit so schnell nichts ändern. Grund dafür ist der anhaltende Megatrend zur Urbanisierung, der China auch in den kommenden Jahrzehnten bestimmen wird. Neben dem Wachstum der bestehen­ den Städte plant die chinesische Regierung seit dem vergangenen Jahr den Bau neuer Städte von Grund auf, um die ­Unterbringung von circa 120 Millionen ­Migranten aus den ländlichen Gebieten zu gewährleisten – und das alles innerhalb der nächsten zwölf Jahre. Die Urbanisie-

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Der Glasbeschichter Apollon von Leybold Optics bildet das Herzstück der Anlagen von Jinjing in Peking. Mit diesem einen Glasbeschichter produziert das Unternehmen jährlich mehrere Millionen Quadratmeter Low-E-Glas.

rung Chinas bedeutet für Jinjing ein gutes Geschäft. «Wir konnten Wachstumsraten von jährlich bis zu 80 % beobachten», sagt Dr. Ji Yalin, Deputy General Manager der Jinjing Group in Peking. «Inzwischen hat sich das Wachstum verlangsamt.» In diesem Zusammenhang mutet das Wort «verlangsamt» allerdings erstaunlich an: «Zuletzt konnten wir Wachstumsraten in Höhe von jährlich 20 % verzeichnen», fügt er hinzu. Durch den immensen Umfang des Städte­ baus in China kommt dem Wachstum ­der Städte nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Es ist zudem einer der wichtigsten Faktoren für die ökologische Nach­ haltigkeit des Landes. Beschichtetes Glas spielt für die Errichtung von Gebäuden und demzufolge für die höhere Energie­ effizienz der Städte eine entscheidende Rolle. Und auf diesem Gebiet ist Jinjing seiner Konkurrenz einen Schritt voraus. Einfach, zweifach, dreifach. Für die Herstellung von Low-E-Glas aus herkömmlichem Floatglas werden dünnste,

«Zur Isolierung des Glases werden dünnste, unsichtbare Silberschichten auf die Glasscheiben aufgetragen. Die Beschichtung wird Atomlage für Atomlage aufgebaut.» Xu Jun, Technology Manager Jinjing in Peking.

unsichtbare Silberschichten auf ­d ie Glasscheiben aufgetragen, bis die ­Beschichtung eine Dicke von etwa acht bis zehn Nanometer erreicht hat. «Die Beschichtung wird Atomlage für Atom­ lage aufgebaut», erklärt Xu. Das entscheidende Qualitätsmerkmal von Silber besteht in diesem Zusammenhang darin, dass es als Spiegel für die Infrarotstrahlung fungiert. «Die dünne Silberschicht lässt den Grossteil des sichtbaren Lichts durch», erklärt Xu, «und schottet die Scheibe gleichzeitig gegen die unsichtbare Wärme­ strahlung ab.» Auf diese Weise verbleibt die Wärme wie beabsichtigt im Inneren des Gebäudes, während sich die ­Beschichtung – solange sie dünn genug ­ ist – nicht wesentlich auf die Lichtdurchlässigkeit auswirkt. Die heute gängigste Form dieses Glases nennt sich «Single Low-E-Glas», wobei es sich um einfach ­silberbeschichtetes Glas handelt. Das Isolationsvermögen des Glases lässt sich durch die Ergänzung einer zweiten oder dritten Lage allerdings noch deutlich erhöhen – so entsteht «Double bzw. Triple Low-E-Glas».


Jinjing, China.

Drei Fragen an Dr. Ji Yalin, Deputy General Manager der Jinjing Group.

«Wir beobachten eine Verschiebung hin zum High-End-Bereich.» Die Bautätigkeit nimmt in China langsamer als gewöhnlich zu. Inwiefern beeinflusst dies Jinjing? Es stimmt, das Wachstum hat sich verlangsamt. Und dennoch setzt es sich auf hohem Niveau fort. Gleichzeitig ist bei Glas eine deutliche Verschiebung hin zum High-End-Bereich spürbar. Während Low-E-Glas mit einfacher Beschichtung weiterhin gefragt ist, gibt es in der Branche bereits Überkapazitäten bei der Fertigung dieser Art von Glas. Unterdessen steigt die Nachfrage nach Low-E-Glas mit zweiund dreifacher Beschichtung. Ist diese Entwicklung positiv für Jinjing? Diese Entwicklung ist positiv für China insgesamt, da High-End-Glas in hohem Masse zur Verbesserung der Energie­ effizienz von Gebäuden beiträgt. Und auch für Jinjing ist diese Entwicklung positiv, weil wir sehr gut aufgestellt sind, um diesen Markt zu beliefern. Die Anforderungen an die Energieeffizienz in China steigen. Jinjing ist gut aufgestellt, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Chinas derzeitiger Urbanisierungsgrad ist einmalig in der Menschheitsgeschichte. Mehr als 300 Millionen Menschen werden in den nächsten 30 Jahren vermutlich aus dem ländlichen Raum in die Ballungsgebiete der Städte ziehen.

Jinjing verfügt über ein eher breites Produktportfolio. Wie wichtig ist die Herstellung von Glas, einschliesslich Low-E-Glas, für die Jinjing Group? Unsere neue Produktionsstätte für die Glas­ herstellung haben wir 2013 in Peking in Betrieb genommen. Das Werk verfügt über die bestmögliche Ausrüstung und eine Jahreskapazität von etwa zehn Millionen Quadratmetern beschichtetem Glas. Dieser Bereich wird auch künftig zentral für unsere Entwicklung bleiben.

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Die Silberbeschichtung wird in einer Vakuumkammer aufgetragen. Hierbei werden Dicken von acht bis zehn Nanometer bzw. etwa 80 Atomlagen erreicht.

Konkurrenzlos. Die Einfach-, Zweifach- oder Dreifach­ beschichtung stellt allerdings für die Hersteller, die das Glas zur Erhöhung von dessen Langlebigkeit oder beim Zuschneiden für den Einbau in Gebäuden bearbeiten, unter Umständen eine ­besondere Herausforderung dar. In der Regel kann die Beschichtung nämlich erst nach der Verarbeitung des Glases aufgebracht werden. Dies führt unter Umständen zu einem echten Problem. «Auf den Baustellen kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen, nur weil ein paar Scheiben zu Bruch gegangen sind», erklärt Ingenieur Xu im leeren Werk. «Die Baufirma muss ihre Lieferanten kontaktieren und diese wenden sich wiederum an die Firma, die das Glas her­ gestellt hat, um von ihr die neuen Scheiben in der erforderlichen Grösse zu beziehen. Es muss also alles von Grund auf neu gefertigt werden, nur um eine zerbrochene Scheibe zu ersetzen. Das kann Wochen, in Ausnahmefällen sogar Monate dauern.»

Jinjing ist branchenführend in China. Das Geschäft verzeichnet jährliche Wachstumsraten von etwa 20 %.


Jinjing, China.

Kunden von Jinjing kennen dieses Problem nicht. Der Leybold Glasbeschichter kann sogenanntes «vorspannfähiges» Low-E-Glas mit Einfach-, Zweifach- oder Dreifachbeschichtung produzieren. Das bedeutet, dass die Glasscheiben auch nach dem Auftragen der Beschichtung bearbeitet werden können. «Das hört sich sehr kompliziert an, stellt aber einen entscheidenden Vorteil dar», weiss Xu. «Auf diese Weise können unsere Kunden die beschichteten Glasscheiben nach Bedarf bearbeiten. Ein Beispiel ist der schnelle und unkomplizierte Austausch von zerbrochenem Glas.» Das verschafft Jinjing einen klaren Wettbewerbsvorteil. «Viele Unternehmen in China sind in der Lage, dieses Verfahren für einfach beschichtetes Low-E-Glas anzuwenden», sagt Xu weiter. «Nur wenige Unternehmen können das Verfahren auch für zweifach beschichtetes Low-E-Glas anbieten. Für dreifach beschichtetes Glas gibt es keinen einzigen Anbieter. Wir sind in diesem Bereich die einzigen.» Diese Tatsache war massgeblich für Jinjings

«Auf den Bau­ stellen kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen, nur weil ein paar Scheiben zu Bruch gegangen sind.»

Entscheidung über die Investition in einen Leybold-Glasbeschichter. «Für uns war das ein bedeutender Faktor», erklärt Dr. Ji. «Bisher sind wir auf diesem Gebiet konkurrenzlos.» Steigende Anforderungen. Dies ist umso wichtiger, da die Effizienz­ anforderungen für Gebäude in China mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­ lichkeit weiter steigen werden. «Bislang ist Low-E-Glas mit einer einfachen Beschichtung in China die gängigste Form von Low-E-Glas», erklärt Dr. Ji. «Das wird sich höchstwahrscheinlich ändern.» Der Wettbewerbsvorteil von Jinjing wird sich folglich erhöhen – bis andere Unternehmen gleichwertige Produkte anbieten können. Was durchaus positiv wäre, denn da­durch würde sich der Energieverbrauch insgesamt verringern – und der Himmel über China in einem kräftigeren Blau erstrahlen.

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Globale Präsenz, nahe beim Kunden. 137 Standorte weltweit *

28 Produktionsstandorte 21 Engineering-Standorte 94 Verkauf- & Service-Standorte 14 Anwendungszentren 3 Analytik-Labore

Nordamerika

10

(+0) Standorte

723 Mitarbeitende (– 4,7%)

Hauptproduktionsstandorte

Uzwil Schweiz (Hauptsitz) Braunschweig Deutschland Beilngries Deutschland Zamberk Tschechische Republik Wuxi China Changzhou China Bangalore Indien Johannesburg Südafrika Minneapolis USA Raleigh USA Joinville Brasilien *A ufgrund multifunktionaler Standorte ist die Gesamtzahl der Standorte kleiner als die Summe der einzelnen Positionen.

Südamerika

14

(+ 3) Standorte

407 Mitarbeitende (– 0,3%)


Kundenservice.

Europa

44

Asien

51

(+ 1) Standorte

(+ 13) Standorte

4933 Mitarbeitende (– 4%)

4025 Mitarbeitende (+ 4,9%)

Naher Osten und Afrika

18

(+ 1) Standorte

487 Mitarbeitende (+ 1,9%)

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In der Region – für die Region.


Kundenservice.

Die neue Service Station im nordostspanischen Lérida zeigt, wie die einzelnen Bühler Kunden vom Aufbau eines weltweiten Netzwerks von rund 100 ServiceStationen profitieren. Neben schnelleren Reaktionszeiten und einem einfachen Zugang zu Fach-Know-how ermöglicht der persönliche Kontakt vor allem auch eine viel individuellere und aktivere Betreuung. Von Manuel Meyer (Text) und Bob Masters (Fotos).

«Ein längerer Produktionsausfall wäre für uns das Schlimmste», umreisst Alberto Jofre das grösste Risiko in seinem Betrieb. Um diesen Worst Case zu verhindern, ist der Wartungsverantwortliche des spanischen Futtermittelherstellers Esporc SA nicht nur darauf angewiesen, dass Ersatzteile schnell geliefert werden: «Für uns ist entscheidend, dass wir mit einem Service-Techniker vor Ort in engem Kontakt stehen, der unsere Anlage und unsere Probleme gut kennt.» Genau darauf können Esporc SA und rund 700 weitere Bühler Kunden in den Regionen Katalonien, Aragonien, Navarra und Valencia heute zählen. Im August 2013 hat Bühler in der Stadt Lérida eine neue Service-Station speziell für die Getreide- und Futtermittelproduzenten in den nordöstlichen Kornkammern Spaniens eröffnet.

schnitten ist. «Jede Region, jedes Land und auch jeder Kunde hat seine beson­ deren Bedürfnisse. Je besser wir auf diese eingehen, umso grösser ist der Mehrwert, den wir bieten können», betont Sonderegger.

«Die neue Service-Station in Lérida ist eine von derzeit über 80 weltweit, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben», stellt Roman Sonderegger, Leiter Sales & Services Operations bei Bühler, den grösseren Zusammenhang her. Im Endausbau werden rund 100 ServiceStationen alle Regionen der Welt ab­ decken. In Brasilien ist Bühler jetzt beispielsweise an sechs über das Land verteilten Standorten präsent statt nur an einem wie vorher. Dazu kommen aber auch Stationen in zusätzlichen Ländern wie Indonesien, Nigeria oder Norwegen.

Die Kunden wollen mehr Nähe. Bühler führt die lokalen Stationen ganz bewusst nicht als blosse Aussenstellen der zentralen Organisation, sondern wie selbständige Unternehmen. Die Verantwortlichen vor Ort bestimmen, welche Services angeboten und wie die einzelnen Produkte im Detail ausgestaltet werden. «Indem wir in den Service-Stationen das Unternehmertum fördern, stellen wir sicher, dass die Angebote die lokalen Bedürfnisse genau treffen», erklärt ­S onderegger. Und das funktioniert, wie das Beispiel Lérida mit einer starken ­Zunahme von Neukunden für die Matritzen-Erneuerungen zeigt.

Umfassendes Portfolio gezielt lokalisiert. Das umfassende Service-Portfolio von Bühler unterstützt mit Labor-Services, Beratung, Ausbildung, Wartung, Ersatzund Verschleissteilen, Reparaturen, Revisionen und Retrofits den ganzen Lebenszyklus der Maschinen und Anlagen. Die einzelnen Service-Stationen stellen dar­aus ein Angebot zusammen, das auf die spezifischen lokalen Bedürfnisse zuge-

Routine-Arbeiten werden direkt beim Kunden oder in der Service-Station ausgeführt. Spezial-Know-how kann der Kundenbetreuer im Bedarfsfall schnell über das regionale und weltweite Bühler Netzwerk organisieren. Künftig könnten dabei auch moderne Video-Kollaborations-Technologien zum Einsatz kommen, bei denen der Servicetechniker vor Ort mit einer Kamera auf dem Kopf aus­ gestattet ist und der Spezialist in der Zentrale die Situation auf dem Computer­ bildschirm analysiert.

Der Anstoss, näher zu den Kunden zu kommen, kam denn auch vor allem von den Kunden selber, wie Jaume Serra von der Grup Alimentari Guissona bestätigt: «Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit drei Bühler-Anlagen und schätzen den hohen technologischen Qualitätsstandard. Deshalb haben wir uns entschieden, in Zukunft die Zusammenarbeit mit der

Roman Sonderegger, Leiter Sales & Services Operations bei Bühler und verantwortlich für den Aufbau des weltweiten Service­geschäftes.

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Magazin zum Geschäftsbericht

Pressrollen zählen zu den Verschleissteilen einer Futtermühle und müssen regelmässig gewartet werden.

Service-Station auszubauen, da Bühler auch in diesem Bereich beste Qualität zu guten Preisen anbietet.» Zuvor hatte Serra mit lokalen Unternehmen zusammengearbeitet, um Mühlen zu reparieren ­sowie Matrizen und Pressrollen auszu­ tauschen oder zu schleifen. Aber das umfassendere Know-how eines Bühler ­Technikers bei der Reparatur und Wartung hauseigener Anlagen stehe ausser Frage, sagt Jaume Serra. Er ist froh, dass ­Bühler diese Lücke in der Region Lérida jetzt geschlossen hat. Lokale Mitarbeiter ausbilden. Für Sonderegger ist klar, dass die Ausbildung der lokalen Mitarbeiter entscheidend ist, um sich im Service-Geschäft qualitativ abheben und gleichzeitig lokale Marktpreise bieten zu können: «Wir investieren viel in die Ausbildung von Fachleuten in den einzelnen Regionen. Weil grosse Teile der Welt keine duale Berufsbildung wie in der Schweiz oder in Deutschland kennen, haben wir von uns aus damit begonnen, in den wichtigsten Regionen Lernende nach dem Schweizer Modell auszubilden.»

Wartungs- und Reparaturarbeiten werden nun in Lérida von erfahrenen Bühler Servicetechnikern ausgeführt.

«Ein längerer Produktionsausfall ist für uns das Schlimmste. Deshalb ist es für uns wichtig, eine ServiceStation in der Nähe zu haben.» Alberto Jofre, Esporc SA.

Die Kunden schätzen den Aufbau von Know-how durch Bühler aber auch aus einem anderen Grund: Der Fachkräftemangel ist heute auf der ganzen Welt ein drängendes Thema. Dank den gut aus­ gebildeten Servicetechnikern von Bühler müssen sie selber weniger interne Ressourcen aufbauen. Fixkosten, Flexibilität, Kern­kompetenzen und Vertrauen. Die Möglichkeit, fehlendes Know-how von Bühler zu beziehen, ist aber für Sonderegger nur ein Vorteil, den das welt­ weite Service-Netzwerk den Kunden bietet: «Durch unsere Dienstleistungen können die Kunden auch ihre Fixkosten senken, den Betrieb flexibler an Markt­ veränderungen anpassen und sich stärker auf ihre Kernkompetenzen kon­ zentrieren.» Die geografische Nähe zu den Kunden schafft zudem Vertrauen. «Mir fiel es früher immer schwer, zum Hörer zu greifen und einem mir unbekannten Service­ techniker in Madrid oder in der Schweiz unser Problem am Telefon erklären ­


Kundenservice.

Beim wiederkehrenden Siebwechsel werden auch die übrigen Verschleissteile und die entsprechenden Maschineneinstellungen durch den Bühler Service-Techniker überprüft.

zu müssen. Die Service-Station in Lérida war für unser Unternehmen eine wichtige Voraussetzung, um auch in diesem Bereich enger mit Bühler zusammen­zu­arbeiten», erklärt Alberto Jofre von der Esporc SA. Laufend weiter ausbauen und anpassen. Für Sonderegger ist der Aufbau des ­Service-Netzwerkes noch lange nicht abgeschlossen, wenn die Zielgrösse von rund 100 Service-Stationen erreicht ist: «Wir erweitern das Angebot laufend und passen es immer wieder neu an die lokalen Bedürfnisse an.» In diesem Zusammenhang profitiert Bühler selber vom dichteren Netzwerk: Durch die engere Zu­ sammenarbeit mit den Kunden weiss Bühler viel genauer, wo jeden einzelnen der Schuh drückt.

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Unternehmensprofil.

Bühler leistet mit seinen industriellen Prozesstechnologien und -lösungen einen wesentlichen Beitrag zur Welternährung. Rund 65 % des weltweit geernteten Weizens werden auf Mühlen von Bühler zu Mehl verarbeitet. Ebenfalls substanziell ist der Beitrag zur globalen Herstellung und Verarbeitung von Reis, Teigwaren, Schokolade und Frühstückscerealien. Darüber hinaus ist Bühler führender Lösungslieferant für Druckguss-, Nassmahl-, und Beschichtungstechnologie mit den Anwen­dungsschwerpunkten Automobil, Optik, Elektronik, Farben, Verpackung und Glastechnologie. Als Technologie-Konzern investiert Bühler jährlich bis zu 5 % des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Bühler deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab, angefangen von Consulting und Engineering über den Bau und die Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen bis hin zu umfangreichen Wartungs- und Optimierungs-Services sowie Schulungen. Stolz auf seine über 150-jährige Schweizer Tradition, ist Bühler ein Global Player und in knapp 140 Ländern vertreten. Mit rund 10 600 Mitarbeitenden erwirtschaftet das Unternehmen einen Umsatz von CHF 2,3 Mrd. mit dem Ziel, das profitable Wachstum fortzusetzen. Das Familien­ unternehmen Bühler ist in besonderem Mass der Nachhaltigkeit verpflichtet. Mit seinen industriellen Prozesstechnologien und -lösungen will Bühler weltweit zu einer dauerhaft sicheren, gesunden und bezahlbaren Nahrungs­mittelversorgung beitragen und setzt Standards bezüglich Energie­effi­zienz und nachhaltige Mobilität. Bühler versteht sich als Partner für Industrie und Wissenschaft sowie Regierungen, um globale Heraus­forderungen, resultierend aus der wachsenden Weltbevölkerung und dem Klimawandel, zu bewältigen. Bühler legt grossen Wert auf eine hochwertige Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeitenden und bildet rund 600 Lernende in der Schweiz, den USA und Asien aus.

Bühler AG CH-9240 Uzwil, Schweiz T +41 71 955 11 11 F +41 71 955 33 79 www.buhlergroup.com


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