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Sportpolitik
Wiederholung der Mikrozensusbefragung zeigt deutliche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Sport
1Die Ergebnisse der Befragung wurden bei einem Medientermin vorgestellt: Sport AustriaPräsident Hans Niessl, Statistik Austria-Expertin Jeannette Klimont, Claudia Karollus, Sportliche Leiterin der Union West-Wien und Sportminister Werner Kogler (v.l.n.r.).
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2Wie der Re-Start des Sports gelingen kann, präsentierten Public HealthExperte Prof. Hans-Peter Hutter, Sport AustriaPräsident Hans Niessl, Nina Burger, Leiterin der Frauensektion des First Vienna FC 1894, und Sport Austria-Vizepräsident für Leistungs- und Spitzensport Michael Eschlböck (v.l.n.r.).
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Sportvereinsmitgliedschaften und die Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots im Sportverein nahmen ab – größte Rückgewinnungs-Aktion der heimischen Sportgeschichte angelaufen. Im Jahr 2017 wurden im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung über 8.000 Personen Fragen zur Sportvereinsmitgliedschaft, Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots im Sportverein sowie Funktionen und Tätigkeiten im Sportverein gestellt. Dadurch lagen das erste Mal repräsentative Datenüber die österreichische Bevölkerung vor. Im 3. Quartal 2020 und 1. Quartal 2021 wurde diese Befragung nun wiederholt. Das Ergebnis ist alarmierend: Sportvereinsmitgliedschaften gesunken Waren laut Mikrozensusbefragung der Statistik Austria im Jahr 2017 rund 2,1 Millionen Menschen oder rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung Mitglied in zumindest einem Sportverein, ist dieser Anteil bei der nun zweiten Befragung auf rund 1,6 Millionen oder 18 % der Bevölkerung zurückgegangen. Das entspricht einem Rückgang von 550.000 Sportvereinsmitgliedschaften im Vergleich zu 2017! Besonders auffällig ist der Rückgang bei den Jüngsten (0 bis 5 Jahre) mit minus 54 Prozent. Die Schulpflicht federt diesen Effekt ab (6 bis 9 Jahre: minus 22 %, 10 bis 15 Jahre: minus 31 %). Danach geht es allerdings wieder nach unten (16 bis 19 Jahre: minus 46 %). Bei den Erwachsenen liegt der Effekt, abhängig von der Altersgruppe, zwischen minus 14 und minus 31 %.
Rückgang bei Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots Weiters kam es zu einem deutlichen Rückgang der Nutzung des Sportangebots durch die Mitglieder. Wie in Abbildung 2 dargestellt, kam es bei den regelmäßigen Nutzer:innen (d. h. mindestens einmal pro Woche) zu einem Rückgang von 62 % auf 45 %. Hingegen stieg der Anteil der Mitglieder, die das Sportangebot im Verein nie nutzten, von 10 % auf 40 %. Somit kommt zum Verlust von Sportvereinsmitgliedern auch noch eine Reduktion der Aktivität der verbliebenen Mitglieder hinzu.
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Kaum Veränderung bei Funktionen im Verein 2017 waren 9 % der Sportvereinsmitglieder als Funktionär:innen, d. h. als Obfrau/Obmann, KassierIn, SchriftführerIn etc. tätig. Dieser Anteil stieg bis zur zweiten Befragung auf 12 %, wobei die absolute Zahl nahezu konstant blieb (2020: 148.000, 2017: 140.000). Bei den Personen, die vor allem für den aktiven Sport- und Wettkampfbetrieb zuständig sind, kam es zu einer Verringerung der Anzahl: Trainer:innen (2020: 67.000, 2017: 96.000), Schiedsrichter:innen (2020: 12.000, 2017: 13.000) und ehrenamtliche Hilfskräfte (2020: 127.000, 2017: 240.000).
Interpretation der Ergebnisse Durch die im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebungen gewonnenen Daten können einerseits allgemein gültige Aussagen für die österreichische Bevölkerung getroffen werden. Andererseits ermöglicht die Wiederholung der Befragung die Durchführung von Längsschnittanalysen. Doch sind bei allen Zeitvergleichen die außergewöhnlichen Rahmenbedingungen zu beachten! So kam es einerseits im Sportbetrieb bereits mit Anfang März 2020 zu Einschränkungen, die in einem totalen Lockdown mündeten. Andererseits erfolgte die zweite Befragung zu einer Zeit, in der die Ausübung von Sport im Sportverein nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich war.
Dies spiegelt sich sowohl in einer Abnahme der Sportvereinsmitgliedschaften um 27 % wider – Vergleichbares berichtet auch die Deutsche PresseAgentur aus Norddeutschland – als auch in einem deutlichen Rückgang der Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots (regelmäßige Nutzung: Abnahme um ca. ein Drittel, keine Nutzung: Verdreifachung). Dieses Ergebnis wird auch durch eine von Sport Austria unterstützte Studie der OBSERVER Brand Intelligence GmbH bestätigt.
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10 42,7 47,7
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0–5 6–9 10 –15 16 – 19 20 – 29 30 – 39 40 – 49 50 – 59 60 – 69 70 +
Abb. 1: Mitgliedschaften in Sportvereinen nach Altersgruppen (in %) Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Zusatzfragen zur Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, 4. Quartal 2020 und 1. Quartal 2021. bzw. 2. und 3. Quartal 2017. Hochgerechnete Zahlen.
Abb. 2: Häufigkeit der Nutzung des Sportangebots (in %) Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Zusatzfragen zur Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung, 4. Quartal 2020 und 1. Quartal 2021. bzw. 2. und 3. Quartal 2017. Hochgerechnete Zahlen.
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Mehrmals pro Woche
Einmal pro Woche Seltener als einmal pro Woche oder nie Nie
Die Sport Austria-Geschäftsstelle hat 2021 wieder über 1.000 Anfragen zu Corona bearbeitet.
2020 2017
2020 2017
Die #comebackstronger-Initiative von Sportministerium, Sport Austria, Dach- und Fachverbänden soll gegensteuern
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Diesen – auch aus volkswirtschaftlicher Sicht – alarmierenden Zahlen wird offensiv gegengesteuert. Das von Sportministerium, Sport Austria, Dach- und Fachverbänden sowie externen Expert:innen erarbeitete #comebackstrongerMaßnahmen-Paket mit 57 Vorschlägen leitet die größte Mitgliederrückgewinnungs-Aktion der österreichischen Sportgeschichte ein.
Sportbonus und Langer Tag des Sports Vieles aus diesem Paket wurde bereits umgesetzt bzw. befindet sich derzeit in Planung oder Umsetzung. Dazu zählt die Aufstockung der Mittel für die Programme „Kinder gesund bewegen 2.0“ und „Bewegt im Park“, aber auch die bundesweite
Ausrollung von „Jackpot.fit“, einem maßgeschneiderten, nach den Erkenntnissen der Sportwissenschaft erarbeiteten Programm für bislang körperlich inaktive Menschen. Ebenfalls neu ist der „Lange Tag des Sports“, der am 24. September erstmals in Schulen und Sportvereinen zelebriert wurde und mehr Bewegung ins Leben von Jung und Alt brachte. Als Herzstück der Initiative #comebackstronger gilt der „Sportbonus“. Es ist die größte Rückgewinnungsaktion und das höchstdotierte einzelne Bewegungsprojekt der österreichischen Sportgeschichte. Bewegungswillige, die 2021 kein sportlich aktives Mitglied des ausgewählten Vereines waren, können eine um bis zu 75 % reduzierte Mitgliedschaft erwerben. Wird das Programm voll ausgeschöpft, löst das über 5 Millionen zusätzliche Bewegungsstunden aus.
Verstärktes Impf-Angebot bei Sportveranstaltungen als unterstützende Maßnahme Die Delta-Variante des Corona-Virus hält Österreich nach wie vor auf Trab. Wie bekommt man sie am besten in den Griff? Für Sport Austria-Präsident Hans Niessl ist eine möglichst hohe Impfquote anzustreben und er schlägt daher ein möglichst großes niederschwelliges Angebot mit Impfmöglichkeiten rund um Sportveranstaltungen vor. Dazu wurde bereits der Tag des Sports am 25. September mit seinen zigtausenden Besucher:innen genutzt.
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Bei einem Gesprächstermin ist dieser Vorschlag von einer Sport Austria-Delegation (Sport AustriaPräsident Hans Niessl, ASVÖ-Präsident Christian Purrer sowie Sport Austria-Vizepräsident Michael Eschlböck) auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein unterbreitet worden. Weitere Themen waren die Situation des organisierten Sports während der Pandemie sowie Anregungen für ein flächendeckendes Bewegungskonzept für alle Altersgruppen.
1+2Aus Anlass des Re-Starts des heimischen Sports gab es Medientermine mit dem Sport: Auf dem Fußballplatz des 1. Simmeringer SC. Sport Austria-Präsident Hans Niessl begrüßte dabei Sportminister Werner Kogler, Stadtrat Peter Hacker, Damen und Herren der Vienna Vikings, Damen und Herren des Simmeringer SC sowie Vertreter:innen des Judoclubs Shiaido. Beim Nachwuchstraining des First Vienna FC 1894 besuchten Sportminister Werner Kogler, Sport Austria-Präsident Hans Niessl, Tennis-Präsident Magnus Brunner Nina Burger und Vienna-Nachwuchsspielerinnen.
3Politische Abstimmung in der Arbeitsgruppe #comebackstronger.
4Sport Austria-Präsident Hans Niessl bespricht mit Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein Ansätze für den Sport.
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Tägliche Bewegungseinheit: 3-Säulen-Modell zur Implementierung von täglicher Bewegung in Kindergarten und Pflichtschule
Derzeit bewegen sich nur 20% der österreichischen Kinder und Jugendlichen 60 Minuten täglich, vier Fünftel der Kinder erreichen diese Bewegungsempfehlungen der WHO nicht. Um mehr Bewegung in den Alltag von Kindern und Jugendlichen zu bringen, startete das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemeinsam mit Vertreter:innen des organsierten Sports im September 2020 einen Prozess zur Weiterentwicklung der „täglichen Bewegungseinheit“. In der Folge beauftragte Bildungsminister Heinz Faßmann Sport Austria, unter Einbindung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Maßnahmen zur Unterstützung der täglichen Bewegungseinheit zu entwickeln. Mit Oktober 2020 ist ein Projektteam, bestehend aus Sport Austria, dem Sportministerium sowie dem Bildungsministerium etabliert worden, das bis dato mehr als 30 Sondierungsgespräche und Workshops mit ca. 70 Stakeholdern aus den wichtigsten Sport-, Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene geführt hat. In diesem breiten Prozess wurde einerseits der Status-Quo des bisherigen Angebots und andererseits die Vorschläge der verschiedenen Stakeholder zur Etablierung der täglichen Bewegungseinheit im Pflichtschulalter erhoben.
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Die Wichtigkeit und Notwendigkeit von mehr Bewegung wurde von allen Stakeholdern einhellig betont, wenngleich es durchaus unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der konkreten Umsetzung gibt. Das Projektteam hat aus den unterschiedlichen möglichen Umsetzungsideen – unter Einbeziehung zahlreicher nationaler und internationaler Studien sowie unter Einbindung des Gesundheitsministeriums – einen konkreten Vorschlag für ein Umsetzungsszenario erstellt: Der Vorschlag basiert auf einem „3-Säulen-Modell“, das dem Sportminister, Bildungsminister und den Landessportreferent:innen präsentiert wurde. Dieses „3-Säulen-Modell“ sieht vor, Kindern und Jugendlichen vor allem im Umfeld von Kindergärten und Schulen ausreichende Bewegungsangebote zu bieten.
Im Wesentlichen werden • zusätzliche gesundheitsfördernde Bewegungsangebote außerhalb des Unterrichts und • auf den individuellen Bedarf der Schüler:innen abgestimmte Angebote im Unterricht Bewegung und Sport sowie generell • eine stärkere Verankerung von Bewegung als
Bildungsprinzip im Alltag von Schulen und
Kindergärten in diesem Umsetzungsvorschlag miteinander verbunden. Zusätzlich wurden Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit den Ausbildungs-Anforderungen auf Basis eines Kompetenzprofils von externen Personen, die Bewegungseinheiten in Schulen und Kindergärten leiten, sowie mit den Rahmenbedingungen für eine einfachere Schulraumüberlassung für Bewegungsangebote von Sportverbänden und -vereinen beschäftigen. Im nächsten Schritt sollen in ausgewählten Pilotregionen alle bestehende Angebote in ein Gesamtprogramm eingebunden und ausgebaut werden sowie das 3-Säulen-Modell in unterschiedlichen Regionen erprobt bzw. entsprechend angepasst werden.
Arbeitsgruppe „E-Sport“ eingerichtet
Zusammenarbeit mit Innen- und Verteidigungsministerium intensiviert
Der Sport befindet sich in stetigem Wandel. Besonders durch die zunehmende Digitalisierung unserer Welt ergeben sich Herausforderungen, aber auch neue Chancen. Letztere will der Sport für sich nutzen und gleichzeitig dem digital verursachten Bewegungsmangel den Kampf ansagen. Dabei ist der Zulauf zum E-Sport – vor allem junger Menschen – enorm. Die Veranstaltungen füllen große Hallen und werden per Stream millionenfach verfolgt. In vielen Ländern ist der E-Sport eine offiziell anerkannte Sportart oder es werden die Entwicklung der Gesellschaft zunehmend auf die digitale Ebene und die damit verbundenen Möglichkeiten aber auch Risiken diskutiert. Im aktuellen Regierungsprogramm ist zum Thema E-Sport die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, um den rechtlichen Rahmen hinsichtlich Gemeinnützigkeit und Sport zu klären, vorgesehen. Nach einem Entschließungsantrag wurden nun die wesentlichen Interessengruppen, darunter Sport Austria, vom Sportministerium eingeladen, den rechtlichen Rahmen für den E-Sport, insbesondere hinsichtlich Gemeinnützigkeit und Sport, zu klären und konkrete Lösungsvorschläge auszuarbeiten.
Themen waren vor allem Jugendschutz, Arbeitsrecht im E-Sport, Sportstätten, steuerliche Themen, Veranstaltungsrecht, grenzüberschreitende Angelegenheiten, TV-Übertragungen, Instanzenschaffung für Verantwortlichkeit, Wetten und Glücksspiel oder Maßnahmen in Bezug auf die Professionalisierung von E-Sport hinsichtlich Manipulation und AntiDoping Regelungen.
Die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen dem BMLV und Sport Austria hinsichtlich der Administration bzw. Vergabe der Förderplätze ins Heeressportzentrum konnte aufgrund der Bestrebungen von Sport Austria um ein weiteres Kapitel ergänzt werden: Für das Jahr 2022 konnten zu den bestehenden 150 Grundwehrdienstplätzen weitere 20 gewonnen werden. Das BMLV ist mit seinen 377 Sportler:innen (Stand 1.12.2021) der größte Arbeitgeber und somit eine der wesentlichsten Stützen im österreichischen Sport. Am 8. November 2021 schlossen Innenminster Karl Nehammer und Sport Austria-Präsident Hans Niessl eine Kooperationsvereinbarung mit dem Ziel eines ganzheitlichen, stellenübergreifenden und ausgewogenen Ansatzes für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen. Die Zusammenarbeit ist ein Teil der „Plattform Sicherheit und Sport“, der österreichischen Sicherheitsstrategie rund um das Thema Sport. Das Bundesministerium für Inneres setzt sich dabei zum Ziel, Sport Austria bei Veranstaltungen im Inland zu unterstützen und die Sicherheit der österreichischen Delegationen und Fans bei Events im Ausland, beispielweise bei den World Games, bestmöglich zu gewährleisten. Zusätzlich soll eine verstärkte Zusammenarbeit im Spitzensportbereich, im Kampf gegen Doping, Wettbetrug und Korruption sowie bei Synergien in der Öffentlichkeitsarbeit angestrebt werden.
2Innenminster Karl Nehammer und Sport Austria-Präsident Hans Niessl unterzeichnen die Kooperationsvereinbarung für sicheren Sport.