Editorial
Österreich besitzt ein ungemein reiches kulturelles Erbe... D
ie Auswahl jener Objekte und Kunstwerke, deren Restaurierung dringen erforderlich ist, da sonst irreparable Schäden eintreten, und die Durchführung der Arbeiten erfolgt in engem Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt und den Landeskonservatoren. Die Mittel werden in erster Linie von den jeweiligen Sponsoren, aber auch mit Hilfe der Mitgliedsbeiträge und anderer Spenden aufgebracht. Besonderen Dank schulden wir der jetzigen Präsidentin des Bundesdenkmalamtes, Frau Dr. Neubauer, für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, ebenso wie ihren Vorgängern, Dr. Sailer und Dr. Rizzi.
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ls Mitglieder und Sponsoren wollen wir den privaten Kunstfreund ebenso ansprechen und motivieren wie kleine und grosse Firmen, die bereit sind, sich für die Restaurierung und Bewahrung eines Kunstwerkes, eines Gebäudes, eines künstlerisch wertvoll ausgestatteten Raums, eines Denkmals etc. zu engagieren. Unseren Mitgliedern bieten wir, ausser dem Bewusstsein, etwas Gutes für unsere Kultur zu tun, Ausflüge, Vorträge, Einladungen, bei welchen man anregende Menschen treffen kann.
Casino AG, die Firma Shell Austria AG, die Vereinigung der Österreichischen Industrie, die Raiffeisen Zentralbank und die Erste Bank.
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ie neue Zeitschrift „Denkmal heute“ soll für den Gedanken des Denkmalschutzes in Österreich werben und das Bewusstsein für die Notwendigkeit denkmalpflegerischer Tätigkeit stärken. Das Bundesdenkmalamt wird damit über ein weiteres Sprachrohr zur wirksamen Information über seine Aufgaben und seine international anerkannten Leistungen verfügen. Diese erste Nummer wird am „Tag des Denkmals“ am 27.September 2009, an vielen kulturellen Orten in Österreich verteilt werden, um eine möglichst grosse Anzahl von Menschen anzusprechen. Bei entsprechendem positivem Echo wird eine Fortsetzung dieses ambitionierten Kulturprojektes in Aussicht genommen.
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ie Gesellschaft hat in den Jahren ihres Bestehens die Erhaltung einer grossen Zahl von historisch und kunsthistorisch relevanten Bauten und Kunstwerken ermöglicht. Erwähnt seien nur die Flussgöttinen am Danubius-Brunnen der Albertina, mittelalterliche Fresken am Herzogshof in Graz, das Hochgrab von Herzog Friedrich dem Streitbaren in Heiligenkreuz, die Sphingen beim Belvedere und der Altar in der Kirche St. Helena am Magdalensberg in Kärnten. Grössere Sponsoren waren unter anderen die Nationalbank, die Bank Austria, die
Foto: Georg Wilke
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und damit unschätzbare Werte, die im Lauf von vielen Jahrhunderten geschaffen und uns überliefert worden sind. Die Erhaltung dieses Guts – im Bereich der Architektur, der bildenden Kunst im weitesten Sinn, des Kunstgewerbes – ist eine Verpflichtung, die grosse finanzielle Aufwendungen erfordert. Diese können jedoch von der öffentlichen Hand allein nicht geleistet werden. Im Bewusstsein einer Verantwortung der Allgemeinheit ist die Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde daher im Jahre 1987 gegründet worden, mit dem Ziel, zur Erforschung und vor allem zur Bewahrung dieses Erbes auch durch die Zivilgesellschaft beizutragen. Die Initiative ging vom vormaligen Bundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger aus, in engem Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt. Bundespräsident Kirchschläger war auch bereit, die Funktion eines Ehrenpräsidenten einzunehmen, die er bis zu seinem Tode mit aktiven Engagement ausübte. Über seinen Vorschlag wurde ich, damals noch österreichischer Botschafter in Frankreich, zum Präsidenten gewählt, vermutlich auch im Hinblick darauf, dass ich als ehemaliger Leiter der kulturpolitischen Sektion im österreichischen Aussenministerium über einschlägige Erfahrungen und Beziehungen verfügte. Diese ehrenamtliche Funktion nehme ich schon seit über 20 Jahren mit grosser Freude wahr. Die eigentliche Arbeit der Gesellschaft ruht, ebenfalls von Anfang an, auf den Schultern der Vizepräsidentin Frau Maria Meinl. Sie hat sich besondere Verdienste bei der Auswahl von Projekten und deren Finanzierung durch Sponsoren aus dem Bereiche der Wirtschaft sowie bei der Organisation von kulturellen Ausflügen und Vorträgen erworben. Auch andere Mitglieder des Vorstandes helfen uns tatkräftig.
Dr. Wolfgang Schallenberg Botschafter i.R. Präsident der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde
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Inhalt
Denkmalpflege Aktuell Kärnten Kein Klimbim. Schönheit 9
Schwerpunkt 6
Oberösterreich Mörtel aus der Donau 10 Steiermark Im Dienst seit 140 Jahren 11
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Tirol Steinernes Requiem 12 Niederösterreich Ein paternalistischer Wohntraum 13
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European Heritage Days: Offene Türen nach Europa 4 Schau‘n Sie sich das an! In ganz Europa öffnen sich die Tore am Tag des Denkmals für die Besucher. 5 Innovation – Magie des ersten Males ... und was davon übrig bleibt 32 Kreativität & Innovation Brauchen wir eine schöpferische Denkmalpflege? 40
Burgenland Haydns Haus 14 Salzburg Barocke Wasserspiele 15 Archäologie Rätsel der Bronzezeit 16
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Vorarlberg Neuer Schwung für altes Rad 17 Wien Stauraum schafft Freiraum 18
Liebe Leserin, lieber Leser! Mit dem ersten Heft von „Denkmal heute“ möchten wir Ihnen die vielfältige Welt der Denkmalpflege näherbringen; so können Sie einen Arbeitstag der Präsidentin, Dr. Barbara
16 Neubauer, verfolgen (Seite 20), sich ansehen, wo man im Denkmal essen kann (Seite 24), über das Leben mit barocken Gemälden lesen (Seite 26), erfahren, was ein Chemiker im Denkmalamt macht (Seite 23) oder sich über historische Handwerks-
techniken (Seite 52), die Vereinbarkeit von Klima- und Denkmalschutz (Seite 48) und die Frage, warum Nachkriegsbauten unter Denkmalschutz gestellt werden (Seite 50) informieren. Die Hälfte des Heftes ist dem Tag des Denkmals gewidmet:
Inhalt
Information & Diskussion
Blickpunkt
Ein ganz normaler Arbeitstag der Präsidentin des Bundesdenkmalamtes 20
Denkmal in Not Bedroht: Die historischen Glashäuser in Graz 22
Interview Dr. Robert Linke, Chemiker 23
Kulturelles Erbe oder unzeitgemäße Energieschleuder? 48
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Handwerk Denkmalpflege Von Branntkalk, Trockenlöschen und Schlittenfahren 52
Kulturerlebnis Innsbrucker Nordkettenbahn 24 Kunstliebhaber Simon J. Krammer Leben mit barocken Gemälden 26
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Kurzmeldungen Personelles 56 Kartause Mauerbach 57 Buchtipps 58
Italianità in Tirol Prämonstratenserstift Wilten 28 Die Denkmalfreunde Verantwortung der Allgemeinheit 30
Die Moderne kommt in die Jahre Das ehemalige Hoffmann - La Roche - Gebäude am Landstraßer Gürtel in Wien. 50
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Erregung öffentlichen Ärgernisses Die Unterschutzstellung der Brückenkopfgebäude in Linz 60 Impressum 64
28 die European Heritage Days werden vorgestellt (Seiten 4, 5), das heurige Thema „Innovation und Kreativität“ vertieft (Seiten 32, 40), Denkmale präsentiert, die Sie am 27.9.2009 besichtigen können (Seiten 8-18). Über Ihr Feedback unter der email-
Adresse kontakt@bda.at würden wir uns sehr freuen; wenn Sie über das Erscheinen der nächsten Nummer informiert werden möchten, können Sie sich unter derselben Adresse oder
per Formular auf www.bda.at auf eine InteressentInnenliste setzen lassen. Wir wünschen viel Vergnügen mit diesem Heft, die Redaktion
Schwerpunkt | Tag des Denkmals
Die European Heritage Days: Offene Türen nach Europa Piet Jaspaert
Als der französische Kulturminister Jack Lang 1984 den „Ersten Tag des offenen Denkmals“ unter dem Slogan „Hauchen wir unserem Erbe frisches Leben ein“ startete, ahnte er wohl nicht, dass sich seine Idee 25 Jahre später nicht nur über ganz Europa, sondern auch in die USA und nach Kanada verbreitet haben würde. Offiziell aus der Taufe gehoben wurden die European Heritage Days (EHD) am 3. Oktober 1985 im Zuge der Zweiten Europäischen Konferenz der für das kulturelle Erbe verantwortlichen Minister. Jack Lang hat damals vorgeschlagen, den von ihm im Vorjahr in Frankreich mit großem Erfolg initiierten „Tag des offenen Denkmals“ europaweit zu veranstalten. Das erste Land, das diese Herausforderung annahm waren die Niederlande (1987). Bald folgten Schweden, Malta, Belgien, Dänemark, Schottland und die Türkei. 1991 gründete der Europarat eine Koordinationsstelle, um Informationen zu sammeln, Erfahrungen auszutauschen und Länder zu unterstützen, die sich anschließen wollten. Im Jahr 1999 hat man sich schließlich entschlossen, die EHD als gemeinsames Projekt von EU und Europarat zu etablieren und durch eine Fahne und den Slogan „Europe a common heritage“ einen gesamteuropäisch einheitlichen „Auftritt“ zu gewährleisten. Heute werden die EHD von 49 Staaten, allesamt Partner der Europäischen Kultur-Konvention, veranstaltet. Sie finden jeweils Ende September statt. Die European Heritage Days haben sich also zu einem einzigartigen gesamteuropäischen Event entwickelt, der Millionen Bürger mobilisiert: „25 Millionen Europäer stimmen mit ihren Füßen für Europa ab“ sagte kürzlich der Europäische Kulturkommissar Jan Figel bei einem
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Besuch in Bratislava. Wie eindrucksvoll die Teilnehmerzahlen auch sind, am wichtigsten ist doch das Ziel, das mit dieser Initiative verfolgt wird: Die BürgerInnen für das kulturelle Erbe zu sensibilisieren, ihnen seinen Wert für die Gesellschaft und ihre Zukunft bewusst
Dr. Piet Jaspaert, Vorstandsmitglied von Europa Nostra und Organisator der EHD in Flandern. zu machen. Das vom Menschen geschaffene Erbe wie das Naturerbe, das materielle wie das immaterielle Erbe bringen den interkulturellen Dialog ebenso voran wie die Idee der nachhaltigen Entwicklung. Das kulturelle Erbe zählt zu den Leitwerten der Gesellschaft und es gehört – wie es in der Rahmenkonvention über den gesellschaftlichen Wert des kulturellen Erbes (Faro, Portugal 2005)
so treffend formuliert wurde - zu jenen Ressourcen, aus denen sich Dialog, demokratische Auseinandersetzung und kulturelle Toleranz zwischen den Kulturen entwickeln können. Die EHD müssen daher ein lebendiger Faktor im kulturellen Leben bleiben, sich aktuellen Entwicklungen anpassen, neue Zielgruppen erschließen. Der spezielle Charakter dieser Gratisveranstaltungen, die eine große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten bieten und oft in festlich gestimmtem Ambiente stattfinden, hat das Potential, aus passiven BesucherInnen aktive Mitwirkende zu machen. Indem sich die TeilnehmerInnen mit dem eigenen, regionalen kulturellen Erbe ebenso identifizieren wie mit dem gemeinsamen europäischen, können sie sich in AkteurInnen verwandeln, die das Gefühl entdecken, einer „Erbengemeinschaft“ anzugehören, und daraus die Verpflichtung ableiten, zur Erhaltung und Förderung dieses kulturellen Erbes beizutragen. Auf diese Weise stellt der EHD ein wertvolles Instrument dar, um nachhaltige, integrative Schutz- und Pflegemechanismen auf allen zuständigen Verwaltungsebenen der Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Gleichzeitig kann er aber auch als Plattform für vielfältige qualitativ hochwertige Kulturveranstaltungen für die unterschiedlichsten Auditorien dienen. Und da Medien in der Regel gerne über den EHD berichten, ergibt sich langfristig ein in die Breite wirkender Multiplikatoreffekt.
Schwerpunkt | Tag des Denkmals Denkmalbestand und Kulturlandschaft sind wesentliche Faktoren für die Attraktivität unseres Landes als Urlaubsziel. Wichtiger aber ist ihre Identität stiftende Funktion für die Österreicherinnen und Österreicher. Der „Tag des Denkmals“ soll die Beziehung zum kulturellen Erbe und das Bewusstsein, dafür gemeinsam verantwortlich zu sein, stärken. Bundeskanzler Werner Faymann
Schau´n Sie sich das an!
Wolfgang H. Salcher
Begeisterung und Andrang, wohin man schaut: In ganz Europa, genauer gesagt in mittlerweile 49 Ländern mit über 800 Millionen Einwohnern, öffnen sich die Tore am Europäischen Tag des Denkmals für die Besucher. Von A wie Albanien bis Z wie Zypern - einmal im Jahr sind im Rahmen der weltweit größten Architekturveranstaltung, den European Heritage Days (EHD), kostenlos versteckte Schätze zu entdecken. Das kulturelle Erbe ist ein Eckpfeiler Europas. Österreich hat sich bereits 1957 im Europäischen Kulturabkommen vertraglich verpflichtet, Ideale und Grundsätze, die unser gemeinsames europäisches Kulturerbe bilden, gemeinsam mit den anderen Vertragsstaaten des Europarates zu wahren und ihre Entwicklung zu fördern. Dazu gehört die Unterstützung europaweiter Kulturveranstaltungen. Eine davon sind die European Heritage Days: Sie machen das kulturelle Erbe erlebbar, von Leuchttürmen und Rasenhäusern in Island über Synagogen in Großbritannien bis zu Karawansereien an der Seidenstraße in Anatolien. Jedes Jahr reisen tausende Interessierte zu Gartenkunstwerken etwa in Irland, England und Frankreich; der Europäische Tag des Denkmals beweist, dass Schönheit keine Grenzen kennt. Für Kinder und Jugendliche gibt es europaweit besonders abgestimmte Programmpunkte, in Österreich einen eigenen Tag des Denkmals für Schulen.
Europaweiter Mega-Event Spitzenreiter sind Frankreichs „Journées européennes du patrimoine“ mit
über 12 Millionen BesucherInnen. Allein in Paris warten über 250 Bauten, die während des Jahres nicht zu besichtigen sind, darunter beeindruckende Gebäude von Le Corbusier oder Oscar Niemeyer, Friedhöfe, Schwimmbäder, oben: Schlangen bei einem der ersten EHD in Gent Empfang im Genter Regierungssitz
Österreichs großes und vielfältiges kulturelles Erbe gehört zu den wichtigsten Ressourcen des Landes. Der Denkmalbestand erinnert an künstlerische, aber auch ökonomische Leistungen vergangener Generationen und demonstriert uns deren Tatkraft und Energie. Im Sinne des Mottos „Kreativität und Innovation“ würde ich mir wünschen, dass wir daraus Kraft und Inspiration gewinnen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Vizekanzler Josef Pröll
Im Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation widmet sich auch der „Tag des Denkmals“ diesem Themenschwerpunkt. Kreativität und Innovation geben die Impulse für unsere kulturelle Entwicklung. Ich wünsche allen BesucherInnen überraschende Begegnungen mit unserer lebendigen Geschichte! Dr. Claudia Schmied Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur
Der „Tag des Denkmals“ erinnert uns daran, wie sinnvoll es ist, in die Pflege unseres kulturellen Erbes zu investieren. Das gilt besonders angesichts der weltweiten Finanzkrise. Zusätzlich zur offensichtlichen touristischen Wertschöpfung, die mit dem österreichischen Denkmalbestand verbunden ist, unterstützt der Denkmalschutz auch Klein- und Mittelbetriebe, schafft Arbeitsplätze und stärkt die Regionen. Dr. Reinhold Mitterlehner Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend
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Schwerpunkt | Tag des Denkmals Tresorräume oder Schleusen-Führungen entlang des Canal Saint-Martin. Beim Élysée-Palast, dem Amtssitz des französischen Staatspräsidenten, nimmt man schon mal fünf Stunden Wartezeit in Kauf, um einen Blick hinter die Palasttore werfen zu können.
Société Générale, Paris Auch in allen österreichischen Bundesländern gibt es Jahr für Jahr beeindruckende, aufregende und frappierende Programmpunkte: Wassertürme, Werften, Mühlen, Schmieden, das Steinhaus von Günther Domenig am Ossiacher See, das Porsche-Museum in Gmünd, Bauten von Roland Rainer, Salinen, Glashäuser – neben bekannteren Attraktionen, die durch Sonderführungen neu erlebt werden können, ist das nur ein kleiner Auszug aus den umfangreichen Programmen, die Geschichte zum Anfassen bieten. Außer-
Foto: Bettina Neubauer
Wien: Belüftungsschacht unter dem Burgtheater
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dem besteht die seltene Gelegenheit zu Baustellenbesuchen, zum Beispiel in der Innsbrucker Hofburg. Hier präsentieren RestauratorInnen ihre Arbeiten und geben Einblicke in künstlerische und handwerkliche Spitzenleistungen. Dieses breite Programm kommt nur Dank des großen Einsatzes vieler mitwirkenden Institutionen, Städte, Gemeinden, Verbände, Vereine, privater Denkmaleigentümer, Partnerorganisationen und Bürgerinitiativen zustande. Durch das große Besucherinteresse wurde das Bundesdenkmalamt – Organisator des Europäischen Tag des Denkmals in Österreich – sogar einmal kurzfristig „lahmgelegt“. Internetserver waren aufgrund der großen Zugriffszahlen überlastet und Telefonsysteme brachen wegen der vielen Anrufe zusammen. Mittlerweile hat man aufgerüstet und ist bestens vorbereitet.
Wirtschaftsfaktor Denkmalschutz Der Tag des Denkmals erinnert auch an den Nutzen des Denkmalschutzes für das Wirtschaftsleben: denkmalpflegerisch fachgerechte Restaurierungen sind nicht nur für die Erhaltung des österreichischen Kulturguts wichtig, sondern schaffen und erhalten auch Arbeitsplätze im Bereich des Baugewerbes. Denkmalpflege unterstützt Klein- und Mittelbetriebe, schafft mehr Arbeitsplätze als jeder Neubau und stärkt die Regionen durch Dezentralisierung auf dem Arbeitsmarkt. Öffentliche Investitionen in Denkmäler sind immer auch Anreiz für private Investitionen. Ein so großer Event wie die European Heritage Days wird europaweit natürlich auch aus Sicht des Stadtmarketings und von der Tourismusbranche unterstützt. Gerne nutzen mittlerweile Gäste den Europäischen Tag des Denkmals für einen Kurztrip nach Wien – umgekehrt lockt das vielfältige Programm, zum Beispiel in Berlin mit über 300 Programmpunkten, natürlich auch ÖsterreicherInnen über die Grenzen.
Nachbarschaftliche Kooperationen Innerhalb der Europaregionen wird die Veranstaltung für interessante Kooperationen genutzt. 2009 wird zum Beispiel die gemeinsame Geschichte Schwedens und Finnlands beleuchtet. Solche grenzüberschreitenden Zusammenarbeiten sind in der Centrope Europa Region Mitte (Bratislava - Brünn - Sopron - Wien - NÖ - Bgld.) mit ihrem gemeinsamen kulturellen Erbe, der Bodenseeregion Schweiz Deutschland - Vorarlberg oder der Region Bayern - Nord-, Ost- und Südtirol besonders sinnvoll. Tschechische Programmpunkte bereichern seit Jahren den Europäischen Tag des Denkmals in Oberösterreich. Viele Gäste aus Italien besuchen die Programmpunkte in Kärnten. Solche grenzüberschreitenden Zusammenarbeiten sind wichtiger Bestandteil der Nachbarschaften im Herzen Europas. 20 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs bringen diese Initiativen auch ehemals getrennte Regionen näher zusammen. Das Organisationsteam des Europäischen Tag des Denkmals im Bundesdenkmalamt bedankt sich bei allen Mitwirkenden und Partnerorganisationen und wünscht Ihnen schöne, bereichernde und unvergessliche Besichtigungen, wo auch immer in Europa: Schau’n Sie sich das an! Wien: Führung im Amalienbad
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Auf den folgenden Seiten werden Schwerpunkte der Arbeit des BDA aus dem letzten Jahr vorgestellt. Alle diese Denkmale werden am Tag des Denkmals, dem 27. Dezember 2009, teilweise mit Sonderführungen der Öffentlichkeit präsentiert.
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Foto: © Stefan Zenzmair
Denkmalpflege Aktuell | K ärnten
Das 1970/71 nach Plänen von Roland Rainer erbaute sogenannte Vorstufengebäude der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt wurde saniert und teilweise rückgebaut – die Tochter des Architekten war an der Planung beteiligt. Ein formal schlichter Bau, in Harmonie mit der umgebenden Landschaft, der durch die besondere Konstruktion des untersten Fensterbandes über den Wiesen zu schweben schien: das Vorstufengebäude ist die Kärntner Umsetzung der Leitsätze der Architektur Roland Rainers von Naturverbundenheit, Beachtung der menschlichen Dimension und ästhetischer Ökonomie. Die hellen, luftigen Innenräume sind in der Materialsprache der 70er Jahre mit sehr viel Sinn fürs Detail sensibel gestaltet; über den begrünten, atriumartigen Innenhof spannt sich eine Schatten spendende Pergola in Form eines Sonnengitters. Durch die großflächigen Verglasungen (Fenster-
Leichtigkeit dominieren das Raumgefühl. Baumängel, wie sie für Gebäude der 70er Jahre typisch sind, machten eine Generalsanierung des Vorstufengebäudes notwendig. Seit 2004 wird sie in mehreren Etappen durchgeführt. Nachdem Architekt Rainer sich zu der vorgesehenen kompletten Überdachung des Innenhofes ablehnend geäußert hatte, wurde auf seinen Vorschlag hin seine Tochter Eva Rubin, auch sie Architektin, in beratender Funktion in die Planungen miteinbezogen. Das ursprüngliche Konzept, das Vorstufengebäude vollständig nach den Originalplänen von Rainer rückzubauen, scheiterte an zu hohen Kosten; der Teilrückbau ist ein gangbarer Kompromiss.
„Kein Klimbim. Keine Späße. Schönheit“ und Türelemente) werden die Arbeitsräume mit dem Außenraum verschmolzen, die Außenhoffläche ist von den Gängen und Funktionsräumen aus stufenlos zugänglich. Innenbereich und Lichthof werden so zu einer Einheit, Transparenz und
Fotos: © Neumüller
Ein Schauraum im Osttrakt wird künftig Studierenden wie auch Architekturtouristen Gelegenheit bieten, sich über Leben und Werk des Architekten, Stadtplaners und Theoretikers Roland Rainer zu informieren.
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Denkmalpflege Aktuell | Oberösterreich
Mörtel aus der Donau Die Rätsel, die die Mühlviertler Burgruinen ihren BetreuerInnen aufgaben, scheinen vor der Lösung zu stehen. Seit dem frühen 18. Jahrhundert ist die Burgruine Prandegg dem Verfall preisgegeben. Die lang gestreckte Gratanlage umfasst 2.435 m2; erhalten sind gewaltige Wehrmauern, Zwinger- und Toranlagen, ein Palas (Wohntrakt) und ein hoher Bergfried. Die gesamte Dachkonstruktion und alle anderen Holzelemente (Decken etc.) sind längst verrottet. Daraus ergeben sich nicht nur statische Probleme, auch der Kalk-
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mörtel ist der Verwitterung preisgegeben, so dass insbesondere die obersten Steine mittlerweile frei liegen. Warum, so fragten sich DenkmalpflegerInnen seit Jahren, ist das Mauerwerk überhaupt noch so gut erhalten? Und warum verwittert der Mörtel, den die freiwilligen Helferinnen und Helfer des privaten „Burgverein Prandegg“ in mühevoller Kleinarbeit händisch in die Mauerfugen stopfen, anscheinend so besonders viel schneller als der hunderte Jahre alte Originalstoff? Durch die Zusammenarbeit zwischen Denkmalschutz und -pflege, Geologie und Chemie konnte jetzt eine erste Antwort auf diese Fragen gefunden werden. War bisher vermutet worden, dass der benötigte Kalk (der im Mühlviertel nicht vorkommt) mühsam aus angrenzenden Regionen „importiert“ worden war, so scheint jetzt klar, dass die Erbauer von Prandegg eine viel genialere Lösung für ihr Problem gefunden hatten: Sie holten ihren Baustoff aus der Donau und brannten Flusskiesel, die nicht nur genügend Dolomit enthielten, sondern auch Silikate und Magnesium. Der entstehende Kalk hat daher hydraulische Eigenschaften, bindet besonders schnell und wird sehr hart. Kalkmörtel wird durch die Witterung über die Jahrhunderte immer härter; aber den vergleichsweise besonders guten Erhaltungszustand der Ruinen des Mühlviertels könnte der Donaukieselkalk erklären.
Foto: © Steirische Eisenbahnfreunde, Christian Oitzl Foto: © Steirische Eisenbahnfreunde, Gottfried Aldrian
Sie ist die letzte Überlebende von 205 Geschwistern. Soviel Stück dieses Typs wurden zwischen 1860 und 1872 nach Konstruktionsplänen des genialen schottischen Ingenieurs John Haswell, Direktor der Wiener „K.k. Landesbefugten Lokomotivfabrik“ gebaut.
Denkmalpflege Aktuell | Steiermark
Im Dienst seit 140 Jahren Die Lok 671 der Graz-Köflacher Bahn ist die älteste in Betrieb stehende Dampflokomotive der Welt.
Von diesen Schlepptenderlokomotiven, die auf allen österreichischen und ungarischen Linien der Südbahn im Einsatz waren, hatten nur vier den zweiten Weltkrieg überdauert. Eine davon wurde verschrottet, eine landete im Eisenbahnmuseum Budapest, eine im Technikmuseum
Berlins. Die 671 steht zwar seit 1970 nicht mehr in regulärem Betrieb, wurde aber in Kooperation zwischen dem Eigentümer, der Graz-Köflacher Bahn (GKB), und dem Verein „Steirische Eisenbahnfreunde“ generalüberholt und ist seit 1978 im Einsatz für Sonderzugsfahrten. Dass man sich an Hand der Lok 671 ein Kapitel Eisenbahngeschichte vergegenwärtigen kann – man muss das alle Sinne tangierende Spektakel der sich in Bewegung versetzenden Lokomotive einmal erlebt haben – verdanken wir vielen freiwilligen Helfern. Sie haben mit ebenso großer Begeisterung wie Mühe tausende Arbeitsstunden in die Überholung, aber auch in die aufwändige laufende Wartung dieser legendären Maschine investiert. Technische Daten: Gewicht: 38 Tonnen Leistung: 386 PS Höchstgeschwindigkeit: 45 kmh Tendervolumen: 7,2 Tonnen Sonderzugfahrten siehe: http://www.stef.at 11 | DH 1/2009
Denkmalpflege Aktuell | Tirol
Fotos: Petra Laubenstein
Steinernes Requiem
Unter hunderten von Putten am roten freskierten Gewölbe liegt im südlichen Raum, in einer aus der Seitenwand gebrochenen Nische, Philippine Welser, ein marmornes Wappen ihres Mannes am Scheitelpunkt des Kreuzgewölbes, ein zweites, buntes an der Wand. Beider Grabmähler sind gleichwertig: exquisite Kunstwerke von marmorner Pracht, mit Liegefiguren und Reliefs von Alexander Colin und Sohn. Aber die beiden Räume sind durch ein raumhohes Gitter getrennt, über den Tod hinausreichen-
Für eine große Liebe: Ferdinand II. von Tirol, Verwalter von Böhmen, leidenschaftlicher Sammler, treibende Kraft der Tiroler Gegenreformation, heiratete eine Bürgerliche. Die Ehe mit Philippine Welser, der Tochter eines reichen Augsburger Kaufmannes, war 19 Jahre lang geheim, zwei Söhne mussten als Findelkinder aufgezogen werden. Auch nach dem Ende der Geheimhaltung durfte Philippine, bekannt für ihre Wohltätigkeit, nicht am offiziellen Hofleben teilnehmen – Ferdinand baute Schloss Ambras für sie aus. In der Silbernen Kapelle der Innsbrucker Hofkirche, einem seltenen Renaissance-Kleinod, sind beide begraben. In der in schwarz und weiß gehaltenen Hauptkapelle liegt Ferdinand, vor dem namengebenden Silberaltar, in einer Nische eine rare Renaissanceorgel, davor eine in ewiger An-
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betung kniende Porträtfigur in voller Rüstung. Allein: Seine zweite Gattin Katharina Gonzaga zog das Kloster, in das sie nach seinem Tod eingetreten war, als Ruhestätte vor.
des Zeichen des Standesunterschiedes. Die Restaurierung der Silbernen Kapelle beruht auf sensationellen Untersuchungsergebnissen: Freigelegt wurde eine gemalte Vorhangsdraperie in einer Rundbogennische, wiederhergestellt wurde die Farbigkeit des – später schwarz übermalten – Gitters: die blaue Fassung mit goldenen Rosetten macht den intendierten Raumeindruck erfahrbar. Auch der Silberaltar gab ein Geheimnis preis: kostbar machen ihn nicht nur die silbernen Reliefs der Madonna und der ihr eigenen Symbole, sondern auch edelste Materialien. Nun sind Ebenholz, Elfenbein und Palisander wieder sichtbar.
Denkmalpflege Aktuell | Niederösterreich
Ein paternalistischer Wohntraum Eine Besteckfabrik – Berndorf – bringt eine Stadt hervor: Aus einem landwirtschaftlich geprägten Dorf wird eine Musterstadt, in der sich die Ideologie des Großbürgertums des späten 19. Jahrhunderts baulich verwirklicht. Die Herrschaftsachse zwischen der Krupp’schen Villa am Brand und der Margarethenkirche existiert nicht mehr – die Villa gibt es, wie auch das Schwimmbad, das im Winter als Eisbahn genutzt werden konnte, auf Grund von Kriegsschäden heute nicht mehr, sie wurde 1957 abgetragen. Aber wie die Angestellten und Arbeiter nach dem Willen der Firmengründer Schöller und Krupp leben sollten, welche Infrastruktur für nötig erachtet wurde, um christliche Sorge um das Wohl der Arbeiter mit Produktivitätssteigerung zu verbinden, dass lässt sich in Berndorf noch heute erfahren.
Die Wohnbauten waren in Hinblick auf sanitäre wie auch sittliche Zielsetzungen geplant: Genügend Licht und Luft mussten die Wohnungen haben, eine klare Funktionalität der Räume sollte zu Ordnung und Sauberkeit anhalten, und zumindest die Angestellten hatten drei Schlafräume zur Verfügung: einen für die Eltern und je einen für die weiblichen und männlichen Kinder. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts waren das höchst komfortable Verhältnisse. Der Stil der Bauten, geprägt durch Arthur von Krupps Studienfreund Architekt Ludwig Baumann, zeigte gängige historistische Formen.
In der Krupp-Stadt war neben einer funktionierenden Infrastruktur mit Versorgungsbetrieben und technischen Einrichtungen auch an geistige Bedürfnisse gedacht: es gab neben Schulen und einer Lesehalle das Franz-Josef-Jubiläumstheater, einen Tanz- und Musiksaal, der auch für Versammlungen genutzt werden konnte, eine Kegelbahn und eine Bierhalle. Berühmt ist die Volksschule: hier ließ Arthur von Krupp zur anschaulichen Vermittlung von Geschichte insgesamt 12 Klassen den verschiedenen kunsthistorischen Stilrichtungen entsprechend ausstatten, es gibt etwa ein ägyptisches, ein dorisches und ein Rokokozimmer. Der bürgerliche Bildungskanon stand in der Krupp-Stadt, als Gabe des Fabriksherren, auch Arbeitern und ihren Familien zur Verfügung. Das ägyptische Zimmer der Volksschule Berndorf
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Denkmalpflege Aktuell | Burgenland
In dem zweigeschossigen Barockbau mit älterer Bausubstanz ist das originale historische Wohnambiente Haydns, der hier ab 1766 12 Jahre lang gelebt hat, noch unmittelbar erfahrbar. In diesem relativ kleinen Bürgerhaus mit dichter Atmosphäre Möglichkeiten zu finden, um auch strengeren Auflagen von Leihgebern wertvoller musealer Exponate, besonders bezüglich der Klimatisierung, nachzukommen, war eine besondere Herausforderung für die Denkmalpflege. Nach Hinzuziehen eines renommierten Klimatechnikers wurde in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt ein System entwickelt, das möglichst geringe Eingriffe in die Bausubstanz und das so bedeutende historische Erscheinungsbild mit sich brachte. Das Prinzip beruhte vor allem auf Klimageräten, die in die Fensterparapete, an die Form und das Prinzip von Radiatoren angelehnt, eingearbeitet wurden. Die Absaugung konnte mittels relativ kleiner Öffnungen über den Dachbodenbereich geführt werden.
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Den bemerkenswerten denkmalpflegerischen Höhepunkt der Gesamtrestaurierung bildet die Wiederherstellung der Raumfassung von Haydns Schlafzimmer: Es handelt sich um eine freihändig gezogene Malerei in Form eines Streifenrapports, eine gemalte Tapete, wie sie auch für andere Räume des Obergeschosses mit jeweils alternierenden Farbakkorden nachzuweisen ist. Heute gilt das „Haydnhaus“ inmitten des denkmalgeschützten Altstadtensembles von Eisenstadt als ein besonders charmantes und beliebtes museales Kleinod. Durch die 1995 geschaffene Verbindung mit dem benachbarten „Frumwaldhaus“ konnte ein „Haydnzentrum“ mit Multimediaräumen, Fachbibliothek, Musikalienarchiv und Ausstellungsräumen etabliert werden.
oben: Haydns gemalte Schlafzimmertapete rechts: Straßenfassade, Innenhof
Fotos: Martina Oberer
Die anspruchsvolle Aufgabe, Museums-High-Tech und Denkmalpflege zu vereinbaren, wurde im Gedenkjahr am HaydnHaus in Eisenstadt gelöst.
Denkmalpflege Aktuell | Salzburg
Der 1656 von Fürsterzbischof Guidobald von Thun und Hohenstein als Mittelpunkt des Salzburger Residenzplatzes beauftragte Residenzbrunnen wurde 1661 fertig gestellt. In einem komplexen Programm beziehungsreicher Anspielungen feiert die barocke Brunnenanlage die Familie des fürstlichen Erzbischofs und die Machtentfaltung seiner Herrschaft. Als entwerfenden Bildhauer vermutet man Tommaso di Garona, als leitender Ingenieur wird Giovanni Antonio Dario genannt. Inspiriert wurde der Brunnen von Gian Lorenzo Berninis Meisterwerken des römischen Brunnenbaus, der Fontana dei Quattro Fiumi und der Fontana del Tritone zu Ehren der päpstlichen Familien der Pamphilij und der Barberini. Seit der letzten Restaurierung vor über fünfzig Jahren lagerten sich Versinterungen und Verschmutzungen auf den Oberflächen ab. Verrostete Klammern und schädliche Umwelteinflüsse zerstörten den Stein, die Bleirohre und das Brunnenbecken verloren mehr Wasser, als sie zurückhielten. Die digitale Vermessung des Brunnens war die Voraussetzung für die profunde Schadensanalyse der Steinrestauratoren. Eine mehrstufige Ausschreibung und die denkmalpflegerische Projektsteuerung sicherten den hohen Qualitätsanspruch bei gleichzeitiger Einhaltung des Zeitund Kostenrahmens. Die Oberflächen wurden im Partikelstrahlverfahren gereinigt, ausgebrochene Steinteile durch das computergesteuerte Nachfräsen passender Vierungen in Stand gesetzt. Die rahmende Flusskieselpflasterung soll das Nachdenken über die denkmalgerechte Gestaltung der verbleibenden Platzfläche positiv begleiten. Die kunsthistorische Bedeutung der prachtvoll restaurierten, barocken Wasserspiele im Herzen von Salzburg wird im übernächsten Band der Reihe „Salzburger Beiträge zur Kunst und Denkmalpflege“ gewürdigt.
Fotos: Stefan Zenzmaier
Barocke Wasserspiele
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Denkmalpflege Aktuell | Archäologie
R ätsel der Bronzezeit Im Bereich der geplanten Weinviertelautobahn erforscht die Abteilung für Bodendenkmale eine frühbronzezeitliche Siedlung und eine mittelalterliche Ortswüstung.
Rettungsgrabungen sind eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits sind sie als planmäßige und wissenschaftlich begleitete Zerstörung von Denkmalen zu sehen: Wenn auch Funde, so weit möglich, gesichert werden, die archäologische Stätte selbst und die Vielzahl von Informationen, die sie birgt, verschwinden: und archäologische Befunde sind eine nicht erneuerbare Ressource. Andererseits bringt jede Grabung reichen Ertrag: Wissenszuwachs über das Leben hunderter Generationen von Menschen von der Urzeit bis in die Gegenwart, der anders nicht zu erzielen wäre. Rettungsgrabungen sind also eine höchst verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe der Archäologie des Bundesdenkmalamtes, die außerdem mit den Bauvorhaben terminlich penibel abgestimmt werden muss. Im Fall der Weinviertelautobahn geben die bronzezeitlichen Bestattungen Rätsel auf: Einige davon sind, wie zu erwarten, außerhalb der eigentlichen Siedlung gelegen, die
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Toten sind in Hockerstellung beerdigt, und ihre Grabbeigaben beschränken sich auf übliche Speise- und Trankgaben. Einige Tote aber sind zusammen in Siedlungsgruben beigesetzt, und außer Keramikgefäßen finden sich dort Stierschädel oder -hörner. Weisen diese Differenzen in der Bestattung auf soziale Unterschiede hin? Wurden die Toten mit Stierhäuten bedeckt, und was bedeutet das? Es wird Aufgabe der wissenschaftlichen Nachbearbeitung der Funde sein, Antworten auf das bronzezeitliche Rätsel zu finden. oben: Deponierung von mehreren Individuen in Grube 640 rechts: Archäologische Untersuchungen im Trassenbereich der A5 Fotos: © AS / Artner
Walterskirchen-Passauerhof: 14 Speichergruben der Frühbronzezeit
Denkmalpflege Aktuell | Vorarlberg
Ein ästhetisches und kulinarisches Erlebnis ist die Mühle in Düns, die nach mehreren Jahren Instandsetzung auch wieder Getreide mahlen könnte – wenn sie dürfte.
Neuer Schwung für altes R ad Die Familie Gehrmann hat seit 1995 an der Mühle gearbeitet und betreibt dort heute einen kleinen Gastbetrieb. In den ehemaligen Mühlräumen wird für bis zu 30 Personen ein wunderbares Ambiente für Feste, Degustationen und andere feierliche Anlässe geboten.
Noch bis 1958 wurde in der Mühle Mehl produziert – heute ist das, aus hygienischen Gründen, nur noch für den Privatgebrauch möglich.
Fotos: Georg Mack
Im Jahr 1619 wird erstmals eine Mühle am Standort zwischen den zwei Bächen unterhalb des Ortskerns von Düns erwähnt. Das Gebäude mit bemalter Fassade ist seit der Zeit um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fast unverändert erhalten geblieben. Es ist die einzige noch bestehende Getreidemühle in der Region. Dass auch das Mahlwerk und die Mahlstube sorgfältig restauriert wurden, ist der Liebe des derzeitigen Eigentümers und seiner Familie zu ihrem Haus zu verdanken.
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Denkmalpflege Aktuell | Wien
Die Brenner-Wohnung: Stauraum schafft Freiraum 39 m2 . So viel Platz räumte die Gemeinde Wien 1924, in einer Zeit größter Wohnungsnot, einer Familie in ihren Neubauten ein. In der Rauchfangkehrergasse im 15. Wiener Gemeindebezirk, seinem ersten verwirklichten Bau, nahm der Architekt Anton Brenner die Herausforderung an und baute Einbaumöbel, die von Reise- und Transportarchitektur (Schiffskabinen, Eisenbahnwaggons) inspiriert waren – darunter die erste Einbauküche Europas.
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Fotos: Bettina Neubauer
Anton Brenner war ein Architekt mit abenteuerlicher Vita. Der Sohn einer Wiener Arbeiterfamilie war im Ersten Weltkrieg als 20jähriger in russische Kriegsgefangenschaft geraten, lernte in Sibirien von Mitgefangenen erste Grundsätze des Bauens, ging, entlassen, in die Mandschurei, erbaute dort unter anderem eine Kirche und kam dann erst nach Wien an die Universität, wo er bei Clemens Holzmeister lernte. Als Meister der Pragmatik, der durchdachten, detailgenauen Lösungen, wollte er durch rationell bis ins Kleinste vorgeplante Abläufe, etwa in der schmalen Küche, Raum gewinnen, weil Wohnwert für ihn in möglichst viel „freiem, zusammenhängendem Bewegungsraum“ bestand, und: „Die Wohnkultur einer Wohnung richtet sich nur nach dem Wohnwert und nicht nach dem Gesamtwohnflächenausmaß oder nach der Anzahl der vorhandenen Räume.“ Darum sollte nicht Benötigtes in den Stauraum der zu Schränken verbauten Zwischenwände (wo es zudem lärmdämmend wirkte); darum stellte Brenner im Wohnzimmer Klapp- und Drehbetten in Stoffkabinen, die den Kindern nachts Sichtschutz und damit eine gewisse Privatheit gewährten, am Morgen aber flach an die Wand geschoben werden konnten.
Die „Schlafkojen“ im Nacht-Modus links: erste „Einbauküche“, 1925 unten: Nachtkästchen zum Niederklappen und Einhaken zu machen. Wenn auch die Nutzräume, Vorraum, Toilette, auch die Küche, tatsächlich winzig sind – die Zimmer wirken so geräumig, dass man die Flächenangaben kaum glauben kann. Erfahrbar wird so ein hochintelligentes Wohnkonzept, das Lebensqualität durch äußerste Disziplin im Bereich des Unumgänglichen ermöglichte – Krisenwohnbau aus dem Jahr 1925.
Die Wohnung in der Rauchfangkehrergasse, die der Architekt mit seiner Familie selbst nutzte und in der seine Witwe nach seinem frühen Unfallstod weiter lebte, ist originalgetreu, mit allen Einbauten, erhalten. Vor sieben Jahren gelang es dank einer Initiative von BDA und Verein für die Geschichte der Arbeiterbewegung, die Wohnung in liebevoller Kleinarbeit zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich
Besichtigung: Anmeldung erforderlich, im Internet über Verein Zeitraum, http://www.zeitraum.org/de/antonbrennerwohnungsmuseum, oder telefonisch: Tel: +43 / 1 / 892 74 00
NEUERSCHEINUNG: Der Residenzplatz Fenster zu Salzburgs Geschichte Katalog zur Ausstellung im Salzburg Museum 18. September 2009 bis 15. Jänner 2010 152 Seiten, ca. 290 Abbildungen HERAUSGEGEBEN VOM BUNDESDENKMALAMT, Abteilung für Bodendenkmale Fundberichte aus Österreich, Materialhefte, FÖMat A, Sonderheft 10, 2009
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Blickpunkt | Ein ganz normaler Arbeitstag
Ein ganz normaler Arbeitstag Seit Juni 2008 ist Dr. Barbara Neubauer (links im ersten Bild), die vormalige Landeskonservatorin für Wien, Präsidentin des Bundesdenkmalamtes. Ihr Tagespensum deckt die ganze breite Palette der österreichischen Denkmalpflege ab. Jeden Morgen der erste Termin: Einsatzbesprechung mit Frau Schleifer-Kren und Frau Brenner, die den reibungslosen Arbeitsablauf organisieren, im Sekretariat in der Wiener Hofburg.
Fotos: Bettina Neubauer
Nutzungsänderungen bringen Umbauten mit sich. Die Architekturabteilung des Bundesdenkmalamtes hilft unentgeltlich, Kosteneffizienz mit größtmöglicher Schonung der Bausubstanz zu verbinden. DI Hanna Antje Liebich, Leiter Arch. Dr. Johannes Sima und DI Beatrix Hoche-Donaubauer haben auf dem Konferenztisch im Ahnensaal der Hofburg – dem ehemaligen Speisezimmer von Kronprinz Rudolf – Pläne ausgebreitet.
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Eine schlecht behandelte Orgelpfeife hat Orgelbauer Ulrich Aschermann mitgebracht. Der Hörbiger-Orgel in Poysdorf (ja, sie wurde von einem Vorfahren der Schauspielerfamilie geschaffen) soll, mit Hilfe von Mag. Gerd Pichler, Leiter der Abteilung für Klangdenkmale, wieder zum Originalklang verholfen werden.
Blickpunkt | Ein ganz normaler Arbeitstag Die neuen Plakat- und Folderentwürfe für den Tag des Denkmals sind da. Dr. Andreas Lehne, der Leiter der Abteilung für Inventarisation und Denkmalforschung, hat sie vorbeigebracht.
Nach einem Mittagssnack zwischen Tür und Angel geht es zum Auswärtstermin nach Schönbrunn. Eine der ehemaligen Orangerien wurde für den Tiergarten zur ORANG.erie umgebaut: der Landeskonservator von Wien, Univ.Doz. Dr. Friedrich Dahm, erläutert, wie die Wohnbedürfnisse der großen Affen denkmalgerecht befriedigt werden konnten. Inspektionstermin mit der Direktorin der Bundesgärten, Dipl.Ing. Brigitte Mang: die Restaurierung des Sisi-Denkmals im Volksgarten wurde 2008 beendet. Historische Gärten sind, da sie architektonische mit pflanzlichen Elementen verbinden, die einzigen wachsenden Denkmale: regelmässige Nachschau ist Pflicht. Fachgespräch mit Mag. Astrid Huber, Abteilung für Konservierung und Restaurierung: Sie hat aus den Restaurierwerkstätten in der Kartause Mauerbach ein barockes Stuckelement mitgebracht, dessen Materialzusammensetzung überprüft werden muss. Und zum Abschluss: Aktenstudium. Jeder wichtige Bescheid geht über den Tisch der Präsidentin.
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Blickpunkt | Denkmal in Not
Bedroht: Die historischen Glashäuser in Graz
Seit einigen Jahren sind sie ohne Funktion und vom Verfall bedroht, die Tafel „Zutritt verboten!“ verheißt nichts Gutes. Die umliegende Bepflanzung hat erfolgreich Besitz von der desolaten Eisen-Stahl Konstruktion genommen, dennoch ist der Charme der bemerkenswerten Architektur spürbar und die Gewächshäuser bestechen auch heute noch mit überzeugenden Qualitäten: Einzigartig aufgrund des Verlustes aller Parallelbeispiele in Österreich, zur Zeit ihrer Errichtung fortschrittlich und höchst modern als Vorläufer des seriellen Bauens. Dementsprechend hoch ist ihr kultureller und technikgeschichtlicher Wert. Der Abbruch konnte 1997 dank der Intervention des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Graz und einer Bürgerinitiative verhindert werden. Engagiert wurde auf den historischen und ideellen Wert dieses bemerkenswerten Denkmals der Eisen/Stahlarchitektur des späten 19. Jahrhunderts aufmerksam gemacht – ein Engagement, das heute der Verein Denkmal Steiermark übernommen hat. 2008 wurden die Gewächshäuser unter Denkmalschutz gestellt; jetzt hofft man auf die Revitalisierung. Ideen für eine Neunutzung gibt es, allein, es fehlt das Geld. Finanzielle Unterstützung ist dringend erforderlich. Werden die historischen Gewächshäuser gerettet, profitiert die gesamte Anlage des Botanischen Gartens. Zusammen mit den 1989 bis 1995 von Volker Giencke errichteten neuen Gewächshäusern könnten sie ein attraktives Ensemble von Vergangenheit und Gegenwart bilden, das an Architektur und Gärten Interessierte bezaubert.
Spendenkonto: Bundesdenkmalamt, PSK 503 1050 BLZ 60000 Die Spende ist steuerlich absetzbar, wenn der Satz „Spende an das BDA, vorgeschlagen für die Historischen Gewächshäuser Graz“ als Verwendungszweck aufscheint.
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Fotos: © Lydia Stadlober
Inmitten der Gartenanlage des Botanischen Gartens der KarlFranzens-Universität Graz stehen die 1887/1888 durch die k. k. Eisenkonstruktionswerkstätte Ignaz G. Gridl aus Wien errichteten historischen Gewächshäuser.
Interview | Dr. Robert Linke
Tauben, Salz, Fassadenschichten Das Labor des Bundesdenkmalamtes gehört zur Abteilung für Konservierung und Restaurierung und liegt im Arsenal im 3. Wiener Gemeindebezirk. Von der Zusammensetzung bronzezeitlicher Glasperlen bis zur Analyse moderner Installationskunst reichen die Problemfelder, denen sich Dr. Robert Linke, Chemiker, Dr. Farkas Pintér, Geologe, und Hermine König, Laborantin, widmen. DH: Herr Dr. Linke, wie kommt ein Chemiker auf die Idee, sich ausgerechnet beim Bundesdenkmalamt zu bewerben? Linke: Für einen Chemiker ist die Denkmalpflege tatsächlich ein exotischer, ungewöhnlicher Arbeitsbereich. Ich persönlich habe mich aber immer schon für Kunst und Geschichte interessiert. Direkt nach dem Studium nahm ich eine Stelle als Universitätsassistent an der Akademie der Bildenden Künste, am Institut für Wissenschaften und Technologie in der Kunst, an; ja, und damit war der Weg dann schon gebahnt. DH: Wie darf man sich die Arbeit in einem Labor des Denkmalamtes vorstellen? Linke: Wir erstellen etwa 250 Gutachten im Jahr und bearbeiten dafür 1000 bis 1200 Proben. Die Problemstellungen kommen aus dem gesamten Feld der Denkmalpflege: durch den Nachweis von Pigmentveränderungen können wir etwa den KunsthistorikerInnen sagen, wie ein Kunstwerk in der Entstehungszeit ausgesehen hat. So konnten wir bei den Wandmalereien des Gurker Doms nachweisen, dass, was heute grün erscheint, ursprünglich teilweise blau war. Das ist ein wissenschaftlicher Befund, der keine konkreten Folgen haben wird; aber als sich herausstellte, dass die Gitter der Hofburg ursprünglich nicht schwarz, sondern farbig gefasst waren, konnte zumindest an Teilflächen der ursprüngliche Erscheinungszustand wieder hergestellt werden. An den Burggartengittern ist es eine rote Fassung mit goldenen Spitzen, an den Fenster- und Türengittern am Völkerkundemuseum eine grüne. Dann bekommen wir auch
Schichtenpakete, die Fassadenfärbelung der letzten 3 Jahrhunderte enthalten, das sind 30 bis 50 übereinanderliegende Kalktünchungen. Mit Hilfe von Pigmentuntersuchungen können wir die Fassungen zeitlich zuordnen. Die ArchäologInnen bringen uns Glasperlen, die durch die jahrhundertelange Korrosion heute vollkommen farblos erscheinen, damit wir herausfinden, welche Pigmente ursprünglich zum Färben eingesetzt wurden.
oben: Farbschichten auf einem Kriegerdenkmal in Bruckneudorf unten: Bildstock aus dem 15. Jh. in Graz, restauriert 2007/08
Bei Verwitterungen am Stein können wir den Grad der Beschädigung nachweisen, zum Beispiel die für Konservierung oder Restaurierung wichtige Frage klären, wie tief eine Vergipsung reicht. Die Salzanalyse bei Putzen dient dazu, auf die Ursache schließen zu können. Kommen die Salze im Mauerwerk einer Kirche davon, dass am Dachboden knöchelhoch tote Tauben liegen, oder aus dem Boden, zum Beispiel wegen der Kochsalzstreuung im Winter, oder aus dem Mauerziegel selbst. Danach richten sich dann die Maßnahmen, die zu Sanierung ergriffen werden müssen. Und Orgelbauer fragen uns nach der genauen Legierung, wenn fehlende oder beschädigte Pfeifen nachgebaut werden sollen; das beeinflusst angeblich die Tonqualität. DH: Sie entnehmen Kunstwerken und Baudenkmälern Proben? Beschädigen Sie sie damit nicht? Linke: Bei der Untersuchung von Bauwerken ist das Thema Probenentnahme üblicherweise kein Problem – anders bei einer gotischen Wandmalerei oder einem barocken Ölbild. Gerade in den letzten Jahrzehnten sind die Untersuchungsmethoden erheblich verbessert worden. Heute sind wir in der Lage, manche Untersuchungen zerstörungsfrei, das heisst ohne Probenentnahme oder Veränderung am untersuchten Gegenstand durchzuführen, etwa durch Bestrahlung mit Elektronen-, Röntgen- oder Infrarotstrahlung. Die Ausstattung dazu wie ein Rasterelektronenmikroskop oder ein Infrarotmikroskop ist im Labor vorhanden; werden andere Methoden benötigt, dann gibt es Kooperationen mit Universitäten und auch internationale Partnerschaften.
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Blickpunkt | Gourmet im Denkmal
Kulturerlebnis Innsbrucker Nordkettenbahn Gerd Pichler
Die Zusammenschau von Natur und Kunst als ein einziges großes Ganzes sollte für Johann Wolfgang von Goethe zum „wahren Genuß des Schönen“ führen. Wenngleich Goethes Urteil über das Verhältnis von Natur und Kunst in der römischen Campagna formuliert wurde, so ist diese prägende Anschauung der klassischen und der romantischen Kunsttheorie allgemein gültig: Letztlich können alle historischen Kulturlandschaften mit ihren architektonischen Elementen diese Empfindungen hervorrufen.
Innsbruck, Bergstation Hafelekar
Fotos: Werner Jud
links und unten: Mittelstation Seegrube
Eine besondere Façette des Verhältnisses von Natur und Kunst bildet das Bauen im Hochgebirge: Heute wie in der Vergangenheit stellt Architektur im hochalpinen Umfeld höchste Ansprüche an alle Beteiligten. Das gilt sowohl für die Errichtung der Nordkettenbahn in Innsbruck in den Jahren 1927/28 durch Franz Baumann als
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auch für die jüngst fertig gestellte Instandsetzung und Restaurierung. So sehr die Nordkettenbahn schon bei ihrer Vollendung als eine Pionierleistung der alpinen Schwebeseilbahnen in der Erschließung der Alpen gefeiert wurde, so umstritten war zuletzt die Anpassung der Gondelbahn an aktuelle Forderungen der Tou-
rismuswirtschaft. Durch die ebenso sorgsame wie konsequente Einwirkung des Bundesdenkmalamtes (Landeskonservatorat für Tirol) und durch die behutsamen Lösungen der architektonischen Eingriffe von Hanno Schlögl konnten die betrieblichen Adaptierungen in das authentisch überlieferte Erscheinungsbild integriert
Blickpunkt | Gourmet im Denkmal und ein neues Ganzes von hoher Qualität geschaffen werden. Heute präsentieren sich die gastronomisch genutzten Mittelund Bergstationen der Nordkettenbahn – Seegrube (1905 m Seehöhe)und Hafelekar (2256 m Seehöhe) – als geglückte Musterbeispiele für eine sensible Adaptierung und Erweiterung bei Wahrung hochwertiger Denkmalsubstanz, die ein Erlebnis für alle Sinne bietet. Als der 35jährige Franz Baumann als Sieger aus dem Wettbewerb zur Errichtung der Nordkettenbahn hervorging, war das für ihn die erste Möglichkeit, ein selbständiges Bauprojekt zu verwirklichen. Seine Architektur korrespondierte mit den gewaltigen Eindrücken der Bergwelt. Kein geringerer als Clemens Holzmeister veröffentlichte in der damals tonangebenden österreichischen Architekturzeitschrift „Die Bau- und Werkkunst“ eine begeisterte Kritik, in der er euphorisch feststellte, dass der junge Baumann sich mit diesen Bauten „zum Architekten gemacht“ hat. Bis zu seinem Tod 1974 sollten Franz Baumann noch über 1000 Bauvorhaben beschäftigen. Sein Erstlingswerk an der Nordkette
nserat Denkmal Heute.qxp
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zählt bis heute als exemplarisch für Architektur im hochalpinen Umfeld und blieb eine der markantesten Leistungen auf diesem Gebiet. Dass Architektur unter den extremen Bedingungen im Hochgebirge seit über 80 Jahren Sonne, Schnee und Gewittersturm trotzt, ist in sich schon ein besonderer Qualitätsnachweis. Die Tatsache aber, dass sich Baumanns gastronomische Interieurs in ihrer ganzen Vielfalt – vom Kleiderhaken über Lampen und Möblierung bis hin zu den Türen – authentisch erhalten haben, ist ein bewundernswertes Ergebnis von kompromisslosem Qualitätsbewusstsein im Entwurf und von solidester handwerklicher Ausführung. Die wuchtigen Möbel – allein von den Sesseln gibt es über die Stationen verteilt drei verschiedene Entwurfstypen – trotzen der Belastung durch Schischuhe seit Jahrzehnten, selbst wenn oder gerade weil sie Clemens Holzmeister „als zu gewollt kraftmeierisch“ kritisiert hatte. Für den Gast des 21. Jahrhunderts bieten die auf zwei Geschossen in unterschiedlicher Gestaltung ausgestatteten Speisesäle in der Station Seegrube und das halbrun-
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THEMENHEFT
DIE SALZBURGER RESIDENZ 1587–1727
de Gastzimmer am Hafelekar die seltene Gelegenheit, gastronomische Innenarchitektur von 1927/28 in hoher Authentizität zu erleben. Clemens Holzmeister hatte gemeint, dass sich der Geist der Bilder von Albin Egger-Lienz mit seinen oftmals gemalten Tiroler Tischszenen in der Interieurgestaltung von Baumann wiederfinden ließe – eine Assoziation, die die Verbundenheit der alpinen Architektur der frühen Moderne in Tirol mit regionalen, sozusagen heimatlichen und bodenständigen Traditionen und Werten bezeichnet. Auch auf den Besucher der Gegenwart wird der starke Charakter der Architektur in der Bergwelt zwischen hochalpinen Ein- und Ausblicken seine Wirkung nicht verfehlen. Die kulinarischen Freuden der Bergrestaurants fügen Kunst und Natur eine Ergänzung hinzu, die jenes umfassende Kulturerlebnis ermöglicht, von dem heute so viel die Rede ist. Bau- und Kunstdenkmale vom Rang der Baumannschen Bauten und Interieurs geben dafür einen Rahmen, der mit keiner Scheinwelt stilfreudiger Gastronomieausstattungen unserer Tage zu erreichen wäre.
ÖSTERREICHISCHE ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND DENKMALPFLEGE LXIII • 2009 • HEFT 1/2
VISION UND REALITÄT AUS DEM INHALT: Roswitha Juffinger | Die Salzburger Residenz 1587–1727. Vision und Realität Ingonda Hannesschläger | Die Salzburger Residenz und die Denkmalforschung. Die Dokumentation der Residenz in der Österreichischen Kunsttopographie von 1914 durch Hans Tietze und Franz Martin als Ausgangspunkt für einen neuen Forschungsansatz Walter Schlegel | Baumassnahmen des Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau (1587–1612) Norbert M. Grillitsch | Zur Ausstattungsgeschichte der Residenz in Salzburg von 1587 bis 1619 Stephan Bstieler | Die Sala Terrena der Salzburger Residenz und ihre Ausstattung Lisa Roemer | Rom in Salzburg. Ein Beitrag zur Landkartengalerie der Salzburger Residenz Christoph Brandhuber | „Recreatio Principis“. Fürsterzbischof Franz Anton Fürst von Harrach und seine „Retirade“ Christoph Tinzl/Anna Kromas | Buon Governo. Harrach, Rottmayr und ihre „Schöne Galerie“. Hinweise zu Bestand und Restaurierung Imma Walderdorff | Zu den Gemäldegalerien in der Residenz unter Fürsterzbischof Franz Anton Fürst von Harrach (1665–1727, Erzbischof 1709–1727). „Beschreibung der in der Gallerie sich dermalhen befindenten Gemählen“
DIE SALZBURGER RESIDENZ 1587–1727 Vision und Realität
Imma Walderdorff/Roswitha Juffinger | Rekonstruktion der Bilder-Hängung eines Wandabschnitts der „Schönen Galerie“ ERSCHEINT IM OKTOBER 2009
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Blickpunkt | Barockgemälde
Foto: Bettina Neubauer
Der niederösterreichische Arzt und Kunstliebhaber Simon J. Krammer (47) hat sich auf das Sammeln heimischer Barockmalerei spezialisiert und dabei auch Erfahrungen mit Denkmalschutz und Ausfuhrverbot gemacht.
„… weil das Leben mit barocken Gemälden meinen Alltag belebt und bereichert!“ Ulrike Emberger
Einen Bezug zu den Werken österreichischer Barockmaler hatte er schon seit seiner Kindheit. Als Internatsschüler in Stift Melk lernte er die Kunstsammlungen der niederösterreichischen Klöster kennen, die Deckenfresken in den Kirchen, die Ausstattungsbilder der Altäre. Die Kunstwerke machten Eindruck auf den Heranwachsenden, sie prägten seinen Geschmack und sein Kunstverständnis. Als junger Arzt im südlichen Niederösterreich begann Dr. Simon J. Krammer Barockwerke zu sammeln: Entwurfszeichnungen, Skizzen, schließlich auch Ölgemälde. Langsam, aber kontinuierlich entstand so im Lauf der letzten zwölf Jahre eine Barocksammlung, wie sie heutzutage nur selten in Privatbesitz anzutreffen ist. Die Entscheidung für Barockmalerei entsprach seiner persönlichen Vorliebe, aber auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Österreichische Barockgemälde waren damals – vor etwa zwölf Jahren – verhältnismäßig günstig am Kunstmarkt erhältlich.
Simon J. Krammer beschränkt sich aber keinesfalls nur auf den Erwerb „Alter Meister“, er setzt sich in seiner Freizeit intensiv mit kunsthistorischen Fachfragen auseinander, vergleicht wissenschaftliche Publikationen, besucht Ausstellungen im In- und Ausland und sucht die regelmäßige Kommunikation mit ExpertInnen. Inzwischen verfügt er selbst über ein erstaunliches Fachwissen und lässt sich nicht von vorschnellen Urteilen der Fachwelt beirren. Konsequent sucht er nach Quellen und Belegen für die Entstehungsgeschichte seiner Werke oder jener, die er erwerben möchte. Eines seiner schönsten und prominentesten Werke ist das bislang Daniel Gran zugeschriebene Ölgemälde „Die heilige Elisabeth von Portugal“, eine Ölskizze zu
„Damals wie heute sind die Werke stark unterbewertet, wenn man etwa einen Vergleich mit den italienischen Barockmeistern anstellt. Für mich bot sich aber gerade dadurch die Möglichkeit, eine Sammlung aufzubauen, die für mich und meine Familie zum Wohnalltag geworden ist und mein Leben bereichert.“
Daniel Gran: Die Almosenspende der hl. Elisabeth, Altargemälde vom Seitenschiff der Wiener Karlskirche, 1736/1737
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Blickpunkt | Barockgemälde dem im Seitenschiff der Wiener Karlskirche befindlichen Altargemälde von Daniel Gran, die aufgrund ihrer besonderen kunst- und kulturgeschichtlichen Bedeutung 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Als im Zuge der 2008 in St. Pölten veranstalteten Daniel-GranAusstellung das Gemälde neubewertet und aus dem Oeuvre des Künstlers gestrichen wurde, überlegte Simon J. Krammer einen Verkauf des Werks, weil, wie er befürchtete, damit auch der Wert des Gemäldes beeinträchtigt würde. Zugleich ersuchte er um Aufhebung des Denkmalschutzes. Nun ist grundsätzlich zu bemerken, dass Neubewertungen von Kunstwerken keine Seltenheit im kunstgeschichtlichen Alltag darstellen und auch für die Lebendigkeit einer wissenschaftlichen Disziplin sprechen. In manchen Fällen kann aber mit einer geänderten Zuschreibung auch eine wirtschaftliche Entwertung einhergehen, da am internationalen Kunstmarkt oft große Namen mehr zählen als die Qualität und die Eigenständigkeit eines Werks. Die Sorge von Simon J. Krammer war also nicht ganz unberechtigt. Die Ausfuhrabteilung führte in der Folge eine umfangreiche Untersuchung zu Autorschaft und Bedeutung des Gemäldes durch, in die zahlreiche Institutionen und unabhängige BarockexpertInnen eingebunden wurden. Die Stellungnahmen fielen sehr unterschiedlich aus. Folgten manche der lange tradierten Zuschreibung, hielten ande-
re eine spätere, nicht genau zu definierende Autorschaft für wahrscheinlich, wieder andere wollten sich gar nicht festlegen. Die eigenhändige Autorschaft Grans wurde wohl bezweifelt, aber auch nicht ausgeschlossen. Schließlich entschied sich das Bundesdenkmalamt aufgrund der herausragenden künstlerischen und kulturgeschichtlichen Bedeutung, die dem Werk im Konnex mit dem prominenten Altargemälde zukommt, für die Aufrechterhaltung des Denkmalschutzes. Auch wenn hinsichtlich der Entstehungszeit und der Autorschaft differierende Aussagen getätigt wurden, standen und stehen die erstklassige Qualität wie die schöpferische Eigenständigkeit der Ölskizze außer Frage. Sie verleihen dem Gemälde eine einzigartige Wirkung, die bei einfachen Wiederholungen des Altarwerks oft vermisst wird. Simon J. Krammer hat die Ölskizze nicht verkauft. Das inzwischen restaurierte Werk nimmt wieder einen prominenten Platz im Haus des Sammlers ein. Die räumliche Wirkung mit der angedeuteten Architekturkulisse kommt nun noch besser zum Ausdruck, die helle, frische Farbigkeit akzentuiert die Szene in der Bildmitte, in der sich die heilige Elisabeth fürsorglich einem Kind zuneigt. Die künstlerische „Wertigkeit“ ist über jeden fachlichen Diskurs erhaben. Simon J. Krammer ist wieder stolz auf sein Gemälde. Und das zu Recht.
Daniel Gran zugeschrieben: Die Almosenspende der hl. Elisabeth von Portugal, Modello, Gesamtansicht und Detail, © Mag. Peter Kalsner, Wien
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Fotos: Š Egon Wurm
Blickpunkt | Stift Wilten
Stiftskirche Wilten, während der Restaurierung
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Blickpunkt | Stift Wilten
Italianità in Tirol Die Innenrestaurierung der Kirche des ältesten Klosters Tirols, des 1126 gegründeten Prämonstratenserstiftes Wilten in Innsbruck, konnte nach drei Jahren abgeschlossen werden.
E
s ist die zweite große Restaurierung innerhalb von 50 Jahren. Die Stiftskirche war beim großen Bombenangriff auf Innsbruck am 13. Juni 1944 so schwer getroffen worden, dass ihre Sprengung angeordnet wurde. Sie konnte aber nicht zuletzt dank des beherzten Einsatzes mutiger Denkmalpflegerinnen gerettet und in den wirtschaftlich schwierigsten Nachkriegsjahren vorbildlich wieder instand gesetzt werden.
Als nun erneut Arbeiten notwendig wurden, nutzte man
die Gelegenheit zu einer archäologischen Untersuchung. Das Ergebnis: der älteste Vorgängerbau an diesem Ort dürfte aus dem 5. oder 6. Jahrhundert stammen. Er war mit einer Länge von mindestens 22 m der größte frühchristliche Sakralbau auf Nordtiroler Boden.
B
ei der Befundung der Raumhaut wurde eine farbintensive Marmorierung in Stuccolustrotechnik an den Pilastern entdeckt. Sie stammt aus der Zeit zwischen 1702 und 1707, als der Innenraum mit dem Stuck von Bernardo Pasquale und den Decken- und Wandfresken von Caspar Waldmann jene Ausstattung erhielt, die noch heute den Charakter der Kirche wesentlich bestimmt. Die malerisch frei gestaltete Fassung, die hochbarocke italienische Marmorausstattungen imitiert, hielt ungefähr 100 Jahre. Gegen 1800 ist sie dann, nach dem klassizistischen Zeigeschmack, weiß übermalt worden. Die Freilegung und Wiederherstellung der in lebhaften Gelb- und Rottönen gehaltenen Pilasteroberflächen bringt die hochbarocke Pracht der Kirche zu neuer Geltung.
Stiftskirche Wilten, nach der Restaurierung
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Blickpunkt | Die Denkmalfreunde
Die Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde stellt sich vor In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt unterstützen Menschen verschiedenster Berufssparten aktiv Kunst und Kultur in Österreich Die Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde wurde 1987 gegründet. Sie ist ein privater Verein, dessen Ziel die Erforschung und Erhaltung des Denkmalbestandes in Österreich und damit die Bewahrung vieler kultureller Werte ist.
Die finanzielle Basis hierfür wird durch Beitrittsgebühren und Mitgliedsbeiträge, Erträge aus Veranstaltungen sowie Spenden, Sammlungen, Legate und sonstige Zuwendungen geschaffen. Die Gesellschaft arbeitet eng mit dem Bundesdenkmalamt zusammen, führt Ex-
kursionen, Vorträge, Diskussionsabende durch, fördert wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen und hilft rasch und unkonventionell, wo andere Wege nicht zum Erfolg geführt haben.
Albertina, Wien: Der Danubiusbrunnen vor der Albertina in Wien wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und in der Nachkriegszeit sehr reduziert wiederaufgebaut. Die Gesellschaft der Denkmalfreunde unterstützte sofort nach ihrer Gründung die Rückführung der Flussgöttinnen in ihre angestammten Nischen.
Graz, Steiermark: Im Gedenkjahr des „Steirischen Prinzen“ gelang dank der großzügigen finanziellen Unterstützung durch die Gesellschaft die dringend nötige Reparatur des Erzherzog-Johann-BrunnenDenkmals in Graz. Eisenkorrosion und Taubenkot hatten dem Denkmal in den letzten Jahren zugesetzt. Neben der nötigen Arbeit im Steinbereich lag der Schwerpunkt der Restaurierung bei der Sanierung der Metallteile. Dazu musste die rund 1,5 Tonnen schwere Bronzefigur des Erzherzogs abgehoben werden. Der Grazer Hauptplatz wurde dabei für einige Wochen zum spannenden Restaurier-Schauplatz.
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Magdalensberg, Kärnten: Der bedeutende spätgotische Flügelaltar war in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht optimal restauriert worden. Unterstützt von der Gesellschaft der Denkmalfreunde hat die Abteilung Restaurierung und Konservierung des BDA die Übermalungen der letzten Jahrhunderte abgenommen, die Farbschichten konserviert, Fehlstellen vorsichtig ausgebessert und eine ergänzende Farbretusche vorgenommen. Die Arbeiten laufen derzeit noch. Belvedere, Wien: Die Figurengruppen sind wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunstwerks hochbarockes Sommerschloss des Prinzen Eugen. Sie wurden mit Hilfe der Gesellschaft der Denkmalfreunde gereinigt, behutsam ergänzt und mit einer Schutzschicht versehen. Die Figurengruppe Herkules und die Muse Kalliope stammt aus dem 1. Viertel des 18. Jahrhunderts. Die Figur des Herkules fügt sich, als Beschützer unter anderem von Palästen, in das umfangreiche symbolische Programm der Gesamtanlage. Herkules, erkennbar am Fell des Nemëischen Löwen - ein unverwundbares Fabelwesen - und an der Keule als Attribute, steht vor allem für Kraft und Stärke.
Adresse: Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde Haus der Industrie, 1031 Wien, Schwarzenbergplatz 4 Telefon: 711 35-0
Langenlois, Niederösterreich: Das um 1430 geschaffene Glasfenster „Anbetung der Könige“ in der Filialkirche hl. Nikolaus wurde auf technisch sehr hohem Niveau ausgeführt, wie man an dem reich gestalteten Brokatstoff des knienden Königs erkennen kann. Es litt unter stark verminderter Transparenz und einer starken Verbräunung besonders der grünen Gläser. Mit Unterstützung der Gesellschaft der Denkmalfreunde konnte es restauriert werden.
Aufnahme als Ordentliches Mitglied Ich interessiere mich für die Tätigkeit der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde und würde gerne als ordentliches Mitglied aufgenommen werden. Vorname: .......................................................... Zuname: .......................................................... Adresse: .......................................................... TelNr.: .......................................................... Email: ..........................................................
Präsident: Dr. Wolfgang Schallenberg VizepräsidentInnen: Mag. Markus Beyrer Dkfm. Lorenz Fritz HR Dr. Gerbert Frodl Dr. Marianne Frodl Dr. Bernhard Hainz Dr. Willy Hendricks Prof. Herbert Krejci Maria Meinl Dr. Martin Pfundner Dr. Walter Rothensteiner Dr. Heinrich Treichl Wissenschaftliche Referentin: HR Dr. Eva Maria Höhle Schatzmeister: Mag. Ernst Rosi Schriftführerin: Dr. Uta Mayer-Schalburg Rechnungsprüfer: Dkfm. Ernst Glantschnig Dr. Armin Dallmann Beitrittsinformationen Ordentliche Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft der Denkmalfreunde können alle physischen und juristischen Personen werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt derzeit € 40,00 pro Jahr. Sollten Sie Interesse an einem Beitritt haben, bitten wir Sie, den Antrag in Blockbuchstaben auszufüllen und an die Österreichische Gesellschaft der Denkmal| DH 1/2009 freunde, Haus der Industrie,31 1031 Wien, Schwarzenbergplatz 4, zu richten.
Schwerpunkt | Innovation
Innovation – Magie des ersten Males ...und was davon übrig bleibt Andreas Lehne
Innovation und Denkmal scheinen auf den ersten Blick wenig mit einander zu tun zu haben und doch besteht hier ein Zusammenhang. Denn auch das Alte war einmal neu und kann so historischen Fortschritt dokumentieren. Das – selten erhaltene – erste Stück einer Produktkette ist daher entwicklungsgeschichtlich bedeutender als das „Letzte seiner Art“ (die letzte Dampflokomotive, die letzte Windmühle, der letzte Dorfbrunnen), das als solches eher erkannt und emotionelle stärker aufgeladen eher als Erinnerungsdenkmal betrachtet wird.
Die Kaplanturbine.
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Schwerpunkt | Innovation
Die „Draisine“, am Beginn der Entwicklung zum modernen Fahrrad – Patentzeichnung von Forstmeister Baron Drais
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Schwerpunkt | Innovation
I
ch bewege mich auf einem Terrain, auf dem sich noch nie jemand bewegt hat, ich gelange zu Erkenntnissen, die noch keiner vor mir gehabt hat, ich löse das Rätsel, an dem vor mir alle gescheitert sind, ich erfinde das Ding, auf das die Menschheit gewartet hat. Epochale Eingebungen dieser Art sind nach Meinung des berühmten Gelehrten Max Weber nur in einem Zustand der Leidenschaft, in einem „seltsamen Rausch“, möglich und sie vermögen wohl auch ein ungeheures Glücksgefühl auszulösen. Ein erstaunliches Zeugnis solcher Euphorie hat uns der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus hinterlassen: „Ich habe ein Denkmal erichtet, dauerhafter als Erz, höher als die Pyramiden, das Regen und Wind ebenso wenig zerstören können wie die Abfolge unzähliger Jahre. Ich werde nicht gänzlich zu Grunde gehen, ein großer Teil von mir wird für immer weiterleben“ etc, etc. Der Grund für diesen außerordentlichen Stolz: eine literaturwissenschaftliche Arbeit. Zum ersten Mal war es gelungen, ein spezielles altgriechisches Versmaß ins Lateinische zu übertragen. Ein anderes Beispiel überlieferter antiker Endeckerfreude ist das berühmte „Heureka“. Mit diesem Ruf, „ich hab´s gefunden“ soll Archimedes aus der übergegangenen Badewanne gesprungen und nackt durch die Straßen von Syrakus gelaufen sein. Soeben hatte er das Auftriebsprinzip entdeckt.
Tragische Erfinderschicksale: Kühne Innovationen sind häufig bei äußerst beschränkten Mitteln mühsam getüftelte Basteleien einsamer, zum Scheitern verurteilter .
Genies
Die aus Holz gebastelte „Mitterhofer-Schreibmaschine“
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A
ber abgesehen von literarischen Schöpfungen, mathematischen Formeln oder naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die schriftlich von Generation zu Generation überliefert wurden, welcher Art sind diese Gegenstände, die Innovation, dieses „Zum ersten Mal“ verkörpern? Sieht man diesen Errungenschaften das „Ringen“ an, dem sie ihre Existenz verdankten?
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ie frühesten überlieferten Originaldokumente mechanisch-wissenschaftlichen Erfindungsgeistes stammen aus dem Spätmittelalter. In diesen Zeitraum fällt die buchstäblich epochale Erfindung des Buchdruckes, über deren Umstände wir leider nicht allzu viel wissen. Von Johannes Gutenberg und seiner Entwicklung beweglicher Metalllettern ist nur wenig überliefert – abgesehen von den prächtigen Buchprodukten, deren bereits makelloses „Layout“ auf der Jahrhunderte alten Erfahrung mit der Gestaltung von handgeschriebenen Seiten beruht. An Apparaturen sind aus jener
Periode bemerkenswerte riesige Uhrenkonstruktionen überliefert, die mit ungeheurem Aufwand in gotischen Kirchen oder Rathäusern errichtet wurden. Diese frühen Wunderwerke verdanken ihre Existenz meist dem Stolz der Bürgerschaft, die auf diese Weise auch die Leistungsfähigkeit der lokalen Wissenschaftler Astronomen und Ingenieure zur Schau stellen wollten. Aus dem 16 Jh. stammen schließlich die wohl von dem Uhrmacher Peter Henlein entwickelten ersten tragbaren Uhren. Bereits erstaunlich „fertig“ und robust lassen sie auf eine herausragende Goldschmiedetradition schließen, die den Herausforderungen der Feinmechanik gewachsen war. Obwohl diese Uhren erst ganz am Beginn einer langen Entwicklungskette stehen, ist ihre Verwandtschaft mit einer modernen mechanischen Armbanduhr unverkennbar.
Schwerpunkt | Innovation
Foto: © MUW
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at man schon seit der Renaissance an Fürstenhöfen in den sogenannten „Kunst- und Wunderkammern“ aus Kuriosität und Besitzerstolz komplizierte technische Geräte zusammengetragen, so werden im 19. Jahrhundert, einer Epoche rasanter technischer Innovation, die großen Weltausstellungen zu Manifestationen des Fortschritts: Die Industriestaaten wetteifern mit stolzen Präsentationen der neuesten technischen Errungenschaften. Parallel dazu – und oft mit Exponaten der Ausstellungen ausgestattet – entstehen systematische Sammlungen, in denen unter didaktischen Gesichtspunkten Meilensteine des technologischen Fortschritts für die Nachwelt aufbewahrt werden sollten. In vielen dieser Sammlungen finden sich beispielsweise Prototypen der von dem Forstmeister Baron Drais erfundenen Draisine, die am Beginn der
Die „Billroth-Magen“, am 29. 1. 1881 erfolgreich von Billroth operiert - die weltweit erste Resektion: dem Körper der später Verstorbenen entnommen und in Spiritus präpariert
Entwicklung zum modernen Fahrrad steht. Während diese klobigen Holzgestelle kaum etwas von der Eleganz und Leichtigkeit späterer Fahrräder an sich haben, sieht man der Zeichnung der Drais´schen Patenteintragung doch schon an, mit welchen schwungvollen Riesenschritten man sich damals dem modernen Verkehrszeitalter näherte. Im Wiener Technischen Museum sind nicht nur diverse frühe „Draisinen“ zu sehen, sondern auch die zumindest den gelernten ÖsterreicherInnen bekannten Produkte tragischer Erfindungsschicksale. Maderspergers Nähmaschine, der aus Holz gebastelten Schreibmaschine Mitterhofers, dem viel zu schweren Markuswagen und vor allem den wie behäbige Rieseninsekten wirkenden Flugmodellen von Wilhelm Kress merkt man an, dass es sich dabei nicht um die kühnen Innovationen weitblickender Erfinder-Unternehmer handelt, sondern um mit viel Fleiß und Schweiß bei äußerst beschränkten Mitteln mühsam getüftelte Basteleien
einsamer, zum Scheitern verurteilter Genies. Neben diesen Prototypen gibt es in dieser Sammlung natürlich auch erfolgreiche Produkte zu sehen, die nach Bewährung in der Praxis und im Wissen um die Bedeutung der Innovation im Nachhinein Denkmalstatus erhielten. So wurde beispielsweise die erste, ursprünglich in einer Textilfabrik in Velm, NÖ, eingesetzte Kaplanturbine auf einem mit der entsprechenden Inschrift versehenen Sockel wie ein Kunstobjekt präsentiert. Zur selben Kategorie von in der Praxis bewährten, im Nachhinein musealisierten Pionierleistungen gehört beispielsweise auch der Magen von Frau Theresa Heller. Am 29. 1. 1881 erfolgreich von Billroth operiert – es handelt sich um die weltweit erste Resektion – wurde er dem Körper der später Verstorbenen entnommen und in Spiritus präpariert; als Monument der Wiener Schule der Medizin kann er heute in der Sammlung des Wiener Josephinums bewundert werden.
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Schwerpunkt | Innovation
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o kann man aber außerhalb der Welt der Museen historischen Innovationen begegnen ? Die bedeutendsten Beispiele in Österreich sind wohl verkehrstechnische Pionierleistungen des 19. Jhs: Die Pferdeeisenbahn Linz-Budweis, die erste Eisenbahnlinie des Kontinents und die Semmeringstrecke, die ersten Hochgebirgsstrecke der Welt. Während man an der (allerdings mit relativ geringen Mitteln und unter großem zeitlichen Druck vorangetriebenen) Pferdeeisenbahnstrecke mit ihren schmalen Dämmen und den hohen Holzbrücken noch das pionierhaft-improvisierte Herantasten an die Probleme der Trassenführung sieht, staunt man noch heute über die Meisterleistung Carl von Ghegas, der nur ein Vierteljahrhundert später ungleich schwierigere Herausforderungen bewältigte. Um dieses Jahrhundertwerk in seinen wahren Dimensionen zu erfassen, und die historischen Anstrengungen zu würdigen, genügt es nicht, die Strecke zu befahren. Man muss die Trasse einmal zu Fuß begangen haben. Erst aus der Nähe betrachtet nötigen einem die mit primitiven Mitteln aus riesigen Steinen gemauerten Viaduktbauten den entsprechenden Respekt ab. Aus einem längst vergangenen Zeitalter stammend, scheinen sie doch für die Ewigkeit bestimmt. Legendär auch das seinerzeitige Vertrauen in den technischen Fortschritt. Bekanntlich verfügte man bei Festlegung der Trassensteigung noch nicht über Lokomotiven mit der dazu nötigen Leistungskraft, doch war man zuversichtlich, dass nach Fertigstellung der Strecke bereits entsprechende Maschinen herstellbar sein würden.
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Die Semmeringbahn auf der ersten Hochgebirgsstrecke der Welt, Viadukt „Kalte Rinne“
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ährend bei derartigen technischen Bauten die konstruktiven Innovationsleistung des 19. Jhs. auch für den Laien nachvollziehbar ist, sind sie bei den großen Kultur- und Repräsentationsbauten zwar oft ebenfalls vorhanden, meist jedoch verborgen. Der Grund: Im 19. Jh., dem Zeital-
Schwerpunkt | Innovation ter des Historismus, folgte man den Bauformen der Vergangenheit. Bei den einheitlich in Stilformen der Vergangenheit gestalteten Bauten hätten moderne Elemente und Materialien unpassend gewirkt. Wir müssen hinter die Fassaden-Kulissen dieser Bauten blicken, um die dahinter steckende historische Hochtechnologie zu entdecken. So verbergen sich unter den Dächern mancher Monumentalbauten bereits moderne Stahlkonstruktionen, aber auch mancher Keller birgt Überraschungen. Kaum jemand weiß, dass einige der großen Ringstraßenbauten bereits mit hochkomplexen Klimaanlagen ausgestattet waren. Ein Arzt namens Karl Böhm hatte ein System entwickelt, bei dem Luft von außerhalb des Gebäudes angesaugt, in drei Kelleretagen durch Zufuhr von Wärme und Feuchtigkeit auf bereitet und über ein System von Kanälen im Haus verteilt wurde. So gab es etwa im 1869 eröffneten Operngebäude ein Inspektionszimmer, von dem aus die Temperatur in 38 verschiedenen Räumen abgelesen und reguliert werden konnte.
herauskragen. Auch das als gewaltige Hightech-Maschinerie konzipierte Postsparkassengebäude steckte voller technischer Innovationen (beschüttungsfreie Fußbodenkonstruktionen mit Linoleumbelag, Belichtung der Kellerräume durch Luxfer-Prismen, zentrale Vacuum Cleaner Anlagen, hydrauliche Aktenaufzüge etc.). Bei der Gestaltung der steinverkleideten Hauptfassade waren aber doch gewisse für offizielle Bauten gültige Spielregeln einzuhalten. Dazu gehörten auch die unvermeidlichen Attikafiguren. Um auch diese Konzession an die Tradition seinem ultramodernen technoiden Stil entsprechend umzudeuten, ließ Wagner – Thriumph der Innovation – zum ersten mal Plastiken dieser Größe in dem von ihm als neues Baumaterial propagierten Aluminium gießen.
WEB-TIPPS: www.ottowagner.com Baugeschichte der Postsparkasse www.kaplanweg-unterach.at Viktor Kaplan: Ein Leben im Einklang mit der Natur www.tmw.at Technisches Museum Wien www.ideenreich.at Innovatives Österreich www.erfinderverband.at Offizielle Website der österreichischen Innovatoren- Patentinhaberund Erfinderverbandes
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rst in den 1890er Jahren, unter dem Einfluss des Internationalen Jugendstils, wagen die Architekten den Schritt auch bei repräsentativen Bauten, die darin steckenden neuen technischen Konstruktionen zu zeigen. Der große Pionier war hier Otto Wagner. Er versteckt nicht mehr, wie bisher üblich, die als Fensterüberlager dienenden Eisentraversen, sondern legte sie frei, um ganz bewusst das technische Innenleben seiner Bauten zu enthüllen. Ein Paradebeispiel für Wagners Lust, das technische Innenleben zu demonstrieren, ist das Schützenhaus am Donaukanal. Es beherbergte einen Kran, mit dem ein im Flussbett zusammengeklappt liegendes Stauwehr aufgezogen werden konnte. Diesen (heute nicht mehr existierenden) Kran ließ Wagner aber nicht in der Hülle des Schützenhauses verschwinden. zur Demonstration der Funktion ließ er ihn aus dem Bauwerk
Attika-Figur aus Aluminium an der Fassade des Postsparkassengebäudes von Otto Wagner in Wien
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Schwerpunkt | Innovation
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Schwerpunkt | Kreativität
Brauchen wir eine schöpferische Denkmalpflege? Bernd Euler-Rolle
„Kreativität und Innovation“ ist das Motto für den „Tag des Denkmals“ 2009. Das sind zwei Grundbegriffe der Moderne, die zum denkmalpflegerischen Postulat des „Bewahrens“ in Widerspruch zu stehen scheinen und im Lauf der Zeit war das bisweilen auch so. „Schöpferische Denkmalpflege“ mutierte schließlich sogar zu einem Tabu. Kreative Erkenntnis ist aber die Grundbedingung dafür, dass Denkmalpfleger die Denkmale in ihrer Wirkung erfassen, sie durch Restaurierung verständlich machen und der Wahrnehmung erschließen können.
Friedrich von Schmidt (1825-91) war der führende Restaurierungsarchitekt des 19. Jhs. in Österreich. Seine Bestandsaufnahme der Turmfassade der Stiftskirche von Klosterneuburg (Aquarell von 1874) und der Restaurierungsentwurf (aquarellierte Federzeichnung von 1874) zeigen den Abstand zwischen überliefertem Bestand und geplanter Regotisierung nach einer idealisierten Idee vom ursprünglichen Entwurfsgedanken.
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© Stiftsarchiv Klosterneuburg
F. von Schmidt, Klosterneuburg, Bestandsaufnahme 1874
Š Stiftsarchiv Klosterneuburg
Schwerpunkt | Innovation
F. von Schmidt, Klosterneuburg, Restaurierentwurf 1874
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Schwerpunkt | Kreativität Seit der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts haben Zuversicht in die schöpferische Kraft des Menschen und ein unerschütterlicher Fortschrittsglaube der Zukunft den Weg geleuchtet. „Kreativität“ und „Innovation“ als die zentralen Begriffe für Erneuerung scheinen aber vordergründig ganz explizit im Widerspruch zum Bewahrungsauftrag der Denkmalpflege zu stehen, zum Gebot der konservatorischen Erhaltung des kulturellen Erbes aus der Vergangenheit.
hunderts verschrieb sich mit ihren „stilgerechten“ und „stilreinen“ Restaurierungen weitgehend einem Nachschaffen der Geschichte. Mit Hilfe von Purifizierungen und erdachten Ergänzungen konnten zwar Idealbilder aus der Vergangenheit geschaffen werden, aber der ganze Lebensreichtum des geschichtlichen Wachstums wurde zum Verschwinden gebracht. Das hat Friedrich Nietzsche schon 1873 in seiner Schrift „Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben“ kritisch beleuchtet.
Stilrein durch das 19. Jahrhundert
Die Stimmungswerte der Jahrhundertwende
Die Betrachtung der Geschichte der Denkmalpflege zeigt: Kreativität und Restaurierung galten nicht immer als Gegensatzpaar. Zudem trieb und treibt Innovation als Motor auch die Entwicklung der Denkmalpflege immer wieder an und voran. Blicken wir detaillierter zurück: Die Denkmalpflege des 19. Jahr-
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gerieten die erfindungsreichen Nachschöpfungen der Restaurierungsarchitekten des Historismus zunehmend in Widerspruch zu einem neu erwachten Selbstverständnis der Denkmalpflege. Diese wollte nun sowohl den Quellenwert als auch den Stimmungs-
Im Kuppelsaal des Wiener Palais Schwarzenberg wurden an Stelle der kriegszerstörten Fresken von Daniel Gran (1723-25) im Wiederaufbau barockisierende Ornamentgliederungen eingesetzt. Die Einheit sollte geschlossen, aber nicht kopierend nachgeschaffen werden.
Wien, Palais Schwarzenberg, Kuppelsaal, vor Zerstörung
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wert von historisch gewachsenen Zuständen der Baudenkmale erhalten, also jene Aura der Wahrhaftigkeit, die wir heute unter dem Begriff der „Authentizität“ kennen und schätzen. Die Bewegung nannte sich damals selbst „moderne Denkmalpflege“. Georg Dehio war einer ihrer Vordenker, 1905 gab er den bekannten Kampfruf „Konservieren, nicht restaurieren!“ aus. Es wurde aber bald klar, dass diese Parole allein nicht genügte, um die Baudenkmale tatsächlich im Lebenszusammenhang und im Zusammenhang mit ihren Nutzungen und Zweckwidmungen zu behandeln und zu erschließen. Die denkmalpflegerische Theorie der Bewahrung musste um eine Theorie der Erhaltung erweitert werden.
Moderne Zeiten, moderne Ziele Die Vordenker der modernen österreichischen Denkmalpflege des frühen 20.
Schwerpunkt | Kreativität Jahrhunderts waren Alois Riegl und Max Dvořák. Sie erkannten, dass Objekte der Vergangenheit den Wert und den Rang als Denkmale nicht aus sich selbst heraus erhalten, sondern aus der – historisch orientierten – Interessenslage und aus der ästhetischen Empfänglichkeit des zeitgenössischen Betrachters. Denkmale sind also aus ihrer gesellschaftlichen Aktualität heraus begründet. In einem zweiten Schritt hat diese Erkenntnis dazu geführt, dass etwa der österreichische Denkmalpfleger Hans Tietze, ein Schüler Riegls, die Aktualisierung der Denkmale im Geist des zeitgenössischen künstlerischen Empfindens in den Vordergrund stellte. 1921, am „Tag für Denkmalpflege“ in Münster, forderte er, das neue Ziel müsse es sein, „sich mit dem Denkmal auseinanderzusetzen, wie alle schöpferischen Zeiten es getan haben, das Vorhandene als Ausgang und Auslösung eigner selbständigen Leistungen“ benützend. In seiner
Schrift über „Denkmalkult“ (1922) wiederum schwärmt Tietze von den Denkmalen, die „wir aus dem gewaltigen Erbe der Vergangenheit herausreißen und bekränzt in unser Leben führen“, damit „Vergangenheit und Gegenwart unmittelbar im Gefühl zur Einheit“ kommen.
Hans Tietze, „Zur Krise der Kunst und der Kunstgeschichte“, 1921
Restaurierung als freier und nationaler Schöpfungsakt Von da an war es nur mehr ein kleiner Schritt zum Begriff der „schöpferischen Denkmalpflege“. Der Begriff wollte zeigen, dass es über die reine Bewahrung hinaus auch darum gehen sollte, ein Objekt als Ganzes verständlich zu machen und seinen ursprünglichen Sinn in einem rundum zurechtgerichteten historischen Bild zu erschließen. Im selben Atemzug war aber auch schon die Gefahr für die Authentizität der Denkmale benannt. Denn die Erschließung der „Idee, des geistigen Gehalts und der Bedeutung“ der Denkmale als
Das Buch „Lebendige Kunstwissenschaft“ von HansTietze (Wien 1925) enthält in dem Kapitel „Denkmalkult“ den Aufruf, Denkmale nicht nur wegen ihres Alters, sondern wegen ihrer schöpferischen Anstöße für die Gegenwart zu pflegen. Moderne Schaffenskraft sollte angeregt werden.
Wien, Palais Schwarzenberg, Kuppelsaal, Wiederaufbau
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Schwerpunkt | Kreativität
Foto: © ÖNB
Schöngrabern, Pfarrkirche, Rest. 1872,
Die Pfarrkirche von Schöngrabern (NÖ.) wurde 1872 durch eine historisierende Ausmalung mit mittelalterlichen Motiven restauriert. Bei der Restaurierung 1936/37 hatte man eine ganz andere Vorstellung von Ursprünglichkeit: nun waren es die Unberührtheit des Steins und die weißen Putzflächen, wie sie auch die Materialästhetik der Architektur der frühen Moderne kannte.
Schöngrabern, Pfarrkirche, Rest. 1936-37
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Schwerpunkt | Kreativität Grundlage für ihr „Weiterleben“, die Paul Clemen, ein Nestor der deutschen Denkmalpflege, 1933 beschrieb, schloss auch ihre Veränderung und Umgestaltung nach gewissen Vorstellungen ein – eine Position, die bereits der Historismus des 19. Jahrhunderts vertreten hatte. Nur die Geschichtsbilder waren anders: Nationale Ursprünglichkeit, Wesensart und Reichskunst prägten nun die Vorstellungen – eine Kreativität sui generis. In Österreich ist der Umbau von Schloss Kleßheim bei Salzburg als „Gästehaus des Führers“ 1940/41 ein Beispiel dafür.
Gestaltungswille im Wiederaufbau Dennoch: Die „schöpferische Denkmalpflege“ ist kein Produkt des Nationalsozialismus und sie ist mit ihm auch nicht beendet. Der Wiederaufbau der Baudenkmale in der Nachkriegszeit war in hohem Maß eine gestaltende Denkmalpflege. Denn man nahm die Wiederherstellung gerne zum Anlass, den durch die Epochen überformten Baudenkmalen ein „ursprünglicheres“ Erscheinungsbild zu geben, das zum Zeitpunkt der Kriegszerstörungen längst nicht mehr existiert hatte. Viele Lücken wurden auch durch Anpassungsarchitektur in mehr oder minder traditionellen Formen geschlossen. Die deutsche Denkmalpflege hat diese Epoche daher auch folgerichtig mit der großen Ausstellung „Bewahren und Gestalten“ 1965 dokumentiert und beendet.
malpflege“ war fortan in der Sprache der Denkmalpfleger negativ besetzt. Der ästhetische Faktor in der Restaurierung hatte sich allzu verdächtig gemacht.
Analyse geht vor Kreativität In der Folge differenzierte die Denkmalpflege ihre primäre Verpflichtung zur Erhaltung historisch überlieferter Substanz wissenschaftlich aus. Alle Schichtungen, die einem Denkmal im Lauf der Geschichte zuwachsen, wurden zusehends durch restauratorische Befunduntersuchungen, Bauforschungen und
wissenschaftliche Erhebungen erfasst und zum Gegenstand des Interesses gemacht. Eine „analytische Denkmalpflege“ löste die „schöpferische Denkmalpflege“ ab. Das gesamte Spektrum von Funden und Erkundungen am Denkmal wurde auch im Erscheinungsbild sichtbar vorgeführt. Diese Zelebrierung aller Zeitstufen im Erscheinungsbild hat in der Tat auch schöpferische Konsequenzen, die vieles mit den postmodernen Patchwork-Gestaltungen des ausklingenden 20. Jahrhunderts gemeinsam haben.
Die 1942 errichteten Wachthäuschen an der Auffahrt zum barocken Schloss Kleßheim in Salzburg sollten aus dem sommerlichen Lustschloss Johann Bernhard Fischer von Erlachs ein „Gästehaus des Führers“ nach Art einer imperialen Residenz machen. Eine ideale Vorstellung war maßgebend. Salzburg, Schloss, Kleßheim, Wachthäuschen
Das Pendel schwingt um Den offiziellen Abschluss fand die „schöpferische Denkmalpflege“ in der „Charta von Venedig“. Diese brachte 1964 als Basisdokument der Denkmalpflege den Gegenschlag des Pendels in Schwung, indem sie sich wieder auf die grundlegenden Maximen der Jahrhundertwende besinnen wollte. „Stileinheit ist kein Restaurierungsziel“, heißt es in der Charta. Und weiter: Eine Restaurierung sei grundsätzlich eine „Maßnahme, die Ausnahmecharakter behalten sollte“. Damit erschienen die reine Lehre wieder in ihre Rechte eingesetzt, und die Voraussetzungen für verantwortbares Handeln geschaffen. „Schöpferische Denk-
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Andorf, Pfk., Rest. 1972 Zwei aufeinander folgende Restaurierungen in der Pfarrkirche von Andorf (OÖ) zeigen einen unterschiedlichen Umgang mit einem historisch gewachsenen Raum: 1972 wurde die gotische Architektur des Chorraums vom barocken Hochaltar und Kirchenschiff farblich abgelöst und jede Epoche betont, 2007 wurde die Einheit der barocken Weißfärbelung in den Vordergrund gerückt und schlüssig wiederhergestellt.
Foto: © Kunstverlag Peda
Andorf, Pfk., Rest. 2007 46 | DH 1/2009
Schwerpunkt | Kreativität Ästhetik und Denkmalpflege im 21. Jahrhundert Auch im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts kann eine Restaurierung nach wie vor auf die Zergliederung der historischen Schichten setzen. Sie kann aber auch auf eine historische und ästhetische Einheit zielen – so wie es etwa schon der bayerische Generalkonservator Michael Petzet 1987 ausdrücklich gefordert hat. In jedem Fall besitzt die Denkmalpflege zur Erschließung ihrer Objekte eine wesentliche ästhetische Dimension. Das Schöpferische wird der Denkmalpflege also immer bleiben, denn es sind die Augen des Betrachters, welche die Blickrichtung auf die Werke der Vergangenheit bestimmen
und ihre Aufnahme in der Gegenwart lenken. Mehr noch: Das Schöpferische wird bei der Formulierung von Restaurierzielen zwangsläufig immer aktiv, weil diese Ziele und ihre Resultate anschaulich und bewusst gemacht werden müssen – schließlich zeigt sich die historische Bedeutung eines Denkmals eben nur in der Wahrnehmung seiner Betrachter. An Stelle von dogmatischen Regeln muss also heute die Bemühung um eine Balance der Denkmalwerte und ihre ästhetische Überprüfung auf Anschaulichkeit stehen. Der italienische Theoretiker Cesare Brandi hat dies schon 1963 die „historische und ästhetische Instanz“ einer Restaurierung genannt. Das bedeu-
tet: In der Denkmalpflege der Gegenwart bündeln sich ästhetische und analytische, historische und schöpferische Erkenntnisse. Das ästhetische Ergebnis des denkmalpflegerischen Handelns muss sich dabei freilich immer auf die historisch überlieferte Substanz gründen, wenn das Ergebnis authentisch bleiben soll. Das Schöpferische darf also nicht in Umformungen oder Neuformungen liegen, sondern im Erkennen und Erschließen. Dem entsprechend und gemäß wird Denkmalpflege nicht nur am „Tag des Denkmals“ 2009 als kreativ und innovativ in Erscheinung treten. Das war sie gestern, das ist sie heute, das wird sie auch künftig sein.
Die spätgotischen Wandmalereien in der Michaelskapelle in der Pfarrkirche von Piesendorf (Salzburg) haben nach der Freilegung ein orientierungsloses Bild der fragmentierten Überlieferung abgegeben; erst durch eine bewusste Behandlung der Fehlstellen mit Nachbildung der Bildrahmungen wurde wieder die räumliche Wirksamkeit der gemalten Kapellenausstattung und die ästhetische Nachvollziehbarkeit der Bildfelder geschaffen. Restaurierung 1989-95. Piesendorf, Michaelskapelle
Präsentation aller bauhistorischen Schichten an der Fassade des Steyrerhofs in Wien (Griechengasse 4) vom 13. bis 16. Jht. (Gerhard Seebach). Die Zergliederung illustriert die gesamte historische Dimension eines Baudenkmals; die Wissenschaft vom Denkmal begründet den Wert.
Foto: © Ulrich Ghezzi
Wien, Griechengasse 4, 1991
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Diskussion | Kulturelles Erbe...
Kulturelles Erbe oder unzeitgemässe Energieschleuder? Hanna-Antje Liebich
Kann es einen gemeinsamen Nenner zwischen den scheinbar gegensätzlichen Zielen der authentischen Erhaltung der Denkmallandschaft Österreichs und der Reduktion des Energieverbrauchs geben? Dieser Frage widmet das Bundesdenkmalamt derzeit im Austausch mit zahlreichen wissenschaftlichen und politischen Partnern höchste Aufmerksamkeit.
Nicht dämmbare Fassaden in Weißenkirchen an der Donau Der viel bemühte Widerspruch zwischen Denkmalschutz und Energieeffizienz ist nicht naturgegeben: Das traditionelle Bauen zielte immer auf besonders gute Klimaanpassung und sparsamen Einsatz von Bau- und Heizmaterial ab. Über Jahrhun-
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derte haben sich in den verschiedenen Regionen Bauweisen entwickelt, die optimal auf die jeweiligen klimatischen Verhältnisse und verfügbaren Baustoffe abgestimmt waren. Im 20. Jahrhundert aber veränderten sich Verhalten und Erwartungen der
BewohnerInnen radikal. Der Komfortanspruch an Wohn- und Arbeitsgebäude ist heute unvergleichlich hoch; dadurch stieg der Energiebedarf enorm. Der gesellschaftlichen Verantwortung, diesen Verbrauch und die damit verbundenen Emissionen deutlich zu reduzieren, stellt sich auch der österreichische Denkmalschutz. Konkret bedeutet das, Wege und Lösungen zu finden, denkmalgeschützte Gebäude in einem verträglichen Maß den neuen Ansprüchen anzupassen. Die heute am weitesten entwickelte und damit kostengünstigste Methode ist die nachträgliche Außenwanddämmung, mit der der sogenannte „U-Wert“ der Außenwand, der stationäre Wärmedurchgangskoeffizient, verbessert werden soll. Eine solche Dämmung ist in den seltensten Fällen mit dem Auftrag, das äußere Erscheinungsbild der Denkmale unverändert zu belassen, vereinbar. Sie verletzt jene Oberfläche, die das individuelle „Gesicht“ einer Architektur ausmacht. An ihr lassen sich Bauhandwerk, Zeitgeschichte und die kulturelle Bedeutung des Gebäudes für sich allein wie auch im Bezug zum Stadtgefüge oder Umland ablesen. Ist sie aber wirklich die einzige Methode, um mehr Energieeffizienz zu erzielen? Für die energietechnische Konditionierung eines Gebäudes sind wesentlich mehr Parameter als nur der „U-Wert“ ausschlaggebend. Erstens wurde für den Standardbau das Berechnungsverfahren zum Energiebedarf vereinfacht - es geht von unwandelbar gleichen Bedingungen aus und berücksichtigt zyklische Phänomene nicht. So wird etwa der positive Einfluss der Speicherkapazitäten massiver Bauwerke, die Temperaturschwankungen ausgleichen, ignoriert. Zweitens gehören zum Endenergiebedarf eines Gebäudes neben dem prognostizierten Heizwärmebedarf noch sämtliche Energiemengen, die z.B. für Warmwasser und alle anderen haus-
...oder unzeitgemässe Energieschleuder? technischen Anlagen erforderlich sind. Hierbei spielt besonders die sommerliche Kühlung eine zunehmend große Rolle, welche in Bauten mit traditionellen Bauweisen erfahrungsgemäß oft gar nicht benötigt wird. Und drittens muss abgesehen vom aktuellen Energieverbrauch eines Gebäudes auch noch jene Primärenergie berücksichtigt werden, die für das Baumaterial, dessen Transport und die Errichtung verbraucht wurde. Zur Zeit der Erbauung der meisten unter Schutz stehenden Denkmale waren Ressourcen nicht beliebig verfügbar beziehungsweise vor der Industrialisierung sehr begrenzt, da sie durch menschliche Arbeit gewonnen werden mussten. Baumaterial stammte immer aus Stolz wurde der Originalstuck erhalten
Wärmedämmung, nicht denkmalgerecht
der unmittelbaren Umgebung und wurde äußerst zweckmäßig eingesetzt und sogar mehrfach wieder verwendet. Diese Rohstoffe und Energien sind seit Jahrhunderten in den Baudenkmalen gespeichert; ihre Erhaltung und weitere Nutzung entspricht dem heute wieder häufig deklarierten Grundsatz der Nachhaltigkeit. Erst die Summe all der angesprochenen Größen ergibt den gesamten Energiebedarf von Bauwerken. Dabei bleibt allerdings eine Seite noch immer unbeachtet, die des NutzerInnenverhaltens. Auch dadurch ergeben sich immer wieder Diskrepanzen zwischen dem errechneten Energie-Bedarf laut Energieausweis und dem wirklichen EnergieVerbrauch eines Gebäudes. So vielschichtig wie sich die Bedingungen für die Energiebilanz eines Bauwerkes gestalten, so verschieden sind nun auch die Möglichkeiten zur Verbesserung. Will man den Denkmalen, bei denen es sich oft um komplexe, gewachsene Bauwerke handelt, tatsächlich gerecht werden, müssen sie einer umfassenden Analyse unterzogen werden. Auf dieser Basis ist es möglich, ein sinnvolles Sanierungskonzept zu entwickeln, das nicht nur technische Optionen, sondern auch ein auf die Bausubstanz abgestimmtes Nutzungskonzept umfasst. Der erste Schritt besteht grundsätzlich immer darin, die vorhandene Bausubstanz im Hinblick auf die Energieeffizienz bestmöglich zu nutzen. Das bedeutet, durch Ausschaltung von allen Fehlerquellen das optimale Dämm- und
Speichervermögen der Baumaterialien wiederherzustellen – so leistet etwa eine trockene Wand um ein Vielfaches mehr als eine nasse. Erst nach einer derartigen Optimierung sind zusätzliche bauliche Maßnahmen zu treffen. Diese können ganz unterschiedlicher Natur sein und entweder auf bauphysikalische Parameter von Bauteilen abzielen, wie etwa durch Trocknung, Innendämmung oder Bauteiltemperierung, oder aber haustechnische Neuerungen zum Inhalt haben, wie den Wechsel der Lüftungs-, Heizungs- oder Brennstoffart. Kurz gesagt, ein lang anhaltender, spürbarer Fortschritt resultiert nicht aus der Übernahme einzelner Standardlösungen, sondern aus einem auf das jeweilige Baudenkmal spezifisch abgestimmten Maßnahmenpaket. Das hierfür notwendige Wissen um die bauphysikalischen Grundlagen weist im Bereich der historischen Bauwerke noch beträchtliche Lücken auf. In zahlreichen Studien streben derzeit Denkmalpfleger und Forscher danach, dass Baudenkmal „berechenbar“ zu machen – also Kennwerte und Simulationsverfahren dafür zu entwickeln. Desgleichen gilt es im praktischen Bereich, alternative Sanierungsmethoden zu erforschen, anzuwenden und vor allem zu evaluieren. Nur so wächst der Wissensstand und Erfahrungsschatz kontinuierlich und bewahrt den Denkmalbestand vor irreversiblen Fehlern.
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Diskussion | Die Moderne kommt in die Jahre
Die Moderne kommt in die Jahre Das ehemalige Hoffmann-L a Roche-Gebäude am L andstrasser Gürtel in Wien Inge Podbrecky
Seit den späten 1980er Jahren ist die Architektur der Nachkriegs-Moderne international immer stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Nach einer Phase der Ablehnung der Bauten aus den 1950er und 1960er Jahren – die Postmoderne brandmarkte sie als Produkte eines erschöpften und sinnentleerten ästhetischen Kanons – begann eine Phase verstärkten Interesses, zu dem eine verbesserte Forschungslage ebenso beitrug wie nostalgische Verlustangst. Ein Grund dafür war der Eintritt dieser Bauten in eine Phase der Reparaturbedürftigkeit, die im Baualter ebenso begründet lag wie in Baumängeln, die sich aus der Mangelwirtschaft ihrer Entstehungszeit ergeben hatten, so dass vereinzelt Abbrüche notwenig wurden. Das ehemalige Hoffmann - La Roche - Haus wurde nach Plänen von Georg Lippert ab 1960 errichtet. Wie „mit dem Messer geschnitten“, ein Quader aus reflektierendem blaugrünem Glas und Stahl, liegt es am Gürtel schräg gegenüber vom Südbahnhof. Die Auftraggeberin, eine Schweizer Pharma-Firma, die bereits sehr früh den Wert qualitätvoller Architektur für das Firmenimage erkannt hatte, wünschte ein Gebäude für Verwaltung, Produktion, Laboratorien und Lager. Hell sollte es sein, modern und flexibel. Dafür bot sich ein Stahlbetonbau mit drei mal fünf Säulen und Stahlbeton- Plattendecken an, dessen Erschließung über Mittelgänge erfolgte, so dass die außen angeordneten Räume durch Fenster in gesamter Geschoßhöhe maximal belichtet werden und spektakuläre Ausblicke ins Grüne und auf die Stadt ermöglichen. Die Fassade besteht aus einer zart dimensionierten eloxierten Alumini-
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um-Konstruktion mit ursprünglich insgesamt 534 Elementen mit wärmeabsorbierendem, farbig getöntem Isolierglas und Brüstungen aus Leichtmetallpaneelen. Der obere, größere Bereich jedes Fassadenelements ist das eigentliche Fenster. Von diesen Fenstern kann – geschossweise versetzt – jedes zweite geöffnet werden. Solche Fassaden, die vor die Tragstruktur des Gebäudes gehängt werden und selbst keine tragende Funktion haben, sondern als Folie oder Haut fungieren, die das Gebäudeinnere vom Außenraum abschirmen, nennt man CurtainwallFassaden oder Vorhangfassaden. Der Fassadenraster lässt weder auf das strukturelle Gerüst des Gebäudes noch
auf die Raumwidmungen Schlüsse zu; das Gebäude erscheint als Quader mit gläserner Hülle. Die blaugrün getönten Glasflächen tragen wesentlich zur Erscheinungsform des Baues bei, machen ihn auffallend und repräsentativ. Diese bis heute spektakuläre Fassade ist es, die den Bau zum Denkmal macht: Sie wurde 1962 vollendet und ist da-
mit die früheste erhaltene Curtainwall-Fassade Österreichs – ein technologischer Quantensprung für das österreichische Bauwesen. Auch im internationalen Vergleich liegt diese Fassade relativ früh, denn nach den GlasEisen-Fassaden der 1920er und 1930er Jahre wird die reife Ausbildung der Curtainwall-Technologie in den USA in die frühen 1950er Jahre datiert. Das UN-Headquarter (Le Corbusier, Oscar Niemeyer u.a., 1947-53) und das Lever Building (Skidmore/Owings/Merrill Gordon Burnshaft, 1948-1952), beide in New York, gelten als früheste USamerikanische Beispiele. In Europa war das Pirelli-Hochhaus in Mailand (Gio Ponti u.a., Statik Pier Luigi Nervi, 1959) ein wichtiger Markstein der Curtainwall-Technologie. Die Anwendung der Curtainwall-Fassade am Wiener Hoffmann-La Roche-Haus erfolgte also auch aus weltweiter Sicht zu einem entwicklungsgeschichtlich bemerkenswert frühen Zeitpunkt (ein etwas früher entstandenes Beispiel, das nicht mehr existiert, war Georg Lipperts Bundesländer-Versicherung von 1959 am Donaukanal). Das Gebäude signalisiert den Fortschrittsglauben und den Optimismus seiner Zeit. Nach einer Phase des Wiederauf baus, die mit der Wiederherstellung nach den Kriegszerstörungen und mit der Beseitigung der Wohnungsnot beschäftigt war, folgte nach 1955 eine zweite Phase des Neuauf bruchs, der seine städtebauliche und architektonische Fassung in der Rezeption von Modellen der internationalen Moderne fand. In diesem Kontext ist das Hoffmann-La RocheHaus eine Pionierarbeit der österreichischen Nachkriegsmoderne.
Diskussion | Die Moderne kommt in die Jahre
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Information | Handwerk Denkmalpflege
Von Branntkalk, Trockenlöschen und Schlittenfahren HANDWERK DENKMALPFLEGE Astrid M. Huber
Im Kreuzgarten der Kartause Mauerbach wird Kalkstein aus dem nahe gelegenen Steinbruch Dopplerhütte in einem diskontinuierlichen Schachtofen zu Branntkalk gebrannt. Dieser archaisch anmutende Vorgang – vier Tage und Nächte wird der Kalkofen mit Holz befeuert, um Temperaturen zwischen 800 und 900°C zu halten und Calziumcarbonat zu Calziumoxid umzuwandeln – ist heute wieder ein lebendi-
wissenschaftliche Analysen belegen, dass das traditionelle Herstellungsverfahren im Vergleich zur heutigen industriellen Kalkproduktion die Materialqualitäten im besonderen Maße beeinflusst. Neben den für restauratorische Ergänzungen geeigneten Eigenfarbigkeiten regionaler Kalkvorkommen wird durch die niedrigere Brenntemperatur die spezifische Oberfläche des Kalkes und damit die
Kalkbrand im eigens gemauerten Kalkofen im Kreuzgarten der Kartause Mauerbach ger Bestandteil der Baudenkmalpflege. Das bis zur Verbreitung der ersten hydraulischen Kalke, in unseren Breiten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, wichtigste Baumaterial, Bindemittel für Mauermörtel, Putze und Anstriche, ist auch in der Restaurierung und Reparatur von historischen Architekturoberflächen zentraler Bestandteil. Praktische Erfahrung und natur-
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Bindefähigkeit erhöht – eine Qualität, die besonders bei hochpigmentierten Anstrichen entscheidend sein kann. Neben der ursprünglichen Kalkherstellung widmen sich die Restaurierwerkstätten Baudenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes auch den historischen Anwendungstechniken – wiederentdeckt das Trocken- oder Direktlöschen. Bei dieser Methode
wird Branntkalk mit Sand zu Haufen geschichtet und anschließend gelöscht. Nach etwa einem Tag ist das Material als Mörtel verarbeitungsfähig und weist eine hohe Widerstandfähigkeit gegen Salz- und Feuchtigkeitsbelastung auf. Charakteristisch sind die sogenannten Kalkspatzen, nicht vollständig gelöschte Kalkstückchen, die das Erscheinungsbild historischer Mörtel oft prägen. Das Gesimse aus Kalkmörtel mit Hobeln gezogen werden, ist im Zeitalter von Fertigstyropor-Elementen leider auch nicht mehr selbstverständlich, unverzichtbar jedoch bei der Reparatur bzw. Ergänzung am Baudenkmal. Der aus Holz gefertigte Gesimshobel besteht aus Schlitten und Schablonenbrett, das mit Blech beschlagen und verstellbar ist und so an die einzelnen Putzlagen angepasst werden kann. Der Schlitten fährt auf der Führung, einer Zuglatte, die an der Mauer fixiert wird. Grundsätzlich sollte das Gesimse nach Vormauerung der Auskragung mit Ziegeln in drei Zügen ausgeführt werden. Der Kern wird aus Grobmörtel gezogen, anschließend folgen ein Grobzug (3-4mm Größtkorn) und ein Feinzug dem Bestand entsprechend. Traditionelle Handwerkstechniken und moderne Konservierung und Restaurierung – gewiss kein Widerspruch: die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, insbesondere negative Langzeitauswirkungen von modernen Fertigprodukten, haben gezeigt, dass eine Rückbesinnung auf die historischen Baumaterialien und auf ihre traditionelle Anwendung notwendig sind, um Baudenkmale in ihrer überlieferten Technologie passend zu behandeln und damit nachhaltig zu bewahren.
Information | Handwerk Denkmalpflege Die Industrialisierung des Bauwesens ab den 1960er Jahren in Österreich führte zu einem Verlust handwerklicher Traditionen, was sich insbesondere in der Denkmalpflege und im Umgang mit den historischen Architekturoberflächen negativ auswirkte. Anstelle der über Jahrhunderte gepflegten Tradition der Wartung und Reparatur mit überlieferten Materialien wurden originale Architekturoberflächen abgeschlagen und durch moderne Putzsysteme ersetzt. Ganz abgesehen vom schwerwiegenden Verlust an Authentizität erfüllten die neuen Produkte weder ästhetische noch bauphysikalische Ansprüche. Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass im Zentrum der handwerklichen Ausbildung zunehmend das industrialisierte und normgerechte Bauen gestanden ist. Das Bundesdenkmalamt reagierte bereits Mitte der 1980er Jahre auf diese Entwicklung und gründete in der Kartause Mauerbach die Abteilung für historische Handwerkstechniken als
Gesimshobel Forschungs- und Weiterbildungszentrum. Auch heute widmet sich die Abteilung für Konservierung und Restaurierung, Restaurierwerkstätten Baudenkmalpflege Kartause Mauerbach, der Sensibilisierung und Weiterbildung von Handwerkern in Kooperation mit Restauratoren, Denkmalpflegern und Architekten. Jährlich finden über 20 Veranstaltungen statt, darunter Seminare, Kurse und Tagungen zu verschiedenen Themen der Baudenkmalpflege (traditionelle Maler-, Maurer- und Stein-
metztechniken, Treiben, Ziselieren, Feuerschweißen, Stuckrestaurierung, Umgang mit historischen Fenstern und vieles anderes mehr). An diesen Veranstaltungen nehmen jährlich etwa 400 Handwerker und Restauratoren teil. Neben der Wahrnehmung didaktischer Aufgaben wurden in der Kartause Mauerbach Sammlungen von historischen Werkzeugen und Architekturdetails angelegt, um die traditionellen Handwerkstechniken zu dokumentieren und weiterzugeben. Die diesjährige Sonderausstellung in der Kartause Mauerbach mit dem Titel HANDWERK DENKMALPFLEGE (noch bis 4. Oktober 2009, jeweils Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr) gibt einen Einblick in diese umfangreichen Bestände. Dachsvertreiber, Schmiege, Spazierer, Hundezahn, Sperrhorn, Steinläufer und Wolfsmaulzange sind nur einige der heute vielfach schon unbekannten Werkzeuge, die vorgestellt werden.
Alte Fenster werden vor der Restaurierung im Kreuzgang der Kartause gelagert
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Soeben erschienen!
Dem Denkmalbestand der oberösterreichischen Landeshauptstadt wurde erstmals ein eigener, neu erarbeiteter DEHIO-Band gewidmet.
DEHIO LINZ
ca. 600 Seiten, Format 12 x 18 cm Leinen mit farbigem Schutzumschlag Verlag Berger, Horn € 48,–
Kurzmeldungen | Personelles Dr. Bernd Euler-Rolle übernimmt Leitung der Werkstätten
Dipl. Ing. Eva Hody neue Landeskonservatorin für Vorarlberg
Dipl.Ing. Werner Jud neuer Landeskonservator für Tirol
Profunder Analytiker mit internationalen Verbindungen – der neue Leiter der Abteilung Restaurierwerkstätten, Dr. EulerRolle, bringt breite fachliche Reputation und auf umfassenden Kenntnissen und reicher Erfahrung basierende Seriosität in seine neue Position mit.
Das Engagement von Dipl. Ing. Eva Hody gilt seit ihren beruflichen Anfängen besonders der Architektur des ländlichen Raumes.
Der neue Landeskonservator für Tirol vereint langjährige Erfahrung mit Aufgeschlossenheit für zeitgemäße Lösungen.
Nach dem Architekturstudium mit Schwerpunkt Denkmalpflege widmete sich Dipl.Ing. Hody denkmalpflegerischen Bauprojekten in verschiedenen Bauateliers – u.a. ein Jahr lang der Revitalisierung eines mittelalterlichen Wohnhauses in Graubünden/Schweiz. Die dabei gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse wurden durch ihre Tätigkeit in der Architekturabteilung des Bundesdenkmalamtes (wo sie auch das Montafon bereiste) vertieft und erweitert. In den letzten Jahren betreute sie im Landeskonservatorat für Salzburg unter anderem die Restaurierung des Erbämtersaales der Neuen Residenz (Link) sowie die aufwändige Revitalisierung der „Staudingermühle“, eines Wohnhauses mit Bausubstanz des 15. Jahrhunderts und frühbarocken Wandmalereien. Dipl. Ing. Hody nutzte zahlreiche Möglichkeiten der Weiterbildung im internationalen Kontext, vom Projekt zu Fragen der touristischen Nutzung der Baudenkmale der kroatischen Insel Mljet (vor Ragusa/Dubrovnik) bis zum Kurs für Holzrestaurierung in Oslo. Mit ihrem Anliegen, das Bewusstsein gerade auch für das nicht spektakuläre kulturelle Erbe zu schärfen, steht sie für eine Denkmalpflege, die sich den im Wandel begriffenen Lebenswelten der Menschen verpflichtet weiss.
Dipl.Ing. Jud, vor dem Eintritt ins Bundesdenkmalamt in einem Architekturbüro tätig, zählt zu seinen größten bisherigen Erfolgen die Ergebnisse der langjährigen intensiven Betreuung seines Geburts- und Wohnortes, des Ensembles Hall in Tirol, darunter etwa die Restaurierung und Adaptierung der Burg Hasegg zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum. Das kulturelle Erbe nicht zur Touristenkulisse werden zu lassen, sondern als vitalen Lebensraum zu erhalten: Das entspricht seinem Verständnis von Denkmalpflege, das auch durch seine intensive – berufliche wie private – Reisetätigkeit und die Kooperation mit europäischen Kollegen und Kolleginnen, insbesondere aus den benachbarten Regionen Bayern und Südtirol, geprägt ist. Im Zuge seiner Laufbahn hat Dipl.Ing. Jud sein Wissen immer wieder, u.a. als Lehrbeauftragter der Universität Innsbruck, weitergegeben. Sein reges Interesse an moderner Kunst und Architektur ist ihm bei der Suche nach Lösungen dienlich – für eine Denkmalpflege, die ihre Ziele und Werte breit vermittelt und im Dialog mit den Eigentümern und Eigentümerinnen verwirklicht.
Für seine Aufgabe, bei der theoretische Grundsätze mit materiellen und technologischen Möglichkeiten zur Umsetzung verknüpft werden müssen, ist Dr. Euler-Rolle prädestiniert. In seiner langjährigen Tätigkeit als Stellvertreter des Landeskonservators für Oberösterreich war er für maßgebliche Baustellen im Land verantwortlich, darunter die Innenrestaurierung der Stiftskirchen von Garsten und Mondsee oder des Barockschlosses Aurolzmünster. Die beeindruckende Liste seiner Veröffentlichungen in österreichischen und internationalen Publikationen zeigt, dass er sich immer auch der Mühe der theoretischen Durchdringung seines Gegenstandes unterzogen hat. Dem namhaften Kunsthistoriker ist es Anliegen und Bedürfnis, die Standpunkte, die von der Denkmalpflege im 21. Jahrhundert zu vertreten sind, transparent und nachvollziehbar zu machen. Er kann sich, auch zur Erfüllung der Aufgaben der ihm anvertrauten Sonderagende Qualitätsmanagement, auf reiche Erfahrungen in internationalen Kooperationen stützen – für die Bündelung und Effektivierung der internen Potentiale des Bundesdenkmalamtes wie für fruchtbare Zusammenarbeit mit universitären und sonstigen Forschungseinrichtungen im Dienste des kulturellen Erbes.
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Kurzmeldungen | K artause Mauerbach
Tag der Offenen K artause am 6. Juni 2009 Bei strahlendem Wetter eröffnete Sektionschef Dr. Michael P. Franz vom bm:ukk die Ausstellung über alte Handwerkstechniken in der Kartause Mauerbach - einige davon wurden vor Ort demonstriert.
rief dazu auf, einer Balance zwischen baukulturellem Erbe und zeitgenössischem Bauen und Leben näherzukommen, und würdigte in diesem Zusammenhang die diesbezüglichen Bemühungen des BDA. Die Eröffnung der allsommerlichen Ausstellung in Mauerbach ist eine immer wieder gern genutzte Möglichkeit, die Klosterräume zu durchwandern und das Erlebnis Kartause zu genießen. 2009 taten dies 600 BesucherInnen; es trafen sich: Fachleute (RestauratorInnen, HandwerkerInnen und ArchitektInnen) zum fachlichen Austausch; BesucherInnen zu einem bunten Programm; Kinder zur fachmännischen Ausgestaltung einer Mauer mit bunten Fresken sowie zur Steinmetzarbeit. Besonderes Interesse weckten das Feuerschweißen in der Schmiede, mit anschließendem Verschenken der produzierten Nägel, und die Herstellung von Erdpigmenten durch die Pigmentmühle Enzinger. Lehrlinge der Bauakademie Wien mauerten, verputzten und zogen Gesimse, bis ein abschließendes Feuerwerk den Tag der offenen Kartause würdig beendete.
von links nach rechts: Sektionschef Dr. Franz bei der Eröffnungsrede, Präsidentin Neubauer, Dr. Euler, Mag. Huber Sektionschef Dr. Franz verwies in seiner Eröffnungsrede besonders auf die ökonomischen Effekte des Denkmalschutzes und deren Bedeutung gerade in wirtschaftlich stürmischen Zeiten. Er zitierte
eine Studie aus dem Jahr 2005, aus der hervorgeht, dass jeder Euro, der in den Denkmalschutz investiert wird, rund 10 Euro an zusätzlichen Investitionen im Sektor Bauwirtschaft erzeugt. Dr. Franz
Fotos: Bettina Neubauer
Zahlreiche Besucher beim Tag der offenen Kartause 2009
„In jeder Gesellschaftsordnung ist es offensichtlich einfach wichtig, Orte zu haben, an denen die Geschichte der Entwicklung und die unverwechselbaren Merkmale der jeweiligen Kultur mit allen ihren Veränderungen fassbar werden.“ „Um unser baukulturelles Erbe so zu erhalten, dass es einerseits unser aller tägliche Lebensqualität bereichert und andererseits Menschen aus aller Welt dazu anregt, unser Land zu besuchen, brauchen wir die auch international hoch angesehen Expertise des Bundesdenkmalamtes.“ Sektionschef Dr. Michael P. Franz bei seiner Eröffnungsrede
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Kurzmeldungen | Buchtipps Im Brennpunkt der Geschichte: Landhaus und Promenade in Linz. Fundberichte aus Österreich, Materialheft Reihe A, Sonderheft 8, Wien 2009 Die im Frühjahr 2009 erschienene Publikation des Bundesdenkmalamtes, Abteilung Bodendenkmale, bietet einen gelungenen Überblick über die Ergebnisse der Grabungen der Jahre 20062009 im Bereich des Linzer Landhauses, als im Vorfeld der Errichtung einer Tiefgarage zur allgemeinen Überraschung die Überreste einer spätbarocken Steinbrücke aufgefunden wurden. Diese archäologische Sensation – die Brücke erschloss das Landhaus von Süden über den Stadtgraben – wurde zum Anlass genommen, die Ergebnisse unter verschiedenen Blickwinkeln der Öffentlichkeit vorzustellen. Das reich bebilderte Heft wendet sich einerseits an Leser, deren Interesse den Bereichen Archäologie, Architektur und Denkmalpflege gilt, anderseits stellt es eine komprimierte Zusammenfassung eines interessanten Teiles der Linzer Geschichte dar und bietet dadurch den Oberösterreichern eine gelungene Grundlage zum Kennenlernen ihres Landhauses. Die vorliegende Publikation mit 120 Seiten ist in sechs Abschnitte unterteilt, die sich in einer Reihe von kurzen Aufsätzen unterschiedlichen Aspekten widmen (Archäologie, Restaurierung und Denkmalpflege, Geschichte, Kunstgeschichte, Bauforschung, Numismatik, Zoologie, Anthropologie). Allein die Bandbreite an hochspezialisierten Autoren demonstriert den wissenschaftlichen Anspruch des Bandes, der aber dennoch durch die Konzentration auf die wesentlichen Ergebnisse leicht fassbar bleibt. Im ersten Teil werden die Grabungsergebnisse im Bereich des Landhausparks vorgestellt (Wolfgang Klimesch, Bernhard Prokisch, Emmerich Weinlich, Manfred Schmitzberger). Der interessierte Leser erfährt von Überresten der römischen Zivilbebauung des 2./3. Jahrhunderts und ihrer spätantiken Nachnutzung, wobei an Hand
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der gefundenen Münzen und Tierknochen Einblick in das Leben der Römerzeit gegeben wird. Nach einem kurzen Einschub von Heinz Gruber und Wolfgang Klimesch über die mittelalterliche und neuzeitliche Linzer Stadtbefestigung, die anhand alter Ansichten und der Ausgrabungen auf dem Pfarrplatz 2006 analysiert wird,
widmen sich Gruber/Klimesch, Roland Forster und Silvia Renhart dem zweiten Bereich der archäologischen Grabungen innerhalb des Landhausareals, dem ehemaligen Minoritenkloster und der Landhauskirche. Ein eigener Aufsatz beschäftigt sich mit den während der Grabung aufgefundenen mittelalterlichen Werksteinen aus der Kirche und dem Kloster. Besonders interessant ist auch die Untersuchung der Skelettreste aus dem mittelalterlichen Klosterfriedhof. Dabei gelingt der Nachweis einer ein hohes Alter erreichenden, aber an Hand von Versorgungsengpässen bzw. von Krankheiten gezeichneten Bevölkerung. Der nächste Schwerpunkt ist dem Linzer Landhaus selbst gewidmet, das mit seiner Baugeschichte und seinen erhaltenen renaissancezeitlichen Bau-
details, darunter das architekturgeschichtlich bedeutende Nordportal, vorgestellt wird (Heinz Gruber). Kurze Beiträge beleuchten die Neugestaltung von Büro- und Clubräumen (Romana Ring-Szczurowsky), die Öffentlichkeitsarbeit (Ulrike Kislinger) und die politische Geschichte des Landhauses (Gerhard Steininger). Das Kernstück der Publikation beschäftigt sich mit der Landhausbrücke, die nur für kurze Zeit, von 1769 bis 1800, über den Stadtgraben führte und dann in dem verfüllten und eingeebneten Graben verschwand: Heinz Gruber erzählt die spannende Geschichte der Brücke und ihrer Ausgrabung, Thomas und Helga Bidner berichten von der Schadenskartierung des ehemals verputzten Bruchsteinmauerwerks, das nach der Änderung der klimatischen Bedingungen in Folge der Freilegung gesichert werden musste, und Bernd Euler-Rolle diskutiert nach theoretischen Überlegungen die denkmalpflegerische Entscheidung, die Fehlstellen im Mauerwerk getreu zu ergänzen, die ehemaligen Brüstungen jedoch nicht formal zu rekonstruieren. Aus der Sicht der Architektin reflektiert Beatrix Maria Menschhorn das Problem der Gestaltung einer versunkenen Brücke und deren Einbindung in eine Tiefgarage. In dem abschließenden Block berichten Franz Kneidinger über den Bau der Tiefgarage, Pia Goldmann, Elisabeth Lesche und Christian Henke über die Neugestaltung des Landhausparks sowie Heinz Gruber und Susanne Heilingbrunner über die hier aufgestellten Denkmäler. Mit dieser facetten- und aufschlussreichen Darstellung kommt das Bundesdenkmalamt der Aufgabe nach, herausragende Denkmäler anhand der Ergebnisse umfangreicher Forschungen, theoretischer Überlegungen und planlicher Umsetzungen der Öffentlichkeit vorzustellen. Eine Publikation in dieser fundierten und doch fassbaren Form wäre für zahlreiche weitere Objekte wünschenswert. Günther Buchinger, Doris Schön
Kurzmeldungen | Buchtipps Thronfolger Franz Ferdinand als Denkmalpfleger Die „Kunstakten“ der Militärkanzlei im Österreichischen Staatsarchiv (Kriegsarchiv) Theodor Brückler, Böhlau-Verlag 2009, Preis: Euro 59
Im Mittelpunkt der Publikation steht der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in seiner Bedeutung als Denkmalpf leger und in seiner Funktion als „Protektor“ der Zentralkommission für Denkmalpf lege. Erstmals werden die sogenannten „Kunstakten“ der Militärkanzlei Franz Ferdinand (MKFF) im Österreichischen Staatsarchiv (Kriegsarchiv), ein Bestand von 1874 Akten bzw. Aktenkonvoluta, lückenlos dokumentiert und in
erweiterter Regestenform wiedergegeben. Franz Ferdinand schuf durch die Einrichtung eines „Staatsdenkmalamtes“ und durch die Einsetzung von „Landeskonservatoren“ in einzelnen Kronländern moderne Verwaltungsinstrumentarien und konnte durch seinen persönlichen Einsatz - trotz des Fehlens eines Ausfuhrverbots- und eines Denkmalschutzgesetzes - den Schutz und die Erhaltung von Denkmalen, Orts- und Stadtbildern wie auch die Verhinderung von Abbrüchen oder irreversiblen „Verschandelungen“ historischer Bauten erreichen.
Das Riesentor Archäologie, Bau- und Kunstgeschichte, Naturwissenschaften, Restaurierung Hg: Friedrich Dahm, Wien 2008, Euro 110, ISBN: 978-3-7001-3690-3
Die Restaurierung des Riesentores an der Westfassade des Wiener Stephansdoms bot die einmalige Gelegenheit zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Archäologen, Kunsthistorikern, Denkmalpflegern und Naturwissenschaftern. Die insgesamt 11 Aufsätze zeichnen ein völlig neues Bild von der wohl bedeutendsten romanischen Portalanlage Österreichs: Archäologische Grabungen, unterstützt durch Messdaten aus georadar-technischen Untersuchungen, geben Aufschluss über Vorgängerbauten. Kunsthistorische Analysen der reichen ornamentalen und figürlichen Skulpturen gestatten Einblick in die Gepflogenheiten einer mehrköpfigen hochmittelalterlichen Bildhauerwerkstatt. Darüber hinaus erlaubt eine Strukturanalyse die Rekonstruktion der von einem radikalen Planwechsel geprägten Bautätigkeit. Eine Auswertung der zahlreichen, z. T. bislang nicht berücksichtigten Bild- und Schriftquellen gibt lückenlose Kenntnis von der bewegten Geschichte des Portals, das erstmals schon im frühen 15. Jahrhundert umfassend modernisiert und auch später mehrfach umgestaltet wurde. Schließlich konnten nach Entnah-
me und Analyse unzähliger Proben die über Jahrhunderte wechselnden, reich differenzierten Farbfassungen am Portal nicht nur nachgewiesen, sondern auch eindrucksvoll auf großformatigen Plänen dokumentiert werden. Der Band schließt mit einem detaillierten Bericht über die nach den aktuellen Richtlinien der Denkmalpflege erfolgte Restaurierung und Konservierung des Riesentores. Inhaltsverzeichnis -Marlene Strauß-Zykan, Das Riesentor und der Westbau
von St. Stephan. Stand der Forschung
-Johann Offenberger, Bauarchäologische Untersuchungen im Bereich der Westanlage von St.
Stephan in Wien. Ein Vorbericht
-Karl Großschmidt, U. Randl, Knochendeponie und unbekannter Friedhof unter dem Riesentor des
Stephansdomes zu Wien. Anthropologische Untersuchungen und C-14 Datierungen
-Rudolf Koch, Ergebnisse der bauanalytischen Untersuchung an der Westanlage und am
„Riesentor“ von St. Stephan in Wien
-Friedrich Dahm, Die skulpturale Ausstattung des Riesentores -Friedrich Dahm, Die „historischen“ Restaurierungen des Riesentores von 1420 bis 1944. -Friedrich Dahm, Zwei bedeutende Fundobjekte aus römischer und romanischer Zeit -Andreas Rohatsch, Die Gesteine in der Bausubstanz des Riesentores von St. Stephan.
Gesteinskundliche Charakterisierung und technische Eigenschaften
-Wolfram Köhler, Johannes Weber, Ultraschall und Georadar. Untersuchungen zu Fragen der
Steinverwendung, des Erhaltungszustandes und der Baugeschichte des Portalbereiches
-Manfred Koller, Johann Nimmrichter, Hubert Paschinger, Konservierung und Restaurierung
des Riesentores von St. Stephan
-Wolfgang Zehetner, Die Restaurierung des Riesentores aus der Sicht des Dombaumeisters Weiterführendes: http://verlag.oeaw.ac.at
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Fotos: © Bettina Neubauer
Diskussion | Brückenkopfbauten in Linz
Erregung öffentlichen Ärgernisses Die Unterschutzstellung
der
Claudia Volgger
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Brückenkopfgebäude in Linz
Diskussion | Brückenkopfbauten in Linz
Zunächst wurde die Unterschutzstellung der aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden Brückenkopfgebäude der Nibelungenbrücke in Linz lebhaft skandalisiert. Dann kam es doch noch zur fundierteren öffentlichen Diskussion über den Umgang mit den Relikten der NS-Zeit.
Blick auf Brücke und Brückenkopfbauten von der Donau Es war eine typisch österreichische Empörung, eine Erregung im dritten Anlauf: eigentlich stehen die Brückenkopfbauten, als Eigentum der öffentlichen Hand, schon immer unter Denkmalschutz. Eigentlich war das bisher auch nie ein Problem. Dann aber wurde durch eine Gesetzesänderung die Feststellung erforderlich, dass die Erhaltung der Bauten tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, und im Amtssachverständigengutachten stand unter anderem, dass das Eingreifen Hitlers in die Planung der Brückenköpfe zu ihrer geschichtlichen Bedeutung beiträgt. Anlass für den Linzer Bürgermeister und seinen Planungsstadtrat, sich zur besten Sendezeit in antifaschistische Pose zu werfen: nicht gegen Neonazis oder rechtsradikale PolitikerInnen, sondern gegen das BDA, dessen GutachterInnen sie in die Nähe brauner Gesinnung rückten. Einem Bau historische Bedeutung beizumessen, bedeutet aber keine moralische Wertung. Es ist vielmehr das schlichte Anerkennen der Tatsache seiner Zeugnishaftigkeit für eine bestimmte Epoche. Auch wenn es DenkmalpflegerInnen freuen muss, wenn der Begriff „Denkmal“ mit Edlem, Schönem, Kostbarem konnotiert ist: das Mahnmal, der irritierende oder befremdende Überrest des Vergangenen, das bauliche Monument einer verbrecherischen Epoche erfüllen ebenfalls eine wichtige
Funktion des Erinnerns. Bauten sind erlebbare Geschichte. Wer diese Dimension aus unseren Städten und Landschaften tilgen möchte, und sei es nur zum Teil, steht, bewusst oder unbewusst, auf der Seite des Mythos und der Legenden, gegen einen wissenschaftlich-rationalen Zugang zu Geschichte. Im Zuge der Auseinandersetzung ließ die Stadt Linz via ORF ausrichten, sie werde mit allen Mitteln verhindern, dass die Linzer Brückenköpfe zu einer Pilgerstätte für Neonazis werden. Eine der beliebtesten Pilgerfahrten von Neo- und Altnazis ist die auf den Hohensalzberg, zu den direkt nach Kriegsende geschliffenen Bauten, um dort, auf der grünen Wiese, einander mit leuchtenden Augen an dem Ort, unter dem sie die Reste von Görings Swimmingpool vermuten, zu fotografieren. Die späten Helden, die durch Bilderstürme den toten Hitler besiegen wollen, schaffen keine andere Geschichte, sondern geleerte Räume, Leerstellen, die einladend wirken auf Populisten und Schlimmeres.
Mythos Nazistil Es war die Propaganda des „Dritten Reiches“, die einen genuin nationalsozialistischen Baustil, durch und durch „arisch“ und dem deutschen Nationalcharakter angemessen, behauptete. Tatsächlich hat, wie
der Landeskonservator für Oberösterreich, Univ. Prof. Dr. Wilfried Lipp, in einem Gespräch mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ festhielt, „die NS-Architektur ... nichts Neues erfunden, sondern Traditionen weitergeführt“. Das verstärkt die Schwierigkeit, die komplexen Bauten zu entschlüsseln, führt andererseits aber zu erhöhtem Erkenntnisgewinn in der Auseinandersetzung. Die Brückenköpfe, und die Nibelungenbrücke, die auf sie zu führt, waren das einzige tatsächlich ausgeführte Projekt all der Repräsentationsbauten, die Hitler für die Stadt, die sein Alterssitz werden sollte, planen ließ. Diese Linzer Position als einzige österreichische „Führerstadt“ (die anderen waren München, Nürnberg, Hamburg und Berlin) wurde nach 1945 nicht ausschließlich als Last gesehen, wie Wilfried Posch (1) bemerkt: „Die politischen und geistigen Kräfte der Stadt haben nach 1945 diese Bauwerke rasch als Teil der gesamten Geschichte gesehen, nichts verdrängt und in beispielhafter Weise versucht, die Hinterlassenschaften einer Diktatur für die nachkommenden Generationen eines demokratischen Staatswesens nutzbar zu machen.“ In Bezug auf die Brückenköpfe heißt das: das „Tausendjährige Reich“ hatte Fassaden hinterlassen, mit einer provisorischen Dachdeckung. Der gesamte Innen-
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Diskussion | Brückenkopfbauten in Linz ausbau, von den Stiegenhäusern bis zur Heizung, ist eine Leistung der unmittelbaren Nachkriegszeit, die vom oberösterreichischen Landeshauptmann Gleißner und vom Linzer Bürgermeister Koref mit viel Initiative an den zentralen Stellen vorbei in Angriff genommen und zum Abschluss gebracht wurde. Insofern sind die Bauten auch Denkmale des Wiederaufbaus. Da bei ihrem Baubeginn in der Nazizeit Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden, sind sie überdies in ihrer Repräsentationsfunktion Täter-, gleichzeitig aber auch Opferdenkmale. Heißt dies nun, die Stadt Linz und das Land Oberösterreich haben das Bauprojekt Hitlers einfach übernommen und neu codiert? Auch diese Sicht auf die Bauten ist noch zu einfach. Denn das ursprüngliche Projekt einer Donaubrücke mit monumentalen Brückenköpfen geht nicht auf originäre Wahnvorstellungen des 20. Jahrhunderts zurück,
vielmehr folgten diese im Geist des 19. Jahrhunderts dem städtebaulichen Vorbild Paris, und ebenfalls in diesem Geist wurde das Linzer Projekt in den 1920er Jahren von Curt Kühne, einem sozialen und liberalen Stadtplaner, erstmals konzipiert. Seine Überlegungen dazu zielten nicht primär auf Repräsentation, sondern waren architektonische Begleitung des Ausbaus der Donauschifffahrt in Folge des 1922 begonnenen Baus des Rhein-Main-Donau-Kanals. Diese kurzen Einblicke in die Baugeschichte der auch architektonisch durchaus interessanten Gebäude (denen von F. Achleitner, einer hoffentlich ausreichend unverdächtigen Autorität, eine „geradezu sensible“ Bezugnahme auf die städtebauliche Situation der Verbindung des historischen Hauptplatzes zu Donau und Außenbezirk bescheinigt wird) können die Komplexität der Fragen nach der historischen Bedeutung und
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Foto: © Bettina Neubauer
Fotos: Ulrike Breitwieser
Fassadenaktion von Hito Steyerl für Linz 09
Einstufung der Bauten des Nationalsozialismus nur anreißen – aber hoffentlich zeigen, wie wenig eine simplifizierende Skandalisierung den Aufgaben, die Geschichte stellt, gerecht werden kann.
Glasaufbauten, Speer´sche Beleuchtung, „Unter uns“ Die Linzer Debatte war inzwischen durch eine weitere Facette bereichert. Es zeigte sich, dass die Stadt Linz – zu Recht – den Einspruch des BDA gegen ein geplantes Umbauprojekt des Architekten Adolf Krischanitz befürchtete. So vermischten sich Debatten, die nacheinander zu führen wären: die Dimension eines historischen Bauwerkes sollte idealerweise ausgelotet sein, bevor man seine Umgestaltung zu planen beginnt. Der Widerstand der Bevölkerung gegen die zweigeschoßigen Glasaufbauten des Krischanitz-Projekts verwies aber auch
Diskussion | Brückenkopfbauten in Linz aufeinenweiterenAspektderBrückenköpfe: als Abschluss des Linzer Hauptplatzes zur Donau hin sind sie Teil von Sehgewohnheiten, fügen sich ins Bild der LinzerInnen von ihrer Stadt. Verstört wird dieser gewohnte Blick derzeit von einer Aktion der Berliner Künstlerin Hito Steyerl und der Architektin Gabu Heindl im Rahmen von Linz 09. „Unter uns“ thematisiert fünf Lebensgeschichten, darunter die der jüdischen Familie Samuely, deren Wohnhaus abgerissen wurde, um dem westlichen Brückenkopf Platz zu machen, und deren Mitglieder von den Nationalsozialisten vertrieben und zum Teil ermordet wurden. Die Fluchtwege der Familie, kombiniert mit denen der anderen vier Lebensgeschichten, wurden dem Brückenkopfgebäude Ost in die Haut geschnitten: die herausgefrästen oder abgeschlagenen Fassadenbrocken liegen am Boden der Schaufenster des Gebäudes, in denen Installationen die Geschicke der ausgewählten Menschen erzählen. Diese drastische und sehr materielle Form der Auseinandersetzung mit den Bauten wurde vom Bundesdenkmalamt – als reversible Maßnahme – genehmigt, wie auch schon das NIKE-Projekt, mit dem Linz und die Kunstuniversität, die derzeitige Nutzerin der Gebäude, in den Jahren 1977 bis 1979 Zeichen setzten. Nicht genehmigungspflichtig war die Beleuchtung der Brückenköpfe, von der Donauseite gesehen; in den Worten von Rainer Jessl (2), derzeit mit einem Lehrauftrag für Licht an der Kunstuniversität Linz betraut, übersetzt sie „1:1 den ‚Lichterdom’ von Albert Speer“. Der Umgang mit den unbequemen Zeitzeugen verträgt Gedankenlosigkeit nicht, verlangt aber nach Sensibilität, Wissen, Umsicht, intensiver und auch introspektiver Auseinandersetzung – sie sind ausgesprochen lästig. Dieses Erbe, das fordert und dafür noch nicht einmal durch besondere Schönheit entschädigt, einfach verschwinden zu lassen, ist in der Tat eine Versuchung. Ihr nachzugeben, könnte die Wiederkehr des Verdrängten nach sich ziehen. (1) in seinem Beitrag: Anmerkungen zu Linz 19381945, in: ÖZKD 1/07, Erbe verweigert, Tagungsband
(2) bei einer Podiumsdiskussion vom 8. April 2009 in der Linzer Kunstuniversität
Foto: © Bettina Neubauer
Österreich und NS-Architektur
Fassadenbeleuchtung nach dem „Lichterdom“ von Albert Speer?
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Impressum Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde, ZVR 782038063, Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien Redaktion: Bundesdenkmalamt Redaktionsleitung: Claudia Volgger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Nummer: Günther Buchinger, Bernd Euler-Rolle, Ulrike Emberger, Astrid Huber, Petra Laubenstein, Andreas Lehne, Hanna Antje Liebich, Bettina Neubauer, Martina Oberer, Gerd Pichler, Inge Podbrecky, Michael Rainer, Doris Schön, Wolfgang Salcher Anschrift der Redaktion: Bundesdenkmalamt, Hofburg, Säulenstiege, 1010 Wien Tel: 01 53415 169, Fax: 01 53415 510 Email: kontakt@bda.at Anzeigen: Bernhard Hainz Email: bernhard.hainz@cms-rrh.com Layout: Gregor Hartmann, Wien Produktion: Druckerei Berger, Horn Titelfoto: Stefan Zenzmair Wenn nicht anders vermerkt, liegt das Copyright der Fotos beim Bundesdenkmalamt. Das Copyright von namentlich gezeichneten Artikeln liegt bei den AutorInnen.
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