StiftungsReport 2010/11

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Außerdem: • Stiftungen und Finanzkrise: eine repräsentative Umfrage • Aktualisierte Zahlen, Daten und Fakten zur deutschen Stiftungslandschaft anschaulich aufbereitet Der jährlich erscheinende StiftungsReport ist ein unverzichtbares Werk für Fach- und F­ ührungskräfte im gemeinnützigen Sektor, in Politik und Wirtschaft, für Medien- schaffende und Verbände. Neben aktuellen Zahlen, Daten und Trends im Stiftungs- wesen widmet er sich schwerpunktmäßig gesellschaftspolitischen Herausforderungen und zeigt auf, ­welchen Beitrag Stiftungen zu deren Lösung leisten.

Herausgegeben vom

in Kooperation mit

Das Projekt wurde gefördert von

Originalausgabe

StiftungsVerlag www.stiftungen.org

StiftungsReport 2010/ 11

Heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Städte sind Orte der Vielfalt. Diese Vielfalt auf engem Raum erfordert Toleranz, Austausch, Miteinander. Und sie erzeugt Freiräume. In deutschen Städten spielen Stiftungen eine zunehmend wichtige Rolle. Der aktuelle StiftungsReport stellt die unterschiedlichen Akteure, ihre Visionen und Pläne in den Mittelpunkt. Er fragt, wie sich politischer Wille in den Städten angesichts neuer nichtstaatlicher Akteure bildet. Er zeigt, welche Auswirkungen der demografische Wandel hat. Und er beleuchtet, wie die Transformation von klimaschädlichen zu emissionsarmen Städten gelingen kann.

Stadt trifft Stiftung: Gemeinsam gestalten vor Ort

Die Stiftungslandschaft 2010/11

Wer, wie was: Akteure in der Stadt

Wachstum war gestern: Antworten auf den demografischen Wandel

Grün, energieeffizient, ressourcenschonend: Die Stadt der Zukunft

Report 2010/11 Stadt trifft Stiftung: Gemeinsam gestalten vor Ort

+ Umfrage: Stiftungen und Finanzkrise

in Kooperation mit

ISBN 978-3-941368-07-1





StiftungsReport 2010/11 Stadt trifft Stiftung: Gemeinsam gestalten vor Ort

Herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Stiftungen



Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, der ist kein stiller, sondern ein schlechter B端rger. (Perikles, im Athen des 5. Jahrhunderts vor Christus)


Impressum V.i. S.d. P.: Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen

Herausgeber: Bundesverband Deutscher Stiftungen Mauerstraße 93 | 10117 Berlin Telefon (030) 89 79 47-0 | Fax -10 www.stiftungen.org verlag@stiftungen.org In Kooperation mit: BMW Stiftung Herbert Quandt Reinhardtstraße 58 | 10117 Berlin Telefon (030) 3396-3500 | Fax -3530 Gefördert von: Robert Bosch Stiftung GmbH | Heidehofstraße 31 | 70184 Stuttgart Gerda Henkel Stiftung | Malkastenstraße 15 | 40211 Düsseldorf Autorinnen und Autoren: Antje Bischoff, Jörn Breiholz, Sebastian Bühner, Karolina Merai, Michael Netzhammer ISBN 978-3-941368-07-1 Berlin, April 2010 Gestaltung: Jörg Scholz, Köln (www.traktorimnetz.de) Titelbild: Avenir Suisse Druck: Gebrüder Kopp GmbH & Co. KG, Köln Der Innenteil dieser Publikation wurde gedruckt Ident-Nr. 104443 auf EnviroTop, CO2 -neutral hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Inhalt

Editorial Die Stadt lebt.....................................................................................8 Kapitel 1 Wer, wie, was: Akteure in der Stadt ................................................14 Kapitel 2 Wachstum war gestern: Antworten auf den demografischen Wandel in den St채dten.........................................30 Kapitel 3 Gr체n, energieeffizient, ressourcenschonend: Die Stadt der Zukunft ......................................................................42 Das Interview 30 Gedanken zum Thema Stadt.......................................................62 Kurzportr채ts ..............................................................................70 Kapitel 4 Stiftungen und Finanzkrise: eine repr채sentative Umfrage ............76 Kapitel 5 Engagement in Zahlen ....................................................................94 Serviceteil . ................................................................................ 112 Anmerkungen und Literatur ..........................................................119


Editorial

Die Stadt lebt Seit Menschen in Städten wohnen, entwerfen Architekten und Stadtplaner die „ideale Stadt“. Ihre Visionen beschränken sich nicht auf Architektur, Mobilität und Funktion, sondern schließen immer auch eine Utopie vom Zusammenleben ihrer Bewohner ein. Nicht alle Architekten verbanden damit gleich einen Verhaltenskodex wie der um 1400 lebende florentinische Architekt ­Antonio Averlino, der sich den griechischen Namen Filarete – übersetzt Tugendfreund – gab. Viele Visionen folgten. Nicht selten widersprachen sie sich dia­metral. Ebenezer ­Howards erdachte mit seinen „Garden Cities of ­To-Morrow“ naturnahe Kommunen, Frank Lloyd Wright entwarf hin­ gegen ein Utopia mit Hubschraubern und Autos, und Le Corbusier unterwarf Städte einer rigiden Funktionalität.

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Mehr denn je stoßen visionäre Planer heute auf gewachsene Strukturen. Radikale Städte­planer bauen deshalb – sofern es sie noch gibt – lieber auf der grünen Wiese, um ihre Pläne frei von störenden Strukturen um-

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zusetzen. Lucio Costa und Oskar N ­ iemeyer haben in Brasilia ihre „ideale Stadt“ gebaut. Nun entsteht mit „Masdar-City“ in den ­Arabischen Emiraten eine am Reißbrett ­geplante ökologische Stadt.


Stadtutopien sind immer auch Reaktionen auf die Schwächen und Herausforderungen bestehender Stadtstrukturen. Was wir in deutschen Innenstädten heute als „Bau­ sünden“ verurteilen, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als städteplanerischer Wagemut. Auf den Trend der Stadtbewohner in den 1980er und 1990er Jahren hinaus aufs Land folgt heute die Rückkehr in die Städte – nach Zersiedlung erleben wir heute die Verdichtung der Städte. Vergleicht man also ehemalige ­Stadtutopien mit den daraus entstandenen realen ­Städten kommt man zu einem pessimistischen Schluss: Die Pläne einer idealen Stadt führen mitnichten zur idealen Stadt. Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Vielen Stadtutopien wohnt ein totalitärer Gedanke inne. Die Pläne der idealen Stadt legen gerne einen idealen Menschen zugrunde, der sich doch bitte schön nach den Plänen der Vor­ denker richte.1

Rigidität und Stadt gehen jedoch auf Dauer nicht zusammen. Schließlich sind Städte Sammelbecken – von Kulturen, von Lebensformen, für Menschen aus allen Teilen der Erde. Diese Vielfalt auf engem Raum erfordert Toleranz, Austausch, Miteinander. Und sie erzeugt Freiräume. Wenn alle Menschen verschieden sind, darf der Einzelne ganz Individuum sein. Das ist attraktiv. Kein Wunder also, dass heute bereits mehr als die Hälfte aller Erdbewohner in Städten leben, es 2050 wohl zwei Drittel sein werden.2 Stadtbewohner entdecken, entwickeln Ideen. Das führt zu neuen Produkten, Unternehmen und Märkten. Die Stadt ist „Tausch- und Marktplatz, der Ort, an dem Wirtschaft passiert“3. Und weil das so ist, zieht die Stadt auch aus ökonomischen Gründen Menschen an. Städte sind kreative Zentren, in denen sich Kunst und Wissenschaft, Unternehmertum und Bevölkerung gegenseitig befruchten. Neben dieser positiven, idealtypischen Bedeutung einerseits sehen sich deutsche Städte andererseits Herausforderungen und Gegensätzen gegenüber, die im urbanen

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Editorial


Raum härter als anderswo aufeinanderprallen. Dazu gehören die wachsenden Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen Bildungsbürgern und bildungsfernen Schichten. Die Integration von Migranten ist hier drängender, genauso – und das gilt vornehmlich für die Städte in den Industrieländern – die Überalterung der Gesellschaft. Auch der Klimawandel verlangt vor allem von den Städten eine Antwort, weil sie für 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind.4 Auf all diese Fragen müssen Städte individuelle Antworten finden und „es ist gerade die kreative Szene, die dabei helfen kann“, sagt Hans Fleisch, Generalsekretär des ­Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Für jede Stadt steht dabei viel auf dem Spiel. Städte konkurrieren heute sehr viel stärker untereinander als noch vor einigen Jahrzehnten – um Unternehmen und Univer-

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sitäten, in der Kultur, um die Gutsituierten und Kreativen. „Wer heute kein kinder-, familien- und seniorenfreundliches Klima in den Städten bietet, investiert mit Sicherheit an der Zukunft vorbei. Eine schrumpfende und nicht eine wachsende Stadt wird die soziale Folge sein“, sagt Horst Opaschowski, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen.5 In was aber investieren? In welche Richtung soll sich die Stadt entwickeln? Wo soll sie in 30, in 50 Jahren sein? Mit welchen Instru­ menten soll die Stadt Klimaschutz betreiben, den Zusammenhalt der Bevölkerung fördern? Auf all diese Fragen muss jede Stadt eigene Antworten finden. Die Stadt der Gegenwart braucht also neuartiges Denken und Visionen, mithin einen Plan für die Zukunft. Dieser muss sich an den Realitäten orientieren, darf ihnen jedoch nicht verhaftet bleiben. In jeder Gesellschaft existieren große Widerstände gegen Neues, beharren die Bürgerinnen und


Bürger auf Vertrautem. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum einen verbirgt sich dahinter eine gesunde Skepsis gegenüber allem im Namen des Fortschritts daherkommenden Neuen. Dem Beharrungsvermögen wohnt aber auch etwas Rückwärtsgewandtes und Verklärendes inne, nach dem Motto „früher war alles besser“ oder „das haben wir immer schon so gemacht“. Dieses Festhalten überwindet man selten mit einem theoretischen Plan, wohl aber, indem man die Ängste, Einwände und Skepsis ernst nimmt, sie diskutiert und zu entkräften versucht. Dazu gehört ferner, dass man den Bürgern einer Kommune ­unbequeme Wahrheiten – sollte es sie denn geben – auch zumutet und mit ihnen gemeinsam Möglichkeiten des Handelns sucht. Das braucht auch den Mut zu Paradigmenwechsel. Nur zwei Beispiele:

Reiner Klingholz, Leiter des BerlinInstituts, fordert in einer Studie über schrumpfende Regionen eine Abkehr von der kommunalen Förderung nach dem Gießkannenprinzip. „Im Osten Deutschlands werden sich ganze Gebiete entleeren – egal, ob wir nun weitere Fördermittel hineinpumpen oder nicht. Wir müssen uns damit abfinden, dass es Regionen gibt, in denen wir nur noch eine angemessene Grundversorgung sicherstellen können.“6 Der Stadtverkehr verursacht gleichbleibend hohe Emissionen, größter Emittent ist der private Autoverkehr. Gleichzeitig bereiten den Kommunen die Bereitstellung und Instandhaltung der Verkehrswege – immerhin befinden sich 80 Prozent aller Straßen in Kommunen7 – enorme Kosten. Aus diesem Dilemma helfen nur vollkommen neue Konzepte und ein Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Mobilität. Solche Konzepte funktionieren aber nur, wenn die Bürger die damit verbundenen Verhaltensveränderungen auch mitgehen (können) und wollen. Dafür müssen die unterschied­ lichen Mobilitätsbedürfnisse besser miteinander verknüpft werden. Ex­perimente in diese Richtung betreiben viele Initiativen und Städte.

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Editorial


„Cities for Mobility“ zum Beispiel versteht sich als innovative Plattform, die Unternehmen, Organisationen und Kommunen offensteht. Auf Kooperation setzt auch die Stadt Yokohama mit ihrem „Project Zero“, das eine emissionsfreie Mobilität mit einem CO2 -freiem Stadtzentrum durch ein Bündel von Maßnahmen – von modernen Verkehrsleitkonzepten über Elektroautos und Mehrbenutzer-Systeme – anvisiert und dazu mit Universitäten und Autokonzernen kooperiert. Vor allem aber braucht es Mut, neuartige, kreative Prozesse zu initiieren. Denn der Staat, in diesem Kontext die Stadt, kann Herausforderungen wie Integration, Familienfreundlichkeit, eine humane Pflege, ökologischer Umbau nicht mehr alleine begegnen. 8 „Wir müssen uns von der Ideologie des Etatismus lösen und dafür neue Formen der Kooperation und Partizipation finden, die Bürgergesellschaft konsequent weiterentwickeln“, sagt Hans Fleisch. Insofern ist die begrenzte Macht der Kommunen, ihre finanzielle Lage auch eine Chance. Sie zwingt die Städte dazu, alle Akteure einzubinden. Das macht Stadtpolitik nicht einfacher. Städte, die wie Leipzig das gesamte politische Spektrum an ihren (Zukunfts-)Fragen beteiligen, sind dennoch erfolgreicher als von oben regierte Städte, urteilt die Stadtsoziologin Birgit Glock.9

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Wo Bürger ernst genommen werden, da engagieren sie sich auch für ihre Stadt. Als die norddeutsche Stadt Quickborn ihren Bürgern ihre Geldnot offenbarte, stellten diese ihrer Stadt innerhalb weniger Tage vier Millionen Euro zur Verfügung.10 Das gewachsene Selbstbewusstsein der Bürger zeigt sich an einer kontinuierlich hohen Zahl von Bürgerbegehren. Auch die in

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den vergangenen zehn Jahren gegründeten 170 Bürgerstiftungen sind ein Beleg für die Bereitschaft der Bürger, sich für das Gemeinwesen zu engagieren. Hinzu kommen viele tausend Stiftungen und Vereine. Stiftungen nehmen wie andere zivilgesellschaftliche Akteure dabei verschiedene Rollen ein. Sie sind Geldgeber, Anstifter von Initiativen, „unverbrauchter“ Arrangeur und Katalysator. Ihre Rolle als Moderator wird künftig immer wichtiger sein in der ­Diskussion um die Zukunft der Städte. Was also passiert in unseren Städten? Welche Rolle spielen Stiftungen dabei? Der aktuelle StiftungsReport geht diesen Fragen nach. Er stellt die Stadt, die unterschiedlichen Akteure, ihre Visionen und Pläne in den Mittelpunkt. Um nicht auszuufern, konzentriert sich der StiftungsReport auf drei Handlungsfelder. Er fragt, wie sich politischer Wille angesichts neuer nichtstaatlicher Akteure bilden wird. Er stellt dar, ­welche A ­ uswirkungen der demografische Wandel auf die


Kommunen hat. Und er beleuchtet, wie die Transformation von ­klimaschädlichen zu emissionsarmen S ­ tädten gelingen kann. Gerade in den Städten spielen Stiftungen eine zunehmend wichtige Rolle. Das gilt nicht nur in den klassischen Betätigungsfeldern. Von jeher erhalten Stiftungen Bauwerke und Denkmäler, fördern Kunst und Kultur oder engagieren sich für sozial Benachteiligte. Bei allen wichtigen Themen der Zeit – für Bildung, Integration, Teilhabe – setzen Stiftungen Akzente und fördern damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Darüber hinaus engagieren sich Stiftungen für die konsequente Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft. Es gibt kaum eine deutsche Stadt, in der sich in den vergangenen Jahren keine Bürgerstiftung gegründet hat. Dieser Boom ist Beleg dafür, dass die ­Bürgerinnen und Bürger das politische ­Zusammenleben in den Städten gestalten

wollen. Stiftungen können dabei als glaubwürdige Akteure eine Rolle spielen, sagt Markus Hipp von der BMW-Stiftung: „Wir brauchen neue Formen der Partizipation, bei denen alle kommunalen Akteure ihre spezifischen Kompetenzen einbringen ­können.“ Stiftungen schieben solche Prozesse an. Sie finanzieren Modelle für neue öffentlichprivate Partnerschaften und sie moderieren den Dialog zwischen den unterschiedlichen Akteuren. Die Bürgerstiftung Stuttgart zum Beispiel „initiiert und fördert runde Tische als Sinn stiftende Plattformen der Stadt­entwicklung“.11 Statt einen Einzelnen zu ­begünstigen, fördert sie die Zusammenarbeit. Inzwischen existieren drei Runde Tische in der Schwabenmetropole zu den Themen „Alt werden in Stuttgart“, „Alt & Jung: Voneinander lernen – miteinander tun“ und „Kultur für alle“.

Illustrationen: Avenir Suisse

Je mehr politische Akteure an so einem Runden Tisch Platz nehmen, desto besser. Desto schwieriger kann allerdings die Suche nach Lösungen werden. Schließlich geht es im Miteinander nicht nur um rationale Erwägungen, sondern auch um Macht und menschliche Befindlichkeiten. Hier gilt es, eingefahrene Reflexe und egoistische Partikularinteressen zu überwinden. Diese „menschlichen“ Faktoren zu minimieren, das kann eine Aufgabe für Stiftungen, eine Aufgabe für professionelle Moderatoren sein. Runde Tische können gesellschaftlichen ­Zusammenhalt fördern. Das geschieht jedoch selten strikt nach Plan. Oder, um es mit den Worten des Soziologen Armin ­Nassehi zu sagen: In so einem Prozess „gibt es Zufälle, und die sind die Grundlage für alles Weitere“12.

Editorial

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Kapitel 1

Wer, wie, was: Akteure in der Stadt

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Seitdem die Fünf-Prozent-Hürde in vielen Kommunen gefallen ist, haben parteiunabhängige Gruppen und Einzelpersonen reelle Chancen, in die Stadträte einzuziehen. Auch außerhalb der Parlamente können Bürger die Politik in den Parlamenten inzwischen direkt beeinflussen. Inzwischen haben alle Länder Regelungen für Bürgerentscheide oder Bürgerbegehren geschaffen.13 „Der Einfluss von Bürgern auf die lokale Politik ist formell in den letzten beiden Jahrzehnten gestiegen“, schreiben die Stadtsoziologen Häußermann, Läpple und Siebel.14 Der Verwaltungsjurist und Sozialwissenschaftler Helmut Wollmann spricht gar von einer „partizipatorischen Revolution.“15 Nie sei die Möglichkeit für Bürger, jenseits der normalen Wahlen Einfluss auf die Entscheidungen in der Stadt zu nehmen, so groß gewesen wie heute. Und sie beteiligen sich – wenn auch nicht immer im Sinn derjenigen, die gerade das politische Zepter in der Hand haben, wie die KonradAdenauer-Stiftung festgestellt hat: „Das Bürgerbewusstsein ist heute bis weit in die gesellschaftliche Mitte so weit entwickelt, mit Selbstbewusstsein ausgestattet und politikskeptisch geprägt, dass sich wohlverstandenes Interesse, Unverständnis, Ärger oder Wut schnell ­organisieren.“ 16

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„Wer Zukunft gestalten will, muss sich ­einmischen.“ … schreibt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.17 Bürgerbeteiligung als feste Größe einer kommunalen Demokratie ist bisher nur punktuell verbreitet und hängt meist vom Engagement Einzelner bzw. kleiner Gruppen ab. Auch im Alltag von Politik und Verwaltung ist die Idee der Mitbestimmung oft noch nicht angekommen. Hier setzen Stiftungen an: Die Bürgerstiftung Bremen hat die Vision einer Bürgerstadt. Die Stiftung hilft den Bremern bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte und Pflichten wie der Erweiterung von Entscheidungsmöglichkeiten. Rund um das Thema „Demokratie von unten“ informiert auch der „Wegweiser Bürgergesellschaft“ 18 , ein Projekt der Stiftung Mitarbeit. Anknüpfend an bestehende Vernetzungsstrukturen, bietet er innerhalb der Informationsfülle zur Bürgerbeteiligung eine schnelle Orientierung. Die Stiftung Bürgermut versteht sich als „Informationsbroker für neues ­Bürgerengagement“.


Klassische Akteure der städtischen Politik sind die politischen Gremien, die die Stadtpolitik bestimmen, und die öffentliche Verwaltung, die diese umsetzen soll. Hinzu kommen Unternehmen sowie Verbände und Institutionen aus Wirtschaft und Gesellschaft wie Handelskammern, Gewerbevereine, Stiftungen, Naturschutzverbände und andere Organisationen, die den Meinungsbildungsprozess in den Stadträten aktiv begleiten.

Doch die Bedeutung von festen Institutio­ nen und Verbänden nimmt in einer sich immer individueller organisierenden Gesellschaft ab. Stattdessen rücken nun neue Bündnisse wie projektbezogene Initiativen und selbst der einzelne Bürger in den Fokus, auch weil die Politikbeteiligungsprozesse in den vergangenen Jahren durchlässiger geworden sind.

Foto: picture alliance

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1 – Akteure in der Stadt


Diese Entwicklungen begleiten auch Stiftungen. Zum Beispiel die Stiftung Mitarbeit, die seit viele Jahren Bürgerinitiativen Starthilfe gibt: „Sie möchte Menschen ermutigen, Eigeninitiative zu entwickeln und sich an der Lösung von Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen. Nur wenn möglichst viele Bürge­rinnen und Bürger in unserer Gesellschaft bereit sind, sich einzumischen und

demokratische Mitverantwortung zu übernehmen, kann Demokratie lebendig werden.“ 19 Seit 1991 hat die Stiftung Mitarbeit bereits über 1.000 Bürgerinitiativen und Selbst­hilfegruppen mit Zuschüssen geholfen ihre Anliegen auf den Weg zu bringen.

Die Neuinszenierung öffentlichen Raums: Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis Seit Jahren lässt sich in europäischen Städten beobachten, dass zivilgesellschaftliche Akteure öffentlichen Raum neu inszenieren und interpretieren. Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis ist diesen urbanen Phänomenen in Werkstattgesprächen auf den Grund gegangen und hat eine Vielzahl imposanter Beispiele zusammengetragen: den Verein Green City in München, der unter anderem den motorisierten Individualverkehr in Städten reduzieren will. Die Kulturfabrik Moabit in Berlin, die Veranstaltungsort für Theater und Konzerte sowie Heimstätte zahlreicher Vereine ist. Die Hochhaussiedlung Bremen-Tenever, die als milieuübergreifender Wohnraum gedacht war und ein Auffangbecken für Arme wurde, dafür aber eine partizipative Tradition entwickelt hat, in der eine Stadtteilgruppe ein öffentliches Forum bietet. Das Veranstaltungsformat der Werkstattgespräche inspiriert und unterstützt die Vernetzung zivilgesellschaft­licher Akteure. Ihren Schwerpunkt legt die Stiftungsgemeinschaft aber auf den Unterhalt Offener Werkstätten. An Orten wie dem Haus der Eigenarbeit in München können sich die Besucher handwerklich betätigen und künstlerisch ausdrücken. Die Stiftungsgemeinschaft unterhält ein Netzwerk der Offenen Werkstätten, gibt Hinweise, organisiert Fortbildungen und macht Öffentlichkeitsarbeit für dieses Modell des Selbermachens. Ein weiteres Förderprojekt ist die unselbständige Stiftung Interkultur, die innovative zivilgesellschaftliche Beiträge von Migrantinnen und Migranten mit Nachhaltigkeitsbezug fördert und erforscht. Darüber hinaus fungiert die Stiftung Interkultur als Koordinierungs- und Servicestelle des Netzwerks Interkulturelle Gärten. Sie berät, organisiert Informationsveranstaltungen und unterstützt interkulturelle Gartenprojekte finanziell. Diese Gärten sind eine Plattform für ein Miteinander von Deutschen und Migranten und ein erfolgreicher Integrationsmotor. 16

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Kooperative Stadtplanung Als viel versprechende Antworten auf die Herausforderungen von Städten gelten zunehmend Partnerschaften zwischen öffentlichem Sektor, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die verschiedenen Akteure bringen ihre spezifischen Kompetenzen ein und entwickeln Lösungen, die die Lebensqualität in den Städten verbessern.

Stiftungen nehmen wie andere zivilgesellschaftliche Akteure dabei verschiedene Rollen ein. Sie sind Ideen- und Geldgeber, Anstifter von Initiativen und Vermittler für die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen vor Ort. Ihre Rolle als Moderator wird künftig immer wichtiger werden in der ­Diskussion um die Zukunft unserer Städte.

Öffentlicher Sektor Städte und Gemeinden Wirtschaft

Zivilgesellschaft

Vereine

Kontakte

Stiftungen

Ideen

Knowhow

Bürgerinitiativen

NGOs

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Geld

1 – Akteure in der Stadt


Leere Städte – ältere Städte Seit 2003 schrumpft die deutsche Bevölkerung das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik. Nach unterschied­lichen Szenarien wird die Bevölkerung in Deutschland in den kommenden 50 Jahren um bis zu 20 Prozent abnehmen.20 Gleichzeitig wird die Gesellschaft immer älter. „Allein im Zeitraum 1995 bis 2005 hat die Zahl der E ­ inwohner über 64 Jahre in der Bundes­republik um ein Viertel zugenommen“, schreibt Jörg Pohlan im Jahrbuch ­StadtRegion 2007/2008.21 „Die deutschen Städte werden sich vier großen Entwicklungen stellen müssen“, sagt Hartmut Häußermann. „Die Bevölkerung wird schrumpfen, sie wird älter, sie wird bunter und differenzierter und die sozialen Konflikte zwischen Arm und Reich werden sich verschärfen.“ 22 Die Städte von heute stehen also vor dramatischen Veränderungen. Ihnen mit den Instrumenten und Politikansätzen von gestern begegnen zu wollen, wird nicht funktionieren. Es braucht neue Lösungen, um den gestiegenen Anforderungen und auch den wachsenden Bedürfnissen vieler Bürger nach Mitgestaltung gerecht zu werden.

Voraussetzungen für städtisches Handeln Städte finanzieren sich aus Steuereinnahmen, Abgaben, die Bürger und Unternehmen für städtische Dienstleistungen bezahlen, und Zuschüssen aus Landes-, Bundes- oder EU-Töpfen. Als schwächster Part in der Steuergemeinschaft mit Bund und Ländern haben sie kaum Stellschrauben, um höhere Einnahmen zu generieren. Es sei denn, sie können sich im Wettstreit um die Ansiedlung von Unternehmen gegen andere Städte und Regionen durchsetzen und ihre Gewerbesteuereinnahmen maximieren. „Alle Städte und Regionen unterliegen einer immer härteren wirtschaftlichen Standortkonkurrenz, und zwar gleichermaßen global, EU-weit, national und regional, speziell auch in der Stadt-Umland-Beziehung“, hat die Heinrich-Böll-Stiftung beobachtet. „Während in vielen Städten der Prozess der Deindustrialisierung durch Produktspezia­ lisierungen, innovative Technologien und neue urbane Dienstleistungen kompensiert werden kann, steigt andererseits die Zahl der Städte, die keine selbst tragende Wirtschaftskraft mehr haben oder sie durch Unternehmensentscheidungen plötzlich verlieren könnten.“ 23 Städte und Kommunen werden sich auf finanziell schwierige Zeiten einstellen müssen, zumal sie die Auswirkungen der Finanz­ markt- und Wirtschaftskrise besonders spüren. Allein in den ersten drei Quartalen 2009 haben die deutschen Kommunen 6,7 Milliarden Euro zusätzliche Schulden gemacht – im Jahr zuvor konnten sie im gleichen Zeitraum 5,6 Milliarden Euro Überschuss erwirtschaften.24

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Viele Städte werden die Gebühren erhöhen und die Kosten senken müssen. Hundesteuern, Gewerbesteuern oder Kindertagesstättengebühren steigen, während Schwimmbäder, Bibliotheken und Theater vielleicht schließen müssen – wenn nicht kommunale Gruppen vor Ort die Initiative ergreifen und neue Finanzierungs- und Umsetzungsmodelle entwickeln. „Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte hinterlässt in städtischen Lebenswelten zunehmend sichtbare Spuren“, sagt die Hamburger Stadtsoziologin Ingrid Breckner. „Schnäppchenmärkte, Schließungen von Schulen, Bädern und sozialen Einrichtungen, ungepflegte Grünflächen, triste Plätze, vernachlässigte Bausubstanz, holprige Straßen und Wege, Bettler und Obdachlose offenbaren die klaffenden Lücken des ehemals investitionsfähigen Wohlfahrtsstaates.“ 25 Viele Kommunen und Städte sehen sich heute in einer Situation, in der sie den Pflichtaufgaben finanziell kaum noch nachkommen können – freiwillige Leistungen für Kultur, Bildung oder Soziales bleiben da manchmal ganz auf der Strecke. Manche Kommunen denken in knappen Zeiten über alternative Finanzierungsinstrumente nach, zum Beispiel das kommunale Leasing, um sich größere Handlungs­ optionen zu erschließen. Doch letztendlich können strukturelle Finanzlücken so nicht geschlossen werden. Und manchmal gibt es ein böses Erwachen wie zum Beispiel beim Cross-Border-Leasing. Zumal es dort oft zu massiven Protesten in der Bevölkerung gekommen ist. Auch der demographische Wandel leert die Kassen. Nach Untersuchungen in Essen, Stuttgart und Nürnberg kostet die Abwanderung eines Steuerpflichtigen zwischen 800 bis 2.000 Euro jährliche Steuereinnahmen.26 Die Kosten der öffentlichen Infrastruktur bleiben trotzdem.

Lernen vor Ort: Bund, L­ änder, ­Kommunen und Stiftungen ­engagieren sich in einer ­einzigartigen Partnerschaft Der offizielle Startschuss für das bundesweite Programm „Lernen vor Ort“* fiel im November 2009. Ziel des Kooperationsprojektes ist es, Kommunen zu hervorragenden Bildungsstandorten zu entwickeln, an denen die Bürger von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung eine erfolgreiche Bildungsbiographie durchlaufen können. Dabei soll auch die Zersplitterung und Unübersichtlichkeit der öffentlichen und privaten Bildungsangebote überwunden werden. Insgesamt 106 deutsche Stiftungen übernehmen Patenschaften im Rahmen von „Lernen vor Ort“. Sie unterstützen 40 ausgewählte Kommunen, denen sie ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen im Management erfolgreicher Bildungsprojekte, in der Prozessberatung und der Entwicklung innovativer Ideen jenseits von kommunalem Zuständigkeitsdenken zur Verfügung stellen. Ihre Expertise bieten die Stiftungen für die Dauer von drei Jahren an. Stiftungen mit fokussierter thematischer Ausrichtung wie beispielsweise die Heranführung an Naturwissenschaften übernehmen „Themenpatenschaften“ für ihre Kommunen. Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des Programms hatte die Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt, deren Geschäftsführer Roland Kaehlbrandt gern als „Spiritus rector“ von „Lernen vor Ort“ bezeichnet wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Europäische Sozialfonds haben insgesamt 60 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt. * http://www.lernen-vor-ort.info

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1 – Akteure in der Stadt


Lernen vor Ort: Bund, Länder, Kommunen und Stiftungen engagieren sich in einer einzigartigen Partnerschaft

Einzelvorhaben Verbundvorhaben

SCHLESWIGSchleswigHOLSTEIN Holstein

22 22

12

BREMEN 11 Bremen

38 38

Mecklenburg-

MECKLENBUR GVorpommern N VORPOMMER 16 16

Hamburg HAMBURG

17 17 18 18

21

99

EN NIEDERSACHS Niedersachsen

BERLIN

Berlin 20 20 19

Brandenburg

29 29

SachsenAnhalt ALT SACHSEN-ANH

24 24 30 30 NordrheinNORDRHEIN- WESTFALEN Westfalen 27 27 26 26 25 25

37 36 36

40 40

10 10

Sachsen SACHSEN 34 34

39 39

28 28

23 23

BRANDENBUR G

THÜRINGEN Thüringen

Hessen HESSEN RHEINLANDRheinland15 15 PFALZ

13 13

Pfalz

14 14

32 32 22

Saarland ARLAND SA 33 33

88

31 31

BAYERN Bayern

33

BadenBADENRG WÜRTTEMBE Württemberg 20

44

11

55

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66

35 35


Einzelvorhaben Verbundvorhaben Teilnehmende Kommunen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Stadt Freiburg im Breisgau Stadt Mannheim Rems-Murr-Kreis Stadt Kaufbeuren Landkreis Lindau Landkreis Mühldorf am Inn Landeshauptstadt München Stadt Nürnberg Landkreis Barnim Landkreis Elbe-Elster Freie Hansestadt Bremen Freie und Hansestadt Hamburg Stadt Frankfurt am Main Stadt Offenbach Rheingau-Taunus-Kreis Landkreis Müritz Landkreis Ostvorpommern Landkreis Uecker-Randow Stadt Osnabrück Landkreis Osnabrück Landkreis Soltau-Fallingbostel Landkreis Stade Stadt Aachen (für die StädteRegion Aachen) Kreis Borken Stadt Duisburg Stadt Essen Stadt Herne Stadt Köln Kreis Lippe Kreis Recklinghausen Stadt Speyer Stadt Trier Regionalverband Saarbrücken Landeshauptstadt Dresden Landkreis Görlitz Stadt Leipzig Stadt Dessau-Roßlau Hansestadt Lübeck Stadt Erfurt Kyffhäuserkreis

Beteiligte Stiftungen Achterkerke Stiftung für Kinder Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Bertelsmann Stiftung Breuninger Stiftung Bürgerstiftung Duisburg gemeinnützige AG DBU – Deutsche Bundesstiftung Umwelt Deutsche Bank Stiftung Deutsche BP Stiftung Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gGmbH (DKSJ) Deutsche Telekom Stiftung Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG Freudenberg Stiftung Haspa Hamburg Stiftung Hertener Bürgerstiftung Körber-Stiftung Medienstiftung der Sparkasse Leipzig Peter Gläsel Stiftung Possehl-Stiftung Randstadt Stiftung RheinEnergieStiftungen Roland Berger Stiftung Schader-Stiftung Software AG-Stiftung Stiftung Bildung & Handwerk Stiftung Bildung für Thüringen Stiftung der deutschen Wirtschaft e.V. Stiftung Haus der kleinen Forscher Stiftung IBZ St. Marienthal Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main Stiftung Standortsicherung Kreis Lippe TUI Stiftung Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH VolkswagenStiftung

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1 – Akteure in der Stadt


Die Renaissance weniger Städte Wenige andere Städte profitieren. Zentraler Grund für die „Renaissance der Städte“ 27 ist der Umbruch der Arbeitswelt von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Einkommensstarke Mittelstandsfamilien konnten sich bis in die 90er-Jahre sicher sein, dass ein Ernährer, meistens der Mann, ausreicht, um die Familie zu versorgen. Wer es sich leisten konnte, zog ins Eigenheim in die ruhigen Speckgürtel der Städte, und so wurden viele Innenstadtviertel zu Quartieren der so genannten A-Gruppen: Arbeitslose, Arme und Ausländer.28 Spätestens seit Mitte der 90er ist dieser jahrzehntelange Prozess der Suburbani­ sierung vorbei. Heute fordert die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft Rundum-Verfügbarkeit und Flexibilität am Arbeitsplatz. Statt lebenslanger, sicherer Beschäftigung in einem Unternehmen arbeiten immer mehr Menschen in immer mehr Branchen projektbezogen in unsichereren Arbeits- und Einkommensverhältnissen. „In dieser neuen urbanen Arbeitsgesellschaft verflüssigt sich die traditionelle Trennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit.“29 Auch der Mann als einziger Ernährer der Familie hat vielfach ausgedient. Heute wollen viele Frauen arbeiten – und viele müssen auch zum Familieneinkommen beitragen. Kinder, Eigenheim und Arbeitswege unter einen Hut zu bringen, funktioniert oft nur noch in urbanen Regionen.

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Die neuen Beschäftigungsformen mit ihren Herausforderungen sind mit einem Lebensmittelpunkt außerhalb der Städte kaum zu vereinbaren. Das gilt gerade auch für Familien, in denen beide Elternteile arbeiten und beide Arbeitswege zurücklegen müssen. „Dienstleistungen werden heute rund um die Uhr nachgefragt, der industriell geprägte ,Normalarbeitstag‘ wird vom Standard

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der allzeitigen Verfügbarkeit abgelöst“, schreibt die Darmstädter Schader-Stiftung, die sich dem Thema des Wohnwandels widmet. „Die permanente Dynamik der Städte wirkt auch auf die Wohnviertel; hier bestimmen nicht mehr Industrieschichten den Alltagstakt und das Lebensgefühl, sondern die Bewohner arbeiten zu unterschied­ lichen Zeiten an unterschiedlichen Orten und bekommen sich unter Umständen nie zu Gesicht.“ 30 Das muss nicht heißen, dass aus den Quartieren gesichtslose Viertel werden, in denen die Nachbarn nichts mehr voneinander wissen. Es gibt genug Beispiele, wo neue Beziehungsformen zwischen den Bewohnern entstehen – die Schader-Stiftung listet von Itzehoe bis Frankfurt mehrere auf. In Itzehoe hat der vernetzte Stadtteil ­Klosterforst den Anspruch, qualifizierte Arbeit, Kinderbetreuung und lebenswerten Wohnraum zu vereinen.31 Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft – diesen Umbruch beschreibt der US-amerikanische Ökonom und Sozialwissenschaftler Richard Florida mit dem Begriff der Creative Cities. Er spricht von den drei Ts, um die sich die Städte der Zukunft bemühen müssen, wenn sie die Kreativen als Leistungsträger der Gesellschaft in ihren Städten anziehen wollen: Talente, Technologie und Toleranz. „Städte ohne Homosexuelle und Rockbands verlieren das Rennen um die wirtschaftliche Entwicklung“, sagt Florida.32 Was beileibe nicht heißen kann, dass alle Städte so werden wollen oder sollen. Manche Städte wie zum Beispiel Halle oder Arnsberg verstehen sich als seniorenfreundliche Orte, viele Kommunen wie Amtzell in Baden-Württemberg schaffen Netzwerke zwischen den Generationen, andere wie Pulow in Mecklenburg-Vorpommern stellen Idealismus und Begeisterungsfähigkeit in den Mittelpunkt ihrer Kommunalstrategie.


Kommunen als Stiftungsverwalter: Die kommunalen Stiftungen In Deutschland sind mehr als 2.000 Stiftungen und Treuhandstiftungen kommunal verwaltet. Die ältesten kommunalen Stiftungen sind die sogenannten Spitalstiftungen, wie zum Beispiel die Stiftung Vereinigte Pfründehäuser in Münster aus dem Jahr 900, die St. Nicolai-Spital-Stiftung in München aus dem Jahre 1150 oder die Heiliggeistspitalstiftung in Freiburg aus dem Jahre 1255. Schon zu Beginn des 10. Jahrhunderts widmeten sie sich der Waisen-, Kranken- und Altenpflege und zählen oftmals bis heute zu den größten Trägern sozialer Einrichtungen in Städten und Kommunen. Zu den kommunalen Stiftungen gehören laut Definition alle Stiftungen, deren Stiftungszweck zum Aufgabenbereich einer kommunalen Gebietskörperschaft gehört (z.B. Gemeinde, Kreis) und von dieser in der Regel verwaltet wird. Die Tätigkeit der Stiftung kommt der Kommune bzw. der in ihr lebenden Bevölkerung zugute. Es kann sich dabei um rechtlich selbständige und unselbständige Stiftungen handeln, die von privater oder öffentlicher Hand errichtet wurden. Das Stiftungsvermögen wird treuhänderisch und getrennt vom kommunalen Vermögen verwaltet. Vertrauen in die kommunale Vermögensverwaltung und die Möglichkeiten, bereits bestehende Ressourcen nutzen zu können, anstatt eigene Verwaltungen aufzubauen, sind weitere Gründe, warum sich Stiftungen in kommunale Obhut begeben. Der Arbeitskreis Kommunales des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen hat im Jahr 2003 Empfehlungen für die Verwaltung kommunaler Stiftungen erarbeitet und seit dieser Zeit immer wieder weiterentwickelt. Darin kommt die Notwendigkeit zum Ausdruck, dass der Stifterwillen für die Kommune bindend ist und die Stiftungszwecke satzungsgemäß verwirklicht werden. Die Stiftungsverwaltung arbeitet eigenständig und bleibt in weltanschaulicher und parteipolitischer Sicht neutral – die Stiftungen sind offen und transparent. Es bedarf einer angemessenen sachlichen und personellen Ausstattung. Die kommunale Stiftungsverwaltung kann sich Personal- und Sachaufwendungen aber von den verwalteten Stiftungen erstatten lassen. Viele kommunale Stiftungen sind Sozialstiftungen. Wie viele Stiftungen einer Stiftungsverwaltung unterstehen ist unterschiedlich. So vereinigt zum Beispiel die eigenständige Stiftungsverwaltung Freiburg sechs Stiftungen unter ihrem Dach. Sie zählt damit zu den größten Trägern sozialer Einrichtungen und Fördermaßnahmen in der Stadt Freiburg im Breisgau. In Münster werden zehn Stiftungen städtisch verwaltet, darunter sechs rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Die Stadt Göttingen verwaltet fünf Stiftungen, die vom Fachbereich Finanzen betreut werden. Die Stadt ­München gehört mit mehr als 150 Stiftungen zu den größten kommunalen Stiftungsverwaltern in Deutschland (weitere Statistiken zu kommunalen Stiftungen siehe ­Kapitel 5, Seite 104-106). 23

1 – Akteure in der Stadt


Kalk gestalten Es gibt beliebtere Gegenden als den rechtsrheinisch gelegenen Kölner Arbeiterstadtteil Kalk. Viele Wohnungen befinden sich in einem mangelhaften Zustand oder stehen leer. Vor allem im nördlichen Teil von Kalk ist das Stadtbild von Armut geprägt. Um das zu ändern, haben im Januar 2010 drei Stipendiatinnen der Montag Stiftung Urbane Räume Quartier in der „Kalkschmiede“ bezogen. Zusammen mit der GAG Immo­bilien AG, der mehr als 1.000 Wohneinheiten in Kalk gehören, wollen sie das ramponierte Image des Stadtteils verbessern. Kalk zu ändern, ohne Geschichte und Entwicklung zu ignorieren, ist ihr Ziel. Gemeinsam mit den Bewohnern des Viertels, mit Eigentümern und anderen Partnern wie der Bürgerstiftung KalkGestalten wollen sie die Wohn- und Lebenssituation der Menschen aufwerten. Das Projekt setzt auf zwei Ebenen an: Auf der praktischen Ebene sollen mithilfe verschiedener Partner temporäre und dauerhafte kleine Projekte und Veranstaltungen entwickelt und angestoßen werden, die im Stadtraum sichtbar sind. Auf der wissenschaftlichen Ebene untersuchen die Stipendiatinnen die Chancen und Potenziale von Kalk und machen ihre neugewonnenen Erkenntnisse publik. Durch den Abgleich von Erfahrungen aus anderen Städten identifizieren sie Erfolgsstrategien und übertragen sie gegebenenfalls. Die 2005 gegründete Stiftung KalkGestalten hat eine ähnliche Zielsetzung: die Lebensqualität im Viertel zu heben. Ihr Ansatz ist pragmatisch: Indem sie Geschäftsleute motiviert hat, Blumenbeete anzulegen, hat die Projektgruppe KalkBlüht zur Verschönerung des Stadtbildes beigetragen. Unter Privatpersonen fanden sich viele Nachahmer. Durch KalkFördert unterstützt die Stiftung mit ihren Vermögenserträgen gemeinnützige Initiativen aus verschiedenen Bereichen, etwa Bildung und Erziehung. KalkKunst integriert einmal jährlich Kunstwerke in den Alltag der Menschen, zum Beispiel in Geschäfte. Ein Rahmenprogramm begleitet die 14-tägige Aktion. Im südlichen Teil von Kalk tut sich viel: Hier eröffnete im April 2009 das Odysseum Köln, ein Wissenschaftsmuseum, seine Pforten. Es ist ein Geschenk der Sparkasse KölnBonn an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und der Region. Aus Anlass des 175-jährigen Bestehens der damaligen Stadtsparkasse Köln wurde 2001 die Stiftung Cologne Science Center gegründet. Sie erarbeitete das Konzept für dieses Zentrum des Erlebens und Wissens mit vielen Partnern und begleitete die Fertigstellung des Projekts.

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Trotz leerer Kassen: Handlungsoptionen erweitern Die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mit der kreativen Stadt als Lebensmittelpunkt gilt vielen auch als Chance, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden. „Die kreative Stadt meint dabei mehr als nur ein erfolgversprechendes Rezept zur Ansiedlung von Kreativindustrien, die derzeit zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftssektoren gehören“, schreibt die Heinrich-Böll-Stiftung. „Sie tritt auf als neues Leitbild mit einem umfassenden gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch und verspricht die Versöhnung von Wirtschaftswachstum und sozialer Inklusion, von kulturellem Eigensinn und Profit.“ 33 Städte als Kern der gesellschaftlichen Intelligenz, als Orte der Toleranz, wo jede gesellschaftliche Gruppe individuell so leben kann, wie sie es für richtig hält, mit Menschen, die den knappen Lebensraum in den Städten selbstbestimmt mitgestalten wollen – so sieht eine Vision aus, wie die Städte von morgen funktionieren können. „Im aktivierenden Staat werden zivile Subjekte als Kunden, aber auch als diejenigen gedacht, die staatliches Handeln mit gestalten und kontrollieren und die öffentliche Aufgaben eventuell selbst erfüllen“, schreibt ­Susanne Baer, Professorin an der juristischen Fakul­ tät der Humboldt Universität Berlin. Sie formuliert die Idee der agierenden, aktiven Bürger, die gestalten wollen: „Sie sind daher anders als im Sozialstaat nicht nur Konsumenten, sondern konsumieren und

produzieren zugleich, und sie sind anders als im schlanken Staat nicht nur diejenigen, die das auf Grund ihrer wirtschaft­ lichen ­Ressourcen von vornherein können, sondern auch jene, denen der Staat Orte, Ressourcen oder Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen muss, um handeln zu können. Damit werden Private als Bürgerinnen und Bürger im Sinne einer anspruchsvollen ‚Citizenship‘ konstruiert.“34

Ein Beispiel: Kooperative Stadtplanung in Hamburg An vielen Orten funktioniert diese Idee der „aktiven Bürgerschaft“ bereits gut – und ist etabliert. Beispiel Stadtplanung: „Das Interesse der Bürger an stadtentwicklungspolitischen Fragen ist in den vergangenen Jahren sehr deutlich gestiegen“, sagt Hans-Peter Boltres, Leiter des Fachamtes für Stadt- und Landschaftsplanung in Hamburg-Nord, einem Bezirk mit gut 300.000 Einwohnern am Rand der Hamburger Innenstadt. Ohnehin seien an einer größeren städtebaulichen Planung bis zu 100 verschiedene Träger öffentlicher Belange beteiligt, vom Tiefbauamt bis zu Naturschutzverbänden. Heute werden in Hamburg-Nord aber auch immer mehr einzelne Bürger und Netzwerke in die Bauplanung vor Ort eingebunden. Soziale Stadtteilentwicklung, öffentliche Rundgänge, Roundtable-Gespräche, Sanierungs- und Stadtteilbeiräte, Planungswerkstätten unter externer Moderation, die zum Beispiel zwischen Bürger und Verwaltung, zwischen Investor und Politik vermitteln – das Instrumentarium ist breit, das die planende Verwaltung dem Bezirk und seinen Anwohnern anbieten kann, zumindest wenn es um Projekte in öffentlicher Verantwortung geht. Bei privaten Investoren ist es zuweilen schwieriger. Aber auch hier kann Stadtplanung kooperativ arbeiten, wenn die ­Investoren offen

1 – Akteure in der Stadt

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„Die Leute raus – Mieten hoch – bumm – ganz Stiftung der Wohnungsgenossenschaft von normal Kapitalismus oder wie sagt man“ 1904 e. G. – Nachbarn helfen Nachbarn und die Stiftung do. … so äußert sich ein Interviewter im Dokumentarfilm „Empire St. Pauli – von Perlenket- Eine öffentliche Debatte über die soziaten und Platzverweisen“35 . Den Film über Ver- le Spaltung Hamburgs initiiert auch die änderungen und Gentrifizierung auf St. Pauli ­Lawaetz Stiftung zusammen mit weiteren produzierte die GWA (Gemeinwesen­arbeit) Akteuren aus Wissenschaft und Kirche in St. Pauli. Er wurde 2009 mit dem Hamburder AG soziales Hamburg. Die Wüstenrot ger Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Stiftung thematisiert die zunehmende SeUnter den Filmförderern waren gleich vier gregation in Städten mit ihrem Forschungs­Stiftungen: die Elisabeth-Kleber-Stiftung, projekt „Die Zukunft der Stadtgesellschafdie SAGA GWG Stiftung Nachbarschaft, die ten. Durchmischung oder soziale Segre-

1. Vergangenheit als Arbeiterviertel

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2. „Schmuddel­ phase“: Herunter­ gekommene Häuser dominieren das Stadtbild

1-DM-Shop billig!

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gation?“. Und die Bertelsmann Stiftung in der Publikation „Demographie konkret – ­Soziale Segregation in deutschen Großstädten“, die Sozialdaten aus 65 Städten und 3.000 Stadtteilen in Deutschland enthält. Zwischen den Polen „Trüffelschweine der Immobilienwirtschaft ... oder Gradmesser für urbane Fortschrittlichkeit und Toleranz?“ bewegte sich im Januar 2010 eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, ihrer NRW-Landesstiftung sowie des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung zum Leitbild der „Kreativen Stadt“.

3. Künstler, ­Studenten & Co ziehen ein

Gentrifizierung (von engl.: Gentrification) beschreibt die sozialen Umstrukturierungsprozesse durch eine „ambivalente“ Aufwertung des Wohnumfeldes: Niedrige Mieten machen einen Stadtteil für Kreative attraktiv; es entsteht eine Subkultur, die sich etabliert und den Stadtteil populär macht. Investoren entdecken Chancen zur Wertsteigerung und erneuern die verfallene Bausubstanz: Die Mieten steigen und Alteingesessene müssen wegziehen.

4. Vermarktung an Besserverdiener

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1 – Akteure in der Stadt


für Dialogprozesse sind. „Heute führt kein Weg mehr an intensiver Partizipation der Quartiersbewohner und transparenter Planung vorbei“, sagt Boltres und meint damit auch, dass der Kreis derjenigen, die sich an der Quartiersplanung beteiligen, größer und kooperativer wird. Einige Stiftungen haben die gesellschaftliche Relevanz einer kooperativen Stadtplanung erkannt. Wie zum Beispiel die Körber-Stiftung, die mit dem Ideenwettbewerb „Anstiften! 50 Impulse für Hamburg“ die Bürger auffordert, eigene Lösungen für ihre Stadtteile zu entwickeln.36 So sind 66 Partnerschaften zwischen Unternehmen und sozialen Initiativen mit einem Innovationskapital von 660.000 Euro entstanden. Die Stiftung sieht dabei ihre Rolle in der des Vermittlers, da sie sowohl in der Unternehmenswelt als auch im Bereich des sozialen Engagements gut vernetzt ist.

Nürtingen: Modellprojekt ­Bürgerkommune

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„Lehre sie die Sehnsucht von dem weiten endlosen Meer!“ Hannes Wezel weiß, dass es einen langen Atem braucht, wenn man aktive Bürgerschaft wirklich leben will. Auch heute noch. Er ist Beauftragter für bürgerschaftliches Engagement in der schwäbischen Stadt Nürtingen. Schon 1991 in finanziell komfortablen Zeiten hatte die 40.000 Einwohner zählende Kommune begonnen, ihre Strukturen weg von der klassischen Verwaltungsgliederung hin zur Bürgerkommune zu entwickeln. Herz und Lunge dieser Bürgerkommune ist das gläserne Rathaus – ein umfassend modernisierter Komplex, in dem nicht nur Verwaltung und Stadtrat, sondern auch ein 300 Quadratmeter großer Bürgertreff für die Zivilgesellschaft, ein in-

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tegratives Café als Treffpunkt der N ­ ürtinger sowie Geschäfte und sogar Wohnungen angesiedelt sind. Das Rathaus ist kein Ort der Honoratioren, wo nach Dienstschluss das Licht ausgeht. Hier gehen alle Nürtinger ein und aus. Wie gut das funktioniert, zeigt der kostenlos zu mietende Bürgertreff: Jährlich zählt die Gemeinde bis zu 1.700 Belegungen, vom Chor bis zum Initiativentreffpunkt. Seit Ende der 90er setzt die Kommune verstärkt auch auf das Know-how und das bürgerschaftliche Engagement der Nürtinger. 15 kommunale Beteiligungsforen hat Nürtingen inzwischen gegründet. Themen wie öffentliche Sicherheit, Altenpflegekonzepte oder Jugendpolitik diskutieren die Nürtinger gemeinsam, bevor der Stadtrat einen Beschluss fällt. Selten war Stadtpolitik so transparent wie in Nürtingen. Für ihr Modell der Bürgerkommune hat die schwäbische Stadt mehrere Preise gewonnen, zuletzt im Dezember den Deutschen Engagementpreis in der Kategorie „Politik und Verwaltung“. Die Bürgerkommune war auch Botschafter des Civitas-Projektes der Bertelsmann Stiftung, in dem ein gutes Dutzend deutscher Städte über mehrere Jahre neue Partizipationsmodelle und Wege auf dem Weg zur bürgerorientierten Kommune ausprobiert hat.37 Der Beauftragte für bürgerschaftliches Engagement ist sich sicher, dass der Weg der richtige ist. „Für uns als Stadt ist das inzwischen auch ein Standortfaktor“, sagt Hannes Wezel. „Familien ziehen wegen unseres bürgerorientierten Ansatzes nach Nürtingen. Und einer ihrer ersten Wege ist der ins gläserne Rathaus“, fährt er fort.


Ausblick Es gibt also erprobte Wege, wie sich Städte der Zukunft stellen können – auch in finanziell schwierigen Zeiten. Eine besser ausgebildete Gesellschaft mit mündigen Bürgern verlangt Partizipation, Transparenz und Engagement des Dritten Sektors wie auch der einzelnen Bürger selbst. Es wird den Städten nichts anderes übrig bleiben, als auf diese Ressourcen zurückzugreifen, sie einzuladen und zu mobilisieren und sie immer stärker in Entscheidung und Verantwortung einzubinden. Denn die Herausforderungen in den Städten sind immens. Und sie werden noch einiges dafür tun müssen, um wirklich alle Bürger mitzunehmen: „Öffentlich einflussreiches Bürgerschaftliches Engagement verlangt Fähigkeiten, an denen es insbesondere benachteiligten Bevölkerungsgruppen mangelt“, hat die FriedrichEbert-Stiftung festgestellt. „Eine wesent­ liche Aufgabe der Engagement­förderung besteht darin, die notwendigen individuellen Kompetenzen wie auch die Netzwerkkompetenzen zivilgesellschaft­licher Vereinigungen zu fördern und zu t­ rainieren.“38

in Großbritannien hat. Die unter anderem von der Heinz Nixdorf Stiftung und der ­Robert Bosch S ­ tiftung in Deutschland auf den Weg gebrachte gemeinnützige Organisation stärkt lokale Lebensräume, indem sie Führungskräfte in den jeweiligen Städten an einen Tisch bringt und so neue Handlungsoptionen entwickelt.40 Beispiele dafür gibt es in acht deutschen Städten. Auch Bürgerstiftungen oder die stadteigenen kommunalen Stiftungen entwickeln sich stärker als Bindeglied zwischen unterschiedlichen städtischen Akteuren – und drücken damit ihre Bereitschaft aus, neben sozialem Engagement auch gestalterisch tätig zu sein. Sicher: Hier können Stiftungen durchaus noch aktiver werden. Das Know-how von Stiftungen ist noch nicht ausgeschöpft. Städte, die sich der Gestaltungskraft des Dritten Sektors und der moderierenden Fähigkeit von Stiftungen bewusst sind, schöpfen damit neues Potenzial – das wird in Zeiten knapper Kassen zunehmend wichtiger werden.

Stiftungen verstehen sich dabei nicht nur als Problemlöser für einzelne Themenbereiche, sondern als Kooperationspartner und Vermittler für die verschiedenen gesellschaft­lichen Gruppen vor Ort sowie als impuls­gebende Kräfte. Wie zum Beispiel die Siemens Stiftung, die mit ihrem Programm Urban Perspectives auf die Stärkung von Netzwerken in Städten hinwirken möchte. Verschiedene Akteure sollen gemeinsam ­Lösungswege und replizierbare Projekte entwickeln, um die Lebensqualität in den Städten zu verbessern.39 Oder auch ­Common ­Purpose, ein Leadership-Programm, das seinen Ursprung

29

1 – Akteure in der Stadt


Kapitel 2

Wachstum war gestern: Ant­worten auf den demografischen Wandel in den Städten Auch die Bevölkerungszusammensetzung wandelt sich radikal. Weil weniger Kinder geboren und die Alten älter werden, werden die Jungen immer mehr zur Minderheit. Die Zahl der unter 20-Jährigen wird in Deutschland im Zeitraum von 1998 bis 2030 von 18 auf 12 Millionen zurückgehen, die der 20- bis 40-Jährigen von 25 auf 16 Millionen. Ab 2020, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, steigt die Zahl der Rentner noch einmal sprunghaft an. Während die unter 65-Jährigen derzeit mit 50 von knapp 82 Millionen deutlich in der Mehrzahl sind, werden ab 2030 die über 65-Jährigen die Mehrheit stellen. 41 Das Stadtbild wird also in spätestens 20 Jahren erstmals von Rentnern dominiert sein.

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Mobile Senioren in der Alt-Stadt Deutschlands Städte sind in die Jahre gekommen: Die Alterung der Gesellschaft schafft Probleme, bietet aber auch Chancen. Stiftungen sind hier mit ihren Ideen oft Vorreiter. So zeigte schon ein 1993 bis 1997 durchgeführtes Forschungsprojekt von Schader-Stiftung und Bundesbau­ ministerium: Ältere Menschen sind mobiler, als häufig vermutet wird. Ihre Umzugs­ bereitschaft kann durch bedürfnisgerechte Wohnalternativen und wohnungsnahe Dienstleistungsangebote gefördert werden. Frei werdende Bestandswohnungen können dann sozialpolitisch gezielt für Familien mit Kindern verfügbar gemacht werden. Die Bertelsmann Stiftung startete 2005 das deutschlandweite Pilotprojekt „Neues Altern in der Stadt“ (NAIS), das Kommunen bei der Entwicklung einer demografisch verantwortungsvollen Politik unterstützt. Auf dem ersten „Visioning Council“, den die Körber-Stiftung 2008 ausrichtete, diskutierten 100 Experten aus verschiedenen Berufsund Engagementbereichen über Hamburgs Zukunft als alternde Stadt.


Seit drei Jahrzehnten übertrifft die Zahl der Sterbefälle in der alten Bundesrepublik die Zahl der Neugeborenen. 42 Bis Anfang des neuen Jahrtausends konnte die Schrumpfung der Bevölkerungszahl aufgrund des Sterbefallüberschusses durch Zuwanderung zumindest quantitativ ausgeglichen werden. Zwischen 1960 und 2000 wanderten im

Durchschnitt 250.000 Migranten pro Jahr in die Bundesrepublik ein.43 Doch seit Beginn des neuen Jahrtausends fällt die Einwanderungsrate und gleicht den Sterbefallüberschuss nicht mehr aus. Das ist der Grund, warum Deutschland schrumpft.44 Ende 2009 ist die Einwohnerzahl erstmalig seit Mitte der 90er Jahre wieder unter 82 Millionen gesunken. 45

Foto: picture alliance

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2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten


Die Zahl der Rentner wird besonders im Osten bis 2025 stark zunehmen

Anteil der 65 bis 79-Jährigen im Jahr 2025 über 20 Prozent der Bevölkerung betragen. Diese Entwicklung wird viele Kommunen vor enorme Herausforderungen stellen. Für Großstädte wie Berlin, Leipzig und Dresden wird eine weniger dramatische Entwicklung prognostiziert.

Nach der Bevölkerungsvorausberechnung der Bertelsmann Stiftung wird in fast allen Landkreisen der neuen Bundesländer der Anteil 65 bis 79-Jähriger im Jahr 2025 (in Prozent) Sylt

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Wenige Gewinner – riesige ­Aufgaben Für die Städte in der Bundesrepublik ist diese Situation neu. Seit Beginn der Industrialisierung vor 150 Jahren ist die Bevölkerung in den Städten bis auf Ausnahmesituationen wie den Zweiten Weltkrieg immer gewachsen. Dementsprechend war die Politik- und Stadtplanung in Deutschlands Städten in allen Belangen bisher auf Wachstum ausgelegt.46 Das wird sich nun ändern müssen. Denn: „Der Wohlfahrtsstaat insgesamt wird durch die demographische Entwicklung so radikal in Frage gestellt wie durch keinen anderen Faktor“, schreibt Herwig Birg. 47 Nur wenige Regionen werden von dem demografischen Wandel profitieren, glaubt die Heinrich-Böll-Stiftung: „Im Westen stehen den starken Wachstumsregionen (München, Stuttgart, entlang der Rheinschiene und im Raum Hamburg) stagnierende Regionen in Teilen von Nord- und Westdeutschland gegenüber. Ostdeutschland bildet – von einzelnen stabilen Wirtschaftskernen abgesehen – durchweg eine wirtschaftsschwache Großregion mit extrem hoher Arbeitslosigkeit und fortdauernder Abwanderung. Viele Klein- und Mittelstädte ebenso wie der ländliche Raum sind hier bereits „Entleerungsregionen“ 48 . Bis auf wenige Ausnahmen werden sich also die meisten deutschen Städte mit Bevölkerungsverlust und Schrumpfungsprozessen auseinander setzen müssen. Schrumpfende Städte stehen vor enormen Herausforderungen. Um nur einige zu ­nennen: Eine ältere Gesellschaft braucht neue Wohn- und Betreuungsformen, die Nah­ verkehrssysteme und die Gesundheits­ versorgung müssen angepasst werden.

Eine Gesellschaft mit einem höheren ­ igrantenanteil muss Angebote schafM fen, um Bildungspotenziale in traditionell schlecht ausgebildeten Bevölkerungsgruppen zu ­entwickeln. Sie muss auch Konzepte gegen die Bildung von ethnischen G ­ hettos vorlegen und Stadtquartiere ­sozial hetero­ gener gestalten. Mit schrumpfenden Bevölkerungszahlen werden Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen weniger nachgefragt: kulturelle Einrichtungen, Schwimmbäder, Schulen, Kindertagesstätten oder Ver- und Entsorgungssysteme. Nur ein Beispiel von vielen: „In Wuppertal sorgen Sparüberlegungen ebenfalls für Diskussionen. Das Schauspielhaus soll aufgegeben, Bäder und Schulen sollen geschlossen werden. Die Mittel für Sportvereine und Sozialinitiativen werden wohl spürbar sinken.“ 49 Städte werden der zunehmenden Segregation in arme und reiche Stadtteile entgegenwirken müssen.50 Auch die Altersarmut wird laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung steigen: Arbeitslosigkeit und niedrigere Erwerbseinkommen dürften etlichen Menschen mittleren Alters künftig vergleichsweise geringe Renten bescheren.51 Schrumpfende Städte befinden sich in Konkurrenz zu anderen Zentren und Städten. Sie müssen Standortvorteile generieren, um zahlungskräftige Stadtbewohner anzuziehen und für diese Klientel Wohnkonzepte zu entwickeln (Wohnort-Attraktivität, Kultur, Kinderbetreuung). Ein Beispiel: die Stadt Chemnitz, die sich die Frage stellt, „wie die frühe Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern durch kommunale Vernetzung verbessert werden kann. Das Projekt will den Blick aller Akteure der Kommune für die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes schärfen.“ 52

2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten

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Doch die Beharrungskräfte sind in vielen Stadtverwaltungen und Stadträten groß – noch. Viele Kommunen und Städte hoffen, dass sich ihren Städten mit der Ansiedlung neuer Unternehmen, mit Leuchtturmprojekten oder mit spektakulären Sport- oder Kulturveranstaltungen neues Leben einhauchen und das Schrumpfen stoppen ließe. Dieser These widersprechen viele Stadtwissenschaftler: „Der Hauptmangel der stadtpolitischen Reaktionen auf Schrumpfen aber besteht darin, dass die Tatsache des Schrumpfens nicht wirklich akzeptiert wird.“ 53 Als im Sommer 2009 das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung im Auftrag der Bundesregierung eine Studie mit dem Vorschlag unterbreitete, einen Strategiewechsel vom Gegensteuern hin zu Anpassungsmaßnahmen an den demografischen Wandel vorzunehmen, war die Empörung groß. Insbesondere über diese Schlussfolgerung: „Es gibt Regionen, denen sowohl die motivierten Akteure fehlen als auch die ausgebildeten, zur Innovation fähigen Bürger, Regionen, in denen nichts investiert wird und auch keine Investitionen zu erwarten sind und die darum kaum Chancen zur Entwicklung haben.“ Man müsse sich damit abfinden, „dass es Regionen gibt, in denen wir nur noch eine angemessene Grundversorgung sicherstellen können“ 54 .

Deutsche Großstädte im Vergleich: Wer wächst, wer schrumpft, wer altert? Kommunale Demografietypen bündeln Städte und Gemeinden mit ähnlichen Kennzahlen in ihrer demografischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Für Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern55 wurden aus verschiedenen Indikatoren sechs Typen gebildet. Der Indikatorenpool stellt zu verschiedenen Politikfeldern Kennzahlen bereit: „Demografischer Wandel“, „Wohnen“, „Wirtschaft und Arbeit“, „Soziale Lage“ und „Integration“. Er umfasst Indikatoren aus Daten der Statistischen Ämter der Länder, der Bundesagentur für Arbeit, der Gesellschaft für Konsumforschung und des Stifterverbands Wissenschaftsstatistik. Anhand der Demografietypen und ­spezieller Demografieberichte, die unter www.wegweiser-kommune.de, einem Angebot der Bertelsmann Stiftung, erstellt werden können, haben Kommunen die Möglichkeit, auf die Gegebenheiten vor Ort mit differenzierten Handlungskonzepten zu reagieren. Prosperierende Wirtschaftszentren sind häufig auch Städte mit einer sehr hohen Stiftungsdichte (siehe Kapitel 5, S. 102) wie Frankfurt am Main, ­Hamburg, München, Mainz, Bonn, Münster oder Darmstadt. Räumliche Verteilung der Demografie­ typen für Großstädte mit mehr als 100.000 ­Einwohnern Stabile Großstädte mit geringem Familienanteil (21 Kommunen) Schrumpfende Großstädte im postindustriellen Strukturwandel (19) Schrumpfende und alternde ostdeutsche Großstädte: (5) Prosperierende Wirtschaftszentren (19) Stabile Großstädte mit hohem Familienanteil: (11) Aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit Wachstumspotenzialen: (7)

34

Quelle: Bertelsmann Stiftung, Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung.

StiftungsReport 2010/11


Sylt Flensburg Fehmarn Rügen Kiel

Stralsund Usedom

Rostock Neummünster

Wilhelmshaven

Schwerin

Hamburg

Bremerhaven

Greifswald

Lübeck

Neubrandenburg

Emden Oldenburg

Lüneburg Bremen

Neuruppin

Berlin

Celle

Potsdam

Wolfsburg

Hannover

Frankfurt

Braunschweig

Brandenburg Magdeburg

Hildesheim

Osnabrück Bielefeld

Münster

Cottbus

Dessau Dortmund

Göttingen

Paderborn

Essen

Krefeld

Halle

Görlitz Erfurt

Aachen

Hoyerswerda

Leipzig Kassel

Düsseldorf

Siegen

Köln

Chemnitz

Jena Marburg

Bonn

Dresden

Gera

Gießen

Zwickau

Suhl

Fulda

Plauen

Koblenz

Hof Frankfurt

Mainz

Darmstadt

Schweinfurt Aschaffenburg Bamberg

Trier

Erlangen Mannheim

Saarbrücken

Bayreuth

Würzburg

Nürnberg

Kaiserslautern Heilbronn

Regensburg

Karlsruhe

Pforzheim

Stuttgart Ingolstadt

Passau Landshut

Reutlingen

Ulm

Offenburg

Augsburg

Freiburg München

Villingen-Schwenningen

Rosenheim

Konstanz Kempten

2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten

35


Umgang mit Demenz in der Stadt – die Förderung der Robert Bosch ­Stiftung Eine Million Menschen leiden in Deutschland an Demenz. Jährlich kommen 20.000 Neuerkrankungen hinzu. Ein wesentlicher Faktor dafür, wie sich die Krankheit ent­ wickelt, ist das soziale Netz der Betroffenen. Besonders in Städten, wo dieses weniger ausgeprägt ist als auf dem Land, leben viele ältere Menschen isoliert. Ein ­Umstand, der den Krankheitsverlauf meist negativ beeinflusst. Die Robert Bosch Stiftung ­reagiert mit der Initiative „Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz“ auf diese gesellschaftliche Herausforderung. Seit 2004 hat die Initiative in sieben Werkstätten mit mehr als 80 Experten aus verschiedenen Disziplinen die Demenzproblematik erörtert. Aus der Initiative ging der Verein „Aktion Demenz“ hervor. Eine Kernforderung der Experten ist die demenzfreundliche Kommune, in der Demenzkranke nicht ausgeschlossen werden. Großen Anteil an der Gestaltung des sozialen Umfeldes haben die Kommune und Akteure der Zivilgesellschaft. Nur wenn sie in Städten und Gemeinden Verantwortung übernehmen, lässt sich die Situation von Menschen mit Demenz verbessern. Unter dem Motto „Menschen mit Demenz in der Kommune“ fördert die Robert Bosch ­Stiftung daher vorbildhafte Projekte, die beispielsweise die Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Demenz ermöglichen, die den Betroffenen und ihren Familien die weitere Teilhabe am kommunalen Leben ermöglichen und ihren Rückzug ins ­Private verhindern, die praktische, alltagsnahe nachbarschaftliche Hilfe unterstützen oder die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren.

Abreißen statt hoffen Solche Schlussfolgerungen stoßen bei den Betroffenen und den Politikern vor Ort auf wenig Anklang. Wer sieht schon gern zu, wie sich seine Region vom Rest des Landes abkoppeln soll? Dabei gibt es inzwischen Lösungen. Sie scheinen auf den ersten Blick schmerzhaft, weisen aber im zweiten Schritt einen Weg in die Zukunft. 36

StiftungsReport 2010/11

Zum Beispiel das im Osten der Republik aufgelegte Programm Stadtumbau Ost, in dessen Rahmen tausende Wohnungen abgerissen worden sind. Ziel des 2,5 Milliarden Euro schweren Bundesprogramms ist „eine Stärkung der Innenstädte, die Reduzierung des Angebotsüberhangs an Wohnraum und die Aufwertung der von Schrumpfungsprozessen betroffenen Städte“ 56 . 260 ostdeutsche Städte haben die Chance genutzt, ihre Infrastruktur mit Blick auf die neue Bevölkerungssituation in ihren Kommunen zu optimieren. Mit dem Programm Stadtumbau West hat die Bundesregierung nun ein ähn­ liches Programm in den alten Bundesländern aufgelegt.57


Duisburg und Leipzig: unterschiedliche Dynamik Der demografische Wandel wird das Ruhrgebiet härter treffen als andere Regionen. In Duisburg gibt es starke Wanderungsverluste in der Gruppe der Erwerbstätigen und Familien. Mit diesen Verlusten kämpft zwar auch Leipzig, aber in den meisten Ruhrgebietsstädten wie Duisburg wirken mehrere negative Faktoren zusammen: Hier sind auch Kinder und Jugendliche stark unter­ repräsentiert. Leipzig dagegen gehört zum Demografietyp „Aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit Wachstumspotenzialen“ (siehe Seite 35). In der Sachsenmetropole zeigt sich seit einigen Jahren eine Tendenz, dass Familien mit Kindern teilweise aus dem suburbanen Raum in die Kernstadt zurückkehren.60

Relative Altersstruktur­entwicklung 2006-2025 (Prozent)

100 90

Quelle: Bertelsmann Stiftung, eigene ­Berechnungen.

80 70

Duisburg Leipzig

60 50 40 30

65 bis 79

10 80 und älter

45 bis 64

25 bis 44

19 bis 24

16 bis 18

10 bis 15

20 6 bis 9

3 bis 5

Altersgruppen 0 bis 2

Schon lange hat nicht nur der Osten ein Problem mit der Entvölkerung von Regionen und Städten. Im Westen haben viele Städte Nachholbedarf, den ökonomischen Umbau von der Industrie- in die Dienstleistungsund Wissensgesellschaft nachzuvollziehen. Die Erfahrungen, die die fünf neuen Bundesländer in den vergangenen 20 Jahren mit Schrumpfungsprozessen und demografischem Wandel gemacht haben, können nun den westlichen Regionen als Vorbild dienen. Das zeigt zum Beispiel der Städtevergleich Duisburg – Leipzig der Stadtsoziologin Birgit Glock.58 Beide Städte hatten in den vergangenen Jahren Arbeitsplätze und Einwohner verloren – Leipzig infolge der Wiedervereinigung, Duisburg aufgrund einer einseitig auf Eisen- und Stahlproduktion ausgerichteten, inzwischen erodierten Wirtschaft. Den Leipzigern sei es gelungen, den Strukturwandel erfolgreich anzugehen, den Duisburgern nicht, sagt Glock. Leipzig habe es verstanden, „neue städtische Politiken zu formulieren und zu institutionalisieren“, mit „kompromissorientierten Formen der poli­ uisburg tischen Konfliktaustragung“ 59. In D hingegen habe es eine Art Top-Down-Politik gegeben, bei der der Bürgermeister den Niedergang als „Chefsache“ an sich gezogen und mit traditionellen Akteuren und traditionellen Rezepten versucht habe, wenig konsensorientiert dem neuen Trend zu begegnen. Das offene Politikkonzept in Leipzig mit klarem Problembewusstsein habe funktioniert – das wenig partizipative, auf Großprojekte ausgerichtete Duisburger Modell nicht, so Glock in ihrer Analyse.

0 – 10 – 20 – 30 – 40

2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten

37


Männer

100 und älter 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1500

Kommunen in Nordfriesland: alternde Bevölkerung, aber viele Stiftungen

Frauen

Eine „ungünstige“ Bevölkerungspyramide muss nicht unbedingt negativ sein: Im Kreis Nordfriesland – zu dem auch Sylt gehört – mit seinem hohen Anteil an 65bis 70-­Jährigen ist die Stiftungsdichte mit 48,1 Stiftungen pro 100.000 Einwohnern besonders hoch. So manche Kommune im Landkreis gilt als beliebtes Refugium wohlhabender Ruheständler mit hohem Einkommen. Die Stiftung Küstenschutz Sylt beispielsweise wird von einer ganzen Reihe Sylter Bürger durch Spenden unterstützt. 1000

1500 1000

500

0

500

500

0

500

1000

1500

1000 1500

Was Stiftungen tun

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Es sind verschiedene Anforderungen, denen die Städte begegnen müssen. Somit gibt es auch verschiedene Lösungen in den einzelnen Regionen, schreibt die Bertelsmann Stiftung: „Auf die zentralen Fragen muss jede Kommune eigene Antworten finden, denn die demografische Entwicklung der Städte und Gemeinden wird ausweislich aller Trends und Prognosen höchst unterschiedlich verlaufen: So unterschiedlich wie die Ausgangslage sind damit auch die Handlungsoptionen für die Kommunen.“ 61 Die Bertelsmann Stiftung zählt zu den Akteuren, die sich schon lange dem Thema widmen, und hat eine ganze Reihe konkreter Lösungsvorschläge für Städte und Kommunen vor Ort mitentwickelt und dokumentiert.62 Neun Themenfelder zum demografischen Wandel – von Alt und Jung über gesamt­ strategische Ansätze bis hin zu sozialer Segregation – behandelt die Stiftung, mit Beispielen von Cuxhaven bis Trier. Hier werden viele Lösungen für auf den ersten Blick schwierige Probleme präsentiert. Zum Beispiel hat die nordrhein-westfälische Stadt Herten schon 2002 beschlossen, bei allen

StiftungsReport 2010/11

Quelle: easystat (CD-Rom Ausgabe 2008)

kommunalen Entscheidungen die demografische Entwicklung zu berücksichtigen. In einem Drei-Jahres-Plan, der gemeinsam mit den großen Kindergartenträgern der Stadt entwickelt worden ist, hat die Hertener Stadtverwaltung es geschafft, dass die Kindergärten der Stadt gemeinsam Kitaplätze abbauen – und gleichzeitig die Betreuung von Kindern aus Migranten­familien verbessern. Dortmund als schrumpfende Großstadt hat sich mit dem Aktionsplan Soziale Stadt der ärmsten Klientel der Stadt zugewandt – und trotz leerer Kassen eine ganze Reihe von Entwicklungen auf den Weg gebracht: ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr etwa, Bürgerbeteiligung zum Thema Soziale Stadt oder dezentrale Aktionsbüros, die bei der Arbeitsvermittlung helfen. Oder Holzminden: Bereits seit 1970 hat der Landkreis jeden siebten Einwohner verloren, innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte wird die Bevölkerung um weitere 15 Prozent schrumpfen. Der Landkreis hat sich entschlossen, dem demografischen Wandel mit einer gemeinsamen Strategie entgegenzutreten. Eine wichtige Rolle nehmen dabei auch die Bürgerstiftungen ein


wie die Stiftung KalkGestalten, die sich dem Wandel des Stadtteils vom Industriestandort in die postindustrielle Zeit widmet63 , oder die Bürgerstiftung Schwerte, die gemeinnützige, karitative und soziale Projekte fördert.64 Gemeinsam ist diesen Lösungsansätzen auf städtischer Ebene, dass sie möglichst viele Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen intersektoral an einem Tisch zusammenbringen – aus verschiedenen Behörden, Institutionen, Verbänden, Initiativen und Stiftungen. Politik und Verwaltung können dem komplexen Thema des demografischen

Wandels nicht allein begegnen. Sie müssen viele gesellschaftliche Gruppen auf dem Weg in die Zukunft mitnehmen. „Stadtverwaltungen können Rahmenbedingungen für Kreativität schaffen. Aber: der kreative Input wird vermutlich von anderen Partnern oder Außenseitern kommen“, schreibt die Darmstädter Schader-Stiftung, die sich in diversen Projekten mit schrumpfenden Städten, dem Wohnwandel oder Wohnen im Alter beschäftigt. „Stadtpolitiker müssen (...) einsehen, dass sie kein Monopol auf gute Ideen besitzen. Die Quellen des kreativen Umdenkens entspringen oft außerhalb der politischen Sphäre.“ 65

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen In Wahlkämpfen ist soziale Gerechtigkeit ein beliebtes Thema – bei Regierungs- wie Oppositionspolitikern. Vergleichsweise weniger häufig geht es um die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Denn viele Politiker denken in engen Zeithorizonten. Sie verfolgen eine kurzfristige Politik, deren Früchte sie am Ende ihrer Amtsperiode noch ernten können. So lautet zumindest die Analyse der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen, die die Ungerechtigkeit zwischen den Generationen kritisiert. Die Stiftung versteht sich als gemeinnütziges Forschungsinstitut an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, als interdisziplinär angelegte Denkfabrik. Mit ihren Publikationen und wissenschaftlichen Veranstaltungen zielt sie darauf ab, in Politik und Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Folgen des demo­grafischen Wandels zu schaffen. Der Stiftung angegliedert ist das Institut für demografische Zukunftsfähigkeit. Es forscht zu demografischen Themen wie Alterung und Schrumpfung, Entwicklung der Geburtenrate sowie Binnenmigration und ­Einwanderungspolitik. Seit 2006 vergibt die Stiftung alle zwei Jahre einen Demografiepreis. Das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro stammt von der Stiftung Apfelbaum. Im März 2010 wurde der Preis im Rahmen des Symposiums „Wo bleibt die Jugend? Chancen in schrumpfenden Regionen nutzen“ verliehen. Mit dem ersten Preis würdigte die Stiftung eine Arbeit mit dem Titel „Möglichkeiten und Chancen junger Menschen in schrumpfenden Städten“. Im Gegensatz zur gemeinhin negativen Sichtweise dieser Ausdünnungsprozesse legt der Autor den Schwerpunkt auf die dadurch entstehenden Chancen, die er anhand von sieben Politikfeldern wie zum Beispiel Ökologie, Infrastruktur und Wohnungswesen analysiert. Eine Kernthese: Gerade in schrumpfenden Städten ist zivilgesellschaft­ liches Engagement essenziell, die Bürger sind dort stärker gefordert sich einzubringen. Diese sogenannten „weichen“ Faktoren stellen in diesen Städten Chancen dar.

2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten

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Stadtumbau in Ostdeutschland Mit dem Thema Stadt und den konkreten Herausforderungen, denen urbane Gebiete gegenüberstehen, ist die Schader-Stiftung bestens vertraut. Seit 1988 bringt sie Gesellschaftswissenschaften und Praxis zusammen und schreckt nicht davor zurück, auch „heiße Eisen“ anzufassen. 2004 thematisierte sie zum Beispiel die „neue Sichtbarkeit von Armut und Ausgrenzung in der Stadt“. In einem Verbundprojekt mit dem Deutschen Städtetag und dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilien­unternehmen analysierte die Stiftung zwischen 2004 und 2007, wie sich Zuwanderer durch wohnungswirtschaftliche Instrumente besser in die Gesellschaft integrieren lassen, und gab den Verantwortlichen in Kommunalpolitik und -verwaltung neue und differenzierte Ansätze an die Hand. In dem Projekt „Stadtumbau Ost“ beschäftigte sich die Schader-Stiftung mit der Frage, wieso Städte in den neuen Bundesländern umstrukturiert werden müssen und wie sich das umsetzen lässt. Sie hielt fest, dass 13 Prozent des ostdeutschen Wohnungsbestands leer stehen. Das liegt sowohl an der Unbewohnbarkeit vieler Wohnungen als auch an der Abwanderung besonders der jungen Generation in westdeutsche Städte und das Ausland, vor allem aber in das Umland. In weiteren Schritten analysierten die Projektbeauftragen, welche Folgen ohne rechtzeitiges Gegensteuern zu befürchten sind: große finanzielle Einbußen für Hauseigentümer, gestörte Funktionsfähigkeit der Märkte, schließlich auseinanderbrechende Städte. Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsstruktur überprüfte das Projekt, welche Anforderungen die urbanen Zentren in Ostdeutschland in 20 Jahren erfüllen müssen, um zumindest eine Grundversorgung zu gewährleisten oder – in einem günstigeren Fall – den Zuzug wieder zu fördern. Eine Debatte mit Beiträgen aus Politik, Wohnungswirtschaft, Stadt- und ­Regionalentwicklung flankierte das Projekt.

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StiftungsReport 2010/11


Stiftungen initiieren und befördern viele Projekte, die sich mit dem demografischen Wandel und seinen sozialen Folgen befassen. Die Stiftung Bauhaus Dessau beispielsweise entwickelt in einer Ausstellung Visio­ nen, wie die Klein- und Mittelstädte Sachsen-Anhalts dem Schrumpfungsprozess begegnen und neue Lebensqualität entwickeln können.66 Eines der Schwerpunktthemen ist dabei die Frage möglicher Wohnformen in den kommenden Jahren. Die Wüstenrot Stiftung erforscht, wie Kommunen die Qualität der sozialen und technischen Infrastruktur sichern können.67 Die Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung widmet sich mit ihrem Projekt „Zwischenstadt“ Räumen, die man nicht den Kategorien Land, Stadt oder Vorort zuordnen kann, sondern sich dazwischen orientieren unter dem heute etablierten Begriff der Zwischenstadt. Gleich zwölf Wissenschaftler unterschiedlichster Diszipli­ nen – Politologen, Landschaftsarchitekten oder Kulturwissenschaftler – untersuchen diese ganz eigenen Räume.68 Eines der Schwerpunktthemen von Stiftungen, die sich mit Demografie beschäftigen, ist die Frage des Wohnens in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Die Stiftung Liebenau, selbst Betreiberin einer Reihe von Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bietet kosten­ lose Arbeitshilfen für Planer und Praktiker von neuen Wohnformen im Alter.69 Die ­Robert Bosch Stiftung widmet sich dem Thema Demenz und legt einen Schwerpunkt auf „Menschen mit Demenz in der Kommune“ (siehe Kasten Seite 36): „Aktion Demenz ist nicht nur als eine weitere Expertenrunde zum Thema angelegt – vielmehr soll zum Initiativwerden, zur Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern, zum sich Einmischen ,von unten‘ und zum zivilcouragierten Handeln angeregt werden.“ 70 Aber auch Fragen wie die Mobilitätskultur in einer alternden Gesellschaft 71 oder Architektur­f ragen 72 stehen im Fokus von Stiftungen.

Ausblick „150 Jahre lang ging es in erster Linie darum, dem Wachstum im wörtlichen Sinne Raum zu schaffen. Stadtplanung war Bauplanung. Heute muss Stadtplanung weit mehr beinhalten als physische Planung, nämlich vor allem Kultur-, Bildungs- und Sozialpolitik.“ 73 Was die Stadtentwicklungsprofessoren Häußermann, Läpple und Siebel fordern, ist vielleicht noch nicht in allen Stadtregierungen und Behörden angekommen. Doch an vielen Orten der Bundesrepublik diskutieren Fachleute mit engagierten Stadtteilbewohnern und Stiftungen organisieren Dialoge. Wie die Schader-Stiftung mit der Darmstädter Erklärung, die das Netzwerk Zuhause in der Stadt mit vielen gesellschaftlichen Akteuren wie dem Deutschen Städtetag, dem Bund Deutscher Architekten und Verbänden aus der Wohnungswirtschaft verabschiedet hat.74 Die zentrale Aussage: Komplexe Aufgaben erfordern gemeinsames Handeln. Viele Einzelpersonen, Initiativen und zivilgesellschaftliche Akteure engagieren sich in ihren Quartieren und Städten und arbeiten an der Frage: Wie wollen wir morgen leben? Neu ist, dass es nicht mehr nur Expertenkreise sind, die sich zuständig fühlen. An vielen Orten wollen die Bürger ihre Stadt mitgestalten – und das ist in der Frage, wie die schrumpfenden Städte von morgen aussehen sollen, wichtiger als Expertenwissen. Schließlich wissen die Bürger in der Regel am besten, wie sie ihr Zusammenleben organisieren wollen. Dass viele sich engagieren, ist ein beruhigendes Zeichen.

2 – Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten

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Kapitel 3

Grün, ressourcenschonend, energieeffizient: Die Stadt der Zukunft In den Städten anzusetzen erzeugt bei der Konzentration von Mensch, Produktion und Emission eine große Hebelwirkung.75 Die Klimaschutzstiftung Jena-Thüringen weist Städten beim Klimaschutz vier Rollen zu. Sie sind erstens Verbraucher und Vorbild, zweitens Planer und Regulierer, drittens Versorger und Anbieter und viertens Berater.76 Die Verantwortung für den Klimaschutz ist vielen Kommunen bewusst. Zahlreiche Städte haben ehrgeizige Emissionseinsparungen als Ziel formuliert. Der Stadtrat von München zum Beispiel hat die Halbierung der Emissionen bis 2030 beschlossen. „Dieses Ziel lässt sich mit heute bekannten Technologien erreichen und sogar übertreffen“, hat das Wuppertal Institut in seiner Studie im Auftrag der Siemens AG ­errechnet.77

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StiftungsReport 2010/11

Wärmelehre im Schülerlabor Vom Energiepass bis zum „autarken“ Haus der Zukunft: Die richtige Wärmedämmung spart nicht nur enorm viel Geld, sondern ist auch ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz. Mit der „Pudelmütze fürs Haus“ beschäftigen sich seit Februar 2010 Schüler der Klassen 9 und 10 in einem Projekt im Alfried Krupp-Schülerlabor an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) – passend zum Wissenschaftsjahr 2010 „Die Zukunft der Energie“. Rund um Wärmedämmung, -kapazität und -leitung lernen sie spannende Zusammenhänge kennen und können ihr Wissen praktisch anwenden. Die Alfried Krupp von Bohlen und HalbachStiftung stellte 2001 fünf Millionen Mark für die Einrichtung des Labors zur Verfügung, die RUB trug die Baukosten und stellt das Personal. Das 2004 eröffnete Labor schlägt eine Brücke zwischen Schulwissen und aktueller Forschung.


Städte bedecken rund 2 Prozent der Erdoberfläche, Stadtbewohner verbrauchen jedoch 75 Prozent der Energie und verursachen 80 Prozent 78 aller Kohlendioxid-Emissionen (CO2 ).79 Es steht deshalb außer Frage, „dass der Klimaschutz vor allem in den Städten beginnen muss“, sagt Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Hier müssen die Weichen gestellt werden, wollen EU und Bundesregierung ihre Verpflichtungen – 20 Prozent weniger Emissionen bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990, Halbierung bis 2050 – einhalten.

Foto: picture alliance

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3 – Die Stadt der Zukunft


Es ist also weniger die Frage, ob die „fossilen“ Städte in emissionsarme transformiert werden können. Vielmehr steht im Vordergrund, wie schnell und durch welche Mittel diese Wandlung vonstatten gehen kann und welche Konsequenzen das für die Bürger nach sich zieht. „Um die ambitionierten CO2 -Reduktionsziele zu erreichen, müssen die Bürger ihr Verhalten nicht grundsätzlich ändern“, resümiert das Wuppertal Institut, sofern sie stärker als bisher in umweltfreundliche Technik investierten und umweltfreundliche Verkehrsmittel benutzten. 80 Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für

Klimafolgenforschung widerspricht: „Eine Reduktion um etwa 80 Prozent bis 2050 ist nötig. Das ist durch ein paar Zentimeter Wärmedämmung hier oder zwei, drei Energiesparlampen da nicht zu machen. Wir brauchen eine dritte industrielle Revolution, wir brauchen den Übergang in eine Low ­Carbon Economy 81 (…) und diese braucht eine Low Carbon Culture.“ 82 Zwischen diesen beiden Antipoden bewegt sich die Diskussion unter Bürgern und Experten. Drastisch reduziert werden können die Emissionen – da sind sich alle einig – bei Gebäuden, der Energieversorgung und im Verkehr.

Endenergieverbrauch in Deutschland nach Sektoren (in Prozent) Quelle: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) 2008

Gewerbe

Industrie

Verkehr

Haushalte

Raumwärme 75 %

13 % Elektrogeräte und Beleuchtung

44

16 %

26 %

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28 %

30 %

12 % Warmwasser


3.000.000 t 5.500.000 t 11.500.000 t

Gewerbe, Handel, Dienst­ leistungen

Industrie

private Haushalte

5

Wirtschaftliche Strom­ einsparung bis 2020 in Terawattstunden pro Jahr und daraus resultierende Kohlen­dioxid-Reduktion nach S ­ ektoren (ohne ­Verkehr, ­Basisjahr 2003) Datengrundlage: Deutsche EnergieAgentur GmbH (dena) 2007

10 15 20 25 Terawattstunden/ Jahr

Private Haushalte haben das größte ­Einsparpotenzial beim CO2-Ausstoß Um den CO2-Ausstoß in Deutschland zu reduzieren, muss Energie deutlich effizienter eingesetzt werden. Allein in privaten Haushalten kann der jährliche Stromverbrauch mit wirtschaftlichen Maßnahmen bis 2020 um 23 Terawattstunden gesenkt werden. Außerdem wird der Energieverbrauch der Heizung häufig unterschätzt: Mit 87 Prozent verbrauchen die deutschen Haushalte die meiste Energie für die Erzeugung von ­Wärme.

45

Quelle: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) 2007 und 2008

3 – Die Stadt der Zukunft


Gesetzliche Anforderungen an den Wärme­ schutz und an das energiesparende Bauen gibt es in Deutschland seit über 50 Jahren Die erstmals 1977 erlassene Wärmeschutzverordnung (WSVO) wurde in den folgenden 18 Jahren zweimal verschärft und 2001 in die Energieeinsparverordnung überführt. Die ­Novellierungen haben den mittleren Heizenergiebedarf für Neubauten von ehemals über 200 kWh/m2a auf unter 100 kWh/ m2a gesenkt. Bis die Baupraxis wissenschaftliche Erkenntnisse aufgreift und im Baualltag umsetzt, ­dauert es circa fünf bis zehn Jahre.

Nochmals der gleiche Zeitraum ist nötig, bis so ­umfassende Erfahrungen vorliegen, dass das dabei geschaffene neue energetische Niveau als Mindeststandard verordnet werden kann. Am 1. Oktober 2009 ist die neue Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) in Kraft getreten. Die energetischen Anforderungen bei Neubauten und bei wesentlichen Änderungen im Gebäudebestand werden um durchschnittlich 30 Prozent erhöht. Zusätzlich wurden Anreize für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien geschaffen und bestimmte Nachrüstpflichten in Altbauten vorgesehen.*

Entwicklung der mittleren Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von neu errichteten Wohngebäuden im Verhältnis zur Umsetzung in der Baupraxis und zum Forschungsverlauf kWh/m2 a 300 Mindestanforderungen (WSVO/EnEV) Baupraxis Forschung (Demovorhaben)

250 200 150

Solarhäuser

100 50

Niedrigenergiehäuser 3-Liter-Häuser

0

Null-Heizenergiehäuser

– 50 1980

1985

1990

1995

2000

Plusenergiehäuser 2005

2010

Quelle: Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Juli 2009) * Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2009): Energieausweis für Gebäude – nach Energieeinsparverordnung (EnEV 2009), Informationsbroschüre des BMVBS

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StiftungsReport 2010/11

2015


Die Gebäude in der Stadt Gebäude produzieren nach Angaben der Wüstenrot Stiftung annähernd 40 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen. 83 Dazu tragen private Haushalte mehr als zwei Drittel bei, der Rest verteilt sich auf Industrie- und Verwaltungsbauten, so ­Philipp Oswalt, Leiter der Stiftung Bauhaus Dessau in einer kürzlich erschienenen Publikation der Heinrich-Böll-Stiftung. 84 Würde München flächendeckend den Passivhausstandard einführen, könnten die Emissionen um 400.000 Tonnen CO2 auf ein Zehntel der heutigen Emissionen reduziert werden. Bislang werden in München im Jahr 0,5 Prozent aller Gebäude energetisch saniert. Das ist eine im Vergleich zu anderen Städten hohe Quote. Es müssten trotzdem vier Mal so viele sein, wollte die bayrische Metropole ihre Einsparziele erreichen. Investieren müssten freilich vor allem die privaten Eigentümer in die Sanierung bestehender Gebäude. Die Kosten dafür sind jedoch gewaltig. Eine energetische Sanierung aller Münchner Gebäude nach Passivhausstandard fiele gegenüber einer Sanierung gemäß der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) 13 Milliarden Euro teurer aus. 85 „Die langfristigen Interessen der Gesellschaft vertragen sich jedoch nicht mit den kurzfristigen Interessen von Investoren“, sagt Philipp Oswalt, der sich schon seit Anfang der 90er Jahre mit neuen Techniken des energiesparenden Bauens auseinandersetzt. 86 Hemmnisse für eine „wohltemperierte Architektur“ 87, wie Oswalt sie nennt, gibt es viele. So befinden sich 14 der 17 Millionen Wohngebäude in privater Hand, davon wiederum ein großer Teil Ein- und Zweifamilienhäuser im Eigentum von über 60-Jährigen. „Hier gibt es also demografische Restriktionen. Diese Gruppe hat auch alternative Präferenzen, das vorhandene

Hohe Kosten und lange Kapital­bindung bei der Sanierung schrecken die ­Bevölkerung ab Der lange Zeitraum zwischen Investition und Ertrag ist ein zentrales Hindernis für Gebäudesanierungen. Sanierungen zur Energieeinsparung sind jedoch Investitionen in die Zukunft und amortisieren sich häufig erst nach mehr als zehn Jahren. Nur 3 Prozent der Eigentümer und Mieter wären bereit, in derartige Sanierungen zu investieren oder eine Umlage auf die Miete zu akzeptieren, wenn sich die Investition erst nach zwölf oder mehr Jahren rechnet.

Bereitschaft zu Sanierungsmaß­nahmen, bei zeitlich versetztem Ertrag Nein, ich würde nicht ­ sanieren

Ja, wenn es sich innerhalb von acht Jahren ­bezahlt macht 18

25

weiß nicht/ keine Angaben 7 3

47 Ja, wenn es sich innerhalb von fünf Jahren bezahlt macht

Ja, wenn es sich innerhalb von zwölf Jahren bezahlt macht

Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007): CO2 Gebäudereport.88

47

3 – Die Stadt der Zukunft


Geld einzusetzen, noch dazu, wenn sich die Amortisationen erst in 10 oder 15 Jahren ergeben“, sagt Georg Adlbert, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung. 89 Schließlich müsste die Energieberatung in Deutschland verbessert werden; hier hat die Wüstenrot Stiftung zurzeit eine Evaluationsstudie in Auftrag gegeben. Hinzu kommt das Eigentümer-Mieter Dilemma. Bislang tragen die Mieter die Kosten für Wärme, Wasser und Energie. Ökonomisch gesehen gibt es für Eigentümer deshalb kaum Gründe, die Häuser energetisch zu sanieren. Es sei denn, die Investitionen lassen sich auf die Miete aufschlagen. Das aber ist gerade in Regionen mit schrumpfender Bevölkerungszahl keineswegs ­selbstverständlich.90 Die Kommunen können dieses Dilemma kaum auflösen, weil das Mietrecht zu ändern Bund und Ländern obliegt. Sie können aber wie München die unterschiedlichen Akteure – Wohnungsbaugesellschaften, Eigentümerorganisationen, Mietervereine – an einen Tisch holen. „Wir arbeiten gerade an einer Münchner Sanierungs-Vereinbarung, die Mieterinnen und Mietern garantiert, dass ihre finanzielle Belastung, die sich aus der „Kaltmiete“ und den Heizkosten zusammensetzt, nach einer energetischen Sanierung nicht steigen wird. Die Vermieterinnen und Vermieter bzw. die Investoren können zwar die Kaltmiete völlig korrekt in angemessenem Umfang anheben. Durch die garantierten niedrigeren Heizkosten gleicht sich dies aber aus“, sagt Matthias Sinn, im Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt zuständig für den Klimaschutz.91

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StiftungsReport 2010/11

Modernisierungsverpflichtung: Ja oder nein? Die Bevölkerung ist geteilter Meinung hinsichtlich der Einführung von Sanierungsverpflichtungen zum Klimaschutz. 29 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass es eine Modernisierungsverpflichtung geben sollte, 32 Prozent sind zumindest dann dafür, wenn es sich für den Hausbesitzer rechnet. Einstellung zur Modernisierungs­ verpflichtung für Häuser zum Schutz des Klimas keine Angaben Ja, auf jeden Fall 29

2

Nein, sie sollten nicht dazu verpflichtet werden

37

Ja, aber nur, wenn es sich für ihn rechnet

32

Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007): CO2 Gebäudereport.88


Stiftung Stadtökologie Nürnberg: Energiemanagement im Geschoss­wohnungsbestand Die Stadt Nürnberg, das Evangelische Siedlungswerk, Brochier Haustechnik, AEG, Obi Baumarkt Franken und die wbg-Nürnberg gründeten 1996 die Stiftung Stadt­ ökologie Nürnberg. Die Stiftung konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte: die Energieeffizienz in der Wohnungswirtschaft der Metropolregion Nürnberg und die Öffentlichkeitsarbeit für Hauseigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie kleinerer Mehrfamilienhäuser im Raum Nürnberg. 2006 erarbeitete die Stiftung Stadtökologie Nürnberg den Leitfaden „Energie­manage­ ment im Geschosswohnungsbestand“, der sich an Wohnungsunternehmen, Hausverwaltungen und Hauseigentümer richtet. Darin wird erklärt, anhand welcher Kriterien sich die energetische Qualität von Wohngebäuden messen lässt und welche Kosten die Diskrepanz von Energiebedarf und -verbrauch nach sich zieht. Die B ­ roschüre zeigt Vermietern, in welche Energieheizklasse ein Haus fällt, wann Handlungsbedarf besteht und unter welchen Umständen Häuser zu modernisieren sind, je nachdem, ob es sich um marktkonforme oder sanierungsbedürftige Wohnungen handelt. Sie gibt ­Mietern Hinweise, wie sich die Kosten optimieren lassen, wie geheizt werden kann, ohne dass Energie verschwendet wird oder sich Schimmel bildet.

Ferner können Kommunen mit Hilfe finan­ zieller Anreize auf die Sanierung von Alt­gebäuden und den Bau von Häusern Einfluss nehmen. Die Bundesregierung hat dafür zwischen 2006 und 2009 6,7 Milliar­ den Euro zur Verfügung gestellt, in den ­Jahren 2010 und 2011 sollen es jeweils 1,5 ­Milliarden Euro sein. Einige Kommunen haben eigene Förderprogramme aufgelegt, vielen Städten fehlt jedoch dazu das Geld. Schließlich gehen zahlreiche Städte bei ihren eigenen Gebäuden mit gutem Beispiel voran, zum Beispiel die Stadt Lohr am Main: Statt ihr marodes Schul- und Sportzentrum aus den 70er Jahren abzureißen, modernisiert die Stadt mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt die Gebäude und verbraucht dadurch 80 Prozent weniger Energie. Außerdem können Städte über Flächennutzungs- und Bebauungspläne ökologisch sinnvolle Vorgaben machen.

Die Versorgung mit Energie Städte werden in ihrer Struktur, Ökonomie und Wachstumsdynamik stets von den in der Epoche vorherrschenden Energiesystemen geprägt.92 Bis heute herrschen fossile Energieträger vor. Entsprechend hoch sind die Treibhausgas-Emissionen. In München beispielsweise verantworten Energieherstellung und -konsum 39 Prozent der Emissionen. Ohne bewusstes Gegensteuern wird dieser Anteil größer werden. Zum einen steigt der Energieverbrauch, weil Unternehmen mehr produzieren und Bürger immer mehr elektronische Geräte kaufen. Zum anderen wird der Strom aus fossilen Energieträgern gewonnen.93 In Zukunft muss die Energie deshalb effizienter produziert und konsumiert, fossile Energieträger müssen

3 – Die Stadt der Zukunft

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durch erneuerbare ersetzt werden. Das geht nur, wenn Städte, ihre Bürger und vor allem auch die ansässigen Unternehmen ihren Energieverbrauch drastisch drosseln. Das ist nicht einfach. In der Region Hannover zum Beispiel gibt es fast 50.000 Unternehmen, 95 Prozent davon kleine mittelständische Unternehmen, die nicht über EnergieFachleute verfügen.94 Technische Möglichkeiten, Energie einzusparen oder zu gewinnen, gibt es sehr viele. Nur ein Beispiel: Durch transparente Wärmedämmung können mit Hilfe der Sonneneinstrahlung bis zu 100 kWh pro

Quadratmeter und Jahr gewonnen werden. Gleichzeitig schützt die Dämmung hinter den Glasfronten arbeitende Menschen vor Hitze und direkter Sonneneinstrahlung. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert die Entwicklung dieser Technik und weiterer Innovationen durch die mittelständische Wirtschaft. Seit den 1990er Jahren investiert die Stiftung zum Beispiel in den Umbau der ostdeutschen Stadt Ostritz zur „Energieökologischen Modellstadt“. „Wir wollen zeigen, dass Investitionen in Innovationen sich ökonomisch wie ökologisch rechnen“, sagt Franz-Georg Elpers, Pressesprecher der Stiftung.

Energie-ökologische Modellstadt Ostritz-St. Marienthal Einen ökologischen Traum haben die Stiftung Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal, die Stadt Ostritz und die Abtei St. Marienthal realisiert. Die Stadt Ostritz kann ihren Gesamtbedarf an Energie aus vier erneuerbaren Energiearten ­decken. Kann, denn niemand wird gezwungen, auf regenerative Energie umzustellen. Die Wandlung zur Ökostadt hätte wohl kaum jemand zu prognostizieren gewagt. Zu DDR-Zeiten war die Gegend vom Braunkohleabbau geprägt, wurde wegen der schlechten Luft und der verseuchten Neiße als „schwarzes Dreieck“ bezeichnet. Mit drastischen Anstrengungen gelang der Schritt in eine saubere Zukunft. Die alten Industriebetriebe wurden geschlossen. Konsequent setzte Ostritz auf erneuerbare Energien. Von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Freistaat Sachsen ­erhielt sie dafür Förderungen in Millionenhöhe. In zwei Phasen machten die beteiligten Träger und die Bürger aus der Stadt ein energie-ökologisches Vorzeigemodell. Die technische Umsetzung erfolgte von 1996 bis 2000. Ein Biomasseheizkraftwerk, das mit Restholz aus lokalen Schreinereien und Sägewerken betrieben wird, nahm seine Arbeit auf. Ein privater Investor errichtete neun Windräder. Die Staustufe des alten Zisterzienserklosters wurde als Wasserkraftwerk reaktiviert. Auf öffentlichen Gebäuden installierte Sonnenkollektoren begannen Wasser zu erhitzen und Strom zu erzeugen. Die Projektträger wollen die Menschen mitnehmen, sie begeistern. An der Feuerwehrwache haben sie daher eine öffentliche Tafel angebracht, die angibt, wie viel Energie die Solarzellen produzieren. 50

In einer zweiten Projektphase (2006-2008) rückten wirtschaftliche, ökologische, soziale und kulturelle Aspekte ins Zentrum. Jeder Einwohner konnte im Zuge der ­Aktion „Ostritz wird grün“ seinen eigenen Baum pflanzen und eine Baumpatenschaft übernehmen, mittlerweile haben viele Bürger Photovoltaikanlagen auf ihre Häuser gesetzt.

StiftungsReport 2010/11


Dezentrales Blockheizkraftwerk

Großkraftwerk

+ 51 %

Nahwärme

Übertragung

+ 35 %

100 %

–3%

– 10 %

Strom + 36 %

–2%

100 %

– 62 %

Strom

Übertragung Umwandlung Quelle: Petermann (2006)95

Blockheizkraftwerke: Stadtteile und ­Wohngebiete effizienter und dezentral mit Energie versorgen

Umwandlung

Aktuell haben die deutschen Großkraftwerke einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von lediglich 36 Prozent und über 60 Prozent der Energie gehen als Abwärme verloren. Ganz anders sieht es bei dezentralen Blockheizkraftwerken mit Kraft-WärmeKopplung aus, die Gesamtwirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen und besonders sinnvoll bei der Wärmeversorgung von Stadtteilen sind. Die Allianz Umweltstiftung gibt in ihren „Informationen zum Thema Klimaschutz“ 96 allerdings zu bedenken: „Wenn in den nächsten Jahrzehnten alte Kohlekraftwerke durch neue ersetzt werden, zementiert das aber nur den aktuellen Strommix. Für erneuerbare Energien ist dann kaum mehr Platz.“

3 – Die Stadt der Zukunft

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Auch private Haushalte können viel tun. In ihrer jüngsten Publikation zum Klimaschutz rechnet die Allianz Umweltstiftung vor: Ohne Komfortverlust lassen sich im Privatbereich durch den sorgsamen Umgang mit Energie bis zu 10 Prozent sparen.96 Ein VierPersonen-Haushalt, der Energie bewusst nutzt, produziert im Jahr 7,6 Tonnen CO2, ein unachtsamer Vier-Personen-Haushalt hingegen 12,5 Tonnen.97 Bisher beziehen viele Städte ihre Energie zentral von den vier großen Stromversorgern (E-ON, Vattenfall, RWE, EnBW) und deren – größtenteils – fossilen und nuklea­ ren Großkraftwerken. Der Nutzungsgrad solcher zentralen (Kohle-)Kraftwerke liegt im Durchschnitt bei 38 Prozent, während dezentral installierte Blockheizkraftwerke durch die Kopplung von Wärme und Strom die eingesetzte Primärenergie bis zu 90 Prozent nutzen.98 Mit dieser Technologie allein lassen sich 40 Prozent Primärenergie einsparen. Auf die Energieproduktion haben die meisten Städte – sofern sie nicht über Stadtwerke verfügen – jedoch keinen Einfluss. „Kommunaler Klimaschutz ist ohne kommunale Stadtwerke nicht machbar“, sagt Stephan Weil, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen.99 Viele Kommunen haben ihre Stadtwerke in der Vergangenheit verkauft, sagt Jens Lattmann, Umweltdezernent beim Deutschen Städtetag. Nun besinnen sich immer mehr Städte auf deren Vorteile. So hat im Dezember 2009 ein Konsortium deutscher Städte die mit 110 Unternehmen größte kommunale Energie- und Wassergruppe Thüga von der E-On AG zurückgekauft.

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StiftungsReport 2010/11

Viele Stadtwerke setzen im Auftrag der Städte verstärkt auf erneuerbare Energieträger und investieren in Offshore-Windparks, in Biogasanlagen und Biomasseheizkraftwerke wie die Stadtwerke Jena (die darüber hinaus die Klimaschutzstiftung Jena ins Leben riefen) oder in solarthermische Großprojekte.100 Die Investitionen in eigene Stadtwerke versprechen nicht nur ökologische Vorteile, sondern erwirtschaften auch einträgliche Renditen. Und sie schaffen regionale Arbeitsplätze und Kauf­kraft. Viele Bürger forcieren deshalb eine kommunal eigenständige Entwicklung. Wie erfolgreich so ein Engagement sein kann, zeigt das Beispiel Schönau. Als Reaktion auf den Reaktorunfall in Tschernobyl gründeten Bürger der Schwarzwaldstadt erst eine Bürgerinitiative und später die Elektrizitätswerke Schönau. Diese beliefern heute bundesweit mehr als 85.000 Kunden, darunter Unternehmen wie der Schokoladenhersteller ­Alfred Ritter GmbH & Co. KG, mit erneuerbarer Energie. Im bayrischen Bad Tölz wiederum hat sich die Bürgerstiftung Energiewende Oberland mit dem Ziel gegründet, innerhalb der nächsten 30 Jahre die beiden Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach komplett mit erneuerbaren, regional erzeugten Energien zu versorgen.


Die Zukunft in den Kommunen: ­Fahrradverkehr und öffentliche ­Verkehrsmittel fördern

Verkehr Der Verkehr trägt 18 Prozent zu Deutschlands Emissionen bei. Seit 1990 sind die Emissionen im Verkehr um 36 Prozent gestiegen.101 Würden die Bundesbürger doppelt so viel laufen und Fahrrad fahren wie bisher und dafür ihr Auto stehen lassen, sparte das allein 5,5 Millionen Tonnen CO2 ein.102 In die Infrastruktur für Fahrradfahrer und Fußgänger zu investieren, ist für Kommunen zudem die billigste Variante. Gerade hier tut sich viel. Zahlreiche Städte bauen ihr Fahrradnetz aus. Außerdem entstehen großflächige Fahrradverleih-Systeme, die den ÖPNV vorteilhaft ergänzen.

Kommunalpolitik sollte sich stärker mit dem Thema Fahrradverkehr auseinandersetzen: Das wünschen sich laut einer aktuellen Studie 72 Prozent der Deutschen für ihren Wohnort. Mehr als 40 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die öffentliche Hand müsse vor allem im Bereich öffentliche Verkehrsmittel investieren. Ein Viertel der Befragten wünscht sich Investitionen in Fahrradwege.

Öffentliche Investitionspräferenz

Radverkehr auf Kommunalebene

„In welchen Verkehrsbereich sollte die ­öffentliche Hand in Zukunft mehr Geld ­investieren?“ ­(in Prozent, Mehrfachantworten möglich)

„Sollte sich die Kommunalpolitik in Ihrem Wohnort stärker mit dem Thema Radverkehr beschäftigen?“ ­(in Prozent)

Öffentliche Verkehrsmittel Straßenbau 28 Fahrradwege 25 Parkmöglichkeiten für Autos 12 Bahn-Fernverkehr 9 Fußgängerzonen 8 Verkehrsberuhigte Bereiche 8 Abstellmöglichkeiten für Fahrräder 7 Auto 4 Ausbau von Flughäfen 1

keine Angabe 42

sicher nicht 8 eher nicht

4

Ja sicher 35

16

37 eher schon

Quelle: ADFC-Monitor (2009): Fahrradland Deutschland. Sinus Sociovision, 2000 telefonische Interviews.

3 – Die Stadt der Zukunft

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Eine kluge Verkehrsplanung birgt große Einsparpotenziale. „Mithilfe intelligenter Raumund Verkehrsplanungen in Ballungszentren können wir sehr viel mehr Emissionen einsparen als durch Elektroautos“, sagt der Verkehrsexperte Armin Wagner von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ).103 Dazu gehört die Verdichtung der Städte mit kurzen Wegen zu Fleischer und Bäcker. Hat man vor 30 Jahren die Trennung von Arbeit und Wohnen betrieben und damit für eine erhebliche Zunahme des Verkehrs gesorgt, müssen Wohnen und Arbeiten wieder zusammengeführt, der Wohnraum verdichtet werden. Darüber hinaus muss der öffentliche Nahverkehr gegenüber dem privaten Autoverkehr gestärkt werden.104 In der Münsteraner Erklärung von 2009 haben sich zahlreiche Bürgermeister dazu bekannt, den Anteil des Nahverkehrs auf 60 Prozent zu steigern.105 Dieser liegt in deutschen Kommunen weit darunter, obwohl viele Städte bereits große Summen in den Nahverkehr investiert haben. Beispiele aus der Schweiz zeigen, dass der Ausbau des Nahverkehrs besonders erfolgreich ist, wenn dieser mit Einschränkungen für den privaten Autoverkehr einhergeht. Dazu gehören Stellplatz- und Zufahrtsbeschränkungen, aber auch City-Mauts.106 Abgesehen von rechtlichen Unwägbarkeiten, gelten diese Maßnahmen als unpopulär. Nach wie vor ist das Auto vielen Bürgern Fortbewegungsmittel und mobiles Wohnzimmer. Wie sich die individuelle Mobilität entwickeln wird, darüber gibt es unterschiedliche Vorhersagen. Während die Verkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für 2025 ein weiteres Anwachsen des Autover54

kehrs und eine Abnahme der mit Fahrrad und zu Fuß zurückgelegten Strecken prognostiziert, ergibt die Verkehrsprognose der Länder Berlin und Brandenburg ein anderes Bild. Für beide Länder sagt die Studie einen stark zunehmenden Radverkehr und einen sinkenden Autoverkehr voraus.107 Zu der Prognose für Berlin passt, dass Verkehrsexperten gerade bei jungen Menschen in Ballungszentren einen differenzierteren Umgang mit Automobilen beobachten.108 Dadurch entstehen Spielräume für neue Ansätze. Car-Sharing-Unternehmen zum Beispiel vermelden nicht nur in Hamburg enorme Zuwachszahlen. Konzepte des Auto­ teilens gibt es viele. In Ulm beispielsweise testet der Autohersteller Daimler das Modell Car2Go, bei dem die Nutzer das Auto – im Gegensatz zu Autovermietungen – weder abholen noch abgeben müssen. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, könnten sich Autokonzerne langfristig zu Mobilitätsanbietern wandeln.

Teile und fahre: In Tübingen machen immer mehr Bürger beim ­Car-Sharing mit Wer das Auto mit anderen teilt und auf den Privat-PKW verzichtet, erspart sich Reparaturen und Parkplatzgebühren – und der Umwelt jede Menge CO2. Den Tübinger teilAuto-Nutzern stehen mehr als 60 Fahrzeuge an über 40 Stationen zur Verfügung. Das Unternehmen ist eingebunden in die Kampagne „Tübingen macht blau“ 109 und verzeichnet einen hohen Zuwachs. Seit März 2010 hat teilAuto 1.400 Mitglieder. Quelle: teilAuto Tübingen (2010)

StiftungsReport 2010/11


=

+

+

+

+

+

+

(ein Car-Sharing-Fahrzeug kann vier bis zehn private PKW ersetzen)

Zahl der teilAuto-Nutzerinnen und -Nutzer = 100 Nutzer/Nutzerinnen

2007

2008

2009

2010

880

1.040

1.180

1.400 55

3 – Die Stadt der Zukunft


Eine wichtige Rolle in der Zukunft werden auch Elektroautos spielen. Ihre Vorteile liegen auf der Hand. Ein nahezu CO2 -frei betriebener Elektromotor sowie ein feinstaubfreier Personen- und Lieferverkehr versprechen ein gesünderes Stadtklima. Außerdem können die vielen hunderttausend Batterien Stromproduzenten als Zwischenspeicher dienen, die den Bedarf an Stand-by-Kraftwerken für die Spitzenlast reduzieren. Die notwendige Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen im Transportbereich ist bisher jedoch nur eine Option für die Zukunft. So ist die Technologie weder ausgereift noch beim heutigen fossilen Energiemix wirklich umweltfreundlicher. Die notwendige schnelle Reduktion verkehrsbedingter CO2 -Emissionen kann deshalb nur mithilfe sparsamer herkömmlicher Fahrzeuge und weniger gefahrener Kilometer gelingen.

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Technologische Entwicklungen können wichtige Impulse bei der Reduzierung der Emissionen geben. Eine emissionsarme Mobilität braucht darüber hinaus jedoch einen Paradigmenwechsel hin zu einer „freien Fahrt“ für Fußgänger, Radfahrer, öffentlichen Nahverkehr und Car-SharingSysteme. Damit diese zusammenwirken, ein Mobilitätssystem aus einem Guss abbilden können, müssen alle Verkehrsteilnehmer und Mobilitätsanbieter zusammenwirken. Verhaltensveränderungen erreicht man nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit bedienerfreundlichen und sicheren Alternativen, die den Wünschen der Bürger entsprechen. Auch Begrenzungen des Autoverkehrs oder die Einführung von Straßengebühren können eine Option sein. Derlei Einschränkungen rühren in Deutschland jedoch an Tabus. Die Bürger müssen deshalb in die Entscheidungen integriert werden. Es ist eine Aufgabe für langfristig denkende Kommunen.110

StiftungsReport 2010/11

Emissionsarme Stadt – Chancen und Herausforderungen Einige Städte haben sich genau wie München ehrgeizige Emissionssenkungen zum Ziel gesteckt. So will die Stadt Freiburg bis 2030 ihre klimaschädlichen Emissionen um 40 Prozent senken, Hannover und Hamburg wollen das gleiche – bezogen auf 1990 – schon bis 2020 erreichen. Unter dem Motto „Tübingen macht blau“ möchte die Universitätsstadt bis Ende 2010 den C ­ O2 -Ausstoß

< 1,0 °C 0 –2 –4 –6 –8 – 10 – 12 – 14 – 16 – 18 – 20 – 22 – 23,1 °C


Das Infrarotbild bringt es an den Tag: ­Einsparpotenziale im Wärmebereich Es sind die Ritzen an den Fenstern. Die dünnen Backsteinwände der Nachkriegszeit. Die Wärmebildkamera entdeckt sie alle: Energieschwachstellen unsanierter Gebäude. Sie nimmt die unterschiedliche Wärmestrahlung aller Bauteile auf und gibt diese farblich wieder: Gelb, rot oder weiß für hohe Oberflächentemperaturen, grün bis blau für niedrige. Gut zu sehen: Über die Fenster entweicht besonders viel Energie.

Foto: picture alliance

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3 – Die Stadt der Zukunft


um 10 Prozent senken.111 Alle fünf Städte ­haben umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet und engagieren sich ideell und finanziell für den Klimaschutz. In vielen anderen Städten existieren jedoch weder Klimaziele noch ist der Klimaschutz in den wichtigen klimarelevanten Verwaltungsbereichen integriert, so das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: „In nur sieben der befragten 56 Kommunen gibt es Energie- oder Klimaschutzbeauftragte, welche die Aktivitäten der Verwaltung übergreifend koordinieren.“112 Klimaschutz kostet Geld. Kommunale Investitionen in diesem Bereich sind aus rechtlicher Sicht jedoch häufig „freiwillige Aufgaben“. Diese rücken in den Hintergrund, wenn selbst die Pflichtaufgaben kaum erfüllt werden können. Darüber hinaus unterliegen viele Kommunen der „Haushaltssicherung“ und dürfen über ihre freiwilligen Aufgaben, also auch den Klimaschutz, nicht mehr entscheiden. Damit fallen zahlreiche Fördermittel von Bund und Ländern weg, für die die Kommunen einen Eigenanteil leisten müssen.113 Das heißt aber auch: Wenn Städte und Kommunen mehr für den Klimaschutz tun sollen, dann müssen diese Herausforderungen zur Pflichtaufgabe gemacht und die Kommunen dafür von Bund und Ländern finanziell besser ausgestattet werden. Ohnehin kann der Wandel zur CO2 -neutralen Stadt nur gelin-

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StiftungsReport 2010/11

gen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, das Thema in der Verwaltung, vor allem aber auch in der Gesellschaft hohe Priorität genießt. Bürger und Initiativen müssen den Transformationsprozess unterstützen und können, so Jens Lattmann vom Deutschen Städtetag „über ihr aktives Verhalten sehr viel bewegen“. Stiftungen befördern diese Prozesse auf vielfältige Weise. In der Oberstdorfer Erklärung von 2007 114 bekennen sich die deutschen Umweltstiftungen zu einem effektiven Klimaschutz. Sie unterstützen die Bundesregierung bei ihren Klimaschutzzielen, investieren wie die Selbach-Umwelt-Stiftung in den eigenen Organisationen in Energiesparen und Energieeffizienz. Gleichzeitig fördern zahlreiche Stiftungen technologische Entwicklungen von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. So unterstützt die Rud.Otto Meyer-Umwelt-Stiftung Forschungen im Themengebiet Energie und Gebäude. Die Wüstenrot Stiftung unterhält Projekte zur Brennstoffzellentechnologie und befasst sich mit den Perspektiven der Wasserstoffwirtschaft. Außerdem präsentierte sie 2008 mit Hilfe des Wettbewerbs „Energieeffiziente Architektur“ und der daraus resultierenden Wanderausstellung eine Vielzahl von praktischen Lösungen bei Neubauten und bestehenden Gebäuden.


Information und Aufklärung: 3 Projekte

1

Die Selbach-Umwelt-Stiftung fördert Umweltbildungsprojekte für Kinder und Erwachsene und unterstützt nachhaltige Handlungsansätze. Ferner organisiert sie Tagungen, Workshops und Vortragsreihen. Mit der Schweisfurth-Stiftung, der Bürgerstiftung Zukunftsfähiges München und dem oekom e.V. veranstaltet sie seit 2005 das „Münchner Forum Nachhaltigkeit“, eine Vortragsreihe zu zentralen Fragen des Umweltschutzes. Renommierte Experten zeigen dabei Linien einer vernünftigen Klimaschutzpolitik auf, diskutieren Begriffe wie nachhaltiges Investment, informieren über „Mythen der Atomkraft“. Ein weiteres Projekt der Selbach-Umwelt-Stiftung ist die vierteilige Radiosendung „Klimaschutz von unten“, die 2010 im Münchner Lokal­ radio LORA ausgestrahlt wird. Die Sendung informiert unter anderem über die beachtlichen Möglichkeiten, im Haushalt, bei Einkauf und Transport Energie zu sparen.

2

Auf Natur in urbanen Gegenden aufmerksam machen will die Stiftung Natur schutz Berlin mit dem „Langen Tag der StadtNatur“. Die Liste der Angebote reicht von einer Führung zu den Mauerseglern im Volkspark Hasenheide über Kreuzberger Wildgärten und eine Veranstaltung über ländliche Lebensweisen in der Stadt bis hin zu Industriebrachen als Naturrefugium in Steglitz und fahrenden Bienenstöcken in Reinickendorf. Viele Angebote sind auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt und sollen deren Bewusstsein für Natur und Umwelt wecken.

3

Darüber, wie sich Energie effizienter nutzen lässt, informiert die Koblenzer Martin Görlitz Stiftung. Die vielfach ausgezeichnete Stiftung bietet in der Jugend­ werkstatt „Energie & Technik“ mannigfaltige Gelegenheiten zum Selbermachen. In verschiedenen Kursen entdecken Jugendliche etwa die Technik der Solarzelle, sie lernen löten und den sicheren Umgang mit Strom und reparieren elektronische Geräte; sie zerlegen alte Energiemaschinen, lassen Motoren laufen und erkennen, warum viele Maschinen die Umwelt belasten und wie umweltverträgliche, abgasarme ­Systeme aussehen.

Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ­ertomis wiederum engagiert sich für grünere Städte. Die Allianz Umweltstiftung regt über ihren Klimapreis die Auseinandersetzung von Schülern mit dem Klimawandel an. Stiftungen schüren den politischen Stadtdiskurs wie die Friedrich-Ebert-, Heinrich-

Böll und Konrad-Adenauer-Stiftung oder die Stiftung Mercator. Sie fördern Forschungsprojekte und wissenschaftliche Studien wie die Vera und Georg Spahn-Stiftung, die u. a. das Dissertationsprogramm des ­Wuppertal Instituts unterstützt. Im Rahmen des ­Kopenhagen-Folgeprozesses fand im März 2010 ein vom Bundesverband Deutscher Stiftungen ausgerichteter Kongress zu ­Stiftungen und Klimaschutz statt.

3 – Die Stadt der Zukunft

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Quo vadis Klimaschutz? Trotz vielversprechender Anstrengungen fällt die Momentaufnahme über die bisherigen Erfolge beim Klimaschutz zwiespältig aus. Zwar fehlt es vielen Kommunen nicht am Engagement oder am guten Willen. Wohl aber klaffen die Analyse des Problems und die daraus abgeleiteten Handlungen weit auseinander. So will die Stadt Hamburg „eine Vorreiterrolle im Klimaschutz übernehmen“ – mit 25 Millionen Euro. Das reicht gerade mal zur Sanierung einiger Gebäude.115 Wenn Städte in der Erklärung der City Climate Conference konstatieren, sie müssten bis 2050 ihre Emissionen um 80 Prozent senken, dann benötigt dies sehr viel größere Anstrengungen. Nur aufgrund der schweren Wirtschafts­krise ist es 2009 gelungen, den CO2 -Ausstoß erstmals um 25 Prozent gegenüber 1990 zu senken.116 Selbst Städte wie München, Freiburg, Hannover oder Münster, die energische Anstrengungen unternehmen, ziehen eine ernüchternde Zwischenbilanz. „Das allgemeine Wachstum hat unsere Leistungen weitgehend aufgefressen“, sagt Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil.117 So sind trotz enormer Investitionen die Treibhausgas-Emissionen bis 2005 lediglich um 7,5 Prozent gegenüber 1990 zurückgegangen.118

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StiftungsReport 2010/11

Die Erfahrungen einiger Städte sind trotzdem sehr hilfreich. Diese Kommunen funktio­nieren wie Labore, in denen Ideen und Lösungsansätze sich in der Praxis bewähren, von denen wiederum andere Städte profitieren können. Die Erfahrungen der Vorreiterstädte zeigen aber auch, dass Klimapolitik nicht nur eine Aufgabe der Stadtverwaltung sein kann, sondern diese von der Wirtschaft und allen zivilgesellschaftlichen Akteuren getragen und bezahlt werden muss. Das Kapital dafür muss also vor allem von den Bürgern kommen. Das Geldvermögen der Deutschen liegt bei 4.600 Milliarden Euro.119 Maximilian Gege vom Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (BAUM e.V.) will Kapitalgeber auf freiwilliger Basis für einen Zukunftsfonds gewinnen. Seine Idee: Private und institutionelle Anleger erhalten eine Rendite von 5 Prozent. Das Geld fließt in sich schnell rechnende Investitionen in Energieeffizienz, Haussanierungen und erneuerbare Ener­ gien. Die Rückzahlung könnte entweder aus den Erträgen oder den Kosteneinsparungen für Energie gedeckt werden. „Würden nur 5 Prozent des umlaufenden Geldvermögens in den Zukunftsfonds investiert, stünden schon 240 Milliarden Euro für nachhaltige Investitionen bereit“, sagt Gege.120 Bei ­Stiftungen scheint dieses Potenzial ­vorhanden zu sein: Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen haben immerhin 22 Prozent der Befragten bereits ethische, ökologische oder soziale Geldanlagen in ihrem Portfolio (siehe Seite 83).


Bei der Auflegung solcher Fonds, aber auch bei der Vernetzung der unterschiedlichen Akteure sollten Stiftungen und Städte eine aktive Rolle einnehmen. In vielen Städten haben sich Klimabündnisse gegründet, an denen sich Bürger, Verwaltungen, Institutionen, Stiftungen und Unternehmen beteiligen: In Köln sind das beispielsweise neben zahlreichen Bewohnern und gemeinnützigen Organisationen der Katholikenausschuss der Stadt Köln, der evangelische Kirchenverband Köln, drei Kölner Unternehmen sowie die TEMA Stiftung für den Naturschutz. Neben konkreten Emissionseinsparungen funktionieren die Bündnisse häufig wie Runde Tische. „Die Bedeutung dieses Austausches kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Matthias Sinn über das Klimabündnis München, „weil hier die unterschiedlichen Akteure zusammen Ideen entwickeln, Vertrauen entsteht und Wissen ausgetauscht wird.“

Bündnisse wie diese sind sehr viel besser in der Lage, einen Bewusstseinswandel innerhalb der Gesellschaft zu fördern, als wenn dies Stadtverwaltungen alleine tun. Dieser muss jedoch einhergehen mit praktischem Handeln. Das Wissen über den Klimawandel, der wissenschaftliche Diskurs also, muss stärker als bisher flankiert werden durch pragmatisches Wissen. Dieses kann sich nur herausbilden, wo Menschen nach neuen Technologien suchen, Verfahrenstechniken ausprobieren und mit neuen Managementmethoden experimentieren. „Wir brauchen mehr good- und best-practice-Beispiele“, sagt Lutz Spandau von der Allianz Umweltstiftung. Die Suche danach erfordert Engagement und Finanziers, die auch mal ins Risiko gehen. „Und wer, wenn nicht Stiftungen, wäre dafür besser geeignet?“, so Lutz Spandau. Ohne Risiko, ohne die Bereitschaft zu handeln wird es nämlich nichts mit der emissionsarmen Stadt.

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3 – Die Stadt der Zukunft


Das Interview

30 Gedanken zum Thema Stadt

Wie sieht Ihre Utopie aus, wie sich die Stadt von morgen politisch organisieren soll?

Foto: Humboldt-Universität zu Berlin

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Hartmut Häußermann: Städte müssen wieder mehr zu politischen Institutionen werden, in denen sich der Bürger engagieren und dadurch auch wieder erkennen

StiftungsReport 2010/11

kann. Neben der stärkeren Partizipation an den politischen Entscheidungen spielt dabei das zivilgesellschaftliche Engagement eine besondere Rolle.

Foto: Deutscher Städtetag

Städte stehen vor fundamentalen Veränderungen. Wie politische Teilhabe in Zukunft organisiert werden kann, sich Städte auf eine schrumpfende Bevölkerung einstellen können und was sie tun müssen, um die klimarelevanten Emissionen drastisch zu senken – darüber diskutieren der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Dr. Stephan Articus, der Stadtsoziologe ­Professor Hartmut Häußermann, Markus Hipp, der geschäftsführende Vorstand der BMW Stiftung Herbert Quandt, und Professor Philipp Oswalt, Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau.

Stephan Articus: Die Stadt der Zukunft wird gekennzeichnet sein durch die Begriffe der Teilhabe und der Integration. Es gilt, Menschen mit unterschiedlichem sozialem Hintergrund die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. In erster Linie muss es uns in den Städten gelingen, die Menschen für die örtlichen Angelegenheiten zu interessieren und zu begeistern. Nur dann werden sie sich auch in ihren Städten engagieren und


„In den Städten müssen alle Akteure eine vollkommen neue Form der Zusammenarbeit finden.“

für ihre Städte. Die Städte sind die Ebene in unserem Staatswesen, die am direktesten mit den Menschen in Kontakt tritt. An der Verlässlichkeit und Qualität der städtischen Dienstleistungen und an den Möglichkeiten, sein eigenes Lebensumfeld aktiv mitzugestalten, entscheidet sich letztlich, wie sich die Menschen mit unserem Gemeinwesen und damit mit unserem Staat insgesamt identifizieren. Welche Wege sehen Sie für Städte, sich in den derzeit finanziell äußerst schwierigen Zeiten gestalterischen Spielraum zu ­erobern? Hartmut Häußermann: Zunächst einmal muss sichergestellt werden, dass die Städte für die Aufgaben, die ihnen von außen, von den Ländern beziehungsweise vom Bund, auferlegt werden, auch finanziell von diesen Auftraggebern ausgestattet werden. Zum

anderen wäre zu überlegen, ob nicht durch eine andere Gestaltung der städtischen Grundsteuer eine originäre Einnahmequelle der Städte besser erschlossen werden könnte. Jedenfalls sollten die Städte wieder einen Spielraum für eigenständige Entscheidungen haben. Stephan Articus: In der Tat ist es wichtig, dass die Städte über eine ausreichende originäre Einnahmequelle verfügen, weil Städte ohne sie die Angelegenheiten vor Ort nicht eigenständig gestalten können. Tatsache ist, dass viele Städte derzeit schlichtweg keine Chance haben, sich aus eigener Kraft aus ihrer geradezu dramatischen Finanznot zu befreien und sich selbst Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Die Städte brauchen Entlastungen bei den immer schneller wachsenden Sozialausgaben, die ihnen durch die Gesetzgebung von Bund und Ländern auferlegt werden. Es muss gelingen, diesen Trend umzukehren, sonst können Städte ihre Kommunalfinanzen nicht konsolidieren. 63

Das Interview


Wie wichtig ist die Kompetenz und das Engagement des Dritten Sektors – und des einzelnen Bürgers – für die Zukunft der Städte?

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Stephan Articus: Städte gehen heute davon aus, dass die Bereitstellung von Leistungen für die Allgemeinheit nicht ausschließlich ihre Angelegenheit ist, sondern dass die Wirtschaft und das bürgerschaftliche Engagement bei der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind. Ziel dieses Ansatzes ist, die Aufgaben auf mehrere gesellschaftliche Akteure zu verteilen und die formulierten Ziele kooperativ zu erreichen. In diesem Sinne kommt dem Dritten Sektor und dem bürgerschaftlichen Engagement konstitutive Bedeutung für das Gemeinwesen vor Ort zu. Ohne bürgerschaftliches Engagement könnte das zwei Jahrhunderte alte erfolg­reiche Modell der kommunalen Selbstverwaltung nicht funktionieren. Die Beteiligungsbereitschaft der Bürger zum Beispiel in den Stadträten und Gemeindevertretungen wach zu halten, ist angesichts der permanent schrumpfenden Gestaltungsspielräume allerdings keine leichte Aufgabe.

StiftungsReport 2010/11

Hartmut Häußermann: Zum Dritten Sektor gehören die Städte im Grunde selbst. Sie sind ja keine staatlichen Einrichtungen, sondern öffentliche Körperschaften, die theoretisch unter der Selbstverwaltung der Bürger stehen. Dass sich die Bürger und institutionellen Akteure einer Stadt auch in anderen Formen organisieren und an der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirken, entspricht der Tradi­ tion der europäischen Stadt. Brauchen Städte neue Wege der Entscheidungsfindung, um möglichst alle gesellschaftlichen Player transparent an politischen Grundsatzentscheidungen zu beteiligen?

Foto: BMW Stiftung Herbert Quandt

Foto: Doreen Ritzau 2009, Stiftung Bauhaus Dessau

Philipp Oswalt: Will eine Kommune heute investieren, kann sie das in der Regel nur noch, wenn sie dafür Fördermittel von EU, Bund und Ländern einwerben kann. Also fokussiert die Kommune mehr darauf, die Richtlinien für eine Förderung einzuhalten, anstatt der Frage nachzugehen, welche Investitionen Sinn machen. Da wird viel Geld verbrannt. Zum Beispiel bauen wir Straßen, die bei einer schrumpfenden Bevölkerung keiner mehr braucht. Da fehlt es an Mut, auf diese Mittel zu verzichten.

Markus Hipp: Ja, unbedingt. In den Städten müssen neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden, bei der alle Akteure – kommunale Organe, Unternehmen, ­zivilgesellschaftliche Organisationen – ihre speziellen Kompetenzen einbringen und zugleich die jeweiligen Möglichkeiten und Begrenzungen der beteiligten Akteure besser verstehen und in ihren eigenen Lösungsansätzen antizipieren und berücksichtigen. Darüber wird zu wenig nachgedacht wie auch darüber, was jeder zum Wohle der Stadt einbringen kann. Hartmut Häußermann: In der politischen Organisation der Städte können die Bürger besser als in anderen politischen Institutionen ihren Einfluss geltend machen. Die direkte Wahl der Bürgermeister und die Möglichkeiten für Bürgerentscheide sowie die vielfältigen Formen von Partizipation auf Quartiersebene geben den Bürgern mehr Entscheidungsmöglichkeiten als auf der Ebene der Länder oder des Bundes. Im Übrigen nehmen die Einwohner von Städten durch vielfältige Initiativen und Bürgerbewegungen Einfluss.


Wie können sich Städte diese Kompetenzen erschließen? Stephan Articus: Die Beteiligung junger Menschen an Zukunftsentscheidungen ist besonders wichtig. Dadurch kann frühzeitig das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass auf der örtlichen Ebene einerseits tatsächlich Möglichkeiten zur politischen Mitgestaltung vorhanden sind, dass aber ein demokratisches Gemeinwesen andererseits auch die Bereitschaft zur aktiven Mitgestaltung erfordert. Deshalb haben sich Städte etwa für die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten entschieden, auch um die Belange junger Menschen stärker in der Öffentlichkeit zu verankern. Städte zerfallen zunehmend in arme und reiche Stadtteile. Wie kann man diesen Prozess umkehren oder zumindest abmildern? Hartmut Häußermann: Die Fragmentierung und Polarisierung der großen Städte ist eine Besorgnis erregende Entwicklung, die Konsequenzen für den sozialen Zusammenhalt und für die Lebenschancen von Bewohnern in den marginalisierten Stadtteilen hat. Viele soziale Probleme und Herausforderungen der Integration von Migranten werden in den Städten auf wenige hoch belastete Stadtteile abgeschoben. Dabei handelt es sich aber um gesamtstädtische Aufgaben, so dass auch die Ressourcen innerhalb der Stadt entsprechend umverteilt werden müssen. Besonders wichtig wäre es, die Wohnungsversorgung wieder stärker einem politisch gestaltenden Einfluss zu unterwerfen. Die Städte müssten in die Lage versetzt werden, eigenen kommunalen Wohnungsbau zu betreiben oder mit öffentlichen Zuschüssen Wohnungsangebote zu bezahlbaren Preisen in allen Teilen der Stadt zu schaffen.

Stephan Articus: Von sozialer Segregation betroffene oder gefährdete Stadtteile müssen aufgewertet und stabilisiert werden. Hierzu gehören die Modernisierung und Umgestaltung von Wohnungen und Wohnumfeld, gezielte Maßnahmen zur Image­ verbesserung im Quartier, die Initiierung von Nachbarschaftsarbeit und ehrenamtlichem Engagement, die Verbesserung von Beratungs- und Betreuungsangeboten. Die Förderung durch das Programm Soziale Stadt hat sich hier als äußerst wirksam erwiesen und muss auch in Zukunft auf hohem Niveau fortgesetzt werden. Welche Rolle haben Stiftungen im politischen Entscheidungsprozess in Städten? Müssen Stiftungen sich stärker in die aktuellen Entscheidungsprozesse vor Ort einbringen? Philipp Oswalt: Stiftungen haben viele Vorteile. Sie sind keiner parteipolitischen Denke unterworfen, sie müssen keine wirtschaftlichen Prioritäten befolgen und sie sind den kommunalen Turbulenzen nicht ausgesetzt, sie können deshalb sehr unabhängig agieren und sie können und sollten – so wird mir das immer auch aus der Politik signalisiert – Stachel im Fleische sein. Aus dieser Unabhängigkeit heraus können Stiftungen als Sachwalter und Moderator sehr viel Positives anschieben. Die Politik will zum Beispiel gar nicht, dass Stiftungen sich den Zwängen des Politikgeschäfts unterwerfen, sondern ihre Unabhängigkeit nutzen. Stephan Articus: Eine Vielzahl konkreter Projekte in den unterschiedlichsten städtischen Handlungsfeldern wird durch Stiftungsmittel überhaupt erst möglich. Stiftungen können gleichsam als Pioniere Zukunftsfragen aufgreifen und innovative Lösungen aufzeigen. Zu begrüßen ist, wenn Stiftungen auch offen dafür sind, intensiv in die örtlichen Meinungsbildungsprozesse eingebunden zu werden.

Das Interview

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Hartmut Häußermann: Stiftungen können in der Tat einerseits beispielhafte Lösungen ermöglichen, andererseits dort aushelfen, wo besonders großer Bedarf besteht. Ihre Unabhängigkeit hilft ihnen, innovativ eine lebendige Urbanität zu fördern. Stiftungen sind besonders willkommene Kooperationspartner, wenn sie nicht explizit politische Zielsetzungen verfolgen, sondern sich am – um einen sehr traditionellen Begriff zu benutzen – Gemeinwohl orientieren. Um diese Orientierung zu finden, sollten Sie sich auch einer kritischen Diskussion in der Öffentlichkeit stellen. Markus Hipp: Stiftungen müssen das Primat der Politik berücksichtigen. Es darf keine Parallelstrukturen geben, wohl aber begleitende Strukturen, die den politischen Willensbildungsprozess stärken und kontroverse Themen schon im Vorfeld diskutieren, bevor das öffentliche Schaulaufen beginnt mit all seinen negativen Ausprägungen der Profilierung. Stiftungen müssen nicht die gute Arbeit von Vereinen ersetzen, sondern sie können sich zum Beispiel viel stärker um deren Organisationsentwicklung kümmern. Sie müssen meiner Ansicht nach nicht in erster Linie Projekte fördern, das können Unternehmen tun, die Publicity benötigen. Stiftungen sollten mehr in die Infrastruktur der Bürgergesellschaft investieren. Anstelle selbst inhaltliche Innovationen zur bloßen Umsetzung an Dritte heranzutragen, sollten Stiftungen in bestehenden Strukturen nachhaltige Innovationsräume eröffnen und mit Risikokapital Innovatoren in gemeinnützigen oder öffentlichen Organisationen den Rücken stärken.

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Was können Stiftungen für Städte tun – und was Städte für Stiftungen? Hartmut Häußermann: Städte können die Arbeit von Stiftungen unterstützen, indem sie ihnen Freiräume im sozialen wie im konkret räumlichen Sinne eröffnen. Stiftungen können auch immer häufiger Partner von Projekten der Städte sein, wobei sie natürlich das Recht haben müssen, über Zielsetzung und Ausgestaltung von solchen Projekten mitzureden. In vielen Bereichen, wo es darauf ankommt, „Dienstleistungen von Menschen für Menschen“ zu organisieren, sind die Städte als bürokratische Organisation allein überfordert. Da es sich dabei auch um eine relativ neue Aufgabe der Stadtpolitik handelt, stellen diese für Stiftungen ein besonders attraktives Feld für humanitär orientierte und innovative Aktivitäten dar. Markus Hipp: Stiftungen können Partizipationsprozesse anschieben. Allerdings muss dies auch behutsam geschehen. Wo Stiftungen in Führung gehen, Diskussionen mitbestimmen wollen, kann sich das Kompetenzgefüge gerade in kleinen Städten verändern. Dadurch entstehen Ängste und Befürchtungen. Stiftungen sollten sich zudem nicht allein auf Modellprojekte beschränken. Und sie müssen die städtischen Akteure in ihr Tun einbinden, weil die Projekte sonst in der Luft hängen. Stiftungen und Bürgerstiftungen können professionell moderierte Runde Tische gestalten wie das die Bürgerstiftung Stuttgart tut. Auch weil sie glaubwürdige Akteure sind, die keine Partei- oder Partikularinteressen vertreten. Der Kernpunkt ist, Bewegung in feste Strukturen zu bringen. Ich glaube, dass Stifter und Spender politischer sein sollten, vor allem sollten sie in kluge neue Strukturen der Bürgerbeteiligung investieren.


Die meisten Städte und Regionen in Deutschland werden in den kommenden Jahren Anwohner verlieren. Wie sollten Städte damit umgehen? Stephan Articus: Den Planungen der Städte sollten vor allem realistische Annahmen zur Bevölkerungsentwicklung zugrunde gelegt werden. Zugleich ist es notwendig, Schrumpfungstendenzen so zu begleiten, dass den Städten ihre Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftsstandorte erhalten bleibt und der Schrumpfungsprozess auch als Chance für die Schaffung neuer Qualitäten in der Stadtentwicklung begriffen wird. Generell ist bei insgesamt rückläufigen Bevölkerungszahlen eine Grundsatzdiskussion darüber erforderlich, inwieweit der Staat diese räumlich steuern kann und in welchem Ausmaß wir uns den Erhalt dezentraler Infrastrukturen in Zukunft finanziell noch erlauben können. Die Konkurrenz zwischen den Städten und Gemeinden um junge Haushalte wird zunehmen. Also werden sich Städte attraktiv präsentieren müssen, um neue Einwohner anzuziehen. Aber uns allen muss klar sein: Selbst wenn alle Städte und Regionen in Zukunft viel attraktiver würden, als sie es jetzt sind, können bei einer insgesamt schrumpfenden Bevölkerung nicht alle neue Einwohner gewinnen. Hartmut Häußermann: Die demografische Entwicklung ist von Rahmenbedingungen abhängig, die auf lokaler Ebene nicht grundsätzlich ins Gegenteil verkehrt werden können. Die meisten Städte müssen wohl das tun, was die Stadt Leipzig in den letzten 15 Jahren vorgemacht hat: sich einerseits auf einen Schrumpfungsprozess einstellen, andererseits alle Optionen für ein Wachstum offen halten. Wenn einmal eine gewisse Stufe in der kumulativen Rückwärtsentwicklung erreicht ist, geht es vor allem darum, eine lebenswerte Situation zu stabilisieren. Der Rückgang der Bevölkerungszahlen muss aber nicht nur negativ gesehen wer-

den. Auch in schrumpfenden Städten bieten sich viele Möglichkeiten zur Gestaltung, zu alternativen Pfaden und für eine neue Identität, die jenseits des Wettkampfes um globale Bedeutung liegen. Welche Möglichkeiten haben Städte und ihre Bürger, um die öffentliche Infrastruktur auch in Zukunft aufrecht zu erhalten – trotz sinkender Einnahmen? Hartmut Häußermann: Die öffentliche Infra­ struktur muss angepasst werden, wobei die Selbstorganisation der Bürger eine wachsende Rolle spielen wird. Im Bildungsbereich müssen neue Strukturen entwickelt werden, wozu leider die Städte, die in eine dramatische Finanzsituation geraten sind, am wenigsten in der Lage sind. Aber gerade im Kultur- und Bildungsbereich gibt es zahllose Möglichkeiten für die Organisation von Angeboten, die die Bürger selber übernehmen können. Insgesamt aber muss man wohl davon ausgehen, dass die Disparitäten bei der Infrastrukturausstattung zwischen den Städten wieder zunehmen werden. Stephan Articus: Wenn die Infrastruktur wegen der demografischen Entwicklung nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, zum Beispiel bei Abwasserentsorgungsanlagen, ist der erforderliche Rückbau nur über entsprechende Förderprogramme des Bundes oder der Länder möglich. Soweit die öffentliche Infrastruktur unabhängig von der demografischen Entwicklung nicht mehr ausreichend finanziert werden kann, zum Beispiel im Bereich des ÖPNV, wird den Kommunen ohne entsprechende Förderung nichts anderes übrig bleiben, als über Einschränkungen ihres Angebots ­nachzudenken. 67

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Wo sehen Sie in diesem Prozess die Rolle von Stiftungen? Markus Hipp: Wenn Stiftungen mutig sind, können sie in öffentlich-privaten Partnerschaften den Risikopart übernehmen. Sie können in Modellprojekten mit der Stadt das Neue, Ungewohnte ausprobieren. Die Kommune kann mit Steuergeld kaum experimentieren. Stiftungen sind hier freier; sie können beim Scheitern eines mutigen öffentlich-privaten Projektes nicht politisch abgestraft werden. Innovation ohne Risiko gibt es ebenso wenig wie Nachhaltigkeit ohne stabile Strukturen. Die finanzielle Notlage vieler Städte führt dazu, dass sie ihre freiwilligen Ziele, und zu denen gehören die Klimaziele doch, größten Teils nicht umsetzen können. Was muss geschehen, um die Klimaziele zur Pflichtaufgabe zu machen, und welche Finanzen benötigen Sie dann?

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Stephan Articus: Schon jetzt reichen die Einnahmen vieler Kommunen nicht dazu aus, dass sie ihre schon vorhandenen Pflicht­ aufgaben erfüllen können. Eine Ausweitung der Pflichtaufgaben auf den Klimaschutz würde daher kaum zu einer Verbesserung führen. Notwendig ist also die verstärkte Förderung von Maßnahmen zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz durch Bund und Länder. Tatsächlich gibt es in den Kommunen erhebliche Potenziale zur Energieeinsparung, die zur Erreichung der nationalen Einsparziele wesentlich beitragen können. In den mehr als 12.000 Kommunen in Deutschland gibt es 38.000 Schulen, 31.000 sonstige Erziehungs- und Bildungsstätten, 85.000 Sport- und Schwimmhallen und rund 22.000 Verwaltungsgebäude. Für den Großteil dieser 176.000 Gebäude entspricht der energetische Standard bei weitem nicht mehr dem heute Machbaren. Ein Drittel der Straßenbeleuchtungen Deutschlands ist

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20 Jahre alt und älter. Ebenso besteht im kommunalen Verkehr, in Kläranlagen, in der Abfallwirtschaft und im Beschaffungswesen ein erhebliches Einsparpotenzial. Mehr als 30 Millionen Wohnungen in Deutschland wurden vor Inkrafttreten der zweiten Wärmeschutzverordnung 1984 erbaut. Der Großteil dieser Wohnungen ist nicht umfassend saniert worden. Diese ganz erheblichen Einsparpotenziale können bei entsprechender Förderung durch Kommunen oder mit ihrer Hilfe erschlossen werden. Philipp Oswalt: Wir sollten nicht so viel über Einzelmaßnahmen nachdenken und vielmehr einen Rahmen vorgeben, der die Emissionen einpreist. Dann kann sich jeder Bürger selbst entscheiden, ob er Auto fährt oder lieber Fahrrad, ob er das Flugzeug nutzt oder sein Haus energetisch saniert. Viele tausend Einzelverordnungen sind da eher hemmend. Man muss so etwas auf EUEbene lösen, und zwar pauschal ohne Ausnahmen. Noch produziert jeder Deutsche elf Tonnen CO2 pro Jahr, es dürfen aber nicht mehr als zwei Tonnen sein. Dafür braucht es eine so radikale Veränderung, die sich kaum jemand vorstellen kann. Das Erste ist, die Einsparungen transparent zu machen, zum Beispiel mit Kohlendioxidrechnern, so dass die Bürger die Auswirkungen des Klima­ wandels auf ihr künftiges Leben nachvoll­ ziehen können. Es gibt ja das Wissen, aber wir haben ein Vollzugsdefizit. Darüber denken wir als Stiftung nach. Wir überlegen uns zum Beispiel, Kochkurse für klimafreund­ liches Kochen anzubieten. Welche Energieverbräuche stehen in welchem Zusammenhang? Wie kann ich emissionsarm kochen und einkaufen und darüber nicht die Lust am Essen verlieren?


Städte allein bzw. die Administration können die Transformation hin zur emissionsarmen Stadt nicht bewältigen. Was können und müssen Bürger, Unternehmen und Stiftungen tun, um die Senkung der Emissionen in Städten zu beschleunigen? Stephan Articus: Entscheidend ist wohl, dass Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Unternehmen die Bedeutung des Klimaschutzes erkennen und in ihre Entscheidungen einbeziehen. Sie sollten verstärkt von den bereits vorhandenen Förderprogrammen von Bund, Ländern und zum Teil auch Kommunen Gebrauch machen. Viele dieser Förderprogramme werden heute noch nicht ausgeschöpft. Die Kommunen sind mit Bund und Ländern in der Pflicht, ihre Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Information auf diese Fördermöglichkeiten aufmerksam zu machen und das Bewusstsein zu fördern, welch wichtige Aufgabe der Klimaschutz darstellt. Auch Stiftungen können durch Öffentlichkeitsarbeit, durch Wettbewerbe und durch Förderung innovativer Ideen ihren Beitrag dazu leisten, die Notwendigkeit auch privaten und unternehmerischen Handelns im Bereich Klimaschutz zu verdeutlichen. Philipp Oswalt: Wir haben es mit einer radikalen Verknappung zu tun, also muss es Einschränkungen geben, aber das ist doch gar nicht schlimm. Wir haben in einem Überfluss gelebt. Energie muss teuer sein. Wir wissen aus der Zivilisationsgeschichte, dass sich Menschen radikal anpassen können. Die Kontinuitätserwartung ist in dieser Form nicht haltbar, aber das heißt ja noch lange nicht, dass man dann unglücklich sein muss. Man wird in 20 Jahren nicht mehr mit dem Billigflieger auf die Bahamas fliegen können. Das wird man aus heutiger Sicht als Einschnitt wahrnehmen, aber dann macht man Urlaub regional, das ist anders, aber muss keinesfalls nachteilig sein.

Die Städte haben kein Geld, die Bürger jedoch 4.600 Milliarden Euro auf der Bank.121 Wie kann man das Geld anzapfen, welche Rendite versprechen, um schneller voranzukommen als bisher? Stephan Articus: Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat kürzlich einen Rekord an Stiftungs-Neugründungen vermeldet. Dies zeigt, dass eine zunehmende Anzahl von Menschen bereit ist, ihren Wohlstand auch im Sinne des Gemeinwesens einzusetzen. Die Städte sollten dieses Engagement aufgreifen, über die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen informieren, Foren des Dialogs mit potenziellen Stiftungsgründern entwickeln und eine „Anerkennungskultur“ vor Ort für Stifter schaffen. Die „soziale Rendite“ im Sinne einer Anerkennung ihres Engagements dürfte für Stifter in der Regel bedeutsamer sein als finanzielle Renditeerwartungen. Philipp Oswalt: Man kann als Stiftung Proto­ typen entwickeln, man kann Szenarien und Modelle entwickeln. Da wir nicht für die Routinearbeiten zuständig sind, können wir uns auf Innovationen konzentrieren. Wir haben beispielsweise im letzten November eine Konferenz über die Stadt in der Finanzkrise organisiert. Alternative Finanzmodelle diskutieren und publizieren, solche Impulse können Stiftungen geben.

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Kurzporträts Stadtforschung und ­Ausstellungsprojekte Stiftung Bauhaus Dessau

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Die Stiftung Bauhaus Dessau ist ein Ort der Forschung, Lehre und experimentellen Gestaltung. Neben der Pflege, Erforschung und Vermittlung des Bauhauserbes beschäftigt sich die Stiftung insbesondere mit der Stadt – ihren Widersprüchen und ihrer kulturellen Kraft im Spannungsfeld zwischen Bevölkerungsentwicklung, Globalisierung und technologischer Revolution. Im April eröffnet die Stiftung die Internationale Bauausstellung Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 (IBA). Ziel der IBA ist es, auf staatlicher, kommunaler und institutioneller Ebene in SachsenAnhalt eine besondere Expertise für die Praxis des Umbaus zu erstellen und dabei modellhafte Projekte der Stadtentwicklung unter den Bedingungen des demografischen Wandels zu entwickeln. Seit 2008 sind 19 Städte in Sachsen-Anhalt mit ihren spezifischen Themen an der IBA beteiligt. www.bauhaus-dessau.de www.iba-stadtumbau.de

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Kulturstiftung des Bundes „Schrumpfende Städte“, ein Initiativ­projekt der Kulturstiftung des Bundes, hat die in Deutschland geführte städtebauliche Debatte um neue Fragestellungen und Perspektiven erweitert. Das Projekt stellte dazu von 2002 bis 2008 die Entwicklungen in Ostdeutschland in einen internationalen Zusammenhang. Dabei wurden unterschiedliche künstlerische, gestalterische und wissenschaftliche Disziplinen in die Suche nach Handlungsstrategien einbezogen. Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt „Schrumpfende Städte“ umfasste einerseits eine internationale Untersuchung von Schrumpfungsprozessen und entwickelte andererseits Handlungsstrategien für Ostdeutschland. www.kulturstiftung-des-bundes.de www.schrumpfendestaedte.de


Gemeinnützige Hertie-Stiftung Die Hertie-Berlin-Studie bietet zum ersten Mal repräsentative Daten über die Lebenswelten in der größten deutschen Stadt. ­Führende Sozialwissenschaftler und Stadtforscher lassen die Bewohner Berlins zu Wort kommen. Einen besonderen Schwerpunkt setzt diese erste Stadtstudie auf die Lebenswelten von Migranten. Die Studie wurde von der Gemeinnützigen Hertie­Stiftung herausgegeben. Die Hertie-Stiftung versteht sich als Reformstiftung, die Modelle aufzeigen und Hilfe zur Selbsthilfe leisten will. Sie ist nicht vornehmlich eine Förderstiftung, sondern ein am Gemeinnutz orientiertes Unternehmen, das seine größten Projekte selbst betreibt und teilweise in rechtlich eigenständige Organisationen überführt. www.hertie-berlin-studie.de www.ghst.de

Stiftung Berlin-Institut für ­Bevölkerung und Entwicklung Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung versteht sich als unabhängige Denkfabrik mit dem Ziel, die öffentliche Wahrnehmung der weltweiten demografischen Veränderungen zu verbessern. Es konzentriert sich darauf, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten sowie Konzepte zur Lösung demografischer Probleme zu erarbeiten. Die Arbeit des Instituts soll helfen, die Folgen des demografischen Wandels im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen.

Gottlieb Daimler- und Karl BenzStiftung Die Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung versteht sich als aktiv operierende Stiftung und entwickelt eigene Themenschwerpunkte. Sie konzentriert ihre Fördermittel dabei auf Schwerpunkte, die in interdisziplinären Diskussionsgruppen – den Ladenburger Diskursen – vorbereitet bzw. in Forschungsgruppen – den Ladenburger Kollegs – ­bearbeitet werden. Ein Ladenburger Kolleg widmete sich dem Thema „Zwischenstadt – Zur Qualifizierung der verstädterten ­Landschaft“ und hat eine interessante mehr­bändige Buchreihe hervorgebracht. www.daimler-benz-stiftung.de www.zwischenstadt.net

Stadt und Quartier Stiftung Sozialpädagogisches ­Institut Berlin – Walter May Die Stiftung SPI wurde 1981 von der Berliner Arbeiterwohlfahrt gegründet. Sie will benachteiligte Bevölkerungsgruppen mit preiswertem Wohnraum versorgen. Derzeit betreut die Stiftung SPI beispielsweise den Umbau einer Wohnanlage für junge Alleinerziehende. Bis 2006 war die Stiftung in Berlin im Quartiersmanagement aktiv. 2007 errichtete sie im Senatsauftrag eine zentrale Servicestelle für das Programm „Zukunftsinitiative Stadtteil“ im Rahmen der EUStrukturfondsförderperiode 2007 – 2013, die alle Förderanträge für Stadtentwicklungs-Projekte vorab bearbeitet und prüft.

www.berlin-institut.org www.stiftung-spi.de

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Kurzporträts


Elisabeth-Kleber-Stiftung

Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm

Die Elisabeth-Kleber-Stiftung (EKS) wurde 2002 – zum 80. Geburtstag der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter eG (BGFG) – der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit schuf die BGFG die organisatorischen Voraussetzungen für die aktive Unterstützung sozialer Projekte. Ziel der Stiftung ist es, dort zu wirken, wo Menschen tagtäglich zusammenkommen: in den Nachbarschaften und im Wohngebiet. Die Schwerpunkte der EKS sind Kinder- und Jugendförderung, Integration und Seniorenförderung. Sie unterstützt Institutionen und Projekte, die das soziale Miteinander in den Hamburger Stadtteilen verbessern.

Ulm und Neu-Ulm gehören bundesweit zu den Städten mit den meisten PhotovoltaikModulen und Sonnenkollektoren im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Diesen Erfolg darf sich die 1995 von den beiden Städten und den Stadtwerken errichtete Solarstiftung Ulm/Neu-Ulm zuschreiben. Sie möchte in der Region die Rahmenbedingungen zur Nutzung erneuerbarer Energien verbessern. Auf der Donau bieten Solarboote seit 1996 öffentlichkeitswirksame Rundfahrten an. Und die beiden Städte werden seit 2004 durch eine regenerative Solarfähre mit­ einander verbunden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Schulbildung zur Nachhaltigkeit – mit schwimmendem Klassenzimmer und ­Solarparcours.

www.elisabeth-kleber-stiftung.de

www.solarstiftung.de

Klimaschutz und grüne Städte Klimaschutzstiftung Jena-Thüringen Die Stadtwerke Jena-Pößneck haben die Klimaschutzstiftung Jena-Thüringen ins Leben gerufen, weil sie der Meinung sind, dass Klimaschutz auch in der Verantwortung der Städte und Gemeinden und der in ihnen lebenden Bürgerinnen und Bürger liegt. Sie alle können dazu beitragen, dem Klimawandel durch unterschiedliche Maßnahmen zu begegnen. In vier Publikationen werden für die Bereiche Energie, Beschaffungswesen, Verkehr, Planung usw. die Möglichkeiten für Klimaschutzmaßnahmen ausgelotet und anhand erfolgreicher Projekte erläutert. Sie stehen im Internet zum Download bereit. 72

www.klimastiftung-thueringen.de

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Naturstiftung David Zahlreiche Naturenergie-Projekte verfolgt die Naturstiftung David, die Stiftung des BUND Thüringen aus Erfurt. Neben dem seit 2001 laufenden eigenen Projekt „sonnenklar! – Sportvereine für zukunftsfähige Energien“ unterstützte die Stiftung u. a. 1999 eine Solarkampagne in Berlin sowie ein Solar-Eis-Mobil und trug dazu bei, dass die thüringische Kleinstadt Viernau 2001 als erste Solarkommune der neuen Bundesländer ausgezeichnet werden konnte. www.naturstiftung-david.de

Rud.Otto Meyer-Umwelt-Stiftung Die Hamburger Rud.Otto Meyer-UmweltStiftung hat die Forschung und Entwicklung von ressourcen- und umweltschonenden Techniken und Gestaltungen im Bauwesen inzwischen in rund 20 Projekten gefördert. Darunter beispielsweise Untersuchungen zu neuartigen Fassadenelementen mit variab-


ler Wärmeleitung und Wärmekapazität oder die Langzeituntersuchung eines der größten Passivbürogebäude: das ENERGON in Ulm. Bauherr und Investor war die Software AGStiftung, Darmstadt. www.rom-umwelt-stiftung.de

Wüstenrot Stiftung Die Wüstenrot Stiftung aus Ludwigsburg befasst sich (neben weiteren Schwerpunkten wie „Raumordnungspolitik“ oder „Perspektiven der Wohninfrastruktur“) mit energieeffi­ zienter Architektur nicht nur in einer gleichnamigen Publikation. Der mit 15.000 Euro dotierte Gestaltungspreis der Stiftung wurde 2008 ebenfalls zu diesem Thema vergeben. Der Wettbewerbssieger, das Bio-Hotel in Hohenbercha, überzeugte durch ein vorbildliches Gesamtenergiekonzept. Auch bei der aktuellen Auslobung sind Energieeffizienz und Klimaschutz feste Bewertungskriterien. www.wuestenrot-stiftung.de

Deutsche Bundesstiftung Umwelt Als eine der größten Stiftungen Europas fördert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) innovative Umweltschutz-Projekte, davon über 3.600 Projekte mit mehr als 500 Millionen Euro allein im Bereich Klimaschutz. Zum umfangreichen Engagement zählen die Klimaschutzkampagne „Haus sanieren profitieren“, Solardächer für Kirchen oder die Förderung der ersten Passivhausschule Deutschlands. Die DBU unterstützt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen wie z. B. die NARVA Lichtquellen GmbH + Co. KG aus Sachsen. Die Firma hat Solaranlagen aus Vakuumröhren entwickelt, die nicht nur einen höheren Energieertrag, sondern auch 20 Prozent weniger Materialkosten haben.

Deutsche Stiftung Klimaschutz Die Deutsche Stiftung Klimaschutz aus dem bayerischen Kleinostheim fördert den Klimaschutz laut Satzung durch die Verwendung regenerativer Energien und die Senkung des Energieverbrauches. Aktuell versucht die Stiftung mit dem Klimaschutzfonds „Der Himmel hilft“ durch die Installation von Solaranlagen hohe Wohnnebenkosten sozial schwacher Mieter zu senken und gleichzeitig die CO2 -Belastung zu mindern. www.deutsche-stiftung-klimaschutz.de

Stiftung bauen-wohnen-leben Die Stiftung bauen-wohnen-leben der Bausparkasse Schwäbisch Hall unterstützt das neu etablierte Forschungsthema „Nachhaltige Entwicklung“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das KIT ist ein Zusammenschluss der Universität und des Forschungszentrums Karlsruhe. Der Lehrstuhl „Ökonomie und Ökologie im Wohnungsbau“ an der Universität Karlsruhe wird seit 1998 von der Stiftung bauen-wohnen-leben getragen. Insgesamt flossen bislang 2,5 Millionen Euro. Die Stiftung, die mit 10 Millionen Euro dotiert ist, will Lösungen schaffen, „die den Wohnbedürfnissen unserer Zeit Rechnung tragen“. Sie fördert Lehrstühle, den wissenschaftlichen Nachwuchs und Projekte, die ökologisches und familiengerechtes Bauen voranbringen, z.B. die Initiative „Städte für Menschen“. Seit 2009 unterstützt die Stiftung auch die neu eröffnete Hochschule für Management und Vertrieb in Schwäbisch Hall mit einer Stiftungsprofessur. http://www.schwaebisch-hall.de/bsh/ unternehmen/stiftung/ stiftungbauenwohnenleben.php

www.dbu.de www.kirchendaecher.de

Kurzporträts

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Allianz Umweltstiftung Seit 2009 vergibt die Allianz Umweltstiftung den Deutschen Klimapreis an Schulen, denen bei der Vermittlung des Klimaschutzes eine besondere Bedeutung zukommt. Auch in diesem Jahr erhielten fünf Schulen den mit je 10.000 Euro dotierten Preis, darunter das Projekt „Die Energiesparfüchse der Mathilde-Eller-Schule auf dem Weg zur CO2 neutralen Schule“. Mit dem Förderbereich „Grün in den Städten“ sorgt die Allianz Umweltstiftung für die Wiederbelebung ehemaliger Parks und Gärten in größeren Städten. Zum Beispiel in Berlin: Der Mauerpark bietet dort, wo einst der Todesstreifen die Stadtteile Prenzlauer Berg und Wedding trennte, heute Raum für Erholung. Und auf dem Schöneberger Südgelände konnten sich fast 50 Jahre lang Pflanzen und Tiere auf dem Gelände eines ehemaligen Rangierbahnhofes ungestört entfalten. Entstanden ist mit Unterstützung der Stiftung eine Symbiose aus Naturidylle und nostalgischer Technik, die man heute über ein behutsam entwickeltes Wegesystem selbst erkunden kann. www.allianz-umweltstiftung.de

Münchner Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern

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Interkulturelle Gärten und Nachbarschaftsgärten, Krautgärten, Schulgärten und Kleingärten, Frauengärten und Experimentiergärten – die Vielfalt an städtischen Nutzgärten ist groß. Das neue urbane Gärtnern umfasst stadtökologische und „postfossile“ Strategien der Subsistenz, erschließt Räume des Selbermachens und der Beteiligung und erfüllt nebenbei eine wichtige Funktion

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für den Klimaschutz. Die Stiftungsinitiative setzt sich für die Anerkennung und Ausweitung dieser neuen Formen des urbanen Gärtnerns in München ein. Der Initiative gehören an: Bürgerstiftung Zukunftsfähiges München, Gregor Louisoder Umweltstiftung, Schweisfurth-Stiftung, Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis und Stiftung Interkultur sowie die Selbach-UmweltStiftung. Im Oktober 2009 veranstaltete die I­ nitiative die Tagung „Urbane Landwirtschaft und Gärten. Zur Zukunft der Stadt“. www.bszm.de www.glus.org www.schweisfurth.de www.anstiftung-ertomis.de www.stiftung-interkultur.de www.selbach-umwelt-stiftung.org

Stiftung DIE GRÜNE STADT Im September 2003 haben verschiedene Organisationen das Forum „Die grüne Stadt“ gegründet, das im September 2009 in eine Stiftung umgewandelt wurde. Sie bietet allen Gruppen, die sich gemeinsam für mehr Grün einsetzen wollen, eine Plattform. Die Bündelung von Wissen und der Erfahrungsaustausch stehen im Mittelpunkt. Die Stiftung möchte das Thema „Grüne Stadt“ stärker ins Blickfeld der Politik rücken. In der Stiftung arbeiten Gesundheitsexperten, Gebäudeverwalter und Architekten, Haus­ eigentümerverbände, Industrieunternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Vereine, Agenda 21-Arbeitsgruppen, Kommunen und Hochschulen zusammen. www.die-gruene-stadt.de


Baukultur und Denkmalschutz Bundesstiftung Baukultur Die 2006 errichtete Bundesstiftung Baukultur setzt sich für die Belange der Baukultur ein und will die gebaute Umwelt zu einem Thema von öffentlichem Interesse machen. Denn Baukultur beeinflusst maßgeblich die Lebensqualität aller – besonders in den Städten. Die Stiftung versteht sich als Kommunikationsstiftung, als Forum für gutes Planen und Bauen und als Plattform, die bestehende Netzwerke bündelt, erweitert und festigt. Sie wirbt insbesondere für Qualität, Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit beim Planen und Bauen. Mit ihrer Veranstaltungsreihe BAUKULTUR_VOR_ORT sucht die Bundesstiftung Baukultur den direkten Dialog zwischen Bauschaffenden und der interessierten Öffentlichkeit. www.bundesstiftung-baukultur.de

Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Beitrag „Klimaschutz hilft sparen“ darüber, wie Denk­male unter dem Aspekt der Energieeinsparung saniert und modernisiert werden können. www.denkmalschutz.de

Herbert-Ewe-Stiftung Altstadt ­ tralsund S Diese rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts will die Altstadt Stralsunds als Unesco-Weltkulturerbe bewahren. Sie fördert den Erhalt kulturhistorisch bedeutender Denkmale, insbesondere Baudenkmale, und will so den mittelalterlichen Charakter der Altstadt konservieren. Der Stiftungsgründung 2009 ging ein 20-jähriges Engagement zur Rettung der Altstadt Stralsund voraus. Doch nach wie vor sind rund 80 Gebäude vom Verfall bedroht. Selbst die Bundeskanzlerin rief die Bürger in ihrem Wahlkreis auf, die Arbeit der Herbert-Ewe-Stiftung zu unterstützen. Benannt ist die Stiftung nach dem früheren Direktor des Stadtarchivs. www.herbert-ewe-stiftung.de

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist eine gemeinnützige private Stiftung mit zwei Aufgaben: bedrohte Kulturdenkmale zu bewahren und für den Gedanken des Denkmalschutzes zu werben, um möglichst viele Bürger zur Mithilfe zu gewinnen. Bei der Stiftungsgründung 1985 diente zunächst der britischen National Trust als Vorbild. Aufgabe der Stiftung sollte es sein, einzelne bedrohte Baudenkmale zu übernehmen, sie zu retten und einer ­denkmalgerechten Nutzung zuzuführen. Mit der Öffnung der Grenzen 1990 wuchs der noch jungen Stiftung eine große Aufgabe zu: Unzählige Dorfkirchen, Schlösser, Bürgerhäuser und Stadtmauern standen in den östlichen Bundesländern vor dem Verfall. Bis heute konnte die Stiftung mehr als 3.400 Denkmale in ganz Deutschland mit über 410 Millionen Euro restaurieren helfen. Aktuell informiert sie in ihrem Magazin MONUMENTE mit dem

Stiftung Weltkulturerbe Garten­ stadt Falkenberg und SchillerparkSiedlung der Berliner Moderne 2008 hat die UNESCO die Berliner Siedlungen Gartenstadt Falkenberg (wegen der bunten Farbgestaltung auch Tuschkasten­siedlung genannt) und die im Wedding gelegene Siedlung Schillerpark zum Weltkulturerbe erklärt. Für die Eigentümerin der Siedlungen, die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG, ist diese Auszeichnung Ehre und Verpflichtung zugleich. Deshalb hat sie die Stiftung Weltkulturerbe gegründet, um dieses historische Zeugnis der Völkergemeinschaft dauerhaft zu erhalten. Ein weiterer Zweck ist die Vernetzung mit anderen Welt­ erbekandidaten im In- und Ausland. www.welterbe-berlin.de

Kurzporträts

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KAPITEL 4

Stiftungen und Finanzkrise: eine repräsentative Umfrage „Der zuverlässigste Weg, die Zukunft zu sehen, ist das Verstehen der Gegenwart“, meint Trendforscher John Naisbitt. Um zu verstehen, wie sich die gegenwärtige Finanzmarktkrise auf die Stiftungen in Deutschland auswirkt, braucht man vor allem zuverlässige Zahlen. Deshalb hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen im November 2009 eine Befragung durchgeführt: Neben dem aktuellen Stand von Erträgen und Vermögensverlusten untersuchte der Bundesverband, wie sich Stiftungen vor dem Hintergrund der Krise durch ihre Aufsichtsbehörde bzw. Bank beraten fühlten. Fragen zur künftigen Entwicklung sowie zur Stiftungsstrategie bildeten einen weiteren Komplex der Umfrage.

A Wer hat mitgemacht? Die Eckdaten Für die online durchgeführte Befragung wurde im November 2009 eine repräsentative Stichprobe von 2.126 Stiftungen aus der Datenbank Deutscher Stiftungen gezogen. Bis zum Abschluss der Feldzeit Ende Dezember 2009 lagen 388 beendete Interviews vor. Das entspricht einem sehr guten Rücklauf von 18,3 Prozent. Die überwiegende Mehrzahl der befragten Stiftungen, nämlich 70 Prozent, sind selbständige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Knapp ein Fünftel (18 Prozent) sind öffentlich-rechtliche, selbständige Stiftungen und 5,6 Prozent sind Treuhandstiftungen. Fördernd tätig sind insgesamt 48 Prozent der Stiftungen, operativ 12 Prozent, fördernd und operativ 37 Prozent. Befragt nach den eigenen Kenntnissen zur Vermögensanlage, schätzten knapp 60 Prozent der Stiftungen diese als „gut“, etwa ein Drittel als „mittel“ (34 Prozent) und 7 Prozent als „gering“ ein.

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„Stiftungen trotz Finanzkrise auf Wachstumskurs“ 122, „Stiftungen in der Klemme“ 123, „Wenig Verluste von Stiftungen in Finanzkrise“ 124 , „Rezession beutelt Stiftungen“ 125 – das sind nur vier von zahlreichen Schlagzeilen, die im vergangenen Jahr zum Thema gedruckt wurden. Meldungen, die anscheinend im Widerspruch zueinander stehen. Welcher soll man Glauben schenken? Was lässt sich aus ihnen für die Zukunft ablesen? Welche Strategien sollten jetzt befolgt werden? Diese und ähnliche Fragen werden aktuell in der Stiftungsszene gestellt.

Die Hälfte der Stiftungen hat ein Kapital von bis zu 500.000 Euro, kumuliert weisen knapp zwei Drittel ein Stiftungskapital bis eine Million Euro auf (Abb. 1). Lediglich elf Stiftungen haben keine Angabe zum Stiftungskapital gemacht.

B Was macht die Krise mit den ­Stiftungen? Ertragseinbußen doppelt so häufig wie Ertragswachstum

40 Prozent der befragten Stiftungen haben angegeben, dass ihre ordentlichen Erträge in 2009 im Vergleich zu den durchschnittlichen Einnahmen der letzten beiden Geschäftsjahre abgenommen haben. Bei immerhin knapp einem Fünftel (18 Prozent) haben diese zugenommen. Somit gab es im Jahr 2009 doppelt so häufig Stiftungen mit Ertragseinbußen wie solche, die Ertrags­ zunahmen verbuchen konnten (Abb. 2). 30 Die Betrachtung einzelner Fälle spricht dafür, dass größere Stiftungen in der Regel vermehrt in verschiedenen Anlageklassen investieren und daher auch stärker an der 29 allgemeinen Finanzmarktentwicklung teilhaben. Sie verzeichneten also 2009 nach ihren – im Vergleich zu kleineren Stiftungen – oft herben Verlusten des Jahres 2008 eine überdurchschnittlich positive Entwicklung in Form von höheren Einnahmen, die die Vorjahresentwicklung häufig mehr als kompensierten. Genauso wie bei den

Detaillierte Angaben zur Methodik und zur statistischen Auswertung können unter www.stiftungen.org/stiftungsreport heruntergeladen werden. Abb. 1: Kapital der befragten Stiftungen nach Kapitalklassen Die Stiftung hat ein Kapital (in Prozent) ... 0

10

bis 100.000 Euro bis 500.000 Euro bis 1 Million Euro 15 bis 10 Millionen Euro bis 100 Millionen Euro 8 mehr als 100 Millionen Euro 6

20

21

22

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“ 4 – Umfrage

77


­ rdentlichen Erträgen fällt das Verhältnis o bei den außerordent­lichen Erträgen 2009 aus: Bei 13 Prozent der befragten Stiftungen haben diese zugenommen, während sie bei fast einem Viertel (24 Prozent) abgenommen haben (Abb. 2).

78

Stiftungen, die ihre Kenntnisse in Vermögensanlagefragen als „mittel“ einschätzen, haben doppelt so viele Stiftungen, die ihre Anlagekenntnisse als „gut“ einschätzen bei den außerordent­lichen Erträgen ein Plus zu verzeichnen (16 vs. 8 Prozent). Doch auch hier besteht kein statistisch signifikanter Abb. 2: Ordentliche und außerordentliche Zusammenhang (Abb. 3 b). Dass entspreErträge für das Jahr 2009 im Vergleich zu chende Kenntnisse und „Investition in die 2007 und 2008 Köpfe“ für eine Stiftung aber auch dann vorteilhaft sind, wenn sich dies nicht direkt zugenommen abgenommen gleich geblieben auf den Anlageerfolg auswirkt, ergibt sich Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 auch aus anderen Gesichtspunkten (siehe Zufriedenheitsstudie „Stiftungen und ihre Banken“, Stiftungs­Report 2008/09). ordentliche Erträge (n = 375) (Zinsen, Dividenden o.ä.) Abb. 3: Veränderung der ordentlichen (3 a) 18 40 42 und außerordentlichen (3 b) Erträge für das Jahr 2009 gegenüber den letzten ­beiden außerordentliche Erträge Geschäftsjahren (2007 und 2008) nach (n = 276) Kenntnissen der Vermögensanlage. (realisierte Kursgewinne) Es besteht kein statistisch signifikanter 13 24 63 Zusammenhang zwischen den Kenntnissen und den Veränderungen der Erträge einer Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“ Stiftung im Jahr 2009 gegenüber den letzten beiden Geschäftsjahren. Die Stiftungen wurden gebeten, ihre Kenntnisse hinsichtlich der Vermögensanlage 3 a) ordentliche Erträge 2009 im Vergleich selbst einzuschätzen in „gut“, „mittel“ und zu den letzten zwei Geschäftsjahren „gering“. Betrachtet man die Ertragsentzugenommen abgenommen gleich geblieben wicklung nach den eigenen Kenntnissen, so entsteht bei den ordentlichen Erträgen Anzahl 20 30 40 50 60 70 80 90 100 der Eindruck, dass bessere Kenntnisse Gut der Vermögensbewirtschaftung zu einer 42 besseren Ertragssituation in 2009 im Ver 78 gleich zu den letzten zwei Geschäftsjahren 100 beitrugen (Abb. 3 a). Auch hier dürfte die Mittel Erklärung sein, dass die häufig hauptamt 21 lichen Mitarbeiter der größeren Stiftungen 60 „gute“ Kenntnisse aufweisen und das 46 Stiftungsportfolio diversifizierten – mit gering der Folge höherer Volatilität und daher 4 höherer Partizipation am Kapitalmarktauf 11 schwung seit März 2009. Jedoch ist dieser 12 vermeintliche Zusammenhang statistisch nicht signifikant.126 Gegenüber denjenigen Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

StiftungsReport 2010/11


3 b) außerordentliche Erträge 2009 im ­Vergleich zu den letzten zwei ­Geschäftsjahren zugenommen abgenommen Anzahl 20 30

40 50 60 70

gleich geblieben 80

90 100

Gut

27

37

102

Mittel

Abb. 4: Veränderung der ordentlichen (4 a) und außer­ordentlichen (4 b) Erträge für das Jahr 2009 gegenüber den letzten ­beiden G ­ eschäftsjahren (2007 und 2008) nach Kapital­klassen. Es besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Stiftungskapital und den Veränderungen der Erträge einer Stiftung im Jahr 2009 ­gegenüber den letzten beiden Geschäftsjahren. 4 a) ordentliche Erträge 2009 im Vergleich zu den letzten zwei ­Geschäftsjahren

7

21

zugenommen abgenommen

62

gering

gleich geblieben

Anzahl 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120

1

8 10

Kapital bis 1 Million

42

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

93

104

Kapital über 1 Million bis über 100 Millionen

25

Der Anteil der Stiftungen, deren ordentliche Erträge abnehmen, ist bei kleineren und größeren Stiftungen in etwa gleich (39 Prozent der Stiftungen mit einem Kapital bis eine Million Euro und 42 Prozent mit einem Kapital über eine Million Euro). Dasselbe gilt für den Anteil der Stiftungen, deren Erträge gegenüber den beiden Vorjahresergebnissen zugenommen haben (18 Prozent der Stiftungen mit einem Kapital bis eine Million Euro und 19 Prozent mit einem Kapital über eine Million Euro).

Das heißt, die Zu- und Abnahmen der Erträge sind unabhängig von der Kapitalausstattung (Abb. 4 a und b).

Kapital bis 1 Million

56

52

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

4 b) außerordentliche Erträge 2009 im V ­ ergleich zu den letzten zwei ­Geschäftsjahren zugenommen abgenommen

gleich geblieben

Anzahl 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120

13

37

110

Kapital über 1 Million bis über 100 Millionen

22 29

79

63

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

4 – Umfrage


Die Mehrheit der Stiftungen ­erwartet keinen Rückgang von Spenden und Zustiftungen

Ein Zwischenfazit: Finanzkrise trifft Stiftungen nicht so hart wie andere Anleger

Fast zwei Drittel der befragten Stiftungen hatten in den vergangenen anderthalb Jahren – seit Mitte 2008 – keine Einbußen bei Spenden und/oder Zustiftungen zu verzeichnen und erwarten diese auch nicht für die kommenden 18 Monate (Abb. 5): Lediglich 27 Prozent geben an, dass Zustiftungen und/oder Spenden an die Stiftung in den letzten 18 Monaten zurückgegangen sind. Dies entspricht der anderweitig konstatierten Stagnation des deutschen Spendenmarktes auch in Zeiten der Krise.127 Und nur 26 Prozent der befragten Stiftungen rechnen mit einem Rückgang in den kommenden 18 Monaten.

Knapp 19 Prozent der befragten Stiftungen gaben für 2008 realisierte Vermögensverluste an, nur die Hälfte davon (9 Prozent) rechnet für 2009 mit Vermögensverlusten (Abb. 6). Dass die deutschen Stiftungen mehrheitlich von der Finanzmarktkrise nicht so hart getroffen wurden, liegt daran, dass das frei anlegbare Stiftungsvermögen im gesamten Sektor im Hinblick auf das ­Sub­s­tanzerhaltungsgebot weitgehend konservativ angelegt ist.

Dennoch blieb in 2008 fast ein Fünftel der Stiftungen nicht verschont und knapp ein Drittel (30 Prozent) muss mit nicht realisierten Buchwertverlusten umgehen (Abb. 6). Abb. 5: Entwicklung von Zustiftungen Die Verluste waren zwar den Ergebnissen und/oder Spenden (n = 372) der statistischen Analyse zufolge unabhängig von den jeweiligen Kenntnissen der VerRückgang von Zustiftungen oder Spenden in mögensanlage, allerdings geben signifikant den letzten 18 Monaten mehr „größere“ Stiftungen (mit einem KapiErwarteter Rückgang von Zustiftungen oder tal über eine Million Euro) realisierte Vermö­Spenden in den kommenden 18 Monaten gens- und Buchwertverluste in 2008 an. Ein möglicher Grund dafür ist, dass „größere“ Prozent 20 30 40 50 60 70 Stiftungen über ein diversifiziertes Port­ Ja folio verfügen und somit einerseits in guten 27 Märkten tendenziell höhere Erträge erwirt 26 schaften können, in schlechten Märkten Nein aber auch stärker von Einbrüchen betroffen 65 sind. Bei mittelfristiger Betrachtung – über 61 mehrere Jahre – überwiegt in den meisten weiß nicht dieser Fälle das mit der höheren Volatili 8 tät und zeitweisen Verlusten verbundene 13 positive Ergebnis. Und wer, wenn nicht die deutschen Stiftungen, sollte einen längeren Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“ Handlungszeitraum jenseits des Quartalsdenkens vieler Industrieunternehmen fest im Auge haben? 80

StiftungsReport 2010/11


Abb. 6: Prozentsatz der Stiftungen mit realisierten Vermögensverlusten und Buch­ wertverlusten für die Jahre 2008 und 2009 (vorläufige Angaben für das Jahr 2009)

7 a) realisierte Vermögensverluste 2008 Häufigkeit 25

Mittelwert = 5,60 Median = 4,0 n = 62

20 Buchwertverluste

15

realisierte Vermögensverluste Prozent

10

15

20

10 25

30

35

Geschäftsjahr 2008

0

n = 109

30

0

10

20

30

40

7 b) realisierte Vermögensverluste 2009

n = 70

19

Geschäftsjahr 2009 n = 45 n = 31

5

13

Häufigkeit 25

Mittelwert = 6,37 Median = 3,0 n = 27

20 15

9

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

10 5 0

Als im Verlauf des Jahres 2008 die Baisse den europäischen Finanzraum erreichte, reagierten deshalb viele Stiftungen mit einer Politik der ruhigen Hand. Fallende Buchwerte wurden zunächst einmal ertragen und entsprechende Verluste nicht realisiert. Doch als die Talfahrt der Börsen noch bis ins Jahr 2009 reichte, sahen sich viele Stiftungen gezwungen, Abschreibungen vorzunehmen und/ oder Verluste zu realisieren. Erst Ende 2009 konnten gestiegene oder zumindest stabile Buchwerte konstatiert werden (Abb. 7 a – d). Abb. 7: Häufigkeitsverteilungen der realisier­ ten Vermögensverluste und Buchwertverluste für die Jahre 2008 und 2009. Alle vier Verteilungen sind linksschief, das bedeutet, dass bei den meisten Stiftungen die Verluste eher gering sind. Das spiegeln auch die einzelnen Mediane von 2 bis 5 wider. Die dünnen Linien sind die Normalverteilungskurven. Im Jahr 2008 betrugen die realisierten Vermögensverluste im ­Mittel 5,60 Prozent des Stiftungsvermögens, in 2009 im Mittel 6,37 Prozent. Im Jahr 2008 beliefen sich die Buchwertverluste im Mittel auf 6,53 Prozent des Stiftungsvermögens, in 2009 im Mittel auf 5,18 Prozent.

0

10

20

30

40

7 c) Buchwertverluste 2008 Häufigkeit 25

Mittelwert = 6,53 Median = 5,0 n = 92

20 15 10 5 0

0

10

20

30

40

7 d) Buchwertverluste 2009 Häufigkeit 25

Mittelwert = 5,18 Median = 2,0 n = 39

20 15 10 5 0

0

10

20

30

40

Prozent des Stiftungsvermögens Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

4 – Umfrage

81


Bereits Anfang 2009 sagte Andreas ­Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, der Presse, die 431 vom Stifterverband verwalteten gemeinnützigen Institutionen hätten 2008 eine Wertminderung der Stiftungsvermögen von 6 Prozent hinnehmen müssen. Dabei habe die umsichtige Anlagepraxis in den Fonds des Stifterverbands Schlimmeres verhindert, da die Aktienquote schon früh im Jahr deutlich gesenkt worden sei und die Festgeldpositionen dagegen erhöht worden seien. Anfang 2010 konnte der Stifterverband überdurchschnittlich positive Ergebnisse vermelden. Das passt gut ins Bild der vorliegenden Studie. Die befragten Stiftungen realisierten 2008 im Schnitt 5,6 Prozent an Verlusten und lagen damit noch leicht unter den vom Stifterverband angegebenen Zahlen, konnten regelmäßig aber auch in 2009 nicht so positive Ergebnisse erreichen wie die Vermögensverwaltung des Stifterverbands.

Abb. 8: Anlage des Grundstockvermögens in 2009. 55 Prozent des Vermögens sind angelegt in festverzinslichen Geldanlagen, 24 Prozent in „sonstigen“ Anlageklassen, 14 Prozent in Immobilien und 7 Prozent in Aktien. Anteile der Anlageklassen in Prozent (n = 388) Festverzinsliche

Sonstiges 24

55 Immobilien

14 7 Aktien

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

Stiftungen investieren klassisch ... Stiftungen investieren zumeist klassisch: überwiegend in festverzinsliche Wertpapiere und zu einem meist geringeren Teil in Aktien und/oder Immobilien. Dank dieser „konservativen“ Anlagestrategie, die ihren tieferen Grund im deutschen Stiftungsrecht (Substanzerhaltungsgebot, siehe oben) und in der Tradition hierzulande hat, ist der deutsche Stiftungssektor von den Turbulenzen auf den Kapitalmärkten weitgehend verschont geblieben (Abb. 8).

82

Gleichzeitig ist der Anteil „sonstiger Anlageklassen“ mit 24 Prozent eine nicht zu unterschätzende Größe in der Anlagestruktur des Grundstockvermögens deutscher Stiftungen.

Es mag überraschen, dass 24 Prozent der Stiftungen ihr Kapital in „sonstigen Anlageklassen“, also z. B. in Nachhaltigkeitsprodukten, REITs (Real Estate Investment Trusts) und gar in Hedge Fonds und Private Equity investiert haben. Eine Erklärung könnte die Unübersichtlichkeit der auf dem Markt befindlichen Finanzprodukte sein, die sich einer Kategorisierung durch den einfachen Anleger häufig entziehen. Eine andere, eher methodische Erklärung für diese Zahl liegt wohl (auch) darin, dass eine Reihe von Stiftungen im Fragebogen bei „sonstige Anlagen“ 100 Prozent angegeben hat – ­warum auch immer.

... und teilweise ethischökologisch-sozial Knapp ein Viertel der befragten Stiftungen (22 Prozent) besitzt so genannte ethische, ökologische oder soziale Geldanlagen. Ungefähr halb so viele beteiligen sich zu-

StiftungsReport 2010/11


mindest mit einem Teil ihres Vermögens an Private-Equity Gesellschaften und ­investieren auch in Rohstoffe. Weniger als 5 Prozent legen u.a. in REITs und Hedgefonds an (Abb. 9). Die befragten Stiftungen scheinen mit der Diversifizierung ihrer Portfolios zufrieden zu sein, da sie nicht beabsichtigen, wegen der Finanzkrise umzuschichten. Auch der Trend zu vermehrt ethisch-ökologisch-sozialen Anlagen ist leider eher schwach: Nur 7 Prozent planen diese vermehrt aufzunehmen. Abb. 9: Welche Anlageklassen sind im Port­ folio? 22 Prozent der befragten Stiftungen haben ethisch-ökologisch-soziale Anlagen in ihrem Portfolio. Die Abbildung sagt aber nichts über die Anteile der Anlageklassen im Portfolio aus. Anlageklassen im Portfolio Prozent 5

10

15

Ethisch-ökologisch-sozial Private Equity 13 Rohstoffe 11 REITs 5 Hedgefonds 4

20

25 (n = 86)

22 (n = 49) (n = 42) (n = 18) (n = 14)

(Abb. 10 a – c). Diese Zahlen basieren auf unserer Umfrage und könnten insofern zu positiv sein, als möglicherweise Stiftungen mit besonders schwachen Ergebnissen überproportional häufig überhaupt keine Angaben machen; entsprechende Effekte sind aus anderen Umfragen bekannt. Gleichwohl passt das Umfrageergebnis zur allgemeinen Marktentwicklung. Abb. 10: Häufigkeitsverteilungen der Rendi­ ten für die Jahre 2007, 2008 und 2009. Die dünne Linie ist die Normalverteilungskurve. 10 a) Rendite 2007 in Prozent Häufigkeit 160 140 120 100 80 60 40 20 0 – 10

Mittelwert = 4,31 n = 262

–5

0

5

10

15

20

10 b) Rendite 2008 in Prozent 160 140 120 100 80 60 40 20 0 – 10

Mittelwert = 3,65 n = 274

–5

0

5

10

15

20

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

10 c) Rendite 2009 in Prozent (geschätzt)

Geringe Renditen, die aber zur all­gemeinen Marktentwicklung passen

160 140 120 100 80 60 40 20 0 – 10

Der durchschnittliche Vermögensertrag abzüglich der Gebühren lag im Jahr 2007 bei 4,31 Prozent, in 2008 sank er auf 3,65 Prozent und in 2009 pendelte er sich ein auf 3,68 Prozent (von den Befragten geschätzt)

25

25

Mittelwert = 3,68 n = 282

83 –5

0

5

10

15

20

25

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

4 – Umfrage


Tabelle 1: Renditen des nach Kosten bei der Bank angelegten Vermögens der Jahre 2007, 2008 und 2009 mit Mittelwerten, Minimum und ­Maximum für „gesamt“, „größere Stif­ tungen“, „kleinere Stiftungen“. 2007: signifikanter Unterschied zwischen den Vermögensgruppen; 2008: kein signifikanter Unterschied ­zwischen den Vermögensgruppen; 2009: signifikanter Unterschied zwischen den ­Vermögensgruppen. 2007

2008

2009

Alle Stiftungen

n Mittelwert kleinster Wert größter Wert

262 4,31 0 15

274 3,65 0 18

282 3,68 –7 25

Stiftungen bis 1 Mio. Euro

n Mittelwert kleinster Wert größter Wert

163 4,05 0 12

175 3,49 0 10

183 3,48 0 25

Stiftungen über 1 Mio. Euro

n Mittelwert kleinster Wert größter Wert

96 4,69 1 15

96 3,84 0 18

96 3,92 –7 14

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

84

Eigene Kenntnisse der Vermögensanlage – entsprechend eigener Einschätzung der Befragten – haben keinen statistisch nachweisbaren direkten Einfluss auf die Rendite. Die Kapitalausstattung dagegen schon: größere Stiftungen erwirtschaften auch in schlechten Märkten tendenziell höhere Erträge (Tabelle 1). Das dürfte am höheren Aktienanteil und einem diversifizierten Anlagemix liegen. Kleinere Stiftungen legen eher nur oder in stärkerem Maße in festverzinsliche Geldanlagen an. Dabei ist das derzeit extrem niedrige Zinsniveau problematisch und daher auch eine reale Substanzerhaltung in der Regel nicht möglich. In der Praxis wird dieses niedrige Zinsniveau, wenn es weiter anhält, verbunden mit dem extrem konservativen Anlageverhalten kleinerer Stiftungen diese bei ihrem Förderhandeln und dem Bemühen um reale Kapitalerhaltung besonders negativ treffen.

StiftungsReport 2010/11

Unternehmensträgerstiftungen ­erwarten Rückgang der Dividende Ein besonderer Stiftungstyp sind Unternehmensträgerstiftungen. Als Eigentümerinnen von Unternehmen finanzieren sie sich in der Regel aus deren Gewinnausschüttungen. Für das Jahr 2010 rechnen fast dreimal so viele Unternehmensträgerstiftungen mit einem Rückgang der Dividende wie eine Erhöhung erwarten. Der größte Teil jedoch geht von einer gleichbleibenden Dividende aus (49 Prozent). Mit einem Totalausfall rechnen fünf Unternehmensträgerstiftungen. Da dieses Problem vor allem einige größere Stiftungen betrifft, hat selbst die kleine Zahl einen relativ gravierenden Einfluss auf den Stiftungssektor. Differenziert nach ­Kapitalklassen erwartet über die


Hälfte der befragten Unternehmensträgerstiftungen mit einem Kapital bis eine Million Euro, dass die Dividende gleich bleiben wird (56 Prozent), während dies in der Kapitalklasse über eine Million Euro nur 39 Prozent glauben. Doppelt so viele „größere“ Unternehmensträgerstiftungen rechnen mit einer Ab- statt Zunahme der Dividende für 2010 (Abb. 11).

verfügen. Fast 60 Prozent der Stiftungen mit einem Kapital über einer Million Euro haben eine freie oder Umschichtungsrücklage (Abb.12). Dies bedeutet auch, dass sich viele kleinere Stiftungen – und die Mehrzahl der heutigen Stiftungen sind als kleinere Stiftungen einzustufen – nicht um eine ­reale, sondern nur um eine nominale Kapital­erhaltung bemühen.

Abb. 11: Erwartete Dividende der Unterneh­ mensträgerstiftungen für das Jahr 2010.

Rücklagen sind aber besonders für Krisenzeiten wichtig. Denn unabhängig davon, ob realisiert oder unrealisiert, muss eine Stiftung für die Wiederherstellung verloErwarten Sie, dass die Dividende im renen Vermögens die Vorschriften über kommenden Jahr die Rücklagenbildung bei gemeinnützigen sich erhöhen wird gleich bleiben wird Körperschaften beachten. Alle rücklageabnehmen wird entfallen wird fähigen Beträge, insbesondere ein Drittel Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 der Vermögenserträge (nach Abzug der dafür aufgewendeten Kosten) und bis zu Gesamt (n = 115) 10 Prozent der sonstigen Einnahmen, sind zum Auffüllen des Anlageverlusts in Form 13 34 49 4 der freien Rücklage zulässig. Es gehört zu Stiftungen bis eine Million (n = 63) den Pflichten des Stiftungsvorstandes, eine Strategie zu entwickeln, wie eine 8 30 56 6 Kapitalerhaltungs­lücke in den Folgejahren ausgeglichen werden kann; ist dies nicht mit Stiftungen über eine Million (n = 51) den „klassischen“ Möglichkeiten machbar 20 39 39 2 (freie Rücklage etc.), muss die Stiftung mit der Stiftungsbehörde den weiteren Weg kläQuelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“ ren. Wollte die Stiftung aber den Verlust mit Finanzmitteln aus dem steuerbegünstigten Bereich (Erträge aus der Vermögensverwaltung, Spenden etc.) decken, würde sie den Wird die Rücklagenbildung ver­ Gemeinnützigkeitsstatus riskieren.128 nachlässigt? Vor allem kleinere

Stiftungen haben Nachholbedarf

Über die Hälfte der befragten Stiftungen (56 Prozent von 361 Stiftungen) hat keine freie und keine Umschichtungsrücklage gebildet. Bei Stiftungen mit einem Stiftungskapital bis zu einer Million Euro sind es sogar 62 Prozent. Die eingehende Analyse der Daten ergibt folgenden statistisch signifikanten Zusammenhang: Je mehr Stiftungskapital eine Stiftung hat, desto höher ist der Anteil derjenigen, die über eine Rücklage

85

4 – Umfrage


Abb. 12: Kleinere Stiftungen haben seltener eine freie oder Umschichtungsrücklage als Stiftungen mit einem Kapital über einer Million Euro. es besteht eine freie oder Umschichtungsrücklage keine freie oder Umschichtungsrücklage Anzahl 30

90

60

120

150

Abb. 13: Häufigkeitsverteilung des Anteils der freien Rücklage am Stiftungsvermö­ gen (n = 130). Im Mittel liegt der Anteil der Rücklage am Stiftungsvermögen bei 10,6 Prozent. Die Verteilung ist allerdings linksschief, das bedeutet, dass bei den meisten Stiftungen der Anteil eher gering ist. Das spiegelt auch der Median von 6,5 wider. Die dünne Linie ist die Normalverteilungskurve.

Kapital bis 1 Million

Prozent des Stiftungsvermögens

87

144

Kapital über 1 Million bis über 100 Millionen

72 55

Häufigkeit 50

Mittelwert = 10,6 Median = 6,5 n = 130

40 30

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

20 10

Wie viel Spielraum lässt die ­Rücklage für die Stiftungsarbeit?

0

0

20

40

60

80

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

Bei Stiftungen, die eine freie oder Umschichtungsrücklage gebildet haben, beträgt diese im Mittel 10,6 Prozent des Stiftungsvermögens (Abb. 13). Der Median129 liegt hier allerdings nur bei 6,5 Prozent. Der große Abstand zwischen dem Mittelwert und dem Median ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass viele (offenbar vor allem kleinere) Stiftungen einen eher geringen Prozentsatz ihres Vermögens in die freie Rücklage überführt haben und nur einige wenige einen sehr hohen Anteil.

86

StiftungsReport 2010/11

Auf die Filterfrage „Für wie lange lässt Ihnen Ihre Rücklage Spielraum für die Stiftungs­ arbeit (Stiftungszweckausgaben und Verwaltungskosten)?“ haben 145 der Stiftungen geantwortet. Über ein Drittel von ihnen (34 Prozent) hat auf Grund der Rücklagenbildung für die Stiftungsarbeit einen Spielraum von einem Jahr, knapp ein Viertel (24 Prozent) gibt zwei Jahre an und über 40 Prozent der Stiftungen haben für mehr als zwei Jahre vorgesorgt. Der Geschäftsführer der Carl-Zeiss-Stiftung äußerte sich gegenüber dem Handelsblatt im September 2009 ähnlich: „Wir haben Rückstellungen, die uns für zwei bis drei Jahre Spielraum auch für neue Projekte lassen.“ 130 So wichtig die Bildung einer Rücklage ist – es gibt auch die andere Seite der Medaille: Höhere Rücklagenbildung trägt in Zeiten geringer Zinsen zusätzlich zu einer Absenkung des finanziellen Förderniveaus bei. Gerade in Krisenzeiten


wäre demgegenüber ein antizyklisch hohes Förderniveau für die Gesellschaft hilfreich. Einem Aussetzen der Rücklagenbildung in „Krisenjahren“ steht jedoch entgegen, dass sie nach derzeitiger Rechtslage nicht über die bisherigen Möglichkeiten hinausgehend nachgeholt werden kann.

Noch eine gute Nachricht: Die ­meisten Stiftungen haben bei mehrjährigen Projekten vorgesorgt

Abb. 14: Große Stiftungen mit einem Kapital über eine Million Euro haben offenbar mehr Möglichkeiten. Hier ist der Anteil derjenigen besonders hoch, die bei mehrjährigen Projekten vorgesorgt haben, um ihren Verpflichtungen über die gesamte Laufzeit nachkommen zu können. Außerdem ist bei ihnen häufiger a) der Vorstand abgesichert und b) ein systematisches Risikomanagement zur Beurteilung von Anlagerisiken vorhanden. Gesamt

Eine Befragung von Entscheidern in 110 deutschen Stiftungen durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse­ Coopers im August 2009 ergab, dass 28 Prozent von ihnen auf Grund der Finanzkrise 2010 deutlich weniger Projektmittel werden bewilligen können131. Das klingt zunächst einmal alarmierend. Im Umkehrschluss bedeutet es aber: Auf zwei Drittel der Entscheider trifft dies nicht zu. Das ist die eine gute Nachricht. Die zweite gute Nachricht ist, dass über zwei Drittel der in unserer Studie befragten Stiftungen bei mehrjährigen Projekten vorgesorgt haben, so dass sie ihren Verpflichtungen über die gesamte Laufzeit nachkommen können (z. B. durch Buchung der gesamten Projektmittel als bilanzielle Verpflichtung). Je mehr Stiftungskapital die Stiftung hat, desto höher der Anteil ­derjenigen, die vorgesorgt haben – dieser Zusammenhang ist statistisch signifikant. Knapp 60 Prozent der Stiftungen mit einem Kapital bis eine Million Euro haben vorgesorgt, bei den Stiftungen mit einem Kapital über eine Million Euro waren es 20 Prozent mehr (Abb. 14).

Kapitel bis 1 Million Euro Kapital über 1 Million Euro

Prozent 20 30

40

50 60 70

80

Bei mehrjährigen Projekten vorgesorgt

90 100

(n = 344) 67

59

80

Vorstand in punkto Vermögensanlage (n = 367) abgesichert

35 27

51

Risikomanagement zur Beurteilung von (n = 375) Anlagerisiken vorhanden

33 23 52

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

87

4 – Umfrage


Stiftungsvorstände tragen ein ­gesetzliches Haftungsrisiko – aber nur gut ein Drittel ist in punkto Vermögensanlage abgesichert ... Die derzeitige Situation an den Finanzmärkten stellt Stiftungen vor viele Fragen. Eine lautet: Haftet der Vorstand für Vermögensverluste? Die Antwort ist wie so häufig „Das kommt darauf an“. Zunächst einmal gilt für ehrenamtliche Vorstände die jüngst eingeführte Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Im Übrigen gilt: Bei der Vermögensanlage muss der Stiftungsvorstand den Zielkonflikt zwischen Sicherheit, Ertrag und Liquidität lösen; das Gesetz trifft hierzu keine Entscheidung und legt diese Frage in die grundsätzliche Eigenverantwortung der Stiftung. Wichtig ist, dass die Anlageentscheidung objektiv ertragversprechend sein muss. Alles andere liegt grundsätzlich im Ermessen des Vorstands. Eine Entscheidung zur Vermögensanlage hält sich aber nur in den Grenzen des Ermessens, wenn sie nicht gegen die Stiftungsverfassung (z.B. vom Stifter vorgegebene Anlagerichtlinien) verstößt, der Stiftungsvorstand sie nicht „ins Blaue hinein“, sondern auf der Grundlage angemessener Informationen getroffen und sich dabei am Wohl der Stiftung orientiert hat. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so haftet der Vorstand grundsätzlich bereits bei leichter Fahrlässigkeit.

88

Die vorliegende Studie zeigt jedoch: Bei knapp zwei Dritteln (65 Prozent) der Stiftungen ist der Vorstand im Haftungsfall nicht abgesichert. Bei Stiftungen mit einem Stiftungskapital unter einer Million Euro ist der Anteil derjenigen, bei denen der Vorstand abgesichert ist, signifikant geringer als bei Stiftungen mit einem Kapital über einer Million Euro. Im Umkehrschluss: Je größer die Stiftung, desto häufiger existiert eine Absicherung (Abb. 14).

StiftungsReport 2010/11

Haftungsrisiken im Innenverhältnis zwischen Stiftung und Vorstand können auf unterschiedliche Weise abgesichert werden. Von den 122 Stiftungen, bei denen das der Fall ist, schützen knapp zwei Drittel (65 Prozent) ihren Vorstand durch eine so genannte D&O-Versicherung, z. B. die D&O/ VHV-Gruppenversicherung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.132 Bei etwas mehr als einem Drittel (35 Prozent) existiert zur Absicherung des Stiftungsvorstandes eine vertragliche haftungseinschränkende Vereinbarung mit der Stiftung.

... und ebenfalls nur ein Drittel der Stiftungen verfügt über ein syste­ matisches Risikomanagement Heutzutage ist ein angemessenes Risikomanagementsystem Teil eines fast jeden modernen Führungssystems. Bei größeren Firmen dient es der Erfüllung von Kapitalrecht- und Kapitalmarktanforderungen und der Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf die aktuelle Geschäftslage. Daneben beinhaltet es meist – unabhängig von gesetzlichen Regelungen und Kapitalmarktanforderungen – ein Früherkennungssystem zur rechtzeitigen Identifizierung von künftigen Chancen und Risiken und ermöglicht so eine angemessene Reaktion. Auch in den Stiftungssektor hat das systematische Risikomanagement Eingang gefunden133 , allerdings hat bislang nur ein Drittel der Stiftungen ein Risikomanagement zur systematischen Beurteilung von Anlagerisiken (Abb. 14). Größere Stiftungen managen Anlagerisiken häufiger: Bei denjenigen mit einem Stiftungskapital über einer Million Euro ist der Anteil derer, die über ein solches Instrument verfügen, signifikant höher als bei Stiftungen mit einem Kapital unter einer Million Euro. Es gibt also noch ein großes Potential, die Vermögensbewirtschaftung mit Verfahren wie dem Risikomanagement zu professio­nalisieren. Auch kleinere Stiftungen sollten hier aktiv werden.


C Guter Rat Erfreulich und erstaunlich: ­Keine Bankenschelte – auch vor der Krise fühlten sich Stiftungen gut beraten Kompetenz und Beratungsleistung einer Bank bzw. eines freien Vermögensverwalters wissen die meisten Stiftungen sehr zu schätzen – nicht nur während einer Krise.134 In besseren Zeiten werden Anlageentscheidungen getroffen, die ausschlaggebend dafür sein können, ob eine Stiftung schwierige Phasen wie die derzeitige Rezession gut übersteht. Daher fragt die aktuelle Studie: „Wenn Sie an die Zeit vor dem Beginn der Krise im Herbst 2008 zurückdenken: Fühlt sich die Stiftung rückblickend in punkto Vermögensanlage gut beraten (von der Bank bzw. einem externen Vermögensverwalter bzw. der eigenen Vermögensverwaltung)?“ Die Stiftungen konnten sich für eine Note auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) entscheiden. Das Ergebnis ist für die Berater erfreulich, denn im Mittel vergeben die Stiftungen eine 2,2 (n=376). Lediglich 13 Prozent benoten mit 4, 5 oder 6. Das legt den Schluss nahe: Hier wird offenbar nicht im Nachhinein die Bank oder die Vermögensverwaltung für eventuelle krisen­ bedingte Verluste verantwortlich gemacht.

Allerdings zeigt sich auch: Je geringer die eigenen Kenntnisse im Hinblick auf die Vermögensanlage sind, desto schlechter wird die Beratung bewertet (Tabelle 2). Immerhin ein Fünftel der Stiftungen mit mittleren Kenntnissen vergibt die Noten 4, 5 oder 6. Die Beratung wird von Stiftungen mit guten Kenntnissen signifikant besser beurteilt als von denjenigen, die ihre Kenntnisse als „mittel“ oder „gering“ einschätzen. Dagegen unterscheiden sich Stiftungen mit mittlerem oder geringem Vorwissen nicht signifikant von­ einander. Diese Ergebnisse stimmen mit der Zufriedenheitsstudie „Stiftungen und ihre Banken“, die im StiftungsReport 2008/09 publiziert wurde, überein.135 Auch damals lag die Note im Mittel bei 2,2. Dagegen ist die Kapitalausstattung einer Stiftung für die Einschätzung der Beratungsleistung nicht von Bedeutung: Es ergeben sich keinerlei statistisch signifikanten Unterschiede, wenn die Daten anhand der sechs Kapitalklassen (siehe Abb. 1) ­analysiert werden. Tabelle 2: Stiftungen mit guten Kenntnissen in punkto Vermögensanlage vergeben für die Beratungsleistung (durch die Bank, ei­ nen externen Vermögensverwalter bzw. die eigene Vermögensverwaltung) im Schnitt die besten Noten. Dieser Unterschied zu Stiftungen mit geringen oder mittleren Kenntnissen ist statistisch signifikant. Die beiden letztgenannten Gruppen unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Eigene Kenntnisse über die Vermögensanlage von Stiftungen gut Mittelwert n=

2,0 221

mittel

gering

2,5 129

2,8 27

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

4 – Umfrage

89


... findet aber mit der Bank umso ­häufiger statt ...

Eine Krisenberatung durch die ­Stiftungsaufsichtbehörde ist ­selten ... Bietet die zuständige Stiftungsaufsichtsbehörde eine auf die Krise zugeschnittene Beratung an? Dazu haben sich lediglich 283 Stiftungen geäußert und nur 17 Prozent antworten mit „ja“ (Abb. 15). Es ist durchaus denkbar, dass Stiftungen, die keine Angabe gemacht haben, über ein entsprechendes Angebot ihrer Behörde nicht informiert waren oder keine spezielle Beratung wollten. Das Gespräch mit ihrer Stiftungsaufsicht haben während der Krise nur 18 der befragten Stiftungen gesucht, die insgesamt mit der Beratung zufrieden waren. Im Schnitt wird dafür eine 1,8 vergeben (beste Note: 1, schlechteste: 3). Abb. 15: Offenbar bieten nur wenige Stif­ tungsaufsichtsbehörden eine auf die Krise zugeschnittene Beratung an. Bei den Banken bzw. externen Vermögensverwaltern ist dieser Prozentsatz dagegen sehr hoch. Eine unabhängige Beratung wünschen sich ­weniger als ein Viertel der Befragten. Prozent

20

30

40

50

60

70

Stiftungsaufsichtsbehörde bietet Krisenberatung an (n = 367) 17 Bank/externe Vermögensverwaltung bietet Krisenberatung an (n = 315) 67 Stiftung benötigt unabhängige Beratung (n = 283) 17 Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

90

StiftungsReport 2010/11

Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn die gleiche Frage im Hinblick auf die Bank bzw. den freien Vermögensverwalter gestellt wird. Hier haben 315 Stiftungen geantwortet. Über zwei Drittel bestätigen, dass die Bank oder der freie Vermögensverwalter eine auf die Krise zugeschnittene Beratung anbietet (Abb. 15). Etwas mehr als die Hälfte der Stiftungen (n=159) hat von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Die Beratung wurde mit „gut“ benotet (beste Note: 1, schlechteste: 4). Stiftungen waren also nicht nur vor der Krise, sondern sind auch währenddessen mit der Leistung ihrer Bank zufrieden.

... und lässt den Wunsch nach unabhängiger Beratung kaum ­aufkommen Angesichts der hohen Zufriedenheit mit der Beratungsleistung von Banken oder Aufsichtsbehörden verwundert es nicht, dass drei Viertel der Stiftungen keine unabhängige Beratung wünschen und vermutlich auch nicht brauchen (Abb. 15). Nur 17 Prozent möchten unabhängig beraten werden und 7 Prozent antworten mit „weiß nicht“.


D Was machen die Stiftungen mit der Krise: Business as usual? Nicht gewollt oder nicht gekonnt: Vermögen poolen

Abb. 16: Die laufenden Projekte sind der Be­ reich, in dem künftig am häufigsten gekürzt wird. Die Filterfrage beruht auf den Antworten von 95 Stiftungen (Mehrfachantworten möglich). Ausgabenreduktion in folgenden Bereichen

Nur 4 Prozent von 371 Stiftungen haben die Absicht, ihr Vermögen mit dem anderer Stiftungen zu poolen, um bessere Anlagemöglichkeiten zu nutzen, und 9 Prozent antworten mit „weiß nicht“. Die mit 87 Prozent überwältigende Mehrheit der Stiftungen möchte ihr Vermögen nicht poolen. Es ist allerdings denkbar, dass viele Stiftungen sich anders zu diesem Thema äußern würden, böte man ihnen eine konkrete und attraktive Lösung an.

Wenn Reduzierung der Ausgaben, dann hauptsächlich bei laufenden Projekten und ­Verwaltungskosten ... Beabsichtigen deutsche Stiftungen, auf Grund der aktuellen Situation Ausgaben zu reduzieren? Dazu haben sich fast alle Befragten, nämlich 370, geäußert. Über ein Viertel von ihnen plant tatsächlich künftig weniger auszugeben: Kürzen wollen von diesen 95 Stiftungen 64 Prozent bei den laufenden Projekten, 41 Prozent bei den sonstigen Verwaltungskosten und 28 Prozent bei den Programmen. Beim Personal sind dagegen deutlich weniger Kürzungen vorgesehen: ­Lediglich 10 Prozent wollen beim Personal im Programmbereich und ebenfalls 10 Prozent beim Verwaltungspersonal Einsparungen vornehmen (Abb. 16).

Anzahl

20

30

40

50

Laufende Projekte Sonstige Verwaltungskosten 39 Programme 27 Personal im Verwaltungsbereich 9 Personal im Programmbereich 9

60

70

61

Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

... Entlassungen kommen dagegen so gut wie nicht vor Auf die Frage „Falls Ihre Stiftung fest angestellte Mitarbeiter hat, mussten Sie Entlassungen vornehmen?“ haben nur 180 Stiftungen geantwortet und davon haben wiederum nur 3 Prozent Mitarbeiter entlassen. Es bleibt offen, ob ein Teil derjenigen, die keine Angabe gemacht haben, sich vielleicht zu Entlassungen grundsätzlich nicht äußert oder ob nur 180 der befragten Stiftungen überhaupt Festangestellte haben. 96 Prozent dieser 180 müssen auch in den kommenden 18 Monaten keine Entlassungen in Erwägung ziehen.

91

4 – Umfrage


Überraschend: Ein großer Teil der Stiftungen plant keine Maßnah­ men zur Effektivitätssteigerung Gefragt danach, ob sie vor dem Hintergrund gesunkener Erträge für das Stiftungshandeln bestimmte Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung ihrer Ressourcen planen, antworten drei Viertel von 357 Stiftungen mit „nein“. Nur 89 Stiftungen bejahen die Frage und bereiten solche Schritte vor: Von diesen Wenigen planen 56 Prozent mehr Koopera­tionen, 47 Prozent wollen vermehrt das Engagement anderer stärken, 20 Prozent möchten sich dem Projekttransfer widmen und 15 Prozent dem so genannten Agendasetting (Abb. 17). Die Rubrik ­„ Sonstiges“ wird hier von 37 Prozent der Befragten angekreuzt. Trotz sinkender Renditen setzt der weitaus größte Teil der Stiftungen offenbar das bisherige Stiftungshandeln fort und plant auch kaum oder keine Änderungen bzw. Verbesserungen im Management. Das vorliegende Ergebnis passt nicht zur Studie von PricewaterhouseCoopers, in der fast 40 Prozent von 110 Entscheidern aus Stiftungen Kooperationen verstärkt in Erwägung ziehen wollen. Kooperationen werden also offenbar nicht in erster Linie wegen sinkender Erträge, sondern aus anderen Gründen in Betracht gezogen.

92

Abb. 17: Nur 89 Stiftungen planen vor dem Hintergrund gesunkener Erträge für das Stiftungshandeln bestimmte Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung ihrer Ressourcen – dies ist eine sehr geringe Zahl. Von diesen möchten 46 verstärkt mit anderen kooperieren (Mehrfachantworten möglich). Geplante Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung Anzahl 10

20

30

40

50

Kooperationen 46 Stärkung des Engagements anderer 38 Sonstige 30 Transfer bewährter Projekte 16 Agendasetting 12 Quelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“

Kaum eine Stiftung kennt ­Methoden des systematischen Projekttransfers Möglichkeiten und Methoden des systematischen Projekttransfers (z. B. Social ­Franchise) kennen nur 16 Prozent der Stiftungen, d. h. nur 58 von 356, die auf diese Frage geantwortet haben. Lediglich 30 Stiftungen planen systematischen Projekttransfer (Abb. 18). Dabei streben 17 Stiftungen den Weg der so genannten offenen Verbreitung (Konzeptverbreitung) als Transfer­ methode an. Gerade in schwierigen ­Zeiten ist systematischer Projekttransfer eine sinnvolle Möglichkeit, Ressourcen effektiver und effizienter einzusetzen. Unter www.stiftungen.org/projekttransfer finden sich weiterführende Informationen zum Thema.

StiftungsReport 2010/11


Abb. 18: Die wenigen Stiftungen, die ­Methoden des systematischen Projekt­ transfers kennen, planen vor allem eine ideelle Förderung.

seitig beim Wort nehmen: Eine Stiftung in Deutschland sollte einen langfristigen Anlagehorizont haben und – bei ausreichender Rücklagendotierung und Vorsorge für Projektmittelverpflichtungen – in schlechten Geplant, Projekttransfer ... Zeiten nicht kurzfristig eine mit guten Gründen gewählte Anlagestrategie aufgeben. Anzahl 5 10 15 20 Wenn jedoch Verluste auftreten sollte auch an die (Mit-)Verantwortung des externen selbst durchzuführen Beraters gedacht werden. Allerdings scheint 14 hierzu bislang wenig Anlass, da Stiftungen ideell zu fördern (z.B. Konzeptverbreitung) vor und während der Krise mit der Bera 17 tungsleistung ihrer Bank oder ihres freien finanziell zu fördern Vermögensverwalters zufrieden waren. Von 6 Bankenschelte und SchadensersatzprozesQuelle: BVDS, Umfrage „Stiftungen und Finanzkrise“ sen ist kaum die Rede.

Fazit Die aktuelle Studie hat gezeigt: Jede der eingangs genannten Schlagzeilen hat ihre Berechtigung. Die aktuelle Entwicklung in Wirtschaft und Finanzwesen lässt auch die deutschen Stiftungen nicht unberührt. Gleichwohl sind Stiftungen in schwierigen Zeiten nach wie vor eine Säule der Stabilität. Den vielen schwarz gefärbten Medienberichten muss widersprochen werden: Stiftungen haben in ihrer großen Mehrheit in den Krisenjahren 2008 und 2009 nur äußerst geringe oder gar keine Verluste erlitten. Wenn es Verluste gab, handelte es sich überwiegend um Buchwertverluste in 2008, die sich wiederum recht bald egalisieren werden oder dies sogar im Laufe des Jahres 2009 schon haben. Dennoch ist für jede einzelne Stiftung und jeden Stiftungsvorstand ein Verlust stets schmerzhaft – gleichzeitig müssen auch die Aufsichtsgremien einer Stiftung verstehen, dass gute Erträge in guten Jahren fast zwingend einhergehen müssen mit Ertragseinbußen und Verlusten in Zeiten einer allgemein schlechten Marktentwicklung. Hier sollten sich alle gegen-

Daraus folgt die Empfehlung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen an die Adresse aller Stiftungen, ob groß oder klein: Eine Anlagestrategie ist das A und O, sie sollte sorgfältig im offenen Diskurs mit allen relevanten Akteuren erarbeitet und verabschiedet, sodann selbstverständlich auch eingehalten werden. Zu ihrem notwendigen Inhalt gehören Aussagen zum Wert­ erhaltungskonzept (möglichst real) und zur Bildung der freien und Umschichtungsrück­ lage. Ebenso sei zur Vorsorge bei mehrjährig laufenden Fördermittelverpflichtungen (durch Rücklagendotierung oder bilanzwirksame Verpflichtungen) geraten. Im Übrigen plant ein überraschend geringer Prozentsatz der befragten Stiftungen Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung – und das, obwohl die Renditen sinken. Stiftungen sollten deshalb Kooperationen nicht nur vermehrt planen, sondern auch tatsächlich umsetzen. Ein großes Informationsdefizit besteht im Hinblick auf Methoden des systematischen Projekttransfers. Hier ist Aufklärung, Weiterbildung und Popularisierung enorm chancenreich, aber auch erforderlich.

4 – Umfrage

93


KAPITEL 5

Engagement in Zahlen Stiftungsgründungen in Fünfjahres-Zei­träumen in Ost- und Westdeutschland

4.500 4.000

Quelle: Bis 1989 Bundesverband Deutscher Stiftungen, ab 1990 Stiftungsaufsichts­behörden

3.500 3.000 2.500

Westdeutschland Ostdeutschland

2.000 1.500 1.000 500

94

2005 – 2009

2000 – 2004

1995 – 1999

1990 – 1994

1985 – 1989

1980 – 1984

1975 – 1979

1970 – 1974

1965 – 1969

1960 – 1964

1955 – 1959

1950 – 1954

1945 – 1949

0

Was denken die Menschen über ­Stiftungen? „Die Entwicklung des deutschen Stiftungswesens ist auch eine gute Nachricht für Deutschland. Immer mehr Menschen erkennen Stiftungen als das beste Instrument, um sich nachhaltig für das Gemeinwohl einzusetzen“, sagte Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, im Februar 2010 bei der Jahrespressekonferenz. Doch wie denkt die Bevölkerung über Stiftungen in Deutschland? Der Bundesverband Deutscher Stiftungen beauftragte das ­Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im März 2010 mit einer repräsentativen Befragung, um dieses Bild zu schärfen. 1.350 Personen wurden zwölf gegensätzliche Eigenschaftspaare vorgelegt, die sie auf Stiftungen beziehen sollten. Dabei konnten sie ihr Urteil auf einer Skala von 1 bis 5 ­abstufen. Ein Polaritätenprofil visualisiert das ­Ergebnis.

* Der folgende statistische Überblick vermittelt einen ersten Eindruck von der deutschen Stiftungslandschaft. Er wurde auf Grundlage der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und der Angaben der Aufsichtsbehörden erstellt. Da es kein bundeseinheitliches amtliches Stiftungsregister gibt, kann die Datenbank des Bundesverbandes nicht die Gesamtzahl deutscher Stiftungen erfassen. Angaben zu den überwiegend kleinen Treuhandstiftungen, deren Zahl auf weit über 20.000 geschätzt wird, sowie zu den vermutlich weit mehr als 30.000 kirchlichen Stiftungen fehlen.

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Im Jahr 2009 sind in Deutschland 914 neue Stiftungen errichtet worden. Das ist die dritthöchste Zahl in der Geschichte der Bundesrepublik. Zum 31. Dezember 2009 gab es damit 17.372 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung um 6 Prozent. Das ist eine erfreuliche Entwicklung: Trotz der schwierigen wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen hat sich das Stiftungswachstum weiter konsolidiert. Mehr als jede zweite Stiftung ist in den letzten zehn Jahren errichtet worden, 70 Prozent der deutschen Stiftungen stammen aus der Zeit nach der Wiedervereinigung. Aufholbedarf gibt es noch immer im Osten Deutschlands. Nur 60 der 914 neuen Stiftungen wurden in den neuen Bundesländern gegründet.

Wahrnehmung von ­Stiftungen durch die Bevölkerung

Werden die beiden besten Ausprägungen addiert (1+2), gelten Stiftungen bei den Befragten durchaus als seriös (41 Prozent), professionell (38 Prozent), kompetent (39 Prozent) und transparent (19 Prozent). Doch die entsprechenden Mittelwerte lassen es erahnen: Differenziert betrachtet wählt die

gesamt (n = 1.350) viel Kontakt (n = 33) wenig Kontakt (n = 197) bisher kein Kontakt (n = 1.120)

arbeiten nicht transparent

arbeiten sehr transparent

sind nicht innovativ

sind innovativ

sind unseriös

sind seriös

bewirken wenig

bewirken viel

arbeiten wenig professionell

arbeiten sehr professionell

dienen dem Stifter

dienen der Allgemeinheit

arbeiten nicht nachhaltig

arbeiten nachhaltig

sind elitär, abgehoben

sind bodenständig

gehen nicht sorgfältig mit Geld um

gehen sorgfältig mit Geld um

sind nicht vertrauenswürdig

sind vertrauenswürdig

sind inkompetent

sind kompetent

sind konservativ

sind fortschrittlich 1,9

2,1 2,3 2,5 2,7 2,9 3,1 3,3 3,5

Quelle: Umfrage „Assoziationen zu Stiftungen“, Bundesverband Deutscher Stiftungen durch TNS Emnid (März 2010)

95

5 – Engagement in Zahlen


Mehrheit der Befragten bei jeder Eigenschaft die Mitte, legt sich also nicht fest. Hinzu kommen jeweils etwa 7 Prozent, die überhaupt keine Angabe machen. Mit anderen Worten: Die Mehrheit der Bevölkerung hat offenbar keine eindeutige Vorstellung von den Stiftungen in Deutschland. Das Bild in den Köpfen bleibt diffus. Ein Grund dafür mag sein, dass 83 Prozent bisher keinen Kontakt (persönlich und/ oder schriftlich) zu einer der mehr als 17.300 Stiftungen in Deutschland hatten. Nur jeder sechste Befragte gab an, schon einmal Kontakt gehabt zu haben, darunter 14,5 Prozent (n =197) wenig und 2,5 Prozent (n =33) viel. Wer bereits Kontakt mit Stiftungen hatte, hat tendenziell auch ein besseres Bild. Ungeachtet der geringen Fallzahl gilt das vor allem für Befragte mit viel Kontakt im Vergleich zur Mehrheit ohne bisherige Berührungspunkte. Die Transparenz bewerten z. B. 36 Prozent mit wenig oder viel Kontakt zu Stiftungen mit den Bestnoten (1+2). Doch dieser Meinung sind nur 15 Prozent der Befragten ohne bisherigen Kontakt. Insgesamt lässt sich aus der Befragung ein klarer Informationsauftrag für alle Akteure des Stiftungswesens ableiten. Wenn nur 27 Prozent der Menschen meinen (respektive wissen), dass Stiftungen hauptsächlich der Allgemeinheit dienen, 47 Prozent sich unentschlossen für die Mitte entscheiden und sogar 6 Prozent nicht antworten, dann sind sowohl die Stiftungen wie auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen gefordert, die breite Öffentlichkeit noch stärker über das vielfältige wie gemeinnützige Wirken der Stiftungen aufzuklären.

96

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Wofür Stiftungen Geld geben Wollte man die häufigsten Satzungszwecke deutscher Stiftungen mit wenigen Adjektiven beschreiben, so müssten sie lauten: sozial, klug, kreativ, neugierig. Und ­umweltfreundlich. Insgesamt gibt knapp ein Drittel aller Stiftungen bürgerlichen Rechts den Bereich Soziales als einen ihrer Zwecke an. 15 Prozent engagieren sich laut Satzung im Bereich Bildung, ein ebenso großer Anteil fördert Kunst und Kultur. Ob die Finanzkrise sich tatsächlich auf die Kulturförderung in Deutschland auswirken wird, bleibt abzuwarten. Laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers aus dem Jahr 2009 geben 61 Prozent von 110 Entscheidern aus Stiftungen an, künftig für den Bereich Kunst und Kultur weniger auszugeben.136 13 Prozent der deutschen Stiftungen fördern Wissenschaft und Forschung. Zum Beispiel die Fraunhofer Zukunftsstiftung, deren Stiftungsurkunde Ende 2008 übergeben wurde. Sie unterstützt die Vorlaufforschung in zukunftsträchtigen Technologiefeldern, in denen sich gezielt Patentcluster aufbauen lassen. Dafür erhält die Stiftung ein Grundstockvermögen von fünf Millionen Euro sowie 95 Millionen Euro Verbrauchskapital, das in den kommenden Jahren für Forschungsprojekte zur Verfügung steht. Die finanzielle Basis der Stiftung stammt aus Erlösen der mp3-Lizenzeinnahmen. Die mp3Technologie wurde am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS entwickelt. Zwar engagieren sich derzeit nur 4 Prozent der Stiftungen für die Umwelt, aber die Tendenz steigt – das hat auch der Kongress „Nach Kopenhagen – Stiftungen und Klima­ schutz“ im Februar 2010 gezeigt. Eine der


jüngsten Errichtungen in diesem Bereich ist die vom Klimahaus Bremerhaven gegründete Deutsche Klimastiftung. Den Stiftungszweck verwirklicht sie durch Veranstaltungen und Ausstellungen, die die Bevölkerung für den Einfluss des Klimas auf den Menschen sowie Tier- und Pflanzenreich sensibilisieren sollen und die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf das Klima verdeutlichen. Verteilung der Stiftungszweck-Haupt­ gruppen im Stiftungsbestand (in Prozent) n = 11.704 andere gemeinnützige Zwecke

privatnützige Zwecke soziale Zwecke

4

18 31

Umweltschutz 4

Kunst und Kultur

15 13 15

Bildung und Erziehung

Wissenschaft und Forschung

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010) Die meisten Stiftungen geben in ihrer Satzung mehrere gemeinnützige Zwecke als Tätigkeitsgebiete an. Die Gewichtung der Zwecke erfolgt hier nach folgendem Muster: Gibt eine Stiftung mehrere Zwecke an (etwa Umwelt- und Naturschutz), die in einer der Hauptgruppen liegen (etwa Umweltschutz), so werden sie in dieser Gruppe nur einmal gezählt. Gibt eine Stiftung mehrere Zwecke an (etwa Bildung und Kultur), die in verschiedenen Bereichen liegen, so werden diese jeweils zur Hälfte gezählt. Das bedeutet, dass hier nicht nach Einzelzwecken gewichtet wurde, sondern die einzelnen Zwecke wurden zunächst in die Hauptgruppen der Abgabenordnung zusammengefasst. Erst dann wurde die Gewichtung vorgenommen. Jede Hauptgruppe erhält das gleiche Gewicht.

Immer mehr Stiftungen fördern ­freiwilliges Engagement Die Förderung freiwilligen Engagements steht derzeit hoch im Kurs. Wie viele Stiftungen in diesem Bereich aktiv sind, wurde anhand einer repräsentativen Stiftungsumfrage ermittelt. Die Umfrage zu den Auswirkungen der Finanzkrise auf Stiftungen enthielt eine entsprechende Fragebatterie, die für die KurzStudie „Engagementförderung durch Stiftungen in Deutschland“ konzipiert wurde. Die Frage „Meine/unsere Stiftung fördert freiwilliges/bürgerschaftliches Engagement“ beantworteten 220 von 388 Stiftungen mit „Ja“. Damit fördern 60 Prozent der befragten Stiftungen nach eigenen Angaben freiwilliges/bürgerschaftliches ­Engagement. 70 Prozent der befragten engagementfördernden Stiftungen sind selbständige Stiftungen privaten Rechts, 20 Prozent selbständige Stiftungen öffentlichen Rechts. Knapp zwei Drittel der engagementfördernden Stiftungen haben ein Kapital von bis zu einer Million Euro. Bürgerschaftliches Engagement wird damit vor allem von „kleineren“ Stiftungen gefördert. Gefragt wurden die Stiftungen auch, durch welche Maßnahmen sie bürgerschaftliches Engagement fördern. Mit rund 60 Prozent (n = 108) unterstützen die meisten engagementfördernden Stiftungen die „Mobilisierung zum Engagement“. Weitere wichtige Aufgaben sind die „Anerkennungskultur“ sowie der „Aufbau und die Weiterentwicklung von Infrastruktur“. Selten gefördert werden hingegen die Bereiche „Politikberatung und Engagementforschung“. 97

5 – Engagement in Zahlen


Allerdings wurde auf der im November 2009 vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ausgerichteten Tagung „Engagementforschung: Nationaler und internationaler Erkenntnisstand und forschungspolitische Perspektiven“ gerade in diesem Bereich ein großer Forschungs­ bedarf konstatiert.

98

Erst seit dem Jahr 2007 ist bürgerschaft­ liches Engagement als steuerlich begünstigter gemeinnütziger Zweck anerkannt. Da eine Satzungsänderung aufwendig und oft nicht erforderlich ist, findet sich „Bürger­ engagement“ als Satzungszweck meist nur bei neu gegründeten Stiftungen. Doch so wie sich bürgerschaftliches Engagement in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Meine/unsere Stiftung fördert freiwilliges/ unterschiedlichen Formen zeigt – von den bürgerschaftliches Engagement durch ... Freiwilligendiensten über das Ehrenamt im (Mehrfachnennung möglich, n = 176) Sportverein oder im Pflegeheim bis hin zur Beteiligung an Protestbewegungen – gilt Anzahl 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 dies auch für die Aktivitäten der Stiftungen: Sie sind in den verschiedenen Feldern des Mobilisierung zum Engagement bürgerschaftlichen Engagements aktiv und 108 verstehen Engagementförderung als eine Anerkennungskultur (z.B. Preise, Querschnittsaufgabe. Dieser werden sie ­Kampagnen) im Rahmen verschiedener „etablierter“ 76 ­Satzungszwecke gerecht. den Aufbau/ die Weiterentwicklung von Infrastruktur Zwischen Rhein und Weser sitzen 62 die meisten Stiftungen Qualifizierung und Wissensmanagement 58 Absolut betrachtet haben die meisten StifSonstiges tungen ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. 36 Mit 192 neuen Stiftungen verzeichnet das Verbesserung der Engagementkultur Land zudem erneut die höchste Zahl an 33 Neugründungen. Eine davon ist die Pina Politikberatung Bausch Stiftung in Wuppertal. Der Tod der 8 in ­Solingen geborenen Tänzerin und Choreo­ Engagementforschung graphin Pina Bausch hat im letzten Jahr 5 weltweit große Trauer ausgelöst. Die Presse würdigte sie in Nachrufen als „Picasso des Quelle: Engagementförderung durch Stiftungen in Tanzes“, „Ikone des Tanztheaters“ und Deutschland – KurzStudie 137 (Februar 2010) ­„Kaiserin des deutschen expressionistischen Tanzes“. Nach nur wenigen Wochen riefen ihr Lebensgefährte und ihr Sohn eine Stiftung ins Leben, um das künstlerische Vermächtnis der langjährigen Leiterin des Tanztheaters Wuppertal zu bewahren. Neben der Aufführung und Verbreitung der Werke von Pina Bausch ist ein öffentlich zugängliches Archiv geplant.

StiftungsReport 2010/11


Stiftungsbestand, Errichtungen, Stiftungs- sowie Errichtungsdichte pro 100.000 Einwohner für 2009 nach Bundesländern Bundesland Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen

Bestand 2.604 3.182 690 145 299 1.165 1.564 146 1.832 3.336 810 139 370 222 634 234

Errichtungen 148 168 50 11 11 35 74 4 91 192 54 10 27 8 21 10

Stiftungsdichte

Errichtungs­ dichte

24,2 25,4 20,1 5,7 45,2 65,7 25,8 8,8 23,1 18,6 20,1 13,5 8,8 9,3 22,4 10,3

1,38 1,34 1,46 0,44 1,66 1,98 1,22 0,24 1,15 1,07 1,34 0,97 0,64 0,34 0,74 0,44

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010), Stiftungsaufsichtsbehörden (Februar 2010), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Einwohnerzahlen: Stand 31.12. 2008

Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung liegt die Stiftungsdichte in Nordrhein-Westfalen mit 19 Stiftungen pro 100.000 Einwohner etwas unter dem bundesweiten Durchschnitt von 21 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Gewohnt gute Zahlen kommen aus dem stiftungsaffinen Süden Deutschlands: In ­Bayern wurden 168 und damit mehr Stiftungen als 2008 gegründet. In Baden-Württemberg übergab die Stiftungsaufsichtsbehörde 148 Stiftungen die Anerkennungsurkunde. Die Stiftungsdichte ist in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen am höchsten, bei den Flächenländern in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg.

Dynamisch: Die Entwicklung des Stiftungsbestandes in Deutschland Im Jahr 1989 waren dem Bundesverband Deutscher Stiftungen nur 4.587 Stiftungen bekannt. Seitdem hat sich die Stiftungslandschaft eindrucksvoll verändert. Besonders dynamisch verlief die Entwicklung in Westdeutschland: Im Münsterland, im Rheinland, in der Region Hannover, im Raum Frankfurt und in den Großstädten Hamburg, München und Stuttgart. Aber auch im Osten hat sich nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes einiges getan. Zum Beispiel in Sachsen: Leipzig lässt seine starke bürgerschaftliche Tradition wieder aufleben, der Stiftungsbestand wächst. Anlässlich des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution in der DDR ist am 9. Oktober 2009 die gleichnamige Stiftung Friedliche Revolution ins Leben gerufen worden. Die Stiftung wurde von Aktivisten

5 – Engagement in Zahlen

99


der Friedensbewegung gegründet und will national und international Demokratie, Pluralismus und Toleranz unterstützen. Als Basis der Stiftungsarbeit dient eine „Charta für Courage“, die aus vier Parolen der damaligen Zeit besteht. „Keine Gewalt“, „Schwerter zu Pflugscharen“, „Offen für alle“ und „Wir sind das Volk“. Im Mittelpunkt der Stiftungsarbeit stehen nicht die Aufarbeitung der Geschichte oder Heldenverehrung, sondern Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und einem fairen Wirtschaftssystem.

die Wiederherstellung und der Erhalt von Biotopen oder die Information der Öffentlichkeit. Außerdem beobachtet die Stiftung das „White Nose Syndrom“, ein mysteriöses Fledermaussterben in den USA. Im Osten Deutschlands wurden auch einige Altstiftungen wiederbelebt. Jüngstes Beispiel: Im Geburtsort des bedeutenden jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn wurde 2009 die Dessauer Moses Mendelssohn Stiftung zur Förderung der Geisteswissenschaften neu errichtet – sie war einst von den Nazis verboten worden. Die während der Wirtschaftskrise 1929 gegründete Stiftung förderte Forscher unabhängig vom Glauben. Zu ihrem Ehrenausschuss gehörten Albert Einstein, Walter Gropius, Hugo Junkers, Max Liebermann, Eduard Spranger, Arnold Zweig und Max Planck. Die neue Stiftung will jährlich eine wissenschaftliche Arbeit zur deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur finanziell unterstützen.

Thüringen punktet mit vielen Stiftungen in den Universitätsstädten Jena und Erfurt. Im Jahr 2009 errichtete die Interessengemeinschaft Fledermausschutz und -forschung Thüringen (IFT) e.V. in der Landeshauptstadt die Stiftung Fledermaus. Ihr Zweck ist der Tierartenschutz im Rahmen eines integrativen Naturschutzes: Alle Fledermausarten sollen vor dem Aussterben bewahrt werden. Aufgaben der Stiftung sind beispielsweise

Sylt

Flensburg

Fehmarn

Stiftungsbestand nach Landkreisen in den Jahren 1989 und 2010 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010)

5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 mehr als 70

1989

Hamburg

Rügen

Neubrandenburg

CuxhavenLüchow

Schwerin

Hamburg Potsdam

Wolfsburg

Bremen

Hannover

Neubrandenburg

Berlin

Lüchow

Magdeburg

Hildesheim

Bielefeld

Neuruppin

Bremerhaven

Wilhelmshaven Emden Oldenburg

Neuruppin Cottbus

Paderborn Göttingen

Dortmund

Halle

Osnabrück

Kassel

Köln

Hannover Leipzig

Münster

Siegen

Duisburg

Magdeburg

Gera

Cottbus

Chemnitz

Zwickau

Halle

Coburg

Frankfurt

Kassel

Wiesbaden

Leipzig

Düsseldorf Mainz

Darmstadt

Köln Aachen

Würzburg Siegen

Jena

Erfurt

Mannheim Bonn Regensburg

Koblenz

Gera Zwickau

NürnbergFulda Karlsruhe

Coburg

Frankfurt Stuttgart Wiesbaden

Ingolstadt

Mainz

Darmstadt

Ulm Augsburg

Mannheim Freiburg Saarbrücken Konstanz

Würzburg München

Nürnberg Kempten

Karlsruhe

GarmischPartenkirchen

Regensburg

Stuttgart

100

Ingolstadt

Ulm Augsburg München Freiburg Konstanz

Berlin

Dresden

Göttingen

Dortmund

Koblenz

Jena

Paderborn

Fulda

Potsdam

Wolfsburg

Hildesheim

Bielefeld Erfurt

Bonn

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StiftungsReport 2010/11

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Lübeck

Bremen

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Fehmarn

Kiel Schwerin

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Osnabrück Münster

Usedom

Rostock

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Oldenburg

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Für diese beiden Karten wurden nur Stiftungen ­berücksichtigt, von denen Rechtsform, Sitz und Errichtungsjahr bekannt sind.

Flensburg

Cuxhaven

Wilhelmshaven Emden

Rügen

Sylt

Kiel

Kempten

GarmischPartenkirchen

Dresden Chemnitz


Die Stiftungsdichte im Westen ... Die Anzahl selbständiger Stiftungen bürgerlichen Rechts pro 100.000 Einwohner variiert in den Landkreisen und kreisfreien Städten stark. Im Allgemeinen ist die Stiftungsdichte in städtischen Ballungsräumen höher als auf dem Land: In den Städten war das Bürgertum traditionell sehr einflussreich und auch heute wird hier das meiste Geld erwirtschaftet. Umgekehrt fehlen gerade in den schrumpfenden ländlichen Gebieten die finanziellen Mittel, um Stiftungen zu errichten – auch in manchen Regionen Westdeutschlands. Hochburgen des Bürgerengagements im Norden sind nach wie vor die Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck mit ihrer ausgeprägten stifterischen Tradition. Nicht nur einflussreiche Kaufleute gründen Stiftungen, sondern auch berühmte Fußballvereine: 2009 hat der SV Werder Bremen die nach dem Verein benannte Stiftung ins Leben gerufen, um die NachhalSylt Flensburg

2010

Fehmarn

Rügen

Kiel Usedom

Rostock Lübeck Cuxhaven

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Lüchow

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Cottbus

Paderborn Duisburg

Göttingen

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Kassel

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Düsseldorf Köln Aachen

Siegen

Jena

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Fulda Koblenz

Coburg Frankfurt

Wiesbaden Mainz

In Hannover, mit 56,2 Stiftungen pro 100.000 Einwohner unter den zehn stiftungsreichsten Städten Deutschlands, gab es im letzten Jahr gleich zwei Neugründungen: Erstens die Förderstiftung MHH plus, eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts und zentrale Fördereinrichtung der Medizinischen Hochschule Hannover für alle Bereiche des wissenschaftlichen und sozialen Lebens an der MHH. Und zweitens wurden die Niedersächsische Sportstiftung und die Niedersächsische Lottostiftung Anfang 2009 auf Beschluss der Landesregierung in die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung überführt. Die neu entstandene Stiftung fördert insbesondere Breiten-, Leistungs- und Nachwuchssport, aber auch die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.

Bremen

Oldenburg

Münster

Schwerin

Hamburg

Bremerhaven

Wilhelmshaven Emden

tigkeit seines sozialen Engagements sicherzustellen. Ausgestattet mit einem Grundkapital von 300.000 Euro soll sie nun Jahr für Jahr Projekte unterstützen, die Sport, Bildung und Erziehung fördern. Damit will der Verein auch die Flut von Anträgen kanalisieren, die den Verein ständig mit der Bitte um Unterstützung erreichen. Die Priorität liegt auf Themen wie Integra­tion, Antirassismus und Völkerverständigung.

Darmstadt Würzburg Mannheim

Saarbrücken

Nürnberg Regensburg

Karlsruhe Stuttgart

Dresden Chemnitz

In Nordrhein-Westfalen sind nach wie vor Bonn und Münster die Leuchttürme in der Stiftungslandschaft; beide finden sich unter den ersten zehn des Städterankings (siehe Seite 104). Die Akteure der Münsteraner Bürgerstiftung sind der Ansicht, es reiche nicht, nur stolz auf ihre Stadt zu sein: „Wir müssen uns auch im Rahmen unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten persönlich engagieren und damit zur Sicherung unserer Zukunft beitragen.“ Deshalb schreibt die

Ingolstadt

101

Ulm Augsburg München Freiburg Konstanz

Kempten

GarmischPartenkirchen

5 – Engagement in Zahlen


Stiftung* Bürger für Münster bereits seit 2005 jedes Jahr den Bürgerpreis zur Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements aus. Er ist mit immerhin 10.000 Euro dotiert.

Die Stiftungshauptstadt Bayerns heißt Würzburg. Aber auch München, Augsburg, Bayreuth, Passau und Regensburg gehören zu den Städten mit einer langen „Stiftungsgeschichte“. Das Katharinenspital in Regensburg entstand bereits um 1220 als Gemeinschaftsprojekt des Bischofs und der Bürger von Regensburg. Über Jahrhunderte versorgte und unterstützte es alte Menschen im eigenen Haus und in der Stadt. Diese Tradition führt die Katharinenspitalstiftung bis heute fort.

Im Rhein-Main-Gebiet zählen neben Frankfurt noch Darmstadt und Mainz zu den Stiftungshochburgen. In Mainz hat die bekannte Stiftung Lesen ihren Sitz.

Sylt Flensbur g SL

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Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010; Bevölkerung: Stand 31. 12. 2008; Sachsen: Daten vom 31. 12. 2008, umgerechnet auf Kreisstand vor Gebietsreform; Sachsen-Anhalt: Stand 31. 12. 2006)

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bis 4 bis 8 bis 12 bis 16 bis 20 bis 24 bis 28 bis 32 bis 36 bis 40 bis 44 bis 48 mehr als 48

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Kempten LI

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OAL

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... und im Osten Wie im vergangenen Jahr ist Potsdam mit 24,2 Stiftungen je 100.000 Einwohner die stiftungsreichste Stadt im Osten der Republik. Die Stadt in unmittelbarer Nähe zur Hauptstadt boomt. In anderen Regionen Ostdeutschlands, besonders im Süden Brandenburgs, sehen die Zukunftsperspektiven weniger rosig aus: Betroffen sind vor allem Jugendliche. Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, hat eine Reihe engagierter Unternehmen aus der Region Anfang 2009 die SINUS-Stiftung ins Leben gerufen. Sie soll die berufliche Ausbildung von Jugendlichen fördern sowie vorausschauend und nachhaltig auf die Herausforderungen des demografischen Wandels und der regionalen Strukturveränderungen reagieren. Mit verschiedenen Projekten führt die Stiftung Jugendliche an ein Erwerbs­ leben in der Region heran. Sie veranstaltet Kurse, vergibt Stipendien und fördert die überregionale Zusammenarbeit. In den Handels- und Kulturzentren Sachsens, Dresden und Leipzig, gibt es vergleichsweise viele Stiftungen. In Chemnitz nicht – die Stadt hat nur eine Stiftungsdichte von 6,2 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Jetzt hat die TU Chemnitz eine Stiftung erhalten. Ihr Ziel ist die materielle und ideelle Förderung von Forschung und Lehre sowie die Vergabe von Stipendien. Das ­Stiftungsvermögen der 2009 ­errichteten

Stiftung beträgt zunächst 400.000 Euro und ist von der Freundesgesellschaft der TU sowie von 15 regional und überregional tätigen Unternehmen, Banken und Persönlichkeiten aufgebracht worden. Hinzu kommen 500.000 Euro aus der 1998 eingerichteten Heinemann-Stiftung, die die TU als Dachstiftung verwaltet.

Das Kopf-an-Kopf-Rennen der Städte entscheidet Würzburg für sich Verschiebungen gegenüber dem Vorjahr gab es im Städteranking: Frankfurt am Main, jahrelang die Stadt mit der höchsten Stiftungsdichte, muss die Spitzenposition für Würzburg räumen. In der unterfränkischen Stadt kommen 76 Stiftungen auf 100.000 Einwohner, davon sind die Stiftung Juliusspital und das Bürgerspital mit ihren Weingütern wohl die bekanntesten. In Frankfurt gibt es 71 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Auf Platz drei landet wie in den Vorjahren Hamburg, die Stadt mit den meisten Stiftungen (1.165). 2009 kamen an der Alster 35 Stiftungen hinzu. Auch die Stiftung Rechnen hat seit dem letzten Jahr hier ihren Rechtssitz. „Mehr Freude am Rechnen“ ist ihre zentrale Botschaft. Bundesweit will die Stiftung Rechenkompetenz fördern und mehr Freude an Zahlen und am Lösen mathematischer Aufgaben vermitteln. Das erste Forschungsprojekt, die Ende 2009 vorgestellte Studie „Rechnen in Deutschland“, stellte auffallende Mathe-Defizite in der Bevölkerung fest und untermauert so den Bedarf des Engagements. Einen Gründungsrekord kann Berlin verbuchen. 50 Stiftungen sind im letzten Jahr ins Leben gerufen worden, darunter die Berliner-Dom-Stiftung. Bei der jährlich im Februar stattfindenden Veranstaltung „Der Dom dankt“ wurde sie am 20. Februar 2009

5 – Engagement in Zahlen

103


Städteranking nach Stiftungen je 100.000 Einwohner Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 … 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81

Stadt Würzburg Frankfurt am Main Hamburg Oldenburg München Mainz Bonn Hannover Münster Darmstadt

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Mönchengladbach Bottrop Oberhausen Hamm Gelsenkirchen Chemnitz Salzgitter Gera Herne Cottbus

Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Sachsen Niedersachsen Thüringen Nordrhein-Westfalen Brandenburg

8,5 8,5 8,3 6,6 6,5 6,2 5,7 5,0 4,2 3,9

10 20 30 40 50 60 70

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010), Stiftungsaufsichtsbehörden (Februar 2010), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Einwohnerzahlen: Stand 31.12. 2008

104

gegründet. Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, überreichte dem Stiftungsvorstand die Anerkennungsurkunde. Nachdem das Domkirchenkollegium im Dezember 2008 zu Zustiftungen aufgerufen hatte, hatten bereits im Februar 125 Gemeindemitglieder und Freunde des Berliner Doms ein Vermögen von 257.000 Euro gestiftet. Mit den Erträgen fördert die Stiftung das geistliche Leben, Denkmalschutz und -pflege, Kunst und Kultur, Bildung und Erziehung sowie Wissenschaft und Forschung. In der Hauptstadt existieren nunmehr 690 Stiftungen. Auf 100.000 Einwohner kommen 20 ­Stiftungen.

StiftungsReport 2010/11

Im Dienst der Stadtbürger: ­Kommunale Stiftungen Eine kommunale Stiftung ist – wie alle Stiftungen – geprägt von Langlebigkeit. Charakteristisch ist jedoch die Zugehörigkeit des Stiftungszwecks zum Wirkungskreis der Kommune. Die Stiftungszwecke der kommunalen Stiftungen sprechen ein breites Spektrum von Aufgaben an, zum Beispiel Soziales, Bildung, Jugend- und Altenhilfe, Kultur, Gesundheit und Umwelt.


Im Westen sind soziale Zwecke stärker vertreten, im Osten häufiger Kunst und Kultur. Aufgrund der großen Differenz in der Stiftungszahl sollten aber diese Unterschiede nicht überbewertet werden. Die Entstehung vieler von Kommunen betreuter Stiftungen reicht bis ins Mittelalter zurück; aber auch in der Gegenwart, gerade in Zeiten knapper Kassen, kommt ihnen eine große Bedeutung innerhalb des Gemeinwesens zu. Viele kommunale Stiftungen gibt es zum Beispiel in München, Münster, ­Göttingen oder Freiburg.

Von allen in Münster bestehenden Stiftungen werden heute zehn städtisch verwaltet, davon sind sechs rechtlich selbständige Stiftungen. Der Generalarmenfonds wurde 1806 als Zusammenschluss mehrerer Kapitalstiftungen gegründet, die allein nicht mehr „lebensfähig“ waren, jedoch gleiche oder ähnliche Stiftungszwecke verfolgten. Vorgänger war der 1539 gegründete „Allgemeine Armenfonds“. Schon damals legte man mehrere finanzschwache Stiftungen zusammen, um Bedürftigen in der Stadt Münster zu helfen.

Ähnlich in Göttingen: Die Göttinger milde Stiftung – eine rechtsfähige Stiftung des Verteilung der Stiftungszweck-Hauptgrup­ pen bei kommunalen Stiftungen (in Prozent)* privaten Rechts, die von der Stadt Göttingen verwaltet wird – ist aus einer Zusammenlegung vieler Einzelstiftungen hervorgeWest (n=989) Ost (n=77) gangen, die zum Beispiel wegen nicht mehr 50 0 10 20 30 40 60 ausreichender Stiftungsmittel oder Wegfall des Stiftungszwecks aufgelöst wurden. soziale Zwecke Insgesamt werden von der Stadt Göttingen 54 fünf Stiftungen verwaltet. 43 Wissenschaft und Forschung In Freiburg begann der städtische Archivar 4 Ferdinand Weiß um 1800, das Armen­ 4 wesen in Freiburg neu zu organisieren: Er Bildung und Erziehung vereinigte die 100 Stiftungen und schuf so 13 eine „Allgemeine Stiftungsverwaltung“, 13 die gemeinsame Verwaltung rechtlich und Kunst und Kultur wirtschaftlich selbständiger Stiftungen. 14 Heute verwaltet die Freiburger Stiftungsver 24 waltung sechs Stiftungen. Das GesamtverUmweltschutz mögen aller Stiftungen belief sich 2008 auf 3 circa 48 Millionen Euro. Rund 500 Mitarbei 3 terinnen und Mitarbeiter kümmern sich um andere gemeinnützige Zwecke die Erfüllung der Stiftungszwecke. 11 12 privatnützige Zwecke 1 1 Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010) * Die Zwecke wurden gewichtet.

5 – Engagement in Zahlen

105


Kommunale Stiftungen in Deutschland Sylt

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Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010)

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BGL


Mehr Autonomie als klassische Verwaltungen: Stiftungen öffent­ lichen Rechts … Entscheidungsautonomie ist ein großer Vorzug öffentlich-rechtlicher Stiftungen gegenüber öffentlichen Verwaltungen: Die Stiftungen sind stärker von den politischen Prozessen entkoppelt. Die rechtliche Verselbständigung von Staatseigentum verhindert auch, dass substanzielle Kapitalbeträge im laufenden Haushalt verwendet werden. Das sorgt für Nachhaltigkeit und ist einer der Gründe, warum der Staat bestimmte Aufgaben in öffentlich-rechtliche Stiftungen ausgliedert. Dazu haben alle staatlichen

Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) die Möglichkeit. Auch die Bundesstiftung Baukultur ist in öffentlich-rechtlicher Form durch Bundesgesetz errichtet worden. Mitunter wird allerdings versäumt, die Stiftung mit einem angemessenen Grundvermögen auszustatten. Dann bleibt sie auf laufende staatliche und private Zuwendungen angewiesen und damit leidet ihre Autonomie dann doch. Hat eine Stiftung öffent­lichen Rechts Vermögen in Form von Schlössern und Gärten ist dies häufig schwer zu bewerten. Zu den größten Stiftungen öffentlichen Rechts nach Gesamtausgaben gehört die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Die größten Stiftungen öffentlichen Rechts nach Gesamtausgaben 138 Mio. 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600 650 700

Name

750 800

850 900

Gesamtausgaben in Euro

Georg-August-Universität Göttingen Stiftung Öffentlichen Rechts

863.870.000

Goethe-Universität Frankfurt am Main

754.024.000

Stiftung Preußischer Kulturbesitz

252.555.000

Stiftung kreuznacher diakonie

252.300.000

Stiftung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

115.960.000

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010), Finanzdaten aus 2008

107

5 – Engagement in Zahlen


… noch mehr Autonomie: ­Stiftungen privaten Rechts Die stiftungsspezifische Autonomie charakterisiert Stiftungen privaten Rechts. Es gibt sie in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen. Wenn der Staat als privatrechtlicher Stifter auftritt, muss er bei der Errichtung manchmal viele Einflussmöglichkeiten abgeben. Wie bei der ­VolkswagenStiftung. Als die Volkswagenwerk GmbH in eine Aktien­

gesellschaft umgewandelt wurde, diente der Erlös als Stiftungskapital zur Gründung der Stiftung. Das Modell ­VolkswagenStiftung mit seinen klaren Mandatsstrukturen gilt als beispielhaft. Unter den großen privaten Stiftungen gibt es auch solche in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft. Dazu gehört die Robert Bosch Stiftung, die als Stiftung-GmbH organisiert ist.

Die größten Stiftungen privaten Rechts nach Gesamtausgaben 138 Name VolkswagenStiftung Bertelsmann Stiftung Robert Bosch Stiftung GmbH Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH Alexander von Humboldt-Stiftung Deutsche Bundesstiftung Umwelt Studienstiftung des deutschen Volkes e. V. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Deutsche Stiftung Denkmalschutz Umweltstiftung WWF-Deutschland Dietmar Hopp Stiftung gGmbH ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Stiftung Mercator Software AG-Stiftung Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Gesamtausgaben in Euro

20 40 60 80 100 120 Mio.

121.861.000 77.500.000 75.856.000 71.074.000 67.871.000 60.815.000 51.618.000 42.200.000 38.000.000 35.330.000 30.000.000 27.528.000 24.500.000 24.130.000 21.102.000

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010), Finanzdaten aus 2008

108

StiftungsReport 2010/11


Stiftungen, die meist keine sind: die Parteinahen Mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung haben die politischen Stiftungen nicht die Rechtsform einer klassischen Stiftung, sondern die eines eingetragenen Vereins. Damit unterliegen sie nicht der staatlichen Aufsicht und Rechnungslegungspflicht. Finanziert werden sie zu 90 Prozent aus Bundesmitteln; beteiligt sind das Bundesinnenministerium sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In den Haushaltsvolumina der politischen Stiftungen spiegeln sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wider. Die Unabhängigkeit dieser Stiftungen ist eingeschränkt, denn es besteht eine traditionelle Loyalität gegenüber den jeweiligen politischen Leitideen. Ihre Hauptaufgaben sehen die parteinahen Stiftungen in der politischen Bildung, in der Unterstützung von sozial- und politikwissenschaftlicher sowie historischer Forschung, der Stipen­ diatenförderung, der Politikberatung und der Entwicklungszusammenarbeit. Politische Stiftungen widmen sich auch dem Thema „Stadt“. Die SPD-nahe FriedrichEbert-Stiftung e. V. bietet unter fes-kommunalakademie.de erprobtes Praxiswissen für ehrenamtliche Kommunalpolitik, Rats- und Fraktionsarbeit, kommunales Finanzwesen,

Recht der Verwaltung, Baurecht und viele andere kommunale Sachaufgaben. Außerdem veröffentlichte sie im Januar 2009 die Studie „Renaissance der Stadt. Durch eine veränderte Mobilität zu mehr Lebensqualität im städtischen Raum“. Der Themenkatalog der CDU-nahen ­Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. enthält ebenfalls den Bereich Kommunalpolitik ­ (www.kas.de/wf/de/21.7/). Hier bietet sie beispielsweise das E-Learning-Programm „Kommunalpolitik“ an. Es soll Multiplikatoren und interessierten Selbstlernern die Möglichkeit bieten, sich über die Grund­ lagen praktischer Kommunalpolitik zu infor­ mieren sowie die Grafiken und Texte für eigene Präsentationen mittels Datenprojektion online und offline zu nutzen. Stadtentwicklung thematisiert die HeinrichBöll-Stiftung e. V. Die von ihr eingerichtete „Fachkommission Stadtentwicklung“ formuliert Handlungsempfehlungen für Politik in Bund, Ländern und Gemeinden; die Texte werden in der kommunalpolitischen Infothek ­veröffentlicht (www.kommunaleinfo.de/index.html?/infothek/2381.asp). Außerdem führt sie Veranstaltungen zum Thema Stadt und Nachhaltigkeit wie „Urban Futures 2030“ oder in ihrer Reihe „Zukunftswerkstadt“ den Workshop „Kreative Städte in Deutschland“ durch.

Die größten parteinahen Stiftungen nach Gesamtausgaben 138 Name Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Heinrich-Böll-Stiftung e.V. Friedrich-Naumann-Stiftung Rosa-Luxemburg-Stiftung e.V.

Gesamtausgaben in Euro 130.936.000 116.600.000 48.713.000 45.026.000 42.059.000 21.944.000

20 40 60 80 100 120 Mio.

109

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2010), Finanzdaten aus 2008

5 – Engagement in Zahlen


Viel Geld für gute Ideen

Bürgerstiftungen weiter auf ­Wachstumskurs Auch bei den Bürgerstiftungen setzt sich trotz der schwierigen Wirtschaftslage die positive Entwicklung fort. Nach 32 Neugründungen 2008 wurden im letzten Jahr 31 neue Bürgerstiftungen anerkannt. 185 Bürgerstiftungen tragen das Gütesiegel des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Auch die Zahl der Stifterinnen und Stifter ist 2008 erneut gestiegen: Es sind nun 15.000 Menschen, die sich finanziell für die Ziele ihrer Bürgerstiftung einsetzen. Damit ist die Gruppe der Bürgerstifter die größte Gruppe lebender Stifter. Bestand und Gründungen von Bürgerstiftungen Quelle: Initiative Bürgerstiftungen (Märzumfrage139 2009)

240 220 200 180

Anzahl Gründungen Gesamtzahl

160

Ähnlich wie in den vergangenen Jahren hat sich das Kapital der Bürgerstiftungen erneut erhöht, in 2008 um 20 Prozent. Es beträgt mittlerweile 120 Millionen Euro. Das Gründungsvermögen ist auf über 29 Millionen Euro angewachsen. Bürgerstiftungen sind auch fleißige Spendensammler. Die Spenden fließen nicht in das Stiftungskapital ein, sondern werden zeitnah für Projekte ausgeschüttet. Die Bilanz ist erfreulich: Im Jahr 2008 gingen über dreieinhalb Millionen Euro Spenden ein. Bürgerstiftungen agieren in ihrer Region auch als wichtige Spendenvermittler, da sie lokale Initiativen unterstützen und dadurch Spendenwilligen sinnvolle Fördermöglichkeiten zur Auswahl stellen. Es geht aber nicht nur um Geldspenden. Menschen, die sich in Bürgerstiftungen engagieren, spenden ihre Zeit: Sie leisteten nach Berechnungen der Initiative Bürgerstiftungen im letzten Jahr über 345.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit.

140 120 100 80 60 40

Entwicklung des ­Gründungsvermögens von Bürgerstiftungen in den Jahren 1996 bis 2008 (in Euro)

kumuliertes Gründungsvermögen

Quelle: Initiative ­Bürgerstiftungen ­(Märzumfrage 2009)

20

30.000.000 28.000.000 26.000.000 24.000.000 22.000.000 20.000.000 18.000.000

0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

16.000.000 14.000.000 12.000.000 10.000.000 8.000.000 6.000.000

110

4.000.000 2.000.000 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

0

StiftungsReport 2010/11


Spenden an Bürger­ stiftungen von 1998 bis 2008 (in Euro)

Spenden 3.500.000 3.000.000

Quelle: Initiative ­Bürgerstiftungen (Märzumfrage 2009)

2.500.000 2.000.000 1.500.000 1.000.000 500.000

2007

2008

2006

2005

2004

2002

2003

2001

2000

1998

1999

0

Förderschwerpunkte und Stiftungs­zwecke von ­Bürgerstiftungen (in Prozent) Quelle: Initiative ­Bürgerstiftungen (Märzumfrage 2009)

mildtätige VölkerZwecke verständigung Wissenschaft andere Umweltschutz Zwecke Kunst und Kultur 3 6 9 generationenübergreifende 5 Projekte Heimat4 pflege Soziales

Bildung und Erziehung

9

Für die Jugend Die Hauptförderschwerpunkte der Bürgerstiftungen sind 2008 dieselben geblieben: Wie im Vorjahr werden die meisten Projekte in den Bereichen Jugend sowie Bildung und Erziehung gefördert – gemeinsam machen sie einen Anteil von etwas mehr als 60 Prozent aus. Der Förderschwerpunkt Jugend verzeichnet den höchsten Zuwachs: Er stieg von 27 Prozent im Jahr 2007 auf 35 Prozent im Jahr 2008. Jedoch gilt weiterhin: Die Vielfalt der Förderschwerpunkte spiegelt die Vielfalt der Bürgerstiftungen wider, die sich an den Bedürfnissen vor Ort ­orientieren. Ein junges Mitglied der Bürgerstiftungsfamilie aus dem Jahr 2009 ist die Bürgerstiftung Lampertheim. Gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen, Handwerkern oder Vereinen will die Bürgerstiftung den Sinn für Verantwortung und Gemeinschaft der Bürger stärken. Zu den umfangreichen Satzungszwecken zählen Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz, Jugend- und Altershilfe, öffent­ liche Gesundheitspflege oder die städtische Wissenschaft und Forschung. Die ersten Projekte befassen sich u. a. mit dem Thema Zivilcourage und örtlichen ­Musiktalenten.

35

Jugend

26

111

Weitere Informationen zu aktuellen Statistiken und Trends/Zahlen, Daten und Fakten rund um das deutsche Stiftungswesen finden Sie auf der Homepage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen unter www.stiftungen.org sowie im Verzeichnis Deutscher Stiftungen, Band 1, 2008. Informationen zu Bürgerstiftungen unter www.die-deutschen-buergerstiftungen.de.

5 – Engagement in Zahlen


Service B – Stiftungstypologie Bürgerstiftungen Bürgerstiftungen sind gemeinnützige Stiftungen von Bürgern für Bürger, deren Stiftungszweck m ­ öglichst breit gefasst ist und dessen Verwirklichung in einem geo­grafisch begrenzten Raum erfolgt. Sie sind Ausdruck einer selbst­bestimmten Bürgerschaft.

Gemeinnützige Stiftung Eine Stiftung ist gemeinnützig, wenn ihr Zweck darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Anerken­ nung als gemeinnützig erfolgt durch die Finanzbehörden. Mit dem Status der Gemeinnützigkeit ist regelmäßig die Steuer­ befreiung der Stiftung verbunden. Auch sind gemeinnützige Stiftungen berechtigt, Spenden entgegen zu nehmen.

Familienstiftung Kirchliche Stiftung Familienstiftungen dienen ihrem Zweck nach überwiegend dem Interesse der Mitglieder einer oder mehrerer Familien. Errichtet wird die Familienstiftung regelmäßig in der Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts. Die für eine Steuer­begünstigung erforderliche Förderung der Allgemeinheit liegt bei einer reinen Familien­stiftung nicht vor. Sie wird daher auch als privatnützige Stiftung bezeichnet.

Eine kirchliche Stiftung ist eine Stiftung, deren Zweck überwiegend kirchlichen Aufgaben dient. Eine selbstständige kirchliche Stiftung wird durch die kirchliche Aufsichtsbehörde beaufsichtigt. Die Bestimmung als kirchliche Stiftung hängt vom Stifterwillen und der Zustimmung der Kirche ab. Operative Stiftung

Förderstiftung

Eine operative Stiftung führt eigene Projekte durch, bezweckt also nicht nur die Förderung fremder Projekte bzw. die Förderung anderer gemeinwohlorientierter Körperschaften (Förderstiftung).

112

StiftungsReport 2010/11


A – Was ist eine Stiftung? Der Begriff Stiftung ist im Gesetz nicht definiert. Auch wenn somit nicht automatisch eine bestimmte Rechtsform mit dem Begriff der Stiftung einhergeht, verfügen Stiftungen über einheitliche charakteristische Merkmale. Die Stiftung ist gekennzeichnet als Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck, insbesondere einem gemeinnützigen, auf Dauer gewidmet ist. Welche Zwecke die Stiftung verfolgt und wie ihre innere Organisation aussieht, legt der Stifter nach

seinem Willen in der Satzung fest. Klassisches Instrument zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten Zwecks ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts. Ihre Entstehungsvoraussetzungen sind in den §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt, die durch die Landesstiftungsgesetze ausgefüllt werden. Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts unterscheidet sich von sonstigen juristischen Personen des Privatrechts (etwa GmbH oder e.V.) durch ihre fehlende Verbandsstruktur. Sie hat keine Mitglieder oder Eigentümer.

Öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts

Treuhandstiftung

Anders als eine öffentlich-rechtliche Stiftung wird eine öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts nach den Regeln des Privatrechts errichtet. Der Zusatz „öffentlich“ wird vor allem in Bayern und Baden-Württemberg verwendet und kennzeichnet Stiftungen, die Zwecke verfolgen, die zumindest teilweise dem Gemeinwohl dienen. Eine öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts ist meistens, aber nicht notwendigerweise, gemeinnützig.

Eine Treuhandstiftung, die auch als unselbstständige, nichtrechtsfähige oder fiduziarische Stiftung bezeichnet wird, wird durch einen Vertrag zwischen dem Stifter und dem Treuhänder (Träger) errichtet. Der Stifter überträgt das Stiftungsvermögen dem Treuhänder, der es getrennt von einem eigenen Vermögen gemäß den Satzungs­ bestimmungen der Stiftung verwaltet. ­Anders als eine rechtsfähige Stiftung verfügt eine Treuhandstiftung nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit.

Rechts­fähige ­Stiftung

Öffentlich-rechtliche Stiftung Unternehmensverbundene Stiftung Stiftungen des öffentlichen Rechts werden von staatlicher Seite durch einen Stiftungsakt, insbesondere per Gesetz, errichtet und verfolgen Zwecke, die von einem besonderen öffentlichen Interesse sind.

Unternehmensverbundene Stiftungen halten Anteile an Unternehmen oder betreiben selbst ein Unternehmen. Sie werden häufig als Instrument zur Regelung der Unternehmensnachfolge eingesetzt. Verbrauchsstiftung Eine Verbrauchsstiftung nennt man eine Stiftung, deren Grundstockvermögen nach dem Willen des Stifters in einer bestimmten Zeitspanne ganz oder zum Teil für die Verwirklichung des Stiftungszwecks eingesetzt werden soll.

Service

113


C – Stiftungsgründung in fünf Schritten

1

Entwurfserstellung der schriftlichen Satzung und des Stiftungsgeschäfts entsprechend dem ­Stifterwillen unter Beachtung der Formerfordernisse sowie der steuerlichen Anforderungen, falls eine ­Steuerbegünstigung angestrebt wird (vgl. §§ 51ff. der Abgabenordnung).

2

Abstimmung der Entwürfe mit der zuständigen Stiftungsaufsicht und dem zuständigen Finanzamt.

3

Einreichung von Stiftungssatzung und des Stiftungsgeschäfts bei der Stiftungsaufsicht mit dem Antrag auf ­Anerkennung.

4

Einreichung beim zuständigen Finanz amt mit Antrag auf Erteilung einer ­Steuernummer und Beantragung der vorläufigen Bescheinigung der ­Gemeinnützigkeit.

5

Nach Anerkennung und Erteilung der vorläufigen Bescheinigung der Gemeinnützigkeit: Einzahlung des Stiftungskapitals/Übertragung des ­Stiftungsvermögens.

114

StiftungsReport 2010/11

Weitere Informationen rund um die Stiftungs­­grün­dung, Service- und Beratungs­ angebote sowie Wissens­­wertes zur deutschen Stiftungslandschaft finden Sie auf der ­Webseite des Bundesverbandes Deutscher ­Stiftungen unter www.stiftungen.org. Oder Sie bestellen den Ratgeber Die Gründung einer Stiftung Ein Leitfaden für Stifter und Berater StiftungsRatgeber Bd. 1 Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.): Berlin 2008, 158 Seiten


Der Bundesverband Deutscher Stiftungen Die Idee für eine Interessenvertretung dieser unterschiedlichen Erschei­ nungsformen deutscher Stiftungen wurde in einer der tradi­tions­reichsten Stiftungen des Landes, der Fuggerei in Augsburg, geboren. Im Jahr 1948 als „Arbeitsgemeinschaft bayrischer Wohltätigkeits-, Erziehungs- und Kultusstiftungen“ gegründet, erhielt der Verband 1990 seinen heutigen Namen. 2008 feierte er als „Verband des Jahres“ sein 60-jähriges Jubiläum. Aus einem kleinen Kreis ist mittlerweile eine Stiftungsfamilie mit über 3.000 Mitgliedern erwachsen. Dazu gehören Stiftungen, Freunde des Stiftungswesens und Stiftungsverwaltungen, die 2.000 weitere Stif­tungen repräsentieren. Jede der Mitgliedsstiftungen ist einzigartig: im Typ, in der Struktur und Größe, in ihrem Anliegen und Zweck. Damit repräsentiert der Bundesverband Deutscher Stiftungen die bunte und vielfältige deutsche Stiftungslandschaft. Basis des Verbandes ist das Haus Deutscher Stiftungen, im Zentrum Berlins gelegen. Ein Treffpunkt für Stifter, Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Neben vielfältigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet or­gani­siert der Verband jedes Jahr den größten europäischen Stiftungskongress und stärkt damit die Aufmerksamkeit für Stiftungen in der Öffentlichkeit. Mit der Verleihung des Stifterpreises und der Stifter­medaille ehrt der Verband herausragende Personen und würdigt deren Engagement. Kreative Ideen in der Kommunikation von Stiftungen werden mit dem Kommunikationspreis KOMPASS ausgezeichnet. Mitglieder profitieren von einem breit gefächerten Informations-, Service- und Beratungsangebot, von Praxis­ erfahrungen und Kontakten. Auf politischer Ebene macht sich der Verband für die Verbesserung der rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen stark. Ein Meilenstein auf diesem Weg ist die Verabschiedung des „Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ im September 2007. Der Verband, der solidarisch wirkt, versteht sich als Partner der deutschen Stiftungen. Er spürt Trends auf und hilft, dass sich neue Formen des bürger­schaftlichen Engagements entwickeln können.

Kontakt

Haus Deutscher Stiftungen Mauerstraße 93 | 10117 Berlin Telefon (030) 89 79 47-0 | Fax -71 bundesverband@stiftungen.org | www.stiftungen.org

Im April 2008 wurde der Bundesverband Deutscher Stiftungen von der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement mit dem „DGVM ­Innovation Award – ­Verband des Jahres“ ­aus­gezeichnet.


BMW Stiftung Herbert Quandt Die BMW Stiftung Herbert Quandt wurde am 22. Juni 1970 anlässlich des 60. Geburtstags von Herbert Quandt in Würdigung seiner Verdienste um die BMW AG mit dem Ziel gegründet, den internationalen Dialog zwischen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Bürgergesellschaft zu fördern. Sie ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts und verfolgt mit ihrem Programm ausschließlich und unmittelbar g ­ emeinnützige Zwecke. Das von der BMW AG eingebrachte Stiftungsvermögen beträgt 50 Millionen Euro. Mit jährlichen Spenden trägt die BMW AG darüber hinaus zur Finanzierung der Personal- und Sachkosten der Stiftung bei. Die Stiftung orientiert sich in ihrer Arbeit an den vom Bundesverband ­Deutscher Stiftungen formulierten und verabschiedeten „Grundsätzen guter ­Stiftungspraxis“. Die BMW Stiftung Herbert Quandt setzt ihre Mittel in erster Linie für die Durchführung eigener Programme ein. Sofern Projekte in herausragender und beispiel­gebender Weise zur Erfüllung der Ziele der Stiftung beitragen, geht die Stiftung auch operative Förderpartnerschaften ein. Wir verstehen uns dabei nicht als wissenschaftliche Denkfabrik, sondern als ein „Umspannwerk“, das wissenschaftliche Analyse und praktische Kompetenz aus verschiedenen Sektoren und Weltregionen in neue Kontexte transformiert und für neue Anwender nutzbar macht. Deshalb legen wir besonderen Wert darauf, erfolgreich implementierte Projekte zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme sichtbar zu machen. Damit stiften wir in einer oft nicht mehr überschaubaren Informationsfülle praktische ­Orientierung und geben Impulse für eigenes Engagement. Indem wir zu einem ­offenen, globalen Meinungs- und Wissens­ austausch beitragen, bauen wir zugleich tragfähige persön­liche Netzwerke der internationalen Verständigung.

Führungsverantwortung in einer globalisierten Welt Wir sprechen Führungspersönlichkeiten an, die in ihrem beruflichen und persön­ lichen Handeln ein übergeordnetes Gemeinwohl berücksichtigen. Wir setzen uns mit Fragen der Globalisierung auseinander und tragen so zu einem internationalen gesellschaftspolitischen Dialog bei. Wir sensibilisieren Führungskräfte in Wirtschaft und Zivilgesellschaft für die Notwendigkeit, sich am Diskurs über gesellschaftspolitische und außen­politische ­Entwicklungen zu beteiligen. Wir unterstützen Führungspersönlichkeiten, die ihre Ideen und Kompetenzen über die eigene Berufswelt hinaus für die Entwicklung einer lebendigen ­Bürgergesellschaft einsetzen. Wir machen erfolgreiches gesellschaftspolitisches Engagement sichtbar und fördern die Verbreitung und Entwicklung innovativer Modellprojekte.

Weitere Informationen zum Profil und Programm der BMW ­Stiftung Herbert Quandt finden Sie ­unter: www.bmw-stiftung.de


Die Robert Bosch Stiftung Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Seit mehr als vierzig Jahren folgt sie dem philanthropischen Vermächtnis des Firmengründers Robert Bosch. Dieser hatte mit unternehmerischer Vision, politischer Weitsicht, Zivilcourage und seinen gemeinnützigen Initiativen Maßstäbe für die Arbeit der Robert Bosch Stiftung gesetzt. 1964 wurden die zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteile der Familie Bosch an der Robert Bosch GmbH auf die von Robert Bosch bereits 1921 gegründete Vermögensverwaltung Bosch GmbH übertragen, die 1969 ihren Namen in Robert Bosch Stiftung GmbH änderte. Die Robert Bosch Stiftung verfolgt ihre Ziele mit eigenen Programmen und Einrichtungen, aber auch durch Förderung geeigneter Projekte und Initiativen Dritter zur Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben beiträgt. In vielen Projekten der Stiftung werden – den Werten und dem Auftrag Robert Boschs folgend – Lösungen für soziale und gesellschaftliche Themen erarbeitet und erprobt. Dazu zählen etwa Bildung, Gesundheit, Völkerverständigung, die Förderung der Bürgergesellschaft, Integration von Migranten, die Gestaltung des demografischen Wandels, Alter sowie die nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Ressourcen. Die Dividende, die die Stiftung als Gesellschafterin der Robert Bosch GmbH erhält, ermöglicht diese Vorhaben. Auf dem Gebiet der Völkerverständigung setzen wir vor allem auf die Begegnung junger Menschen. Ein Gipfeltreffen der Bürger Europas, ein Programm zum Austausch junger Führungskräfte aus den Regierungsverwaltungen Europas und die Einladung amerikanischer Nachwuchsführungskräfte sind Beispiele dafür. Wichtig ist uns aber auch die Einbeziehung von Multiplikatoren und Journalisten, für die wir zum Beispiel Reisen in viele unserer Zielländer anbieten.

Reformen beschleunigen Mit dem Deutschen Schulpreis und einer Vielzahl weiterer Bildungsprogramme will die Stiftung einen Beitrag dazu leisten, Bildungsreformen in Deutschland zu beschleunigen. Sie beschäftigt sich verstärkt mit dem Übergang von Schule zu Ausbildung und Beruf. Beim Thema „Alter und Demographie“ steht die Frage im Mittelpunkt, wie Altersbilder verändert werden müssen, damit die Potentiale älterer Menschen deutlicher wahrgenommen werden. Mehr Informationen im Internet: www.bosch-stiftung.de


Gerda Henkel Stiftung Die Gerda Henkel Stiftung wurde im Juni 1976 von Lisa Maskell zum ­Gedenken an ihre Mutter Gerda Henkel, geb. Janssen errichtet. Lisa ­Maskell (1914–1998) war eine Enkelin des Fabrikanten Fritz Henkel, der 1876 in Aachen die Firma Henkel & Cie. gründete. 1878 wurde das ­Unternehmen nach Düsseldorf verlegt, dem heutigen Stammsitz der Henkel AG & Co. KGaA. Die Gerda Henkel Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung des privaten Rechts mit Sitz in Düsseldorf. Ausschließlicher Stiftungszweck ist die Förderung der Wissenschaft im nationalen und internationalen Bereich. Der Schwerpunkt der Förderung liegt auf den Historischen Geisteswissenschaften, insbesondere auf der Unterstützung von Forschungsvorhaben aus den Disziplinen Archäologie, Geschichtswissenschaften, Historische Islamwissenschaften, Kunstgeschichte, Rechtsgeschichte sowie Ur- und Frühgeschichte. Einem Wunsch der Stifterin entsprechend ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein besonderes Anliegen der Gerda Henkel Stiftung. Die Kernbereiche der Fördertätigkeit – Unterstützung von Forschungsprojekten, Vergabe von Promotions- und Forschungsstipendien, Förderung von wissenschaftlichen Tagungen – sind in den letzten Jahren durch neue Initiativen und operative Projekte erweitert worden. Seit 2006 vergibt die Stiftung alle zwei Jahre den mit 100.000 Euro dotierten internationalen Gerda Henkel Preis für herausragende wissenschaftliche Leistungen in den von der Stiftung geförderten Disziplinen. Gegenwarts- und zukunftsbezogenen Fragestellungen wendet sich die Stiftung in ihrem neuen operativen Schwerpunkt „Konfliktforschung“ zu. Der Kreis der das Basisprogramm ergänzenden Sonderprogramme wurde durch den 2009 erstmals ausgeschriebenen Förderschwerpunkt „Islam, moderner Nationalstaat und transnationale Bewegungen“ erweitert.

Kontakt

Malkastenstraße 15 40211 Düsseldorf Tel. (0211) 93 65 24 0 Fax (0211) 93 65 24 44 info@gerda-henkel-stiftung.de www.gerda-henkel-stiftung.de


Anmerkungen und Literatur Editorial Klack, Gunnar (2009): Urbane Utopien, http://www.zeit.de/online/2009/08/architekturvisionen?page=all; Stand 19.5.2009.

1

Glock, Dr. Birgit (2006): Stadtpolitik in schrumpfenden Städten. Duisburg und Leipzig im Vergleich, Wiesbaden: VS Verlag für Sozial­ wissenschaften.

9

Schröder, Daniela (2009): Quickborner leihen ihrem Bürgermeister Millionen, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ 0,1518,651432,00.html, Stand 4.10.09.

10

Uehlecke, Jens (2009): Die Stadt der Zukunft, http://www.zeit.de/online/2009/06/ArchitekturZukunft?page=all, Stand 19.5.2009.

2

Lotter, Wolf (2009): Der Freiraum, in: brandeins 10, S. 50.

3

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2009): Sustainable Urban Infrastructure. Ausgabe München – Wege in eine CO2 -freie Zukunft. Eine Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag der Siemens AG (Hg.), München, S. 4.

Bürgerstiftung Stuttgart: Runde Tische – Die Methode, http://www.buergerstiftung-stuttgart. de/index.php?lang=de&myID=15&hasFlash=1.

11

4

BAT Stiftung für Zukunftsfragen (2008): „Hier lässt es sich leben!“ – Deutsche Städte aus Sicht der Bevölkerung. Forschung aktuell 206, ­Hamburg.

5

6 Willenbrock, Harald (2009): Die Leute fallen ja nicht vom Himmel. Interview mit dem Leiter des Berlin-Instituts Reiner Klingholz, in: brandeins 10, S. 106 - 111.

7 Bracher, Tilman (2009): Investitionsbedarf und Investitionsrückstand der deutschen Kommunen, in: Tilman Bracher (Hrsg.): Klimaschutz im Stadtverkehr: 40 Prozent weniger CO2 – (k)ein ­Problem? Dokumentation der Fachtagung ­„Kommunal Mobil – Klimaschutz im Stadt­ verkehr“ am 20/21. 2008 in Dessau, S. 119 - 130, Berlin (Difu-Impulse 4).

Zionicky, Peter (2009): Zentrale Themen der Stadtentwicklung, in: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hg.): Nationale Stadtentwicklungspositionen, S. 133, Berlin.

8

Zitiert nach Lotter, Wolf (2009), S. 54 (vgl. Anm. 3).

12

Kapitel 1 Wer, wie was: Akteure in der Stadt Häußermann, Hartmut, Dieter Läpple und Walter Siebel (2008): Stadtpolitik, Frankfurt am Main: Suhrkamp-Verlag.

13

14

Ebenda.

15 Wollmann, Helmut, in: Großstadt. Soziologische Stichworte, Helmut Häußermann (Hg.) (2000), Wiesbaden: Leske und Budrich.

Jost, Frank: Mein Haus – mein Quartier – ­meine Stadt (2007), in: Konrad Adenauer Stiftung e.V. (Hg.), Bürgergesellschaft, Nummer 4, www.kas.de, Stand: 15. Januar 2010.

16

Franz-Reinhard Habbel (2010): „Als gäbe es zwei Gesellschaften: Eine von Bürgern und eine von Politikern“. BBE Newsletter 6/2010. http://www.b-b-e.de/fileadmin/inhalte/ aktuelles/2010/03/nl6_habbel.pdf 17

18

www.buergergesellschaft.de

Anmerkungen und Literatur

119


Florida, Richard: The rise of the Creative Class, Stand: 15. Januar 2010.

19

www.mitarbeit.de, Selbstdarstellung, Stand: 15. Januar 2010.

32

Statistisches Bundesamt (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060 – 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, www.destatis.de, Stand: 17. 4. 2010.

Drewes, Sabine und Jan Engelmann: Universal­ formel zum Politikentwurf für die Wissens­ gesellschaft, www.boell.de/downloads/bildungkultur/Einfuehrung_kreative_stadt.pdf, Stand: 15. Januar 2010.

20

Gestring, Norbert und Herbert Glasauer, ­ hristine Hannemann, Werner Petrowsky, C Jörg Pohlan (Hg.) (2008): Jahrbuch StadtRegion 2007/08 – Arme reiche Stadt. LeverkusenOpladen: Verlag Barbara Budrich.

33

21

Baer, Susanne (2006): „Der Bürger“ im ­ erwaltungsrecht zwischen Obrigkeit und V ­aktivierendem Staat, Tübingen: Mohr Siebeck.

34

Empire St. Pauli – von Perlenketten und Platzverweisen (2009). Dokumentarfilm von Irene Bude und Olaf Sobczak; Produktion: Steffen Jörg, GWA St. Pauli. 35

Häußermann, Hartmut et al. (2008): Stadtpolitik (vgl. Anm. 13).

22

Heinrich Böll Stiftung, Fachkommission Stadtentwicklung, http://www.kommunale-info.de, Stand: 15. Januar 2010.

www.hamburg-anstiften.de, Stand: 15. Januar 2010.

24

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 510 vom 29.12.2009, www.destatis.de. Bei diesem Vergleich sollte aber nicht vergessen werden, dass 2008 ein außerordentlich gutes Jahr war.

Civitas – Botschafterinnen und Botschafter für Bürgerorientierte Kommunen (Ein ehemaliges Projekt der Bertelsmann-Stiftung), http://www.buergerorientierte-kommune.de, Stand: 15. Januar 2010.

Gestring, Norbert u. a.: Jahrbuch StadtRegion 2007/08 (vgl. Anm. 21).

38

23

25

Häußermann, Hartmut et al. (2008): Stadtpolitik (vgl. Anm. 13). 26

27

Ebenda.

28

Ebenda.

29

Ebenda.

36

37

Fehren, Oliver (2009): Wie kommt die Bürgergesellschaft in den Sozialraum?: Engagementförderung in benachteiligten Stadtteilen, „betrifft: Bürgergesellschaft“ Nr. 32, Friedrich-Ebert-Stiftung, http://library.fes.de, Stand: 15. Januar 2010.

39

s. Interview mit dem Geschäftsführer von Common Purpose Frank Trümper im StiftungsReport 2009/10.

40

Schader-Stiftung, Thema Wohnwandel: www.Schader-Stiftung.de, Stand: 15. Januar 2010.

30

120

Ebenda, siehe Praxisbeispiele unter dem ­Stichwort Wohnwandel, Stand: 15. Januar 2010. 31

StiftungsReport 2010/11

www.siemens-stiftung.org


Kapitel 2 Wachstum war gestern: Antworten auf den demografischen Wandel in den Städten Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nummer 435 vom 18.11.2009, www.destatis.de, Stand: 15. Januar 2010.

41

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/ Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/ Statistiken/Bevoelkerung/GeburtenSterbefaelle/ GeburtenSterbefaelle.psml, Stand: 2. März 2010. 42

Häußermann, Hartmut et al. (2008): ­Stadtpolitik (vgl. Anm. 13).

43

Statistisches Bundesamt (2009): Statistisches Jahrbuch 2009. S. 28. http://www.destatis.de/ jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/ SharedContent/Oeffentlich/AI/IC/Publikationen/ Jahrbuch/Bevoelkerung,property=file.pdf, Stand: 2. März 2010.

44

45 Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung Nr. 028 vom 21. 1. 2010. http://www.destatis.de/ jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/ DE/Presse/pm/2010/01/PD10__028__12411, templateId=renderPrint.psml, Stand: 2. März 2010.

Häußermann, Hartmut et al. (2008): Stadtpolitik (vgl. Anm. 13).

46

Birg, Herwig (2001): Die demographische ­Zeitenwende, München: C.H.Beck.

erwachsenen Bevölkerung im Jahr 2007 über 61,1 Prozent des privaten Vermögens. 2002 waren es noch 57,9 Prozent. Auf das reichste Hundertstel konzentrieren sich allein knapp 23 Prozent des Nettovermögens. Dagegen besaßen die weniger wohlhabenden 70 Prozent der Erwachsenen 2007 nur knapp neun Prozent des gesamten Nettovermögens – rund 1,5 Prozentpunkte weniger als 2002.“ Böckler Impuls 1/2009 (www.boeckler.de, Stand: 15. Januar 2009). 51

Ebenda.

Dieses und Good-Practice-Beispiele finden sich auf der folgenden Internetseite der Bertelsmann-Stiftung: www.demographiekonkret.de, Stand: 15. Januar 2010. 52

Häußermann, Hartmut et al. (2008): Stadtpolitik (vgl. Anm. 13).

53

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung): Demogra­ fischer Wandel - ein Politikvorschlag unter ­besonderer Berücksichtigung der Neuen Länder. www.berlin-institut.org, Stand: 15. Januar 2010. 54

55 Demografietypen gibt es unter http://www.wegweiser-kommune.de/ datenprognosen/demographietypen auch für Städte und Gemeinden mit 5.000 bis 100.000 Einwohnern.

47

Heinrich Böll-Stiftung, Fachkommission Stadtentwicklung, www.kommunale-info.de, Stand: 15. Januar 2010.

56 www.stadtumbau-ost.info, Stand: 15. Januar 2010.

48

Schäfers, Manfred: Wenn das Wasser im Hallenbad kälter wird, FAZ, 4. Januar 2010.

49

„Die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung in Deutschland ist in den letzten Jahren weiter gewachsen. Bei Anrechnung aller Verbindlichkeiten verfügte das wohlhabendste Zehntel der 50

www.stadtumbauwest.de, Stand: 15. Januar 2010.

57

Glock, Birgit (2006): Stadtpolitik in s­ chrumpfenden Städten: Duisburg und ­ Leipzig im Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag für ­Sozialwissenschaften.

58

59

Ebenda.

Anmerkungen und Literatur

121


Demografietyp G6: Aufstrebende ostdeutsche Großstädte mit Wachstumspotenzialen. http://www.wegweiser-kommune.de/ datenprognosen/demographietypen/download/ pdf/Cl-G6_lfd6.pdf

www.albertspeerstiftung.de, Stand: 15. Januar 2010.

www.demographiekonkret.de, Stand 15. Januar 2010.

Darmstädter Erklärung, www.zuhause-in-derstadt.de, Stand: Januar 2010.

60

61

Die Bertelsmann Stiftung gibt eine Reihe Publikationen zum Thema heraus. Zum Beispiel: Wer, wo, wie viele? – Bevölkerung in Deutschland 2025, Praxiswissen für Kommunen. Gütersloh: 2009. Sehr umfangreich ist auch die von der Bertelsmann-Stiftung betriebene Internetseite www.demographiekonkret.de, auf der sich eine Reihe von Best-Practice-Beispiele zu vielen ­Themen aus vielen Regionen findet.

72

Häußermann, Hartmut et al. (2008): Stadtpolitik (vgl. Anm. 13).

73

74

62

Kapitel 3 Grün, energieeffizient, ressourcen­ schonend: Die Stadt der Zukunft Allianz-Umweltstiftung (2007): Informationen zum Thema „Klima“: Grundlagen, Geschichte und Projektionen. München, S. 38. 75

Klimaschutzstiftung Jena-Thüringen (2007): Klimaschutz in Thüringer Gemeinden 1, „Grundfragen“, Jena.

76

www.stiftung-kalkgestalten.org, Stand: 15. Januar 2010.

63

www.buergerstiftung-schwerte.de, Stand: 15. Januar 2010.

64

Schader-Stiftung, www.schader-stiftung.de, Stand: 15. Januar 2010.

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2009): Sustainable Urban Infrastructure (vgl. Anm. 4), S. 4.

77

65

www.bauhaus-dessau.de, Stand: 15. Januar 2010.

66

67 www.wuestenrot-stiftung.de, Stand: 15. Januar 2010.

68 Gottfried Daimler- und Karl Benz-Stiftung: www.zwischenstadt.net, Stand 15. Januar 2010.

Arbeitshilfen für neue Wohnformen im Alter auf: www.zukunft-quartier.de, Stand 15. Januar 2010. Die fünf Themenhefte des Netzwerks SONG (Soziales neu gestalten) können kostenlos im Internet bestellt werden.

78

Ebenda, S. 5.

Kohlendioxid ist nur eines von vielen Treibhausgasen. Deren Wirkung wird jedoch in den meisten Berechnungen in CO2 umgerechnet, so dass die anderen Gase in diesem Artikel unter CO2 subsummiert werden.

79

80

Wuppertal Institut 2009, S. 6

81

Übersetzt: CO2 -arme Ökonomie.

69

Reusswig, Fritz (2009): Baukultur und Klimawandel. S. 22-27 in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Urban Futures 2030 5, Berlin.

82

Wüstenrot-Stiftung (2008):Energieeffiziente Architektur, Ludwigsburg, S. 2. 83

122

Robert-Bosch-Stiftung: www.aktion-demenz.de, Stand: 15. Januar 2010.

70

Oswalt, Philipp (2009): Wohltemperierte Archi­ tektur S. 19-21 in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Urban Futures 2030 5, Berlin. 84

www.volkswagenstiftung.de, Stand: 15. Januar 2010. 71

StiftungsReport 2010/11


85

Wuppertal Institut 2009, S. 19.

86

Oswalt, Philipp 2009, S.22.

Oswalt, Philipp (1994): Wohltemperierte ­Architektur, Heidelberg.

Schilling, Hans-Dieter: Wie haben sich die Wirkungsgrade der Kohlekraftwerke entwickelt und was ist künftig zu erwarten?, www.energie-fakten.de/wirkungsgrade. 98

87

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt­entwicklung (2007): CO2 Gebäude­report. Befragung der Bevölkerung (Hauseigentümer, Hausverwaltungen und Mieter) durch Emnid zum Thema Energienutzung und Senkung des ­Energieverbrauchs. 88

Netzhammer, Michael (2010): Interview mit Georg Adlbert, 14. Januar 2010.

89

Uehlecke, Jens (2009): Die hungrige Stadt. http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/02/ Die-Hungrige-Stadt?page=all, Stand 14.9.2009.

Wiedemann, Karsten (2009): Klimaschutz geht nicht ohne Stadtwerke. Interview mit Stephan Weil, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen. neue energie 10: 32-33. 99

Franken, Marcus und Nicole Weinhold (2009): Rückkehr der Regionalmächte. neue energie 10: 20 – 31.

100

WWF (2009): Klimaschutz im Verkehr. Die große Transformation steht noch aus. http:// www.wwf.de/themen/klima-energie/verkehr/ 101

90

Netzhammer, Michael (2010): Interview mit Matthias Sinn, 15. Januar 2010. 91

Droege, Peter (2009): Erneuerbare Stadt: Die Energierevolution als wesentliches Paradigma der Stadtentwicklung. S. 14-18 in: Heinrich-BöllStiftung (Hg.): Urban Futures 2030 5, Berlin.

Klug, Astrid (2009): Grußworte. S. 7-11 in: Tilman Bracher: Klimaschutz im Stadtverkehr: 40 Prozent weniger CO2 – (k)ein Problem? Dokumentation der Fachtagung „Kommunal Mobil“ – Klimaschutz im Stadtverkehr am 20./21. 2008 in Dessau. Difu-Impulse 4, Berlin 2009. 102

92

93

Wuppertal Institut 2009, S. 25.

94 Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH (2008): Handlungsperspektive 2020 – ­Klimaschutz-Rahmenprogramm Region Hannover – Endbericht, Hannover, S. 36.

Jürgen Petermann (Hg.) (2006): Sichere ­ nergie im 21. Jahrhundert. Hamburg: Hoffmann E und Campe 95

Netzhammer, Michael (2009): Guter Partner für den Klimaschutz. Deutschland-Magazin 5: 60.

103

104 Verron, Hedwig, Christoph Erdmenger, ­ arion Malow (2009): Einführung – Klimaschutz M im Stadtverkehr. S. 19-24 in: Tilman Bracher: ­Klimaschutz im Stadtverkehr (vgl. Anm. 7).

Münsteraner Erklärung (2009): Städte und Gemeinden als Vorreiter für den Klimaschutz. http://www.boell-nrw.de/downloads/ Muensteraner_Erklaerung.pdf.

105

Reiß-Schmidt, Stephan (2009): Stadtent­ wicklungspotenziale innerstädtischer Brach­ flächen: München auf dem Weg zur kompakten, urbanen und grünen Stadt. S. 77-90 in: Tilman Bracher (2009): Klimaschutz im Stadtverkehr (vgl. Anm. 7). 106

Allianz Umweltstiftung (2009): Informationen zum Thema „Klima“: Grundlagen, Geschichte und Projektionen. München, S. 32. 96

Netzhammer, Michael (2009): Die Zeit rast davon. Interview mit Kurt-Ludwig ­Gutberlet, ­Vorsitzender der Geschäftsführung der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH: ­Rheinischer Merkur 29, S. 12. 97

Anmerkungen und Literatur

123


Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2007): Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025, Freiburg/München. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin und Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung Brandenburg (2009): Gesamtverkehrsprognose 2025 für die Länder Berlin und Brandenburg, Berlin/Potsdam.

116

108

Canzler, Weert und Andreas Knie (2009): ­Grüne Wege aus der Autokrise. Vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister. Heinrich-Böll­Stiftung (Hg.), Schriften zur Ökologie 4, Berlin.

118

http://www.tuebingen-macht-blau.de/ teilauto.html

119

107

109

Bertram, Grischa und Uwe Altrock (2009): Renaissance der Stadt. Durch eine veränderte Mobilität zu mehr Lebensqualität im städtischen Raum in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): WISODiskurs, Bonn.

110

http://www.tuebingen-macht-blau.de/ kampagne.html

111

tagesschau.de (2009): Dank Rezession schafft Deutschland Klimaziele. http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ energieverbrauch104.html, Stand 22.12.2009. Wiedemann, Karsten (2009): Eine Stadt kämpft mit den Emissionen. neue energie 10: 118- 121.

117

Zeschmar-Lahl, Barbara (2008): Wo steht der lokale Klimaschutz? Eine Bilanz im Jahr 2008. http://www.kommunale-info.de/index.html?/ Infothek/3522.asp. Nach Schätzungen von Allianz Global I­ nvestors für 2009. www.die-bank.de/stichwort/ geldvermoegen-wieder-im-aufwaertstrend. Stand: 30. März 2010.

Netzhammer, Michael (2010): Interview mit Maximilian Gege, 17. Januar 2010. 120

Das Interview Nach Schätzungen von Allianz Global Investors für 2009 (vgl. Anm. 119).

121

Kern, Kristine, Stefan Niederhafner, Sandra Rechlin, Jost Wagner (2005): Kommunaler Klimaschutz in Deutschland — Handlungsoptionen, Entwicklung und Perspektiven. Discussion Paper SPS IV 2005-101, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin, S. 39.

112

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2009): Klimagerechte ­Stadtentwicklung – Planungspraxis. BBSR-Online-Publikation 25/2009. http://d-nb.info/999078550/34.

113

Bundesverband Deutscher Stiftungen (2007): Oberstdorf Erklärung, Berlin. http://www.stiftungen.org/files/original/ galerie_vom_27.02.2008_17.31.36/ Oberstdorfer_Erklaerung%2008_10_2007.pdf

114

124

Stadt Hamburg (2009): Klimaschutzkonzept: Prozess mit Charakter. http://klima.hamburg.de/ klimaschutzkonzept/

115

StiftungsReport 2010/11

Kapitel 4 Stiftungen und Finanzkrise: eine repräsentative Umfrage 122 Stiftung trotz Finanzkrise auf Wachstumskurs. http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/­ printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=200 9%2F02%2F12%2Fa0082&cHash=3d3c25be62

123 Björn Sievers (2009): Stiftungen in der ­ lemme. http://www.focus.de/finanzen/boerse/ K finanzkrise/finanzkrise-stiftungen-in-derklemme_aid_364565.html

Wenig Verluste von Stiftungen in der Finanzkrise. Der Tagesspiegel, 26.01.2009. http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/ Finanzkrise-Stiftungen;art304,2715196

124


Rezession beutelt Stiftungen. Handelsblatt, 1. 9. 2009.

125

Im Folgenden wurden die ANOVA und der Dunnet T3 post hoc Test bei k unabhängigen Stichproben sowie der Mann-Whitney U-Test bei zwei unabhängigen Stichproben verwendet. Vor der Durchführung von Mittelwertvergleichen wurde der Kolmogorov-Smirnov Goodness of Fit Test angewendet. Die ANOVA ist sehr robust gegenüber Abweichungen von der Normalverteilung. Als Varianzenhomogenitätstest wurde Levene’s Test for Equality of Variances eingesetzt. Bei nominal skalierten Daten wurden Zusammenhänge zwischen Variablen mittels Kreuztabellen, d.h. Vergleich der beobachteten und erwarteten Häufigkeiten (Standardisierte Residuen, Chi-­Quadrat-Test) getestet. Alle gefundenen Unterschiede sind auf dem Niveau von 0,05 signifikant.

126

www.news-adhoc.com/deutsche-spendentrotz-wirtschaftskrise-idna2009122472737/

127

BFH, Urteil vom 13.11.1996, BStBl. 1998 II, S. 711; AEAO Nr. 4 bis Nr. 9 zu § 55.

der einen D & O-Versicherungsschutz und eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung enthält. Weitere Informationen im geschlossenen ­Mit­gliederbereich auf www.stiftungen.org, siehe auch Stiftungswelt 01+02/2006, S. 74 f. Vgl. auch: Bundesverband Deutscher ­ tiftungen (2010): Studie „Führung, Steuerung S und Kontrolle in der Stiftungspraxis“ (gefördert von KPMG). 133

Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008): StiftungsReport. Wie Vielfalt zusammenhält. Berlin, S. 22 f.

134

135

Ebenda, S. 25

Kapitel 5 Engagement in Zahlen PricewaterhouseCoopers (2009): Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf deutsche Stiftungen (vgl. Anm. 131).

136

128

Der Median ist der Wert, der von höchstens der Hälfte aller Werte unterschritten und von höchstens der Hälfte aller Werte überschritten wird. Er ist relativ unempfindlich gegenüber Ausreißern.

129

130 Rezession beutelt Stiftungen. Handelsblatt, 1. 9. 2009

PricewaterhouseCoopers (2009): Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf ­deutsche Stiftungen. Eine Befragung von ­Entscheidern in 110 deutschen Stiftungen. ­Frankfurt am Main, November 2009.

131

Directors-and-Officers-Liability, auch ­Organoder Manager-Haftpflichtversicherung. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen bietet für seine Mitglieder einen Gruppenvertrag an, 132

Leseberg Nina, und Patrick Netkowski (2010): Engagementförderung durch Stiftungen in Deutschland. KurzStudie des Bundesverbands Deutscher Stiftungen in Kooperation mit der Körber Stiftung. 137

138 Die Gesamtausgaben lassen kaum Rückschlüsse auf die Vermögenssituation oder die Wirtschaftlichkeit einer Stiftung zu, da in diesem Posten neben den Verwaltungsausgaben weitere Einnahmen aus anderen Quellen wie Spenden, öffentliche Zuwendungen, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb usw. enthalten sein können. In der Tabelle zu den größten Stiftungen privaten Rechts werden meist die Förderausgaben dargestellt.

Diese Umfrage der Initiative Bürgerstiftungen wird einmal jährlich im März durchgeführt. ­Inzwischen ist die Teilnahme auch online ­möglich.

139

Anmerkungen und Literatur

125


Der Deutsche Engagementpreis – Anerkennung für freiwillig Engagierte Wohl jeder kennt so einen bewundernswerten Menschen: Hut ab, was er für andere tut. Große Klasse, was sie in ihrer Freizeit leistet! Man begegnet diesen Engagier­ ten – ob jung oder alt – vorlesend in der Kita, trainierend im Fußballverein, kostenlos Akten wälzend, trostspendend im Pflegeheim, bürgernahe Arbeit in der Kommune oder im eigenen Unternehmen leistend.


23 Millionen Bürger engagieren sich in Deutschland freiwillig. Damit diese beein­ druckende Engagementquote erhalten bleibt und sich eine Anerkennungskultur etab­ liert, wurde im letzten Jahr erstmalig der Deutsche Engagementpreis im Rahmen der Kampagne „Geben gibt.“ ausgelobt. Entsprechend ihres Mottos veranschaulicht die Kampagne, dass eigentlich jeder Bürger geben kann – und vor allem in jedem Fall et­ was zurück bekommt. Denn alle denkbaren Formen des Gebens – sei es in Form von Stiften, Spenden oder Geben von Zeit und Ideen – haben einen positiven Effekt auch für den Geber und die Geberin selbst. Das heißt, Geben gibt: Anerkennung, Kom­ petenz, Lebenserfahrung, Freude, Einflussmöglichkeit, Selbstbestätigung und vieles andere mehr. Diesen positiven Geist möchte die Kampagne verbreiten und damit Lust auf Engagement wecken. Initiatoren der nationalen Kampagne sind die großen gemeinnützigen Dachverbände sowie bundesweite Netzwerke und Initiativen, die sich zum „Bündnis für Engagement“ zusammengeschlossen haben, gefördert durch das Bundesfamilienministerium und den Zukunftsfonds der Generali Deutschland. Ihnen geht es darum, das Engagement von Millionen Deutschen sichtbar zu machen, um auf diese Weise noch mehr Men­ schen zu motivieren, sich aktiv für das Gemeinwohl einzusetzen. Denn die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor allem der demografische Wandel, lassen sich nur mit vermehrtem Einsatz Freiwilliger bewältigen. Für den Deutschen Engagementpreis kann man sich nicht bewerben – stattdessen haben alle Bürgerinnen und Bürger vom 1. April bis 31. Juli 2010 die Möglichkeit, ihre „ganz persönlichen Vorbilder“ unter www.geben-gibt.de für die Auszeichnung ­vorzuschlagen. Die feierliche Preisverleihung findet am 5. Dezember 2010, dem Tag des Ehrenamtes, in Berlin statt. Dabei kann sich der Träger des Publikumspreises nicht nur über die große öffentliche Anerkennung freuen, sondern wird zudem mit 10.000 Euro für die Weiterentwicklung seines Projektes sowie einer Fortbildung ausgezeichnet.

Dr. Cornelie Kunkat | Projektleitung Telefon (030) 897947-93 Fax (030) 897947-51 info@geben-gibt.de www.geben-gibt.de Kampagnenbüro Geben gibt. c/o Bundesverband Deutscher Stiftungen Mauerstraße 93 | 10117 Berlin


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Außerdem: • Stiftungen und Finanzkrise: eine repräsentative Umfrage • Aktualisierte Zahlen, Daten und Fakten zur deutschen Stiftungslandschaft anschaulich aufbereitet Der jährlich erscheinende StiftungsReport ist ein unverzichtbares Werk für Fach- und F­ ührungskräfte im gemeinnützigen Sektor, in Politik und Wirtschaft, für Medien- schaffende und Verbände. Neben aktuellen Zahlen, Daten und Trends im Stiftungs- wesen widmet er sich schwerpunktmäßig gesellschaftspolitischen Herausforderungen und zeigt auf, ­welchen Beitrag Stiftungen zu deren Lösung leisten.

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StiftungsReport 2010/ 11

Heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Städte sind Orte der Vielfalt. Diese Vielfalt auf engem Raum erfordert Toleranz, Austausch, Miteinander. Und sie erzeugt Freiräume. In deutschen Städten spielen Stiftungen eine zunehmend wichtige Rolle. Der aktuelle StiftungsReport stellt die unterschiedlichen Akteure, ihre Visionen und Pläne in den Mittelpunkt. Er fragt, wie sich politischer Wille in den Städten angesichts neuer nichtstaatlicher Akteure bildet. Er zeigt, welche Auswirkungen der demografische Wandel hat. Und er beleuchtet, wie die Transformation von klimaschädlichen zu emissionsarmen Städten gelingen kann.

Stadt trifft Stiftung: Gemeinsam gestalten vor Ort

Die Stiftungslandschaft 2010/11

Wer, wie was: Akteure in der Stadt

Wachstum war gestern: Antworten auf den demografischen Wandel

Grün, energieeffizient, ressourcenschonend: Die Stadt der Zukunft

Report 2010/11 Stadt trifft Stiftung: Gemeinsam gestalten vor Ort

+ Umfrage: Stiftungen und Finanzkrise

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ISBN 978-3-941368-07-1


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