StiftungsReport 2012/13

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Der Zukunft eine C ­ hance geben: Stiftungen und Generationengerechtigkeit

Bessere Chancen für alle – damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht

Bürgerbeteiligung als Mittel gegen ­Politikverdrossenheit

Report 2012/13 Auftrag Nachhaltigkeit: Wie Stiftungen den sozialen Zusammenhalt stärken

in Kooperation mit





StiftungsReport 2012/13 Auftrag Nachhaltigkeit: Wie Stiftungen den sozialen Zusammenhalt st채rken

Herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Stiftungen



Den Gebrauch der Kr채fte, die man hat, ist man denen schuldig, die sie nicht haben. Carl Schurz


Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. V.i. S.d. P.: Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen Herausgeber: Bundesverband Deutscher Stiftungen Mauerstraße 93 | 10117 Berlin Telefon (030) 89 79 47-0 | Fax -10 www.stiftungen.org post@stiftungen.org In Kooperation mit: BMW Stiftung Herbert Quandt Reinhardtstraße 58 | 10117 Berlin Telefon (030) 3396-3500 | Fax -3530 Gefördert von: Robert Bosch Stiftung GmbH | Heidehofstraße 31 | 70184 Stuttgart Siemens Stiftung | Kaiserstraße 16 | 80801 München Autorinnen und Autoren: Antje Bischoff, Sebastian Bühner, Juliane Metzner-Kläring, Miriam Rummel © Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. Berlin, Juni 2012 Gestaltung: Traktor, Büro für Kommunikation (www.traktorimnetz.de) Lektorat: Andrea Lassalle Druck: Gebrüder Kopp GmbH & Co. KG, Köln Dieses Produkt wurde klimaneutral gedruckt. Die durch die Print kompensiert Id-Nr. 1220271 www.bvdm-online.de Herstellung verursachten Treibhausemissionen wurden kompensiert durch Investitionen in ein Klimaprojekt nach Gold Standard. Das verwendete Papier für den Innenteil ist RecyStar Polar, hergestellt aus 100 % wiederaufbereiteten Fasern – FSC-zertifiziert. ISBN 978-3-941368-25-5


Inhalt

Editorial Soziale Nachhaltigkeit – mehr als ein Wunschzettel?......................8 Kapitel 1 Der Zukunft eine Chance geben – Stiftungen und Generationengerechtigkeit . ...........................................................14 Kapitel 2 Bessere Chancen für alle – damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht ...........................................................................40 Kapitel 3 Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit ...........62 FAZIT................................................................................................80 Kurzporträts ..............................................................................83 Kapitel 4 Kinderbefragung des Bundes­verbandes Deutscher Stiftungen: Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ....................92 Kapitel 5 Engagement in Zahlen ..................................................................100 Service . .......................................................................................120 Anmerkungen und Literatur ..........................................................130


Editorial

Soziale Nachhaltigkeit – mehr als ein Wunschzettel? Ist das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit mehr als nur eine Modeerscheinung? Zumindest ist der Begriff zu einem Etikett geworden, hinter dem sich immer häufiger ein Schwindel verbirgt. „Hört man sich in der Wirtschaft um, ist so gut wie alles nachhaltig“, schreibt der Vorsitzende der Deutschen Umweltstiftung Jörg Sommer.1 Beim Thema Nachhaltigkeit, soviel wird schnell klar, wissen alle, was gemeint ist – aber jeder versteht etwas anderes darunter.

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Hat der Nachhaltigkeitsbegriff seinen modischen Zenit bereits überschritten? Ist er zu abstrakt, zu sperrig, zu beliebig? Oder so abgenutzt, dass die Karawane lieber weiter­ zieht und sich dem nächsten Schlagwort zuwendet, z. B. „Zukunftsfähigkeit“, oder ihr Heil sucht in neuen Konzepten wie der Green Economy?2 Dass solche auf grünes Wachstum fokussierte Konzepte notwendig sind, ist weitgehend unbestritten. Ob sie aber die globalen Probleme lösen, darf bezweifelt werden.3 Und bei aller Vorsicht vor einer Überschätzung der Zivilgesellschaft („Zivilgesellschaftseuphorie“4) macht es

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zumindest Hoffnung, dass es NGOs gibt, die hartnäckig am Nachhaltigkeitskonzept festhalten und in diesem Sinne handeln – darunter auch viele Stiftungen. Ausgangspunkt des modernen Nachhaltigkeitsdiskurses ist „das erreichte Ausmaß globaler ökologischer Zerstörungen bei gleichzeitig nicht nur anhaltender, sondern teilweise größer werdender Not in vielen Ländern der Erde“.5 Doch den Begriff klug zu füllen, messbare und verbindliche Indikatoren zu finden, ist bislang nicht gelungen. Es scheint, als sei der damit verbundene Anspruch schlicht zu groß: „Dieser Idee ist nichts Geringeres aufgebürdet als die Aufgabe, unsere vorläufige Antwort auf die schwierigste aller Menschheitsfragen zu fokussieren. Es geht um die Frage, ob die menschliche Spezies eine Zukunft hat und wie sie ihre Zukunft sichern kann“, heißt es von wissenschaftlicher Seite.6 Diesem Anspruch lässt sich kaum gerecht werden. Bodenständiger formuliert da der Rat für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit bedeute „Umweltgesichtspunkte gleich­ berechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen“.7


Lob und Kritik für das Drei-Säulen-Modell

Viele Wissenschaftler halten das Drei-SäulenModell für wenig brauchbar. Wiederholt wurde es als „trojanisches Pferd“10 bezeichnet, das alle möglichen Wünsche in die Nachhaltigkeitsdiskussion trage und sie verwässere. Eine gleichrangige Betrachtung der Säulen impliziere eine vergleichbare Schutzbedürftigkeit, die sich sachlich nicht begründen lasse.11 Diese Auslegung gehe zu Lasten der ökologischen Dimension, die aufgrund der Verletzlichkeit des Planeten und der weit vorangeschrittenen, oft irreversiblen Eingriffe durch den Menschen Vorrang genießen müsse.

Liegt die Lösung dieser nicht nur akademischen Frage also im Drei-Säulen-Modell, das in Politik, Wirtschaft und Teilen der Zivilgesellschaft in den letzten Jahren großen Anklang gefunden hat? Immerhin besticht es durch die Reduktion eines schwer greifbaren Themas auf drei Dimensionen: die ökologische, die soziale und die ökonomische. Das Modell macht deutlich, dass für eine nachhaltige Entwicklung „die umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele glei- Selbst wenn das Drei-Säulen-Modell Schwächen hat, findet sich doch bislang kaum ein chermaßen berücksichtigt werden“ müsbesserer Zugang, um dem Facettenreichtum sen, wie die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundes­regierung bekräftigt. 8 Allerdings las- der Thematik gerecht zu werden. So stützt sich auch die aktuelle StiftungsReport-­Trilogie sen sich zu dem Thema auch eine Vielzahl auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Dies kritischer Stimmen einfangen. Der Tenor: hat weniger theoretisch-konzeptionelle Die Fixierung auf das Nachhaltigkeitsdreials pragmatisch-strukturelle Gründe. Viele eck führe dazu, sich in Diskussionen über Stiftungsaktivitäten können in einem der Modelle und Interdependenzen der drei drei Bereiche verortet werden – und tragen Dimensionen zu verlieren, ohne zu handeln. Schlimmer noch: Die Drei-Säulen-Logik kön- gleichzeitig zu Fortschritten in den anderen ne sogar schaden. Wer sich explizit einer der ­Bereichen bei. Säulen verschreibe, gerate in die Gefahr, die beiden anderen zu vernachlässigen. Dabei gilt: „Es gibt nur eine Nachhaltigkeit“, wie Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, sagt.9 Stiftungs Stiftungs Report Report 2011/12 2012/13 Soziale Ökologische Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit Die StiftungsReport-Trilogie Ökonomische Nachhaltigkeit

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Editorial


Soziale Nachhaltigkeit? Drei ­problematische Themenfelder Dieser StiftungsReport konzentriert sich auf drei Befunde, die Zweifel nähren an der so­ zialen Nachhaltigkeit unserer Gesellschaft: 1. Generationenungerechtigkeit: In den letzten Jahrzehnten haben die Menschen vor allem der westlichen Welt über ihre Verhältnisse gelebt. Durch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen haben sie irreversible ökologische Schäden verursacht. Hinzu kommt die chronische Überschuldung vieler Staaten. Künftige Generationen beschränkt das in ihren Handlungsmöglichkeiten. 2. Soziale Ungerechtigkeiten: Wachsende Ungleichheiten auf nationaler wie internationaler Ebene gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden. Auch in Deutschland hat sich die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert. Und die Lebensperspektiven hängen auch hierzulande erheblich von der sozialen Herkunft ab. Die ungleiche Verteilung von Teilhabechancen schwächt nicht nur die Akzeptanz des Systems. Sie verringert auch die Chancen der Gesellschaft, Herausforderungen, wie z. B. Integration oder den demografischen Wandel, zu meistern. 3. Politikverdrossenheit: Die Bürger fühlen sich von der Politik und den traditionell starken gesellschaftlichen Akteuren immer weniger verstanden und repräsentiert. Weil sie vielfach glauben, nichts bewegen zu können, ziehen sie sich ins Private zurück und empfinden häufig kaum mehr als Verachtung für das politische System.12 10

Zahlreiche Stiftungen engagieren sich in diesen Problemfeldern. Sie wollen die Rechte zukünftiger Generationen sichern, Benachteiligungen ausgleichen und die Demokratie stärken.

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Wie wollen wir künftig leben? – Eine gesellschaftliche Debatte ist überfällig Was bislang fehlt, ist eine weitreichende politische Konzeption, die Antwort auf die Frage gibt, wie und wovon wir in Zukunft l­eben wollen: Finden wir uns mit den skizzier­ten Ungerechtigkeiten und Missständen ab? Welche Vorstellungen haben wir von anderen Wachstumsmodellen? Oder müssen wir uns von der Idee des wirtschaftlichen Wachstums gänzlich verabschieden? Ist ein Abschied von der Konsumgesellschaft mit ihren Statussymbolen realistisch? Wollen wir an ausgliedernden Einrichtungen wie Altersheimen, Sonderschulen und Stationen für psychisch Kranke festhalten oder versuchen, diese Menschen vermehrt in die Gesellschaft zu integrieren? Welche sozialen Kosten sind wir beim Umbau der Energieinfrastruktur bereit zu tragen? Wie sieht eine Kommunalpolitik aus, die der gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirkt? Wie können neue Partizipationsmöglichkeiten der Bürger organisiert werden, ohne die repräsentative Demokratie auszuhöhlen? Antworten auf diese Fragen zu finden, ist nicht einfach. Der dringend nötige soziale und gesellschaftliche Wandel kann auch nicht verordnet werden. Unabdingbar, jedoch nicht ausreichend, dürfte eine Veränderung der Mentalitäten und Vorstellungen sein. Und das setzt zunächst eine bewusstere Wahrnehmung von Problemen und alternativen Lösungen voraus. Wandel gelingt leichter, wenn es konkrete Alternativen zu Bestehendem gibt, wenn Anreize und Hilfestellungen die Veränderung begünstigen.


An diesem Punkt kommen Stiftungen ins Spiel. In den letzten Jahren ist ihr gesellschaftlicher Einfluss gestiegen. Es zahlt sich aus, dass viele Stiftungen begonnen haben, offener zu kommunizieren. Mittlerweile gibt es, neben zahlreichen Veröffentlichungen von Stiftungen, eine zunehmende Zahl an regionalen oder kommunalen Stiftungstagen, Stiftungswochen und weitere Veranstaltungsformate, bei denen Stiftungen über ihr Handeln informieren. Sie bringen verschiedene Akteure an einen Tisch, fördern den zivilgesellschaftlichen Dialog und geben Handlungsempfehlungen. Die oft hoch kompetenten Angestellten in Stiftungen treten vielerorts als angesehene Experten auf, weil sie meist sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Erfahrungen besitzen. Durch ihr Wirken haben sie Stiftungen zu mehr Sichtbarkeit verholfen. Die große Anzahl der Stiftungen und die anhaltende Gründungsdynamik unter­ mauern den Anspruch zivilgesellschaftlicher Akteure, die Gesellschaft mitzugestalten. Deshalb lohnt es, sich mit den Ideen und Aktivitäten von Stiftungen in Bezug auf den angemahnten gesellschaftlichen Wandel ­auseinanderzusetzen.

Struktur des StiftungsReports Der vorliegende StiftungsReport spürt der Frage nach, welche sozialen Probleme die nachhaltige Entwicklung hemmen und wie Stiftungen dazu beitragen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken. In drei Kapiteln, die sich an die oben skizzierten Befunde anlehnen, beleuchtet der StiftungsReport Aspekte sozialer Nachhaltigkeit. Dass die zu den Befunden gehörenden Facetten nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar sind, liegt in der Natur des ­Themas. Das erste Kapitel fokussiert auf Generationengerechtigkeit. Die ökologische Problematik als wohl drängendstes Thema wird mit Verweis auf den letzten StiftungsReport „Auftrag Nachhaltigkeit: Wie Stiftungen das Klima schützen“ nur gestreift. Es geht aber durchaus auch darum, welchen Einfluss unser heutiger Lebensstil auf das Leben künftiger Generationen hat. Das zweite Kapitel nimmt die soziale Gerechtigkeit ins Visier. Es geht der Frage nach, wie das Engagement der Stiftungen zu mehr Chancengerechtigkeit führt. Dabei ist vor allem ein Aspekt bedeutsam: Bildung. Das dritte Kapitel erkundet schließlich, wie sich die Bürger wieder für das politische Gemeinwesen begeistern lassen, unter welchen Umständen sie bereit sind, stärker gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

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Editorial


Interview mit Dr. Günther Bachmann, Rat für Nachhaltige Entwicklung Unter dem Begriff der Nachhaltigkeit werden häufig drei Dimensionen subsummiert: die ökologische, die soziale und die ökonomische. Welche tatsächliche Relevanz besitzt das Drei-Säulen-Modell für den Nachhaltigkeitsdiskurs? Vorrangig ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen: Wie kann man Stadtviertel energetisch sanieren, ohne die Bewohner zu vertreiben, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können? Wie integriere ich also das Umweltanliegen mit dem sozialen Anliegen, Quartiere intakt zu halten? Und wie bewege ich den Besitzer, in die Sanierung der Wohnung zu investieren? Das ist eine Dreiecksaufgabe, die sich konkret stellt. Nur über Modelle zu reden, ist dagegen nicht weiterführend. Trotzdem findet das Drei-Säulen-Modell breite Verwendung. Ich benutze das Wort vom Säulenmodell, wenn ich sagen will, dass alle beteiligt werden müssen. Dann aber reden wir weiter über das Konkrete, auch über die Visionen, über eine Welt, die genügend Lebensmittel produziert. Oder eine Welt, in der keine Lebensmittel mehr weggeworfen werden. Die Säulendiskussion ist aus einem Kräfte­ messen der gesellschaftlichen Gruppen entstanden. Es ging um die Frage, ob alle gleich sind oder unterschiedlich stark. Steht die Säule Umwelt höher da als die Säule Wirtschaft? Doch polemisch zugespitzt: Was soll ich mit einer Wirtschaft, wenn der ­Planet verwüstet ist? 12

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Der Begriff Nachhaltigkeit weckt bei vielen Menschen vielleicht auch Ängste, sich von gewohnten Verhaltensweisen verabschieden zu müssen, also etwas zu verlieren. Unsere Art zu leben und zu wirtschaften führt zu erhöhten Risiken: Wir haben eine Schuldenkrise sowohl im Finanzbereich als auch im ökologischen Bereich. Die persönlichen Chancen liegen nicht im Verzicht, sondern im Anderstun. Im Übrigen: Worauf verzichte ich bei einer Politik, die dafür sorgt, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden? Warum muss ein Joghurt zwei Tage vor dem Verfallsdatum aus dem Regal geräumt werden? Dieser Joghurt, der mich nie erreicht, auf den verzichte ich auch nicht. Warum geht es so langsam, wenn die ­Punkte so einleuchtend sind und niemandem wehtun? Es tut natürlich immer jemandem weh. Wenn wir Atomkraftwerke aus guten Gründen vom Netz nehmen, sind Interessen betroffen. Daher muss es einen demokratischen Ausgleich geben. Es gibt nicht diese eine Win-win-Situation, die „alle“ glücklich macht. Das wird zwar häufig gesagt. Ich halte das für Unsinn. Es gibt so viele neue Ideen, vor denen man keine Angst zu haben braucht. Wir müssen unterscheiden zwischen komplexen und komplizierten Problemen. Die Fragen, die uns derzeit beschäftigen, sind zweifelsohne sehr komplex. Kompliziert werden sie aber erst, wenn wir sie nicht angehen. Komplexe Aufgaben müssen komplex angegangen werden – mit vielen Menschen, Netz­ werken, Ideen. Am Ende sind sie nicht mehr ­kompliziert.


So würde ich auch jedem Mut machen, auch jeder Stiftung, die sich dem Thema Nachhaltigkeit stellt. Zunächst geht es um Ansatzpunkte. Wir müssen nicht die ganze Welt alleine verändern. Viele Stiftungen engagieren sich im Bildungs­bereich – auch mit Nachhaltigkeitsbezug. Ist das der falsche Ansatz, wenn man, wie es einige Nachhaltigkeitsforscher tun, annimmt, dass es keinen Weg vom Wissen zum Handeln gibt? Wissen bringt schon was und führt – à la longue – zum Handeln. Aber wir dürfen auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass gesellschaftliche Änderungen Wissen erzeugen. Wenn man Probleme lösen will, brennende Müllkippen zum Beispiel, kann man viel Geld in die Wissenschaftslandschaft stecken und wird Ergebnisse bekommen. Es lässt sich aber auch ein Engpass erzeugen, indem keine neuen Deponien genehmigt werden. Dann wird man sehen, wo es mit dem Müll hingeht und wie man eine Kreislaufwirtschaft aufbaut. Not macht erfinderisch. Also geht es darum, Fakten zu schaffen – und dann darauf zu vertrauen, dass Lösungen gefunden werden? Vertrauen alleine reicht nicht, man muss auch investieren. Wichtig ist, dass sich das Wissen nach dem gesellschaftlichen Bedarf richtet, denn so entstehen neue Sicht­ weisen. Stiftungen spielen da eine große Rolle, weil sie Handlungen organisieren können. Sie können zeigen, was es an Wissenschaft, an informierter Debatte braucht. Diese Handlungskompetenz von Stiftungen müssen wir noch viel mehr nutzen. Als Intermediäre könnten auch Stiftungen bei umstrittenen Fragen einen Faktencheck fordern oder gar herbeiführen.

Stiftungen sind wie Scouts, die scannen können, was möglich ist, die Menschen Wahlmöglichkeiten geben. Es muss allerdings eine echte Wahl sein, keine Scheinwahl. Soll eine Stadt einen integrierten Grüngürtel haben oder soll er durch Straßen zerschnitten sein? Dass es mehrere Optionen gibt, müssen Stiftungen durch ihr Tun zeigen. Am schlimmsten ist die oft genannte Alternativlosigkeit. Es gibt immer ­Alternativen. Was sind die wichtigsten Aspekte sozialer Nachhaltigkeit? In Deutschland ist das eindeutig die Bildungsfrage. Hinter der Bildung stehen die sozialen Chancen. Daneben geht es auch um die soziale Infrastruktur. In einer älter werdenden Gesellschaft wird die soziale Infrastruktur sehr viel wichtiger: Da geht es um Ärzteversorgung und Apotheken. Vielen ländlichen Gebieten droht die Unterversorgung. Deshalb müssen wir uns überlegen, wie neue soziale Infrastrukturen aussehen können. Auch Stiftungen tragen da Verantwortung, können sich einmischen und Alternativen zeigen. In vielen strukturschwachen Regionen werden Schulen geschlossen. ­Warum nutzt man die nicht anders? Vor­ mittags Schule, nachmittags Kultur, abends Kino. So würde man eine fragmentierte soziale Infrastruktur zusammenführen.

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Editorial


Kapitel 1

Der Zukunft eine Chance geben – Stiftungen und Generationengerechtigkeit Die Menschheit steht vor immensen Herausforderungen: Steigende Temperaturen lassen Gletscher schmelzen und Inselstaaten verschwinden. Die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden bringen Not und Elend über Millionen von Menschen und reißen Löcher in Staatshaushalte. In den tropischen Ländern Südamerikas und Asiens werden aus Profitgier riesige Regenwald­ flächen gerodet. Trotz schwindender Reserven steigt der weltweite ­Ölverbrauch, während die Weltbevölkerung mit ungebremster Dynamik wächst: Nach Angaben der Stiftung Weltbevölkerung steigt die Anzahl der Erdbewohner jährlich um die Einwohnerzahl Deutschlands, um knapp 83 Millionen Menschen.13 So werden 2050 voraussichtlich 9,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben.14

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Damit auch künftige Generationen in Würde und Freiheit leben können, brauchen sie Anwälte, die schon heute ihre Interessen vertreten. Nachhaltige Entwicklung erweist sich dabei als eine „neue Dimension menschlicher Verantwortung und als ein Schlüssel der Verbindung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit“, wie die Nachhaltigkeitsforscher Bellmann, Laitko und Meier meinen.15

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Stiftungen als Anwälte unserer ­Nachfahren Um die weitere Verstärkung der intergenerationellen Ungerechtigkeit zu vermeiden, sind Akteure gefragt, die nachhaltige Entwicklung vorantreiben. Stiftungen sind dafür prädestiniert. Denn was sie antreibt, ist weder das Streben nach Profit noch der ­Wille zur Macht. Ihr Motor sind die Werte und Ideale, die in ihren jeweiligen Satzungen festgeschrieben sind. Nicht zuletzt haben viele Stiftungen Erfahrung darin, Prozesse zu moderieren und gesellschaftliche Interessen auszutarieren. Eine „kognitive Schranke“ 16 darf jedoch nicht unerwähnt bleiben: Niemand kennt die Zukunft – auch die auf ewig angelegten Stiftungen nicht. Daher lässt sich niemals mit Gewissheit sagen, welche Interessenlagen vorherrschen werden. Und selbst wenn man das wüsste, ließe sich nur schwer beantworten, wessen Interessen man vertreten sollte.17 Ebenso wenig wie sich heute alle Interessen gleichermaßen befriedigen lassen, wird das in Zukunft möglich sein. Deshalb lässt sich nur ex negativo bestimmen, was künftige Generationen nicht wollen können, zum Beispiel auf einem überhitzten Planeten zu leben.


sehen auch Stiftungen so. Sie schaffen ein Problembewusstsein und drängen auf den Wandel.

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Foto: epd – Jörg Neumann

Die Menschheit zieht nachkommenden Generationen den Boden unter den Füßen weg: Mit Überbevölkerung, Klimawandel, Atommüll und Schuldenbergen erben sie Probleme, die kaum in den Griff zu bekommen sind. Trotz der Dimensionen ist es keine Lösung zu resignieren. Stattdessen beginnt die Veränderung im Kleinen. Das

1 – Der Zukunft eine Chance geben


Vier Hypotheken Aus dieser Negativbestimmung heraus ­rücken vier Hypotheken in den Fokus. Sie sind die Folge unserer gegenwärtigen Lebens- und Arbeitsweise und erfordern Gegenmaßnahmen, um die Lebenschancen künftiger Generationen nicht zu zerstören. Bei den Hypotheken handelt es sich um: 1. Überbevölkerung 2. Ressourcenübernutzung und ­ Klimawandel 3. Bedrohung durch Atommüll 4. Staatsverschuldung Stiftungsgründerinnen und -gründer sind sich dieser Hypotheken bewusst. Sie haben deshalb Organisationen ins Leben gerufen, die die Probleme mit ganz unterschiedlichen Ansätzen angehen und so weltweit zu sozialer Nachhaltigkeit beitragen.

Historische Entwicklung der ­Weltbevölkerung Die Weltbevölkerung wächst rasant. Bis 1900 lebten noch 1,6 Milliarden Menschen auf der Erde. Im Jahr 1999 überschritt die Weltbevölkerung die Sechs-Milliarden-­ Grenze. Damit hat sich die Weltbevölkerungszahl im 20. Jahrhundert nahezu vervierfacht. Laut UN-Prognosen wird sie in den ersten 100 Jahren des 21. Jahrhunderts weiter steigen auf 9,3 Milliarden 2050 und mehr als 10 Milliarden Menschen im Jahr 2100.

1. Hypothek: Überbevölkerung

Aus der Perspektive westlicher Industriestaaten mag diese erste Hypothek zunächst weniger relevant erscheinen. Wenn Gesellschaften wegen zu geringer Geburtenraten schrumpfen, bringt das erhebliche Probleme mit sich, wie sich am Beispiel Deutschlands zeigt: Es entstehen Versorgungsprobleme, Generationenverträge werden zu Makulatur, Wissen droht verloren zu gehen. Doch Überbevölkerung muss als globales Phänomen betrachtet werden, das nicht nur die Gesellschaften angeht, in denen die Geburtenraten sehr hoch sind. Immer mehr Menschen bekommen immer mehr Kinder. Gemeinsam brauchen sie mehr Platz, verbrauchen mehr Ressourcen. Zuletzt hat es von Ende 1998 bis 2011 nur zwölf Jahre gedauert, bis die Erdbevölkerung um eine Milliarde Menschen zugenommen hat.18 Dieses Wachstum findet vornehmlich in den Entwicklungsländern statt. Noch bis zum Jahr 2070 wird die Zahl der Menschen nach Schätzungen der UN steigen – mit erheb­lichen Konsequenzen, auch in Hinblick auf die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Einerseits geht es dabei um die Ressourcenverteilung. Andererseits streben perspektivisch mehr Menschen ein westlich geprägtes, konsumbasiertes Lebensmodell an.

Quelle: Stiftung Weltbevölkerung durch die Vereinten Nationen (2011)

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Damit sind Spannungen und Konflikte vorprogrammiert, die Europa nicht unberührt lassen. Regelmäßig sterben afrikanische Flüchtlinge beim Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Nach solchen Tragödien wächst der Druck auf einzelne Staaten wie Italien, Spanien oder Malta, eine weniger rigorose Flüchtlingspolitik zu fahren. Diese Staaten sind häufig schlicht überfordert. Dass der Andrang abnimmt, ist nicht zu erwarten. „Allein in den Maghrebstaaten fehlen 100 Millionen Arbeitsplätze“, sagt Reiner Klingholz, Leiter der Stiftung BerlinInstitut für Bevölkerung und E ­ ntwicklung.19 Doch vier von fünf Flüchtlingen migrieren nicht in ein Industrieland, sondern in ein benachbartes Entwicklungsland, wo sie oft unter widrigsten Verhältnissen leben müssen.20 Diesen Menschen gelten Kinder als Zukunftssicherung. Doch sie sind kein Garant für eine gute Zukunft. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn Lebensperspektiven fehlen, steckt in den hohen Geburtenraten der Keim für künftiges Leid. Damit es folgenden Generationen besser geht, muss also die Geburtenrate sinken.

Bildung eröffnet neue Perspektiven Ein Schlüssel dafür ist die Bildung der ­Frauen. Je besser sie gebildet sind, umso selbstbestimmter können sie entscheiden, ob und wie viele Kinder sie bekommen wollen. Die Frauen betrachten das Kinder­kriegen nicht mehr als persönliches Schicksal – sie entscheiden nach neuen Kriterien: Nun ist nicht mehr die Anzahl der Kinder wichtig, sondern ob sie gute Lebens­ perspektiven haben. Außerdem rückt für die Frauen das eigene Leben in den Vordergrund und so steigen mit zunehmender Bildung auch die Opportunitätskosten des Gebärens: Frauen, die besser ausgebildet sind, können und wollen ihre Chancen jenseits der Mutterrolle nutzen.21 10 9 8 7 6 5 4 3 2

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Einer Studie österreichischer Demografen zufolge könnte die Zahl der Erdbewohner 2050 um bis zu 1,1 Milliarden niedriger liegen, als bis dato angenommen – wenn die Geburtenraten in den dynamischen Gesellschaften aufgrund des gestiegenen Bildungsniveaus der Frauen sinken.22 Besonders in weniger entwickelten Ländern habe der Bildungseffekt eine große Wirkung auf das Bevölkerungswachstum.

Auch wenn sich Demografie nicht durch eine Stellschraube steuern lässt, hat Bildung großen Einfluss. Viele Stiftungen konzen­ trieren sich daher auf die Bildungsförderung. So engagiert sich beispielsweise die Peter Krämer Stiftung gemeinsam mit UNICEF und der Nelson Mandela Foundation in dem Projekt „Schulen für Afrika“, das in elf afrikanischen Ländern den Ausbau von Schulen vorantreibt. Bis 2015, so das ehrgeizige Ziel, sollen 13 Millionen Kinder eine Schulausbildung erhalten. Auf diese Weise soll das zweite Millennium-Entwicklungsziel der Vereinten Nationen verwirklicht werden, das eine Grundschulbildung für alle Kinder vorsieht. Auch die Stiftung „Kinder in ­Afrika“ beteiligt sich am Bau von Schulen in Tansania und Uganda.

Weltbevölkerung und Fertilitätsraten

Kinder pro Frau 7

Am wenigsten entwickelte Länder

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Welt

Entwicklungsländer

Während in Industrieländern die Bevölkerung bis zum Jahr 2100 kaum wächst, kommen in den Entwicklungsländern in den nächsten 90 Jahren voraussichtlich drei Milliarden Menschen hinzu. Die Vereinten Nationen nehmen allerdings an, dass in den am wenigsten entwickelten Ländern die Kinderzahl pro Frau von heute 4,1 Kinder auf 2,1 Kinder im Jahr 2100 sinkt. Dies hängt u.a. mit der verstärkten Aufklärung und dem verbesserten Zugang zu wirksamen Verhütungsmethoden zusammen.

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Quelle: Stiftung Weltbevölkerung durch die Vereinten Nationen (2011)

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Die Theorie der Gerechtigkeit „In der kleinen Welt, in der Kinder leben, gibt es nichts, was sie so feinsinnig aufnehmen und empfinden wie Ungerechtigkeit.“ Diesem Zitat aus Charles Dickens’ Roman „Große Erwartungen“ 23 werden die meisten Menschen getrost zustimmen. Schon von klein auf hat jeder eine normative Vorstellung, wie eine gerechte Welt beschaffen sein sollte. Seit der griechischen Antike beschäftigen sich Philosophen mit der Frage: „Was ist die Natur der Gerechtigkeit?“ Dabei geht es vor allem um die Gerechtigkeit p ­ olitischer Institutionen, also des Staates. Aber auch um eine gerechte Verteilung von Gütern und Positionen innerhalb einer Gesellschaft.24 Die philosophische Gerechtigkeitsdebatte begann folglich schon vor 2.500 Jahren. Verschiedene Theorien lösten einander ab. Im Zeitalter der Aufklärung, also im 18. Jahrhundert, wurde die Diskussion entscheidend geprägt von John Locke, Jean-­ Jacques Rousseau und Immanuel Kant. Alle drei setzten sich mit einer „Theorie des Gesellschaftsvertrags“ auseinander – einem Gedankenexperiment, in dem es noch keine Gesellschaft gibt, sondern einen „Naturzustand“. Im Bezug darauf werden Vorstellungen von Gerechtigkeit und staatliche Rechtsordnungen moralisch begründet.25 An dieses Gedankenexperiment schließt die wohl bekannteste Gerechtigkeitstheorie des 20. Jahrhunderts an: „A Theory of Justice“ des amerikanischen Philosophen John Rawls.26 Für Rawls hat Gerechtigkeit immer etwas mit Fairness zu tun. Es müssen Prinzipien ermittelt werden, die allen in der Gesellschaft akzeptabel erscheinen, vor allem denen, die nicht so gut dastehen.27 Gerechtigkeit ist die oberste politische Tugend und politische Institutionen müssen sich daran messen lassen. Eine gerechte Gesellschaft basiert auf Kooperation und die Vorteile der Kooperation gilt es fair zu verteilen.28 Seine Vorstellung von Gerechtigkeit fasst Rawls in zwei Grundsätzen zusammen: 1. „Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem von gleichen Grundfreiheiten, das mit einem entsprechenden System von Freiheit für alle vereinbar ist.“ 29 2. „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu regeln, daß sie (...) den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen (...)“30 Der erste Grundsatz hat Vorrang vor dem zweiten, d.h. im Fall eines Konflikts muss zunächst auf das Freiheitsprinzip geachtet werden. Hier erkennen viele Kritiker das liberale Element der Rawlsschen Theorie: Die Sicherstellung individueller Freiheiten ist wichtiger als die staatliche Förderung von Gleichheit.31 Nichtsdestotrotz kann Rawls’ Theorie einen Anstoß geben, die eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit und moralischen Urteile einer Prüfung zu unterziehen.32 Denn jeder kann sich fragen: „Wie würde ich die Gesellschaft, unabhängig von meinen persön­ lichen Präferenzen, im Sinne aller Kooperationsmitglieder gestalten?“

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Indem sie es Menschen in Tansania ermöglicht, eigenverantwortlich zu handeln, leistet auch die Stiftung „WE CARE – School for Life“ einen Beitrag für ein selbstbestimmtes, verantwortungsbewusstes Leben – die Grundlage für ein solides Gemeinwesen und vielerorts für eine bessere Zukunft. Ziel ist es, eine neue „ganzheitliche“ Regelschule für Afrika zu verwirklichen. Kinder und Jugend­liche sollen zum Beispiel lernen, sich selbst zu ernähren, gesund zu kochen und mit einem Beruf Geld zu verdienen. 220 Millionen Kinder arbeiten, statt die Schule zu besuchen Laut Artikel 32 der UN-Kinderrechtskonvention sollen Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden.33 Doch Papier ist bekanntlich geduldig. Im Jahr 2010 verhallte diese Absichtserklärung für weltweit etwa 220 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 15 Jahren. Sie mussten für die eigene oder familiäre Existenzsicherung arbeiten. 6,2 Millionen Kinder schufteten gar unter sklavenartigen Bedingungen. 1,8 Millionen Kinder wurden zur Prostitution gezwungen, davon knapp ein Viertel in Industriestaaten. 300.000 Kinder wurden als Kindersoldaten missbraucht.34

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Hinter diesen Zahlen verbirgt sich nicht nur eine ungeheure soziale Ungerechtigkeit. Es ist auch absehbar, dass diese Kinder schlechtere Lebensperspektiven haben und wiederum ihren Kindern keine idealen Chancen werden bieten können. Der Wunsch nach Chancengerechtigkeit bleibt unerfüllt. Um mehr Kinder in die Schulen zu bekommen, kooperiert Fair Childhood, die Stiftung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, mit der indischen ­Mamidipudi ­Venkatarangaiya Foundation (MVF). Die MVF ist vor Ort gut vernetzt und hat in jahrelanger Arbeit mannigfaltige Strategien entwickelt, um die Bildungschancen indi-

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scher Kinder zu verbessern. Zunächst muss die Stiftung vom Nutzen des Schulbesuchs überzeugen: Sie schildert Eltern und Kindern, welche Vorteile sich ergeben und unterstützt sie gegenüber Farmern und Plantagenbesitzern, die auf billige Arbeitskräfte nicht verzichten wollen. Mit Demonstra­ tionen, Kundgebungen und Straßentheater klärt die MVF die Menschen über ihre Rechte auf und berät sie in Einzelgesprächen. So hat sie in 20 Jahren etwa eine Million Kinder aus Arbeitsverhältnissen befreit und ihnen den Schulbesuch ermöglicht. filia.die frauenstiftung fördert mit Unterstützung der Stiftung natur mensch kultur im indischen Secunderabad eine Schule für Dalit-Mädchen, Angehörige der untersten Kaste, die Ärmsten der Armen. Rund 100 dieser sozial benachteiligten Mädchen zwischen vier und 14 Jahren erhalten durch die Förderung eine Grundausbildung. Die Stiftungen wollen die Mädchen aus der Kinderarbeit befreien und den Teufelskreis aus Analphabetismus, Tagelöhnerei und Armut durchbrechen. Durch ihr Engagement legen die beispielhaft genannten Stiftungen den Grundstein für mehr Bildung. Der steigende Bildungsgrad verbessert nicht nur die Lebensverhältnisse, sondern trägt auch dazu bei, die Geburtenraten zu senken. Viele Stiftungen orientieren sich bei ihren Aktivitäten an den Prinzipien von Partnerschaft und „ownership“: Sie legen Wert auf eine hohe Beteiligung der Menschen vor Ort bei der Planung und Durchführung von Projekten. Diese Art der Entwicklungszusammenarbeit zielt auf Hilfe zur Selbsthilfe – und sorgt dafür, dass Projekte und Programme nachhaltig wirken.35


2. Hypothek: Ressourcenübernutzung und Klimawandel

Die rasant wachsende Bevölkerung stellt den Planeten vor eine unvergleichliche Belastungsprobe. Jährlich verbrauchen die Menschen mehr Ressourcen, als die Erde eigentlich für diesen Zeitraum generieren kann.36 Mit Auswirkungen auch auf das ­Klima. Wenn der Klimawandel sich fortsetzt, gar verstärkt und lebensnotwendige ­Ressourcen knapp werden, drohen Spannungen schnell zu eskalieren: „Die Alloka­ tion von Ressourcen gilt als eines der höchsten Sicherheitsrisiken im 21. Jahrhundert“, heißt es in einer Expertise der Stiftung Wissenschaft und Politik.37 Ganz gleich, ob es um die letzten fruchtbaren Äcker oder sauberen Quellen geht – die daraus resultierenden Konflikte haben Sprengkraft, sowohl heute als auch in Zukunft. Die Erschöpfung der weltweiten Erdöl­ vorkommen Bei den meisten Gütern ist nicht ersichtlich, welche und wie viele Ressourcen verbraucht werden, denn die Berührungspunkte sind häufig marginal. Beim Benzinverbrauch denken die meisten nur an ihr Portemonnaie. Den Ölpreis oder gar den Status der weltweiten Erdölvorkommen verfolgen wohl die wenigsten. Ältere Menschen erinnern sich vielleicht noch an die autofreien Sonntage während der Ölkrisen der 1970er Jahre. Dabei wäre es durchaus wichtig, sich auch heute stärker mit der Ressource Erdöl zu beschäftigen. Der fossile Brennstoff wird eines Tages nicht mehr verfügbar sein – mit erheblichen Konsequenzen für die meisten Lebensbereiche.

Umwelt-Stiftung ebenso wie die HeinrichBöll-Stiftung eine Diskussion über die Zeit nach dem Öl an. Gerade Umweltstiftungen gewinnen der anstehenden Entwicklung – der zwangsläufigen Entkopplung der industriellen Wirtschaftsweise vom Öl – durchaus Positives ab. Denn knapp 40 Prozent der klimaschädlichen Kohlenwasserstoffe sind auf den Erdölverbrauch zurückzuführen, der vor allem im Transport-, Strom- und Wärmesektor eine maßgebliche Rolle spielt.38 Auch wenn die Welt kurzfristig noch nicht ohne Öl auskommen muss, kann man sich Gedanken über Sparmöglichkeiten machen, zum Beispiel durch ein neues Verständnis von Mobilität. In Deutschland orientiert sich die Verkehrsplanung noch stark am Individualverkehr. Dabei gibt es zahlreiche Ansatzpunkte für nachhaltigere Verkehrskonzepte. Diesem Thema hat sich die ­Berliner Stiftung heureka verschrieben. Sie lässt Expertisen erstellen, die sich mit unterschiedlichen Modellen der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs beschäftigen. So will die Stiftung die Voraussetzungen für „zielgerichtete Planungsprozesse und ­Planungsmethoden im Verkehr“ eruieren. Das Problem des virtuellen Wasser­ verbrauchs Weitere Ressourcen verbrauchen wir in großem Umfang ganz nebenbei – auch die lebenswichtige Ressource Wasser. Das lässt sich am Beispiel Deutschlands eindrücklich zeigen: Zwar hat in den vergangenen Jahren der Wasserverbrauch sowohl in deutschen Haushalten als auch im Bereich der Indus­ trie kontinuierlich abgenommen. Diese ­Wassermenge stellt jedoch nur einen geringen Teil dessen dar, was die Deutschen wirklich pro Tag beanspruchen.

Einige Stiftungen haben das Ende des Erdöls in den letzten Jahren thematisiert. Unter dem Stichwort Peak Oil stieß die Selbach-

1 – Der Zukunft eine Chance geben

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Deutschlands Kaffee-Wasserfußabdruck (9.913 Millionen Kubikmeter/Jahr)

Kaffee-Wasser: Was Deutschlands externer Wasserfußabdruck mit Gerechtigkeit zu tun hat Der Import von Kaffee nach Deutschland schlägt jährlich mit 9.913 Millionen Kubikmetern virtuellen Wassers zu Buche. Dieser externe Wasserfußabdruck ist die Gesamtmenge an Wasser, die während des Herstellungsprozesses im Ausland verbraucht oder verschmutzt wird. Er entspricht dem 13 1/2-fachen Volumen der Müritz. Oder 2.245 Badewannen pro Sekunde. Durch diesen ­gigantischen Verbrauch können andere Länder in eine Wasserkrise geraten, etwa wenn dort sowieso Wassermangel herrscht oder die Landwirtschaft, wie in Brasilien, einer der Hauptverursacher von verun­reinigtem Wasser ist. Dadurch steigt in den betroffenen Ländern wiederum die Zahl der Infektionskrankheiten, die durch verschmutztes Trinkwasser übertragen werden. Quelle: Umweltstiftung WWF (2009)

Volumen der Müritz (größtes Binnengewässer Deutschlands, Volumen: 737 Millionen Kubikmeter)

Inhalt aller Badewannen Deutschlands (ca. 40 Millionen x 140 Liter)

22

StiftungsReport 2012/13


Der tatsächliche Pro-Kopf-Wasserverbrauch liegt weltweit zwischen 1.918 (China) und 6.795 (USA) Litern pro Tag. Der globale Durchschnitt beträgt 3.397 Liter. Laut einer Studie der Umweltstiftung WWF Deutschland39 liegt die Bundesrepublik beim Wasser­verbrauch mit 5.288 Litern pro Tag deutlich im oberen Bereich dieser Spanne. Das Tückische: Der enorme Verbrauch ist vielen Menschen nicht bewusst, weil der Großteil in Lebensmitteln, Kleidung oder anderen Konsumgütern versteckt ist. Dieser sogenannte „virtuelle Wasserverbrauch“ ist die Gesamtmenge an Wasser, die während der Produktherstellung oder einer Dienstleistung verbraucht bzw. verschmutzt wird oder dabei verdunstet.40 Die Berechnung des Wasserfußabdruckes von landwirtschaftlichen Gütern zeigt, dass die Bundesrepublik einen großen Teil dieser Produkte aus anderen Ländern einführt – die bei der Herstellung verbrauchten Wassermengen ergeben den externen Wasserfußabdruck. Brasilien steht an der Spitze der Länder, in denen Deutschland diesen externen Wasserfußabdruck hinterlässt. Ein Grund dafür ist das Lieblingsgetränk der Deutschen: der Kaffee. Im weltweiten Durchschnitt werden etwa 22.500 Liter Wasser benötigt, um ein Kilogramm Kaffee herzustellen, rechnet der WWF in seiner Studie vor. Das sind 140 Liter Wasser – eine gefüllte handelsübliche ­Badewanne – für 125 Milliliter Bohnen­

kaffee. Und auch wenn es in Brasilien genügend Süßwasser gibt, befindet sich das Land dennoch in einer Wasserkrise. Denn hier ist die Landwirtschaft einer der Hauptverursacher unkontrollierter Gewässerverschmutzung. In der Folge steigt die Zahl der durch verunreinigtes Wasser übertragenen Krankheiten. Am häufigsten sind Kinder die Leidtragenden dieser Entwicklung. Weltweit sterben heute täglich 4.900 Kinder, weil es an sauberem Trinkwasser mangelt, wie Franz-Theo Gottwald, Vorstand der ­Schweisfurth-Stiftung, vorrechnet.41 Die ungleiche Wasserversorgung birgt auch in der Zukunft enormes Konfliktpotenzial: Zwei Dritteln der Weltbevölkerung droht laut der WasserStiftung im Jahr 2050 akute Wassernot. Zwar bleibt Europa von dieser Entwicklung weitestgehend verschont. Dennoch wächst der Druck, mit der kostbaren Ressource sorgsamer umzugehen. Das ist auch das Anliegen der Stiftung Sauberes Wasser Europa. Sie informiert über Wasser, organisiert Weiterbildungskurse und hilft, Heilquellen zu schützen. Jede Minute verschwinden 35 Fußballfelder Wald Ebenso sorglos wie mit Wasser wird vieler­orts mit Holz umgegangen. Weil die Rodungs­geschwindigkeit zu hoch ist, als dass die Bäume nachwachsen könnten, gehen jede Minute weltweit 25 Hektar Wald verloren42 – die Fläche von 35 Fußball­ feldern. Das Verschwinden der Wälder heizt das Klima zusätzlich auf. Am Beispiel der Ressource Holz zeigt sich, wie schwierig die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimensionen sowie die Gerechtigkeit heute lebender und künftiger Generationen in Einklang zu bringen sind. Den Bauern in Brasilien oder Indonesien mag es als Segen erscheinen, wenn große Konzerne sie dafür entschädigen, dass sie

1 – Der Zukunft eine Chance geben

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Wenn nicht bald gehandelt wird, droht der Erde bis 2050 ein Waldverlust von 230 Millionen Hektar. Das entspräche einer Fläche der siebenfachen Größe Deutschlands. Für das Klima, die Artenvielfalt und die weltweite wirtschaftliche Entwicklung hätte das Verschwinden der Wälder erhebliche negative Folgen.

2000

2050

2100

24

1–20

20 – 40

40 – 60

60 – 80

Prognostizierter Anteil der Wälder im Amazonasgebiet, im Kongo und im asiatisch-­pazifischen Raum (in Prozent)

StiftungsReport 2012/13

80 –100

Quelle: WWF (2011)


das ­traditionell der Subsistenzwirtschaft dienende Land an sich reißen. Tagelöhner erhalten eine neue Perspektive, wenn sie auf den neu angelegten Mais- oder Palmöl­ plantagen Arbeit finden. Ihnen mag das nützen. Aus ökologischer Sicht ist es fatal. Ob ihre Kinder und Enkel eines Tages auf den durch Monokulturen ausgelaugten Böden noch werden arbeiten können, ist fraglich. Etwas gegen die Abholzung des Regenwaldes und den damit einhergehenden ungeheuren Biodiversitätsverlust zu unternehmen, zählt zu den bevorzugten Projekten international tätiger Umweltstiftungen. Wichtigster Akteur ist aufgrund seiner Größe der WWF. Auf dem Feld aktiv sind auch die Tropenwaldstiftung Oro Verde, die Stiftung Amazonica und die Stiftung Wildnis. Letztere hat vor allem im südamerikanischen Guyana wichtige Arbeit geleistet: Dort blieb der Regenwald lange weitgehend von Abholzaktionen verschont. Dann, als die Infrastruktur vorhanden war, wurden große Waldgebiete als Holzkonzessionen vergeben. Um drastische Einschnitte in den Naturhaushalt zu vermeiden, beantragte die Stiftung Wildnis mit indigenen Partnern eine Naturschutzkonzession. Eine Bedingung war, dass der Erhalt der Wald­f läche wirtschaftlich lukrativer sein musste als die Rodung. Schließlich erhielt die Stiftung Wildnis 135.878 Hektar Regenwald, die dadurch nicht in den Besitz der Holzkonzerne gelangten. Mittlerweile hat Guyana eine Niedrig-CO2 -Entwicklungsstrategie ent­ wickelt. Fast der gesamte Regenwald wurde unter Schutz gestellt.43

Der Konsumfalle entkommen Um künftigen Generationen schwere Konflikte zu ersparen, ist heute ein bewusster und sparsamer Umgang mit Ressourcen geboten. Ein zentraler Ansatzpunkt besteht darin, das vorherrschende Verständnis von Lebensstandard zu überdenken. Als Zeichen von Wohlstand gelten noch immer die alten Statussymbole: große Autos, Villen, Fernreisen etc. Gezielt setzt die Werbung Konsumanreize, indem sie suggeriert, dass diese Dinge nicht nur ein Zeichen von Wohlstand sind, sondern auch glücklich machen. So erhalten anachronistische Lebensweisen eine Anerkennung, die sie nicht verdienen, die im Gegenteil das Wohl aller schmälern – und gleich in einem doppelten Sinne nicht nachhaltig sind. Denn materieller Konsum steigert das Glücksempfinden nur kurz­ zeitig, da ist sich auch die Glücksforschung mittlerweile sicher.44 Anerkennung müsste vielmehr anderen Lebensstilen zuteilwerden. Jene, bei denen das Selbermachen im Vordergrund steht, bei denen der Mensch schöpferisch tätig ist. Zumal die Überflussgesellschaft auch mental überfordert. „Die Überforderung, die wir produzieren, macht uns unglücklich. Die Rettung heißt Reduktion“, sagt der Oldenburger Ökonom Niko Paech.45 Somit ist der wohl wichtigste Punkt einer nachhaltigen Lebensweise ein nachhaltiger Konsum. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass unser Leben zu 90 Prozent aus Konsum besteht, wie Paech sagt. Dabei führen viele Wege aus der Konsumfalle: selbst zu gärtnern, Fahrrad zu fahren, kaputte Dinge zu reparieren anstatt sie wegzuwerfen und neue zu kaufen. Diese Aktivitäten helfen nicht nur, das Klima zu schonen, sondern generieren ein Mehr an Zufriedenheit.

1 – Der Zukunft eine Chance geben

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Wo die glücklichen Menschen leben Als Gegenentwurf zu etablierten volkswirtschaftlichen Indizes wie dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder dem Human Development Index (HDI) bezieht der Happy Planet Index (HPI) das Kriterium der Nachhaltigkeit mit ein. Die Länder, die am besten abschneiden, gehören nicht zwangsläufig zu den „glücklichsten“ in der Welt. Sie zeigen jedoch, dass es möglich ist, ein langes, zufriedenes Leben zu führen, ohne die natürlichen Ressourcen überzustrapazieren.

USA KANADA

USA

BAHAMAS MEXIKO

DOMINIKANISCHE REPUBLIK KUBA JAMAIKA HAITI PUERTO RICO (USA) HONDURAS GUATEMALA TRINIDAD UND NICARAGUA TOBAGO COSTA RICA VENEZUELA GUYANA PANAMA KOLUMBIEN ECUADOR

HPI

PERU

2 Werte hoch, 1 Wert mittelmäßig 1 Wert hoch, 2 mittelmäßig 3 Werte mittelmäßig einer der Werte niedrig 2 Werte niedrig oder „blutroter“ Fußabdruck Quelle: New Economics Foundation (2009)

Zahlreiche Stiftungen machen dazu eigene Angebote oder unterstützen Organisationen darin, konsumärmere Wege zu beschreiten. Die auf der Insel Mainau beheimatete ­Lennart-Bernadotte-Stiftung fördert den Verein Gärtnern für alle e.V., der sich unter anderem um Naturerziehung kümmert und junge Menschen an das Gärtnern heranführt. Auch das Trendhobby Urbanes Gärtnern wird seit einigen Jahren von Stiftungen vorangetrieben. Neben den Münchner Pionieren, der Stiftungsgemeinschaft anstiftung-ertomis, der Stiftung Interkultur und 26

StiftungsReport 2012/13

* Der Index setzt sich zusammen aus Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung in Jahren und Ressourcen­verbrauch dargestellt als Fläche (Ecological Footprint), die notwendig ist, um die Bevölkerung bei gegebenem Konsum, technischer Entwicklung und ­Ressourceneffizienz zu versorgen.

BRASILIEN BOLIVIEN PARAGUAY CHILE URUGUAY ARGENTINIEN

der Bürgerstiftung München, hilft die Bürgerstiftung ­Lilienthal Kindern dabei, ihren eigenen Garten anzulegen. Die Bürgerstiftung Unna bringt passionierte Gärtnerinnen und Gärtner dazu, Neugierigen ihre Gärten zu zeigen. Dadurch macht sie nicht nur auf die Freuden des Gärtnerns aufmerksam, sondern lässt den Gärtnern zugleich Respekt und Anerkennung zukommen.


GRÖNLAND (DÄNEMARK) ISLAND NORWEGEN

SENEGAL

SCHWEDEN FINNLAND

RUSSLAND

GROSSDÄNEMARK BRITANNIEN POLEN WEISSRUSSLAND IRLAND DEUTSCHUKRAINE LAND KASACHSTAN UNGARN FRANKREICH MONGOLEI RUMÄNIEN BULGARIEN GEORGIEN USBEKISTAN KIRGISIEN ITALIEN SPANIEN ARMENIEN ASERBEIDSCHAN PORTUGAL TÜRKEI TADSCHIKISTAN GRIECHENSYRIEN TUNESIEN LAND CHINA LIBANON IRAK IRAN MAROKKO ISRAEL KUWAIT NEPAL BHUTAN ALGERIEN PAKISTAN INDIEN ÄGYPTEN SAUDI- KATAR ARABIEN INDIEN MYANMAR MAURETANIEN LAOS BANGLAMALI NIGER DESCH THAILAND JEMEN TSCHAD SUDAN BURKINA FASO

GUINEA SIERRA LEONE

VIETNAM KAMBODSCHA

DSCHIBUTI

NIGERIA

ZENTRALAFR. ÄTHIOPIEN REPUBLIK TOGO BENIN KAMERUN UGANDA KONGO KENIA DEMORUANDA KRATISCHE BURUNDI REPUBLIK TANSANIA KONGO

SÜDKOREA

SRI LANKA

JAPAN

PHILIPPINEN

MALAYSIA SINGAPUR INDONESIEN

ANGOLA SAMBIA SIMBABWE NAMIBIA MOSAMBIK BOTSUANA

MADAGASKAR AUSTRALIEN

SÜDAFRIKA

NEUSEELAND

Zu einem nachhaltigen Lebensstil zählt auch die Ernährung. Der Kauf lokaler und saisonaler Lebensmittel stärkt die regionale Wirtschaft, schont Ressourcen und verbessert die Klimabilanz. Gerade jungen Menschen fehlt oft der Bezug zu ihren Nahrungsmitteln. Was es nicht abgepackt im Supermarkt zu kaufen gibt, ist ihnen fremd. Spaß an gesunder Ernährung und der Zubereitung von Lebensmitteln will die Sarah Wiener Stiftung vermitteln. Vor allem in sozialen Brennpunkten bietet sie Kochkurse für Kinder an, um ihnen zu zeigen, wie eine gesunde Ernährung aussehen kann. Dabei lernen die Kinder, dass nicht immer alles gekauft werden muss. Zum Beispiel lassen

sich Kräuter auch auf dem Balkon oder der Fensterbank ziehen oder Gemüse in der Kita anbauen, wie das Programm „Gartenland in Kinderhand – Ein Garten für die Kita“ der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg zeigt. Die Initiative „Meine Landwirtschaft“, die neben vielen weitern NGOs auch vom WWF und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft unterstützt wird, engagiert sich auch für die Kampagne Foodsharing. Deren Ziel ist, dass ungenutzte Lebensmittel nicht in den Müll 27

1 – Der Zukunft eine Chance geben


Zu gut für die Tonne Jeder Deutsche wirft pro Jahr durchschnittlich 82 Kilogramm Lebensmittel weg. Auf die gesamte Bundesrepublik hoch­gerechnet ergibt das 6,7 Millionen Tonnen.

wandern. Über eine Internetplattform will sie Personen vernetzen, die mehr Lebensmittel haben, als sie brauchen. Die Idee: Die Leute sollen sie gemeinsam verwenden, anstatt sie wegzuschmeißen. Immerhin wirft jeder Bundesbürger im Schnitt 82 Kilo Lebensmittel pro Jahr im Wert von mehreren hundert Euro weg. Da kommen nicht nur M ­ illiardenbeträge zusammen, sondern es ist auch eine erhebliche Ressourcen­ verschwendung und Klimabelastung.

3. Hypothek: Bedrohung durch ­Atommüll

Auch unsere heutige Energieversorgung hat viel mit Generationengerechtigkeit zu tun – und somit Auswirkungen auf die soziale Nachhaltigkeit. Das gilt vor allem für die Atomkraft, die wegen der schlechten CO2 -Bilanz von Braun- und Steinkohle lange als besonders klimafreundlich galt. Die HeinrichBöll-Stiftung zeigte 2010 in ihrer Publikation „Mythos Atomkraft“, warum der nu­kleare Pfad ein Irrweg ist.46 So seien günstige Strompreise ein wesentliches Argument der Atomkraftbefürworter gewesen. Berücksichtige man die staatlichen Subventionen,

Verteilung der ­vermeidbaren Lebensmittelabfälle (in Prozent) Gemüse und Obst (44) Back- und Teigwaren (20) Speisereste (12) Milchprodukte (8) Getränke (7) Fleisch und Fisch (6) Sonstiges wie Süßigkeiten (3)

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Quelle: Universität Stuttgart (2012)

StiftungsReport 2012/13


entpuppe sich das als Milchmädchen­ rechnung. Zudem sei die Auslastung der AKWs deutlich geringer als prognostiziert. Auch die Stiftung Zukunftserbe erklärt in einer Broschüre, warum die Atomkraft das Klima nicht retten kann. Weltweit werden nur 15 Prozent des Strombedarfs durch Atomenergie gedeckt, und nur sechs Prozent des globalen Primärenergie-Verbrauchs.47 Ferner hat die Stiftung das Freiburger ÖkoInstitut bei einer Website unterstützt, die diese Debatte mit Argumenten untermauert. Streitpunkt Kernenergie48 liefert den Faktencheck: Atomkraftbefürworter können sich nicht hinter dem Argument der klimafreundlichen Technologie verstecken. Mit derartigen Publikationen und Studien machen Stiftungen seit Jahren auf die Atomproblematik aufmerksam. Darüber hinaus unterstützen sie sogenannte Graswurzelbewegungen: Das Bündnis „Atomausstieg selber machen“ wird beispielsweise von Umweltverbänden, Verbraucherschutz-­ Organisationen und Anti-Atom-Initiativen getragen. Das Bündnis will die Menschen dazu anstiften, kein Geld mehr an Atomkonzerne oder deren Tochterunternehmen zu zahlen. Es informiert Stromkunden über Alternativen und über die verästelten Konzernstrukturen der Atomindustrie.49 Zu den Trägern zählen auch Stiftungen wie der WWF oder die TEMA-Stiftung für den Naturschutz, deren Ziel es ist, die in Deutschland lebenden 2,7 Millionen Menschen türkischer Herkunft für den Naturschutz zu sensibilisieren und zu mobilisieren.

Der AKW-Gefährdungsatlas Wie akut die Gefährdung durch die Atomkraft ist, illustriert der AKW-Gefährdungsatlas der Deutschen Umweltstiftung: Knapp 65 Millionen Menschen leben in Deutschland in einer Entfernung von nicht mehr als 150 Kilometern von einem Atomkraftwerk. Im Umkreis einzelner Atomkraftwerke leben bis zu 18 Millionen Menschen. „Besonders gefährdet, teils durch bis zu sechs AKWs in unmittelbarer Nähe, sind die Regionen um Bremen, Südbaden, Nordwürttemberg und die westlichsten Regionen der Bundesländer Saarland, NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz“, sagt Hans ­Günter S ­ chumacher, Geschäftsführer der ­Deutschen ­Umweltstiftung.50 Im August 2011 verabschiedete die Bundesregierung eine Änderung des Atomgesetzes: Bis spätestens Ende 2022 werden alle deutschen Atomkraftwerke stillgelegt. Die Deutsche Umweltstiftung gibt ihren Druck aber nicht auf. Es gebe weitere zahlreiche nukleare Einrichtungen in Deutschland, von denen eine Gefahr ausginge, zum Beispiel Zwischenlager. Außerdem sei die Ära der Atomkraft keineswegs vorbei. Eine ganze Reihe von Ländern baut neue AKWs – auch in direkter Nachbarschaft, etwa in Polen. Und bei der Suche nach einem Endlager ist eine wachsame Zivilgesellschaft, die als Watchdog fungiert, nicht fehl am Platz.

Davon abgesehen konnten bislang weder Politik noch Atomkraftbetreiber den wichtigsten Kritikpunkt entkräften: Wohin mit dem Atommüll? Wie kann man künftigen Generationen praktisch ewig strahlende Abfälle hinterlassen, ohne für ihre Sicherheit garantieren zu können? Darauf gibt es keine überzeugenden Antworten.

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1 – Der Zukunft eine Chance geben


Sylt Flensburg

AKW-Gefähr­dungsatlas

Fehmarn

Rügen

Kiel

© 2012 Deutsche Umweltstiftung – www.deutscheumweltstiftung.de

AKW Brunsbüttel AKW Lübeck Brokdorf Cuxhaven AKW Stade (SG) Hamburg Bremerhaven AKW Unterweser

Wilhelmshaven Emden

AKW Krümmel

Bremen

Oldenburg

Rostock

ZL Lubmin Usedom ZL Greifswald Neubrandenburg

Schwerin

ZL Gorleben

Lüchow

Polen

Neuruppin

AKW Emsland Berlin

Niederlande

UA Gronau

ZL Ahaus Münster

AKW Doel

Paderborn

Dortmund

Cottbus

Göttingen Halle

Kassel

Düsseldorf

Belgien

Potsdam

Hannover

Magdeburg ZL Schacht Morsleben (Endlager) Bielefeld Konrad AKW Grohnde

THTR HammUentrop (SG) Duisburg

ZL Asse Wolfsburg

Osnabrück

Forschungszentrum Jülich Siegen Köln Aachen Bonn AKW Tihange

Leipzig

Erfurt

Jena

Gera

Dresden Chemnitz

Zwickau

Fulda

Koblenz

Coburg

AKW Chooz

Frankfurt Wiesbaden Mainz

ZL Mitterteich

AKW Grafenrheinfeld

Darmstadt

Tschechische Republik

Würzburg

AKW Biblis Mannheim

AKW Temelín

AKW Philipsburg

Saarbrücken

Karlsruhe

Nürnberg Regensburg

AKW Neckarwestheim Stuttgart

Frankreich

AKW Ingolstadt Grundremmingen

AKW Temelín

AKW Isar Forschungs­reaktor München

Ulm Augsburg

München

AKW Fessenheim

Freiburg Konstanz

AKW Leibstadt

AKW Beznau bei Döttingen

Kempten

GarmischPartenkirchen

Österreich

AKW Gösgen Schweiz AKW Mühleberg

Italien

Der AKW-Gefährdungsatlas macht die potenzielle Gefährdung durch Atomkraft sichtbar 30

Die Deutsche Umweltstiftung ermittelte für die dritte Auflage ihres AKW-Gefährdungsatlas die Bevölkerungszahlen in den Gefährdungsregionen um die Standorte der deutschen und grenznahen ausländischen Atomkraftwerke sowie weiterer kerntechnischer Anlagen. Berücksichtigt wurde dabei die Wohnbevölkerung in einem Umkreis von jeweils 150 km. Was die Grafik nur indirekt andeutet: Das Problem der Endlagerung von Atommüll ist nicht gelöst. Und belastet unsere Nachkommen quasi auf ewig. StiftungsReport 2012/13


4. Hypothek: Staatsverschuldung

Ein ebenfalls hausgemachtes Problem ist die dramatisch zunehmende Staatsverschuldung. In Deutschland betrug sie im September 2011 2.028,211 Milliarden Euro, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 24.450 Euro entspricht. Drastisch nach oben schnellte die Staatsverschuldung in den letzten Jahren auch durch Bürgschaften und Einlagen der Bundesrepublik in den ­Europäischen Rettungsschirm. Wie plausibel die Recht­ fertigungen für diese Maßnahmen auch sein mögen – sie verletzen die Rechte zukünftiger Generationen. Kommende Generationen werden große Anstrengungen unternehmen müssen, um die heute angehäuften Schulden begleichen zu können. Da nicht nur die Schulden zu tilgen, sondern auch Zins und Zinseszins aufzubringen sind, wird der politische Gestaltungsspielraum kontinuierlich kleiner. Dabei belasten die Schulden nicht nur spätere Generationen. Der Generationenkonflikt besteht schon heute, wie das Beispiel des Rentensystems zeigt. Da das derzeitige Rentensystem noch hauptsächlich auf dem Umlageverfahren basiert, das von einer relativ kurzen Ruhestands- und damit Rentenbezugsphase und ausreichend Beschäftigten jungen und mittleren Alters ausgeht, ist eine Finanzierungslücke unabwendbar. Seit 1998 wird das Defizit durch die Verwendung von Steuereinnahmen ausgeglichen. Für das Jahr 2010 hatte der Bund einen Zuschuss zur staatlichen Rentenkasse in Höhe von 31,47 Milliarden Euro veranschlagt.51 Da die Steuereinnahmen nicht ausreichen, um den staatlichen Finanzbedarf zu decken, lässt sich ebenso behaupten, die Mittel seien über Schulden finanziert. Damit belastet das Rentensystem jüngere und nachfolgende Generationen unverhältnismäßig.

Eine Patentlösung für den Umgang mit der Schuldenkrise gibt es noch nicht. Eine ganze Reihe von Stiftungen fördert jedoch den Austausch darüber, was man tun könnte. So lädt die arbeitgebernahe Walter-RaymondStiftung regelmäßig zu Diskussionen über aktuelle Herausforderungen und vernetzt so Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Andere versuchen durch ihre öffentliche Schelte Druck auszuüben. In einem „Brandbrief“52 an die Bundeskanzlerin kritisierte die Stiftung Familienunternehmen die „verantwortungslose Schuldenpolitik Deutschlands“. Im Einsatz für die Schuldenbremse Einen anderen Ansatz wählte die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG). Jahrelang kämpfte sie für die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz. Seit 2009 ist sie dort festgeschrieben, tritt allerdings erst 2016 in Kraft. Ab 2020 dürfen sich die Bundesländer gar nicht mehr verschulden, der Bund nur bis zu einer Grenze von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.53 Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung sprach sich einst sogar für ein prinzipielles Schuldenverbot aus. Ein Dorn im Auge war ihr vor allem das Einfallstor in Artikel 115 des Grundgesetzes, wonach die Kreditaufnahme die Ausgaben für Investitionen „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ übersteigen dürfe.54 Aus Sicht der SRzG bietet die parlamentarische Demokratie insgesamt zu starke Anreize, auf Kosten folgender Generationen Politik zu machen. Da Politiker gewählt werden wollen, sind schuldenfinanzierte Wahl­ geschenke eine naheliegende Option, von der nur allzu oft Gebrauch gemacht wird. 31

1 – Der Zukunft eine Chance geben


Finnland

Schweden

Estland Lettland Litauen

Dänemark Irland Großbritannien

Polen

Niederlande Belgien Luxemburg

Frankreich

Deutschland Tschechien

Slowakei

Österreich

Ungarn

Rumänien

Slowenien

Bulgarien Italien Portugal

Spanien Griechenland

Zypern

Malta

Schuldentilgung und Zinslasten beeinträchtigen k ­ ünftige ­Generationen

32

Das langfristige Wohl der Bürgerinnen und Bürger gerät zunehmend aus dem Blick, denn die enormen Staatsschulden in den Staaten Europas schränken den politischen Gestaltungsspielraum immer mehr ein. In einer Studie für die Stiftung Marktwirtschaft haben Stefan Moog und Bernd Raffelhüschen im Übrigen dargestellt, wie groß der Konsolidierungsbedarf der verschiedenen Euro-Länder ist, wenn zusätzlich zur ausgewiesenen Staatsverschuldung noch die verdeckten Schulden einbezogen werden, wie etwa die Ansprüche an das Renten- oder Gesundheitssystem. Dann steht beispielsweise das ­Musterland Luxemburg längst nicht mehr so gut da.55

Öffentlicher Schulden­stand der EU-Mitgliedstaaten in Prozent des BIP bis 20 bis 40 bis 60 bis 80 bis 100 bis 120 über 120

Irland Großbritannien

Lu

Frankre

Quelle: Eurostat (2011) Portugal

StiftungsReport 2012/13

Spanien


Dabei zielt die Kritik im Wesentlichen nicht einmal auf die Ausgaben an sich, sondern darauf, wofür das Geld ausgegeben wird. In der Regel fließt es weder ins Bildungs­ system noch in die Forschung, also in Bereiche, von denen auch künftige Generationen etwas haben. Generationengerechtigkeit gesetzlich ­verankern? Daher plädiert die SRzG für eine institutio­ nelle Verankerung von Generationengerechtigkeit im Grundgesetz. Wie das funktionieren kann, haben andere Staaten bereits vorgemacht. „In einigen Ländern, wie zum Beispiel in Ungarn, gibt es Ombudsleute, die, ähnlich wie heute der Wehrbeauftragte der Bundesregierung, in alle themenrelevanten Fragen eingebunden werden“, sagt Wolfgang Gründinger, Sprecher der Stiftung. Israel ist noch weiter gegangen: Eine „Kommission für zukünftige Generationen“ prüft bei allen Gesetzesvorhaben, ob sie negative Auswirkungen für folgende Generationen haben, und darf darüber hinaus auch selbst Gesetze initiieren.

Resümee Die vier genannten Hypotheken gefährden das Wohl künftiger Generationen. Derzeit scheint Europa von den meisten Problemen längst nicht in dem Ausmaß betroffen zu sein wie andere Erdteile. Doch ist es in einer globalisierten, vernetzten Welt kaum möglich, sich zu immunisieren. Darüber hinaus haben die Industrienationen als Verursacher globaler Schäden eine Bringschuld. Sie tragen auch Verantwortung gegenüber den noch nicht Geborenen. Was Stiftungen von vielen anderen Akteuren unterscheidet, ist, dass sie viele Probleme bei der Wurzel packen. Dazu analysieren sie zunächst die Probleme, benennen sie und unterbreiten Lösungsvorschläge. Die sind nicht zwangsläufig populär, was aber auch daran liegen mag, dass sie (in Deutschland) neu sind. So fangen Stiftungen auf unterschiedlichen Ebenen damit an, den gesellschaftlichen Wandel umzusetzen. Oder sie zetteln Diskussionen an, die andere Akteure nur ungern auf die Tagesordnung setzen. Damit retten sie nicht die Welt, erweitern aber zumindest die Handlungsmöglich­ keiten. Ihr Ziel ist häufig, mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Für künftige Generationen ebenso wie innerhalb der heutigen Gesellschaft, wie das nächste Kapitel zeigt.

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1 – Der Zukunft eine Chance geben


Mit Stiftungsstrategien nachhaltig wirken – soziales Engagement an der Zukunft messen Ein Plädoyer von Daniela Kobelt Neuhaus, Vorstandsmitglied der Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie, Bensheim Im Gegensatz zu Unternehmensstrategien, die auf der Grundlage einer längerfristigen Planung einen Gewinn beziehungsweise Wettbewerbsvorteil intendieren, ist die Stiftungsstrategie eine wenig taktische. Die im Unternehmerischen bedeutsamen Wettbewerbskomponenten fallen ebenso weg wie die marktgerechte Platzierung. Übrig bleiben die stifter’schen Interpretationen der Welt, verbunden mit einer daraus resultierenden, relativ unflexiblen, möglichst widerspruchsfreien Handlungs- oder Förderabsicht.56 Stifter hinterlassen meist eine ideologische Strategie, welche die Organisation bindet, selbst wenn sich die Zeiten und gesellschaftlichen Zusammenhänge verändern. Dennoch ist es berechtigt, Stiftungen per se als strategische Unternehmen zu sehen. Folgt man Mintzberg und Waters Schlussfolgerungen, dass „Strategien immer auf zwei Beinen gehen, einem vorsätzlichen und einem emergenten“57, so hinken Stiftungen zwar durch ein gekürztes emergentes Bein. Jedoch erweist sich das beabsichtigte Ziel für das Alltagshandeln der Stiftungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter vielfach als ­voraus­schauende und Zeiten überdauernde Vision. Ein Beispiel dafür ist der Wille des Stifters Karl Kübel, der formulierte, dass immer mehr Eltern in der Welt „der leiblich-­ seelisch-geistige Nährboden“ 58 schon für ihre jüngsten Kinder sein sollen – eine Forderung, die nun, 40 Jahre nach der Stiftungsgründung, auch in der Bildungspolitik angekommen ist. Nachhaltigkeit ist an Werte, aber auch an Zukunft und Orientierung gekoppelt Insbesondere Stiftungen aus dem sozialen Sektor beabsichtigen meist eine nachhaltige Verbesserung der Welt. Auslöser, die zur Gründung von Stiftungen oder zur Entwicklung von Programmen in Stiftungen führen, entstehen parallel zur globalen und gesellschaftlichen Entwicklung – oft auch als Gegenpol zu dieser. Es ist nicht von ungefähr, dass insbesondere in Zeiten hoher Veränderungsdynamik neue, vielfältige Stiftungen entstehen. Veränderungen implizieren immer Ängste und Befürchtungen, denen man entgegen­ wirken will. Dies kann reaktiv geschehen, zum Beispiel: „Upps – die Grundschule im Dorf ist gefährdet, da wollen wir sie doch mal retten.“ Oder es geschieht proaktiv prozesshaft: „Wenn sich die Zwergschule im Dorf nicht halten kann, was können wir dann für die ­Bildungsgerechtigkeit im Landkreis tun?“

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Unter dem Blickwinkel „Mit Stiftungsstrategien nachhaltig wirken“ gilt es durchaus kritisch zu prüfen, inwiefern sich Stiftungen als „Weltretter“ eignen und verstehen sollen. Es ist kritisch zu hinterfragen, was aus gut gemeinten Förderungen und Angeboten wird und wem sie dienen! Letzthin habe ich einen angehenden Stifter getroffen, den die Sorge um die Nachhaltigkeit umtrieb. Er würde gerne etwas mit Kindern machen, denn das sei sicher zukunftsträchtig. Ist es denn so? Bedeutet „in Kinder investieren“ an sich schon Nachhaltigkeit? Und ist es wirklich so, dass „in Bildung investieren“ sicherstellt, dass nachfolgende Generationen klüger handeln werden als wir? Als Pädagogin und Psychologin bin ich überzeugt davon, dass Vorbildlernen und Erfahrungslernen in der frühesten Kindheit wichtige Schlüssel für nachhaltige Verbesserung des Aufwachsens und für Chancengerechtigkeit sind. Sie funktionieren aber nur im direkten Zusammenleben, in der Teilhabe und Teilnahme von Menschen. Dies wiede­ rum macht deutlich: Nur wenn es gelingt, die Vision der Stiftung auf die Ebene des zwischenmenschlichen Kontakts runter zu zonen – wie es neudeutsch heißt – gelingt eine Bewusstseins- und Haltungsveränderung. Kein Programm, kein Projekt kann Kommunikation und Dialog, Achtung und Wertschätzung, Respekt und Verantwortung vermitteln, es sei denn, Menschen würden es leben. Stiftungen sind geprägt von einer Haltung des Bewahrens, des Konservierens Stiftungen sind per definitionem konservativ und – hoffentlich – proaktiv, auch wenn sich das wie ein Widerspruch anhört. Gemeint ist damit, dass Stiftungen an einem Thema festhalten, d.h. nicht universell handeln. Im Idealfall haben Stiftungen, längst bevor es zur Katastrophe kommt, Strategien entwickelt, die die Katastrophe zwar nicht verhindern, aber doch zu ihrer Bewältigung beitragen. Es gibt natürlich auch eine Kehrseite der Medaille. Eine Vision zu haben und strategisch danach zu handeln, verhindert nicht, dass auch Stiftungen sich irren können. Denn wer mit der Zukunft Geschäfte macht, kauft oft die Katze im Sack. Sturer Alleingang und Konservativismus sind auch im Stiftungshandeln nicht (mehr) opportun. Stets müssen die Landkarten des eigenen Operierens überprüft, Richtungen justiert und Ziele vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderung neu ausformuliert und interpretiert werden. Insbesondere bei hoher Veränderungsdynamik könnten Stiftungen dazu beitragen, dass das Vertrauen in die tragenden Institutionen des demokratischen Gemeinwesens nicht verloren geht. Sie tragen umso mehr dazu bei, je transparenter sie agieren und je klarer sie sich profilieren. Gerade durch ihre deutliche Ausrichtung, die oft nur einen Teil­ bereich des Lebens erfasst, werden Stiftungen glaubwürdig. Sie kommen nicht wie die eierlegende Wollmilchsau daher, sondern wie der Schuster, der bei seinen Leisten bleibt. 35

1 – Der Zukunft eine Chance geben


Allerdings ist es hilfreich, wenn das „System Stiftungen“ zusammenrückt, sich Stiftungen gegen­seitig unterstützen und stärken, ergänzend betätigen oder auch gemeinsam neue T­ hemen eröffnen. Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Subsidiaritätsgedanken Soll Nachhaltigkeit erwirkt werden, ist nicht paternalistische Fürsorge gefragt, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht nicht darum, nachsorgend tätig zu sein, sondern vor allem um innovatives Handeln und resilienzförderliches Planen. Das fällt nicht nur kleinen Stiftungen schwer, die aufgrund ihres geringen Budgets kleine Ziele anvisieren. Nicht dass diese Hilfen schlecht wären. Manchmal sind sie schlicht nötig. Jedoch stützt diese Art von Förderung wenig das gesellschaftliche Empowerment. Dass selbst operative Stiftungen, wie die Karl Kübel Stiftung, ab und an gerne kleine, konkrete Projekte ­fördern, liegt nicht zuletzt an der damit einhergehenden Öffentlichkeit. Presseberichte sind für viele Stiftungen ein wichtiger Nachweis für ihre Wirksamkeit. An dieser Stelle wage ich die Prognose, dass künftig mehr staatliche Institutionen mit Stiftungen zusammenarbeiten wollen, um einige der unflexiblen und bürokratisierten Verfahren zu umschiffen. Bis heute ist die Zusammenarbeit jedoch oft an ein Antragswesen gekoppelt, das bald mehr Zeit und Ressourcen frisst als die Umsetzung der Projekte. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Andererseits könnten gerade Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand die „Anstiftungen“ liefern, Ideen und Umsetzung überdauernd zu sichern und nachhaltige Projekten entstehen zu lassen. Die wachsende Zahl engagierter Stifter führt zu immer mehr „Wettbewerb“. In v­ ielen Kommunen und Städten entstehen fast gleichzeitig ähnliche Projekte, die von unter­ schiedlichen Stiftungen gefördert werden. Manchmal kommt es mir auch in der Stiftungslandschaft so vor wie bei Diskussionen: „Das Thema ist schon mehrfach gefördert worden, nur noch nicht von mir.“ Letztlich dreht sich dann vieles darum, wer das beste Programm hat, wer die meiste Unterstützung von Dritten erhält und wer die meisten Presseartikel bekommt. Noch scheint es nur in den seltensten Fällen möglich zu sein, ähnliche Projekte zu diskutieren und Ressourcen zugunsten der Begünstigten zu bündeln. In Südhessen versuchen wir gerade eine Lösung für die Vereinzelung des Stiftungshandelns zu finden, indem wir das Stiftungsnetzwerk Hessen Süd gegründet haben.59 Ich bin der Überzeugung, dass nur die Kooperation auf Dauer eine zukunftsgestaltende Wirkung haben kann, wenn es darum geht, nicht nur zu wissen, was kommt, sondern mitzubestimmen, was kommen soll. 36

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Interview mit Wolfgang Gründinger, Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG) Was für ein Verständnis von Nachhaltigkeit liegt Ihrer Stiftungsarbeit zugrunde? Uns geht es um Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Das hat viel mit Nachhaltigkeit zu tun, weil Nachhaltigkeit bedeutet, die Welt so zu hinterlassen, dass künftige Generationen die gleichen Chancen haben wie die heute auf der Welt lebenden. In Bezug auf Sozialaspekte heißt das, eine Alterssicherung aufzubauen, mit der auch künftige Generationen leben können. Auf dem Arbeitsmarkt darf niemand auf Grund seines Alters bevorzugt oder benachteiligt werden. Für ungerecht halten wir zum Beispiel das Senioritätsprinzip, also mit dem Alter wachsende Einnahmen, was immer noch in vielen Tarifen festgeschrieben ist. Sie haben wiederholt die Gegenwarts­ bezogenheit der heutigen Politik kritisiert. In der parlamentarischen Demokratie ist eine Gegenwartsbezogenheit unvermeidlich, weil die Repräsentanten des Volkes auf Zeit gewählt werden. Trotzdem ist es möglich, das Langfristdenken zu fördern, ohne das Parlament zu desavouieren. Heute werden 14 Millionen Bürger von Wahlen ausgeschlossen, weil sie minderjährig sind. Wir fordern, dass jeder wählen darf, sobald er will. Dadurch würde sich schon einiges ändern, weil sich die Politik darauf in kommunikativer und inhaltlicher Sicht einstellen müsste. In der israelischen Knesset gibt es eine Kommission für künftige Generationen. Auch Sie plädieren für vergleichbare Strukturen. Ist nicht zu erwarten, dass solche Kommissionen Veränderungen skeptisch gegenüberstehen?

Nicht unbedingt. Sie könnten selbst mit einem Initiativrecht ausgestattet sein, um eigene Vorschläge einzubringen. Wirksamer wäre es, konkrete Regeln im Grundgesetz festzuschreiben. Ein gutes Beispiel, wie das funktionieren kann, ist die Schuldenbremse, für die wir uns ja auch eingesetzt hatten. Welche Probleme sind in Hinblick auf Generationengerechtigkeit am drängendsten? Das sind eindeutig die ökologischen Hinterlassenschaften. Die finanzielle Staats­ verschuldung ist ein weiteres Problem, weil die Gestaltungsspielräume wegen der Zins­ tilgung enger werden. Und welche Themen stehen auf der Agenda der SRzG? Uns sind drei Punkte wichtig: Erstens die Rente. Angesichts des demografischen Wandels sind wir für die Rente mit 67. Außerdem wollen wir eine Teilungslösung einführen. Wenn neue Lasten entstehen, müssen sie fair geteilt werden zwischen der arbeitenden Generation und der Rentnergeneration. Die Rentenbeiträge dürfen nur dann steigen, wenn die Rentenanpassung in gleichem Maße sinkt. Dadurch würden die Renten zwar weiter steigen, allerdings nicht mehr so stark wie bisher. Auf der anderen Seite sollten die Renten in prosperierenden Zeiten stärker steigen, wenn es im Rentensystem Gewinne gibt. Das wäre fair für beide Generationen. Der zweite Punkt ist das Wahlrecht ohne Altersgrenze. Drittens sind wir für einen Zukunftssoli in Höhe von einem Prozent für Vermögensmillionäre.

1 – Der Zukunft eine Chance geben

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Interview mit Dr. Reiner Klingholz, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Was verstehen Sie unter sozialer ­Nachhaltigkeit?

Sind in der Folge der demografischen Entwicklung Verbesserungen zu erwarten?

Eine Gesellschaft muss in der Lage sein, für Zusammenhalt und Wohlergehen zu sorgen und für einen Ausgleich zwischen unterschiedlich privilegierten Bevölkerungsgruppen. Sie darf das Ganze aber nicht zu Lasten kommender Generationen finanzieren.

Im Gegenteil. Wir haben einen starken Zuwachs älterer Personen zu erwarten. Bis 2050 werden wir ein Drittel der Personen im heutigen Erwerbsalter in Richtung Rente verlieren. Gleichzeitig altern die Belegschaften, was aller Voraussicht nach die Produktivität verringert. Zudem sinken die Bevölkerungszahlen. Dadurch gehen die Kaufkraft ebenso wie die staatlichen Steuer­ einnahmen und die Einzahlungen in die Sozialsysteme zurück.

Ist das primär eine Umverteilungsfrage? Eine funktionierende Gesellschaft braucht ein Mindestmaß an Solidarität und Gerechtigkeit. Sie soll nicht allen das Gleiche geben – aber allen gleiche Chancen ermöglichen. Alle Gesellschaftsmitglieder sollen ihre unterschiedlichen Fähigkeiten optimal nutzen können. Deshalb investieren wir beispielsweise in jüngere und ältere Menschen, die noch nicht oder nicht mehr leistungsfähig sind. Das nützt nicht nur ihnen, sondern stärkt die gesamte Gemeinschaft. Innerhalb der heute lebenden Generationen mag es noch gerecht zugehen, aber ­zwischen den Generationen heute und denen der Zukunft ...

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... haben wir eine Nachhaltigkeitslücke. Das zeigt sich an den stark gestiegenen Staatsschulden, aber auch an ungedeckten Pensionslasten und einem Gesundheitsund Pflegesystem, das bei künftig weniger Einzahlern höhere Kosten verursachen wird. Kommende Generationen werden also überproportional belastet. Wir haben in der Vergangenheit Wachstum über Schulden finanziert und glauben nun, die Schulden über Wachstum zurückzahlen zu können. Da liegt ein Denkfehler im System.

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Welche Auswirkungen hat das globale Bevölkerungswachstum auf die Chancen­ gerechtigkeit? Die Bevölkerung wächst fast ausschließlich in den armen Staaten, was die dortigen Probleme verschärft. Um das Wachstum zu bremsen, brauchen diese Länder die Chance, sich zu entwickeln. Dann steigen mit dem Wohlstand auch die Ansprüche und der Verbrauch von Ressourcen, was den Klimawandel weiter beschleunigt. Und unter diesem jedoch werden die heute armen Länder am meisten leiden. Auf eine globale Gerechtigkeit werden wir deshalb noch eine Weile warten müssen.


Welche Konfliktlinien bergen den größten Sprengstoff? Um das Bevölkerungswachstum abzu­ mildern, wären hohe Investitionen in Bildung und in Arbeitsplätze notwendig. Gelingt das nicht, weil die Versorgung der Menschen mit der notwendigen Infrastruktur, mit Straßen, Schulen, Krankenhäusern, nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten kann, dann dürften sich die Lebensbedingungen in den ganz armen Ländern noch verschlechtern. Dort verschärfen sich dann die internen Verteilungskämpfe, sie bleiben politisch instabil und es entsteht Platz für fundamentalistische Bewegungen. Inwiefern betrifft Europa diese Entwicklung? Politische und wirtschaftliche Krisen in ­Afrika können nicht im europäischen Interesse liegen. Sie lösen Migrationsströme aus, die zu großen Problemen führen können. Sie behindern eine wirtschaftliche Erholung der Länder und damit die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Europa. Gerade die nordafrikanischen Länder haben eine vergleichsweise gut ausgebildete junge Bevölkerung, der es allerdings massiv an Jobs mangelt. Wenn Europa in diesen Ländern investiert, werden beide Seiten profitieren.

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1 – Der Zukunft eine Chance geben


Kapitel 2

Bessere Chancen für alle – damit die Gesellschaft nicht auseinanderbricht „Das schwächste Glied der Kette ist zugleich ihr stärkstes. An ihm reißt die Kette.“ ­(Stanislaw Jerzy Lec) Implizit lässt sich daraus schlussfolgern: Eine nachhaltige Gesellschaft muss die Schwachen stärken. Lässt sie starke Benachteiligungen zu und akzeptiert, dass es gesellschaftliche Verlierer gibt, gefährdet sie ihre Stabilität. Auch aus Sicht der meisten Sozialwissenschaftler können Gesellschaften ihre Inte­ grationskraft nur aufrechterhalten, wenn ein großer Anteil der Menschen den Eindruck hat, dass es gerecht zugeht.60 „Nur eine mehrheitlich als sozial gerecht empfundene Gesellschaft wird auf Dauer das notwendige Potenzial zur Konfliktregelung und gewaltlosen Streitschlichtung zur Verfügung stellen können“, meint der Soziologe Peter Imbusch.61

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Soziale Gerechtigkeit: eine Frage der individuellen Lebenschancen Doch was ist gerecht? Nach Amartya Sen, dem indischen Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph und Nobelpreisträger, soll eine gerechte Gesellschaft den Einzelnen befähigen, seine individuellen Lebensziele zu verwirklichen.62 Das setzt eine als gerecht empfundene Verteilung von Chancen voraus. Nicht nur in einem materiellen Sinn, sondern auch hinsichtlich des Zugangs zu Bildung, Kultur und politischer Beteiligung.63 Bestimmte Merkmale, wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Behinderung, sollen den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern weder Vor- noch Nachteile bringen. Alle sollen an den Aktivitäten teilhaben können, die für sie erforderlich sind, um ihre individuellen Lebensziele zu erreichen.


Lebenschancen gerecht zu verteilen, ist wichtig für den sozialen Zusammenhalt. Jedoch klaffen Anspruch und Realität weit auseinander. Schon bei der Geburt haben viele Menschen Nachteile: Sie wachsen in Armut auf oder als Angehörige einer diskriminierten Gruppe. In diesen Fällen ist ein Ausgleich notwendig. Mindestens

ebenso wichtig ist ein Bildungssystem, das diese Menschen gezielt unterstützt, das unterschiedliche Akteure wie Ämter, Schulen und Familien vernetzt. Beides wird von Stiftungen forciert. Damit Bildungskarrieren nicht scheitern, die Betroffenen nicht abgehängt werden.

Foto: picture alliance

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2 – Bessere Chancen für alle


Katalysatoren in der Gesellschaft Institutionen Stiftungen 2. Welle der Thinktanks Frauenbewegung Misserfolge Erfolge

Gender Wage Gap

Zentraleinrichtung z. Förderung von ­Frauen- und Geschlechterforschung Berlin

Öffentlicher Diskurs

Interdis. Zentr. f. Frauen- und Geschlechterforschung Bielefeld Reform des Familienrechts Emma Deutscher Frauenrat Mütter des Grundges. „Das andere ­Geschlecht“

1. Deutsches Frauenhaus

Antibabypille Gehorsamsparagraph gestrichen Gleichberechtigungsgesetz

„Der Weiblichkeitswahn“

1. Weltfrauenkonferenz Wir haben abgetrieben

Terre des Femmes UN-Frauen­ konvention

UNIFEM

1950 1952 1954 1956 1958 1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980

Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern? Hier ist noch viel zu tun! Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich in Sachen Gleichberechtigung viel getan. Neben zahlreichen gesetzlichen Reformen wurden viele Forschungsinstitute und Stiftungen gegründet, die sich der Gleichstellung von Mann und Frau und dem Thema „Gender“ widmen. 42

Eine beispielhafte Initiative ging von den „Müttern des Grundgesetzes“ aus: Helene Weber, Elisabeth Selbert, Friederike Nadig und Helene Wessel kämpften 1949 für die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz. Dass die Mühlen der Legislative langsam mahlen, zeigte sich 1997. Da erst wurde mit der Reform des Paragraphen 177 im Strafgesetzbuch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Ab den 1980er Jahren entstanden vermehrt Stiftungen, die, neben der Unterstützung von Mädchen und Frauen in Notlagen, auch die Chancengleichheit in Wissenschaft und

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Zentr. f. Gender Studies und feministische Zukunftsforschung Marburg

3. Welle der Frauenbewegung

Zentr. f. interdis. Frauen- und ­Geschlechterforschung Oldenburg

Gender Mainstreaming

Zentr. f. feministische Studien Bremen Dt. Stftg. Frauen- und Geschlechterforschung

International Network of Women’s Funds

Weltfrauenkon­ ferenz in Peking Helga-BrennStiftung Unabhängiger Frauenverband Frauenanstiftung

1982 1984 1986 1988

Global Gag Rule

Käthe-AhlmannStiftung

Reform § 177

Schwangeren- und Fami­ lienhilfe-Änderungsges.

UN-Sonderberichterstattung

filia.die frauenstiftung

Dachverband deutsch­ sprachiger Frauen

1990

1992 1994

Girls’ Day

1996 1998 2000

Frauenanteil im Dt. Bundestag liegt bei 26 Prozent

Wirtschaft zum Zweck haben, oder sich konkret für mehr Frauen im Management einsetzen. Häufig geht es den Stiftungen auch um einen intensiveren Austausch. Wie etwa filia.die frauenstiftung, die Brücken zwischen den „Altfeministinnen“ und jungen Frauen bauen will.

Berliner Erklärung SKF-Stiftung für Frauen

Gewaltschutz­ gesetz Bundesgleich­ stellungsgesetz

Helga-StödterStiftung

Christiane-NüssleinVollhard-Stiftung

Zentr. f. Interdis. Frauen- und ­Geschlechterforschung Hildesheim

Ges. z. Schutz vor sex. Belästigung am Arbeitsplatz

Interdis. Arbeitsgruppe Frauenund Geschlechterforschung Kassel Frauen Media Turm

Angela Merkel Erster GleichstellungsbeBundeskanzlerin richt der Bundesregierung

Stiftung „Frauen Hand in Hand“ Equal Pay Day

Forum Frauen und Stiftungen im ­Bundesverband Deutscher Stiftungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

2002 2004 2006

2008

FIFA Frauen-WM in Deutschland

2010 2012

1,2 Prozent Frauen in den Vorständen der 200 größten dt. Unternehmen Frauenanteil in den Länderparlamenten, im Bundestag und bei den dt. Abgeordneten des EU Par­laments liegt bei ca. 30 Prozent Freiwillige Quote

3,2 Prozent Frauen in den Vorständen der 200 größten dt. Unternehmen In keinem europäischen Land ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern so groß wie in Deutschland

Dass dieses Engagement nach wie vor notwendig ist, zeigen z. B. die „Freiwillige Quote“ und die Entwicklung des Frauen­ anteils in den Vorständen großer deutscher Unternehmen.

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2 – Bessere Chancen für alle


Um allen diese Teilhabechancen zu gewähren, sind mitunter besondere Maßnahmen nötig: Zugewanderte Kinder erhalten Sprachunterricht; für Menschen mit Behinderungen gibt es barrierefreie Angebote; Benachteiligungen aufgrund der Religionszugehörigkeit sind rechtlich nicht zulässig. Das heißt nicht, dass es in sozial gerechten Gesellschaften keine Ungleichheiten gäbe. Was es jedoch im Sinne des gesellschaft­ lichen Zusammenhalts zu vermeiden gilt, ist die Entstehung von Parallelwelten. Denn nur solange es einen Grundkonsens über die geltenden Werte wie Freiheit oder Toleranz gibt, besteht ein gutes Fundament für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung.

Die Gesellschaft driftet auseinander Wie verschiedene Trends belegen, ­driftet die Gesellschaft auch in Deutschland ­auseinander: Die soziale Ungleichheit nimmt zu. Das Jahresdurchschnittseinkommen der oberen zehn Prozent (57.300 Euro) betrug nach Angaben der OECD das Achtfache der unteren zehn Prozent (7.400 Euro).64 Ein wachsender Teil der Bevölkerung reagiert mit Unverständnis auf diese Lohnspreizungen. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände prangern diese Entwicklung seit Jahren an. Seit 2011 verkörpert die „Occupy“-Bewegung auch in Deutschland diese Haltung öffentlichkeitswirksam.

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Mehr als 2,5 Millionen Kinder wachsen in Armut auf.65 Obwohl es sich in den meisten Fällen um relative Armut handelt, kennen viele dieser Kinder Hunger. Die meisten wissen, wie es ist, von bestimmten Beschäftigungen ausgeschlossen zu sein. Ihre Startbedingungen sind tendenziell ungünstig, mögen sie noch so intelligent oder talentiert sein. 13,8 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlassen die Schule ohne Abschluss, wodurch ihre weiteren Chancen gemindert werden. Unter deutschen Schülern bleiben 5,7 Prozent ohne Schul­abschluss. Diese Entwicklung setzt sich in der weiteren Laufbahn fort: Während fast zwei Drittel der deutschen Jugend­ lichen eine Ausbildung beginnen, ist es bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein Drittel.66 Zwar ist die Gleichstellung von Mann und Frau „eine im Grundsatz unbedingt akzeptierte soziale Norm“, wie es beim Bundes­ ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) heißt.67 Faktisch bestehen jedoch weiterhin Ungerechtigkeiten: So sind Frauen zum Beispiel in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert. Für die gleiche Leistung verdienen Frauen weniger als Männer 68 – im Durchschnitt sind es 21,6 Prozent.69


Interview mit Katrin Wolf, filia.die frauenstiftung Was gab den Ausschlag für die Gründung der filia Frauenstiftung? Neun Frauen hatten 2001 die Vision von einer „gerechten, menschenwürdigen und vielgestaltigen Welt, zu der Frauen Entscheidendes beizutragen haben“. Dass Ungleichstellung entwicklungshemmend ist, formulierten zeitgleich die UN mit dem 3. Millenniumsziel: Stärkung der Rolle der Frau. In Mittel- und Osteuropa, im Globalen Süden werden oft auf dem Rücken der Frauen religiöse und politische Machtkämpfe ausgetragen, Freiheits- und Minderheitenrechte eingeschränkt. Zum Glück gibt es mutige Frauenorganisationen, die dagegen angehen. Gab es besondere Voraussetzungen für die Stiftungsgründung? Das Verantwortungsgefühl der ersten Generation von Frauen, die über ein eigenes Vermögen – sei es durch Erbschaft oder eigenes Einkommen – verfügt. filia ist, als Tochter der Frauenbewegung, Mitglied im International Network of Women’s Funds, dem weltweiten Netzwerk von Frauenstiftungen. Hier lernen wir, bestimmen mit und fördern kleinere Stiftungen. Wie setzt sich die Stiftung für eine nachhaltige Entwicklung ein? Filia fördert Projekte, die auf gesellschaftlichen Wandel zielen. Strukturelle Veränderungen wie Gesetze, Budgetvergaben, Rollenbilder wirken langfristig auf vielen gesellschaftlichen Ebenen. Bei unserer strategischen Förderung gehen wir zudem mehrjährige Partnerschaften ein. Wir fördern institutionell und ermöglichen so neue Prozesse. Schließlich legt die Stiftung ihr Kapital nachhaltig unter ökologisch und so-

zial verträglichen Kriterien an. Im Netzwerk Wandelstiften arbeiten 17 Stiftungen daran, auch auf Banken einzuwirken. Wie verändert die filia Frauenstiftung Strukturen, die Frauen benachteiligen? Das tun die Förderpartnerinnen in ihren Ländern selbst. Sie wissen, was sie bewegen und wo sie ansetzen müssen. filia unterstützt finanziell, erschließt Ressourcen für Frauenrechte, setzt die Themen, plant Förderarten, evaluiert die Wirksamkeit der Projekte. 2012 diskutieren im filia-Mädchenbeirat junge Frauen zwischen 14 und 21 Jahren über Anträge aus Deutschland. Ihre Vorschläge erhält der Stiftungsrat zur Abstimmung. Für uns bedeutet das: Partizipation in Aktion. Es ist ein Brückenschlag zwischen den Altfeministinnen und den jungen Frauen, die jetzt immer zu hören bekommen, wenn sie nur wollen, kann es jede schaffen. Machen sich diese Frauen Illusionen? Es gibt immer einzelne Frauen, die „es schaffen“. Die Stiftung muss auf Bedingungen und Entwicklungen schauen. Einige gewinnen, viele andere verlieren im Zuge der Globalisierung. Uns bewegt die Frage, wie wir „Eine Welt“ gestalten können, in der alle gemeinsam gut leben können. Wie fühlen Sie sich sonst im deutschen Stiftungswesen? Lebendig, in Bewegung und mit Reibungsflächen. Was wir uns wünschen, ist das in vielen anderen Bereichen praktizierte Gender Budgeting: Das meint, zu erheben und zu veröffentlichen, wie viel Geld aus dem Stiftungssektor explizit Frauen und wie viel Männern zugute kommt. Da verdrehen aber viele schon die Augen.

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Bildung für nachhaltige Entwicklung Die Veränderung beginnt in den Köpfen. Denn ohne Kenntnis der Zusammenhänge ist bewusstes Handeln unmöglich. Wenn Themen wie Klimawandel, Ressourcen­ verbrauch oder nachhaltiger Konsum vermittelt werden, bedeutet das zwar noch keinen konkreten Fortschritt. Doch stärkt es die Eigenverantwortung. Die Menschen können bewusst entscheiden, ob sie zugunsten des Klimas auf das argentinische Steak verzichten und sich mit Teltower Rübchen begnügen. Aus diesem Grund hat die UNESCO die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) ins Leben gerufen, die von 2005 bis 2014 dauert. Ihr Ziel: „Menschen zu befähigen, ihr Leben in einer zunehmend komplexer werdenden Welt im Sinne nachhaltiger Entwicklung eigenverantwortlich zu gestalten“, wie es in einem fraktionsübergreifenden Papier des Deutschen Bundestages heißt. Als besonders lobenswert gilt die enge Verzahnung von Politik und Zivilgesellschaft. Dieses gesamtgesellschaftliche Engagement habe das „zentrale Gegenwarts- und Zukunftsthema Nachhaltigkeit“ noch stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Unter den zivilgesellschaftlichen Akteuren sind auch zahlreiche Stiftungen: 69 Stiftungen mit konkreten Bildungsprojekten für mehr Nachhaltigkeit finden sich auf dem Portal der UNESCO. Längst haben viele Stiftungen erkannt, dass moderne Methoden nötig sind, um vor allem Kinder und Jugendliche zu erreichen. Ein Vorzeigebeispiel für neue Methoden ist das Medienportal der Siemens Stiftung, das zum offiziellen Projekt der Weltdekade gekürt wurde. Auf über 3.000 Seiten hat die Stiftung Unterrichtsmaterialien für Lehrer zusammengestellt, die sich am Lehrplan orientieren und über Nachhaltigkeitsthemen informieren. Mit interaktiven Tafelbildern, Tondateien und Anleitungen zum Experimentieren vermittelt die Stiftung ökologische, soziale, ökonomische und kulturelle Zusammenhänge.

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Kinder frühzeitig zu motivieren, sich eigene Gedanken zu Themen der Nachhaltigkeit zu machen, war das Ziel der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG, als sie mit der Akademie Kinder philosophieren das Projekt „Junge Vor!Denker“ startete. Auch in diesem Fall sind Erzieher und Lehrkräfte die Adressaten. Die Ergebnisse aus der e ­ rsten Fortbildungsreihe wurden in dem Lehrbuch „Wie wollen wir leben? Kinder philo­sophieren über Nachhaltigkeit“ aufbereitet. Über konkrete Fragen bekommen die Kinder Zugang zu abstrakten Themen wie Natur, Konsum oder Gemeinschaft. So philosophieren die Kinder gemeinsam darüber, was Verantwortung bedeutet, was Verzicht, oder ob alle Tiere den gleichen Wert haben. An jede philosophische Einheit schließen konkrete Aktionsvorschläge an, um den Schritt vom Denken zum Handeln – von der eigenen Erkenntnis zur Umsetzung – anzuregen. 1.500 offizielle DekadeProjekte sind mittlerweile ausgezeichnet worden. Diese Leuchttürme tragen zur Vernetzung der Akteure bei, sie vermitteln Zusammenhänge und stärken die Selbst­ wirksamkeit. Erfreulich ist daher auch, dass der Bundestag im März 2012 von der Bundesregierung forderte, sich für internationale Folgeaktivitäten einzusetzen.

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Bildung ist der Schlüssel für Teilhabe Dreh- und Angelpunkt beim Engagement für eine gerechtere Verteilung von Lebens­ chancen – und damit für ein nachhaltiges gesellschaftliches Fundament – ist die Bildung. Sie ist auch der beste Schutz gegen Armut, Ausgrenzung und Diskriminierung. Mehr als 17 Prozent der deutschen Stiftungen sind schwerpunktmäßig auf diesem Feld aktiv. Neben den sozialen Zwecken, deren Erfüllung sich fast ein Drittel der ­Stiftungen in Deutschland verschrieben hat, sind Bildungsstiftungen die zweitgrößte Gruppe.70 In den letzten 20 Jahren ist dieser Bereich den deutschen Stifterinnen und Stiftern immer wichtiger geworden.71 Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie Stiftungen mitwirken, die Gesellschaft ­gerechter zu machen, bietet sich ein Blick auf den Bildungsbereich in besonderer ­Weise an. „Bildung besitzt für die Etablierung einer sozialen Bürgerschaft deshalb höchste Priorität, weil sie die Grundlage einer jeden Politik der Lebenschancen darstellt. Das betrifft die Teilhabe am Erwerbsleben genauso wie die am politischen oder am kulturellen Leben“, meint der Soziologe Heinz Bude.72 Zugleich begünstigt Bildung eine nachhaltige Entwicklung. Je höher der Bildungsstand, desto größer ist die Reflexionsfähigkeit und desto bewusster leben die Menschen. Und umso besser stehen die Chancen, Benachteiligungen und Disparitäten zu mindern beziehungsweise klug mit ihnen umzugehen. Um ein Beispiel zu nennen: Wurden Menschen mit Behinderungen früher weitgehend als für den Arbeitsmarkt ungeeignet

betrachtet und in sogenannten Maßnahmen untergebracht, werden sie heute häufig so qualifiziert, dass sie potenziell auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle finden können. Ein Feld, auf dem sich auch Stiftungen betätigen. Zum Beispiel ermöglicht das Stuttgarter Rudolf-Sophien-Stift psychisch Erkrankten in seinen Werkstätten die berufliche Rehabilitation, etwa in der Metallwirtschaft oder der I­ ndustriebuchbinderei.73 Im digitalen Zeitalter hat sich auch der Bildungsanspruch verändert. Die reine Vermittlung von Faktenwissen rückt in den Hintergrund. In der Wissensgesellschaft, die durch hohe Spezialisierung und ständige Abrufbarkeit von Wissen gekennzeichnet ist, sind vor allem methodische Fähigkeiten gefragt. Schüler müssen heute in erster ­Linie wissen, wo sie die Informationen, die sie brauchen, finden. Sie sollen Wissen transferieren und vernetzen können. Von großer Bedeutung ist der Erwerb sogenannter Soft Skills wie Kommunika­ tionsfähigkeit. ­Ferner erzeugt ein moderner Bildungs­ansatz ein naturwissenschaftlichtechnisches Verständnis und fördert ein kulturelles Bewusstsein. All das jeweils entlang der ganzen Bildungskette – von pädagogischer Frühförderung bis ins Studium. Dazu ist ein Mentalitätswandel der im Bildungssektor Tätigen notwendig. Der Blick muss über den eigenen Schulhof, die eigene Ausbildungswerkstatt hinausreichen, die Akteure müssen sich vernetzen. In Anbetracht der Schwerfälligkeit des föderalen Bildungs­systems und einer konservativen Grund­haltung vieler Bildungseinrichtungen, gehen diese neuen Impulse häufig von Stiftungen aus.

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2 – Bessere Chancen für alle


Schluss mit dem Denken in ­Zuständigkeiten Stiftungen sehen sich selbst oft als Innovationstreiber. Diese Haltung ist nicht unumstritten. Oft ist von „Projektitis“ die Rede oder es wird kritisiert, dass einzelne Programme trotz ihres Erfolgs auslaufen, weil sich keine Anschlussfinanzierung findet. Aber innovatives Handeln kann auch nachhaltig sein. Das zeigt zum Beispiel das Engagement der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung beim Aufbau lokaler Bildungslandschaften – langfristigen, professionell gestalteten, kommunalpolitisch gewollten Netzwerken, die auf gemeinsames Handeln abzielen. Diese Netzwerke gehen davon aus, dass Kinder überall lernen, und berücksichtigen daher sowohl formale Bildungs­ orte als auch informelle Lernwelten, also auch das Lernen in Vereinen oder am Computer – stets bezogen auf einen definierten lokalen Raum.74

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Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung nutzt das Konzept der lokalen Bildungslandschaften in unterschiedlichen Programmen, bietet es doch einen vielversprechenden Ansatz, das Denken in Zuständigkeiten zu überwinden und alle relevanten Akteure einzubeziehen, wenn es darum geht, bestmögliche Aufwachs- und Lernbedingungen für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Ein Beispiel: Allein um einen sanften Übergang von der Kita in die Grundschule zu ermöglichen, ist es wichtig, dass Eltern, Kita- und Schulleitung sowie Jugend- und Schulamt sich miteinander austauschen, sich über ihre Rollen verständigen und Verantwortung übernehmen, indem sie aufeinander abgestimmt handeln. Nur so können Ressourcen effektiv genutzt und Doppeltätigkeiten vermieden werden.

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Die Initiative Bündnisse für Chancen­ gerechtigkeit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, unterstützt von der KörberStiftung, der Jacobs Foundation und der Robert Bosch Stiftung, lädt Kommunen, Länder, Stiftungen und Forschungseinrichtungen zu einem Diskurs darüber ein, wie sich Bildung in Deutschland so verbessern lässt, dass nicht mehr die Herkunft der Kinder entscheidend für ihren Bildungs­erfolg ist, sondern ihre Talente, ihre Neugier, ihr Engagement und ihre Leistung. Bei der Initiative arbeiten mehrere Kommunen und Landkreise mit, die bereits vielversprechende Konzepte für Chancengerechtigkeit und Armutsprävention entwickelt haben, darunter Leipzig, Weiterstadt, Jena, Kassel, ElbeElster und Wiesbaden. Die Erkenntnisse aus den Modellkommunen fließen direkt in die Beratung weiterer Kommunen ein, die sich telefonisch über gute Ansätze und gelingende Praxis informieren können. Die Antworten des Konzepts Lokale Bildungslandschaft sowie die Programme, die mit dem Konzept arbeiten, sind äußerst vielfältig. Sie eint der Ansatz, auf Herausforderungen mit einer verbesserten Vernetzung und einer Bündelung von Ressourcen und Akteuren auf lokaler Ebene zu reagieren.75


Lokale Bildungslandschaften Der Begriff „Lokale Bildungslandschaft“ beschreibt ein Konzept, das auf eine geplante Abstimmung von Bildungsstrukturen und -organisationen in einem definierten lokalen Raum zielt, um Kindern und Jugendlichen bestmögliche Aufwachs- und Lernbedingungen zu bieten. Dabei sind die kommunale Politik und Verwaltung die zentral steuernden und gestaltenden Akteure,

die eine gemeinsame Zielsetzung und Koordination ermöglichen. Im Sinne eines erweiterten Bildungsverständnisses stehen auch die Systeme Jugendhilfe und Schule sowie deren gelingende Kooperation in besonderer Verantwortung. Eltern sind als zentrale Partner und Zielgruppe beteiligt. Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen wie Stiftungen, Vereine oder Initiativen sowie andere relevante Institutionen sind weitere Akteure einer Bildungslandschaft.

Kommune

Schule Eltern Kita

Schule

Bibliothek Stiftungen

Kinder und Jugendliche

Kirche 49

Verein

Unternehmen

2 – Bessere Chancen für alle


Lernen vor Ort: Musterbeispiel transsektoraler Zusammenarbeit

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Wie sich die Organisation von Bildungsangeboten besser an die heutigen Anforderungen anpassen lässt, zeigt auch das bundesweit angelegte Programm „Lernen vor Ort“. An dessen Entstehung wirkte im Herbst 2009 ein Stiftungsverbund von 29 (mittlerweile 47) Stiftungen mit. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und 40 Kommunen engagiert er sich für ein „kohärentes Bildungsmanagement vor Ort“.76 Die Kreise und kreisfreien Städte haben sich für die Teilnahme am Programm mit schlüssigen Konzepten beworben, wie das regionale Bildungswesen den Ansprüchen einer modernen Wissensgesellschaft genügen kann. Die Besten im Westen und Osten erhalten nicht nur materielle, sondern auch praxisnahe Unterstützung. Hierfür bringen Stiftungen ihre lokalen Netzwerke, fachliche Expertisen und Erfahrungen ein: „Stiftungen tun sich vor Ort zusammen, was bisher nicht selbstverständlich ist und war“, sagt Wilfried Lohre, Geschäftsführer des Nationalen Stiftungsverbundes. „In 24 der 40 geförderten Kommunen existieren mittlerweile lokale Stiftungsverbünde, die eine dauer­hafte ­Stiftungskooperation anstreben, sich als Bestandteil der örtlichen Zivilgesellschaft verstehen und mit den anderen Bildungsakteuren gemeinsam handeln wollen.“ 77 Die Initiatoren haben erkannt, dass es für den individuellen Bildungserfolg wichtig ist, die einzelnen Bildungsstationen systematisch miteinander zu verzahnen. Dadurch soll lebenslanges Lernen erleichtert werden. Das Programm fokussiert besonders auf benachteiligte Kinder und Jugendliche wie Kinder mit Migrationshintergrund oder Hauptschüler.

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Anders als gemeinhin üblich beteiligen sich die Stiftungen an „Lernen vor Ort“ nicht finanziell, sondern bringen sich mit ihrer Expertise ein, etwa indem sie Patenschaften übernehmen. Grundpatenschaften bestehen jeweils zwischen einer Stiftung und einer Kommune. Eine Stiftung mit besonderem Schwerpunkt, etwa der Integration behinderter Schüler, kann im Rahmen einer Themenpatenschaft auch mehreren Kommunen zur Seite stehen. Zusätzlich unterstützen die Stiftungen die Kommunen dabei, nachhaltige Konzepte zu entwickeln und Public Private Partnerships aufzubauen. So hat sich aus dem Programm Lernen vor Ort etwa in Lippe die Gründung einer Bildungsgenossenschaft, Lippe Bildung eG, ergeben, an der sich Unternehmen, die IHK, die Agentur für Arbeit, Stiftungen und Hochschulen beteiligen. „Die Bildungsgenossenschaft kann das, was früher verschiedene Akteure nebeneinander gemacht haben, bündeln“, sagt Markus Rempe, Vorstand der Lippe Bildung eG. So habe beispielsweise die Stiftung Standortsicherung Kreis Lippe der Genossenschaft Mittel zur Verfügung gestellt, anstatt eigene Projekte durchzuführen. Davon profitierte auch das Lippe Energy Camp, bei dem leistungsstarke Schüler auf einer fünftägigen Exkursion mehr über Berufe in der Energiebranche erfahren konnten. Unternehmen der Regionen ermöglichten unter anderem Betriebsbesichtigungen und organisierten Busfahrten. An jedem Ort stellen sich Netzwerke und Beteiligungsstrukturen anders dar. Vielerorts haben Stiftungen die im Bildungsbereich Tätigen dazu gebracht, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.


Wandel stiften Sie wollen vernetzen, unterstützen und handeln. Die Gesellschaft progressiv verändern, ökologisch und sozial nachhaltig gestalten. Dazu haben sich knapp 20 Stiftungen im Netzwerk Wandelstiften zusammengeschlossen. Ihre Agenda offenbart auch ihre Ideale: Wie die Gemeinschaftsstiftung terre des hommes oder die Stiftung umverteilen setzen sie sich für die Menschen im globalen Süden ein. Wie bei der filia Frauenstiftung geht es um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Wie bei der Bewegungsstiftung um die Unterstützung von losen Netzwerken, die als Bewegung ein gemeinsames Ziel verfolgen. Viele der Stiftungen sind Gemeinschaftsstiftungen. Ihnen geht es weniger darum, als Stifterin oder Stifter in Erscheinung zu treten, geehrt zu werden. Im Vordergrund stehen die inhaltlichen Anliegen. Und die sind stets auch politisch. Hinzu kommt: Die Stiftungen des Netzwerks wollen nicht an Symptomen herumdoktern, wie das viele Stiftungen tun, sondern die Strukturen verändern. Viele Akteure aus den Stiftungen haben das bereits auf anderem Wege versucht: als Aktivisten der Anti-Atom-, der Umwelt- oder der Frauenbewegung. Immer wieder haben sie erfahren, dass der Erfolg politischer Aktionen stark von der Höhe der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel abhängt, sagt Jörg Rohwedder, Geschäftsführer der Bewegungsstiftung. Sozialer Wandel und gesellschaftlicher Fortschritt heißt, auch Minderheiten in die Lage zu versetzen, sich um die eigenen Belange zu kümmern, heißt, für einen gerechten Zugang zu Ressourcen zu sorgen. Es sind große Themen, die sich das Netzwerk vorgenommen hat. Es gilt, einen Bewusstseins- und Wertewandel zu erreichen. Das geht nur durch konsequentes, widerspruchsfreies Handeln. Daher spielt auch die Vermögensanlage eine besondere Rolle. Den Stiftungen ist wichtig, dass das Geld, das sie anlegen, nicht Zwecken zugeführt wird, die nicht nachhaltig sind oder gar im ­Widerspruch zum Stiftungszweck stehen. So haben sich die Wandelstiftungen ethische, ökologische und sozial verantwortliche Anlagerichtlinien gegeben. Im Sinne einer transparenten Stiftungsarbeit weisen die einzelnen Stiftungen nach, inwiefern sie den Netzwerkkriterien entsprechen. Dazu veröffentlichen sie beispielsweise ihr gesamtes Anlageportfolio auf ihren Webseiten. Zwei Mal pro Jahr trifft sich das Netzwerk, bespricht Strategien, setzt sich mit den eigenen Erfolgen und Misserfolgen auseinander. Auch dabei geht es um große Fragen: etwa, wie sich sozialer Wandel evaluieren lässt.

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Kinder brauchen frühe Förderung In Deutschland entscheidet nach wie vor die Herkunft über den Erfolg im Leben. Deutschland ist im internationalen Vergleich eine „wenig mobile und wenig durchlässige Gesellschaft“, wie der Bildungsforscher Reinhard Pollak in einer Expertise für die Vodafone Stiftung attestiert.78 Kinder erhalten von ihren Eltern kognitive Eigenschaften (zum Beispiel IQ, Musikalität) ebenso wie nicht-kognitive (zum Beispiel Geduld, soziale Kompetenz). Daraus ergeben sich Ungleichheiten, die durch die sonstigen sozialen Bedingungen weiter verschärft werden können, sich durch frühkindliche Förderung aber auch ausgleichen lassen. Ein vieldiskutiertes Beispiel ist die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Wenn Eltern nur gebrochen Deutsch sprechen, ist eine gezielte Förderung der Kinder umso wichtiger. Nur so können diese Nachteile kompensiert werden, nur so können die Schüler im Schulunterricht mithalten. Wie erfolgreich Bildungskarrieren verlaufen, entscheidet sich daher sehr früh. Sollen diese Kinder nicht „abgehängt“ und zu Verlierern des Bildungssystems werden, brauchen sie eine stärkere Förderung. Doch welche Faktoren sind maßgeblich für den Erfolg?

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Ein von der Siemens Stiftung gefördertes Diskussionspapier der Stiftung BerlinInstitut für Bevölkerung und Entwicklung hat sich diesem Thema gewidmet. Kurz skizziert, sind folgende Ursachen für die Pro­ bleme verantwortlich: Die Kinder verbringen zu wenig Zeit in der Kita, ihnen fehlt das „Sprachbad“ – auch weil die Kitas häufig nicht gut durchmischt sind und das Kitapersonal nicht ausreichend qualifiziert ist, „um die Kinder in ihrer sprachlichen Bildung zu unterstützen“.79 Die Ansätze für gezielte Sprachförderung: Die Kinder in Situationen

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bringen, in denen sie die Sprache anwenden müssen; Erzieherinnen und Erzieher für Sprache sensibilisieren, Eltern in die Förderung einbeziehen und in kleinen Gruppen allen Kindern die Gelegenheit zum Sprechen geben. 80 Da sprachliche Fähigkeiten Voraussetzung für jeden Wissenserwerb sind, ist die Siemens Stiftung, neben ihrer Förderung im MINT Bereich, auch auf dem Feld der Sprachförderung aktiv. Zusammen mit dem Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit e.V. unterstützt sie deren Sprachfördermethode KIKUS – Kinder in Kulturen und Sprachen. Das Programm bietet Kindern mit nichtdeutscher Erstsprache ab drei Jahren die Gelegenheit, ihre Deutschkenntnisse auf spielerische Art und trotzdem systematisch zu verbessern. Zum Einsatz kommen beispielsweise Bildkarten, die Motive aus unterschiedlichen Lebensbereichen zeigen: Tiere, Menschen, Alltagsgegenstände, Lebensmittel etc. Die Kinder können die Bildkarten miteinander in Beziehung setzen und so neue Zusammenhänge erzeugen, über die sie sprechen. Gemäß der internationalen Ausrichtung der Siemens Stiftung kommt das Programm auf Englisch auch in Südafrika zum Einsatz, wo Englisch zwar als Bildungssprache fungiert, ansonsten jedoch eine enorme Sprachenvielfalt zu finden ist. Zielgruppe sind vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien, die größtenteils mit einer afrikanischen Muttersprache aufwachsen. Englischkenntnisse helfen, das Leistungsniveau der Kinder beim Eintritt in die Grundschule zu verbessern. Die neue Onlinevariante KIKUS digital im kostenlosen Medienportal der Stiftung ist eine inter­ aktive Sprachlern-Software für die Grundschule. Sie soll Kinder darüber hinaus an moderne Technologien heranführen.


Wenn Selektion zu Segregation wird Benachteiligungen wie im frühkindlichen Alter gibt es auch in der Schule, wo häufig eine Selektion stattfindet. Im Bildungssystem spricht man von sozialer Selektion, wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Herkunft bevor- oder benachteiligt werden. In nur wenigen Ländern werden Kinder so früh getrennt wie in Deutschland, und in unterschiedlich starke Leistungszweige aufgeteilt. 81 Pech hat, wer auf der Hauptschule landet. Dabei sind die Mittel bekannt, durch die sich die Trennung von Kindern unterschiedlicher Herkunft (Segregation) vermeiden lässt: die spätere Aufteilung der Kinder auf verschiedene Schultypen und eine längere Verweildauer in der Schule. In der Expertise des Sozialwissenschaftlers Reinhard Pollak heißt es, dass eine mit ausreichenden Mitteln ausgestattete Ganztagsschule es erstens erlaube, Kinder auch am Nachmittag qualifiziert zu betreuen. Zweitens bleibe dort ausreichend „Zeit und Raum für individuelle kognitive Förderprogramme“ und drittens könnten Kinder dort auch durch nicht-kognitive Aktivitäten eine Stärkung ihrer Persönlichkeit erfahren. 82

Zweifel an der Durchlässigkeit des ­Schulsystems Den Ergebnissen liegt eine BevölkerungsBefragung mit 2.227 Befragten zugrunde, die einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahre darstellen. Darunter entfielen 434 Interviews auf Eltern mit Schulkindern. Die Ergebnisse zeigen: In der Bundesrepublik herrschen Zweifel an der Durchlässigkeit des ­Schulsystems. „Wenn Sie einmal danach gehen, was Sie darüber wissen oder gehört haben: Wie leicht ist es für gute Schüler, nach einem Hauptschulabschluss doch noch die mitt­ lere Reife zu erwerben bzw. nach der mittleren Reife doch noch das Abitur zu machen?“ Prozent 20

30

40

50

60

70

Bevölkerung insgesamt 4

27

80

(n= 2.227)

45

11

Eltern von Schulkindern 4

35

90 100

13

(n = 434) 42

sehr leicht

eher schwierig

eher leicht

sehr schwierig

11

8

unentschieden Quelle: Vodafone Stiftung durch die Stiftung ­Institut für Demoskopie Allensbach (2011)

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Neben der Umstellung auf Ganztagsschulen gibt es jedoch viele weitere Erfolgsmodelle – weit verstreut über das ganze Land. Hervorragende Schulkonzepte sichtbar und übertragbar zu machen, ist das Ziel des Deutschen Schulpreises, der 2006 von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung ins Leben gerufen wurde. Die beiden Stiftungen motivieren durch diesen Wettbewerb Schulen, „dem Lernen Flügel zu verleihen“. Grundlage ist ein umfassendes Bildungsverständnis, das in sechs Qualitätsbereichen zum Ausdruck kommt: Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulleben und Schule als lernende Institution. Mit insgesamt 243.000 Euro ist der Deutsche Schulpreis der höchstdotierte Schulwettbewerb in Deutschland. Um die Wettbewerbsergebnisse nachhaltig zu sichern und möglichst viele Schulen mit den Konzepten und Ideen der Preisträger zu erreichen, wurde im Jahr 2007 die Akademie des Deutschen Schulpreises ins Leben gerufen. Unter ihrem Dach können sich Preisträger, Bewerber und interessierte Schulen vernetzen, Erfahrungen austauschen und gemeinsam an Fragen der Schulpraxis und Schulentwicklung arbeiten.

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Leseschwächen mindern ­Lebenschancen Von anderen zu lernen, auch mit schwierigen Situationen und Konstellationen umzugehen, tut dringend Not. Wie sinnvoll der Transfer erfolgreicher Projekte ist, zeigt sich auch an einem Themenfeld, bei dem die Leistungen der Schüler weit auseinanderklaffen: bei der Lesekompetenz. So können den letzten Pisa-Ergebnissen zufolge mehr als 18 Prozent der 15-Jährigen nicht richtig lesen. 83 Besonders betroffen sind Kinder mit Migrationshintergrund. Die Folgen dieser Problematik liegen auf der Hand. (Semi-) Analphabeten werden in der Wissens­ gesellschaft zu Außenseitern mit schlechten Lebensperspektiven. In vielen Städten organisieren Stiftungen daher Leseprojekte, die teilweise in den Schulunterricht integriert werden. Wie ein Blick in den Projektepool der Initiative Bürgerstiftungen offenbart, organisieren diverse Bürgerstiftungen Leseprojekte und Lesepatenschaften – als singuläres Highlight wie im Falle des Augsburger Lesezeltes, als zweisprachige Lesereihe zur Förderung von Schülern mit Migrations­ hintergrund, wie von der Bürgerstiftung Braunschweig organisiert, oder als fort­ laufender Prozess an Brennpunktschulen, wie ihn die Bürgerstiftung Berlin seit vielen Jahren erfolgreich durchführt. 84 Es ist auch eine Aufgabe der einzelnen Stiftungen, diese Projekte bekannt zu machen und so anderen die Chance zu geben, daraus zu lernen.


Ein originelles Projekt hat auch die BadenWürttemberg Stiftung entwickelt, um die tendenziell lesefauleren Jungen dazu zu bewegen, Bücher in die Hand zu nehmen. Zusammen mit dem VfB Stuttgart ermöglicht sie mit „kicken & lesen“ neue Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. Zunutze macht sich die Stiftung die Begeisterung der Jungen für Sport und ihren Bewegungsdrang. Sie holt sie da zum Lesen ab, wo sie sind: auf dem Sportplatz. Dabei kann die Beschäftigung mit einem Buch im Vordergrund stehen, wie es bei der „Fußballinsel“ der Fall ist, wo neben dem Fußballtraining in einer selbst gebauten „Piratenhöhle“ bei Kerzenlicht „Die Schatzinsel“ gelesen wird. Bei dem Projekt „Kick dich schlau“ werden die Jungen an das Medium Zeitung herangeführt. Dabei lernen sie, Zeitungsartikel zusammenzufassen, außerdem stehen Besuche in der Zeitungsredaktion und der Druckerei auf dem Plan. „Fußball mit Köpfchen“ wiederum richtet sich an sprachbehinderte Kinder, deren Lesemotivation über das Thema Fußball wachsen soll. Dazu verbindet das Projekt Fußballtraining mit einer Lesewerkstatt und Spielen, die die Teamfähigkeit steigern. Den Stellenwert des Lesens und der Leseförderung unterstreicht auch die Stiftung Lesen; zum Beispiel mit dem bundesweiten Vorlesetag, den sie zusammen mit der ZEIT, der Deutschen Bahn und weiteren Partnern ausrichtet. Im November 2011 fanden im ganzen Land mehr als 12.000 Vorlese-Aktio­ nen statt, die Kinder an Literatur heran­ führen sollen.

Patenschaften führen unterschiedliche Lebenswelten zusammen Auch abseits der Leseförderung sind Patenschaften ein beliebtes Modell, um benachteiligte junge Menschen zu fördern. Dahinter steht der Gedanke, dass sich bestimmte Benachteiligungen perpetuieren, weil die Berührungen mit anderen sozialen Milieus fehlen. Zahlreiche Bürgerstiftungen haben daher mittlerweile Patenschaftsmodelle entwickelt, um Menschen milieuübergreifend zusammenzubringen. Vergleichbare Konzepte haben die Bürgerstiftungen in Neukölln („Kein Talent darf verloren gehen“) und Halle („Max geht in die Oper“): Aufgeschlossene Menschen, die sich für die Kinder und Jugendlichen ihres Stadtteils engagieren wollen, nehmen die ihnen anvertrauten Patenkinder mit ins Museum oder ins Theater; gemeinsam entdecken Paten und Patenkinder unbekannte Teile der Stadt, sie kochen oder lesen. Von den Unternehmungen haben beide Seiten etwas, da die Patenschaften Einblicke in jeweils andere Lebenswelten bieten. Das wechselseitige Verständnis wächst, Vorbehalte und Vorurteile können abgebaut werden. Auch so festigt sich das gesellschaft­ liche Fundament.

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Ein Projekt, das sich gut in die Fläche skalieren ließ, hat die Vodafone Stiftung mit „buddY“ 1999 auf den Weg gebracht. Das Programm hat seine Wurzeln bei den Off Road Kids, einer operativen Stiftung, die sich um Straßenkinder kümmert bzw. vermeiden will, dass Kinder überhaupt auf der Straße landen. BuddY fördert nicht nur Schüler, sondern unterstützt auch die Lehrer – mit großem Erfolg: Mittlerweile ist buddY an rund 1.000 Schulen präsent. An jedem Ort reagiert buddY auf die jeweiligen Herausforderungen, hat also jeweils eigene Unterziele und Schwerpunkte. So kümmert sich der „Buddy“ Yunus im west­ fälischen Steinheim um den elfjährigen Leon, der an Multipler Sklerose erkrankt ist und im Rollstuhl sitzt. Yunus hilft Leon zum Beispiel bei den Hausaufgaben oder spielt mit ihm Gesellschaftsspiele. Im ­thüringischen Rositz lernen Schüler im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Dabei geht es auch um einen bewussteren Umgang mit Energie.

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Wie Stipendien individuelle ­Zukunftschancen ermöglichen Mit Stipendienprogrammen fördern zahlreiche Stiftungen benachteiligte oder besonders förderungswürdige Kinder und Jugendliche. Die finanziellen Zuschüsse fließen z. B. in Bücher und Lehrmaterialien. Teilweise können Schüler und Studenten dadurch auf Nebenjobs verzichten und sich auf ihre Ausbildung konzentrieren. Nicht zu unterschätzen sind die immateriellen Werte. Mit Stipendien ist meist auch der Aufbau eines Netzwerks verbunden. Die Robert Bosch Stiftung und die Joachim Herz Stiftung bündeln ihre Kräfte: Das zum Schuljahr 2011/12 gestartete Stipendienprogramm „grips gewinnt“ wendet sich an talentierte, engagierte Schülerinnen und Schüler ab der achten Klasse, die eine allgemeinbildende Schule in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder SchleswigHolstein besuchen. Trotz guter schulischer Leistungen stehen viele von ihnen aufgrund ihrer sozialen Herkunft vor finanziellen, kulturellen oder sprachlichen Hürden, die den Weg zum Abitur erschweren. Diese Benachteiligung soll das Stipendium ausgleichen. Die Vergabe erfolgt sowohl nach Begabung und Engagement als auch nach sozialen Kriterien. Es umfasst ein Bildungsprogramm mit Seminaren, Sommerakademien, Ausflügen und kulturellen Aktivitäten und eine monatliche finanzielle Unterstützung von 150 Euro für alle Arten von Bildungsausgaben, etwa für Kurse, Materialien, Fahrtkosten sowie eine persönliche Beratung in Bildungs- und Lebensfragen. Bis zu 110 Schülerinnen und Schüler, die sich selbst für das Stipendium bewerben, werden jedes Jahr in das Programm aufgenommen und bis zum Schulabschluss gefördert.


An engagierte Schülerinnen und Schüler richtet sich auch „START“, eine Initiative der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Das Stipendienprogramm begleitet seit 2002 Jugendliche mit Migrationshintergrund auf ihrem Bildungsweg. START-Stipendiaten erhalten neben materieller Förderung, z. B. monatlich 100 Euro Bildungsgeld, auch eine ideelle Förderung: Dazu gehören Seminare, Exkursionen zu Unternehmen und die individuelle Unterstützung durch START-Betreuer. 2007 gründete die Hertie-Stiftung die STARTStiftung gemeinnützige GmbH, die das Programm seither mit verschiedenen Partnern durchführt. Auch das Stipendienprogramm der ­Roland Berger Stiftung konzentriert sich auf begabte junge Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen. Auf jeden Stipendiaten wird ein individueller Förderplan zugeschnitten. Er deckt zehn Lernbereiche ab, darunter kulturelle Kompetenz, Medienkompetenz, Teamfähigkeit und Führungskompetenz sowie fremdsprachliche Kompetenz, und orientiert sich an den jeweiligen Begabungen und Bedürfnissen. Die Roland Berger Stiftung hat auch ein Mentorennetzwerk entwickelt; jedem Stipendiaten steht ein Mentor zur Seite, der nicht nur eine Vertrauensperson sein soll, sondern auch Vermittler zwischen Elternhaus, Schule und Stiftung.

Mit dem „Studienkompass“ haben die Accenture-Stiftung, die Deutsche Bank Stiftung und die Stiftung der Deutschen Wirtschaft ein Programm aufgelegt, das Schüler zur Aufnahme eines passenden Studiums motivieren soll. Zwei Jahre vor dem Abitur unterstützt der Studienkompass Kinder aus Elternhäusern ohne akademischen Hintergrund dabei, sich über ihre Berufswünsche und -vorstellungen klar zu werden. Eltern und Schulen werden während der dreijährigen Laufzeit eingebunden. So begleitet das Programm junge Menschen bei ihrer ­individuellen Lebensplanung. Gegenüber der institutionellen Förderung, bei der es um die Verbesserung von Strukturen geht, hat die Einzelfallförderung aber auch Nachteile. Stets werden einzelne Schüler ausgewählt und besonders gefördert. Viele Stiftungen fördern begabte, talentierte oder bereits engagierte Kinder und Jugendliche. Dabei ließe sich auch argumentieren, dass gerade die anderen, die sich noch nicht hervortun, Unterstützung brauchen.

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Interview mit Petra Herz, Joachim Herz Stiftung Was verstehen Sie unter sozialer Nachhaltigkeit? Ist es ein Ziel Ihrer Stiftungsarbeit, sozial nachhaltige Entwicklung zu erreichen bzw. zu ermöglichen? Die Joachim Herz Stiftung will die Entwicklungschancen des Einzelnen fördern. Junge Menschen sollen ihr Leben möglichst eigeninitiativ gestalten können. Dafür eröffnet die Stiftung Chancen und ermöglicht Zugang zu unterschiedlichen Kulturen sowie zu neuen Lebenssituationen. Wir erweitern den Horizont unserer Stipendiaten und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit, einer Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Ihre Stipendien sollen helfen, die unterschiedlichen Startbedingungen auszu­ gleichen. Wann sind die Ziele der Förderung erreicht? Unsere Stipendienprogramme verbindet, dass wir den Teilnehmern damit „neue Welten“ öffnen wollen – die inhaltlichen Ziele unterscheiden sich dagegen: In dem Gemeinschaftsprojekt „Community Service Projekt“ laden wir Schüler für zwei Wochen in die USA ein. Dort sollen sie neben der amerikanischen Kultur das Prinzip des ­ehrenamtlichen Engagements kennen­ lernen. Im Stipendienprogramm „grips gewinnt“ unterstützen wir gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung motivierte Jugend­ liche, die soziale, kulturelle oder finanzielle Hürden überwinden müssen. Die Stipendiaten sollen nach Ende der Schulzeit das nötige Rüstzeug haben, um bewusste und für sie richtige Entscheidungen zu treffen. 58

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Zu den Stipendienprogrammen gehört es zwangsläufig, eine Auswahl zu treffen. Sie fokussieren auf leistungsbereite, engagierte Schüler. Wäre es nicht eher im Sinne der Chancengerechtigkeit, auch diejenigen Schüler zu fördern, bei denen die Erkenntnis, dass der Wille zu Leistung für ihre Entwicklung wichtig ist, noch nicht angekommen ist? Unsere Schülerstipendien zielen nicht auf Jugendliche ab, die ausschließlich durch hervorragende Leistungen aus der Masse herausstechen. Uns geht es auch darum, die sogenannte „stille Reserve“ zu finden: Die Schüler, die das Potenzial zu besonderen Leistungen haben, denen aber bisher der notwendige Anstoß um durchzustarten fehlt. Diese Schüler sind in den Auswahlprozessen am schwierigsten zu finden. Hier helfen uns Lehrergutachten sehr. Betreibt die Joachim Herz Stiftung ­Elitenförderung? Nein, Elitenförderung betreiben wir weder in unseren Stipendienprogrammen noch in den anderen Programmbereichen. Allerdings engagieren wir uns auch im Bereich der Spitzenforschung. Lassen Sie mich das Beispiel des Programmbereichs Natur­wissenschaften nehmen: Wir wollen bei Kindern und Jugendlichen ein grund­ legendes Interesse für Naturwissenschaften wecken sowie Begabungen entdecken und bestärken. Dafür engagieren wir uns in zahlreichen Schulprojekten, fördern zum Beispiel das Projekt MATHElino der PH Freiburg. Außerdem unterstützen wir wissenschaftlichen Nachwuchs während des Studiums und zu Beginn der Wissenschaftskarriere. Drittens fördern wir auch die Spitzenforschung zum Beispiel als Partner der Hamburger Landesexzellenzinitiative.


Armut: Wenn alle Stricke reißen Und wenn alle Bildungsmaßnahmen ins Leere laufen, Prävention versagt, der soziale Abstieg nicht vermieden werden kann? Auch dann sind Stiftungen mit Hilfsangeboten zur Stelle, um gesellschaftliche Spaltungen zumindest zu begrenzen. Dieses Stiftungsengagement wird immer wichtiger, denn Armut ist in Deutschland auf dem Vormarsch. 15,6 Prozent der Bevölkerung waren 2010 armutsgefährdet. Damit nähert sich Deutschland dem EU-Schnitt von 16,4 Prozent an. Bei Minderjährigen lag die Quote sogar bei 17,5 Prozent. 85 Dass dieses Engagement der Stiftungen wichtig ist, zeigen z. B. GratisKantinen wie die Tafeln. Vielfach leisten hier Vereine die operative Arbeit und werden von Stiftungen finanziell abgesichert. Die Tafeln, die sich in vielen Städten etabliert haben, sammeln Speisen und Lebensmittel, die im Handel nicht mehr verkäuflich und in der Gastronomie nicht mehr zu verwenden sind, um sie an Bedürftige zu verteilen. So sammelt die Berliner Tafel Stiftung mit 600 Freiwilligen monatlich 650 Tonnen Lebensmittel ein. In München, wo der Tafel e.V. unter anderem von der Clarissa & Michael Käfer Stiftung unterstützt wird, versorgen die Tafeln die Menschen zum Teil auch mit anderen Dingen des täglichen Bedarfs, beispielsweise Hygieneartikeln.

Kinderarmut in OECD Ländern In Deutschland fällt jedes neunte Kind unter die Armutsgrenze. Damit liegt die Bundes­ republik zwar unter dem OECD-Durchschnitt. Aber im Vergleich zu Skandinavien oder Frankreich liegt die Kinderarmuts­ quote hierzulande deutlich höher. Die ­Armutsschwelle setzt in allen Staaten bei 50 Prozent des Medians des nationalen ­Nettoeinkommens pro Kopf an. Prozent 10

Dänemark Schweden Finnland Norwegen Österreich Frankreich Island Ungarn Schweiz Belgien Großbritannien Südkorea Tschechien Deutschland Slowakei Niederlande Australien Luxemburg Griechenland Japan Neuseeland Kanada Italien Irland Portugal Spanien USA Polen Mexiko Türkei Chile

20

30

2,7 4,0 4,2 4,6 6,2 7,4 8,3 8,7 9,4 10,0 10,1 10,2 10,3 10,8 10,9 11,5 11,8 12,4 13,2 13,7 15,0 15,1 15,5 16,3 16,6 17,3 20,6 21,5 22,2 24,6 25,3 OECD-Durchschnitt 12,6

Quelle: Bertelsmann Stiftung (2010)

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Wo Stiftungen Nachholbedarf haben Ob es sich um Kaffeepausen bei Workshops, Preisverleihungen oder sogenannte Come-together nach Kongressen handelt, die Bilder von Stiftungsveranstaltungen ­ähneln sich: Hauptsächlich anzutreffen ist eine weiße Mittelschicht – gut (­ aus-)gebildet, gut situiert und sehr engagiert. Allem Anschein nach ist die Personalstruktur in Stiftungen ziemlich homogen. Das macht nachdenklich, weil viele Stiftungsmitarbeiter den Anspruch haben, Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden. Lösungen für Probleme, die sie selbst nicht betreffen. Daher stellt sich auch die Frage, ob die Stiftungsvertreter wissen, was die Förderbedürftigen tatsächlich brauchen. Berit Sandberg, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, untermauert diesen Eindruck: „Die Destinatäre sind in Stiftungen nicht hinreichend repräsentiert“, sagt sie. 86 Sandberg hat zu den Rekrutierungsmechanismen im Stiftungswesen geforscht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Stiftungen bei der Besetzung von Vorstandsposten „eher auf persönliche Kontakte und Netzwerke als auf formalisierte und öffentliche Zugangswege“ setzen. 87 Daher verwundert es kaum, dass die Entscheider in Stiftungen aus ähn­lichen Milieus stammen und vergleichbare Erfahrungen vorweisen können: „Der ­Akademikeranteil liegt bei Vorstandsmitgliedern bei 93 Prozent, bei Geschäftsführern bei 89 Prozent“, sagt Sandberg. Auch Michael Alberg-Seberich von Active Philanthropy, einer gemeinnützigen Beratungsplattform für Spender und Stifter, kritisiert, dass die Stakeholder, diejenigen, um die es geht, häufig nicht eingebunden werden. „Wo sind die Stiftungen mit ­Obdachlosenbeiräten? Welche Stiftungen haben Kinder- und Jugendbeiräte?“, fragt Alberg-Seberich. 88 Ebenso steht eine ernsthafte Diskussion darüber, wie wirkungsvoll Stiftungsgelder eingesetzt werden, bislang noch aus. Standards zur Evaluation der Stiftungsarbeit gibt es nicht. In den Vereinigten Staaten ist die Diskussion weiter. Untersuchungen legen nahe, dass die Gelder von wohltätigen Organisationen, darunter auch Stiftungen, nur in geringem Umfang zu mehr Gleichheit, zu einem sozialen Ausgleich beitragen. Bei den Armen komme das Geld kaum an. 89

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Nachholbedarf sieht Alberg-Seberich auch bei der Fehlerkultur. Positives werde groß ausgestellt, eigene Fehler selten angesprochen. Warum Stiftungen meinen, sich mit anderen messen zu müssen, warum sie ständig den Vergleich suchen? „Es gibt wenig andere Mittel, um den eigenen Erfolg zu messen und sichtbar zu machen“, sagt er. Dabei wäre es schon ein beachtenswerter Schritt, wenn Stiftungen dadurch auffielen, dass sie sich von anderen Akteuren deutlich unterscheiden: zum Beispiel durch eine Personalpolitik, die Minderheiten stärker berücksichtigt, die besonders familienfreundlich ist, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingeht. Insgesamt könnten Stiftungen durchaus mutiger sein und als Tabubrecher wirken, findet Alberg-Seberich: „Obwohl sie dazu in der Lage wären, fehlt vielen Stiftungen die Risikobereitschaft.“

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Fragt man Susann Grünwald-Aschenbrenner von der Stiftung Mittagskinder nach den größten Schwierigkeiten, die sie aus Hamburger Problemstadtteilen kennt, sprudeln die Beispiele nur so aus ihr heraus. Sie berichtet von Kindern, deren Eltern ihnen tagsüber den Aufenthalt zu Hause verwehren, von Kindern, die hungrig in die Schule gehen, von Kindern, die Gewalt und Aggressionen kennen, aber keine Geborgenheit und Zuneigung. Im Jahr 2004 hat GrünwaldAschenbrenner die Stiftung gegründet, die in den Hamburger Brennpunktvierteln Neuwiedenthal und Kirchdorf-Süd Kindertreffs unterhält. Das ganze Jahr über öffnen die Treffs unter der Woche ihre Türen und fungieren als Anlaufstation für mehr als 200 sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. In den Treffs bekommen die jungen Menschen zu essen, kommen mit Büchern und Musik in Berührung, können Sport treiben oder sich bei den Hausaufgaben helfen lassen. Vergleichbare Angebote gibt es mittlerweile in fast allen deutschen Städten. Vielerorts beteiligen sich auch Stiftungen. Sie werden geschätzt, weil sie weniger bürokratisch und dadurch niedrigschwelliger handeln können als staatliche Einrichtungen. Außerdem sind die Mitarbeiter nicht nur angestellt. Viele arbeiten ehrenamtlich, engagieren sich freiwillig und unentgeltlich für die gute Sache. Ein Vorteil von Stiftungen: Sie sind oft Plattformen für Engagement und ziehen Leute an, die motiviert sind zu helfen. Davon wird auch im nächsten Kapitel die Rede sein.

Resümee Chancengerechtigkeit ist die Basis einer sozial nachhaltigen Gesellschaft. Nur wenn die Menschen Perspektiven haben, die mit ihren Zielen und Wünschen korrespondieren, werden sie die Gesellschaft, in der sie leben, als gerecht akzeptieren – und bereit sein, sie zu schützen. Aus diesem Grund ist es für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft wichtig, trennende Effekte möglichst gering zu halten. Das Kapitel hat gezeigt, wie unterschiedlich die Ansätze von Stiftungen sind, Benachteiligungen auszugleichen. Dabei zeichnet Stiftungen aus, dass sie unterschiedliche Akteure themenbezogen zusammenbringen und sie motivieren, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Stiftungen agieren hier auch mit Gruppen, die von anderen eher gemieden werden. Auf der anderen Seite ist festzustellen, dass es bestimmte Gruppen gibt, die besonders häufig gefördert werden: Migranten, leistungsbereite Schüler, Kinder aus bildungsfernen Schichten. Es entsteht der Eindruck, dass Stiftungen entweder auf bestimmte Signalwörter besonders anspringen oder sie gerne als Etikett verwenden; nach dem Motto: Wenn wir diese Zielgruppen fördern, liegen wir auf alle Fälle richtig. Andere Benachteiligte, die durch dieses Signalwortraster fallen, haben oft deutlich schlechtere Chancen, Förderung zu erhalten. Dazu zählen etwa alleinerziehende Mütter oder junge Arbeitslose. Auch im Bildungsbereich zeigt sich, dass Langfristigkeit ein Qualitätsmerkmal von Förderung ist. Mit Programmen, die länger als zehn Jahre laufen, lassen sich Strukturen, vielleicht auch Mentalitäten ändern.

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Kapitel 3

Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit Eine sozial nachhaltige Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass die verschiedenen Interessen aller gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt und untereinander ausge­glichen werden. Erst dieser Ausgleich ermöglicht ein sozial ausgewogenes Zusammenleben und führt idealerweise zu Chancen- und Generationengerechtigkeit. Notwendig ist dazu, dass die unterschiedlichen Interessen ins politische System gespeist werden. Damit gilt die Gleichung: Soziale Nachhaltigkeit einer Gesellschaft setzt voraus, dass diese demokratisch verfasst ist. Denn allein Demokratien sichern den Bürgern „das Recht auf politische Selbstbestimmung“ 90 und geben ihnen Gelegenheit, ihre Inte­ressen zu artikulieren. Dieser support, eine spezifische wie generalisierte Unterstützung, verschafft dem politischen System die benötigte Legitimation.

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Doch was auf der einen Seite Recht ist, kommt andererseits als Pflicht daher: Damit Demokratien dauerhaft funktionieren, sind sie auf die Partizipation ihrer Bürger angewiesen. Indem sich die Bürger in die Politik einbringen, sei es durch Wahlen, durch die Bekleidung politischer Ämter, durch finanzielle Unterstützung der Parteien oder das Engagement in Bürgerinitiativen, Stadtteilräten etc., stärken sie das politische System. Zugleich bieten Demokratien gute Voraussetzungen dafür, dass sich Bürger auch außerhalb der politischen Sphäre engagieren – aus persönlichen Motiven ebenso wie für das Gemeinwohl. Dieses Engagement ist von großer Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens und den Aufbau von sozialem Kapital.


Viele Bürger haben das Vertrauen in die repräsentative Demokratie verloren. Von den traditionellen Institutionen und Organisationen wenden sie sich ab. Dennoch ist bei vielen das Streben nach Partizipation und Engagement ungebrochen. Stiftungen unterstützen hier: Sie ermöglichen Beteiligung oder

organisieren Engagementplattformen. Und sie wollen damit auch diejenigen erreichen, die nicht in der Mitte der Gesellschaft stehen.

Foto: picture alliance

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3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Die Theorie des Sozialkapitals Damit Gesellschaften stabil und entwicklungsfähig bleiben, muss der soziale Zusammenhalt gestärkt werden. Wenn Menschen einander vertrauen und bereit sind, auch ohne direkte Gegenleistung etwas für andere zu tun, ist dies ein Zeichen für das hohe soziale Kapital einer Gesellschaft. Sozialkapital schafft somit die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung.91 Populär wurde der Begriff in den 1990er Jahren durch die Publikationen von Robert D. Putnam.92 Die zentrale These des amerikanischen Politikwissenschaftlers lautet: Soziales Kapital entsteht durch die Bereitschaft der Bürger, miteinander zu kooperieren. Diese Solidarität in lokalen Gemeinschaften führe automatisch zu mehr Vertrauen in die gesamte Gesellschaft. Putnam nennt das „generalisiertes Vertrauen“. Sozialkapital ist demnach eine gesellschaftliche Ressource, die besonders durch Vereine, Verbände oder allgemein bürgerschaftliche Beteiligung vermehrt wird. Man könnte es auf folgende Formel herunterbrechen: Je höher die Mitgliedschafts- und Beteiligungsquoten im lokalen Vereinswesen, desto besser ist die demokratische und ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft.93 Putnams Forschungsergebnisse wurden nicht nur von Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern ausführlich diskutiert, sondern auch von der Politik aufgegriffen. So ist im Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags zu lesen: „Soziales Kapital sorgt dafür, dass Institutionen besser funktionieren, Demokratien lebendiger sind und Politikverdrossenheit abnimmt.“94 Ganz anders sieht das der französische Soziologe Pierre Bourdieu.95 Er betrachtet soziales Kapital nicht als gesellschaftliches, sondern als individuelles Gut. Wer in viele soziale Netzwerke eingebunden ist, besitzt viel Sozialkapital und kann sich damit Vorteile verschaffen, also sein „Vitamin B“ nutzen. Laut Bourdieu trägt das zur sozialen Ungleichheit in einer Gesellschaft bei.96 Denn viele Menschen können eben nicht auf nützliche Beziehungen zurückgreifen und sind deshalb von bestimmten Aktivitäten oder Positionen ausgeschlossen. Bei aller Euphorie, die der Putnamsche Sozialkapital-Begriff auslöste, dürfen diese negativen Effekte nicht vergessen werden. Gleichwohl haben Putnams Publikationen der Debatte um bürgerschaftliches Engagement eine neue Bedeutung verliehen. Heute ist allgemein bekannt, dass die Zivilgesellschaft maßgeblich zu einer funktionierenden Demokratie und sozialem Zusammenhalt beiträgt. Und nicht zuletzt ist, wie bei ökonomischem Kapital, auch bei Sozialkapital entscheidend, für welche Ziele es eingesetzt wird.97 64

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Interview mit Prof. Dr. Sebastian Braun, Engagementforscher an der Humboldt-Universität zu Berlin

Sozialkapital als gesellschaftlicher Kitt Sozialkapital ist eine Ressource, die sowohl von individuellem als auch gesamtgesellschaftlichem Nutzen ist. Bereits 1835 wies Alexis de Tocqueville nach seinen Beobachtungen amerikanischer Civic Organizations – ziviler Organisationen – auf deren demo­ kratiefördernde Funktion hin: Sie seien „Schulen der Demokratie“, in denen „demo­ kratisches Denken und ziviles Verhalten durch die alltägliche Praxis eingeübt und habitualisiert“ werde.98 Die Organi­sationen könnten „Orte der Selbstregierung“ sein, als zivile Einrichtungen dienten sie der „Wertebildung und Werteverankerung von Bürgertugenden wie der Toleranz, der wechselseitigen Akzeptanz, der Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und des Vertrauens sowie der Zivilcourage. Damit akkumulieren sie soziales Kapital“.99 So verinnerlicht beispielsweise, wer in Vereinen organisiert ist, ganz nebenbei demokratische Prinzipien: Es finden Wahlen statt, Vorstände werden entlastet, dem Kassenwart wird ein Vertrauensvorschuss gewährt. Bei diesen Aktivitäten entsteht ein gesellschaftlicher Kitt. Für den Demokratieforscher Robert D. Putnam ist dieses Sozialkapital eine Ressource, ohne die Demokratien weder entstehen noch sich konsolidieren können.100

Herr Professor Braun, wie erklären Sie sich den Hype um Sozialkapital? Sozialkapital ist speziell durch die Stu­ dien von Robert D. Putnam zu einem deutungsoffenen Begriff geworden. Damit verbunden sind hohe Erwartungen an die Revitalisierung von sozialen Bindungen und Netzwerken in der Bürgergesellschaft. Die „Kapital“-Metapher fügt sich in eine immer mehr am ökonomischen Vokabular orientierte Alltagssprache ein. Sie thematisiert die „Rentabilität“ von nicht-monetarisierten Formen des sozialen Zusammenlebens. Das weckte auch im politischen Raum die Vorstellung, es gäbe in Zeiten leerer öffentlicher Kassen ein kostenloses Kapital zur Lösung politischer, sozialer und wirtschaftlicher Probleme. Ist es tatsächlich so einfach: mehr Vereine gleich mehr Sozialkapital? Nein, das ist eine zu simple Gleichung. Vereine werden zumeist in unspezifischer Form als „Generatoren“ oder „Katalysatoren“ von Sozialkapital beschrieben. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen der Struktur von Vereinen und z. B. der Entstehung von Vertrauen, Normen, Bürgerkompetenzen oder sozialen Netzwerken der Mitglieder sind aber bislang nicht zu einem eigenen Untersuchungsschwerpunkt der Sozialkapital-Forschung gemacht worden.

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3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Dann sind Vereine keine „Schulen der ­Demokratie“?

Schwindende Bindungen

So würde ich das nicht sagen, es kommt darauf an, wie man den Demokratiebegriff im Hinblick auf Vereine spezifiziert. Unsere Forschungsergebnisse zeigen aber, dass z. B. aus einem vereinsbezogenen Gruppenvertrauen nicht automatisch ein generalisiertes Vertrauen in Demokratie und Gesellschaft entsteht. Gleichwohl finden Menschen in Vereinen auf kommunaler Ebene Plattformen, um gemeinwohlförderliche Handlungsdispositionen auszuleben, die im Verein durchaus nochmal verstärkt werden können.

Obwohl Demokratien ihren Bürgern Vorzüge und Freiheiten gewähren, stehen sie vielerorts auf wackligen Beinen. Ein „Bedeutungsverlust etablierter demokratischer Verfahren“ ist nicht zu übersehen, konstatiert der Politikwissenschaftler Michael Zürn.101

Was hat der Begriff Sozialkapital denn ­tatsächlich geleistet? Er hat Debatten wissenschaftlich und politisch salonfähig gemacht, die bis dahin ein eher stiefmütterliches Dasein führten. Nur relativ wenige diskutierten in Deutschland – und auch international – über Vereine, Ehrenamtlichkeit, freiwilliges Engagement, aber auch Stiftungen oder Verbände. Insofern ist der Sozialkapital-Begriff durch Putnams inspirierende Arbeiten in zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen und -forschungsrichtungen eingebunden worden, womit auch den vielschichtigen Debatten über Struktur und Formen der Zivilgesellschaft Impulse verliehen wurden. Das ist eine wertvolle Leistung.

In Deutschland haben die traditionellen demokratischen Institutionen an Strahlkraft verloren und dadurch Legitimität eingebüßt: Die Wahlbeteiligung nimmt auf allen politischen Ebenen ab. Lockten zum Beispiel Bundestagswahlen seit den 1950er Jahren stets weit mehr als 80 Prozent, teils mehr als 90 Prozent der Stimmberechtigten an die Wahlurnen, nahmen 2009 noch 70,8 Prozent der Stimmberechtigten teil.102 In einigen Bundesländern beteiligt sich nur noch gut jeder zweite Wahlberechtigte an den Landtagswahlen. Den politischen Parteien laufen die Mitglieder davon. Mit Ausnahme der Grünen und neuerdings der Piratenpartei gilt das für alle Parteien. Seit 1990 verlor die FDP 59,3 Prozent der Mitglieder, die SPD 46,8 Prozent, die CDU büßte 36 Prozent ein und die CSU 17,4 Prozent. Am stärksten traf es die Linke (beziehungsweise ihre Vorgängerparteien) mit minus 73,8 Prozent.103 2010 waren nur 2,2 Prozent der Wahlberechtigten in einer Partei organisiert.104 Dass die „Mitgliederkrise“105 anhält, spüren auch andere Organisationen mit traditionell herausragender Rolle im politischen System wie Kirchen oder Gewerkschaften. Seit Jahren sinkt der Anteil der in Interessenoder Freizeitgruppen organisierten Bürger. Ausgenommen von diesem Trend ist das freiwillige bürgerschaftliche Engagement.106

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Das Ansehen der Politiker befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Wie das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK 2011 meldete, vertrauten nie zuvor weniger Menschen ihren Politikern: In Deutschland sind es gerade noch neun Prozent.107

Hier stehen einige Einrichtungen und Berufs­ gruppen. Bei welchen würden Sie sagen „­Denen kann man vertrauen“? (in Prozent) Prozent 10

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Politiker und Parteien rangieren auf der Vertrauensskala ganz unten. Nur jeweils ein Prozent der Befragten gibt an, diesen ­Gruppen zu vertrauen.

Menschen wie du und ich Ärzte Die Polizei Die Gerichte 34 Lehrer 29 Nichtregierungsorganisationen 24 Wissenschaftler 23 Vereine hier am Ort 22 Professoren 21 Die Kirchen 19 Nachrichtensprecher im Fernsehen 19 Bürgerinitiativen 13 Stiftungen 8 Die Bundesregierung 7 Bürgermeister 7 Journalisten 3 Unternehmer 2 Große Wirtschaftsunternehmen 2 Politiker 1 Die Parteien 1

n = eine repräsentative Viertelgruppe von 1.845 Befragten

Quelle: Herbert Quandt-Stiftung durch die Stiftung Institut für Demoskopie Allensbach (2011)

Zudem bereitet ökonomischer Druck der Presse immer größere Schwierigkeiten, eine Kontrollfunktion auszuüben und ihrem Informationsauftrag gerecht zu werden. Eine freie und kritische Presse ist aber eine wesentliche Voraussetzung und Funktionsbedingung eines demokratischen Systems.

Das Vertrauen in Politiker und Parteien ist gering

48 45 42

3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit

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In welchen Bereichen engagieren sich die Deutschen? 2009 engagierten sich mehr als zwei Fünftel der Bevölkerung (42 Prozent) in sportlichen Zusammenhängen. Die Bereiche Sport, Freizeit und Kultur lassen sich im Sektor der ­klassischen Vereinsaktivitäten verorten. Die Bereiche Soziales, Kindergarten und Schule sowie Kirche und Religion stehen dagegen für die Organisationsformen der öffentlichen Einrichtungen. Telefonische Bevölkerungsumfrage: Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren (Mehrfachantworten möglich) „Es gibt vielfältige Möglichkeiten, außerhalb von Beruf und Familie irgendwo mit­zu­ machen, beispielsweise in einem Verein, einer Initiative, einem Projekt oder einer Selbsthilfegruppe. Ich nenne Ihnen verschiedene Bereiche, die dafür in Frage kommen. Bitte sagen Sie mir, ob Sie sich in einem oder mehreren dieser Bereiche aktiv beteiligen.“ Prozent 10

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Sport und Bewegung 37 40 42 Freizeit und Geselligkeit 25 26 21 Kultur, Kunst, Musik 16 18 18 Sozialer Bereich 11 13 14 Kindergarten und Schule 11 12 13 Religion und Kirche 10 11 12 Berufliche Interessenvertretung 9 10 10 1999 (n = 14.922)

2004 (n = 15.000)

Prozent 10

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Natur- und Tierschutz 8 10 9 Jugendarbeit und Erwachsenenbildung 6 7 8 Lokales Bürgerengagement 5 7 7 Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste 5 5 6 Politische Interessenvertretung 6 7 6 Gesundheit 5 5 5 Kriminalitätsprobleme 1 1 1 2009 (n = 20.005)

Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2009)

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Drang zur Einmischung Allerdings stehen diesen negativen Entwicklungen auch positive Trends gegenüber, denn die Partizipations- und Engagementbereitschaft in der Bevölkerung wächst. Das zeigt nicht nur der starke Zuwachs zivilgesellschaftlicher Organisationen: In Deutschland existieren mittlerweile mehr als 554.000 Vereine. 1960 wurden in den alten Bundesländern noch 86.000 Vereine gezählt.108 Die Zahl der jährlichen Stiftungsgründungen hat sich seit Beginn der 1990er Jahre ebenfalls vervielfacht. Und auch an der beachtlich gestiegenen Gesamtzahl der rechtsfähigen gemeinnützigen Stiftungen auf nunmehr gut 19.000 lässt sich die Engagementbereitschaft ablesen. In den letzten Jahren, vor allem nach der Eskalation um den Bahnhofsneubau in Stuttgart, wurde die Bereitschaft vieler, sich auch außerhalb von Wahlen in die Politik einzumischen, häufig negativ wahrgenommen. Vielfach wurde unterstellt, die Bürger ließen sich primär gegen etwas mobilisieren. Bald war von „Wutbürgern“ die Rede.109 Skeptiker warnten, dass diese Blockadehaltung notwendige Infrastrukturprojekte verzögern, wenn nicht gar verhindern würde. Dass diese Wahrnehmung nicht unbedingt berechtigt ist, zeigt eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Stiftung Zukunft Berlin und der Herbert Quandt-Stiftung: Gefragt, welchen Interessen bei Bauvorhaben eher zu entsprechen ist, denen der Allgemeinheit oder denen der Anwohner, plädierten immerhin 54 Prozent dafür, die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten, während nur ein Drittel die Interessen der Anwohner schwerer wiegen lässt. Knapp zwei Drittel der Wahlberechtigten Bundesbürger fühlten sich insgesamt zu wenig über ihre Beteiligungsmöglichkeiten bei Planungsvorhaben informiert.110

Die meisten Bürger gehen dann auf die Barrikaden, wenn grundlegende Prinzipien der Demokratie keine Berücksichtigung finden. Allzu oft entsteht der Eindruck, die politischen Entscheidungen würden eben nicht in Vertretung des Volkes und für die Bevölkerung oder jedenfalls für ihre Mehrheit getroffen. Stattdessen verschaffen sich gewiefte Lobbyisten mit ihren eng begrenzten Partikularinteressen beim Gesetzgeber dominierend Gehör. Bei vielen Fragen fühlt sich die Bevölkerung übergangen. Wenn die Bürger aber den Nutzen ihrer Beteiligung nicht erkennen oder sich nicht zu Komparsen abstempeln lassen wollen, verweigern sie ihre Gefolgschaft. Am deutlichsten artikuliert die Occupy-WallstreetBewegung diese Haltung. Die konsumkritische Adbusters Media Foundation aus Kanada hatte die Bewegung aus Kritik an den Auswüchsen des Finanzmarktkapitalismus an der New Yorker Wall Street Mitte 2011 initiiert. Binnen kurzer Zeit breitete sich die Bewegung in den USA aus, bis es auch in Europa zu vergleichbaren Belagerungen kam. Mit dem Slogan „We are the 99 percent“ – „Wir sind die 99 Prozent“ machte die Bewegung deutlich, sich nicht länger damit abfinden zu wollen, dass angeblich nur ein Prozent der Gesellschaft die Regeln bestimmt – und von ihnen profitiert. In der neuen Dominanz von Großkonzernen und Banken sieht auch der britische Politologe Colin Crouch ein Problem. Er beobachtet den Übergang zur „Postdemokratie“111: Die wichtigste Ursache für den „Niedergang der Demokratie“ bestehe heute in dem „Ungleichgewicht zwischen der Rolle der Interessen der Unternehmen und denen aller übrigen Gruppen der Gesellschaft“.112 69

3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Wenn die Demokratien fortbestehen sollen, muss der Staat seine Bürger ernst nehmen. Die Gesellschaft muss sich über die Ausübung positiver Rechte definieren, gesellschaftliche Pluralität und Partizipationsbereitschaft also als Ressource begreifen, die sich nutzen lässt, um das Gemeinwohl zu mehren. Auch wenn die Bürger mitunter andere Akzente setzen als die staatlichen Entscheidungsträger. Um zu verhindern, dass Bürgerproteste ins Negative kippen und zu verhärteten Fronten führen, empfiehlt der Politologe Claus Leggewie „mehr demokratische[…] Teilhabe, die das lokale Wissen einbezieht und den Menschen ‚vor Ort‘ eine aktive Rolle gibt“.113

Indizien für Politikverdrossenheit: sinkende Wahlbeteiligung und Mitgliederschwund der Parteien Immer mehr Menschen werden zu Nichtwählern. Im Osten der Republik gingen bei den letzten Bundestagswahlen nur noch knapp zwei Drittel der Wahlberechtigten zur Urne. Ein Zeichen für abnehmendes politisches Interesse sind auch die sinkenden Mitgliederzahlen der meisten Parteien. Zulauf haben aktuell vor allem die Piraten: Nach eigenen Angaben hat die Piratenpartei in den Landesverbänden insgesamt 25.103 Mitglieder.

Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen (in Prozent der Wahlberechtigten)

76,3 (W:76,9/ O:74,0) 1990

79,6 (W:81,2/ O:73,2) 2002

78,3 (W:79,2/ O:74,7)

71,4 (W:72,9/ O:65,1)

2005

2009

Quelle: Der Bundeswahlleiter (2012)

Mitgliederentwicklung der Parteien in 1.000 (gerundet)

Quelle: Oskar Niedermayer (2011)

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2010

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1.000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1990

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SPD CDU Die Linke CSU FDP Grüne


Engagementförderung als Ziel von Stiftungen Was also können Stiftungen tun, um mehr Menschen zu einer aktiven Rolle zu verhelfen? Im Stiftungssektor ist das Thema Engagementförderung seit den 1990er Jahren hoch im Kurs.114 2007 wurde die Förderung bürgerschaftlichen Engagements als gemeinnützig eingestuft und damit als steuerlicher Gemeinnützigkeitszweck anerkannt. Doch Stiftungen unterstützen Engagement auch im Rahmen der Satzungszwecke „Soziales“ oder „Bildung und Erziehung“. Ein großer Teil der deutschen Stiftungen hat die Bedeutung des Bürgerengagements erkannt und in die Stiftungsaktivitäten aufgenommen, wie eine Studie der Körber-Stiftung und des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zeigt.115 Auch die Einrichtung des Forums Engagementförderung im Bundesverband Deutscher Stiftungen spiegelt diese Entwicklung wider. Das Forum bietet eine Plattform für den fachlichen Austausch zum Thema Bürgerengagement. Es entwickelt Zukunfts­ perspektiven und stößt Kooperationen an. Im Januar 2012 wurde etwa das Positionspapier „Mehr Bürgergesellschaft wagen! Stiftungen in der Engagementförderung“ verabschiedet, welches u. a. dazu auffordert, die „Potenziale der Bürgergesellschaft besser zu nutzen und eine neue Balance zwischen Staat und Bürgern herzustellen“.116 Engagementfördernde Stiftungen sind eingeladen, dieses Positionspapier mit zu unterzeichnen. Ab Juni 2012 können sich Stiftungen außerdem dem „Memorandum of Understanding“ zur Stärkung der Kooperation von Staat und engagementfördernden Stiftungen anschließen.

Daneben ist eine realistische Einschätzung dessen, was Stiftungen in der Engagementförderung leisten können, wichtig, um die Debatte im Engagementsektor substanziell voranzubringen. Das Spektrum der möglichen Handlungsfelder ist facettenreich: Stiftungen stellen eine lokale Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement. Sie vermitteln Wissen und steigern ihre Effektivität, indem sie in Netzwerken, Bündnissen und Kooperationen arbeiten. Sie moderieren zwischen verschiedenen Akteuren und experimentieren mit neuen Verfahren der Bürgerbeteiligung. Ein Beispiel ist das Bürgerforum 2011, ein bundesweites Bürger­ beteiligungsprojekt, initiiert vom Bundespräsidenten, der Bertelsmann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung. Dabei berieten sich auf 25 regionalen Bürgerforen jeweils 400 Bürger, die nach dem Zufallsprinzip eingeladen worden waren, über das Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt. Der Frage, wie Stiftungen sich in die Gesellschaft einbringen und wie sie mitgestaltendes Handeln anderer ermöglichen können und sollten, widmete sich auch die Berliner Stiftungswoche 2012, indem sie „Die Rolle von Stiftungen als Förderer, Akteure und Moderatoren gesellschaftlicher Beteiligungsprozesse“ zum Schwerpunktthema machte. Darüber hinaus qualifizieren Stiftungen durch Seminare, Workshops und Konferenzen. Die Stiftung Mitarbeit organisiert zum Beispiel ein dreitägiges Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demo­ kratie, bei dem über „Bürgerbeteiligung als Motor der kommunalen Entwicklung“ beraten wird. Schließlich verhelfen Stiftungen Menschen auch zu Anerkennung, etwa durch öffentliches Lob oder die Vergabe von Preisen. 71

3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Soziale Ungleichheit und politische Partizipation Allerdings richten sich die meisten dieser Angebote und Würdigungen an Menschen, die bereits engagiert sind. Vor dem Hintergrund sinkender politischer Partizipation stellt sich aber vor allem die Frage, wie die Enthaltung der ohnehin Benachteiligten zu bewerten ist. Wie gelingt es, diejenigen zur Partizipation zu bewegen, die vom Rest der Gesellschaft weitgehend abgekoppelt sind, die bereits resigniert haben? Wolfgang Merkel, Leiter der Abteilung Demokratie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozial­ forschung, sieht NGOs allein überfordert: Diese Civic Organizations seien zwar wichtig, aber sie „lösen nicht das eklatante Ungleichheitsproblem“, sagt Merkel im Interview mit der Bertelsmann Stiftung.117 Um der Gefahr einer „Zwei-Drittel-Gesellschaft“ entgegenzuwirken, bei der ein Drittel vom Rest abgehängt ist, sei ein soziales Fundament nötig, das allen Menschen vergleichbare Beteiligungschancen bietet.

Wenn die Bürger ihre rechtsstaatlich verbrieften Rechte nicht (mehr) wahrnehmen, reicht es jedoch nicht, sie zur Teilhabe aufzufordern, ohne einen wesentlichen Aspekt mitzudenken: „die soziale Bedingtheit politischen Engagements“.118 In einer empirischen Studie erkundet die Otto Brenner Stiftung den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und politischer Partizipation. Wie sich anhand von Langzeitmessreihen zeigen lässt, sind Bildung und Einkommen die wichtigsten Faktoren für das Maß an politischem Interesse und Partizipation.119 So führe „soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung [...]nicht zu einer gesteigerten Bereitschaft für Protest und politische(s) Engagement, sondern zu politischer Apathie“.120 Diese ungleiche Partizipation wirkt sich auch direkt auf die Berücksichtigung von Interessen aus. Durch die Erosion traditioneller Arbeitermilieus und das damit

Politische Partizipation in Deutschland nach Schulabschluss Wer Abitur hat, beteiligt sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit am politischen Prozess als diejenigen mit Hauptschulabschluss. Allbus 2008 gewichtet, n = 3.469 Prozent

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Hauptschule Wahlteilnahme Unterschriftensammlung 32,6 Öffentliche Diskussion 18,9 Mitarbeit Bürgerinitiative 6,9 Mitarbeit Partei 3,3 Kritisch konsumiert 15,9 Demo 9,8 Onlineprotest 2,2 Quelle: WZB Mitteilungen (2011)

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Abitur 76,3

85,3 64,8 38,3 16,4 8,3 45,2 38,2 16,2


verbundene Verschwinden von Klassenbewusstsein und Zerbröckeln der Strukturen der Arbeiterbewegung werden die Interessen derjenigen, die heutzutage als Prekariat bezeichnet werden, kaum noch repräsentiert. Dadurch verstärkt sich die Abkopplung dieser Bevölkerungsgruppe. Sebastian Bödeker, der Autor der Otto Brenner Stiftung, sieht drei Gegenstrategien: die soziale Ungleichheit durch Umverteilung und eine bessere Bildungspolitik bekämpfen; die Repräsentation schwacher Interessen etwa durch neue Organisationen stärken; die sozial Benachteiligten aktivieren und ermächtigen, für ihre Interessen einzutreten.121

beispielsweise über das Steuersystem, und sei zugleich Ausweis gesellschaftlicher Solidarität. In der Wissensgesellschaft verliefen die zentralen Konfliktlinien jedoch nicht mehr entlang der Klassenzugehörigkeit. Politische Auseinandersetzungen orientierten sich zunehmend an anderen Maßstäben wie Geschlecht, Ethnie, Alter, Religion oder Nationalität. Demzufolge beschränke sich soziale Gerechtigkeit nicht mehr auf Fragen der Verteilung, sondern „schließt auch Punkte wie Repräsentation, Identität und Differenz ein“.122 Findet die Diskriminierung auf der Statusebene statt, bestehe sie in der „verweigerten Anerkennung“. Fraser sieht das Gegenmittel darin, diesen diskriminierten Gruppen, die häufig vom gesellschaft­ lichen Mainstream abweichen, Anerkennung zukommen zu lassen: durch Anstrengungen, die erstens darauf abzielen, „das kulturell Andere anzuerkennen und zu schätzen, und zweitens die symbolische Ordnung zu verändern“.123 In besonderem Maße gilt das dann, wenn ökonomische und statusbezogene Diskriminierung zusammentreffen.

Doch stehen gerade hinter dem letzten Punkt noch viele Fragezeichen. Wie erreicht man diejenigen, denen die Zeit oder Motivation für eigene Beteiligung fehlt und die nicht glauben, selbst etwas bewirken zu können? Wie lässt sich ihr Bewusstsein für ihre Situation schärfen? Wie das Vertrauen in ihre Selbstwirksamkeit stärken? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, setzt die 2009 gegründete Einstein Stiftung Berlin auf Nancy Fraser, die sie im Rahmen des Förderprogramms „Einstein Visiting Fellow“ in die Berliner Wissenschaftslandschaft integrieren will. Seit Jahrzehnten erforscht Fraser die Krise der amerikanischen Demokratie. Daher interessiert die Politologin der New Yorker New School for Social Research besonders, wie Menschen besser partizipieren können, die von der Mehrheitsgesellschaft diskriminiert werden. Wie sich das erreichen lässt, hängt laut Fraser davon ab, auf welcher Ebene sich die Diskriminierung abspielt. Bei ökonomischer Benach­ teiligung sei Umverteilung die angemessene Antwort. Sie lasse sich einfach organisieren,

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3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Geballte Bürgerkraft: Community Organizing Doch Angehörige von Minderheiten und Benachteiligte können sich auch Anerkennung verschaffen, indem sie sich aktiv für ihre Belange einsetzen. Wie bereits gesagt, ist deren Mobilisierung eine große Herausforderung; es gibt jedoch vielversprechende Ansätze. Eine Form, die in den Vereinigten Staaten sehr erfolgreich ist, breitet sich langsam auch in Deutschland aus – gerade auch in benachteiligten Gebieten wie Stadtbezirken mit hohem Migrantenanteil und hoher Armutsquote: Es handelt sich um Bürgerplattformen, neudeutsch: Community Organizing. Hinter dem Deutschen Institut für Community Organizing stehen etwa die Körber-Stiftung, die BMW Stiftung Herbert Quandt, die Zeit-Stiftung und der Generali Zukunftsfonds. Die Plattformen sind ein Artikulationskanal für Gruppen aus benachteiligten Stadtteilen, in denen die „traditionellen Beteiligungswege der Kommunal­politik immer weniger greifen und nur wenige Menschen politisch und gesellschaftlich aktiv werden, um ihre Lebensverhältnisse zu verbessern“, wie es bei der BMW Stiftung heißt.124 Community Organizing adressiert bereits bestehende Gruppen wie Religions­ gemeinschaften, Sport- oder Musikvereine. So werden keine Partikularinteressen einzelner Privatpersonen vertreten und die Zusammenarbeit ist langfristig angelegt. Im Unterschied zu Bürgerinitiativen sind die Community Organizing Netzwerke nicht monothematisch ausgerichtet. Sie listen die Themen auf, die besonders drängend sind, entwerfen eine Agenda, schmieden 74

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Bündnisse und machen sich an die Problemlösung. Der Ansatz scheint zu funktionieren. In Berlin hat sich jüngst mit „WIN – Wir in Neukölln“ nach denen im Wedding und in Schöneweide eine dritte Bürgerplattform gegründet. Bürgerplattformen haben nicht den Anspruch, alle anstehenden Themen zugleich zu bearbeiten. Sie fokussieren die Fragen, die der Community unter den Nägeln brennen. In größeren zeitlichen Abständen gibt es Themenfindungsprozesse, bei denen demokratisch über die wichtigsten Anliegen abgestimmt wird. Im Berliner Stadtteil ­Wedding hat sich die Plattform „Wir sind da“ zum Beispiel mit Klagen über das Jobcenter befasst: unter anderem mit den langen Wartezeiten und der unpersönlichen Behandlung. Durch Initiative der Bürgerplattform ist die Mitarbeiterzahl des Jobcenters auf Sollstärke gestiegen. Es wurde mit Mitarbeiterschulungen im Hinblick auf Beratungskompetenz und Interkulturelle Kompetenz begonnen. Eine telefonische Hotline wurde eingerichtet. Erfolge, die das Leben der Betroffenen verbessern und ihnen das Gefühl geben, mit ihren Sorgen und Ängsten ernstgenommen zu werden.


Idee zu verständigen, die Veränderung in einem definierten Lebensbereich bewirken soll. Dazu lädt die Bürgerstiftung all diejenigen ein, die von einem bestimmten Thema betroffen sind oder ihr Wissen beisteuern können.

Bürgerstiftungen sind Ausdruck ­einer vitalen Bürgergesellschaft Bürgerplattformen konzentrieren sich auf große Städte. Anders verhält es sich mit Bürgerstiftungen, die mittlerweile fast überall in Deutschland zu finden sind. Die prosperierende Bürgerstiftungslandschaft ist die vielleicht wichtigste Entwicklung der letzten 20 Jahre im Engagementsektor. 1996 wurde die erste Bürgerstiftung in Deutschland nach anglo-amerikanischem Vorbild gegründet. Heute existieren mehr als 300 Bürgerstiftungen über ganz Deutschland verstreut. 225 tragen das Gütesiegel des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Als Plattformen für Partizipation stehen Bürgerstiftungen allen Bürgern vor Ort offen. Meist reichen auch kleinere Summen, um als Bürgerstifter aktiv zu werden. Nicht weniger wichtig ist aber die Möglichkeit, sich nichtmateriell zu beteiligen: mit guten Ideen, durch die Vermittlung von Kontakten, durch Zeit, die man für bestimmte Projekte aufzuwenden bereit ist.

Wie Runde Tische mehr ­Partizipation ermöglichen Mit teils neuartigen Formaten bringen sich einige Bürgerstiftungen ganz gezielt in den politischen Prozess ein. Diese Experimente bereichern und verändern die politische Kultur, besonders wenn sie zeigen, welche Formen der Bürgerbeteiligung es neben Wahlen gibt. Ein Beispiel sind die Runden Tische der Bürgerstiftung Stuttgart. Sie sind ein interessantes Bottom-up-Format, das Einfluss auf die demokratische Willensbildung nimmt. Im Mittelpunkt der Runden Tische stehen die Zusammenarbeit, der Aufbau von Netzwerken – und die Pflicht, sich auf eine

Seit 2006 fanden in Stuttgart mehrere Runde Tische statt: etwa zum Thema „Alt werden in Stuttgart“. Das Thema wurde bei einem ersten Treffen in drei Aspekte und Arbeitsgruppen unterteilt: Palliative Care, Sterbe- und Trauerbegleitung, Migranten und Ehrenamt. Aus der ersten Arbeitsgruppe heraus ist 2009 das Palliativ-Netz Stuttgart gegründet worden – ein Netzwerk, das sich um Todkranke und Sterbende kümmert und ihnen ein würdiges Sterben zu ermög­lichen versucht. Das PalliativNetz informiert über Themen der letzten Lebensphase, weist den Weg zu einschlägigen betreuenden Einrichtungen und bietet Kranken und Angehörigen Orientierung. Gefördert wird es von der Veronika-Stiftung, der Baden-Württemberg Stiftung und der Stadt Stuttgart. Aus dem Cluster Sterbeund Trauerbegleitung sind Kurse entstanden, die zum Trauerbegleiter qualifizieren. Die dritte Arbeitsgruppe hat sich überlegt, wie sich Migranten besser mit Pflege- und ­Hospizangeboten sowie den kulturellen Gepflogenheiten auseinandersetzen können. Unter anderem haben sie eine Info-Bus-Tour entwickelt, bei der Migranten andere Migranten zu dem Thema informieren. Indem sie Themen wie diese aufgreifen und Menschen in eine aktive Rolle versetzen, tragen Bürgerstiftungen zu einer sozial nachhaltigen Entwicklung bei.

3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit

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Kindern Demokratie beibringen Dass Bürgerstiftungen geeignet sind, die politische Kultur zu beflügeln, zeigt das Beispiel der Bürgerstiftung Barnim Uckermark. In der Vergangenheit sorgten rechtsextreme Aktivitäten in der Region um die Kreisstadt Eberswalde für Entsetzen. Die Bürgerstiftung Barnim Uckermark will das ändern – und adressiert besonders Kinder. Möglichst früh sollen sie Erfahrungen mit demokratischen Prozessen sammeln. Bei dem Projekt „Kinderrechte in der Kommune“ geht es darum, dass Kinder lernen, welche Rechte sie haben und wie sie am besten von ihnen Gebrauch machen. In einem konkreten Fall haben sich Fünft- und Sechstklässler für einen Zebrastreifen vor ihrer Schule eingesetzt. Was zunächst einfach

klingt, erweist sich schnell als ziemlich komplex. Die Schüler müssen andere von ihrem Vorhaben überzeugen und dazu bewegen, sich der Initiative anzuschließen. Es gilt, das weitere Vorgehen zu organisieren, die Idee auszuformulieren und sich an die richtigen Stellen zu wenden. Die Schüler lernen, dass sie die Realität selbst beeinflussen können, dass es Spaß macht, gemeinsam etwas umzusetzen. Vom Ergebnis profitieren schließlich alle. Auch diejenigen, die sich gegen das Projekt ausgesprochen haben – sie lernen, demokratisch gefasste Beschlüsse zu ­akzeptieren.

Über die Herzen die Köpfe erreichen: Mit Fußball gegen ­Politikverdrossenheit Die Fußballbegeisterung von Jugendlichen für Bildungsangebote nutzen: Das ist die Idee des Lernorts Fußballstadion. Nach dem englischen Vorbild der „Study Support Center“ fördert die Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der Bundesliga-Stiftung seit 2010 Lernzentren zur politischen Bildung in Fußballstadien der ersten bis dritten Liga. Bislang wurden Lernzentren u. a. in Dortmund, Bochum, Bremen, Berlin, ­Bielefeld, Gelsenkirchen, Frankfurt, Dresden, Rostock, Nürnberg und Kaiserslautern/ Saarbrücken eingerichtet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Themen wie Grundrechte, Globalisierung, soziale Ungleichheit, Rechtsextremismus und Rassismus.

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„Die Begeisterung für den Fußball bietet die Chance, politikverdrossene junge ­Menschen zu erreichen und für gesellschaftliche Diskussionen zu gewinnen“, sagt Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung. Die Arbeit in den Lern­ zentren hilft insbesondere bildungsfernen und sozial benachteiligten Jugendlichen dabei, Verantwortung für sich und in der Gesellschaft wahrzunehmen, soziale Kompetenzen zu stärken und eigene Haltungen zu reflektieren. Projektpartner der beiden Stiftungen sind die lokalen Fanprojekte der Fußballclubs, die vor Ort die eigenverantwortliche Organisation der Lernzentren übernehmen. Mit den Fördergeldern gestalten sie ihre Arbeit entsprechend den thematischen Bedürfnissen und Besonderheiten in der jeweiligen Stadt. Regelmäßig veranstalten die Stiftungen Runde Tische, um die Lernzentren untereinander zu vernetzen und zu qualifizieren. Der gesamte Prozess wird wissenschaftlich begleitet.125

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Stärkung der demokratischen Kultur Die Bedeutung von Qualitäts­ journalismus für die Demokratie – vor Ort und im Internet Bei vielen dieser Aktivitäten wird die Bürgerstiftung Barnim Uckermark – ebenso wie die Bürger.Stiftung.Halle sowie Bürger­ stiftungen in Chemnitz und ­Sangerhausen – von der Amadeu Antonio Stiftung unterstützt. Die Stiftung wendet sich gegen eine rechtsextreme Alltagskultur. Dazu informiert und diskutiert sie öffentlich, macht Rechtsextremismus durch Öffentlichkeitsarbeit zum Thema und stärkt Initiativen gegen Fremdenhass. Ihre wichtigste Aufgabe aber besteht darin, „[l]okale Akteure über eine finanzielle Unterstützung hinaus zu ermutigen, ihre Eigeninitiative vor Ort zu stärken“.126 Vor allem kleinere Initiativen, die häufig nicht auf dem Radar größerer Förderer auftauchen und die personell nicht in der Lage sind, lange Anträge auf Fördermittel einzureichen, erhalten Unterstützung von der Stiftung. Der Stiftung kommt zu­ gute, dass sie einen jugendlichen Ton trifft. Zum Beispiel unterstützt sie die „Brothers Keepers“, ein Netzwerk afrodeutscher HipHopper, das sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzt. Das Engagement für eine demokratische Kultur als Basis einer zusammenhaltenden, nachhaltigen Gesellschaft findet auch im virtuellen Raum statt. Das Internet ist ein Universum – mit zahlreichen Parallelwelten, in denen sich unter anderem Fundamentalisten oder politische Extremisten austauschen und organisieren. Jugendliche können diese gefährdenden Seiten durch ein paar Klicks erreichen. Weil Rechtsextreme ihre Gefolgschaft auch im Internet ködern, unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung mehrere Initiativen wie „Mut gegen rechte Gewalt“ oder „Netz gegen Nazis“, um über rechte Machenschaften aufzuklären und so zu verhindern, dass Kinder und Jugend­ liche auf die Taktiken der extremen Rechten ­hereinfallen.

Das Internet ist als digitales Mitmach­ medium jedoch auch eine Herausforderung für die etablierten Medien. Im demokratischen System übernehmen sie eine herausragende gesellschaftliche Funktion: Sie informieren und bilden. Sie sind Watchdogs, die den Regierenden und Einflussreichen auf die Finger schauen. Und als Mediatoren vermitteln sie zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten und der Bevölkerung. Doch die Medien- und Verlagshäuser stehen unter gewaltigem Druck. Im Zuge der Digitalisierung und der Verbreitung kosten­ freier Inhalte im Netz sahen sich in den letzten Jahren vor allem die Printmedien zu radikalen Kürzungen gezwungen. Viele Redaktionen wurden zusammengelegt und ausgedünnt. Die daraus resultierenden Trends „Entgrenzung und Boulevardisierung“ 127 sind daher kaum verwunderlich, nichtsdestoweniger potenziell demokratie­ gefährdend. Denn hinter diesen Schlag­ wörtern verbirgt sich die Tendenz, dass sich die Auswahl von Nachrichten weniger am Informationsgehalt als an der Nachfrage orien­tiert und dass politische Prozesse stark vereinfacht dargestellt werden. Anstelle von Inhalten geht es immer häufiger um Personen, es wird familiarisiert, melodrama­ tisiert und visualisiert.128 Im Zuge dieser Entwicklung verkürzen Medien die Vermittlung der politischen Entscheidungsprozesse derart, dass sie deren Komplexität nicht gerecht werden. Die Bürger bekommen ein wirklichkeitsfernes Bild der Politik und zweifeln an den Fähigkeiten ihrer Politiker. 77

3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Zwar steht Deutschland noch relativ gut da: Es gibt Qualitätszeitungen und -­ sender, die sich vor Vorverurteilungen hüten, ausgewogen, interessant und anschaulich berichten und Missstände aufklären. Damit Qualitätsmedien ihr Niveau aufrecht erhalten k­ önnen, machen sich Stiftungen für die Zukunft des Qualitätsjournalismus stark. Einerseits geht es dabei um Qualifizierung. Die Rudolf-Augstein-Stiftung ermöglicht mit der Stiftungsprofessur „Praxis des Qualitäts­journalismus“, dass ausgewiesene Experten ihr Wissen an die Nachwuchsjournalisten weitergeben. Die nach dem ehemaligen Herausgeber der Frankfurter Rundschau benannte Karl-Gerold-Stiftung fördert seit 1975 die Ausbildung von Journalisten, unter anderem durch Stipendien. Andererseits steht die Frage alternativer Finanzierungsmodelle im Raum. In ihrer Gesprächsreihe „Stiftungen und demokratische Öffentlichkeit“ beleuchtet die BMW Stiftung Herbert Quandt gemeinsam mit der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik und der Volkswagen Stiftung die Möglichkeiten der Förderung des Qualitätsjournalismus. Die Initiative will ausloten, inwiefern Stiftungen dazu beitragen können, den deutschen Qualitätsjournalismus langfristig zu erhalten.

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Resümee Bürgerbeteiligung ist eine Erfolgsbedingung für soziale Nachhaltigkeit. Anders als die landläufige Annahme, engagierte Bürger („Wutbürger“) verhinderten Fortschritt und Entwicklung, nahelegt, gibt es gute Chancen, dass mehr Bürgerbeteiligung zu einer nachhaltigeren Entwicklung führt. Stiftungen bieten hier zahlreiche Partizipa­ tionsmöglichkeiten. Durch die Unterstützung und Organisation unterschiedlicher Beteiligungsformate ermöglichen sie es den Bürgern, sich mit Ideen und Taten in den politischen Prozess einzuschalten. Die Herausforderung besteht darin, dass sich das Engagement nicht gleichmäßig über alle gesellschaftlichen Gruppen verteilt und ein wachsender Teil der Bevölkerung das Interesse an den eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten verliert. Hält dieser Trend an, unterminiert er das demokratische System. Stiftungen können dazu beitragen, die Demo­kratie zu stabilisieren, wenn es ihnen gelingt, auch diejenigen zu erreichen, die bislang noch nichts von diesen Möglichkeiten wissen oder sie zumindest nicht nutzen. Im Sinne einer sozial nachhaltigen Entwicklung geht es darum, dass diese Menschen mehr Anerkennung erfahren, wenn sie sich beteiligen. Wenn ihre Interessen ebenfalls Berücksichtigung finden, hilft das auch, ihre Akzeptanz für das politische System zu erhöhen.


Für die Zukunft der Demokratie ist ferner relevant, wie sich der Journalismus als Kontroll- und Informationsinstanz entwickelt. Wache Medien können nicht nur Probleme aufdecken und beseitigen helfen, sondern durch Information und Aufklärung auch zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Angesichts schwindender Einnahmequellen durch die kostenlose Verbreitung digitaler Inhalte können auch Stiftungen einen kritischen Journalismus unterstützen. Zu bewährten Leistungen wie Stipendien könnten sich noch stärker andere Formen der Unterstützung gesellen. Die Frage, auf welche Art das am besten gelingt, ist noch lange nicht abschließend beantwortet. In jedem Fall können auch Stiftungen zu mehr sozialer Nachhaltigkeit beitragen, indem sie nicht nur den „offenen Wettbewerb um die besten Lösungen für gesellschaft­ liche Probleme“ 129 beleben, sondern zudem die Bürger in die Lage versetzen sich einzubringen. Dazu braucht es Fingerspitzengefühl, auch gegenüber der Politik. Schließlich sind Stiftungen keine Hauptakteure des politischen Systems und im Gegensatz zu gewählten Politikern auch nicht demokratisch legitimiert. Dessen ungeachtet zählen Stiftungen selbst zu den Blüten einer von Vielfalt geprägten demokratischen Kultur. Indem sie die Demokratie stärken, festigen sie auch ihren eigenen Status.

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3 – Bürgerbeteiligung als Mittel gegen Politikverdrossenheit


Fazit Dass verschiedene Phänomene eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen, ist längst kein Geheimnis mehr. Unseren Kindern und Enkeln hinterlassen wir einen geplünderten Planeten und marode Staatshaushalte. Im Sinne der Generationengerechtigkeit reagieren zahlreiche Stiftungen diesbezüglich sensibel. Sie üben politischen Druck aus, beispielsweise indem sie ihre Forderungen an politische Akteure adressieren, durchaus auch mit medialer Verstärkung. Sie informieren die Öffentlichkeit über langfristige Trends oder über unangenehme Wahrheiten wie den horrenden virtuellen Wasserverbrauch und dessen Auswirkungen in Ländern mit Wassermangel. Zudem zeigen Stiftungen (auch durch konkrete Beispiele) auf, wie sich Verantwortungsbewusstsein in den Handlungen Einzelner, etwa einem nachhaltigen Konsum, manifestiert.

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Auch im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit besteht Handlungsbedarf. Vor allem die soziale Ungleichheit und die ungerechte Verteilung von Teilhabechancen sind ­gravierende Missstände. Schwindet der gesellschaftliche Zusammenhalt weiter, schadet das der ganzen Gesellschaft. Mehr soziale Nachhaltigkeit ist daher dringend erforderlich. Leider stimmen die staatlichen Versuche, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen, ­wenig optimistisch. Die Kluft zwischen den unter­ schiedlichen gesellschaftlichen ­Milieus wird nicht kleiner. Das wäre allerdings die Voraussetzung, um die Gesellschaft so zu gestalten, dass sie langfristig die besten Ergebnisse für die größtmögliche Anzahl ihrer Mitglieder hervorbringt. Diesem Staatsversagen entgegenwirken könnte die Übertragung von Entscheidungsfunktionen auf zivilgesellschaftliche Akteure. Dafür benötigen die Bürger aber die entsprechenden Qualifikationen. Das ist auch eine Bildungsfrage. Im Bildungsbereich demonstrieren Stiftungen durch gute Programme – zum


Beispiel Lernen vor Ort oder buddY –, wie sich viele Zustände verbessern, wenn die Akteure einmal aufgerüttelt werden und zu kooperieren beginnen. Wie erfolgreich das konkret sein kann, zeigt die sektorenübergreifende Zusammenarbeit von Kommunen, Schulen, Stiftungen und Eltern. Die Stärke von Stiftungen liegt auch in ihrer Möglichkeit, einen kulturellen Wandel vorzuleben. Durch ihre Vielgestaltigkeit bilden sie die Mosaiksteinchen eines neuen Gesellschaftsbildes. Sie forschen zu Nachhaltigkeitsthemen, kommunizieren die Ergebnisse öffentlichkeitswirksam und machen hundertfach Angebote, wie sich der gesellschaftliche Wandel umsetzen und leben lässt. Bei dieser wichtigen Aufgabe hilft den Stiftungen auch ihr sprichwörtlicher langer Atem. Wie sinnvoll es für Stiftungen ist, sich längerfristig zu engagieren anstatt nur Projekte anzustoßen, wurde in den vielfältigen Beispielen dieses Reports gezeigt. Auch auf politischer Ebene bewirken Stiftungen ein Umdenken. Sie bringen verschiedene Akteure an einen Tisch und verhelfen auch weniger Privilegierten zu der Möglichkeit, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren. Das von verschiedenen Stiftungen unterstützte Community Organizing steht Pate für diese Entwicklung. Auf diese Weise tragen Stiftungen dazu bei, das Fundament der Gesellschaft zu festigen und sie in sozialer Hinsicht nachhaltiger zu machen.

Was Stiftungen noch besser ­machen können Strukturelle Veränderungen sind nachhaltiger als individuelle Ansätze. So hilfreich singuläre Förderungen im konkreten Fall sein mögen, so wenig helfen sie, die Situation insgesamt zu verbessern. Diese Einzelfallunterstützung kann sogar dazu führen, als ungerecht wahrgenommene Zustände zu zementieren. Schließlich gibt es ja „Retter“, die den Bedürftigen mit einem Stipendium helfen – sofern sie ausreichend leistungs­ bewusst sind. Stiftungen könnten noch mehr Mut aufbringen, wenn es darum geht, Missstände zu thematisieren. Nur wenige verstehen sich bislang als politische Akteure. Als inter­ venierende Organisationen haben Stiftungen aber zwangsläufig auch ein politisches Gesicht. Es stellt sich die Frage, wie Stiftungen ihre Destinatäre identifizieren. Dabei ist ein gewisser „Herdentrieb“ nicht zu übersehen. Häufig bestimmen gesellschaftliche Moden, wer gerade besonders bedürftig ist. Ist eine solche Zielgruppe identifiziert, wollen sich auf einmal viele Stiftungen für sie engagieren. Das muss keineswegs falsch sein. Dennoch bleiben bestimmte gesellschaftliche Randgruppen meist unbeachtet. Wer kümmert sich schon gern um jugendliche Intensivtäter? Hier wäre es angebracht, Berührungsängste abzubauen. Andere Gruppen werden ebenfalls selten genannt, wenn Stiftungen über ihre Arbeit referieren, vielleicht weil sie zu unübersichtlich und heterogen sind. So wären zum Beispiel viele alleinerziehende Eltern, zumeist Mütter, dafür dankbar, wenn es bessere Strukturen gäbe, die sie entlasten. Ein derartiges ­Engagement zahlt sich für die ganze Gesellschaft aus.

Fazit

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Stiftungen denken und agieren teilweise zu selbstreferenziell. Das Personal der deutschen Stiftungen ist recht homogen und von einer akademischen Mittelschicht geprägt. Unter diesen Bedingungen wundert es nicht, wenn Angehörige gesellschaft­licher Minderheiten wenig mit dem Stiftungswesen anfangen können. Wichtige Impulse werden so gar nicht erst ins Stiftungswesen getragen. Viele Stiftungen könnten noch offener werden und ihren Blick für die Situation bislang fremd erscheinender Milieus s­ chärfen. Eine der zentralen Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besteht darin, diejenigen einzubinden, die bislang exkludiert sind. Wenn sich Wege gegen Resignation und gegen politische Apathie finden, wenn es gelingt, die Teilnahmslosen, Desinteressierten zu gewinnen, dann ist viel gewonnen. Auch was die Unterstützung für das demokratische System betrifft. Zu berücksichtigen ist allerdings: Hauptarena der demokratischen Auseinandersetzung, der Diskussion unterschiedlicher Interessen, der Entscheidung über politische Wege, sind die altbekannten demokratischen Institutionen: Parteien, Parlamente, Regierungen. Stiftungen können bei der Aggregation von Interessen unterstützen und Debatten um sachorientierte Beiträge und ungewöhnliche Blicke bereichern. Sie können diese Institutionen unter keinen Umständen ersetzen. Dazu sind sie weder in der Lage noch legitimiert.

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Wenn Stiftungen als Teil der Zivilgesell­ schaft die Demokratie stärken wollen, können sie das vor allem, weil sie Vertrauen genießen. Um das nicht zu verspielen, ist ein hohes Maß an Transparenz geboten, ebenso wie die Vermeidung von Selbstgefälligkeit, Eitelkeit und Arroganz.

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Gewiss, dies sind nur einige Punkte – sowohl des Lobes als auch der Kritik. Doch sie zu berücksichtigen, kann helfen, das gesellschaftliche Fundament zu stärken. Wie eingangs festgestellt wurde, gibt es Ungerechtigkeiten, die die Gesellschaft(en) – heute und in der Zukunft – zu zersetzen drohen. Ebenso wie im ökologischen Bereich existiert im sozialen Bereich erheb­ licher Handlungsbedarf. Dabei berührt der Nachhaltigkeitsdiskurs immer wieder auch Systemfragen, also Probleme, die nicht durch Entscheidungen innerhalb eines Politikfeldes zu lösen sind, sondern grundlegendere, auch radikale Ansätze erfordern. Bei der Frage der nuklearen Energieversorgung sind die Widersprüche nicht zu übersehen – was bringt es Deutschland, Atomkraftwerke abzuschalten, wenn in Europa und anderen Erdteilen neue entstehen? Bei den demografischen Fragen gibt es unzählige Einflussfaktoren. Wie das Bildungssystem gestaltet ist, ob das dreigliedrige Schulsystem zukunftsweisend ist, ob Ganztagsschulen eine Garantie für eine gerechtere Verteilung von Teilhabechancen sind – all diese Fragen sind hoch umstritten. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich wenig bis nichts bewegt. Dass Deutschland für seine Reformstaus bekannt ist, verstärkt diesen Eindruck. Umso wichtiger ist es, dass sich Akteure finden, die handeln, statt nur zu reden, die für das einstehen, was sie für richtig halten, die neue Wege beschreiten und die gesamte Gesellschaft ein Stück voran­bringen. Diese Rolle nehmen Stiftungen ein – und unterstützen so die Nachhaltigkeit der ­Gesellschaft.


Kurzporträts Für mehr Bildung und Chancen­ gerechtigkeit

Gemeinnützige Hertie-Stiftung Mit dem Projekt „stark! Verantworte Deine Zukunft“ will die Hertie-Stiftung das individuelle Potenzial von Hauptschülerinnen und -schülern sichtbar machen. An drei Standorten, Berlin, Frankfurt am Main und Mannheim, begleitet ein professioneller Bildungscoach die Jugendlichen über einen Zeitraum von drei Jahren. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie plane ich meine Zukunft? Wie kann ich mich auch in schwierigen Momenten dazu motivieren, meine Ziele zu verfolgen? Wie nehme ich mich selbst wahr und wie wirke ich auf andere? Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern erkundet der Coach ihre Interessen und Stärken, koordiniert schulische und außerschulische Bildungsangebote und stellt individuelle Bildungspläne zusammen.

Evonik Stiftung Seit Anfang 2009 führt die Evonik Stiftung mit Sitz in Essen die Aktivitäten der ­Degussa Stiftung fort. Sie widmet sich besonders der Förderung junger Forscherinnen und Forscher im Bereich der Naturwissenschaften sowie den Themen Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung. Neben ihren Stipendien für Forschungsarbeiten und -projekte kümmert sich die Evonik Stiftung auch um die ganz jungen Neugierigen: Auf der Lernwebseite „Professor Proto’s Fantastisches Institut“ gibt die sympathische Comicfigur Professor Proto Antworten auf Fragen der Chemie, z. B. „Wie wird eigentlich aus Kartoffeln Klebstoff?“ Außerdem lernen Grundschulkinder die Geschichte der ­Chemie anhand praktischer Beispiele kennen. www.evonik-stiftung.de www.professor-proto.de

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www.ghst.de/stark

Kurzporträts


Stiftung Demokratische Jugend

Studentenstiftung Dresden

Die Stiftung Demokratische Jugend unterstützt die Jugendarbeit in den neuen Bundesländern. Sie fördert Initiativen, die jungen Menschen eine Zukunft in ihrer Heimatregion ermöglichen. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Stiftung im Jahr 2005 die Koordinierungsstelle „Perspektiven für junge Menschen“ eingerichtet: Förderprojekte, Wettbewerbe und Programme sollen positive Impulse in Regionen setzen, die von Abwanderung und dem Rückbau sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Infrastruktur betroffen sind.

Seit 2005 setzt sich die Studentenstiftung Dresden nach dem Prinzip „Studenten verbessern ihr Umfeld selbst“ für bessere Studienbedingungen ein. Hier arbeiten Studentinnen und Studenten, Alumni, Bürger und Unternehmen zusammen. So kann die Stiftung z. B. zusätzliche Sprachkurse anbieten, etwa in Türkisch oder Gebärdensprache, sie ermöglicht längere Öffnungszeiten der Unibibliothek und hat die „Nightline“ eingerichtet – ein Zuhörtelefon für Studenten in Notlagen. Langfristig stärkt das wachsende Stiftungskapital die Studien- und Forschungsstadt Dresden.

www.jugendstiftung.org

www.studentenstiftung.de

Stiftung BoJe In Ostfriesland wurde 2011 die Stiftung BoJe gegründet, die sich für Ausbildungschancen sozial benachteiligter Jugendlicher engagiert. Die Stiftung geht aus dem Verein „Verbund Ausbildung Ostfriesland“ hervor. Dieser setzt sich seit fünf Jahren für die Themen Jugendarbeitslosigkeit und Berufsausbildungen in Kooperation mit zahlreichen anderen Einrichtungen ein. Seit Gründung hat der Verein nahezu 400 jungen Menschen in die Ausbildung geholfen. Ein erfolgreiches Projekt ist z. B. das „Patennetzwerk“, in dem Senioren junge Leute auf dem Weg zum Schulabschluss und beim Einstieg in die Berufsausbildung begleiten. www.stiftung-boje.de

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Bertelsmann Stiftung

Stiftung Mercator

Die Bertelsmann Stiftung widmet sich im Programm „Wirksame Bildungsinvestitionen“ der Frage, wie in ganzheitliche Bildung wirksamer investiert werden kann. Ziel des Programms ist es, die Bildungschancen aller Kinder zu verbessern. Hierzu ist auch eine solide Datengrundlage erforderlich. Das Projekt KECK setzt an dieser Stelle an: Es liefert Informationen zu den unterschiedlichen Lebensbedingungen von Kindern in Deutschland und trägt dazu bei, ein systematisches Monitoring zu den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Lage von Kindern aufzubauen. Der KECK-Atlas gibt beispielsweise Antworten auf folgende Fragen: Unter welchen Bedingungen wachsen Kinder auf? Wie geht es den Kindern in ihrem Lebensraum? Wie werden Bildungs- und Entwicklungschancen von Kindern durch das Umfeld beeinflusst?

Seit 2010 fördert die Stiftung Mercator zusammen mit dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW die „Zukunftsakademie NRW“ – ein Projekt, das die Konzepte Kulturelle Bildung und Interkultur miteinander verbindet. Der Akademie liegt ein umfassendes Bildungsverständnis zugrunde: Sie will allen den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen und somit durch Bildung Chancengleichheit und Teil­ habe an gesellschaftlichen Prozessen fördern. Dies erreicht sie als Forschungsstätte für zukunftsrelevante Themen der Stadt­gesellschaft, als Laboratorium für Praxisprojekte in NRW sowie als Vernetzungs- und Qualifizierungseinrichtung für Fachkräfte.

www.bertelsmann-stiftung.de www.keck-atlas.de

Stiftung Bildungspakt Bayern

www.stiftung-mercator.de

Wenn Schule und Elternhaus besser zusammenarbeiten sollen, hilft kein „Standardkonzept“. Stattdessen sind vielfältige Maßnahmen für eine zukunftsweisende Elternarbeit notwendig. Das hat die Stiftung Bildungspakt Bayern erkannt und das Projekt „AKZENT Elternarbeit“ initiiert. Ein Schwerpunkt ist dabei die Entwicklung schulspezifischer Konzepte. Diese berücksichtigen die besonderen Bedingungen vor Ort und die damit verbundenen Anforderungen an die Zusammenarbeit mit den Eltern. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz moderner Kommunikationsmedien, die einen kontinuierlichen Austausch ermöglichen sollen. In der „Ideenbörse“ werden z. B. online Vorschläge von Eltern und Erziehern zur Verbesserung der Zusammenarbeit gesammelt. www.bildungspakt-bayern.de

Kurzporträts

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Für Verständigung und Teilhabe

BMW Stiftung Herbert Quandt und Körber-Stiftung Die Initiative „Generationsbrücke Deutschland“ bringt nach amerikanischem Vorbild Jung und Alt zusammen. Sie leitet und begleitet regelmäßige Begegnungen zwischen Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen einerseits sowie Kindergarten- und Schülergruppen andererseits. Das Konzept setzt auf aktive Beschäftigung miteinander, mit dem Ziel, die Lebensqualität und -freude aller Beteiligten, vor allem auch Demenzkranker, nachhaltig zu erhöhen und die junge Generation für die Lebenssituation und Bedürfnisse alter und pflegebedürftiger Menschen zu sensibilisieren. Die Initiative hat sich mittlerweile auf sechs Standorte in vier Bundesländern ausgedehnt. Gefördert wird die Generationsbrücke Deutschland unter anderem von der BMW Stiftung ­Herbert Quandt und der Körber-Stiftung. www.generationsbruecke-deutschland.de www.bmw-stiftung.de www.koerber-stiftung.de

Stiftung Dialog der Generationen Die Stiftung Dialog der Generationen engagiert sich für die Wertschätzung und Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe älterer Menschen. Sie fördert z. B. Informationskampagnen, Programme, aber auch Forschung und Beratung. Dabei liegt der Fokus auf Erträgen und Beiträgen von Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die sich im Umgang mit anderen Generationen verdient gemacht haben. Das Ziel der Stiftung ist es, ein neues Altersbewusstseins in der Gesellschaft zu verankern und faire, gerechte Generationenverträge zu entwickeln. www.dialog-der-generationen.de

Gold-Kraemer-Stiftung Die Gold-Kraemer-Stiftung verhilft seit 1972 geistig und körperlich behinderten sowie armen, alten und kranken Menschen zu mehr Akzeptanz und Teilhabe. Dies zeigt sich z. B. im Familienzentrum Köln-Kalk. Hier werden die Angebote verschiedener Träger und Sozialverbände gebündelt – das erspart lange Wege. Und es macht das Zentrum der Gold-Kraemer-Stiftung zu einer wichtigen Begegnungsstätte in einem Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Migrationsgeschichten. Neben den Gruppenräumen, dem Café-Bistro „KölnKlaaf“ und einem Kunstatelier bietet das Familienzentrum auch eine Behindertenwohnstätte sowie eine Beratungsstelle für Familien. Das ­Zentrum für Frühbehandlung und Frühförderung hält außerdem ein umfassendes Fortbildungsangebot bereit. www.gold-kraemer-stiftung.de

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Claussen-Simon-Stiftung

Deutsche Stiftung Mediation

Mit der Förderung wissenschaftlich und technisch begabter junger Menschen trägt die Claussen-Simon-Stiftung zur Entwicklung des Wissenschaftsstandorts Hamburg bei. Die Stiftung wurde 1982 von Georg W. Claussen gegründet und engagiert sich besonders in der Freien und Hansestadt Hamburg – der Heimatstadt der Stifterfamilie. Ab dem Schuljahr 2012/2013 liegt z. B. ein Fokus auf dem Programm „Unseren Schulen“. Diese Kooperation mit der Behörde für Schule und Berufsbildung soll das Lernen und Lehren an Hamburgs weiterführenden Schulen verbessern. Außerdem unterstützt die ClaussenSimon-Stiftung das Projekt Kultwerk: „Das öffentliche Wohnzimmer“ bietet seit 2006 Raum für Veranstaltungen, Debatten, Filmabende und vieles mehr. Hier treffen sich Hamburgerinnen und Hamburger aus verschiedenen sozialen Zusammenhängen, mit unterschiedlichen Berufen und Interessen.

Seit März 2011 beheimatet München die Deutsche Stiftung Mediation. Gegründet wurde die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts von Viktor Müller und 51 weiteren Mediatoren. Aufgabe der Stiftung ist es, Mediation in Deutschland in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig zu etablieren, um die selbstbestimmte Konfliktklärung zu stärken, die Streitkultur zu verbessern und die Rechtspflege in Deutschland zu unterstützen. Deshalb bilden Öffentlichkeitsarbeit, Bildungs­ angebote, Vorträge und Informationsstellen in öffentlichen Einrichtungen den Kern der Stiftungsaktivitäten.

www.claussen-simon-stiftung.de www.kultwerkwest.de

www.deutsche-stiftung-mediation.de

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld Es ist ein wichtiger Schritt gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, trans- und intersexuellen Menschen in Deutschland: Die Bundesregierung hat 2011 beschlossen, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mit einem Vermögen von 10 Millionen Euro zu gründen. Die Stiftung soll Anerkennung und Aufklärung für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bewirken und für mehr Respekt und Verständnis sorgen. Die Stiftungserrichtung ist im Koalitionsvertrag von Union und FDP vereinbart und war bereits im Jahr 2000 vom Deutschen Bundestag gefordert worden. Der Name geht zurück auf den Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. Magnus ­Hirschfeld. www.mh-stiftung.de 87

Kurzporträts


Für eine nachhaltige Lebensweise

Petra Kelly Stiftung Die Petra Kelly Stiftung, deren Namensgeberin Mitbegründerin der Grünen war, tritt unter anderem für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit ein, für Umweltschutz und für die Verwirklichung einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise. Mit ihrer Unterstützung erstellte der Arbeitskreis Ökologie der Studierendenvertretung an der Universität Würzburg den „Leitfaden für nachhaltiges Leben und Studieren“. Studierende werden dazu angeregt, darüber nachzudenken, wie sie ihren Alltag selbst nachhaltiger gestalten können. Der Leitfaden gibt praktische Tipps zu den Themen nachhaltiger Konsum, Energiesparen, Recycling und Mobilität. www.petrakellystiftung.de www.stuv.uni-wuerzburg.de

Stiftung Naturschutz

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Die Berliner Stadtreinigung hat, u. a. gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz, die Initiative „Trenntstadt Berlin“ ins Leben gerufen: Abfallvermeidung und Abfallrecycling sollen in der Hauptstadt populär gemacht werden. Und dabei ist besonders das Thema Mülltrennung wichtig, damit aus Berliner Abfällen so viele Wertstoffe wie möglich gewonnen werden können. Auf der Web­ seite der Initiative gibt es zahlreiche Informationen, wie jeder bei dem neuen „Trennt“ mitmachen kann. Außerdem berichtet das TrenntMagazin regelmäßig über den nachhaltigen Umgang mit Müll. www.trenntstadt-berlin.de www.stiftung-naturschutz.de

StiftungsReport 2012/13

Asko Europa-Stiftung und Stiftung Forum für Verantwortung Menschen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Erde bewegen – das ist das Ziel von „Mut zur Nachhaltigkeit“, einer Bildungsinitiative der Asko Europa-Stiftung und der Stiftung Forum für Verantwortung. Das Projekt besteht aus drei Teilen: In einer Buchreihe haben namhafte Wissenschaftler zunächst den Forschungsstand rund um das Thema „Zukunft der Erde“ verständlich aufbereitet. Aus den Inhalten der Bücher erarbeitete das Wuppertal Institut anschließend verschiedene Lehrmodule, u. a. zu den Themen „Nachhaltiger Konsum“ sowie „Ressourcen und Energie“. Die Module enthalten Übungen und Unterrichtsmaterialien für unterschiedliche Zielgruppen. Die Europäische Akademie Otzenhausen bietet außerdem Seminare und Workshops auf Basis der Lehrmodule an. www.mut-zur-nachhaltigkeit.de www.asko-europa-stiftung.de www.forum-fuer-verantwortung.de


Internationales Engagement

PATRIP-Stiftung Die KfW Entwicklungsbank und das Auswärtige Amt haben im Dezember 2011 die Gründung der gemeinsamen PATRIP-Stiftung bekannt gegeben. PATRIP steht für das „Pakistan-Afghanistan-Tadschikistan Regio­ nal Integration Programme“. Die Stiftung wird die Mittel verschiedener Geber bündeln und übergreifende Infrastrukturprojekte in den Grenzregionen zwischen Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan finanzieren. www.kfw.de

Brinkhege-Stiftung Der Bremer Hotelier Anton Brinkhege errichtete 2011 mit dem Verkaufserlös seines Hotels die Brinkhege-Stiftung. Das Grundstockvermögen in Höhe von 500.000 Euro soll langfristig auf eine Million erhöht werden. Zweck der Stiftung ist die Jugend- und Altenhilfe und die Förderung der Entwicklungszusammenarbeit. Die Erträge kommen dabei in erster Linie dem 2001 gegründeten Verein Lebenschance e.V. zugute. In diesem Verein engagieren sich rund 35 Bremer Bürgerinnen und Bürger für Projekte in Togo. Zu ihnen zählt auch der Stifter, der sich regelmäßig selbst vor Ort ein Bild von der Projektarbeit des Vereins macht. www.togo-hilfe.de

Volkswagen Belegschaftsstiftung Der Automobilhersteller Volkswagen baut sein gesellschaftliches Engagement an den Standorten seiner Werke aus. Ende September 2011 hat die von der Volkswagen AG errichte Volkswagen Belegschaftsstiftung mit Sitz in Wolfsburg ihre Arbeit aufgenommen. Die mit fünf Millionen Euro ausgestattete Stiftung kooperiert mit dem Kinderhilfswerk „terre des hommes“ und fördert weltweit Sozialprojekte. Mit der Errichtung der Stiftung möchte das Unternehmen die soziale Dimension der Nachhaltigkeit besonders unterstreichen. Das Kuratorium setzt sich überwiegend aus Arbeitnehmervertretern zusammen. Auch der Rockmusiker Peter Maffay engagiert sich ehrenamtlich im Kuratorium. www.volkswagenag.de

Stiftung EU-Lateinamerika-Karibik Am 7. November 2011 ist die EU-Lateinamerika/Karibik-Stiftung feierlich im Hamburger Rathaus eröffnet worden. Die Stiftung soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik stärken und den Austausch der Kulturen fördern. Der Beschluss zur Gründung wurde im Frühjahr 2010 auf dem EU-Lateinamerika/ Karibik-Gipfel in Madrid von den 60 Staatsund Regierungschefs aller beteiligten Länder getroffen. Erst im Januar 2011 hatte sich Hamburg gegen Paris und Mailand als Stiftungssitz durchgesetzt. Präsidentin der Stiftung ist die ehemalige EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. www.hamburg.de/eulac www.eulacfoundation.org

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Kurzporträts


Engagement vor Ort

Potsdamer Bürgerstiftung Vier Bürgerstiftungen gibt es bislang in Brandenburg – seit dem vergangenen Jahr hat auch die Landeshauptstadt Potsdam eine. Treibende Kraft hinter der Neugründung ist Felix Müller-Stüler, Fachanwalt für Steuerrecht und Ururenkel des preußischen Baumeisters Friedrich August Stüler. Die Stiftung will auf dem Gebiet der Stadt Potsdam tätig werden und ist breit aufgestellt: von der Förderung von Kunst und Kultur bis hin zur Völkerverständigung. Darüber hinaus will die neue Bürgerstiftung dazu beitragen, das soziale Gefälle in der Stadt zu überbrücken und eine gemeinsame Identifizierung mit Potsdam zu schaffen.

Bürgerstiftung Kronprinzenkoog Die kleine Gemeinde Kronprinzenkoog im Kreis Dithmarschen hat seit 2011 eine Bürgerstiftung: Im Dezember 2011 hat die Landesstiftungsaufsicht die Bürgerstiftung Kronprinzenkoog mit einem Grundstock­ kapital von 11.300 Euro als rechtsfähig anerkannt. Bürgermeister Thomas ­Masekowitz konnte als Initiator insgesamt 46 Gründungsstifter für die Idee begeistern. Die neue Bürgerstiftung will sich der Jugendund Altenhilfe, dem Sport, bedürftigen Personen und dem Feuerschutz widmen, soll aber auch das bürgerschaftliche Engagement in der Gemeinde fördern. www.kronprinzenkoog.de/ buergerstiftung.php

Stiftung Stadtilm

www.potsdamer-buergerstiftung.org

Bürgerstiftung Vorpommern Mit einem Grundstockvermögen von 600.000 Euro haben die Volksbank Raiffeisenbank und der Pommersche Diakonieverein 2011 in Greifswald die Bürgerstiftung Vorpommern errichtet. Unter dem Motto „Gemeinsam mehr erreichen“ wollen die Initiatoren für bürgerschaftliches Engagement in Vorpommern werben. Jede künftige Zustiftung bis zur Erreichung der Summe von zusätzlichen 500.000 Euro wird durch die Bank verdoppelt. Mit regionalen Stiftungsfonds nach dem Prinzip „Bürger für ...“ will die Stiftung in allen Teilen Vorpommerns Fördermaßnahmen vor Ort anschieben. 90

www.buergerstiftung-vorpommern.de

StiftungsReport 2012/13

25.000 Euro wurden für die Verbesserung der Lebensqualität im kleinen Städtchen Stadtilm, südlich von Erfurt, gestiftet. Die Stiftungsgründung geht auf die private Initiative des Stadtilmer Bürgermeisters ­Joachim Günsel zurück. Beraten wurde ­Günsel vom geschäftsführenden Direktor des Abbe-Instituts für Stiftungswesen, welcher viele Stiftungsgründungen in seiner Heimat begleitet. Auf dem Projektplan der jungen Stiftung stehen die Umgestaltung des Quartiers rund um das ehemalige Amtsgericht, der Bau von altersgerechten Wohnungen und das Vorantreiben der Nutzung von Solarenergie in der thüringischen Stadt. Dazu setzt die Stiftung auf Förderung durch andere Stiftungen und Fördertöpfe.


Stiftung Schönes Stuttgart

Stiftung Pauliner Marsch

Anlässlich seines 150-jährigen Bestehens hat der Verschönerungsverein Stuttgart die Stiftung Schönes Stuttgart gegründet. Park, Wald, Denkmal, Stadtbild: Die Stiftung ist die erste Stiftung in der Landeshauptstadt Stuttgart, die sich für alle Arten stadtbildrelevanter Objekte einsetzen wird. Mit Hilfe der neuen Förderstiftung will der 1861 gegründete Verein mit derzeit 580 Mitgliedern Spenden und Zustiftungen einwerben. Mit den Erträgen wird vornehmlich die Arbeit des Vereins bei neuen Projekten und die Instandhaltung bestehender Anlagen unterstützt. Der Verschönerungsverein ist Eigentümer von fast 40 Grünanlagen, Aussichtsplätzen, Aussichtstürmen, Denkmälern, Brunnen, Schutzhütten und alten Häusern. Außerdem veröffentlicht er seit rund 50 Jahren Stellungnahmen zu großen Bau- und Verkehrsprojekten in der Stadt.

Die Pauliner Marsch ist ein Überschwemmungsgebiet am Rande der Weser, das nicht nur als Naherholungsgebiet bekannt ist. Fußballfans ist vor allem das ­Weserstadion des SV Werder Bremen ein Begriff, das inmitten der Pauliner Marsch liegt. Wenn über 40.000 Fans auf Erholung suchende Spazier­gänger treffen und außerdem noch zwölf Sportvereine ihre Arbeit organisieren, bleiben Konflikte nicht aus. Um die Interessen in der Pauliner Marsch auszubalancieren, hat der SV Werder Bremen 100.000 Euro für die gleichnamige Stiftung bereitgestellt. Zweck der Stiftung ist die Förderung von Sport, Bildung, Landschaftspflege und Naherholung in der Pauliner Marsch. www.ortsamtmitte-bremen.de

www.stiftung-schoenes-stuttgart.de

Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ Die Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ wurde im November 2011 mit einem Stiftungskapital von 3,7 Millionen Euro errichtet. Laut Satzungszweck soll sie das bürgerschaftliche Engagement und private Initiative in Hessen weiter stärken. Dafür wird sie als Dienstleisterin für bestehende private Initiativen und Organisationen wirken, unter anderem als Anlaufstelle bei der Gründung von Bürgerstiftungen. Zudem will sie eigene Projekte umsetzen und gesellschaftliche Debatten anregen. Das Modell der Stiftung „Miteinander in Hessen“ ist auch auf andere Bundesländer übertragbar. Zu den Kooperationspartnern zählt der Bundesverband Deutscher Stiftungen.

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www.miteinander-in-hessen.de

Kurzporträts


KAPITEL 4 Kinderbefragung des Bundes­verbandes Deutscher Stiftungen:

Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen In Deutschland wird viel für die Bildung und Teilhabe von jungen Menschen getan. Es gibt staatliche Programme für die soziale, schulische und berufliche Integration und zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für Kinder und Jugendliche stark machen.

Gewiss ist das eine Übertreibung, zumal sich die Umsetzung des Bildungspakets mittlerweile erfreulich entwickelt. Immer mehr leistungsberechtigte Kinder und ­Jugendliche profitieren von den Zuschüssen für Mittagessen, Freizeitangebote, Lern­ förderung und vieles mehr.

Ob das Engagement ausreicht, ist die eine Frage. Die andere ist: Was halten Kinder und Jugendliche von den Angeboten?

Das sah zu Beginn anders aus: Heftige Kritik mussten das Bildungspaket und seine „Erfinderin“, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, einstecken. Für zu viel Bürokratie und zu wenig Absprache mit Fachleuten aus der Zivilgesellschaft. Die Debatte wurde, wie so oft, über die Köpfe der Kinder hinweg ­geführt.

Die eigentliche Zielgruppe wird eher selten nach ihrer Meinung und ihren Wünschen gefragt, denn für die Entwicklung von Förderprogrammen sind häufig Experten und Fachleute zuständig. Das ist richtig und wichtig. Wenn allerdings, wie Anfang 2011, ein Milliarden schweres „Bildungs- und Teilhabepaket“ 130 aus der Taufe gehoben wird und die Nachfrage ausbleibt, sind kritische Betrachtungen durchaus angebracht. Das Angebot ist da, aber keiner nutzt es.

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StiftungsReport 2012/13


Kinder und Jugendliche werden eher selten gefragt, wenn es um die Entwicklung von Förderprogrammen geht. Im August 2011 befragte der Bundesverband Deutscher Stiftungen deswegen 300 Kinder und Jugend­liche zu Freizeitbeschäftigungen, zum Schul­essen, Nachhilfe und anderen Aktivitäten, die vom Staat oder der Zivil-

gesellschaft gefördert werden. Die Befragungsergebnisse zeigen: Programme wie etwa das Bildungs- und Teilhabepaket zielen auf die richtigen Bereiche. Dennoch gibt die Kinderbefragung Hinweise darauf, dass das Angebot hierzulande weiter ausgebaut werden muss.

Was wollen die Kinder und ­Jugendlichen?

Bildungs- und Teilhabeangebote sich junge Menschen tatsächlich interessieren. Dabei wurden sowohl leistungsberechtigte 132 als auch nicht-leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche befragt. Durch die Aufteilung in zwei Gruppen lassen sich Unterschiede bei der Nutzung von Freizeit- und Bildungsangeboten erkennen.

Ein halbes Jahr nach dem Start des Bildungspakets führte der Bundesverband Deutscher Stiftungen eine Befragung unter 300 Kindern und Jugendlichen durch.131 Ziel war es, herauszufinden, für welche

Methode Befragungsmethode

Adhoc-Onlinebefragung 133

Grundgesamtheit

Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 18 Jahren, n = 7,8 Mio.134

Stichprobengröße Stichprobenauswahl

Feldzeit

n = 300 135

Die Auswahl erfolgte anhand eines Quotierungsverfahrens mit folgenden Vorgaben: Leistungsberechtigung der Familien

leistungsberechtigt: 50 Prozent nicht-leistungsberechtigt: 50 Prozent

Alter

9 bis 12: 39 Prozent 13 bis 15: 31 Prozent 16 bis 18: 31 Prozent

Geschlecht

männlich: 51 Prozent weiblich: 49 Prozent

93

19.08.2011 bis 25.08.2011

4 – Umfrage


Ergebnisse

Aktivitäten nach Beliebtheit Prozent 20

Lieblingsbeschäftigung? Im Internet surfen! Wenn es um die beliebtesten Freizeitaktivitäten geht, sind sich die Kinder und Jugendlichen einig: Ganz oben steht das World Wide Web, dicht gefolgt von Fernsehen und Computer spielen. Aber kein Grund für den pädagogischen Zeigefinger. Auch draußen spielen und Lesen stehen nach wie vor hoch im Kurs. „Wie gerne machst du folgende Dinge?“ (Zusammenfassung der Antworten „Mache ich sehr gerne“ und „Mache ich gerne“, n=300) Leistungsberechtigt Nicht-Leistungsberechtigt

94

StiftungsReport 2012/13

40

60

80

100

Im Internet surfen 92 95 Fernsehen 89 92 Computer/ Spielekonsole spielen 85 87 Rumhängen/ chillen 82 84 Draußen spielen 74 79 Lesen 70 79 Basteln/malen/schreiben/ tanzen/ Theater spielen 61 59 Sport nicht im Verein 61 69 Sport im Verein 53 59 In einem Verein oder einer Gruppe mithelfen 51 47 Musik machen 47 51 Jugendclub besuchen 43 29


Leistungsberechtigte Kinder machen seltener Musik und sind seltener im Verein aktiv Bei der Frage „Wie oft machst du folgende Dinge?“ gaben 20 Prozent der nicht-leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen an, dass sie mehrmals pro Woche Musik machen. In der Gruppe der Leistungsberechtigten waren dies nur 8,7 Prozent. Über die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in dieser Gruppe musizieren gar nicht (53 Prozent, im Vergleich zu rund 39 Prozent bei den NichtLeistungsberechtigten). Auch Vereinsaktivitäten üben leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche seltener aus. Auf die Frage, wie oft sie Sport in einem Verein treiben, antworteten 53 Prozent der Kinder und Jugendlichen in dieser Gruppe mit „Gar nicht“. Bei den Nicht-Leistungsberechtigten sind dies lediglich 36,7 Prozent.

Auch bei der Häufigkeit unterscheiden sich die beiden Gruppen wiederum gravierend: Nur 16,7 Prozent der leistungsberechtigten, aber 36 Prozent der nicht-leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen treiben mehrmals pro Woche Sport im Verein. Beim Engagement in Vereinen oder Gruppen (z. B. bei der freiwilligen Feuerwehr) liegen die Kinder und Jugendlichen aus leistungsberechtigten Familien leicht hinter der Vergleichsgruppe. Engagieren sich bei den Nicht-Leistungsberechtigten über die Hälfte (57,3 Prozent), so ist dies bei den leistungsberechtigten Kindern und Jugendlichen bei 45 Prozent der Fall.

„Wie oft machst du folgende Dinge?“ (n =300, in Prozent) Leistungsberechtigt Wie oft machst du Musik?

Wie oft machst du Sport im Verein?

Wie oft hilfst du in einem Verein oder einer Gruppe mit?

Mehrmals pro Woche

Nicht-Leistungsberechtigt

8,7

20,0

Gar nicht

53,1

39,3

Mehrmals pro Woche

16,7

36,0

Gar nicht

53,0

36,7

7,4

11,3

55,1

42,7

Mehrmals pro Woche Gar nicht

95

4 – Umfrage


Gibt es in Deutschland zu wenig Angebote für Kinder und Jugendliche? Wenn Kinder und Jugendliche aus leistungsberechtigten Familien nicht in Vereinen aktiv sind, kein Musikinstrument spielen oder nicht ins Theater gehen, liegt die Vermutung nahe, dass sich die Familien diese Freizeitaktivitäten nicht leisten können.

ist, warum Kinder und Jugendliche ihre Nachmittage und Wochenenden z. B. nicht in Jugendclubs oder mit dem Engagement in Gruppen und Vereinen verbringen.

Oder es wird ein altes Vorurteil als Begründung herangezogen: „Hartz IV-Eltern“ fördern ihre Kinder einfach nicht genug und legen keinen Wert auf sportliche Aktivitäten oder musische Bildung.

Fehlende finanzielle Mittel sind für die leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen aber das größte Problem, wenn es um Aktivitäten wie Sport im Verein, Musik machen und Theater- oder Konzertbesuche geht. All diese Angebote sind mit hohen Kosten, wie Monatsbeiträgen für einen Verein oder für die Musikschule, dem Kauf von Sportgeräten, Musikinstrumenten oder von Tickets für Vorstellungen verbunden.

Dass dieses Vorurteil nicht zutrifft, ist mittlerweile bekannt und es wird durch die Kinderbefragung erneut widerlegt. Aber auch Geldmangel ist nicht der einzige Grund. Die Studie des Bundesverbandes liefert Hinweise, dass der Mangel an Angeboten in der näheren Umgebung ein wesentlicher Grund

Natürlich haben einige der Kinder und Jugendlichen auch schlicht kein Interesse an den genannten Freizeitaktivitäten und üben sie deshalb nicht aus. Wie stark Geld- und Angebotsmangel die Freizeitgestaltung tatsächlich beeinflussen, wird in der folgenden Darstellung deutlich:

„Warum machst du diese Dinge nicht so oft oder gar nicht in deiner Freizeit?“ (n = Befragte, die bei den jeweiligen Freizeitaktivitäten „Seltener als einmal im Monat“ oder „Gar nicht“ angegeben haben, in Prozent) Geldmangel

Angebotsmangel

Basis

Leistungs- Nicht-Leis- Leistungs- Nicht-Leis- Leistungs- Nicht-Leisberechtungsbe- berechtungsbe- berechtungsbetigte rechtigte tigte rechtigte tigte rechtigte

96

Sport im Verein

31,6

3,3

12,7

5,0

83

60

Musik machen

25,6

5,5

13,2

6,8

94

73

Theater/Konzert besuchen

38,1

9,8

11,7

26,2

126

122

Jugendclub besuchen

7,4

0

26,6

22,7

102

110

Sport nicht im Verein

18,5

2,3

7,0

6,8

51

44

Verein/Gruppe mithelfen

10,7

0

23,4

18,3

97

93

StiftungsReport 2012/13


Kinder wünschen sich mehr ­Hausaufgabenhilfe

„Wo würdest du am liebsten deine Haus­ aufgaben machen?“ (n=300)

Die Lernförderung für leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche ist ein wichtiger Teil des Bildungspakets. Nachhilfe ist kostspielig – aber leider häufig notwendig, besonders wenn Schulklassen immer größer werden und sich die Lehrkräfte nur schwer um die Bedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler kümmern können. Das Angebot ist hier ausbaufähig, wie die Kinderbefragung zeigt: 4,6 Prozent der ­leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen wünschen sich, ihre Hausaufgaben zusammen mit der Nachhilfe zu erledigen – tatsächlich erhält aber nicht einmal ein Prozent der Leistungsberechtigten Nachhilfe (0,5 Prozent). „Wo machst du meistens deine Haus­ aufgaben?“ (n=300) Leistungsberechtigt Nicht-Leistungsberechtigt Prozent

20

30

40

50

60

Leistungsberechtigt Nicht-Leistungsberechtigt Prozent

20

30

40

50

60

Alleine zu Hause 26,0 46,7 Zu Hause mit jemandem aus meiner Familie 28,0 15,3 Zusammen mit Freunden 20,6 18,7 In der Schule 17,8 15,3 Zusammen mit der Nachhilfe 4,6 1,3 Im Hort/in der Kita/mit der Tagesmutter 2,5 1,3 Woanders 0,4 1,3

Alleine zu Hause 52,1 63,3 Zu Hause mit jemandem aus meiner Familie Trotz dieses Mangels unterscheiden sich die Durchschnittsnoten in den beiden Gruppen 28,8 nicht wesentlich: 16,0 In der Schule Durchschnitts­noten der befragten ­Kinder 9,9 und Jugendlichen in Mathematik und 14,0 Deutsch (n = 150) Zusammen mit Freunden 4,9 2,7 Im Hort/in der Kita/mit der Tagesmutter 3,9 2,7 Zusammen mit der Nachhilfe 0,5 Mathematik Deutsch 0 Woanders 0 1,3

2,8

2,7

2,5

2,5

4 – Umfrage

97


Bei genauerer Betrachtung der Angaben zeigt sich allerdings, dass die leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen in den Fächern Deutsch und Mathematik im Durchschnitt zu sieben Prozent die Note Eins bekommen. Bei den Nicht-Leistungsberechtigten steht mit 15 Prozent doppelt so oft eine Eins im Zeugnis. Zu Hause schmeckt’s am besten – ­Schulessen bekommt Absage Bundesministerin von der Leyen betonte immer wieder das „warme Mittagessen“ in Kita, Schule und Hort, welches durch das Bildungspaket mitfinanziert wird. Viele Kinder und Jugendliche essen allerdings nach wie vor zu Hause. „Wo isst du meistens in der Woche dein Mittagessen?“ (n=300)

98

40

60

80

Zu Hause 64,4 66,0 In der Schule (Schulessen) 21,5 21,3 Unterwegs (Imbiss, Fastfoodkette) 6,0 1,3 In der Schule (mitgebrachtes Essen) 5,0 9,3 Bei der „Arche“ 0,5 1,0 Bei Freunden 0 0,7

StiftungsReport 2012/13

Fastfood ist übrigens gar nicht so beliebt, wie gemeinhin angenommen wird: Nur 9,5 Prozent der leistungsberechtigten und 4,7 Prozent der nicht-leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen möchten am liebsten unterwegs, also beim Imbiss oder einer Fastfoodkette essen. „Wo würdest du dein Mittagessen am ­liebsten essen?“

Leistungsberechtigt Nicht-Leistungsberechtigt Prozent 20

Aber wo würden die Befragten am liebsten zu Mittag essen, wenn sie es sich aussuchen könnten? Die Antwort fällt klar aus: Etwa drei Viertel der leistungsberechtigten (73 Prozent) und der nicht-leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen (78 Prozent) möchten am liebsten zu Hause essen. Das Schulessen bekommt dagegen eine Absage: Nur dreizehn Prozent der Leistungsberechtigten und zwölf Prozent der Nicht-Leistungsberechtigten möchten am liebsten in der Schule zu Mittag essen.

100

Leistungsberechtigt Nicht-Leistungsberechtigt Prozent 20

40

60

80

Zu Hause 73,0 77,9 In der Schule (Schulessen) 12,6 12,1 Unterwegs (Imbiss, Fastfoodkette) 9,5 4,7 Bei Freunden 2,0 3,4 In der Schule (mitgebrachtes Essen) 2,9 2,0 Bei der „Arche“ 0 0

100


Ob leistungsberechtigt oder nicht: Eltern haben Interesse an der Förderung ihrer Kinder Wenn es um die Förderung und Einbindung ihrer Kinder geht, sind kaum Unterschiede zwischen Eltern mit und ohne Leistungsberechtigung erkennbar. So schätzen es zumindest die befragten Kinder und Jugendlichen ein: „Bitte überlege, wie sehr die Aussagen auf dich passen.“ (n=300, in Prozent) Zustimmung Angaben in Prozent

Leistungsberechtigt

Ablehnung

NichtLeistungsberechtigt

Leistungsberechtigt

NichtLeistungsberechtigt

Wir verbringen viel Zeit zusammen als Familie.

78

77

20

20

Meine Eltern wollen, dass ich z. B. Sport oder Musik mache.

60

69

30

24

Meine Eltern fragen mich häufig, wie es in der Schule läuft.

88

89

12

9

Ich mache meine Hausaufgaben zusammen mit meinen Eltern.

47

35

53

62

Fazit Mit einer Stichprobe von 300 Befragten kann die Studie nur Hinweise darauf geben, was Kinder und Jugendliche von den Angeboten halten. Dennoch lässt sich zeigen, dass das Bildungs- und Teilhabepaket grundsätzlich auf die richtigen Bereiche zielt.

Finanzielle Unterstützung ist sinnvoll – mit Geld allein ist es aber nicht getan. Die Kinderbefragung des Bundesverbandes zeigt: Das Angebot an Freizeitaktivitäten, Nach­ hilfe und Schulessen ist ausbaufähig. Hier sind auch Stiftungen und andere Organisationen des Dritten Sektors gefragt. Sie sind vor Ort aktiv und können auf die individuellen Bedürfnisse und Interessen der Kinder und Jugendlichen eingehen. 99

4 – Umfrage


KAPITEL 5

Engagement in Zahlen Im Jahr 2011 sind in Deutschland 817 Stiftungen errichtet worden. Der Bestand der Stiftungen erreichte mit 18.946 Stiftungen bürgerlichen Rechts zum Jahresende 2011 ein historisches Hoch. Die Zahl der neu gegründeten Stiftungen sank zwar leicht im Vergleich zum Vorjahr, aber Stifterinnen und Stifter zeigen sich ungeachtet der Krise des Euros und der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise in Gründerlaune.

Bundesländer im Vergleich Mit rund 17,8 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland, sondern auch das stiftungsreichste: 3.661 Stiftungen gibt es mittlerweile in Westfalen, Lippe und Rheinland – 167 Stiftungen mehr als im Jahr 2010. In puncto Neugründungen hat auch Baden-Württemberg mit 146 Stiftungen zugelegt, dicht gefolgt von Bayern mit 141 100

Stiftungen. Wie schon in den vergangenen Jahren nahmen 2011 in den neuen Bundesländern eher wenige Stiftungen ihre Arbeit auf. Zum Vergleich: Der Stiftungsbestand in den alten Bundesländern und Berlin erhöhte sich um 756 Stiftungen auf 17.707. In den neuen Ländern um 61 Stiftungen auf 1.239. Die Ideen und Konzepte der ostdeutschen Stifter können sich indes sehen lassen: In Thüringen wurde 2011 zum Beispiel die Stiftung Landleben gegründet. Sie zeigt, wie der demografische Wandel im ländlichen Raum gestaltet werden kann. Die Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in ­Kirchheilingen setzt sich dafür ein, länd­ liche Wohnkultur zu erhalten und Senioren auch im hohen Alter die Möglichkeit eines eigenständigen Lebens im gewohnten Umfeld zu bieten. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung soll interessengerechtes, finan­ zierbares Wohnen mit einer Wiederbelebung der ländlichen Bausubstanz gefördert werden. Dafür wird beispielsweise ein altes

* Der folgende statistische Überblick vermittelt einen ersten Eindruck von der deutschen Stiftungslandschaft. Er wurde auf Grundlage der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und der Angaben der Aufsichtsbehörden erstellt. Da es kein bundeseinheitliches amtliches Stiftungsregister gibt, kann die Datenbank des Bundesverbandes nicht die Gesamtzahl deutscher Stiftungen erfassen. Angaben zu den überwiegend kleinen Treuhandstiftungen, deren Zahl auf weit über 20.000 geschätzt wird, sowie zu den vermutlich weit mehr als 30.000 kirchlichen Stiftungen fehlen.

StiftungsReport 2012/13


Wie viele Stiftungen wurden 2011 neu errichtet? Welche Stadt hat die höchste Stiftungsdichte? Für welche gemeinnützigen Zwecke setzen sich deutsche Stiftungen ein? Diese und andere Fragen beantwortet der StiftungsReport in der Rubrik „Engagement in Zahlen“. Das Kapitel präsentiert aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zum

deutschen Stiftungssektor. Für das Jahr 2011 lässt sich festhalten: Trotz Euro- und Finanzkrise zeigen sich deutsche Stifterinnen und Stifter in Gründerlaune.

Stiftungsbestand, Errichtungen, Stiftungs- sowie Errichtungsdichte pro 100.000 Einwohner für 2011 nach Bundesländern Bundesland

Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Bundesrepublik Deutschland

Bestand 2011

Errichtungen 2011

Stiftungsdichte

Errichtungsdichte

2.847 3.471 759 173 306 1.227 1.712 156 1.999 3.661 886 159 414 245 680 251

146 141 30 16 5 30 70 6 99 167 40 8 23 10 20 6

26,5 27,7 21,9 6,9 46,3 68,7 28,2 9,5 25,2 20,5 22,1 15,6 10,0 10,5 24,0 11,2

1,36 1,12 0,87 0,64 0,76 1,68 1,15 0,37 1,25 0,94 1,00 0,79 0,55 0,43 0,71 0,27

18.946

817

23,2

1,00

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2012), Stiftungsaufsichtsbehörden (Februar 2012), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Einwohnerzahlen: Stand 31.12.2010

5 – Engagement in Zahlen

101


­ utshaus saniert und zu einem MehrgeneraG tionenhaus ausgebaut. Außerdem sollen in verschiedenen Gemeinden in der Umgebung seniorengerechte Wohnhäuser entstehen.

Das Städteranking – Wo Stiften beliebt ist Bereits zum dritten Mal führt Würzburg die Liste der stiftungsreichsten Großstädte an: Hier gibt es inzwischen 80 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Würzburg g ­ ehört zu den deutschen Städten mit langer Stiftungs­tradition. Bereits 1316 überließ der Würzburger Patrizier Johann von Steren der Stadt sein Anwesen zur Aufnahme pflegebedürftiger Menschen und begründete damit die ab dem 16. Jahrhundert als Bürgerspital

Spannend ist neben den absoluten Zahlen auch ein Blick auf die Stiftungsdichte in den einzelnen Bundesländern. Brandenburg bildet hier mit knapp sieben Stiftungen pro 100.000 Einwohner das Schlusslicht. Vorne liegen die Stadtstaaten Bremen und ­Hamburg.

Sylt Flensburg

Fehmarn

SL

NF

Rügen

RÜG RD HEI

Stiftungsdichte 2011 (Stiftungen je 100.000 Einwohner)

Emden

keine Angabe möglich bis 5 bis 10 bis 15 bis 20 bis 25 bis 30 bis 35 bis 40 bis 45 bis 50 bis 55 mehr als 55

OldenburgOL

NOH

RD

Kiel

ST

KLE

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Köln

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SIG

WT

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StiftungsReport 2012/13

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DGF

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LA

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Quelle: Bundesverband Frankfurt Coburg Wiesbaden Deutscher Stiftungen Mannheim Würzburg Mainz Darmstadt Saarbrücken (Februar 2012), Stiftungs­ Mannheim Nürnberg Saarbrücken aufsichtsbehörden (Februar Regensburg Karlsruhe Karlsruhe 2012), Statistisches BundesStuttgart Ingolstadt Stuttgart amt, eigene Berechnungen; Ulm Einwohnerzahlen: Stand Augsburg München Ulm 31.12.2009. Wegen Freiburg der Kreisreformen in Sachsen und in Sachsen-Anhalt Freiburg ist die Berechnung der Stiftungsdichte hier nicht möglich. DAU

102

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zum Heiligen Geist bekannte Stiftung. Auch die Stiftung Juliusspital Würzburg gehört zu den ältesten Stiftungen der Stadt. Sie wurde 1576 durch den Fürstbischof Julius Echter zu Mespelbrunn gegründet. Heute wie damals setzt sich die Stiftung für Nächstenliebe ein, nach dem Grundsatz: „Tradition mutig bewahren, Mangel innovativ spüren, Zukunft menschenfreundlich gestalten“. Auf Platz zwei und drei der stiftungsreichsten Großstädte kommen wie auch in den Vorjahren Frankfurt am Main mit 73 Stiftungen pro 100.000 Einwohner, dicht gefolgt von Hamburg mit knapp 69 Stiftungen pro 100.000 Einwohner. In absoluten Zahlen bleibt Hamburg jedoch die Stadt mit den meisten Stiftungen. In der Hansestadt, in der stifterisches Engagement eine lange

Tradition hat, sind 1.227 Stiftungen ansässig. Seit dem 7. November 2011 gehört auch die Stiftung EU-Lateinamerika/Karibik dazu. Die Stiftung soll die Zusammenarbeit zwischen der EU, den Staaten Lateinamerikas und der Karibik stärken und den Austausch der Kulturen fördern. Der Beschluss zur Gründung wurde im Frühjahr 2010 auf dem EU-Lateinamerika/Karibik-Gipfel in Madrid von den 60 Staats- und Regierungschefs aller beteiligten Länder getroffen. Erst im Januar 2011 hatte sich Hamburg gegen Paris und Mailand als Stiftungssitz durchgesetzt. Präsidentin der Stiftung ist die ehemalige EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner. Die Stiftung EU-Lateinamerika/Karibik soll unter anderem Forschungsvorhaben fördern und die Netzwerke zwischen den Zivilgesellschaften beider Kontinente unterstützen.

Städteranking nach Stiftungen je 100.000 Einwohner Rang Stadt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

Bundesland

Einwohner Stiftungen

Dichte

Würzburg Frankfurt am Main Hamburg München Oldenburg Mainz Bonn Münster Hannover Stuttgart

Bayern Hessen Hamburg Bayern Niedersachsen Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Baden-Württemberg

133.799 679.664 1.786.448 1.353.186 162.173 199.237 324.899 279.803 522.686 606.588

107 496 1.227 868 104 123 196 165 303 345

80,0 73,0 68,7 64,1 64,1 61,7 60,3 59,0 58,0 56,9

Ingolstadt Rostock Oberhausen Gelsenkirchen Chemnitz Bottrop Hamm Salzgitter Herne Cottbus

Bayern Mecklenburg-Vorpommern Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Sachsen Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Brandenburg

125.088 202.735 212.945 257.981 243.248 116.771 181.783 102.394 164.762 102.091

13 19 18 20 17 8 12 6 7 4

10,4 9,4 8,5 7,8 7,0 6,9 6,6 5,9 4,2 3,9

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2012), Stiftungsaufsichtsbehörden (Februar 2012), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen; Einwohnerzahlen: Stand 31.12.2010

5 – Engagement in Zahlen

103


Stiftungszwecke – Was Stiftungen fördern Stiftungen setzen sich für ganz unterschiedliche gesellschaftliche Themen ein. Dies spiegelt sich auch in den Stiftungszwecken wider. Etwa ein Drittel der Stiftungen bürgerlichen Rechts engagiert sich im Bereich Soziales. 15 Prozent geben laut Satzung den Zweck Bildung und Erziehung an, ein ebenso großer Anteil fördert Kunst und Kultur. Bei der Suche nach dem Begriff „soziale Nachhaltigkeit“ verzeichnet die Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen nur eine Stiftung, die in ihrem Satzungs­ zweck explizit soziale Nachhaltigkeit aufführt – die Voelkel-Stiftung. Anlässlich des 75-jährigen Firmenjubiläums der BioMosterei Voelkel GmbH gründete die Unternehmerfamilie im Jahr 2011 getreu dem unternehmerischen Leitgedanken „Verantwortung für Mensch und Natur“ die VoelkelStiftung. Sie setzt sich für die Förderung einer Wirtschaftsweise und Unternehmensführung ein, die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit gleichermaßen realisiert, um einen Beitrag zur Schaffung einer auf Dauer zukunftsfähigen, lebenswerten Gesellschaft zu leisten. Da die meisten deutschen Stiftungen sozialen Zwecken dienen, ist es nicht verwunderlich, dass im Jahr 2011 einige weitere Sozialstiftungen gegründet wurden. Zum Beispiel die JOBLINGE-Stiftung in München, die jungen Menschen hilft, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das besondere Konzept von JOBLINGE beinhaltet die Einbindung zahl-

104

StiftungsReport 2012/13

reicher Akteure, darunter auch Mentoren und ehrenamtliche Helfer mit Lebens- und Berufserfahrung. In einem rund sechsmonatigen Programm erlernen die Jugendlichen „on the Job“ wichtige Schlüsselqualifika­ tionen, trainieren soziale Kompetenzen und erarbeiten sich ihren Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Auch der Journalist und Autor Ulrich Wickert gründete 2011 eine eigene Stiftung – als Treuhandstiftung unter dem Dach der Stiftung Hilfe mit Plan in Hamburg. Die Ulrich Wickert Stiftung setzt sich dafür ein, dass Mädchen und Jungen die Rechte bekommen, die die UN-Kinderrechtskonvention vorsieht. Die Stiftung unterstützt insbesondere Medien­projekte, die auf Kinderrechtsverletzungen aufmerksam machen. Darüber hinaus verleiht die Ulrich Wickert Stiftung einen Preis an Journalisten, die sich mit ihrer Berichterstattung für die Rechte von Kindern einsetzen. Viele Stiftungen, die nicht explizit den Begriff „soziale Nachhaltigkeit“ in ihrem Satzungszweck aufführen, engagieren sich dennoch in diesem Bereich. Das zeigt nicht zuletzt dieser Report. Auch Stiftungen, die Wissenschaft und Forschung oder Kunst und Kultur sowie Umweltschutz als Zweck angeben, können sich für soziale Nachhaltigkeit einsetzen. Die Zahl der Stiftungen


Prozentuale Verteilung der Stiftungs­zweckHaupt­gruppen im Stiftungsbestand* n = 13.744 andere gemeinnützige Zwecke

privatnützige Zwecke soziale Zwecke

5,3

18,1

29,9

Umwelt3,8 schutz Kunst und Kultur

15,1

12,6 15,2 Bildung und Erziehung

Wissenschaft und Forschung

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Februar 2012) * Die meisten Stiftungen geben in ihrer Satzung mehrere gemeinnützige Zwecke als Tätigkeitsgebiete an. Die Gewichtung der Zwecke erfolgt hier nach folgendem Muster: Gibt eine Stiftung mehrere Zwecke an (etwa Umwelt- und Naturschutz), die in einer der Hauptgruppen liegen (etwa Umweltschutz), so werden sie in dieser Gruppe nur einmal gezählt. Gibt eine Stiftung mehrere Zwecke an (etwa Bildung und Kultur), die in verschiedenen Bereichen liegen, so werden diese jeweils zur Hälfte gezählt. Das bedeutet, dass hier nicht Einzelzwecke gewichtet wurden, sondern die einzelnen Zwecke wurden zunächst in die Hauptgruppen der Abgabenordnung zusammengefasst. Erst dann wurde die Gewichtung vorgenommen. Jede Hauptgruppe erhält das gleiche Gewicht.

ist jedoch kaum quantifizierbar, da es sich hier um ein Querschnittsthema handelt. Der Deutsche StiftungsTag 2012 in Erfurt bietet einen guten Eindruck, wie bunt und vielfältig das Engagement von Stiftungen im Bereich Nachhaltigkeit ist. Auch die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit wird von Stiftungen bedient: Derzeit setzen sich rund vier Prozent der deutschen Stiftungen für Umweltschutz ein. Jedoch sind auch Stiftungen, die andere Zwecke in ihrer Satzung angeben, in diesem Bereich aktiv, beispielsweise Stiftungen mit dem Zweck Wissenschaft und Forschung, die den Klimaschutz fördern. Im Zuge der Entscheidung über den Atomausstieg verabschiedeten die deutschen Umweltstiftungen die „Lenzener Erklärung“. Darin heißt es: „Die deutschen Umwelt­stiftungen unterstützen das von der Ethik-Kommission vorgeschlagene ‚Gemeinschaftswerk Energiezukunft Deutschland‘. Der Weg der Energiewende ist mit dem Mut zu Neuem, der Zuversicht in die eigenen Stärken und einem verbindlichen Prozess der Überprüfung und Steuerung zu beschreiten. Stiftungen gestalten bereits heute den gesellschaftlichen Dialog maßgeblich mit. Eine Intensivierung ist gleichwohl gerade auf dem Gebiet des Klimaschutzes und der Energiewende nötig und machbar. Die entsprechenden Aktivitäten der Stiftungen sollen darum erweitert werden.“ Die Umweltstiftungen hatten die Erklärung im Oktober 2011 während der Tagung des Arbeitskreises Umwelt, Natur, Gesundheit in Lenzen erarbeitet. Sie verdeutlichen damit ihre Bereitschaft, aktiv an der Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung mitzuwirken.136 105

5 – Engagement in Zahlen


Stifterinnen und Stifter

Frauen und Männer als Stifterinnen und Stifter*

Seit den 1990er Jahren treten immer mehr Frauen als Stifterinnen in Erscheinung. ­Hatten bis vor etwa zwanzig Jahren die Männer bei der Stiftungsgründung deutlich die Nase vorn, hat sich das Verhältnis bis heute ­angeglichen.

n = 6.403

Ein leuchtendes Beispiel für Stifterinnen­ engagement war und ist die 2010 verstorbene Gesellschafterin der WAZ-Mediengruppe Anneliese Brost. Zu Lebzeiten gründete die Mäzenin die Anneliese Brost-Stiftung, die sich besonders der Jugend- und Altenhilfe, Kunst und Kultur widmet. In ihrem Testament verfügte Anneliese Brost, dass rund 230 Millionen Euro aus ihrem Privatvermögen in eine neue Stiftung fließen sollen: Die 2011 gegründete Brost-Stiftung unterstützt vor allem Kinder und Jugendliche, die in ihrer Entwicklung beeinträchtigt oder gefährdet sind. Durch die Förderungen von Möglichkeiten zur kulturellen Bildung in Essen und im Ruhrgebiet möchte die BrostStiftung gemeinsame Bezugspunkte für Jung und Alt schaffen, um den Brückenbau zwischen den Generationen voranzutreiben.

106

Auch die „Medaille für Verdienste um das Stiftungswesen“ geht im Jahr 2012 an eine herausragende Stifterin und beeindruckende Persönlichkeit: Friede Springer, Mehrheitsaktionärin und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Axel Springer AG, wird für ihr langjähriges stifterisches Engagement mit einer der höchsten Auszeichnungen im europäischen Stiftungs­wesen geehrt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen überreicht der Mäzenin die sogenannte Goldmedaille für ihr stifterisches Lebenswerk. Die Verleihung findet im Juni 2012 während des Deutschen ­StiftungsTages statt.

StiftungsReport 2012/13

Frauen als ­alleinige Stifter

Männer mit anderen Stifter286 typen

Männer als 1.517 ­alleinige Stifter 190 Frauen und Männer gemeinsam mit anderen Stiftertypen

1.473

Frauen mit anderen Stiftertypen 46

2.891 Frauen und Männer ­gemeinsam als ­alleinige Stifter

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Mai 2011) * Berücksichtigt wurden Stiftungen mit ausschließlich natürlichen Stiftern, bei denen Angaben zur Beteiligung von Frauen und Männern vorlagen. Je Stiftung wurde ausgewertet, zu welchem Typus der oder die Stifter gehörte(n), nicht, wie viele Stifter oder juristische Personen an einer Stiftungserrichtung beteiligt waren. Die Zahlen lassen daher keine Schlussfolgerung auf die Gesamtzahl der Stifter in Deutschland zu.

Gleich zwei Stiftungen tragen den N ­ amen der Verlegerin: Die Friede Springer ­ Stiftung wurde mit einem Grundstock von 80 Millionen Euro aus dem Privatvermögen von ­Friede Springer Ende 2010 errichtet. Schwerpunkt der jungen Stiftung ist die breit angelegte Förderung von Wissenschaft und Forschung, einschließlich der Geistes-


und Sozialwissenschaften. Hauptsächlich jungen Talenten sollen die Vermögens­ erträge zugutekommen. Die Friede Springer Herz Stiftung wurde 2004 im Andenken an Axel Springer ins Leben gerufen. Die Stiftung unterstützt die Erforschung der Ursachen und die Entwicklung von Maßnahmen zur Verhinderung von Herz- und Kreislauf­ erkrankungen. Damit soll die diagnostische und therapeutische Versorgung von Patienten verbessert werden. Erst elf Personen wurden mit der seit 1980 verliehenen „Medaille für Verdienste um das Stiftungswesen“ geehrt. Nach Lonny Bayer (1993), Gründerin der sozial ausgerichteten Otto und Lonny Bayer Stiftung, erhält mit Friede Springer die zweite Frau diese Auszeichnung. Faszinierende Porträts deutscher Stifterinnen sind auch in Vera Bloemers Buch „Stifterinnen. Frauen erzählen von ihrem Engagement“ nachzulesen (2010 im Verlag Deutscher Stiftungen erschienen).137

Stiftungskooperationen – ­gemeinsam für ein Ziel Die Stiftungslandschaft verändert sich. Es gibt nicht nur vermehrt Frauen, die stifterisch aktiv sind, sondern auch eine neue Kultur der Zusammenarbeit unter Stiftungen. War vor einigen Jahren in der Fachliteratur noch von einer „Kooperationsaversion“ im Stiftungsbereich die Rede,138 lässt sich aktuell eine positive Tendenz ausmachen: „In letzter Zeit kommt es immer häufiger zu Kooperationen privater Stiftungen untereinander und zur Zusammenarbeit von Stiftungen mit staatlichen Einrichtungen, vor allem mit Kommunen“, so Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, bei der Jahrespressekonferenz im Februar 2012.

Besonders im Bereich Bildung sind Kooperationen verschiedener Akteure wichtig. Weder staatliche noch zivilgesellschaftliche Organisationen oder Initiativen können alleine für konsistente Bildungsbiografien aller Kinder und Jugendlichen sorgen. Dafür braucht es gemeinsame Anstrengungen und dies hat auch die Politik erkannt. Um zu eruieren, wie Staat und Stiftungen im Bereich Bildung und Teilhabe zusammenarbeiten können, förderte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Studie, die im Herbst 2011 vom Bundesverband Deutscher Stiftungen durchgeführt und im Januar 2012 veröffentlicht wurde. Mit einer Online-Umfrage unter 558 deutschen Bildungs- und Sozialstiftungen im September 2011 konnte der Bundesverband im Rahmen dieser Studie interessante Informationen zu den Kooperationserfahrungen von Stiftungen generieren.139

Wie gelingen Kooperationen? Stiftungen konnten auf einer Skala von 1 (Trifft voll zu) bis 4 (Trifft überhaupt nicht zu) beurteilen, inwieweit bestimmte Aussagen auf ihre bisherigen Kooperationserfahrungen zutreffen. Vor allem ein klarer thematischer Zuschnitt der Zusammenarbeit ist den befragten Stiftungen wichtig. Außerdem sollten die Kooperationspartner auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Einen regelmäßigen Fortschrittsbericht schätzen die Stiftungen als weniger wichtig ein.

107

5 – Engagement in Zahlen


Zunächst würden wir gerne etwas über Ihre Kooperationserfahrungen im Allgemeinen erfahren. Bitte geben Sie an, inwieweit die folgenden Aussagen auf Ihre bisherigen Kooperationserfahrungen ­zutreffen.

108

Mit welchen Organisationen kooperieren Stiftungen?

Knapp die Hälfte der befragten Stiftungen sind bereits Kooperationen im Bereich Bildung und Teilhabe eingegangen (45,3 trifft eher nicht zu trifft voll zu Prozent). Diese Stiftungen kooperieren trifft überhaupt nicht zu trifft eher zu am häufigsten mit Vereinen, aber auch mit keine Angabe möglich anderen Stiftungen wird oft zusammengearbeitet. Während immerhin fast 40 Prozent Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 angaben, mit Landkreisen oder Kommunen zu kooperieren, steht die Zusammenarbeit mit Landes- und Bundesbehörden weniger Es ist für den Erfolg einer Kooperation enthoch im Kurs. Wie lässt sich dieses Befrascheidend, dass die Zusammenarbeit von Beginn an gemeinsam geplant wird. (n= 508) gungsergebnis erklären? Viele, besonders kleinere Stiftungen engagieren sich eher vor 31,1 8,1 2,6 20,3 38,0 Ort, was die Kooperation mit Kommunen Die Kooperationspartner müssen auf Augen- nahelegt. höhe miteinander kommunizieren. (n= 507) Falls Sie mit anderen kooperieren, bitte ge51,9 23,5 4,7 0,8 19,1 ben Sie die Art der Partnerorganisation an. (Mehrfachantworten möglich, n = 242) Für den Erfolg einer Kooperation ist ­entscheidend, dass alle Partner Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 gleicher­maßen öffentliche Anerkennung bekommen. (n= 503) Andere Stiftungen 42,1 26,2 32,2 15,1 4,2 22,3 Wohlfahrtsverbände 26,9 Kooperationen brauchen einen klaren ­thematischen Zuschnitt. (n= 503) Vereine 59,5 51,7 26,0 3,6 0,4 18,3 Kirchliche Akteure Es ist für den Erfolg einer Kooperation nicht 24,4 entscheidend, dass alle KooperationspartKommunen / Landkreise ner regelmäßig Rechenschaft über die Fort 37,6 schritte ihrer Arbeit ablegen. (n= 503) Landesbehörden / Bundesbehörden 13,2 14,1 30,0 26,0 9,5 20,3 Universitäten Kooperationen müssen vertraglich geregelt 17,4 werden. (n= 506) Wirtschaftsorganisationen und Unternehmen 16,5 20,0 24,5 25,7 10,1 19,8 Medien Es muss sichergestellt werden, dass alle 10,7 Partner kontinuierlich am Kooperations­ Andere Organisationen prozess teilhaben. (n= 507) 21,9 32,9

StiftungsReport 2012/13

37,5

8,1 1,8 19,7


Die häufigsten Gründe für Stiftungs­ kooperationen

Stiftungsengagement in Ost und West

Stiftungen kooperieren mit anderen Organisationen, um sich ergänzende Ziele gemeinsam zu verfolgen und um Projekte nachhaltiger finanzieren zu können. Dabei geht es nicht darum, Kosten für die Stiftung zu sparen, sondern langfristig angelegte Ideen zu verwirklichen.

Das Thema (Stiftungs-)Kooperationen spielt auch in den neuen Bundesländern eine entscheidende Rolle: Um die ostdeutsche Zivilgesellschaft zu stärken, plädiert der Soziologe Raj Kollmorgen für eine „Förderung der Koordination und Kooperation von Unternehmen, Verwaltung und Politik soAus welchen Gründen sind Sie wie Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene“.140 ­diese ­Kooperationen eingegangen? ­Kollmorgen forscht seit Jahren zu den Folgen ­(Mehrfachantworten möglich, n = 240) der deutschen Wiedervereinigung. Er stellt fest, dass in den neuen Ländern gerade Prozent 20 30 40 50 60 70 80 90 100 dort, wo es am nötigsten wäre, die BedinUm die Finanzierung eines bestimmten gungen für eine aktive Zivilgesellschaft eher Projektes zu verbessern ungünstig sind. 67,1 Um Expertise und/oder Infrastruktur Doch die ostdeutsche Stiftungslandschaft zu bündeln entwickelt sich stetig. Nach wie vor sind die 45,8 Zwecke Kunst und Kultur im Osten häufiger Um Kosten für die Stiftung zu sparen vertreten als im Westen. Eine mögliche Er 27,1 klärung ist diese: Die hohe Zahl dem Verfall Um den Wirkungsbereich der eigenen und zum Teil aberwitziger Fremdnutzung Aktivitäten (national oder international) überlassener Schlösser, Gutshäuser und auszubauen anderer architektonischer Kleinode lockte 38,8 nach dem Mauerfall zahlreiche denkmalUm sich ergänzende Ziele gemeinsam zu freundliche Stifter in den Osten. So ist verfolgen beispielsweise das Ziel der Kulturstiftung 73,8 Havelland, Projekte der Kunst, der Kultur Um doppelte Arbeit zu vermeiden und der Denkmalpflege zu fördern, die eine 30,0 regional und überregional herausgehobene Andere Gründe Bedeutung und Nachhaltigkeit haben. 10,0 Auch der Veranstaltungsmanager Peter Degner ging 2011 unter die Kulturstifter. Er gründete die Peter Degner Stiftung, die Leipziger Kultur und Kunst zum Wohle der Leipziger Bürger und ihrer Gäste fördert. In der Stiftung laufen Projekte, wie das „Classic Open“ Festival, das für alle Bürger Leipzigs kostenfrei zugänglich ist, oder das Internationale Jazzfest zusammen.

5 – Engagement in Zahlen

109


Sylt

Wo den S ­ tiftern „Kunst Sylt und Flensburg ­Kultur“ wichtig ist (­ Prozent)*

Flensburg Fehmarn

Kiel

Rügen

Kiel

Usedom

Rostock

Lübeck bis 12,5 Hamburg Schwerin bis 15 Emden Bremerhaven Bremen Oldenburg Lüchow bis 17,5 bis 20,0 Berlin Hannover Wolfsburg Osnabrück Potsdam bis 22,5 Hildesheim Magdeburg Münster Bielefeld Cottbus mehr als 22,5 Paderborn Duisburg Dortmund Düsseldorf

Göttingen

Halle

Leipzig

Kassel Jena Erfurt Gera

Köln Quelle: Bundesverband Siegen Aachen Bonn Deutscher Stiftungen (2012)Fulda

Zwickau

Saarbrücken

Mannheim

Emden

Münster

Ulm

Hildesheim

Potsdam Magdeburg Cottbus

Göttingen

Halle

Leipzig

Jena Erfurt Gera

Siegen Fulda

Dresden

Chemnitz Zwickau

Koblenz

Frankfurt Coburg Wiesbaden Würzburg Mainz Darmstadt

Ingolstadt Augsburg München

Freiburg

Berlin

Wolfsburg

Kassel

Bonn

Regensburg

Stuttgart

Hannover

Paderborn

Dresden

Schwerin

Lüchow

Bielefeld

Duisburg Dortmund Düsseldorf

Nürnberg

Karlsruhe

Bremen

Osnabrück

Aachen

Usedom

Rostock

Hamburg

Bremerhaven

Oldenburg

Köln

Frankfurt Coburg Wiesbaden Würzburg Mainz Darmstadt

Rügen

Lübeck

Chemnitz

Koblenz

Fehmarn

Mannheim

Saarbrücken

Nürnberg Regensburg

Karlsruhe Stuttgart Ulm

Ingolstadt Augsburg München

Freiburg

Sylt

Wo den S ­ tiftern „Wissenschaft und Sylt Flensburg Forschung“ wichtig ist (Prozent)* Fehmarn Kiel

Flensburg Rügen

Kiel

Usedom

Rostock

bis 7,5 Hamburg Schwerin bis 10,0 Emden Bremerhaven Bremen Oldenburg Lüchow bis 12,5 bis 15 Berlin Hannover Wolfsburg Osnabrück Potsdam bis 17,5 Hildesheim Magdeburg Münster Bielefeld Cottbus mehr als 17,5 Paderborn Göttingen

Halle

Kassel

Köln Quelle: Bundesverband Siegen Aachen Bonn (2012) ­Deutscher Stiftungen Fulda

Jena Erfurt Gera

Leipzig

110

Nürnberg

* Um die regionale Verteilung von Regensburg Karlsruhe Stiftungen mit bestimmten SatzungsStuttgart Ingolstadt zwecken – hier „Kunst und Kultur“ und Ulm – sichtbar „Wissenschaft und Forschung“ Augsburg zu ­machen, sind die Freiburg relativen Anteile München bestimmter Stiftungszwecke an der Gesamtzahl der Stiftungen in Regierungsbezirken beziehungsweise Bundesländern dargestellt. Die satzungsmäßigen Zwecke der Stiftungen wurden hierfür gewichtet. Saarbrücken

StiftungsReport 2012/13

Bremerhaven

Oldenburg

Münster

Paderborn Dortmund

Schwerin

Hamburg

Lüchow

Hannover

Bielefeld

Dresden

Berlin

Wolfsburg

Hildesheim

Potsdam Magdeburg Cottbus

Göttingen

Halle

Leipzig

Kassel

Köln Aachen

Usedom

Rostock

Bremen

Osnabrück

Zwickau Düsseldorf

Frankfurt Coburg Wiesbaden Würzburg Mainz Darmstadt Mannheim

Emden

Duisburg Chemnitz

Koblenz

Rügen

Lübeck

Lübeck

Duisburg Dortmund Düsseldorf

Fehmarn

Jena Erfurt Gera

Siegen

Bonn

Fulda

Zwickau

Koblenz

Frankfurt Coburg Wiesbaden Würzburg Mainz Darmstadt

Saarbrücken

Mannheim Karlsruhe Stuttgart Ulm

Freiburg

Dresden

Chemnitz

Nürnberg Regensburg Ingolstadt Augsburg München


Der mit 3.000 Euro dotierte Stiftungspreis „Goldene Zigarre“ wird an Leipziger Bürger verliehen, die sich um die Kultur der Stadt verdient gemacht haben. Im Gründungsjahr der Stiftung ging der Preis an den Universitätsmusikdirektor der Universität Leipzig, David Timm. Im Westen Deutschlands sind die Stiftungszwecke Wissenschaft und Forschung häufiger vertreten als im Osten. Dass diese Tendenz sich zukünftig verändern könnte, zeigt zum Beispiel die neu gegründete Stiftung „pearls – Potsdam Research Network“. Sie wird zur Förderung der grundlagenund anwendungsorientierten Forschung beitragen, besonders in den Erd- und Biowissenschaften. Der Fokus der Stiftung liegt auf der Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Brandenburg. Die Universität Potsdam arbeitet hier u. a. gemeinsam mit der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft. Für den Wissenschaftsstandort Potsdam ist die Stiftung eine Bereicherung, zumal „pearls“ die Koopera­tionen über Institutionen und Fächergrenzen hinweg erleichtert.

Stiftungen öffentlichen Rechts – ­unabhängiger als öffentliche ­Verwaltungen Alle staatlichen Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) haben die Möglichkeit, öffentliche Aufgaben in öffentlich-rechtliche Stiftungen auszugliedern. Öffentlich-rechtliche Stiftungen sind flexibler und können autonomer handeln als öffentliche Verwaltungen. Die Stiftungen sind stärker losgelöst von politischen Prozessen – ein klarer Vorzug, der ihre Errichtung oft begünstigt. Außerdem wird durch die rechtliche Verselbständigung verhindert, dass substanzielle Kapitalbeträge im laufenden Haushalt verwendet werden. So wird für nachhaltiges Wirtschaften gesorgt. Mitunter wird allerdings versäumt, die Stiftung mit einem angemessenen Vermögen auszustatten. Dann bleibt die Stiftung auf regelmäßige staatliche und private Zuwendungen angewiesen – darunter leidet ihre Unabhängigkeit. Nachteilig für die Unabhängigkeit ist auch, dass öffentlichrechtliche Stiftungen jederzeit durch Gesetz oder Rechtsverordnung wieder aufgehoben werden können. Ein Beispiel hierfür ist die erst 2009 errichtete Forschungs- und Wissenschaftsstiftung Hamburg, die Forschung und Lehre an den Hochschulen der Hansestadt unterstützt. Sie wird per Beschluss der Hamburger Bürgerschaft bis Ende 2012 abgewickelt. Dem Senat, der die Stiftung 2009 errichtet hatte, wurde angelastet, keine selbstständig lebensfähige Stiftung gegründet, sondern nur eine dauerhafte Umleitung von Finanzmitteln aus dem Haushalt vorgenommen zu haben.141 111

5 – Engagement in Zahlen


Eine der größten Stiftungen öffentlichen Rechts nach Gesamtausgaben ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Auch Universitäten und Hochschulen sind in einigen Bundesländern in die Trägerschaft öffentlich-rechtlicher Stiftungen überführt worden. So befindet sich beispielsweise die Georg-August-Universität Göttingen seit 2003 in Trägerschaft einer Stiftung öffent­ lichen Rechts. Im August 2011 beschloss die Bundesregierung, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mit einem Vermögen von zehn Millionen Euro zu gründen. Die Stiftung soll Aufklärung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen leisten und für mehr Respekt und Verständnis sorgen – ein wichtiger Schritt gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, trans- und intersexuellen Menschen in Deutschland. Die Stiftungserrichtung ist im Koalitionsvertrag von Union und FDP vereinbart und war bereits im Jahr 2000 vom Deutschen Bundestag gefordert worden. Der Name geht zurück auf den Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler Dr. Magnus Hirschfeld.

Stiftungen privaten Rechts – ­vielseitig engagiert Die Mehrzahl der deutschen Stiftungen sind privatrechtliche Stiftungen. Prototyp ist die Stiftung des bürgerlichen Rechts. Auch hier kann der Staat als Stifter auftreten, muss bei der Errichtung jedoch manchmal viele Einflussmöglichkeiten abgeben. Wie bei der VolkswagenStiftung. Als die ­Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, diente der Erlös als Stiftungskapital zur Gründung der Stiftung. Das Modell VolkswagenStiftung mit seinen klaren Mandatsstrukturen gilt als beispielhaft. Unter den großen privaten Stiftungen gibt es auch solche in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft. Dazu gehört die Robert Bosch Stiftung, die als GmbH organisiert ist.

Die größten Stiftungen öffentlichen Rechts nach Gesamtausgaben 143

112

Name Gesamtausgaben in Euro Georg-August-Universität Göttingen Stiftung Öffentlichen Rechts 930.848.000* Goethe-Universität Frankfurt am Main 654.716.000** Stiftung kreuznacher diakonie 281.842.000 Stiftung Preußischer Kulturbesitz 259.717.000* Stiftung Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) 149.525.000* Stiftung Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung 129.461.000 Stiftung Fachhochschule Osnabrück 125.308.000 Spitalstiftung Konstanz 101.559.000** GeoForschungsZentrum Potsdam 95.869.000 Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ 92.000.000*

200 400 600 800 Mio.

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Mai 2012), Finanzdaten aus 2011, * 2010, ** 2009

StiftungsReport 2012/13


Die größten Stiftungen privaten Rechts nach Gesamtausgaben** 143 Name VolkswagenStiftung Robert Bosch Stiftung GmbH Bertelsmann Stiftung Hans-Böckler-Stiftung WWF-Deutschland Deutsche Bundesstiftung Umwelt Stiftung Warentest Baden-Württemberg Stiftung gGmbH Deutsche Stiftung Denkmalschutz Dietmar Hopp Stiftung gGmbH Klaus Tschira Stiftung gGmbH Gemeinnützige Hertie-Stiftung Stiftung Mercator ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Software AG-Stiftung

Gesamtausgaben in Euro 119.346.000 G 87.514.000 G 60.315.000 G 58.628.000 G 54.899.000 G* 53.544.000 G 49.700.000 A 46.734.000 G 33.382.000 G 30.000.000 A 28.474.000 A 26.838.000 A* 25.580.000 G* 23.884.000 G 20.505.000 G

20 40 60 80 100 120 Mio.

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (2012), Finanzdaten aus 2011, *2010 A: Auszahlungen, G: Gesamtausgaben ** ohne Stiftungen, die ihre Ausgaben überwiegend oder vollständig aus Mitteln der öffentlichen Hand finanzieren, wie die Alexander von Humboldt-Stiftung, 85.731.000 Euro (A), Studienstiftung des deutschen Volkes e. V., 75.652.000 Euro (G) und die Kulturstiftung des Bundes, 35.000.000 Euro (G*)

Trägerstiftungen – alt und doch ­modern Trägerstiftungen sind Stiftungen, die ihren Zweck vornehmlich durch von ihnen betriebene Einrichtungen verwirklichen, wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, M ­ useen oder Forschungszentren, deren Art den Zweck der Stiftung vorgibt. Viele soziale, medizinische und zunehmend auch wissenschaftliche Einrichtungen sind als Trägerstiftung organisiert. Neben den Erträgen aus dem Anlagevermögen finanzieren sich Trägerstiftungen über öffentliche Zuwendungen, aus ihren Dienstleistungen sowie Pflegesätzen. Die ersten Stiftungen dieser Art stammen aus dem Mittelalter, als sich die Regierungsgewalt noch nicht auf alle gesellschaftlichen Gebiete erstreckte. Einrichtungen zur Kran-

ken- und Altenpflege wurden häufig von Kirchen auf der Basis mildtätiger Stiftungen betrieben. Diese Praxis hat sich in Teilen bis heute gehalten und neben staatlichen Einrichtungen auch bewährt. Ein Beispiel ist die Stiftung Liebenau. Schon seit ihrer Gründung im Jahr 1870 sollte sie Zufluchtsstätte für unheilbar kranke und behinderte Menschen sein. Heute ist sie als großes Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsunternehmen mit kirchlich-katholischen Wurzeln in mehreren europäischen Ländern tätig und beschäftigt mehr als 6.000 hauptamtliche Mitarbeiter. Als moderne Trägerstiftung macht sich die Stiftung für das Gemeinwesen stark und setzt sich u. a. für die Förderung ehrenamtlichen, partnerschaftlichen und gemeinwesenorientierten Engagements ein.

5 – Engagement in Zahlen

113


Die größten Trägerstiftungen nach Gesamtausgaben 143 Name SRH Holding (SdbR) Stiftung Bethel Stiftung Liebenau Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) Evangelische Stiftung Alsterdorf BruderhausDiakonie. Stiftung Gustav Werner und Haus am Berg Evangelisches Johannesstift Berlin Samariterstiftung Evangelische Stiftung Volmarstein Stiftung Ev. Kranken- und Versorgungshaus zu Mülheim an der Ruhr

Gesamtausgaben in Euro 531.100.000* 365.621.000* 268.931.000 254.043.000* 224.432.000

200

400

600 Mio.

179.751.000* 178.170.000 103.700.000* 101.000.000* 94.689.000*

Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Mai 2012), Finanzdaten aus 2011, * 2010

Fünfzehn Jahre Bürgerstiftungen in Deutschland Kaum ein anderer Sektor der Stiftungslandschaft entwickelt sich so dynamisch wie derjenige der Bürgerstiftungen: Im weltweiten Vergleich belegt Deutschland – bezogen auf die Anzahl der existierenden Bürgerstiftungen – sogar den zweiten Platz. Nur in den USA gibt es vor dem Hintergrund einer hundertjährigen Tradition mehr Bürgerstiftungen. Kaum zu glauben, dass die erste deutsche Bürgerstiftung nach anglo­ amerikanischem Vorbild im Dezember 2011 gerade einmal ihr 15-jähriges Bestehen feierte. Die Bürgerstiftung Gütersloh wurde 1996 durch die Initiative von Reinhard Mohn ins Leben gerufen.

114

StiftungsReport 2012/13

Förderung vieler verschiedener gemeinnütziger Zwecke

Bürgerstiftung geographisch ­begrenzter, d.h. ­lokaler oder ­regionaler ­Wirkungsraum

selbstständige und unabhängige Institution betreibt einen langfristigen Vermögensaufbau macht ihre Organisationsstruktur und Mittelver­ gabe transparent


Bürgerstiftungen nach Bundesländern keine 1 2 3 4 5

Sylt Flensburg

Fehmarn

Rügen

Kiel Usedom

Rostock Lübeck Cuxhaven Wilhelmshaven

Neubrandenburg

Schwerin

Hamburg

Bremerhaven

Emden Bremen

Oldenburg

Lüchow

Osnabrück Münster

Potsdam

Wolfsburg

Hannover

Berlin

Magdeburg

Hildesheim

Bielefeld

Neuruppin

Cottbus

Paderborn Duisburg

Göttingen

Dortmund

Halle

Kassel

Leipzig

Düsseldorf Köln Aachen

Siegen

Jena

Erfurt

Bonn

Gera

Chemnitz

Zwickau

Fulda Koblenz

Dresden

Coburg Frankfurt

Wiesbaden Mainz

Darmstadt Würzburg Mannheim

Saarbrücken

Nürnberg Regensburg

Karlsruhe Stuttgart

Ingolstadt

Ulm Augsburg München Freiburg Konstanz

115

Kempten GarmischPartenkirchen

Quelle: Initiative Bürgerstiftungen (Märzumfrage 144 2011)

5 – Engagement in Zahlen


Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 300 Bürgerstiftungen, von denen 225 das Bürgerstiftungs-Gütesiegel des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen tragen.142 Die „10 Merkmale einer Bürgerstiftung“ wurden im Jahr 2000 vom Arbeitskreis Bürgerstiftungen formuliert und bürgen für die hohe Qualität der Bürgerstiftungsarbeit. Betreut wird die Vergabe des Gütesiegels von der Initiative Bürgerstiftungen (IBS), dem Verbund deutscher Bürgerstiftungen und unabhängigen Kompetenzzentrum zu allen Fragen, die diese Thematik betreffen. Die IBS berät Bürgerstiftungsinitiativen, fördert die bundesweite Netzwerkbildung und den Erfahrungsaustausch zwischen deutschen Bürgerstiftungen und wirbt für das Konzept der Bürgerstiftung in der Öffentlichkeit.

116

Dank der Beratung der von der IBS aufgelegten „Stiftungsinitiative Ost“ konnte im letzten Jahr auch die Altmärkische Bürgerstiftung der Hansestadt Stendal gegründet werden. Treibende Kraft hinter der Neugründung waren neben vielen lokalen Engagierten auch zwei Vertreter mit prominentem Namen. Die Cousins Alexander und Gottfried von Bismarck sehen sich dem Erbe ihrer Familie, die aus der Altmark stammt, verpflichtet. Während Alexander von ­Bismarck als Bürgermeister bei Stendal tätig ist, war Gottfried von Bismarck einer der Mitbegründer der Bürgerstiftung Hamburg. Die Stiftung in Stendal will in der Stadt und ihrer Umgebung tätig werden und ist breit aufgestellt: Kinder-, Jugend- und Altenhilfe, Volks- und Berufsbildung sowie Förderung von Kunst und Kultur. Auf viele Schultern verteilt wurde auch das Gründungskapital: 31 Gründungsstifterinnen und -stifter aus verschiedensten Gesellschaftsbereichen konnten gewonnen werden. Die Bürgerstiftung will das Gemeinwohl fördern und die Attraktivität der Region steigern.

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Stetig wachsendes Gesamtkapital Das in den letzten Jahren kontinuierlich wachsende Gesamtkapital der Bürgerstiftungen ist 2010 besonders stark gestiegen: Es liegt inzwischen bei 180 Millionen Euro. Allein die BürgerStiftung Hamburg erhielt eine Zustiftung von 15 Millionen Euro – Zahlen, die belegen, wie stark das Vertrauen in die Arbeit der Bürgerstiftungen ist.

Jugend, Bildung und Erziehung – Förderschwerpunkte der Bürgerstiftungen Im Jahr 2010 förderten die deutschen Bürgerstiftungen mit 11,6 Millionen Euro überwiegend die Bereiche Jugend, Bildung und Erziehung. Die Hauptförderschwerpunkte der Bürgerstiftungen sind damit im Vergleich zum Vorjahr dieselben geblieben. Über die Hälfte aller Zuwendungen werden für diese Förderschwerpunkte eingesetzt. Aber auch das Engagement für Kunst und Kultur steht bei den Bürgerstiftungen hoch im Kurs: 10 Prozent der Mittel werden in diesen Bereich investiert. Es zeigt sich erneut: Die Vielfalt der Förderschwerpunkte spiegelt die Vielfalt der Bürgerstiftungen wider.


Förderschwerpunkte und Stiftungs­zwecke von ­Bürgerstiftungen (in Prozent) Quelle: Initiative ­Bürgerstiftungen (Märzumfrage 2011)

Soziales 13

28

Brauchtum und Heimatpflege

3

Bildung und Erziehung

4

generationenübergreifende Projekte

27 10

Jugend

27

Spenden sind willkommen Für die Finanzierung ihrer gemeinnützigen Projektarbeit werben Bürgerstiftungen auch Spenden ein, die – anders als Zustiftungen – nicht in das Stiftungskapital einfließen, sondern zeitnah für Projekte ausgeschüttet werden. 2010 hat sich die Spendensumme mit 4,3 Millionen Euro erneut erhöht. Bürgerstiftungen agieren in ihrer Region auch als wichtige Spendenvermittler, da sie lokale Initiativen unterstützen und dadurch Spendenwilligen sinnvolle Fördermöglichkeiten zur Auswahl stellen.

4

2 1

Kunst und Kultur

Umweltschutz Wissenschaft

mildtätige Zwecke Völkerverständigung andere Zwecke

7

1

Auch in kleineren Städten gibt es ­Bürgerstiftungsmillionäre Inzwischen erfreuen sich 35 GütesiegelBürgerstiftungen der stolzen Zahl von 1.000.000 Euro und mehr auf ihrem Stiftungskonto. Dafür haben diese Stiftungen einiges getan: Sie haben um Zustiftungen geworben und ihr Geld sicher angelegt. Außerdem nimmt die Zahl derjenigen zu, die ihr Vermögen einer Bürgerstiftung vermachen. Dabei sind es nicht nur die ganz großen Zentren in Deutschland wie Hamburg, Frankfurt oder Dresden, in denen die Bürgerstiftungsmillionäre zu Hause sind, sondern auch kleinere Städte und Regionen unter 100.000 Einwohner wie Arnsberg, der Landkreis Fürstenfeldbruck, Offenburg oder Rietberg.

5 – Engagement in Zahlen

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„Millionäre“ unter den ­Bürgerstiftungen

Vermögen in Millionen Euro 30

Quelle: Initiative Bürgerstiftungen (Märzumfrage 2011) Hamburg

20

Stormarn

10 5 1

Bremerhaven

Vechta Wittingen Hannover

Schaumburg

Bielefeld

Wolfsburg

Hildesheim

Gütersloh Dortmund

Gründungsjahr 1989 1996 1997 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Ostfalen

Braunschweig Rietberg Göttingen Kassel

Arnsberg Düsseldorf

Melsungen Siegen

Dresden

Frankfurt, Citoyen

Wiesbaden

Hanau

Frankfurt

Heilbronn

Schwabach

Stuttgart Offenburg

118

Donaueschingen

Günzburg

Fürstenfeldbruck München

Ravensburg

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Zeitspender, Stifter und Ehrenamtliche – ohne geht es nicht Auch die Zahl der Stifterinnen und Stifter ist 2010 wieder gestiegen: Es sind nun 17.000 Menschen, die sich finanziell für die Ziele ihrer Bürgerstiftung einsetzen. Damit ist die Gruppe der Bürgerstifter die größte Gruppe lebender Stifter. Die Bürgerstiftungen sind aber nicht nur auf Zustiftungen angewiesen. Es bedarf auch der Bürgerinnen und Bürger, die operative Projekte der Bürgerstiftungen durchführen. Die Initiative Bürgerstiftungen errechnete für das letzte Jahr eine Arbeitszeit von über 450.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit in Bürgerstiftungen, durch die sich die Lebensqualität aller deutlich verbessert. Darüber hinaus ist es für viele Bürgerstiftungen eine Hauptaufgabe, Ehrenämter zu vermitteln und Freiwilligen­arbeit zu organisieren. Über Freiwilligen- oder Ehrenamtsagenturen finden Helferinnen und Helfer, personalbedürftige Institutionen und Hilfsbedürftige zusammen.

Künftige Herausforderungen Die große Dynamik und bisherigen Erfolge der deutschen Bürgerstiftungen stellen diese jedoch vor neue Aufgaben: Wie gehen die Bürgerstiftungen mit den Heraus­ forderungen um, die sich ihnen sowohl durch ihren wachsenden Einfluss vor Ort, wie auch durch die rückläufigen Finanzmittel der öffentlichen Hand immer stärker stellen? Und wie können Bürgerstiftungen in urbanen Regionen oder ländlichen Räumen besser kooperieren bzw. ihr stetiges finanzielles Wachstum sichern? Die Vielfalt der deutschen Bürgerstiftungslandschaft wird darauf viele Antworten finden und finden müssen.

Dabei hat sich die Kombination von Bürgerstiftung und Ehrenamtsagentur als sehr erfolgreich und gut umsetzbar erwiesen. Ein Beispiel hierfür ist Weimar: Eine Bürgerbefragung im Auftrag der Stadt deckte den großen Bedarf verschiedener öffentlicher Einrichtungen für ehrenamtliches Engagement auf. Die Umfrageergebnisse führten zu Überlegungen, in welcher Form das Ehrenamt in Weimar am besten gefördert werden könnte. Schließlich entschied man sich für die Gründung einer Bürgerstiftung, die Trägerin einer Ehrenamtsagentur wurde. Mittlerweile nutzen viele Bürgerstiftungen dieses Modell: In Dresden, in Jena, im brandenburgischen Landkreis Barnim-Uckermark – überall hier arbeiten Ehrenamtsagenturen unter dem Dach einer Bürgerstiftung und unterstützen das Gemeinwesen vor Ort.

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5 – Engagement in Zahlen


Service Stiftungstypologie Bürgerstiftung Bürgerstiftungen sind gemeinnützige Stiftungen von Bürgern für Bürger, deren Stiftungszweck möglichst breit gefasst ist und dessen Verwirklichung in einem geografisch begrenzten Raum erfolgt. Sie sind Ausdruck einer selbst bestimmten Bürgerschaft.

Gemeinnützige Stiftung Eine Stiftung ist gemeinnützig, wenn ihr Zweck darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sitt­ lichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Anerkennung als gemeinnützig erfolgt durch die Finanzbehörden. Mit dem Status der Gemeinnützigkeit ist regelmäßig die Steuerbefreiung der Stiftung verbunden. Auch sind gemeinnützige Stiftungen berechtigt, Spenden entgegen zu nehmen.

Familienstiftung Kirchliche Stiftung Familienstiftungen dienen ihrem Zweck nach überwiegend dem Interesse der Mitglieder einer oder mehrerer Familien. Errichtet wird die Familienstiftung regelmäßig in der Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts. Die für eine Steuer­begünstigung erforderliche Förderung der Allgemeinheit liegt bei einer reinen Familien­stiftung nicht vor. Sie wird daher auch als privatnützige Stiftung bezeichnet.

Eine kirchliche Stiftung ist eine Stiftung, deren Zweck überwiegend kirchlichen Aufgaben dient. Eine selbstständige kirchliche Stiftung wird durch die kirchliche Aufsichtsbehörde beaufsichtigt. Die Bestimmung als kirchliche Stiftung hängt vom Stifterwillen und der Zustimmung der Kirche ab. Operative Stiftung

Förderstiftung

Eine operative Stiftung führt eigene Projekte durch, bezweckt also nicht nur die Förderung fremder Projekte bzw. die Förderung anderer gemeinwohlorientierter Körperschaften (Förderstiftung).

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Was ist eine Stiftung? Der Begriff Stiftung ist im Gesetz nicht definiert. Auch wenn somit nicht automatisch eine bestimmte Rechtsform mit dem Begriff der Stiftung einhergeht, verfügen Stiftungen über einheitliche charakteristische Merkmale. Die Stiftung ist gekennzeichnet als Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck, insbesondere einem gemeinnützigen, auf Dauer gewidmet ist. Welche Zwecke die Stiftung verfolgt und wie ihre innere Organisation aussieht, legt der

Treuhandstiftung ­Stiftung

Rechts­fähige

Eine Treuhandstiftung, die auch als unselbstständige, nichtrechtsfähige oder fiduziarische Stiftung bezeichnet wird, wird durch einen Vertrag zwischen dem Stifter und dem Treuhänder (Träger) errichtet. Der Stifter überträgt das Stiftungsvermögen dem Treuhänder, der es getrennt von einem eigenen Vermögen gemäß den Satzungsbestimmungen der Stiftung verwaltet. Anders als eine rechtsfähige Stiftung verfügt eine Treuhandstiftung nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit.

Stifter nach seinem Willen in der Satzung fest. Klassisches Instrument zur Verwirklichung eines auf Dauer angelegten Zwecks ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts. Ihre Entstehungsvoraussetzungen sind in den §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt, die durch die Landesstiftungsgesetze ausgefüllt werden. Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts unterscheidet sich von sonstigen juristischen Personen des Privatrechts (etwa GmbH oder e.V.) durch ihre fehlende Verbandsstruktur. Sie hat keine ­Mitglieder oder Eigentümer.

Öffentlich-rechtliche Stiftung Stiftungen des öffentlichen Rechts werden von staatlicher Seite durch einen Stiftungsakt, insbesondere per Gesetz, errichtet und verfolgen Zwecke, die von einem besonderen öffentlichen Interesse sind. Unternehmensstiftung Eine Unternehmensstiftung ist eine Stiftung, für die das Unternehmen das Stiftungsvermögen und gegebenenfalls laufende Mittel bereitstellt. Unternehmensverbundene Stiftung

Öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts Anders als eine öffentlich-rechtliche Stiftung wird eine öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts nach den Regeln des Privatrechts errichtet. Der Zusatz „öffentlich“ wird vor allem in Bayern und Baden-Württemberg verwendet und kennzeichnet Stiftungen, die Zwecke verfolgen, die zumindest teilweise dem Gemeinwohl dienen. Eine öffentliche Stiftung bürgerlichen Rechts ist meistens, aber nicht notwendigerweise, gemeinnützig.

Unternehmensverbundene Stiftungen halten Anteile an Unternehmen oder betreiben selbst ein Unternehmen. Sie werden häufig als Instrument zur Regelung der Unternehmensnachfolge eingesetzt. Verbrauchsstiftung Eine Verbrauchsstiftung nennt man eine Stiftung, deren Grundstockvermögen nach dem Willen des Stifters in einer bestimmten Zeitspanne ganz oder zum Teil für die Verwirklichung des Stiftungszwecks eingesetzt werden soll.

Service

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Stiftungsgründung in fünf Schritten

1

Entwurfserstellung der schriftlichen Satzung und des Stiftungsgeschäfts entsprechend dem S ­ tifterwillen unter Beachtung der Formerfordernisse sowie der steuerlichen Anforderungen, falls eine ­Steuerbegünstigung angestrebt wird (vgl. §§ 51 ff. der Abgabenordnung).

2

Abstimmung der Entwürfe mit der zuständigen Stiftungsaufsicht und dem zuständigen Finanzamt.

3

Einreichung der Stiftungssatzung und des Stiftungsgeschäfts bei der Stiftungsaufsicht mit dem Antrag auf ­Anerkennung.

4

Einreichung beim zuständigen Finanz amt mit Antrag auf Erteilung einer ­Steuernummer und Beantragung der vorläufigen Bescheinigung der ­Gemeinnützigkeit.

5

Nach Anerkennung und Erteilung der vorläufigen Bescheinigung der Gemeinnützigkeit: Einzahlung des Stiftungskapitals/Übertragung des ­Stiftungsvermögens. Weitere Informationen rund um die Stiftungs­­grün­dung, Service- und Beratungs­ angebote sowie Wissens­­wertes zur deutschen Stiftungslandschaft finden Sie auf der ­Webseite des Bundesverbandes Deutscher ­Stiftungen unter www.stiftungen.org. Oder Sie bestellen den Ratgeber

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Die Gründung einer Stiftung Ein Leitfaden für Stifter und Berater StiftungsRatgeber Bd. 1 Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.): Berlin 2008, 158 Seiten

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Zustiftung als Alternative zur ­Stiftungsgründung Wenn sich jemand für einen bestimmten Zweck engagieren, aber keine eigene Stiftung gründen möchte, bietet sich eine Zustiftung an. Im Gegensatz zu Spenden müssen Zustiftungen von der empfangenden Stiftung nicht zeitnah verwendet werden, denn sie werden dem Stiftungsvermögen dauerhaft zugeführt. Durch die Erhöhung des Vermögens erzielt die Stiftung langfristig höhere Erträge und kann ihre Zwecke nachhaltiger verfolgen.

Vereinigung von Stiftungen durch Zulegung Bei einer Zulegung wird die betroffene Stiftung mit einer anderen vereinigt. Die Stiftung wird nach entsprechender Änderung ihrer Satzungsbestimmungen über den Vermögensanfall aufgehoben und liquidiert. Handelt es sich bei der betroffenen Stiftung um eine Stiftung bürgerlichen Rechts, so verliert sie dabei ihre eigene ­Rechtsfähigkeit.


Grundsätze Guter Verwaltung von Treuhandstiftungen beschlossen von Vorstand und Beirat des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen am 30. März 2012 1 Integrität und Rolle des Treuhänders 1.1 Der Treuhänder stellt sich in den Dienst der vom Stifter gesetzten Zwecke und verwirklicht sie satzungsgemäß. Er respektiert die Eigenständigkeit der Stiftung und vermischt seine eigenen Ziele nicht mit denen der Stiftung, wenngleich ähnliche oder gleiche gemeinnützige Zwecke sehr wohl verfolgt werden können. Dabei sieht er in allen seinen Handlungen die ideelle Ebene der Stiftung als wichtigsten Bezugspunkt. 1.2 Der Stifter kann klar erkennen, welche Ziele der Treuhänder mit seinem Dienstleistungsangebot verfolgt, nämlich entweder die Stärkung seiner eigenen gemeinwohlorientierten Arbeit oder den Ausbau seiner gewerblichen Tätigkeit; beide Ziele sind legitim, aber differenziert zu betrachten. 1.3 Der Treuhänder bewährt sich in seiner Rolle als Dienstleister für den Stifter und tritt daher selbst in der Außendarstellung hinter den Stifter und die Stiftung zurück. Er betont in seiner Öffentlichkeitsarbeit das wichtigste Motiv zur Gründung von gemeinwohlorientierten Stiftungen: den Wunsch, langfristig ein ideelles Lebensthema auf der Basis eines gesellschaftlich und rechtlich anerkannten Zwecks zu verwirklichen. 1.4 Der Treuhänder versteht sich als verantwortungsvoller Träger des gemeinwohlorientierten Stiftungs- und Stiftergedankens und damit als Beteiligter an der Entwicklung eines leistungsfähigen, gesellschaftlich wertvollen Stiftungssektors in Deutschland.

2 Stifterwille und Autonomie der Treuhandstiftung 2.1 Der Stifter kann zu Lebzeiten jederzeit die Satzung einschließlich der Stiftungszwecke im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und des Stiftungsgeschäfts ändern. 2.2 Der Treuhänder respektiert stets die Maßnahmen und Beschlüsse der insoweit berufenen Treuhandstiftungsgremien, soweit sie nicht mit zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, den satzungsmäßigen und vertraglichen Vorgaben des Stifters und den vom Treuhänder vorab kommunizierten Rahmenbedingungen (z. B. in konfessioneller Hinsicht oder im Vermögensanlagekonzept) kollidieren. 2.3 Dies gilt insbesondere auch für die Umgestaltung der Treuhandstiftung in eine rechtsfähige Stiftung. Im Zuge der Umgestaltung wird der Stifter als solcher für die rechtsfähige Stiftung – zumindest in deren Satzungspräambel – ausdrücklich genannt, insbesondere auch wenn diese von Todes wegen oder nach dem Tod des Stifters errichtet wird. Diesbezügliche Bestimmungen finden sich bereits in der Satzung und im Vertrag zur Errichtung der Treuhandstiftung. 2.4 Bei Errichtung der Treuhandstiftung auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages oder Auftrags gilt: Zu Lebzeiten kann der Stifter die im Treuhandvertrag vorzusehenden Gestaltungsrechte jederzeit ausüben. Für den Fall seines Todes enthält der Treuhandvertrag eine Bestimmung zur Ausübung der Gestaltungsrechte.

Service

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3 Organisation, Vermögensbewirtschaftung und Rechnungswesen 3.1 Der Treuhänder verwaltet die in seine Obhut gegebenen Treuhandstiftungen entweder in einer eigenständigen organisatorischen Einheit oder grenzt die Verwaltung von Treuhandstiftungen transparent und klar von seinen anderen Tätigkeiten ab. Falls er als natürliche Person die Treuhandschaft ausübt, sorgt er rechtzeitig für eine geeignete Nachfolgeregelung. 3.2 Der Treuhänder trennt bei der Rechnungslegung und Kontoführung strikt das eigene Vermögen vom verwalteten Treuhandvermögen. 3.3 Der Treuhänder verfolgt als Vermögensanlageziel, das Stiftungsvermögen langfristig in seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten und ausreichende Erträge im Einklang mit dem Stiftungszweck zu erwirtschaften, sofern der Stifter nichts anderes bestimmt hat. 3.4 Der Treuhänder verantwortet die Vermögensverwaltung entweder unmittelbar selbst oder kon­ trolliert die externe Vermögensverwaltung in Hinblick auf Ertragsziele, Risikogehalt des Portfolios und Liquidität. 3.5 Treuhandstiftungen wenden die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und/oder der ­doppelten Buchführung an, falls der Geschäftsbetrieb nicht unwesentlich ist. Auf der Ebene des ­Treu­händers ist zwingend zu bilanzieren. 3.6 Zudem unterwirft sich der Treuhänder einer qualifizierten Prüfungspflicht, in der Regel durch einen Wirtschaftsprüfer, einen Prüfungsverband oder einen vereidigten Buchprüfer.

4 Gremien und ihre Kontrollbefugnis 4.1 Geschäftsführung und Gremien sind entsprechend den nachfolgenden Bestimmungen klar von­ einander getrennt. 4.2 Der Treuhänder verankert wirksame Kontrollregeln und -gremien zum Ersten in der Stiftungs­ satzung oder im Gesellschaftsvertrag der eigenen Körperschaft. Zum Zweiten wirkt er im Zuge der Gründungsberatung darauf hin, dass solche auf der Ebene der Treuhandstiftung in der jeweiligen Satzung oder im Treuhandvertrag geschaffen werden. Konkret bedeutet dies: Auf der Ebene der Treuhandstiftung ist die Entscheidung und Kontrolle über die Mittelverwendung durch ein eigenständiges Stiftungsgremium gewährleistet. Kernaufgaben des Stiftungsgremiums sind darüber hinaus die Kontrolle des Treuhänders (einschließlich der Geltendmachung von An­ sprüchen ihm gegenüber), die Verabschiedung des Wirtschaftsplans, Entscheidungen von größerer finanzieller Tragweite und Beschlüsse über die Kündigung des Treuhandvertrags oder die Umwandlung der Treuhandstiftung in eine rechtsfähige Stiftung. Auf der Ebene des Treuhänders ist ein Aufsichtsgremium (z. B. Stifterrat, Aufsichtsrat oder Kunden­ beirat) zu bilden. Diesem obliegt die Kontrolle der ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Treu­ händers (z. B. hinsichtlich der Anlagerichtlinien oder der Auswahl des Wirtschaftsprüfers) und wacht als Appellationsinstanz über die Einhaltung des Stifterwillens.

5 Transparenz 124

5.1 Jeder Treuhänder anerkennt Transparenz als Ausdruck seiner Verantwortung gegenüber dem Stifter, der Stifterfamilie und der Gesellschaft sowie als Mittel zur Vertrauensbildung. Er stellt daher der Öffentlichkeit im Wege eines im Internet frei zugänglichen Verzeichnisses alle von ihm verwalteten Treuhandstiftungen – sofern deren Stifter nicht widersprochen haben – mit ihrem Namen, der für eine Kontaktaufnahme geeigneten Adresse, dem Stiftungszweck, den Bewilligungsbedingungen und der Stiftungsgröße (Vermögen und/oder jährliche Ausgaben für die Satzungszwecke) vor.

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5.2 Zudem stellt der Treuhänder seine wesentlichen Daten für ein noch zu schaffendes bundesweites Verzeichnis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zur Verfügung und erstellt einen jährlichen Geschäftsbericht zu seinen Aktivitäten und Ergebnissen. 5.3 Soweit der Treuhänder nicht schon gesetzlich zur Auskunft verpflichtet ist, erhalten Interessenten und insbesondere die Stifter sowie die eingesetzten Aufsichtsgremien auf Anforderung rasch und vollständig eine adäquate Auskunft. 5.4 Die mit der Gründung und der Verwaltung einhergehenden Kosten werden vom Treuhänder konkret benannt und sind für den kundigen Stifter verständlich. Der Treuhänder gibt Auskunft über einzelne pauschale Leistungspakete, den jährlichen Basispreis und sonstige Beratungs- und Betreuungskosten. Vermögensverwaltungskosten werden getrennt ausgewiesen. 5.5 Der Treuhänder legt gegenüber dem Stifter offen, ob und mit welchen Dienstleistern er – möglicherweise aus berufsrechtlichen Gründen (Vorbehaltsaufgaben) – zusammenarbeitet. Diese Pflicht gilt zumindest im Hinblick auf die mit der Verwaltung des Treuhandvermögens beauftragten ­Dienstleister.

6 Qualifikation des Treuhänders 6.1 Die angemessene sachliche und personelle Ausstattung der Treuhandstiftungsverwaltung ist eine zentrale Voraussetzung für die Erfüllung der Stiftungszwecke. 6.2 Der Treuhänder und seine Mitarbeiter erfüllen ein klares Anforderungsprofil und weisen die notwendige Sachkunde, Erfahrung und Unabhängigkeit auf. Dazu arbeiten sie in stiftungsspezifischen und fachbezogenen Netzwerken mit. Ihnen steht ausreichend Arbeitszeit zur Erfüllung der satzungsgemäßen und vertraglichen Pflichten zur Verfügung. Sie werden regelmäßig im Fachgebiet ­fortgebildet.

7 Zur Vermeidung von Interessenkonflikten 7.1 Auch für den Treuhänder und seine Mitarbeiter gelten die Bestimmungen der Grundsätze Guter Stiftungspraxis, dass sich niemand bei seinen Entscheidungen von eigennützigen Interessen leiten lassen darf und jeder die folgenden Regeln beachtet: 7.1.1 Sie legen die Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt im Einzelfall unaufgefordert offen und verzichten von sich aus auf eine Beteiligung am Entscheidungsprozess, wenn dieser ihnen oder einer nahe stehenden Person einen unmittelbaren Vorteil (jenseits der vereinbarten Verwaltungskosten) oder Nachteil bringen kann. Auch persönliche oder familiäre Beziehungen zu den Fördersuchenden und zu Dienstleistungsunternehmen werden offen kommuniziert. 7.1.2 Sie verzichten auf vermögenswerte Vorteile, die ihnen von interessierter Seite verschafft werden. Dies gilt auch dann, wenn die Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung nicht unmittelbar oder erst zukünftig zu erwarten ist. 7.2 Im Hinblick auf die Tätigkeit von Vertretern des Treuhänders in den Gremien der Treuhandstiftung werden deren Aufgaben und Funktionen besonders sensibel gestaltet. In das Stiftungsgremium wird nur ein einziger Vertreter des Treuhänders berufen, der entweder Stimmrecht besitzt oder den übrigen Gremienmitgliedern rein beratend zur Seite steht. Falls die übrigen Gremienmitglieder ausscheiden, nutzt der Treuhandvertreter sein Stimmrecht nicht dazu aus, nur solche Personen zu Gremien­ mitgliedern zu berufen, die dem Treuhänder nahe stehen. Er verzichtet auf eine Beteiligung an der Entscheidung über eine Kündigung des Treuhandvertrages.

Service

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Mit Mit langem langem Atem Atem Stiftungen Stiftungenentwickeln entwickelnnachhaltige nachhaltigeLösungen Lösungen

Über den Bundesverband Deutscher Stiftungen Die Idee für eine Interessenvertretung der unterschiedlichen Erscheinungsformen deutscher Stiftungen wurde in einer der traditionsreichsten Stiftungen des Landes, der Fuggerei in Augsburg, geboren. Im Jahr 1948 als „Arbeitsgemeinschaft bayerischer Wohltätigkeits-, Erziehungs- und Kultusstiftungen“ gegründet, erhielt der Verband 1990 seinen heutigen ­Namen. Aus einem kleinen Kreis ist mittlerweile eine Stiftungsfamilie mit über 3.600 Mitgliedern erwachsen. Dazu gehören Stiftungen, Freunde des Stiftungswesens und Stiftungsverwaltungen, die eine Vielzahl weiterer Stiftungen repräsentieren. Jede der Mitgliedsstiftungen ist einzigartig – im Typ, in der Struktur und Größe, in ihrem Anliegen und Zweck. Damit repräsentiert der Bundesverband Deutscher Stiftungen die bunte deutsche Stiftungslandschaft und rund drei Viertel des deutschen Stiftungsvermögens in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro. Mitglieder profitieren von einem breit gefächerten Informations-, Service- und Beratungsangebot, von Praxiserfahrungen und Kontakten. Die thematische Stiftungsvielfalt spiegelt sich in Arbeitskreisen, Foren und Gesprächskreisen wider.

20. bis 22. Juni 2012 in Erfurt

Neben vielfältigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet organisiert der Verband jedes Jahr mit dem Deutschen StiftungsTag den größten Stiftungskongress in Europa und stärkt damit die Aufmerksamkeit für Stiftungen in der Öffentlichkeit. Mit der Verleihung des Deutschen Stifterpreises und der Medaille für Verdienste um das Stiftungswesen ehrt der Verband herausragende Personen und würdigt deren stifterisches Engagement. Beispiele guter Stiftungskommunikation werden mit dem KOMPASS ausgezeichnet.

www.stiftungen.org/stiftungstag www.stiftungen.org/stiftungstag

Auf politischer Ebene macht sich der Bundesverband Deutscher Stiftungen für die Verbesserung der rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen stark. Der Professionalisierung des Stiftungswesens dienen die im Jahr 2006 von den Mitgliedern verabschiedeten Grundsätze Guter Stiftungspraxis, die gemeinnützigen Stiftungen einen Orientierungsrahmen für verantwortungsvolles und effektives Stiftungshandeln geben. Zu ihren wichtigsten Aussagen zählt das Transparenzgebot, welches verdeutlicht, dass die Bereitstellung von Informationen ein Ausdruck originärer Verantwortung jeder gemeinnützigen Organisation gegenüber der Gesellschaft ist. Der Verband, der eine solidarische Gemeinschaft bildet, versteht sich als Partner der deutschen Stiftungen. Er spürt Trends auf und hilft, dass sich neue Formen des bürgerschaft­ lichen Engagements entwickeln können. Der Förderung der neueren Erscheinungsform der Bürgerstiftung dient z. B. das Projekt „Initiative Bürgerstiftungen“.

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Die BMW Stiftung Herbert Quandt Die BMW Stiftung gibt Anregung und Unterstützung, sich über berufliche Auf­ gaben und private Interessen hinaus für das Gemeinwohl einzusetzen. Dabei richtet sie sich besonders an Menschen, die als internationale Führungskräfte über Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten verfügen und mit verantwortungsvollem Verhalten, sei es in Form von sektorenübergreifender Zusammenarbeit, ehrenamtlichem oder philanthropischem Engagement, einen entscheidenden Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten können. Bei unseren Programmen in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika beleuchten wir Schlüsselthemen und innovative Lösungsansätze aus allen ­gesellschaftlichen Bereichen und schaffen für die Programmteilnehmer konkrete Angebote zur gemeinschaftlichen Unterstützung von sozialen Akteuren. Dort, wo die Stiftung direkt mit Organisationen im sozialen Bereich zusammen­ arbeitet, setzt sie weniger auf die Förderung einzelner Projekte als auf die dauer­hafte Stärkung der finanziellen, organisatorischen und personellen Strukturen von Organisationen und ihren Fähigkeiten, Problemlösungen in die Breite zu tragen und in öffentliche Systeme einzuspeisen. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Stiftungsarbeit innovative Denkund Handlungsweisen am besten erkennen und neue Ideen und Praktiken am weitesten verbreiten, kurzum: besonders viel erreichen können, wenn wir partnerschaftlich und offen mit vielfältigen Akteuren in Politik, Wirtschaft und den Medien, mit Thinktanks, Sozialunternehmern und gemeinnützigen Organisationen zusammenarbeiten. www.bmw-stiftung.de BMW Stiftung Herbert Quandt BMW Stiftung Herbert Quandt

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Die Siemens Stiftung ENCOURAGE. empowering people.

Die Siemens Stiftung wurde im September 2008 gegründet, um das gesellschaft­ liche Engagement der Siemens AG nachhaltig auszubauen. Die Siemens Stiftung will Menschen in die Lage versetzen, sich aktiv gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen, und bezieht sich dabei ideell auf die Werte von Werner von Siemens. Gemeinsam mit Kooperationspartnern konzipiert und realisiert sie lokale sowie internationale Projekte mit der Zielsetzung, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit zu fördern. Die Stiftung engagiert sich in den Bereichen Ausbau der Grundversorgung und ­Social Entrepreneurship, Förderung von Bildung sowie Stärkung von Kultur. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und steht für verantwortungsvolle, wirkungsorientierte und innovative Projektarbeit, die sich auf die Zielregionen Afrika, ­Lateinamerika und Deutschland/Europa konzentriert. Neben der international ausgerichteten Siemens Stiftung mit Sitz in München gibt es derzeit weltweit fünf weitere Unternehmensstiftungen von Siemens in ­Argentinien, Brasilien, Frankreich, Kolumbien und den USA. Im Rahmen der Global Alliance of Siemens Foundations wird die Kooperation zwischen den Stiftungen unter der Leitung der deutschen Stiftung in den nächsten Jahren intensiviert und ausgebaut. www.siemens-stiftung.org

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Die Robert Bosch Stiftung Die Robert Bosch Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Als Gesellschafterin der Robert Bosch GmbH fließt der Stiftung anteilig deren ausgeschütteter Gewinn zu. Die gemeinnützige Stiftung ist nicht unternehmerisch tätig. Die Stimmrechte der Geschäftsanteile hat sie auf die Robert Bosch Industrietreuhand KG übertragen. Die Robert Bosch Stiftung hat im ehemaligen Wohnhaus von Robert Bosch in Stuttgart ihren Sitz. In der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch GmbH ist das Büro Berlin der Stiftung untergebracht. 100 Mitarbeiter bearbeiten im Durchschnitt 800 Eigen- oder Fremdprojekte pro Jahr. 60 Prozent aller Förderungen haben einen internationalen Bezug. Im Jahr 2011 flossen rund 68 Millionen Euro in die Projektförderung. Insgesamt hat die Robert Bosch Stiftung seit ihrer Gründung rund eine Milliarde Euro für eigene und fremde Vorhaben zur Verfügung gestellt. Zur Stiftung gehören in Stuttgart das Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK), das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für klinische Pharmakologie (IKP) und das Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung (IGM). Als unselbständige Stiftungen werden die DVA-Stiftung, die Hans-Walz-Stiftung, die Otto und Edith Mühlschlegel Stiftung und die Rochus und Beatrice Mummert-Stiftung geführt. www.bosch-stiftung.de

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Anmerkungen und Literatur Editorial Deutsche Umweltstiftung: Januar-Newsletter 2012 (http://www.deutscheumweltstiftung.de, 27.04.2012). 2 Vgl. Brunnengräber, Achim; Haas, Tobias: „Rio + 20: Die grüne Beliebigkeit“. In: Blätter für die deutsche und internationale Politik (2012:2), S 15–18. 3 Vgl. Mayert, Andreas: „Wirtschaftswachstum ­begrenzen. Ist eine bewusste Begrenzung der ­wirtschaftlichen Aktivität sinnvoll, ist sie umsetzbar?“ Hannover 2011 (http://www.ekd.de/si/publikationen_17500.html, 27.04.2012). 4 Weidner, Helmut: „Nachhaltigkeitskoopera­tion: vom Staatspessimismus zur Zivilgesellschafts­euphorie?“. In: Gosewinkel, Dieter; Rucht, Dieter; van den Daele, Wolfgang; Kocka, Jürgen: WZB-Jahrbuch 2003. Edition sigma, Berlin 2004, S. 59–74. 5 Paech, Niko; Pfriem, Reinhard: „Wie kommt das ­Soziale in die Nachhaltigkeit“. In: Beckenbach, Frank u. a.: Soziale Nachhaltigkeit. Metropolis Verlag, ­Marburg 2007, S. 99–128, hier S. 102. 6 Bellmann, Reinart; Laitko, Hubert; Meier, Klaus: „Generationengerechtigkeit: Die Verknüpfung ­ökologischer und sozialer Zielstellungen im Nach­ haltigkeitskonzept“. In: Utopie kreativ (2003:153/154), S. 635–648, hier S. 635f. 7 Rat für Nachhaltige Entwicklung: „Was ist ­Nachhaltigkeit?“ (http://www.nachhaltigkeitsrat.de/ nachhaltigkeit, 21.01.2012). 8 Die Bundesregierung: „Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung.“ Berlin 2002 (http://www.bundesregierung.de/ Content/DE/_Anlagen/Nachhaltigkeitwiederhergestellt/perspektiven-fuer-deutschlandlangfassung.pdf?__blob=publicationFile, 27.04.2012). 9 Interview mit Günther Bachmann am 09.02.2012 in Berlin. 10 Siehe z. B. Ekardt, Felix; Richter, Cornelia: „Soziale Nachhaltigkeit? Anmerkungen zu einer zweifelhaften neuen Begriffsbildung im Kontext der umwelt- und wirtschaftspolitischen Debatte“. In: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht (2006:4), S. 545–556. Z­ itiert in: Meyerhoff, Jürgen; Schwarze, Reimund (2007): „Editorial“. In: Beckenbach, Frank u. a.: Soziale Nachhaltigkeit, Metropolis Verlag, Marburg 2007, S. 7. 11 Vgl. Paech u. a. 2007, wie Endnote 5, S. 102. 12 Vgl. Bude, Heinz; Fischer, Karsten; Huhnholz, ­Sebastian: „Vertrauen. Die Bedeutung von Vertrauensformen für das soziale Kapital unserer Gesellschaft“. Hg. von Herbert Quandt-Stiftung, Bad Homburg v. d. Höhe 2010 (= Gedanken zur Zukunft; 19), S. 23 (http:// www.herbert-quandt-stiftung.de/files/publikationen/ gzz/gzz_19_bude_fischer.pdf, 27.04.2012). 1

Kapitel 1 Vgl. Stiftung Weltbevölkerung: „Die Welt­ bevölkerungsuhr“(http://www.weltbevoelkerung.de/ oberes-menue/publikationen-downloads/zu-unserenthemen/weltbevoelkerungsuhr.html, 19.01.2012). 14 Vgl. Vereinte Nationen: „World Population“ (http://esa.un.org/wpp/unpp/panel_population.htm, 19.01.2012). 15 Bellmann u. a. 2003, wie Endnote 6, S. 635. 16 Ebd., S. 644. 13

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17 Siehe zu dieser Problematik auch das Interview mit Wolfgang Gründinger, S. 37. 18 Vereinte Nationen, World Population Prospects: „The 2010 Revision“ (http://esa.un.org/unpd/wpp/ Other-Information/faq.htm#q4, 21.02.2012). 19 Interview mit Reiner Klingholz am 28.02.2012. 20 Heinrich Böll Stiftung: „Grenz- statt Menschenschutz? Asyl- und Flüchtlingspolitik in Europa“ (http://www.boell.de/downloads/Dossier_Asyl-_und_ Fluechtlingspolitik.pdf, 24.02.2012). 21 Lutz, Wolfgang: „Wachstum der Weltbevölkerung: Bildung der Frauen entscheidend“. In: Demografische Forschung (2011:4), S. 1f. 22 Ebd. 23 Dickens, Charles: Große Erwartungen. dtv, München 1972 [1860]. 24 Vgl. Nida-Rümelin, Julian; Rechenauer, Martin: „Internationale Gerechtigkeit“. In: Mir A. Ferdowsi (Hg.): Internationale Politik als Überlebensstrategie. Bayerische Landeszentrale für politische Bildung, ­München 2009, S. 297–323. 25 Vgl. Kersting, Wolfgang: Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags. Wissenschaftliche Buch­ gesellschaft, Darmstadt 1994. 26 Rawls, John: Eine Theorie der Gerechtigkeit. ­Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1975 [1971]. 27 Vgl. Nida-Rümelin u. a. 2009, wie Endnote 24, S. 304. 28 Vgl. Nida-Rümelin, Julian: „John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit – nach 40 Jahren“. In: Neue Gesellschaft/ Frankfurter Hefte (2011:5), S. 23f. 29 Rawls 1975, wie Endnote 26, S. 282f. 30 Ebd., S. 336. 31 Vgl. Wegener, Bernd: „Soziale Gerechtigkeitsforschung: Normativ oder deskriptiv?“. Antrittsvorlesung am 4. Juli 1994, Humboldt-Universität zu Berlin. (http:// edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/wegener-bernd/PDF/ Wegener.pdf, 06.03.2012). 32 Vgl. Pogge, Thomas: „Gleiche Freiheit für alle?“. In: Otfried Höffe (Hg.): Eine Theorie der Gerechtigkeit. Akademie Verlag, Berlin 2006, S. 162. 33 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Meckenheim 2012, S. 77f. 34 Fair childhood – GEW-Stiftung Bildung statt Kinderarbeit: „Millionenfache Kinderarbeit“ (http://www.fair-childhood.eu/Unsere_Vision. php?typ=mehr, 25.02.2012). 35 Vgl. Nuscheler, Franz: Die umstrittene Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Institut für Entwicklung und Frieden, Duisburg 2008 (= INEF Report; 93), (http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/ DerivateServlet/Derivate-29186/report93.pdf, 17.04.2012), S. 16f. 36 Global Footprint Network: „Earth overshoot day is coming!“ (http://www.footprintnetwork.org/de/index. php/GFN/page/earth_overshoot_day, 19.02.2012). 37 Mildner, Stormy-Annika (Hg.): Konfliktrisiko ­Rohstoffe? Herausforderungen und Chancen im ­Umgang mit knappen Ressourcen. Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin 2011, S. 5. 38 Sterner, Michael: „Nachhaltige Weltenergiesysteme – Wege in eine kohlenstoffarme Energiezukunft“. In: Tobias Debiel, Dirk Messner, Franz Nuscheler, ­Michèle Roth, Cornelia Ulbert (Hg.): Globale Trends 2010.


Frieden – Entwicklung – Umwelt. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2010, S. 219–318, hier S. 302. 39 Sonnenberg, Anke; Chapagain, Ashok; Geiger, Martin; August, Dorothea: Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. WWF Deutschland, Frankfurt am Main 2009. 40 Siehe auch Chapagain, Ashok K., Hoekstra, Arjen Y.: Water footprints of nations, Volume 1: Main Report. UNESCO-IHE, Delft 2004 (= Value of Water Research Report Series; 16). 41 Gottwald, Franz-Theo; Boergen, Isabel: „Wasser als Lebensmittel“. In: Peter Cornelius Mayer-Tasch (Hg.): Welt ohne Wasser. Geschichte und Zukunft eines ­knappen Gutes. Campus, Frankfurt am Main 2008, S. 100–120, hier S. 100. 42 WWF: „In den nächsten 60 Stunden verlieren wir Wald von der Größe Berlins“, Pressemitteilung vom 02.02.2011 (http://www.wwf.de/in-den-naechsten60-stunden-verlieren-wir-wald-von-der-groesseberlins, 24.02.2012). 43 Stiftung Wildnis: „Aktuelle Informationen zum ­Projekt“ (http://stiftungwildnis.org/index.php?id=165, 23.03.2012). 44 Vgl. Frey, Bruno: „Ein neuer Mercedes macht nur ein paar Wochen glücklich“. In: Süddeutsche Zeitung, 24.02.2012. 45 Interview mit Niko Paech. In: enorm (2012:1), S. 21. 46 Siehe Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): „Mythos Atomkraft. Warum der nukleare Pfad ein Irrweg ist“. Berlin 2010 (= Schriften zur Ökologie; 12). 47 Stiftung Zukunftserbe: „Klimaschutz: Atomkraft ist keine Alternative“ (http://www.zukunftserbe.de/ index.php?id=158, 24.03.2012). 48 Siehe http://www.streitpunkt-kernenergie.de 49 Siehe http://www.atomausstieg-selber-machen.de 50 Deutsche Umweltstiftung: „Der AKW-Gefährdungsatlas der Deutschen Umweltstiftung informiert über aktuelle Risiken“, Pressemitteilung vom 14.03.2011. 51 Deutscher Bundestag: „Rentenzuschuss und Hartz IV“ (http://www.bundestag.de/dokumente/­ textarchiv/2010/28355998_kw02_sp_hh_arbeit/ index.html, 25.02.2012). 52 Vgl. etwa: „Familienunternehmen beschweren sich bei Merkel“. In: ZEIT ONLINE (http://www.zeit.de/ ­wirtschaft/2011-06/brief-merkel-unternehmengriechenland, 24.03.2012) 53 „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ (http:// www.buzer.de/gesetz/8921/index.htm, 25.02.2012). 54 Friedrich-Naumann-Stiftung: „Für ein p ­ rinzipielles Verbot der Staatsverschuldung“ (http://www.la.fnst-freiheit.org/webcom/show_ article.php/_c-879/_nr-25/_p-1/i.html, 27.02.2012). 55 Moog, Stefan; Raffelhüschen, Bernd: Ehrbare Staaten? Tatsächliche Staatsverschuldung in Europa im Vergleich. Stiftung Marktwirtschaft, Berlin, 2011. (= Argumente zu Marktwirtschaft und Politik Nr. 115). Berlin 2011. 56 Vgl. Mintzberg, Henry; Ahlstrand, Bruce; Lampel, Joseph: Strategy Safari. Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements. Redline Wirtschaft, Frankfurt a. M./Wien 2002. 57 Mintzberg, Henry; Water, James A.: „Der Begriff der Strategie“ (http://www.eymeco.com/ wordpresseyemediaconcepts/category/social-mediamarketing-2/social-media-strategie, 12.02.2012). 58 Aus dem Leitbild der Karl Kübel Stiftung. 59 Karl Kübel Stiftung: „Stiftungsnetzwerk Südhessen“ (http://www.kkstiftung.de/226-0-StiftungsnetzwerkSuedhessen.html, 12.02.2012).

Kapitel 2 60 Vgl. Glatzer, Wolfgang: „Gefühlte (Un)Gerechtigkeit“. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (2009:47), S. 15–20, hier S. 15. 61 Imbusch, Peter: „Sozialpolitik und Friedenspolitik. Befunde, Herausforderungen, Perspektiven“. In: ­Carigiet, Erwin u. a. (Hg.): Wohlstand durch Gerechtigkeit. Rotpunktverlag, Zürich 2006, S. 382–397, hier S. 396. 62 Vgl. Sen, Amartya: Inequality Reexamined. Oxford University Press, Oxford 1992. 63 Vgl. Liebig Stefan; May, Meike: „Dimensionen ­sozialer Gerechtigkeit“. In: Aus Politik und Zeit­ geschichte (2009:47), S. 3–8, hier S. 4. 64 Vgl. OECD: „Divided We Stand: Why I­ nequality Keeps Rising. Country Note: Germany“ (http://www.oecd.org/document/51/0,3746, en_2649_33933_49147827_1_1_1_1,00.html, 19.02.2012). 65 Vgl. Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband 2012: „Kinderarmut in Deutschland“ (http:// www.dksb.de/content/showpage.aspx?content= 459&tpl=0, 09.03.2012). 66 Vgl. Bundesregierung: „Integration durch Bildung“ (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/ Artikel/2012/03/2012-03-08-bkin-bei-kmk.html, 09.03.2012). 67 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „25 Jahre Bundesfrauenministerium. Von der Frauenpolitik zu einer nachhaltigen Politik der fairen Chancen für Frauen und Männer“ (http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/ Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/25-JahreBundesfrauenministerium,property=pdf,bereich= bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf, 09.03.2012). 68 Vgl. ebd., S. 14. 69 Vgl. OECD: „The Gender Data ­Browser“ (http://www.oecd.org/site/0,3407, en_21571361_38039199_1_1_1_1_1,00.html, 19.02.2012). 70 Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen: ­Verzeichnis Deutscher Stiftungen. Zahlen, Daten, ­Fakten zum deutschen Stiftungswesen. Verlag ­Deutscher Stiftungen, Berlin 2011, S. 95. 71 Vgl. ebd., S. 105. 72 Bude, Heinz: Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet. Hanser, München 2011, S. 121. 73 Vgl. Rudolf-Sophien-Stift: „Die Werkstätten des Rehabilitationszentrums Rudolf-Sophien-Stift“ (http:// www.rudolf-sophien-stift.de/werkstaetten.html, 16.03.2012). 74 Vgl. Durdel, Anja; Bleckmann, Peter: Lokale Bildungslandschaften. Perspektiven für Ganztagsschulen und Kommunen. VS Verlag, Wiesbaden 2009, S. 12. 75 Einen Überblick über die Vielfalt von lokalen ­Bildungslandschaften vermittelt das Internetportal http://www.lokale-bildungslandschaften.de. 76 Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Das Förderprogramm ‚Lernen vor Ort‘“ (http://www.lernen-vor-ort.info/121.php; 22.02.2012). 77 Die lokalen Stiftungsverbünde werden hier vorgestellt: http://www.lernen-vor-ort.info/de/444.php. 78 Pollak, Reinhard: Soziale Mobilität in Deutschland, Düsseldorf 2012, S. 12. 79 Kiziak, Tanja; Kreuter, Vera; Klingholz, Reiner: „Dem Nachwuchs eine Sprache geben. Was frühkindliche Sprachförderung leisten kann“. Berlin-Institut für ­Bevölkerung und Entwicklung, Berlin 2012 (= Discussion Paper; 6), S. 12. 80 Vgl. ebd., S. 18f.

Anmerkungen und Literatur

131


81 Vgl. Solga, Heike; Dombrowski, Rosine: „Soziale Ungleichheiten in schulischer und außerschulischer Bildung“. Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf 2009, (= Arbeitspapier; 171), S. 43. 82 Pollak 2012, wie Endnote 78, S. 14. 83 Vgl. OECD: „Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler in Deutschland verbessert; aber weiterhin großer Abstand zur Spitze und ungleiche Bildungschancen“ (http://www.oecd.org/document/8/ 0,3746,de_34968570_35008930_46582920_1_1_1_1, 00.html, 09.03.2012). 84 Vgl. Initiative Bürgerstiftungen: „Projektepool“ (http://www.buergerstiftungen.org/de/aktionen/ projektepool/leseprojekte.html, 09.03.2012). 85 Vgl. Statistisches Bundesamt: „Lebensbedingungen, Armutsgefährdung“ (http://www.destatis.de/DE/ ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/Lebensbedingungen Armutsgefaehrdung/Tabellen/EUArmutgef Mitgliedstaaten_SILC.html?nn=50784, 09.03.2012). 86 Interview am 26. April 2012. 87 Sandberg, Berit; Buder, Alexandra: „Recruiting von Stiftungsvorständen – Eine explorative Studie zu Anforderungsprofilen und Personalbeschaffungs­ methoden“. In: Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen (2010:1), S. 6–13 , hier S. 12. 88 Interview am 24. April 2012. 89 Reich, Bob: „A Failure of Philanthropy“. In: Stanford Social Innovation Review 2005 (http://www.ssireview.org/articles/entry/ a_failure_of_philanthropy, 26.04.2012).

Kapitel 3 Weßels, Bernhard: „Politische Integration und ­ olitisches Engagement“. In: Statistisches Bundesamt, p Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hgg.): Datenreport 2011. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011, S. 371–376, hier S. 371. 91 Vgl. Haug, Sonja; Gerlitz, Jean-Yves: „Messkonzepte sozialen Kapitals – Eine Betrachtung vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdebatte“. In: Frank Beckenbach; Ulrich Hampicke; Christian Leipert (Hgg.): Soziale Nachhaltigkeit. Jahrbuch ökologische Ökonomik Bd. 5. Metropolis-Verlag, Marburg 2007, S. 213. 92 Putnam, Robert D.: „Bowling Alone: America’s ­Declining Social Capital“. In: Journal of Democracy (1995:6), S. 65–78. 93 Vgl. Braun, Sebastian: „Das soziale Kapital in Deutschland und die Jugendarbeit in Sportvereinen“. In: deutsche jugend. Zeitschrift für die Jugendarbeit (2002:50), S. 170–176. 94 Enquetekommission: „Zukunft des Bürgerschaft­ lichen Engagements“. Deutscher Bundestag 2002, S. 34. (http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Themen/Politik_Gesellschaft/ GeselZusammenhalt/enquete_be.pdf?__ blob=publicationFile, 13.03.2012). 95 Bourdieu, Pierre: Die verborgenen Mechanismen der Macht. VSA Verlag, Hamburg 1992. 96 Braun, Sebastian: „Soziales Kapital, sozialer Zusammenhalt und soziale Ungleichheit“. In: Zustand der Gesellschaft – Armut und Reichtum. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002. (http://www.bpb. de/publikationen/Z0DIE2,0,0,Zustand_der_Gesellschaft_Armut_und_Reichtum.html, 27.01.2012). 97 Vgl. Haug u. a. 2007, wie Endnote 91. 98 Merkel, Wolfgang; Lauth, Hans Joachim: „Systemwechsel und Zivilgesellschaft: Welche Zivilgesellschaft braucht die Demokratie?“. In: Aus Politik und Zeit­ geschichte (1998:B 6–7), S. 3–12. 90

132

StiftungsReport 2012/13

Ebd. Vgl. Putnam, Robert D.: Making Democracy work. Princeton University Press, Princeton 1993, S. 185. 101 Zürn, Michael: „Die Rückkehr der Demokratie­f rage“. In: Blätter für deutsche und internationale Politik (2011:6), S. 63–74, hier S. 65. 102 Vgl. Zicht, Wilko: „Ergebnisse der Bundestags­ wahlen“ (http://www.wahlrecht.de/ergebnisse/­ bundestag.htm, 01.04.2012). 103 Vgl. Freie Universität Berlin: „Lediglich die Grünen gewinnen zurzeit Mitglieder“ (http://www.fu-berlin. de/presse/informationen/fup/2011/fup_11_183/index. html, 01.04.2012). 104 Vgl. Weßels 2011, wie Endnote 90, S. 376. 105 Ebd. 106 Ebd., S. 374. 107 Vgl. GfK Custom Research: Pressemitteilung „Wohl­tätigkeitsorganisationen und Richter gewinnen international an Vertrauen“ (http://www.gfk.com/imperia/ md/content/presse/pressemeldungen_2011/ 20110617_trust_index_dfin.pdf, 03.05.2012). 108 Vgl. Alscher, Mareike; Priller, Eckhard: „Zivilgesellschaftliches Engagement“. In: Statistisches Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hgg.): Datenreport 2011. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011, S. 358–363, hier S. 358. 109 Vgl. Kurbjuweit, Dirk: „Der Wutbürger“. In: Der Spiegel (2010:41), S. 26–27. 110 Vgl. Infratest dimap: „Was Bürger können – Ergebnisse einer Repräsentativstudie von Infratest dimap“ (http://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/ bundesweit/umfragen/aktuell/buerger-wollen-mehrmitsprache-bei-energie-steuer-und-verkehrspolitik, 03.04.2012). 111 Vgl. Crouch, Colin: Postdemokratie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008. 112 Ebd., S. 131. 113 Leggewie, Claus: „2050: Die demokratische Frage heute“. In: Harald Welzer; Klaus Wiegandt (Hgg.): Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2011, S. 253–274, hier S. 267. 114 Vgl. Leseberg, Nina; Netkowski, Patrick: Engagement­förderung durch Stiftungen in Deutschland. Bundesverband Deutscher Stiftungen, KörberStiftung (Hgg.), Berlin 2010, S. 38. 115 Ebd. 116 Forum Engagementförderung: „Mehr Bürgergesellschaft wagen! Stiftungen in der Engagementförderung. Ein Positionspapier“ (http://www.stiftungen.org/ fileadmin/bvds/de/Termine_und_Vernetzung/Foren/ Forum_Engagementfoerderung/Positionspapier_ Engagement_foerdernder_Stiftungen_2012_03.pdf, 03.05.2012). 117 Bertelsmann Stiftung: „Experteninterviews zum Thema Demokratie: Prof. Dr. Wolfgang Merkel“ (http://www.youtube.com/watch?v=1ICiuf_Nmi0, 03.04.2012). 118 Bödeker, Sebastian: Soziale Ungleichheit und ­politische Partizipation in Deutschland. Otto Brenner Stiftung, Frankfurt a. M., S. 1. 119 Vgl. ebd., S. 37. 120 Ebd. 121 Ebd., S. 41ff. 122 Fraser, Nancy: „Soziale Gerechtigkeit in der ­Wissensgesellschaft: Umverteilung, Anerkennung und Teilhabe“. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Gut zu Wissen – Links zur Wissensgesellschaft (http://www.wissensgesellschaft.org/themen/ orientierung/gerechtigkeit.pdf, 03.04.2012). 99

100


Ebd. BMW Stiftung Herbert Quandt: „Community Organizing” (http://www.bmw-stiftung.de/de/gesellschaftneu-denken/sektoruebergreifende-kooperation/ community-organizing, 04.04.2012). 125 Robert Bosch Stiftung: „Lernort Stadion – Politische Bildung an Lernzentren in Fußballstadien“ (http:// www.bosch-stiftung.de/lernzentren, 04.05.2012). 126 Amadeu Antonio Stiftung: „Ermutigen. Beraten. Fördern.“ (http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/ wir-ueber-uns/was-wir-tun, 04.04.2012). 127 Weischenberg, Siegfried; Malik, Maja; Scholl, Armin: Die Souffleure der Mediengesellschaft. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2006, S. 16ff. 128 Ebd. 129 Füchs, Ralf: „Wie Stiftungen Politik und Gesellschaft verändern“ (http://www.tagesspiegel.de/berlin/ einmischen-bitte-wie-stiftungen-politik-undgesellschaft-veraendern/6555180.html, 03.05.2012). 123 124

Kapitel 4 Im Februar 2010 erklärte das Bundesverfassungs­ gericht die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II und beim Sozialgeld für verfassungswidrig und machte deutlich, dass Bildung und Teilhabe Bestandteil des Existenzminimums sind. Ein Jahr später verabschiedeten Bundestag und Bundesrat die Hartz-IV-Reform. Kernergebnis war, neben einer Erhöhung des HartzIV-Regelsatzes, das Bildungs- und Teilhabepaket; beides trat rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Das Bildungspaket umfasst folgende Leistungen: Mittagessen in Kita, Schule und Hort, Lernförderung, Mitgliedsbeiträge für Sportvereine oder Gebühren für den Musikunterricht, Teilnahme an Ausflügen, die von Schulen oder Kitas organisiert werden, Schulbedarf, z. B. Schulranzen und Stifte, sowie Schülerbeförderung. Die Bildungs- und Teilhabeleistungen für die etwa 2,5 Millionen leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen werden in Form von Gutscheinen oder Direktzahlungen an den Leistungsanbieter erbracht. 131 Verantwortlich für Konzeption, Durchführung und Auswertung der Befragung: Tim Berger, Inga Mühlenpfordt, Marcel Päßler (Berufliche Medienschule Hamburg-Wandsbek) sowie Dr. Antje Bischoff und Miriam Rummel (Bundesverband Deutscher Stiftungen). 132 Als leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche werden in dieser Studie Personen im Alter zwischen 9 und 18 Jahren bezeichnet, deren Eltern leistungsberechtigt nach dem SGB II sind (Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld), Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen. Auch Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 18 Jahren, die nach §2 AsylbLG Anspruch auf Leistungen analog dem SGB XII haben, werden in dieser Studie als leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche gezählt. 133 Mit Hilfe des Online Kinder-Panels der EARSandEYES GmbH, Hamburg. 134 Statistisches Bundesamt: 12. koordinierte Bevölkerungsvorausrechnung (http://www.destatis.de/ jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/ Content/Publikationen/Fachveroeffentlichungen/ Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/ BevoelkerungBundeslaender2060,templateId= renderPrint.psml, 05.03.2012). 135 Abweichungen zu 100 Prozent traten aufgrund von Rundungen auf. Es traten Verzerrungen durch Interviewausfälle in der Gruppe der Leistungsberechtigten auf. Die Fälle der Gruppe wurden entsprechend gewichtet, um eine Verteilung ähnlich der Demographie zu ermöglichen (Redressment). Die der Zielgruppe entsprechenden Teilnehmer wurden per E-Mail kontak130

tiert. Die E-Mail enthielt eine Einladung zur Teilnahme an der Studie und einen Link zum Fragebogen. Um eine ausreichende Stichprobe zu gewährleisten, wurden die Befragten aus dem Accesspool des beauftragten Instituts und eines weiteren renommierten Panelanbieters rekrutiert. Bei Befragten jünger als 16 Jahren wurden zuerst die Eltern per E-Mail kontaktiert, um Aussagen zur Leistungsberechtigung zu treffen und dem Kind die Teilnahme an der Studie zu erlauben. Die Kinder füllten anschließend selbstständig den Fragebogen aus. Das Einbinden der Eltern am Anfang der Befragung erhöhte die Validität der Erhebung und sicherte eine genaue Zuordnung der Kinder in leistungsberechtigte und nichtleistungsberechtigte Familien. Engagement in Zahlen Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen: ­ Lenzener Erklärung der Deutschen Umweltstiftungen zur Energiewende in Deutschland (http://www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/ Termine_und_Vernetzung/Arbeitskreise/AK_Umwelt/ Lenzener_Erklrung.pdf, 27.03.2012). 137 Bloemer, Vera: Stifterinnen. Frauen erzählen von ihrem Engagement – ein Lesebuch. Verlag Deutscher Stiftungen, Berlin 2010. 138 Vgl. Lang, Niklas; Schnieper, Peppi: Professionelles Management von Stiftungen. Helbing & Lichtenhahn, St. Gallen 2006, S. 177. 139 Online-Stiftungsumfrage des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Quelle: Bischoff, Antje; Bühner, Sebastian; Küstermann, Burkhard; Lassalle, Andrea; Rummel, Miriam: Stiftungen und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Verlag Deutscher Stiftungen, Berlin 2012, S. 78. 140 Kollmorgen, Raj: „Warum eine besondere Förderung der ostdeutschen Zivilgesellschaft (doch noch) notwendig ist, und was das bedeutet“. In: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.): Stiftungsinitiative Ost. Verlag Deutscher Stiftungen, Berlin 2011, S. 8. 141 Lübecker Nachrichten Online: „Wissenschafts­ stiftung wird bis Ende 2009 aufgelöst“ (http:www.ln-online.de/nachrichten/ norddeutschland/3316854/wissenschaftsstiftung-wirdbis-ende-2012-aufgeloest, 01.03.2012). 142 Initiative Bürgerstiftungen (http://www.diedeutschen-buergerstiftungen.de, 1.10.2011). 143 In die Tabellen wurden nur die Stiftungen aufgenommen, die bereit waren, ihre Daten zu veröffentlichen. Die Vermögensangaben beziehen sich auf die Verkehrswerte. Wenn keine Verkehrswerte vorlagen, sind Buchwerte aufgeführt. Gefragt wurde nach dem Grundstockvermögen. Die Gesamtausgaben lassen kaum Rückschlüsse auf die Vermögenssituation oder die Wirtschaftlichkeit einer Stiftung zu, da in diesem Posten neben den Verwaltungsausgaben weitere aus anderen Quellen – wie Spenden, öffentliche Zuwendungen, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb usw. – erhaltene Einnahmen zum Tragen kommen. Gefragt wurde nach den Gesamtausgaben einschließlich der darin enthaltenen Verwaltungskosten und Rücklagen. Viele der Stiftungen geben nur ihre Förderausgaben an. Bei Trägerstiftungen werden die Haushalte meist durch Leistungsentgelte, wie Pflegesätze, oder durch öffentliche Zuwendungen bestimmt. Die Haushalte der Stiftungen öffentlichen Rechts beruhen zum Großteil aus Zuwendungen der öffentlichen Hand. Die parteinahen Stiftungen finanzieren sich hauptsächlich aus Bundesmitteln. 144 Diese Umfrage der Initiative Bürgerstiftungen wird einmal jährlich im März durchgeführt. Inzwischen ist die Teilnahme auch online möglich: http://www.die-deutschen-buergerstiftungen.de 136

Anmerkungen und Literatur

133


Brigitte Ott-Göbel stiftet für den JugendCircus Calibastra in Stuttgart.

Tut Gutes. Wir reden darüber. Der Deutsche Engagementpreis würdigt jedes Jahr Menschen und Organisationen für ihr herausragendes gesellschaftliches Engagement. Mehr als ein Drittel der Deutschen setzt sich bereits aktiv für das Gemeinwohl ein. Die bundesweite Auszeichnung macht engagierte Personen und beeindruckende Projekte sichtbar und stärkt die Anerkennungskultur für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland. Informationen zum Wettbewerb finden Sie unter deutscher-engagementpreis.de

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Vergütung haupt- und ehrenamtlicher Führungskräfte in Stiftungen Die Ergebnisse der Vergütungsstudie Broschur, 149 Seiten 149,90 Euro ISBN 978-3-9812114-0-5

preis Sonder nten von S&S für Abonne

79,90 €

Moral, Ethik und Verantwortung. Unvereinbar mit der Spendenkultur? Alexander Glück

Die verkaufte Verantwortung: Das stille Einvernehmen im Fundraising Plädoyer für ein Umdenken in der Spendenkultur!

BESTELLUNGEN UND INFORMATIONEN: Tel. 05246 9219-0 Fax 05246 9219-99 abo@stiftung-sponsoring.de www.stiftung-sponsoring.de

Broschur, 200 Seiten 24,90 Euro ISBN 978-3-9812114-2-9 SONDERPREIS für Abonnenten von Stiftung&Sponsoring € 19,90 Stiftung



Die Stiftungslandschaft 2012/13 Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Was aber macht den Begriff konkret aus? Ging es im ersten Band der StiftungsReport-Trilogie „Auftrag Nachhaltigkeit“ um den Klimawandel, befasst sich der StiftungsReport 2012/13 mit der sozialen Dimension. Im Mittelpunkt stehen zunächst Gerechtigkeitsfragen: Wie wirkt sich die Schuldenlast auf das Leben künftiger Generationen aus? Wie muss ein Bildungssystem beschaffen sein, das allen gute Start­chancen ins Leben ermöglicht? Stiftungen suchen nach Lösungen für die teilweise gigantischen Probleme – und beginnen im Kleinen mit der Umsetzung. Ebenso relevant für das gesellschaftliche Miteinander ist das politische System. Wie wollen sich die Bürger einbringen und wie können Stiftungen zur Stabilisierung der Demokratie beitragen? Auf diese Fragen fokussiert der StiftungsReport – mit Praxisbeispielen und Vorschlägen für die Stiftungsarbeit.

Außerdem: • Kinderbefragung des Bundes­verbandes Deutscher Stiftungen: Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen • Aktualisierte Zahlen, Daten und Fakten zur deutschen Stiftungslandschaft anschaulich aufbereitet Der jährlich erscheinende StiftungsReport ist ein unverzichtbares Werk für Fach- und ­Führungskräfte im gemeinnützigen Sektor, in Politik und Wirtschaft, für Medienschaffende und Verbände. Neben aktuellen Zahlen, Daten und Trends im Stiftungswesen widmet er sich schwerpunktmäßig gesellschaftspolitischen Herausforderungen und zeigt auf, w ­ elchen Beitrag Stiftungen zu deren Lösung leisten.

Herausgegeben vom

in Kooperation mit

Das Projekt wurde gefördert von

Originalausgabe

www.stiftungen.org

ISBN 978-3-941368-25-5


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