BN Faltblatt: Schöpfung bewahren

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Naturschutz auf Kirchengrund

Schรถpfung bewahren


Auftrag von höchster Stelle »Seid fruchtbar und mehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.« (Gen 1,28) Der unbekannte Verfasser dieses Auftrags wusste, wovon er sprach: »Erde« bedeutete damals das Naheliegendste, also Boden. »Untertan machen« hieß so viel wie bewirtschaften, und »herrschen« war gebräuchlich für das, was Hirten oder weise Könige tun. Die Menschen seiner Zeit hörten einen sehr klaren Auftrag: bewirtschaftet und bewahrt die Vielfalt der Erde! 2500 Jahre später haben wir uns die Erde untertan gemacht und herrschen über das Getier, doch mit der ursprünglichen Absicht hat der ruinöse Feldzug wenig gemein. Ob Missverständnis oder nicht, den Kirchen liegt viel daran, zu zeigen, was wirklich gemeint war: fürsorgliche Hege in Respekt vor der Vielfalt und dem Eigenwert der Natur. Sie tun das immer häufiger nicht nur durch Exegese, sondern durch Exempel auf eigenen Äckern, Wiesen und Wäldern.


Ökologische Ökumene Als Grundbesitzer sind sich katholische wie evangelische Kirche einer unmittelbaren Verpflichtung zum Naturschutz bewusst. Sie haben das bereits 1985 in der gemeinsamen Erklärung »Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung« verdeutlicht. Niederschlag fanden diese und ähnliche Erklärungen unter anderem in ökologischen Richtlinien für die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen. Ein enormes Potenzial, denn die Kirchen sind die größten nichtstaatlichen Grundbesitzer Bayerns. Würde nur ein Viertel der Grundstücke umgewidmet – was in Kirchenkreisen durchaus als realistisch gilt – wäre das ein Meilenstein auf dem Weg zu »Am Anfang schuf Gott flächenhaftem Naturschutz Himmel und Erde ... und Biotopverbund. Und er sah an alles, Der Bund Naturschutz was er gemacht hatte, und kooperiert deshalb zunehsiehe, es war sehr gut.« mend mit kirchlichen Gruppen und Institutionen. Viele ökologische Kleinode konnten gerettet, viele neue Lebensräume geschaffen werden. Naturschutz auf Kirchengrund? Ein Zukunftsmodell, ganz nach Auftrag.


Preisnachlass für die Brühlwiese Im Raum Ansbach kooperieren evangelische Kirche und BN-Kreisgruppe schon lange. Läuft ein Pachtvertrag der Kirche mit einem Bauern aus, kann geprüft werden, ob die Fläche für den Naturschutz interessant ist. Der Bund Naturschutz kann dann neuer Pächter werden. Die Zusammenarbeit begann 1979 mit der Brühlwiese in Buch am Wald. Dank differenzierter Pflege durch die BNKreisgruppe konnte sich die brach liegende, stark verfilzte moorige Streuwiese rasch regenerieren. Viele standorttypische Arten wie Breitblättriges Knabenkraut, Davallsegge, Sumpfherzblatt, Niedrige Schwarzwurzel oder Trollblume entwickelten wieder starke Bestände. So wurde die Wiese denn auch als geschützter Landschaftsbestandteil ausgewiesen. Im Zuge der Flurbereinigung kamen Pufferflächen hinzu, die ein Landwirt seither nach Vorgaben des Vertragsnaturschutzes nutzt. Heute gilt das rund zwei Hektar große Feuchtgebiet als überregional bedeutsam.


Kirchenasyl im Vilstal Eine Initiative mit Modellcharakter starteten die BN-Ortsgruppen Landau und Eichendorf Ende der 1980er Jahre. »Schöpfung bewahren« war das Motto, neue Biotope schaffen das Ziel. Partner war die katholische Kirche, verfügt sie doch im Gebiet der Diözese Passau über rund 2o00 Hektar Felder und Wiesen. Zunächst informell, seit 1996 dann mit Rückenwind durch die ökologischen Leitlinien der Diözese, setzte sich der BN im Kreis Dingolfing-Landau für mehr Naturschutz auf insgesamt 38 Hektar Kirchengrund ein. Viele Akteure mussten gewonnen werden: Pfarrgemeinden, Pächter, Landschaftspflegeverband, Kommunen und Diözese. Die gute Kooperation zahlte sich aus: Bald bereicherten Hecken und Tümpel die Landschaft. Viele Äcker wurden in Wiesen umgewandelt; sie werden von heimischen Landwirten nach naturschutzfachlichen Vorgaben bewirtschaftet. Um die Wiesenbrüter zu fördern, wurden im Vilstal auch private und öffentliche Flächen herangezogen. So entstand ein insgesamt 70 Hektar großer Auenverbund mit artenreichen Blumenwiesen. Der Blaukehlchenbestand nimmt zu, und selbst der Große Brachvogel ist nach 15 Jahren Exil zurückgekehrt und brütet heute mit zwei Paaren in den neuen Vilswiesen.

Im Frühling gleicht die Brühlwiese bei Ansbach einem Meer aus Blüten: Rotes Knabenkraut, gelbe Trollblumen und weiße Sumpfherzblätter erfreuen mit ihrer Pracht die Sinne. Auf den Feuchtwiesen des Vilstals finden Großer Brachvogel und Blaukehlchen unter der schützenden Hand von Kirche und Bund Naturschutz nach Jahren der Vertreibung und Bedrohung endlich wieder ein sicheres Zuhause.


Biotopverbund mit Kirchengrund Garchinger Heide So nah und doch so fern: Nur 2500 Meter trennen das europaweit bedeutsame Magerrasenbiotop Garchinger Heide von dem FFH-Gebiet Isarauen. Doch Intensiv-Äcker bildeten bis vor wenigen Jahren eine scharfe Barriere. Den Durchbruch wagte 1991 die Pfarrgemeinde Neufahrn, die in dem Gebiet 220 Hektar und damit den Schlüssel zum Biotopverbund besitzt. »Wir alle sind für den Schutz Mit den ökologischen und die Bewahrung der Richtlinien der Erzdiözese Schöpfung verantwortlich. München und Freising in Diese Verantwortung kennt keine Einschränkungen.« der Hand machte sie sich Papst Benedikt XVI, an die Runderneuerung der Botschaft zum Weltfriedenstag 2010 Pachtverträge. Gut ein Zehntel der Fläche wurde umfunktioniert zu Pufferzonen, Acker- und Wiesenrandstreifen, sowie zu einzelnen Sukzessionsflächen. Die Pflege übernahmen die Pächter; sie werden dafür entschädigt. Durch neu gepflanzte Bäume und Streuobstwiesen entlang der Feldwege wurde auch die ortsnahe Landschaft attraktiver. Radler, Jogger und Spaziergänger verirren sich nicht mehr so häufig ins Schutzgebiet. Eine beispielhafte Kombination von Landwirtschaft und Naturschutz. Was auch der Bundespräsident so sah. Er zeichnete das Engagement in der Heide im Europäischen Naturschutzjahr 1995 als »Projekt des Monats« aus.

Da atmen Eisvogel und Braunkehlchen auf: Engagierte Artenschützer entfernen standortfremde Fichtenaufforstungen. Dank dieses Pflegeeinsatzes gibt es heute im Frankenwald wieder vermehrt offengehaltene, lichte Hangwälder und Bachauen – der Lebensraum für viele gefährdete Tiere.


Frankenwald Pilotcharakter hat ein Projekt im Raum Hof: Erstmals hatte die evangelische Kirche gemeinsam mit der BNKreisgruppe Hof für einen Zeitraum von sechs Jahren die Trägerschaft für ein ABSP-Umsetzungsprojekt übernommen. Das Arten- und Biotopschutzprogramm hatte hier die typischen Landschaftsformen des Frankenwaldes im Blick. Im Rahmen des Projektes wurden diese stärker vernetzt und ökologisch aufgewertet. Drei Schwerpunkte wurden dabei bearbeitet: die Renaturierung und Rekultivierung von Frankenwald-Wiesentälern, der Erhalt und die Förderung der Wiesenbrütervorkommen im Bereich der Bad Stebener Rodungsinsel und die Strukturanreicherung landwirtschaftlich ausgeräumter Gebiete. Konkrete Artenschutzmaßnahmen waren und sind auch über das Projektende hinaus die Pflege der Wiesen auf der Frankenwaldhochfläche mit ihren landesweit bedeutsamen Vorkommen von Wiesenbrütern und der mageren blütenreichen Bergwiesen, die das Landschaftsbild einst mit prägten. Während der Laufzeit des Projektes wurden mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds 22 Hektar ökologisch wertvolle Flächen im Wert von 180 000 Euro angekauft und so dauerhaft unter Schutz gestellt. Am Ende des Projektes steht eine funktionierende und weiterhin effektiv arbeitende Partnerschaft zwischen dem Bund Naturschutz, den Kirchengemeinden im Dekanat Naila und den in der Projeksteuergruppe zusammengeschlossenen Ämtern und Institutionen zum Wohle des Naturschutzes in der Region.


Licht für die Hersbrucker Mehlbeere Einen geübten Blick brauchen Wanderer in der Nördlichen Frankenalb schon, wenn sie neben der markanten Landschaft auch noch eine botanische Spezialität der Gegend sehen wollen: die Fränkische und die Hersbrucker Mehlbeere. Diese endemischen, also nur hier lebenden Arten sind sehr selten geworden. Sie brauchen viel Licht und wachsen in lichten Wäldern, an Felsen oder Waldrändern. Solche Plätze sind rar geworden, vor allem wegen der Aufgabe alter Kulturformen wie Waldweide und Niederwaldwirtschaft. 2001 startete die evangelische Kirche ein Artenhilfsprojekt für die endemischen Mehlbeeren. Die Trägerschaft übernahm der kirchliche Verein »Schöpfung bewahren konkret«. Unter dem Dach der Kirche fanden sich viele Akteure zusammen: Naturschutz- und Forstbehörden, Vereine und Waldbesitzer, Landschaftspflegevereine und Kirchengemeinden. Der Erfolg blieb nicht aus: Ein Netz aus geeigneten Lebensräumen für die endemischen Mehlbeeren ist entstanden. Die Waldbesitzer in der Region sowie Vereine und Konfirmandengruppen stellten »ihre« Mehlbeeren frei,


und der Verein kaufte gezielt Grundstücke an, auf welchen die Mehlbeeren besonders gefördert werden. Davon profitieren aber auch viele andere bedrohte Tier- und Pflanzenarten mit ähnlichen Ansprüchen. Nicht zuletzt hilft der Mehlbeeren-Schutz, das typische Landschaftsbild der Region zu erhalten. Eine sinnvolle Ergänzung ist das »Hutangerprojekt« des BN in der Hersbrucker Alb: Die Beweidung der Magerrasen fördert auch die Mehlbeeren. Die weltweit nur in der Frankenalb vorkommende Fränkische Mehlbeere liebt trockene und warme Standorte. Um dem Baum seinen Platz an der Sonne zu bewahren, scheuen die Aktiven von BN und Kirche auch steile Kletterpartien nicht. Auf den dann offenen Trockenstandorten gedeiht auch die wunderschöne Küchenschelle prächtig.


Initiative ergreifen Seit drei Jahrzehnten nehmen die Kirchen besondere Verantwortung für die Umwelt wahr. Ihr Engagement reicht dabei von ökologischem Bauen, Energie- und Umweltmanagement über die Nutzung regenerativer Energien bis hin zur Unterstützung regionaler Vermarktungsinitiativen und ökologisch-ethischer »Das Lebendige soll leben Bildungsarbeit. können, nicht nur um der Einen besonderen Platz Nützlichkeit …, sondern um nimmt der Umgang mit der Fülle, um der Schönheit kircheneigenen Ländereien der Schöpfung willen.« Aus einer Erklärung und Grundstücken ein. der deutschen Bischöfe 1980 Bietet er doch die Chance, unmittelbar zum Erhalt der biologischen Vielfalt beizutragen. Die Kirchen sind sich ihrer Vorbildfunktion sehr bewusst. Anstöße und Hilfestellung für konkrete Vorhaben auf Kirchengrund können die Naturschutzverbände geben. In der Regel stoßen sie bei den Kirchenverantwortlichen auf offene Ohren und Kooperationsbereitschaft. Aber wer ist zuständig? Erster Ansprechpartner ist der jeweilige Pfarrer als »Pfründeinhaber«. Die kirchlichen Flächen gehören in der Regel zur örtlichen Pfarrkirchenstiftung oder zur Pfarrpfründestiftung. Bei Grundstücken der Kirchenstiftung entscheiden die einzelnen Kirchenbeziehungsweise Pfarrgemeinden direkt darüber, was damit geschieht. Bei Flächen der Pfründestiftung entscheidet der Pfründestiftungsverband (Evangelische Kirche) beziehungsweise die Pfründepachtstelle (Katholische Kirche) in Abstimmung mit der jeweiligen Kirchengemeinde, in deren Zuständigkeitsbereich sich die Fläche befindet.


Eine bewährte Alternative ist der Weg über den Umweltbeauftragten der Kirchengemeinde, der zuständigen Diözese, des Kirchenkreises oder der Landeskirche. Dieser prüft das geplante Projekt, berät den Pfarrer und hilft, zu einer Projektvereinbarung zu gelangen. Die weiteren Schritte sind: Pachtzeit bei der Pfarrei in Erfahrung bringen (in der Regel neun bis zwölf Jahre). Rechtzeitig vor Neuvergabe Informationsveranstaltung organisieren, möglichst zusammen mit dem zuständigen Umweltbeauftragten der Kirche und Vertretern der Landwirtschaftsämter sowie der Unteren Naturschutzbehörde. Dabei auch über Förderprogramme informieren. Konkrete fachliche Planung erstellen oder in Auftrag geben. Suche und Vermittlung von geeigneten Pächtern, falls der bisherige abspringt. Naturschutzauflagen für den Pachtvertrag vorschlagen, orientiert an den ökologischen Leitlinien der Kirchen. Eventuell bei der Pflege oder Anlage von Biotopen mithelfen. Der direkte Weg über den Umweltbeauftragten empfiehlt sich auch dann, wenn noch gar keine konkreten Grundstücke ins Auge gefasst sind und eine allgemeine Kooperation angestrebt wird. Mit Hilfe des Umweltbeauftragten lässt sich schnell in Erfahrung bringen, ob geeignete Flächen existieren, wann durch Ablauf von Pachtverträgen Handlungsspielräume entstehen, und vor allem, welche Grundstücke unverpachtet sind und im Prinzip sofort zugänglich wären.


Adressen und Ansprechpartner Evangelische Kirche Dr. Wolfgang Schürger, Umwelt- und Klimareferat der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Marsstr. 19, Postfach 200751, 80335 München, Tel. 0 89-55 95-612, umwelt@elkb.de Evang. Luth. Pfründestiftungsverband in Bayern, Karlstraße 18, 80333 München, Tel. 0 89-55 95-351, Fax -427 Kirchlicher Verein »Schöpfung bewahren konkret« c/o Evang. Umweltreferat (s. o.) Katholische Kirche Katholische Pfründepachtstelle, Margaretenstr. 16, 93047 Regensburg, pfruendepachtstelle@ bistum-regensburg.de, www.kath-pfruendepachtstelle.de Namen und Adressen der Umweltbeauftragten der sieben (Erz-)Diözesen Bayerns sind bei der BN-Fachabteilung München, Pettenkofer Str. 10 a/I, 80336 München, Tel. 0 89-54 82 98 63, Fax 0 89-54 82 98 18, fa@bund-naturschutz.de erhältlich Kontakte zu den vorgestellten Projekten Brühlwiese: Helmut Altreuther, BN-Kreisgruppe Ansbach, Pfarrstr. 33/II, 91522 Ansbach, Tel. 09 81-1 42 13, Fax -1 72 11, bn-ansbach@t-online.de Landau/ Vilstal: Franz Peterhans, BN-Ortsgruppe Eichendorf, Dornach 7, 94428 Eichendorf, Tel. 0 99 52-558 Josef Holzbauer, Umweltbeauftragter des Bistums Passau, Hengersberger Str. 10, 94557 Niederalteich, Tel. 0 99 01 - 93 52 17, Fax -93 52 19, holzbauer@lvhs-niederaltaich.de Frankenwald: Wolfgang Degelmann, BN-Kreisgruppe Hof, Vorstadt 6, 95028 Hof, Tel. 0 92 81-1 63 06, Fax -23 71 Garchinger Heide: Mattias Kiefer, Umweltbeauftragter, Erzbischöfliches Ordinariat, Rochusstraße 5, 80336 München, Tel. 0 89 -2137-15 14, www.erzbistum-muenchen.de/umwelt Hersbrucker Mehlbeere: Dipl.-Biol. Barbara Füchtbauer, Projektbetreuerin, fuechtbauer@gmx.de Umweltreferat der evangelischen Kirche, Augustenstr. 17, 80333 München, Tel. 0 89-54 82 19-11, Fax -20 Herausgeber Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) Dr.-Johann-Maier-Straße 4 93049 Regensburg www.bund-naturschutz.de Text Kurt Schmid, BN-Fachabteilung, in Zusammenarbeit mit Dr. Kai Frobel, BN-Referat für Arten- und Biotopschutz Redaktion Tino Schlagintweit BN-Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Manfred Gößwald (verantw.), Holger Lieber Fotos Moser, Willner, Meßlinger, Peterhans, Werle, Reinhard, BN-Kreisgruppe Hof, BN-Kreisgruppe Nürnberg-Land Satz und Gestaltung Waltraud Hofbauer, München Druck BN Service GmbH, Lauf a. d. Pegnitz 2. aktualisierte Auflage, April 2010 Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit. Ihre Mitgliedschaft oder Spende hilft. www.bund-naturschutz.de/spenden


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