Nationalpark Bayerischer Wald
Wildnis f端r uns
40
Jahre s
Erfolg chte geschi
Baumschule der Natur Für viele von uns etwas Unbekanntes: die Begegnung mit lebenden und toten Bäumen im Nationalpark Bayerischer Wald. Unheimlich der Anblick von Baumleichen zwischen Rachel und Lusen. Manche Besucher des Nationalparks sind erst einmal schockiert. Manche kommen aber extra wegen dieses einmaligen Erlebnisses von Leben und Sterben, Werden und Vergehen in den Nationalpark. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich: Der scheinbar tote Wald lebt. Und deshalb ist der Bayerische Wald so faszinierend und lehrreich. Er zeigt uns, dass alles ständig im Wandel ist, egal ob Windwurf, Klimawandel oder Borkenkäfer die Lebensgemeinschaften verändern. Es entsteht neuer Wald, nur scheinbar chaotisch, und auf lange Sicht ohne Zutun des Menschen besser an den Standort angepasst und vielfältiger. Man kann nur staunen, wie schnell Fichten, Ebereschen und Buchen auf den scheinbar abgestorbenen Flächen wieder Fuß fassen. Gut beschützt
Buchenkeimling
Der Nationalpark Bayerischer Wald wird auf 98 Prozent seiner 24250 Hektar Gesamtfläche von Wald bedeckt.
und versorgt wachsen die empfindlichen Keimlinge und Jungbäume im Mikado der silbriggrauen Baumgerippe heran. Erstmals in Deutschland geschah das 1983 und 1984 im Bayerischen Wald nach einer Serie von Windwürfen. Heute, nur gut 25 Jahre später, können wir rund um Rachel und Lusen, beispielsweise am »Seelensteig« bei Spiegelau beobachten, wie perfekt Werden und Vergehen ineinandergreifen, um einen Naturwald von großartiger Schönheit und Vielfalt zu schaffen. In dieser Baumschule können wir lernen. Dann gruselt uns auch nicht mehr vor Totholz. Sorgen bereitet Manchem das Werk des Borkenkäfers (kleines Bild, stark vergrößert). Doch der neue Wald wächst kräftig nach – ohne menschliches Zutun viel besser als mit.
Natur Natur sein lassen Tiere und Pflanzen müssen im Nationalpark an extreme Verhältnisse angepasst sein: die Winter lang und schneereich, die Sommer kühl und feucht, inzwischen aber manchmal auch heiß, was es früher hier nicht gab. Der 242 Quadratkilometer große Park ist fast vollständig mit Wald bedeckt. Daneben existieren aber auch Sonderstandorte wie Hochmoore, Bergbäche, ein Eiszeitsee sowie vegetationsfreie Blockfelder. In den Hanglagen wächst Bergmischwald mit Fichte, Tanne, Buche und Bergahorn. In den Hochlagen wachsen aufgrund des kalten Klimas natürliche Fichtenwälder. Sie sind inzwischen sehr alt geworden, den Umweltbelastungen und Klimaextremen nicht gewachsen und sterben großflächig ab. Hier spielt sich ein faszinierendes Experiment ab: Erstmals seit Jahrhunderten können sich in natürlicher Dynamik standort-
Auerhahn
Dreizehenspecht
Schwarze Teufelskralle
Schwarzstorch Grasfrösche
gerechte Lebensgemeinschaften bilden. Eine regelrechte Arche ist der Nationalpark schon heute für seltene Farne und Blütenpflanzen wie Korallenwurz, Nickendes Weidenröschen oder die Vielteilige Mondraute. Die Tierwelt umfasst die typischen Arten mitteleuropäischer Bergwälder wie Rothirsch, Reh und Wildschwein ebenso wie Fuchs, Dachs oder auch den Fischotter. Großen Räubern wie Wölfen oder Bären, die hier durchaus leben könnten, begegnet man jedoch nur in den sicheren Tiergehegen. Der Luchs hingegen darf hier wieder in freier Wildbahn jagen. Im Nationalpark brüten rund 50 Vogelarten, darunter so seltene wie Auer- und Haselhuhn, Weißrücken- und Dreizehenspecht, Habichts-, Rauhfuß- und Sperlingskauz sowie Wanderfalke und Schwarzstorch. Von europaweiter Bedeutung als Lebensraum ist die große Menge Totholz im Park, an das fast ein Drittel der hier vorkommenden Arten – Spechte, Eulen, Fledermäuse, Insekten und Pilze – gebunden ist. Sogar Pilzarten, die weltweit nur ganz wenige Vorkommen haben, fassen im Bayerischen Wald wieder Fuß. Die natürliche Vielfalt ist in den künftigen Urwäldern, die nach einer Massenvermehrung der Borkenkäfer neu entstehen, wesentlich größer als davor.
Urwald für unsere Kinder und Enkel Die Idee zu einem Nationalpark im Bayerischen Wald ist eng mit dem Bund Naturschutz verknüpft: Der junge Forstwirt und niederbayerische Regierungsbeauftragte für Naturschutz Hubert Weinzierl warb um 1965 hartnäckig für die scheinbar abwegige Idee eines Nationalparks in Deutschland. In einer seit Jahrhunderten flächendeckend vom Menschen geprägten Landschaft schien kein Platz mehr für ein solches Schutzgebiet. Auch Experten wie der bekannte Zoologe Bernhard Grzimek waren zunächst skeptisch. Konnte sich ein Fichtenbergwald mit der Serengeti messen? Auf einer Exkursion überzeugte Weinzierl aber auch ihn von der Ursprünglichkeit der Wälder zwischen Rachel und Lusen. Einige Jahre später stand auch die Staatsregierung hinter dem Projekt. 1969 beschloss der Landtag einstimmig die Errichtung des ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald. Ein großer Erfolg für den BN, der sich nicht nur mit Worten für den Nationalpark engagierte, sondern auch Geld für die Ausstattung der Tierfreigehege zur Verfügung stellte. Die Dispute gingen jedoch weiter: Gemeinsam mit Hans Bibelriether und Georg Sperber, die inzwischen den Natio-
Hartnäckig und am liebsten vor Ort warb der frühere BN-Vorsitzende Hubert Weinzierl für den Nationalpark, im oberen Bild 1969 mit Professor Wolfgang Haber und Politikern, unten mit Professor Bernhard Grzimek und Helmut Steininger.
nalpark leiteten, kämpfte der BN für das Prinzip Wildnis. Denn noch war auch im Nationalpark ein Bewirtschaftungsstopp unvorstellbar. Eine Zäsur brachten dann 1983 und 1984 zwei spektakuläre Windwürfe. Entschlossen griff der bayerische Forstminister die Forderung des Bundes Naturschutz auf und proklamierte »einen Urwald für unsere Kinder und Enkelkinder«. Erstmals in Deutschland durften riesige Mengen Holz im Wald verrotten. Hans Bibelriethers Maxime »Natur Natur sein lassen« setzte sich durch, der Park gewann internationales Format, und immer mehr Touristen entdeckten den Reiz der Wildnis. Jetzt braucht der neu heranwachsende wilde Wald nur Zeit, damit aus ihm ein echter Urwald wird.
Wald erleben wie er wirklich ist Der Nationalpark ist tabu für Holznutzung, aber offen für Besucher: Vor allem geht es um unmittelbare Erfahrung mit der »wilden Natur«, die sonst nirgends mehr möglich ist. Besucher sind deshalb immer willkommen: Zahlreiche Einrichtungen wie Tierfreigehege, Naturlehrpfade mit Führungen sowie 500 Kilometer Wander- und Radwege machen den Nationalpark zu einem abwechslungsreichen Urlaubsziel – nicht nur im Sommer. Zu ausgedehnten Wanderungen durch weiße Einsamkeit und Stille verlocken 80 Kilometer Langlaufloipen. Bei Regen lohnt sich auch ein Besuch im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald oder im Glasmuseum Frauenau. Naturkundliche Entdeckungs- und Einkaufstouren bieten das Hans-Eisenmann-Haus und das 2006 eröffnete Haus zur Wildnis mit den beiden Nationalparkläden der Bund Naturschutz Service GmbH. Bücher, Zeitschriften, Karten und digitale Medien informieren umfassend über Ziele und Inhalte des Nationalparks, aber auch über Naturschutz allgemein. Außerdem gibt es hochwertige Souvenirs, fantasievolles Öko-Spielzeug und wechselnde Ausstellungen. Kinder und Jugendliche können sich bei den regelmäßigen Camps im Jugendwaldheim und im Wildniscamp
Ob in den Wildtiergehegen oder in der freien Landschaft: Der Nationalpark bietet zu jeder Jahreszeit eine Fülle an Impressionen.
am Falkenstein als Spurenleser bewähren oder auf dem Waldspielgelände bei Spiegelau toben. Der Bund Naturschutz bietet für Schüler und Erwachsene Studienreisen und Exkursionen in den Nationalpark an. Auch kulturelle Events gehören ins Bild des Nationalparks, darunter das jährliche internationale Naturfilmfestival NaturVision, Konzerte und Dichterlesungen. Die Anreisemöglichkeiten sind dank Bahnverbindungen gut, das regionale System der gasbetriebenen »IgelBusse« verbindet die verschiedenen Attraktionen des Nationalparks mit der Region. Wer seinen Besuch nicht selber planen möchte, kann eine Komplettreise aus dem Angebot der BN Service GmbH buchen – Wildnis all inclusive.
Mehr Naturzonen! 1969 war das mit der Akzeptanz noch einfacher: Die »Waidler« demonstrierten selber in München – für einen Nationalpark. Sie hofften auf neue Einkunftsmöglichkeiten. Zu Recht, wie sich zeigte: Der Nationalpark beschäftigt heute doppelt so viele Menschen wie ein vergleichbarer Forstbetrieb, Tausende leben in der Region vom Tourismus, den der Nationalpark massiv ankurbelte. Doch dann kam der Borkenkäfer. Besser als jeder Förster erkennt er kranke Bäume und erhob sich zum Vollstrecker des unsichtbaren ökologischen Desasters namens Luftverschmutzung, Bodenversauerung, Überdüngung aus der Luft und Klimawandel. Seit der Windwurfserie von 1983 vermehrten sich die Käfer so massiv, dass sie stellenweise auch gesunde Bäume befielen. Spätestens jetzt hatten viele Waldbauern genug vom Nationalpark. Ihre angrenzenden Nutzwälder waren bedroht. Die Nationalparkverwaltung nahm die Bedenken ernst und begann, in einer bis zu 500 Meter breiten Randzone der Naturflächen die Käfer zu bekämpfen, damit sie nicht auf benachbarte Privatwälder übergriffen. 1997 wurde der Nationalpark vom Rachel bis Bayerisch Eisenstein um 11 000 Hektar erweitert. Die Naturzonen, in denen keine menschlichen Eingriffe stattfinden, sollten bis 2017 auch hier drei Viertel der Fläche betragen, gemäß den internationalen Vorgaben für Nationalparke. Gegen die Erweiterung gab es massiven Widerstand vor Ort, eine »Bürgerbewegung« wurde gegründet. Weitere Windwürfe und klimatisch begünstigter Borkenkäferbefall schürten immer wieder die Ängste vor den natürlichen Entwicklungen im Nationalpark. Schließlich wurde im Jahr 2007 die Frist für die Ausweitung der Naturzonen zwischen Rachel und Falkenstein um zehn Jahre verlängert und bis dahin auch die Borkenkäferbekämpfung in der Entwicklungszone erlaubt. Seit dem Orkan Kyrill hat die Käferbe-
Der Bund Naturschutz trägt mit zahlreichen Presseaktivitäten zur Sicherung des Nationalparks Bayerischer Wald bei, hier BN-Landesvorsitzender Hubert Weiger (links) und BN-Vorstandsmitglied Helmut Steininger (mitte) mit Nationalpark-Leiter Karl Friedrich Sinner.
kämpfung jedoch Ausmaße angenommen, die mit den Zielen eines Nationalparks nicht mehr vereinbar sind. Flächenhafte Kahlschläge und der Einsatz von Großmaschinen führen zu massiven Bodenzerstörungen und zur Vernichtung des vorhandenen Jungwuchses. Der ehemalige Vorzeige-Nationalpark droht dadurch seine internationale Stellung zu verlieren. Der Bund Naturschutz appelliert daher dringend an das bayerische Umweltministerium, diese überflüssigen und schädlichen Maßnahmen einzustellen. Großmaschinen sind aus dem Nationalpark zu verbannen, das Borkenkäferholz entrindet im Wald zu belassen und die Käferbekämpfung auf eine maximal 500 Meter breite Randzone zu den Privatwäldern zu beschränken. Außerdem ist die Ausweitung der Naturzonen im Erweiterungsgebiet zu forcieren. Ihr Anteil beträgt derzeit nur 52 Prozent des Gesamtgebiets, wobei im Altpark bereits annähernd 75 Prozent erreicht sind, im Erweiterungsgebiet aber lediglich auf rund 29 Prozent der Fläche die Natur Natur sein darf. Die Mehrheit der örtlichen Bevölkerung sieht den Nationalpark übrigens eindeutig positiv, auch wegen seiner enormen wirtschaftlichen Bedeutung für die Region. Im Nationalpark-Altgebiet liegt die Zustimmung heute bei 88 Prozent, im Erweiterungsgebiet sind es immerhin 62 Prozent. Helfen Sie mit! Auch Sie können sich persönlich für den Nationalpark einsetzen – zum Beispiel durch einen Urlaub im Bayerischen Wald. Besuchen Sie die als »NationalparkPartner« ausgezeichneten Gästebetriebe. Durch Spenden an den Bund Naturschutz und durch Einkäufe in den BNNationalparkläden unterstützen Sie direkt unsere Arbeit für den Nationalpark. Sind Sie schon Mitglied? Mit der Postkarte in diesem Faltblatt können Sie selbst oder Ihre Bekannten jetzt gleich beitreten und damit den BN und den BUND stärken. Alles Weitere finden Sie unter www.bundnaturschutz.de, oder rufen Sie uns an: 09 41-2 97 20 - 0.
Angebote der BN Service GmbH Runden Sie Ihren Ausflug in den Nationalpark Bayerischer Wald mit einem Besuch in unseren Bund Naturschutz NationalparkLäden ab. Unsere Produkte und Waren im »Hans-EisenmannHaus« (Tel. 0 85 58-97 34-04) und im »Haus zur Wildnis« (Tel. 0 99 22-50 02-113) entsprechen grundsätzlich der BN-Position des »ökologischen Beschaffungswesens«. Vertraglich festgelegt ist eine Regionalquote von 80 Prozent für alle angebotenen Produkte. Dies garantiert eine hohe Wertschöpfung vor Ort, sorgt für kurze Transportwege und Klimaschutz, sichert Arbeitsplätze in der Region und praktiziert Umweltschutz. Unsere Produkte und Infomaterialien finden Sie im Internet unter www.service. bund-naturschutz.de, oder rufen Sie uns an: 0 91 23-9 99 57-20.
Service-Adressen Bund Naturschutz in Bayern e. V. Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg, Tel. 09 41-2 97 20-0, info@bund-naturschutz.de, www.bund-naturschutz.de Arbeitskreis Nationalpark Sprecher Jens Schlüter, Tel. 01 51 - 15 21 27 67, schlueter-jens@gmx.de, www.waidlerherz.de BN-Kreisgruppen am Nationalpark Freyung-Grafenau, Jahnstraße 13, 94513 Schönberg, Tel. 0 85 54 - 9 42 98 88, freyung-grafenau@bund-naturschutz.de, www.freyung-grafenau.bund-naturschutz.de Passau, Stelzlhof 1, 94034 Passau, Tel. 08 51-9 66 93 66, info@bn-passau.de, www.bn-passau.de Regen, Weißenstein 115, 94209 Regen, Tel. 0 99 21-29 74, regen@bund-naturschutz.de, www.regen.bund-naturschutz.de Nationalparkverwaltung, Freyunger Straße 2, 94481 Grafenau, Tel. 0 85 52-96 00-0, www.nationalpark-bayerischer-wald.de Besucherzentrum Hans-Eisenmann-Haus, Böhmstraße 35, 94556 Neuschönau, Tel. 0 85 58-9 61 50, heh@npv-bw.bayern.de Besucherzentrum Haus zur Wildnis, Ludwigsthal, 94227 Lindberg, Tel. 0 99 22 - 5 00 20, hzw@npv-bw.bayern.de Bus und Bahnverbindungen, www.bayerwald-ticket.com Touristinformation, Ferienland am Nationalpark Tel. 0 85 51-5 71 21, www.bayerwald-info.de Gästebetriebe mit dem Prädikat »Nationalpark-Partner« www.bayerwald-info.de/nationalpark/nationalpark_ gastgeber.php Waldgeschichtliches Museum St. Oswald Klosterallee 4, 94568 St. Oswald, Tel. 0 85 52-96 11 36 Filmfestival NaturVision, www.natur-vision.de ARGE Waldwildnis, www.waldwildnis.de Herausgeber Bund Naturschutz in Bayern e. V. Text Tino Schlagintweit Redaktion BN-Referat Öffentlichkeitsarbeit, Manfred Gößwald Fotos Bibelriether, Moser, Werle, Pöhnl, Brand, Lendner, Tourismusverband Ostbayern, Zellner, Nationalpark verwaltung, Google
Earth, Willner, Haberzettl, Pöhlmann Satz und Gestaltung Waltraud Hofbauer, München Druck BN Service GmbH, Lauf 2. Auflage, 2010 gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Spendenkonto Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 700 205 00, Konto 88 44 000