Natur + Umwelt 1-2011

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Natur+Umwelt BUNDmagazin in Bayern www.bund-naturschutz.de

Der Wolf ist wieder da

Kein M채rchen

Heft 1-2011 93. Jahrgang 1. Quartal


Foto: Naturfoto Online JANDA+ROSCHER, Die WerbeBotschafter

Wölfe haben in Deutschland keinen leichten Stand. Dabei sind die Vorfahren unserer Haushunde faszinierende Geschöpfe, die ihren Platz in Bayern finden würden – wenn wir sie nur ließen. Der BN setzt sich dafür ein, dass Wölfe und Menschen friedlich miteinander leben können. Helfen Sie uns dabei. Gewinnen Sie neue Mitglieder für den BN. Denn je mehr Menschen sich für die gute Sache einsetzen, desto mehr können wir bewegen. Als Dankeschön bekommen Sie für jedes Mitglied, das Sie bis einschließlich 31. März 2011 geworben haben, den Bildband „Wolfsspuren in Bayern“ der N+U-Autorin Gertrud Scherf. Die Vorstellung des Buches finden Sie auf Seite 21.

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Natur + Umwelt 1-2011

Inhalt Bund Naturschutz Bayern 4 Glückwunsch Hubert Weinzierl ist 75. Wir gratulieren dem Mann, der den BN von 1969 bis 2002 als Vorsitzender führte. Und mehr »Intern« 6 Leserbriefe 7 Portrait

10 Kein Märchen Unser Titelthema zum Wolf in Bayern. 24 Energisch protestieren Die AtomLobby ist mit der Laufzeitverlängerung noch nicht durch. Halten wir gemeinsam dagegen! 26 Stimmen für den Steigerwald Über 30 000 Unterschriften für einen Nationalpark darf die Politik nicht ignorieren. Und mehr »Aktuell« 32 Gute Suppe Zum Gründonnerstag gehören Kräuter aus der Natur wie der Gundermann.

B6 Klima schützen Deutschland versagt beim Klimaschutz, unser Land zählt zu den größten Klimasündern. Lesen Sie im BUND-Titelthema, was sich ­ändern muss. B18 Aktion Menschenkette am 12. März in Stuttgart B20 Nationalparks Sächsische Schweiz B22 Ratgeber Bio-Kunststoffe: Kann denn Plastik bio sein? B23 Zur Zeit Zukunftsfähige ­Kommune

Keine Angst vorm Wolf

Seit einem Jahr lebt wieder ein Wolf in Bayern, vor über hundert Jahren war die faszinierende Art bei uns ausgerottet worden. Nun sollten wir sie als Bereicherung unserer Heimat willkommen heißen, meinen alle unsere Autoren, von Hubert Weiger bis Ranga Yogeshwar (Foto). Ab Seite 10

B24 Aktiv Neues aus dem BUND B27 Internationales B28 Die junge Seite Jugendliche verkaufen im Rahmen des BUNDjugend-Projekts »McMöhre« selbstgemachte Pausensnacks – und werden so zu Botschaftern für gute Ernährung.

EU

A B TE IT

B30 P ersönlich Beate Rutkowski, Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Traunstein

Ja-Sager

Der BN schaut genauAhin, auch BI T T bei Projekten der Erneuerbaren Energien. Nur wenn die Eingriffe in Natur und Landschaft B I T T akzeptabel sind, stimmt er zu. Einige Beispiele aus ganz Bayern. Seite 24

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Mitreden, einmischen, Ihr Sachverstand ist gefragt. Von Stuttgart 21 (Seite B4) bis zum Atomausstieg (Seite 25): Bürgerengagement und Bürgerbeteiligung sind das Gebot der Stunde, wenn Politiker am Willen der Menschen vorbei regieren. Was in der Politik billig ist, kann uns – dem Bund ­Naturschutz und der Redaktion der Natur+Umwelt – nur recht sein. Reden Sie mit, sagen Sie uns Ihre Meinung: Wo würden Sie Akzente anders setzen, wie können wir uns verbessern, wo sind wir schon gut? Ich freue mich sehr auf Ihre Zuschriften (Adresse Seite 6). Und einige von Ihnen, liebe Leser, werden in den nächsten Tagen Post von uns bekommen. Darin bitten wir Sie, bei einer BN-Mitgliederbefragung mitzumachen. Bitte nehmen Sie sich die Viertelstunde für uns Zeit. Herzlichen Dank. Ihr Manfred Gößwald, leitender Redakteur

E R BA

JA

Liebe Leser

43 Termine, Impressum

B4 K ommentar Lehren aus Stuttgart 21

J

42 Bildung

B2 Magazin Kurznachrichten

RE?

34 Netz der Natur Im Landkreis Wunsiedel fühlen sich viele seltene Arten wohl, wie der BN jetzt mit einer Kartierung seiner Biotope nachwies. Und viel mehr »Regional«

B1 BUND-Editorial

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9 Paradiesisch Nicht nur für die vielfältige Vogelwelt ist in den Save-Auen der Tisch reich gedeckt. Eine BN-Reise.

Inhalt BUND

ERN

8 Na sauber Für einen umweltschonenden Frühjahrsputz genügen vier Reiniger. Ratgeber

Nicht aufgeben

Heiner Müller kämpft mit seiner ­Bürgerinitiative und dem BN seit 25 Jahren gegen den Bau der A 94 durchs idyllische Isental. Weil er an die Kraft seiner Argumente glaubt, gibt er den Kampf auch nach ­Baubeginn noch nicht verloren. Seite 7

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Foto: Reidinger

Foto: Fahrig, DBU-Archiv

Stehender Beifall Mit einem eigens ausgerichteten Symposion »Trotzdem – Lust auf ­Zukunft« ehrte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt Hubert Weinzierl (Mitte, gelbe Krawatte) zu seinem 75. Geburtstag. Die Spitzen der deutschen Umwelt­ szene gaben sich die Ehre, unter anderem (von links) Hubert Weiger, ­Nabu-Präsident Olaf Tschimpke, Bundesumwelt­ minister Norbert Röttgen, Dirigent Enoch zu Guttenberg, Beate SeitzWeinzierl, DBU-­ Generalsekretär Fritz Brickwedde, Bayerns Umweltstaatssekretärin Melanie Hummel und BUND-­ Ehrenvorsitzende Angelika Zahrnt.

Bildungserfolge am Ammersee

Glückwunsch Hubert Weinzierl

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m 3. Dezember vollendete Hubert Weinzierl, der den Bund Naturschutz langjährig führte, sein 75. Lebensjahr. Der BN gratuliert seinem langjährigen Vorsitzenden ganz herzlich zum runden Geburtstag. Hubert Weinzierl war Vorsitzender des BN von 1969 bis 2002. Auch den Bundesverband BUND hatte er lange Jahre als Vorsitzender geleitet, von 1983 bis 1998. Für Umwelt und Natur engagiert sich der Naturschützer nach wie vor mit ­vollem Einsatz und auf höchster Ebene; er steht dem Deutschen ­Natur­schut­zring (DNR), dem Dachverband der deutschen Naturschutzverbände, seit 2001 vor. Seit 2001 ist er auch Mitglied im Rat für Nachhaltige ­Entwicklung der Bundesregierung, seit 2005 Vorsitzender des Kurato­ riums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der größten Umweltstiftung Europas. Dass Hubert Weinzierl den Naturschutz in Deutschland auf gera-

Foto: Doris Weiss

Trauer um Prof. Armin Weiss

Am 7. Dezember verstarb im Alter von 83 Jahren Prof. Dr. Dr. h. c. Armin Weiss. Er war früheres Mitglied des BN-Landesbeirats und -Landesvorstands. Er galt als der wissenschaftliche Mentor des Widerstandes gegen die atomare Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) Wackersdorf. Durch seine Gutachten und sein ehrenamt­ liches Engagement trug er eintscheidend dazu bei, dieses hochgefährliche Projekt abzuwenden. Der BN-Landesvorstand gedenkt seiner in Trauer und Dankbarkeit.

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dezu visionäre Weise vorangebracht hat, zeigt unter anderem ein weiteres Jubiläum, das am 7. Oktober gefeiert werden konnte. An diesem Tag wurde der Nationalpark Bayerischer Wald 40 Jahre alt. Die Gründung dieses ersten deutschen ­Na­tionalparks ist zu großen Teilen Weinzierls Idee und seiner Überzeugungskraft zu verdanken, mit der er weltweit bekannte Persönlichkeiten wie Prof. Grzimek als Unterstützer einer damals kühnen Idee gewann. Was damals fast alle für unmöglich hielten, wurde nun – 40 Jahre später – in einem großen Festakt von der Politik als »einzigartige Erfolgsgeschichte für Natur und Mensch« gefeiert. Als erster Vorsitzender des BN hat Weinzierl durch die erfolgreiche Wiedereinbürgerung des Bibers, durch den konzeptionellen Fortschritt des Naturschutzes, gerade auch mit seinem erfolgreichen Eintreten für das Eigenwertprinzip der Natur, durch die Mitinitiierung der Gruppe Ökologie und des BUND, durch das Bildungswerk des BN und die damit verbundene Umweltbildung und durch seine intensive ­Öffentlichkeitsarbeit entscheidend zur heutigen Stellung des BN beigetragen. Der BN und die bayerische Heimatnatur verdanken Hubert Weinzierl viel. Hubert Weiger, Vorsitzender des BN und BUND

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inem glücklichen Umstand verdankt der Bund Naturschutz sein Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil direkt am AmmerseeOstufer. 1957 bekam er das 4,2 große Grundstück samt Jugendstilvilla von einer Generalswitwe geschenkt. Hier können Schulklassen, Jugend- und Erwachsenengruppen mehrtägige Bildungsaufenthalte verbringen. Die Nachfrage ist groß. Pro Jahr sind zwischen 8000 und 10 000 Kinder und Erwachsene in der zentralen Bildungseinrichtung des BN zu Gast. Fast täglich finden auf dem Gelände Kurse zur Naturerfahrung und Erlebnispädagogik statt. Auch Fortund Weiterbildungen für Pädagogen, Aktive aus dem Naturschutz sowie der breiten Öffentlichkeit werden angeboten. In den letzten Jahren setzte das Zentrum viele innovative Projekte um, wie zum Beispiel die »Erste Bayerische Kinder-KlimaKonferenz« (N+U 4-10), ein Vernetzungsprojekt namens »Flussraum­ dialog« oder das »Naturschutz-Geocaching für Urlaubsgäste«. Wichtigste Ressource für den ­Erfolg ist das engagierte Team vor Ort. Insgesamt acht hauptamtliche Mitarbeiter setzen sich für den reibungslosen Ablauf in Hauswirtschaft und Haustechnik, Buchhaltung, Verwaltung und Leitung ein, viele davon sind halbtags tätig. Weitere 15 freie Mitarbeiter sind zeitweise als Referenten oder Projektmitarbeiter aktiv. Birgit Geurden als Verwaltungsleiterin und Axel Schreiner als Leiter des Bildungszentrums (Foto) freuen sich über Ihre Anfragen und Wünsche: Tel. 0 81 52 -  96 77 08, wartaweil@bund-naturschutz.de.


um 19. Mal haben sich europäische Flussschützer auf Einladung des Bundes Naturschutz und der Bürgeraktion »Rettet die Donau« zum Internationalen Donaukongress in Niederalteich getroffen, um Informationen auszutauschen und Strategien zum Schutz der frei fließenden Donau in Niederbayern zu entwickeln. Ganz im Zeichen der europäischen Bedeutung der Donau in Bayern haben sich namhafte Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich mit den von der EU geförderten weiterführenden Untersuchungen zum Donauausbau Straubing-Vilshofen und mit der EU-Strategie für den Donauraum auseinandergesetzt. Abgerundet wurden die Fachbeiträge mit einem Bericht über das internationale Programm »Blaue Donau« der UNESCO-Projektschulen und einer Präsentation des reichen Erbes der Natur und Kultur im niederbayerischen Donauraum, das des UNESCO-Prädikats »Welterbe« würdig ist. In einer Podiumsdiskus­ sion befassten sich Abgeordnete der im EU-Parlament vertretenen Parteien mit den aktuellen Diskussionen um den Donauausbau und die EUDonauraum-Strategie. Organisiert hatten den Donaukongress Mitarbeiter der BN-Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg und Donau-Aktive der Kreisgruppe Deggendorf (Foto). Interessierte können eine CD mit allen KongressBeiträgen bestellen bei der BNKreisgruppe Deggendorf, Tel. 09 91 -  3 25 55, bund-naturschutz@degnet. de.

ank Ihrer großen Unterstützung und den damit ermöglichten vielfältigen Aktivitäten des Bundes Naturschutz für das Gemeinwohl können wir unter dem Strich eine positive Bilanz der gemeinsamen Arbeit im Jahr 2010 ziehen. Der Rekordmitgliederstand von 174 000 am Ende des Jahres ist eine große Motivation und Ansporn, unser Engagement für mehr Umwelt und Lebensqualität weiter auszubauen. Weit über hunderttausend Menschen aus allen Bevölkerungsschichten sind an vielen Brennpunkten in Bayern im letzten Jahr für Zukunftskonzepte auf die Straße gegangen:

für eine intelligente, erneuerbare Energietechnik und gegen die Atom- und Kohlelobby, für eine bäuerliche Landwirtschaft und gegen Gentechnikkonzerne, für Landschaftsschutz und gegen Flächen fressende Prestigeprojekte, für die frei fließende Donau und gegen die Betonierer. Bei vielen Bürgerentscheiden zu Verkehrs- und Bauprojekten hat häufiger als in vergangenen Jahren die Vernunft über die Landschaftszerstörung gesiegt. Auch bei der ­ersten großen Demonstration für Gentechnikfreiheit und eine ökologischere, bäuerliche Landwirtschaft waren mehrere hundert Teilnehmer aus Bayern dabei (Foto). Gerade der letzte Dioxinskandal im Tierfutter hat wieder deutlich gemacht, dass der Irrweg einer Industrialisierung der Landwirtschaft endlich durch eine andere Agrarpolitik gestoppt werden muss. Eine Politik, die weiter auf Subventionen für Gentechnikkonzerne setzt, den Bau riesiger

Tierfabriken ermöglicht oder die Laufzeit lebensbedrohender Atomkraftwerke verlängert, darf auch in den Parlamenten keine Mehrheiten mehr bekommen. Für das Jahr 2011 bereiten wir im Bündnis mit Bürgerinitiativen und Parteien schon die nächste Großdemonstration für eine Energieversorgung ohne Atomenergie am 4. Juni in Landshut vor. Zum 25. Jahrestag der Atomkatastrophe in Tschernobyl im April wird in Bamberg die Stein­ skulptur einer auf dem Rücken liegenden Schildkröte als Mahnmal aufgestellt. Der Einsatz für Energiesparen und naturverträgliche Erneuerbare Ener­ gien im Rahmen von regionalen Energiekonzepten wird ebenso wie der Schutz der Donau und des »Grünen Bandes Europa« Arbeitsschwerpunkt dieses Jahres sein. Klimaschutz konkret bedeutet das Umsteuern der EU-Agrarmilliarden zur Förderung einer gentechnikfreien, bäuerlichen und ökologischeren Landwirtschaft genauso wie den Verzicht auf eine dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Mit Ihrer Hilfe, Ihren Beiträgen und Spenden können wir uns solide finanziert, unabhängig und ohne jedes Firmensponsoring für den konkreten Schutz der Lebensqualität für kommende Generationen einsetzen. Dafür danken wir Ihnen herzlich. Ihr Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BN Ihre Doris Tropper, stv. Vorsitzende des BN Ihr Sebastian Schönauer, stv. Vorsitzender des BN

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Foto: Roggenthin

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Foto: Mergner

Liebe Mitglieder

Foto: Ammer

19. Internationaler Donaukongress

2011: Bürgerproteste gehen weiter


Schreiben Sie uns! Wir freuen uns auf Ihre Meinung: BN-Magazin »Natur+Umwelt«, Dr.-JohannMaier-Str. 4, 93049 Regensburg, Tel. 09 41-2 97 20 22, Fax 2 97 20 31, nu@bundnaturschutz.de

Zu Beiträgen in N+U über Münchens ­Olympiabewerbung Der Vorstand des Deutschen Alpenvereins unterstützt engagiert die bayerische Bewerbung für die Olympischen Spiele und kann die Ablehnung durch die meisten Naturschutzverbände nicht verstehen (laut »Panorama«). Er spricht von den (öko-) »grünsten« aller Spiele, nimmt aber – in Zeiten des Klimawandels – bewusst in Kauf, dass es kunstschneeweiße Veranstaltungen vor echtem grünem Hintergrund werden könnten. Garmisch-Partenkirchen liegt ge­rade einmal 720 Meter über dem Meer. Müssen aber die Pisten, Schanzen oder Loipen erst künstlich beschneit werden, ist es vorbei mit dem hohen ökologischen Standard. Wenn darüber hi­ naus das Prinzip »immer schneller, weiter, höher« nur noch von Profis durch High-tech-Ausrüstungen, brutale Trainingsmethoden und Doping erreicht werden kann, dann steckt in diesem Prinzip ein so gewaltiger Wurm, dass der legendäre Tatzelwurm im Vergleich ein harmloses Eidachsl ist. Hans Seeanner, Oberhausen

Kein Gletscherhahnenfuß

Foto: UmweltBank AG

Zum Beitrag »Alpine Perle« in N+U 4-10 Im Artikel über den Nationalpark Berchtesgaden ist ein Faktum zu korrigieren: »So kann der Gletscherhahnenfuß nur begrenzt nach oben ausweichen« – das geht in Berchtesgaden nicht, da die Art (falls Ranunculus glacialis gemeint war) in

Foto: Biopix

Keine »grünen« Spiele

Deutschland nur extrem begrenzt im Allgäu vorkommt. Franz Schuhwerk, Regensburg

Betreiber achten nur auf Gewinne

Zu Beiträgen in N+U über Windkraftanlagen Auch die nördliche Frankenalb ist in den Fokus der Windkraftlobby geraten. Wenn in dieser kleinräumigen Mittelgebirgslandschaft auf den ­Hügeln die Windgiganten thronen, dann ist wieder ein Stück Heimat verloren gegangen. Unverbaute Landschaften sind wichtig für Tier und Mensch! Für die Windkraftbetreiber sind das keine Argumente. Windkraftbetreiber sind normale gewinnorientierte Unternehmen, welche versuchen, möglichst viele profitable Windräder zu installieren. Es ist die Aufgabe von uns Bürgern, diesem Tun Grenzen zu setzen. Armin Rötzer, Nürnberg

Unsere Saat geht auf

Zum Beitrag »In die Jahre ge­kommen« in N+U 3-10 Danke, Friedrich Brandl, für die hervorragende Beschreibung des WAA-Widerstandes. Auch bei uns (AKW Pfaffenhofen) protestierten damals Tausende. Du forderst Vorbilder! Aber taugt zum Vorbild, wer mit Kindern Schulhöfe umgestaltet, ohne ICE-Trassen, Autobahnen, Umgehungsstraßen zu verhindern, wer das Desaster im Golf von Mexiko vor dem Fernsehen bejammert,

Tolle Aktion der Umweltbank

Radeln für die Wildkatze

Die Nürnberger »Umweltbank« hat das Wildkatzenprojekt des Bundes Naturschutz im Rahmen der Mitarbeiter-Aktion »Banker on Bike« mit einer Spende unterstützt. Von Juni bis August hatten die Mitarbeiter der Umweltbank ihren Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dabei kam die stolze Leistung von 12 799 Kilometer zusammen. Für jeden Kilometer spendete die Bank einen Euro für die Auswilderung der Europäischen Wildkatze. Am 2. Oktober überreichte der Vorstandsvorsitzende der Umweltbank, Horst Popp, im Zuchtund Auswilderungsgehege Rothenbuch im Spessart einen symbolischen Scheck an den stellvertretenden BN-Vorsitzenden Sebastian Schönauer (Foto).

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aber am nächsten Tag mit 160 Stundenkilometern über die Autobahn rast? Unsere Generation war, was Umweltschutz betrifft, wahrlich kein Vorbild! Vielleicht einige: ein Weinzierl, ein Weiger, Du, ich und manches unbekannte Mitglied, mancher umweltbewusste Mitbürger irgendwo in Bayern, die wir ehrenamtlich und gegen viele Anfeindungen, Wasserverschmutzung, Gentechnik, Artenschwund, Atomkraft … wenigstens thematisierten und für eine »Politik fürs Leben« (Hubert Weinzierl) kämpften, um Kindern und Enkeln keine unlösbaren Umweltprobleme zu hinterlassen. Zu unserer Generation gehört aber auch ein Molkepulver mampfender Umweltminister und ein Landes­ vater, der für einen Transrapid zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen warb. Die junge Generation wird, aus Sehnsucht nach Frieden, Natur und Freiheit, wie jede Generation ihre Probleme in ihrer Zeit auf ihre Weise lösen. Dass sie im Umweltbereich dazu überhaupt die Chance hat, das ist mit unser Verdienst. Auch wenn ich manche Aktionsform heute nicht mehr verstehe (Internet und »twittern« statt Leserbrief und Bauzaun-Demo), ich finde es grandios, dass dieser unser BN in die Jahre kommen durfte, dass er noch lebt. 1992 schreibst Du in deinem Gedicht »A alta Baam«: »Des Lebm, des in dir is, macht ma Hoffnung«. Genau so geht es mir mit dem BN. Das Leben in ihm macht mir Hoffnung: mehr Mitglieder als die CSU, in jedem Landkreis Kreisgruppen, Hunderte von Ortsgruppen mit Vorsitzendem/r, Kassierer/in, Stellvertreter/in und so weiter. Die Aktiven haben sich vervielfacht! Obwohl die Bedrohungen größer, die Gier nicht geringer und die Politiker nicht gescheiter wurden, bin ich hoffnungsvoll: Stuttgart 21, Atomdemo in Berlin und München, Bürger- und Volksentscheide, EU-Umweltgesetze, eine Saat geht auf. Wo wäre deutsches Umweltbewusstsein ohne den Bund Naturschutz? Gernot Hartwig, Buttenwiesen, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Abfall und Kreislaufwirtschaft


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ielleicht wäre Demokratie ganz einfach. Vielleicht müsste man nur damit anfangen, bevor die Entscheidungen gefallen sind. Und vielleicht sollten zuerst alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden. Seit 25 Jahren versucht Heiner Müller-Ermann, 61, im oberbayerischen Dorfen diese einfache Form der Demokratie mit Leben zu füllen. Regelmäßig holt er den Kern der »Aktionsgemeinschaft gegen die IsentalAutobahn« zusammen, um für die geplante A 94 östlich von München eine andere Trassenführung zu erreichen – eine, die dem Verkehrsaufkommen gerecht wird, ohne dafür ökologische und ökonomische Ressourcen zu verschwenden und Heimat für immer zu zerstören.

Mitspracherecht ohne Mitgliedsbeitrag

Foto: privat

Mehr Info im Web Alles über den Kampf ums Isental: www.bund-naturschutz.de/erfolgeniederlagen/isental.

Heiner Müller-Ermann

Aufgeben kommt nicht infrage

Naturschutz lebt nicht von Sieg oder ­Niederlage – zu nah liegt beides oft bei­ einander. Ist es etwa nicht ein großer Erfolg, dass Heiner Müller-Ermann mit seiner Aktionsgemeinschaft gegen die IsentalAutobahn bis heute ein Stück altbayerischer Kulturlandschaft vor der Zerstörung bewahren konnte? Oder ist alles vergebens, weil ein Gericht nun entschieden hat, dass gerade jene Trasse, die sich ihren Weg mit aller Gewalt mitten durch das Bauernland brechen will, rechtens sei und gebaut werden dürfe? Von Christoph Markl-Meider

Es sind gerade so viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter, wie an dem großen Esstisch im Hause MüllerErmann Platz finden. Keine Satzung, kein Aufnahmeformular und kein Mitgliedsbeitrag berechtigen dort zum Mitreden – nur die Bereitschaft, sich ernsthaft einzubringen und konstruktiv mitzuarbeiten. So haben schon ganze Generationen von Familien hier gesessen, Argumente ausgetauscht, Alternativen aufgezeigt, Strategien entwickelt, Veranstaltungen geplant, Mahnwachen vereinbart – oder sich dazwischen bei einem Bier der örtlichen Brauerei einfach nur die neuesten Dorfgeschichten erzählt. Der bisweilen also sogar ganz gemütliche Stammtisch sollte nicht unterschätzt werden. Er repräsentiert eine vom Bund Naturschutz (BN) nachhaltig unterstützte Bürgerinitiative (BI), die hunderte von hochmo­ tivierten Aktivisten mobilisieren, machtvolle Demon­ strationen auf die Beine stellen und spektakuläre Großveranstaltungen organisieren kann. 900 000 Euro hat sie bislang gesammelt und in den politischen und ­juristischen Widerstand gegen die umstrittene Autobahn investiert. Gemeinsam mit der BI Umweltschutz ­Lüchow-Dannenberg in Gorleben gehört sie zu den »dienstältesten« Bürgerinitiativen in Deutschland.

»Die Zeit arbeitet für uns!«

Noch will er nicht glauben, dass eine Politik, die stur auf Bagger und Beton baut, stärker ist als all die guten Argumente seiner Bürgerinitiative und des BN. Noch sei die Chance für den von ihm favorisierten Ausbau der Bundesstraße B12 »größer Null«, zeigt er sich entschlossen, nicht aufzugeben. »Die Zeit ist auf unserer Seite, in fünf Jahren kann und will sich niemand mehr eine

Trotz aller Anstrengungen entschieden die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Herbst letzten Jahres, dass der Bau der A 94 durchs Isental rechtlich zulässig sei. »Ob die Trasse sinnvoll ist, ließen sie in ihrem Urteil offen«, kommentierte die Süddeutsche Zeitung. Nach drei Jahrzehnten scheint der Kampf ums Isental jedenfalls so gut wie verloren. Verloren sei damit auch, sagt Müller-Ermann, »ein Bayern, wie es früher einmal vielerorts ausgesehen hat und wie wir alle uns wünschen, dass es ausschaut«.

Isentalautobahn leisten«, so Müller-Ermann. Der Trend zu mehr Regionalität und weg von Großstrukturen bringe weniger Verkehr mit sich, nicht mehr.

Demokratie von Anfang an

So reichen die Konsequenzen, die der Redakteur des Bayerischen Rundfunks und studierte Volkswirt aus seinen langjährigen Erfahrungen im Trassenstreit zieht, über den konkreten Fall und über Altbayern hi­ naus. Sie betreffen unsere politische Kultur und unsere zukünftige Handlungsfähigkeit. Wie können Projekte vom Ausmaß A94, Stuttgart 21, wie ein Atomendlager oder der Donauausbau bewältigt werden, ohne dass am Ende die Demokratie, die Menschen und deren Heimat als Verlierer dastehen? »Mit den üblichen formalen Verfahren lassen sich solche Großprojekte nicht mehr demokratisch planen und legitimieren«, mahnt Müller-Ermann. Notwendig sei von Beginn an ein offener Prozess – »bevor sich die Fronten verhärten«, wie er betont. Dabei auch den Sachverstand der Bürgerinnen und Bürger vor Ort systematisch einzubeziehen, sieht er als Gewähr größerer Planungssicherheit und als Gewinn für die Gemeinschaft. Ginge es also nach Heiner Müller-Ermann wäre ­Demokratie ganz einfach. Man müsste nur rechtzeitig damit anfangen. Vielleicht wäre es noch nicht zu spät – nicht einmal fürs Isental.

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Zweite Heimat, erste Wahl Für Heiner MüllerErmann wurde die zweite Heimat zur ersten Wahl. Seit 25 Jahren kämpft der im Frankenwald geborene Journalist gegen die Zerstörung des altbayerischen Isentals.

Kontakt Aktionsgemeinschaft gegen die Isental-Autobahn, Heiner MüllerErmann, Ruprechtsberg 19, 84405 Dorfen, www.a94-b12.de


antibakterieller Wirkung werben. Ihre Risiken für Mensch und Umwelt sind noch nicht ausreichend erforscht.

Gewusst, wie

Illu: Blumenschein

Ein paar Mikrofasertücher, ein Eimer und eine Bürste zum Scheuern ergänzen die Putzausrüstung, und schon kann’s losgehen: Ablagen, Arbeitsflächen und glatte Böden reinigt man mit einem milden Allzweckreiniger. Kratzfeste Oberflächen, wie beispielsweise das Ceranfeld, werden mit Haushaltssoda bearbeitet. Kalkablagerungen im Bad und in der Toilette verschwinden durch den Einsatz von Essig- oder Zitronensäure und der guten alten Klobürste. Spezielle Glasreiniger für die Fenster sind überflüssig. Mit ein paar Tropfen Spülmittel und der richtigen Technik wer-

Frühjahrsputz: Vier Mittel genügen

Na sauber!

Putzen, saugen, wischen und scheuern, bis alles glänzt und strahlt: Viele von uns packt im Frühling die Lust aufs ­ große Reinemachen. Wer ein paar Regeln beachtet, schont die Umwelt und vermeidet gesundheitliche Gefahren.

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xtra Glanzreiniger fürs Bad, Backofenspray oder der Fensterreiniger für garantiert schlierenfreies Putzen – rund eine Milliarde Euro geben die Deutschen pro Jahr für Reinigungsmittel aus. Die gute Nachricht lautet: Wer hier spart, tut sich und der Umwelt Gutes, denn die meisten angeblichen Wundermittel sind überflüssig. Für den effektiven Frühjahrsputz genügen vier Produkte: Ein milder Allzweckreiniger lässt Böden und Arbeitsflächen strahlen; Haushaltssoda aus der Drogerie rückt hartnäckigen Verschmutzungen zu Leibe; ein Handspülmittel eignet sich für die Rat holen, nachlesen Fenster; und ein Reiniger mit Zitronensäure  Informationen zum Einsatz für Bad und Toilette komplettiert den Ökovon Nanosilber: www.bund. Putzschrank. net/nanotechnologie Putzen, ganz ohne die Umwelt zu belasten,  Chemie in Wasch- und Reinigungsmitteln: www.umweltist leider unmöglich. Schließlich enthalten bundesamt.de/chemikalien/ alle Reinigungsmittel Chemikalien, die ins Abwaschmittel wasser gelangen. Bei der Dosierung gilt daher:  Umweltfreundlich putzen Weniger ist mehr. Oft reichen ein paar Spritzer und waschen: www.ökotest. für mehrere Liter Wasser, sauber wird’s trotzde, »Bauen, Wohnen« dem. Ein ökologisch akzeptables Reinigungs Umweltfreundliche Reinimittel enthält keine Farb-, Duft- oder Konsergungsmittel: www.reset.to/ vierungsstoffe und ist vollkommen biologisch act/biowaschund-putzmittel abbaubar. Darüber hinaus sollten Putzmittel phosphat- und lösungsmittelfrei sein und ohne desinfizierende oder bleichende Stoffe auskommen. Umweltverträgliche Produkte erkennt man beispielsweise am europäischen Umweltzeichen, der »Euroblume«. Garantiert nichts für den Haushalt sind antibakterielle Mittel. Sie können die nützlichen Bakterien der Hautflora schädigen, Allergien auslösen und zur Bildung von Antibiotika-Resistenzen beitragen. Verzichten Sie auch auf Produkte mit Nanosilber, die mit

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den die Scheiben auch so blitzblank: einfach die Fenster mit Wasser und Spülmittel benetzen, mit der Gummilippe abziehen oder dem Mikrofasertuch trockenreiben. Wer die berühmten Schlieren fürchtet, kann übrigens beruhigt sein, die entstehen nämlich meist durch zu viel Putzmittel. Birgit Pfaumann

Zehn Tipps für den Frühjahrsputz

 Mikrofasertücher nehmen Schmutz gut auf, Sie brauchen damit viel weniger Putzmittel.  Auch bei der Verpackung gilt: Weniger ist mehr. Ökoläden bieten nachfüllbare Reinigungsprodukte an.  Meiden Sie aggressive Reiniger, schrubben und scheuern Sie lieber mit Muskelkraft.  Fetthaltigen Verschmutzungen rücken Sie mit ­Wasser und etwas Spülmittel zu Leibe, Fettverkrustungen verschwinden mit Haushaltssoda aus der Drogerie.  Bei verstopften Abflüssen wirken Saugpumpen, -glocken oder -spiralen oft besser als Chemie.  Besonders schädliche Reinigungsmittel tragen ein schwarzes X als Gefahrensymbol für ätzende Stoffe.  Duftsteine in der Toilette sind überflüssig und ­belasten das Abwasser.  Duftsprays haben keinerlei Nutzen. Das beste Mittel gegen Mief ist immer noch das Lüften.  Den Backofen auf 50 Grad anwärmen und dann mit Wasser und Spülmittel säubern.  Kalkflecken vermeiden: Nach dem Duschen oder Baden die Fliesen und Duschtüren mit einem Tuch oder Abzieher trocknen.


Fotos: Behr

Morgendämmerung im Naturpark Lonjsko-Polje. Nebel wabert über den Wiesen. Da – in einiger Entfernung kauern Schwarzstörche!

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ber jetzt hat uns einer entdeckt. Wenige Momente später erheben sich fünfzig, sechzig dunkle Schatten, lautlos fast, und kreuzen mit schwerem Flügelschlag den fahl-rosa Morgenhimmel. Die Auen der frei fließenden Save sind eines der größten Vogelparadiese Mitteleuropas. Auf den Feuchtwiesen finden Weiß- und Schwarzstörche beste Lebensbedingungen. »Bei jedem Schritt, den man tut, springen zehn Frösche hoch«, erzählt Norbert Behr, der die Reise leitet und die Gegend seit 25 Jahren kennt. Daneben jagen und brüten hier Seeadler, Bergenten, Löffler, Seeschwalben, Purpurreiher, Kormorane und viele andere Vögel. Viermal im Jahr tritt die Save über ihre Ufer und überschwemmt ein Gebiet in der Größe des Bodensees. »Gäbe es dieses natürliche Staubecken nicht, dann stünde Belgrad unter Wasser«, erklärt Norbert Behr.

Zwischen Urwald und bäuerlicher Idylle

Bei dem 500 Quadratkilometer großen Naturpark handelt es sich jedoch um keine Wildnis, sondern um eine alte, bäuerliche Kulturlandschaft. Ihr Zauber liegt in dem sorgfältig ausgewogenen Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch, in dem Flickenteppich aus Auenwald, Flussarmen und Feuchtwiesen, Erdwegen und Eichenholzhäusern. Seit langem leben die Menschen hier mit der und nicht gegen die Natur. Wir schlafen in denkmalgeschützten Bauernhäusern und kehren in gemütliche Gasthäuser ein, wie jenes bei Familie Ravlic in Muzilovcica, wo von den Balken appetitliche Schinken und Würste hängen. Ein sanfter Tourismus, wie ihn der Bund Naturschutz fördert, bietet ihnen eine Chance, nach dem Krieg wirtschaftlich wieder Fuß zu fassen. Ein Bus bringt uns jeweils zum Ausgangspunkt unserer Tagesexkursion, zum Beispiel ins Vogelreservat Krapje Dol. Wir steigen auf zwei Türme, um bei den seltenen Nacht-, Rallen- und Purpurreihern über den Nestrand zu schauen, ohne die Vögel zu stören. Die Poljes, weitläufige Hutweiden, lassen sich nach Über-

Mit dem BN in die Save-Auen Kroatiens

Reise ins Vogelparadies schwemmungen oft nur barfuß und mit hochgekrempelten Hosenbeinen beschreiten. Schweine und Kühe weiden hier frei, ebenso die rötlich-braunen PosavinaPferde, die mit ihren breiten Hufen gut auf dem sumpfigen Untergrund stehen. Störche und Reiher staken durch eine Herde Graurinder. Idyllisch in die Landschaft gestreut liegen Eichenhaine, geschaffen hat sie Menschenhand. Schlanken Pfeilern gleich ragen die Mooreichen auf und verschränken in der Höhe ihre Kronen zu einem grünen Gewölbe. Einen guten Meter standen die Stämme jüngst unter Wasser. Was für geniale Taucher und Fischjäger Kormorane sind, erleben wir auf einer Bootsfahrt auf der Save. Und, wir trauen unseren Augen kaum: In den urwald­ artig zugewucherten Altarmen paddeln Schildkröten.

Klappern gehört zum Handwerk

Es ist Mai, Brutzeit. In Cigoc, dem »Storchendorf«, das wir am zweiten Reisetag besuchen, herrschen auf den Dächern reger Nistbau und lautes Geklapper. Rund 30 Paare sind vor einigen Tagen heimgekehrt. Das Naturpark-Zentrum bringt uns das uralte Wunder des Vogelzugs näher: Jeden Frühling fliegen die Weißstörche aus Afrika Tausende Kilometer, Tag und Nacht, zurück an den Ort, an dem sie einst geschlüpft sind. Sie überqueren Meere und Wüsten, und dann findet jedes Paar wieder jenes Fleckchen Erde, jenen Dachfirst, den es für den besten Platz hält, um die nächste Generation auf die Welt zu bringen. Etwa 600 Paare haben dafür den Naturpark in den Save-Auen gewählt. Margarete Moulin

Nasse Füße inklusive

Erleben Sie das Naturparadies Save-Auen ­hautnah. Jetzt anmelden für den neuen Reisetermin.  21. bis 28. Mai 2011  Reisepreis pro Person 1190 Euro (1490 Euro für Nichtmitglieder) Infos und Anmeldung unter Tel. 09 12 3 - 999 57-10, info@ service.bund-naturschutz.de, www.bund-reisen.de

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Wunderbare ­Wasserwelten Weite und Wasser geben der Auenlandschaft der Save ihr Gesicht. Weißstörche finden hier einen reich gedeckten Tisch.

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er Wolf ist eines unserer bekanntesten Tiere, ihn kennt jedes Kind. Wirklich? Oder meinen wir, wenn wir Wolf sagen, nicht den Bösen aus dem Märchen, der das Rotkäppchen frisst? Der Wolf war hundert Jahre weg, aus­ gerottet in Bayern 1882. Keiner von uns hat je eine Wolfsspur auf bayerischem Boden gesehen oder gar ein Haus- oder Nutztier gegen den Hunger des Beutegreifers schützen müssen. Woher sollen wir also wissen, wer und wie er wirklich ist? Jetzt ist der Wolf wieder da. Im Mangfallgebirge, meist in der Gegend um Rotwand und Bayerischzell, unternimmt ein einzelnes Männchen seit gut einem Jahr seine Streifzüge. Es frisst Rehe, Hirsche und Schafe. Der Wolf muss wieder weg, tönt es da gleich aus dem Oberland. Schafhalter fürchten um ihre Lämmer, Jäger um sichere Beute. Und mancher vielleicht gar um das Leben der Kinder. Aber ist da nicht wieder das blutrünstige Märchentier gemeint? Wenn wir dem wirk­ lichen Wolf fair begegnen wollen, dann müssen wir uralte, ins kollektive Gedächtnis eingegrabene Vorurteile durch Fakten er­ setzen. Natur+Umwelt möchte dabei helfen. Erleben Sie mit uns eines der faszinierendsten Tiere unserer Heimat. (göß)

Der Wolf ist wieder da

Foto: Stephan [C]

Foto: Essler [C]

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Kein Märchen


Foto: Lindel [C]

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Nicht schießen – informieren, diskutieren, Lösungen finden

Foto: Essler [C]

Der Wolf gehört zu Bayern

Nun ist er also da, der »bayerische Wolf«. Doch obwohl er unter strengem Schutz steht, wünschen ihm manche das gleiche Schicksal wie vor fünf Jahren dem Bären »Bruno«, für den sein ­Besuch im Freistaat tödlich endete. Woher kommt diese Ablehnung, und wie kann ein ­Zusammenleben von Wolf und Mensch funk­tionieren?

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eboren wird er vermutlich im Frühjahr 2007 in den Südalpen, inmitten steiler Gebirgswälder. Zwei Jahre lebt er dort in seiner Familie, bald hilft er den Eltern bei der Aufzucht der

jüngeren Geschwister. 2009 aber drängen ihn die Eltern und sein Instinkt, die Großfamilie zu verlassen. Zweijährige müssen wandern, Platz machen für die Welpen und selbst einen Partner suchen. Hunderte, gar tausend Kilometer zu wandern, ist für einen jungen Wolf wie ihn nichts Außer­gewöhnliches. Er schlägt eine nördliche Route durch den Alpenbogen ein und wandert im Schutz von Gebirgskämmen und Wäldern, überquert schwarze, lärmende Einschnitte in der Landschaft und umgeht nachts helle Bereiche. Im Dezember 2009 überschreitet er, ohne es zu wissen, eine Ländergrenze, es ist schon die dritte. Wälder, Tagesverstecke und Nahrung gibt es wie in seiner ursprünglichen Heimat reichlich. Was er nicht weiß: Es ist ein anderes Land. Seine Mahlzeiten werden hier sofort auf Speichelreste untersucht, wandern in Labore, ein Betreuernetz wird alarmiert, ministerielle Arbeitsgruppen eingerichtet, Journalisten spitzen die Stifte, Fernsehteams machen sich auf. Schäfer und Politiker werden nervös, man holt einen seit drei Jahren fertigen »Managementplan Wolf« aus der Schublade. Der Wolf ist in eine für ihn attraktive Gegend gekommen. Schafe stehen Tag und Nacht unbeaufsichtigt auf übersichtlichen Freiflächen, die man

Foto: Kopp [C]

Almen nennt. Im Winter sperren die Menschen die Hirsche in Gatter, ein Fleisch-Supermarkt für einen Wolf, mit freiem Eintritt und ohne Kassen. Die Menschen dieses Landes lieben ihre Hunde, allesamt Wolfsabkömmlinge. Werden sie auch den Wolf hier leben lassen?


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in Vorgänger hatte es vor Jahren nicht geschafft: »Verkehrsunfall mit Hund bei Starnberg« hieß es im Mai 2006. Selbst als eine Genprobe bestätigte, dass es sich um einen aus der Nähe von Nizza zugewanderten Wolf handelte, wurde das Verkehrsopfer von den Poli­ tikern ein halbes Jahr lang geheim gehalten. Just zur selben Zeit befand sich ein weiterer Einwanderer aus Norditalien im Land – der Bär Bruno. In diesem me­ dialen Ausnahmezustand wollte die Regierung ihren Bürgern nicht noch ein weiteres »Raubtier« zumuten. Der überfahrene Wolf war übrigens wahrscheinlich schon drei Monate in Bayern, niemand hatte es mit­ bekommen. Der Wolf ist in ein Land gekommen, in dem einige Nutztierhalter und Politiker vor Ort hartnäckig behaupten, es sei kein Platz für bestimmte wilde Lebewesen: zu viele Landnutzer, zu viele Schafe, zu viele Touristen. Sie sagen das auch beim Luchs, beim Biber, beim Fischotter. Der Wolf kam in ein Land, dessen Bewohner von Tierfilmen begeistert sind und in ihrem Urlaub weltweit gerne die letzten Flecken Wildnis entdecken. Doch dieses zuviel an »Wildnis«, sei ihnen nicht zuzumuten, meinen die Politiker. Dabei sind Wölfe eigentlich gar keine Botschafter der Wildnis. Sie können aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit fast überall leben – in der vom Menschen geprägten Kulturlandschaft ebenso wie in der Wildnis. Anders hätten sie das Zusammenleben mit dem »Megaraubtier« Mensch nicht seit Zehntausenden von Jahren überstanden.

Ein echter Europäer

In Europa gibt es heute bis zu 20 000 Wölfe, die meisten davon in Russland und Osteuropa, aber auch in Skandinavien, in der Schweiz, Italien, Österreich, Frankreich und Spanien. In Deutschland leben in Sachsen und Brandenburg mittlerweile sechs Rudel und zwei Wolfspaare mit insgesamt bis zu 50 Tieren; ihre Vorfahren sind seit 1996 aus Polen eingewandert. Bereits in acht Bundesländern wurden inzwischen Wölfe nachgewiesen, außer bei den genannten Rudeln meist Einzeltiere. Dass zuerst einzelne Tiere auftauchen, ist typisch. Im Alter von etwa zwei Jahren werden Wölfe aus ihrem Rudel, also ihrer Großfamilie, gedrängt. Ein Wolfsrudel besteht aus dem Elternpaar und den Nachkommen der letzten zwei Jahre und nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen, aus einzelnen Tieren, die sich als Jagdmeute zusammentun. Wölfe bekommen jährlich in der Regel zwei bis sieben Junge, so dass ein Rudel aus fünf bis über zehn Wölfen besteht.

Auf Wanderschaft

Um ein eigenes Revier zu finden und ein Rudel zu gründen, wandern Jungwölfe extrem weit, der bayerische Wolf etwa aus den italienischen Südalpen über das schweizerische Graubünden und Tirol nach Bayern – genetische Nachweise bestätigten seine »Reiseroute«. Im Oktober 2010 wurde in Tirol ein Wolf nachgewiesen, der vermutlich aus dem Baltikum eingewandert ist, das sind über tausend Kilometer. Ob er dabei

auch durch Bayern kam, ist unbekannt. Doch eines ist sicher: Künftig werden immer wieder und vielleicht immer öfter Wölfe zu uns kommen (s. Seite 18). Das wird oftmals still und heimlich geschehen. Der bayerische Wolf etwa wurde bisher erst ein einziges mal sicher gesehen. Und die einzigen Fotos stammen aus einer Fotofalle, in die er am 15. November an einer Rehwildfütterung bei Thiersee knapp hinter der österreichischen Grenze lief. Nur mithilfe von Genanalysen an Kotproben und Speichelspuren konnte der Wolf auch in Bayern eindeutig nachgewiesen und auch als Männchen (Rüde) identifiziert werden. Oft erkennt man erst durch Verkehrsunfälle, dass ein Wolf da war – neben dem illegalen Abschuss eine der häufigsten Todesursachen für Wölfe in Deutschland.

Mythen und Märchen

Wölfe sind wie Hunde vor allem Fleischfresser. Sie sind auf keine bestimmten Tierarten spezialisiert, sondern jagen, was in ihrem Revier lebt. Und da kommen wir zum Problem: Ein Wolf unterscheidet nicht zwischen Wild- und Nutztier, er sucht sich die am einfachsten zu jagende Nahrung. Das sind überwiegend junge, alte oder schwache Wildtiere, aber eben auch die problemlos zu erlegenden Schafe. Diese haben so gut wie keinen Fluchtinstinkt mehr und stehen im oberbayerischen Gebirge unbewacht auf den Almen. Und der Wolf weiß leider nicht, dass sie im Gegensatz zu den Wildtieren jemandem gehören (s. Seite 20). Angedichtet wurde dem »Mangfall-Wolf« bereits alles mögliche: Es kursierten Horrorgeschichten, wonach er sogar Rinder gerissen oder »zu Es heißt: Tode erschreckt« habe. Beweise? FehlHungrige Wölfe greifen auch anzeige. Ebenfalls wurde behauptet, Menschen an. dass Kinder gefährdet seien. Eines Falsch! Der Mensch gehört nicht aber fressen Wölfe ganz sicher nicht: ins Beuteschema des Wolfs. Die Menschen, egal welchen Alters. Der Tiere meiden den direkten Kontakt Mensch gehört nicht ins Beuteschema mit Menschen (s. Seite 18). des Wolfs (s. Seite 18). Vielmehr meidet der Wolf den Kontakt zu Menschen – auch dann, wenn er sich auf der Suche nach leicht erreichbarer Nahrung menschlichen Siedlungen nähert. Dies geschieht vor allem nachts, wenn keine Menschen unterwegs sind. Diese Scheu vor dem Menschen ist auch der jahrhundertelangen intensiven Bejagung geschuldet. Trotzdem wird immer wieder die Angst vor dem Wolf geschürt. Sogar einen Namen gibt es für diese Polemik: das »Rotkäppchen-Syndrom«, abgeleitet vom gleichnamigen Märchen, in dem der Wolf nicht nur die Großmutter, sondern die Enkelin gleich mit frisst. Aber das ist eben nur ein Märchen.

Spielball der Interessen?

Die vom Wolf tatsächlich oder vermeintlich Betroffenen sind Landwirte, Jäger und vor allem Schäfer. Wichtige Interessensgruppen also und im Idealfall Partner des Naturschutzes. Aber dürfen ihre Interessen auch über das Vorkommen oder die Rückkehr von Tierarten bestimmen? Sollen einzelne Interessengruppen für ein ganzes Land mit 12,5 Millionen Bürgern festlegen kön-

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nen, dass der gesamte bayerische Alpenraum, wie vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern gefordert, »eine No-Go-Area« für Wölfe sein soll? Entgegen allen gesellschaftlichen Zielen für mehr Natur in diesem Land und entgegen allen gesetzlichen Verpflichtungen?

sesshaften Wolfs in Bayern weiterentwickelt werden. Managementpläne regeln beispielsweise die Ausgleichszahlungen, die Nutztierhalter für gerissene Tiere erhalten. Verantwortlich für die Genehmigung der Auszahlung und deren Höhe in jedem Einzelfall ist eine Trägergemeinschaft aus Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz und Wildland Stiftung des Bayerischen Jagdverbandes, die gemeinsam mit dem Bayerischen Naturschutzfonds die Ausgleichszahlungen auch finanzieren. Ein »Netzwerk Große Beutegreifer«, bestehend aus geschulten Jägern, Landwirten, Förstern und Naturschützern, begutachtet gerissene Tiere und stellt fest, ob tatsächlich ein Wolf oder nicht doch ein wildernder Hund verantwortlich war. War es ein Wolf, wird der Schaden ersetzt. Der BN arbeitet intensiv daran mit, dass für ein Zusammenleben mit dem Wolf bald Lösungen gefunden werden, die auch für die Nutztierhalter tragbar sind. Die wichtigste Rolle werden hier vermutlich Herdenschutzmaßnahmen spielen (s. Seite 20).

Foto: Koerner

Farbe bekennen!

Erkundungstour Ein sechs Wochen alter Welpe aus dem Milkeler Rudel in der Lausitz entdeckt die Welt.

Umgekehrt können natürlich auch andere Interessengruppen nicht einfach festlegen, dass Bayern Wolfsland zu sein hat. Aber es gibt Gesetze. Sie schützen den Wolf streng und machen Bayern damit automatisch zum Wolfsland, sobald die Tiere zurückkehren. Das freut uns Naturschützer natürlich, aber das alleine genügt nicht. Wir brauchen Akzeptanz. Für den Wolf und für die Argumente der jeweils »anderen Seite«. Denn ohne diese zu verstehen, kommen wir nicht zu einem Konsens, zu einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung. Und die muss das Ziel sein.

Die Autoren Christian Hierneis ist Vorsitzender der BN-Kreisgruppe München und Mitglied des BNLandesvorstands. Als »Beauftragter des BN für große Beutegreifer« ist er auch Mitglied der im Text genannten Steuerungs- und Arbeitsgruppe beim Umweltministe­ rium und arbeitet hier an den Managementplänen für Wolf, Bär und Luchs mit. Dr. Kai Frobel ist Referent des BN für Arten- und Biotopschutz (siehe auch Seite 30).

Ein Plan für den Wolf

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Foto: Gößwald

Foto: Roggenthin

Um Konflikte abzumildern, Lösungen zu finden und einen vernünftigen Umgang mit dem Wolf und den anderen großen Beutegreifern Bär und Luchs zu erreichen, gibt es in Bayern die Steuerungs- und Arbeitsgruppe »Große Beutegreifer«. Sie hat sich nach dem Abschuss des Bären »Bruno« im Jahr 2006 beim bayerischen Umweltministerium gebildet. In der Arbeitsgruppe sitzen alle an einem Tisch: Naturschützer und -nutzer, von Umweltverbänden über Schafhalter und Berufsjäger bis hin zu den Behörden. Hier werden unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Interessen in regelmäßigen Sitzungen Managementpläne für die Beutegreifer erstellt. Auch für den Wolf gibt es einen solchen Plan; er muss nun wegen des ersten

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Der Rückkehrer Wolf verlangt mehr als nur gelassene Toleranz von den Bayern. Die nach Bär Bruno geschaffenen behördlichen Voraussetzungen müssen jetzt mit Leben erfüllt werden. Das bedeutet sachkundige und breite Information vor Ort, intensiven Dialog mit betroffenen Nutzergruppen wie den Schafhaltern, ausreichende finanzielle Mittel für Präventionsmaßnahmen und unbürokratische Lösungen für eine angepasste Tierhaltung. Das heißt aber auch: Die Rückkehr wird die Gesellschaft etwas kosten, und zwar den Einsatz von Fachkräften und Geld. Wie in Frankreich: Dort ist der Wolf seit 20 Jahren wieder heimisch. 20 Rudel mit circa 150 Wölfen leben mittlerweile im französischen Alpenraum – zusammen mit 800 000 Schafen. Das Land investiert jährlich bis zu fünf Millionen Euro in das möglichst konfliktfreie Zusammenleben von Wolf und Mensch, also circa 30 000 Euro pro Wolf. Zuviel? 30 000 Euro bezahlt man im Durchschnitt für zwei bis drei Meter neue Autobahn. Straßen werden problemlos finanziert, obwohl wir davon im doppelten Sinne genug haben. Wölfe und Natur nicht. Die Zukunft verlangt Investitionen in eine »grüne Infrastruktur« und in Wildtiere, die uns in einer »Abstimmung auf leisen Pfoten« ganz deutlich sagen, dass sie gerne wieder hier leben würden. Die Zukunft verlangt auch klare politische Bekenntnisse für wenigstens ein Stückchen mehr freie Natur in Bayern. Hier sind sowohl der Umwelt- wie der Landwirtschaftsminister gefordert, wenn Bayerns Biodi­ versität um eine der bekanntesten und zugleich in Deutschland seltensten Tierarten bereichert wird. Aussitzen hilft nichts. Im Sinne der von der Staatsregierung 2008 beschlossenen Biodiversitätsstrategie kann es nur ein Bekenntnis für den Wolf geben! Der Wolf ist Teil der Schöpfung, und als solchen sollten wir ihn – zumal in Zeiten, in denen man die Bedeutung der Biodiversität immer klarer erkennt – auch behandeln. Im Ausgleich zwischen den Interessengruppen und zum Wohle aller.


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egonnen hat das Engagement des BN für ehemals im Freistaat ausgerottete Tierarten mit der Wiedereinbürgerung des Bibers. Diese Aktion wurde zu einer der erfolgreichsten, die unser Verband jemals im Bereich des Artenschutzes unternommen hat: Heute leben auf zwei Drittel der Landesfläche wieder über 10 000 Biber. Sie gestalten naturnahe Fluss-Auen und Lebensräume besser, als der Mensch das kann. Davon profitiert die Biodiversität ebenso wie der Hochwasserschutz und die Wasserqualität (siehe N+U 1-2010). Dieser Nutzen übersteigt bei Weitem die »Schäden«, die der Biber in der Teich- und Forstwirtschaft anrichtet. Auch mit seinem Einsatz für die Gründung des Na­ tionalparks Bayerischer Wald im Jahr 1970 kümmerte sich der BN um vom Aussterben bedrohte Tierarten. In diesem streng geschützten Gebiet kommt der Luchs heute wieder in freier Wildbahn vor. Wolf, Bär und Wisent sind zumindest in naturnah gestalteten Gehegen zu beobachten. Der BN hat dies mit großem finanziellem und persönlichem Einsatz ermöglicht. Unser langjähriger Vorsitzender Hubert Weinzierl und unser ehemaliger Landesgeschäftsführer und heutiger Landesschatzmeister Helmut Steininger haben entscheidenden Anteil an der Gründung dieses ersten deutschen Nationalparks und auch an der Wiedereinbürgerung des Bibers.

Aufruf von Prof. Dr. Hubert Weiger

Lasst den Wolf hier leben!

Die Geschichte des Bundes Naturschutz ist untrennbar verbunden mit dem Einsatz für Tiere, die früher in Bayern heimisch waren. Gewähren wir nun auch dem zurückkehrenden Wolf sein Lebensrecht.

und Schützerverbänden Managementpläne entwickelt. Der BN zahlt zusammen mit LBV, Jagdverband und Naturschutzfonds in einen speziell für Wolf, Bär und Luchs eingerichteten Entschädigungsfonds, der auch schon bei den jüngsten Schafrissen durch den Wolf eingesetzt wurde. Es sind aber noch weitergehende finanzielle und personelle Anstrengungen nötig. Die Menschen vor Ort müssen informiert, vorbeugende Schutzmaßnahmen müssen ergriffen werden.

… nicht nur von anderen fordern!

Wir fordern von anderen Ländern, insbesondere von Dritte-Welt-Staaten, dass sie ihre Artenvielfalt schützen, wie dies jüngst auf der UN-Konferenz zur Biologischen Vielfalt in Nagoya auch die Bundesregierung getan hat. Wir können dies aber nicht erwarten, wenn wir nicht bereit sind, selbst entsprechend zu handeln. Dies muss auch für Arten gelten, die Konflikte hervorrufen. Daher müssen vernünftige Managementpläne entwickelt werden, anstatt die Tiere zum Abschuss freizugeben. Auch für die faszinierenden Tiere Wolf, Luchs und Bär, die nach langer Zeit wieder unter uns sind, sollte gelten, was Bayern auszeichnet und so gastfreundlich macht: leben und leben lassen!

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Halbstark Kaum mehr von einem Altwolf zu unterscheiden: ein fünf Monate alter Welpe aus dem Seenlandrudel.

Foto: Roggenthin

Vor diesem Hintergrund setzt sich der BN natürlich dafür ein, dass die Rückkehrer Biber, Wolf und Luchs nicht geschossen, sondern akzeptiert werden. Dafür hat der BN gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Jägerschaft Luchs- und Wolfsinitiativen ins Leben gerufen und erhebliche Finanzmittel Es heißt: Der Wolf braucht in die Hand genommen, Wildnis. Bayern ist zum Beispiel beim Entschäals Lebensraum digungsfonds für Biberschäungeeignet. den. Falsch! Wölfe sind sehr Bär, Wolf und Luchs sind anpassungsfähig. In Urbayern, die immer zu dieden bayerischen Mitsem Land gehört haben. Für telgebirgen und den lediglich etwa 200 Jahre Alpen finden sie auswaren sie aus unseren Wälreichend Beutetiere dern verschwunden. Und und Rückzugsräume. das nicht etwa, weil ihr Lebensraum zerstört war, sondern aufgrund massiver, gnadenloser Verfolgung. Nun kehren die großen Beutegreifer vorsichtig und vereinzelt zurück, wir sollten sie willkommen heißen. Sie haben ein Recht, bei uns zu leben. Ihr Wiederkommen ist eine Chance, unsere Tierwelt entscheidend zu bereichern. Ihre Rückkehr muss aber von Staat und Verbänden aktiv begleitet werden. In Bayern hat das Umweltministerium gemeinsam mit den betroffenen Nutzer-

Foto: Koerner

Für die Artenvielfalt handeln …

Der Autor Prof. Dr. Hubert Weiger ist Landesvorsitzender des BN und Bundesvorsitzender des BUND. Er setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass in Bayern ausgerottete Tierarten wieder hier leben dürfen.


Fotos: Noack

Lausitz-Wolfsforscherin Ilka Reinhardt im Interview

»Von Anfang an die Menschen

1996 tauchte der erste Wolf in der Lausitz auf, heute leben dort zwischen 25 und 50 Tiere. N+U wollte von Ilka Reinhardt wissen, was Bayern von der Lausitz lernen kann.

N+U: Laut Kontaktbüro der Wolfsregion Lausitz hat bisher kein Wolf ein gefährliches Verhalten gegenüber Menschen gezeigt. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Reinhardt: Insgesamt sehr relaxt. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird und die Leute das Gefühl haben, sie wissen Bescheid. Wir informieren über den Bestand, und auch wenn Schafe gerissen werden, geht das an die ­Öffentlichkeit. Zusammen mit der Frage: Wie kann man die Schafe besser schützen, und wo gibt es Fördermöglichkeiten? So können die Menschen Vorurteile abbauen. Reichen Ausgleichszahlungen, um die Tierhalter zu beruhigen? Nein, Schäden zu vermeiden ist immer besser als sie zu bezahlen. Aber inzwischen schützen die meisten Schafhalter ihre Tiere korrekt, und die Es heißt: Schäden sind deutlich zurückgegangen. Zuwandernde Wölfe dürfen Es gibt eine Förderung für Schutzmaßgeschossen werden. nahmen. Allerdings bedeutet der HerdenFalsch! Der Wolf ist in Deutschschutz auch mehr Arbeit für die Schäfer, land streng geschützt und darf vor allem für solche mit größeren Herden, nicht gejagt werden. die zusätzlich zum Elektrozaun vermehrt auf Herdenschutzhunde setzen. Diesen zeitlichen Mehraufwand gegenüber den Kollegen in wolfsfreien Gebieten bekommen sie nicht abgegolten; das ist für viele unbefriedigend.

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Würden Elektrozäune und Herdenschutzhunde auch im bayerischen Alpenraum funktionieren? In der Schweiz oder in den Seealpen klappt das sehr gut. Hundertprozentigen Schutz gibt es allerdings nicht; man kann die Schäden minimieren. Das Hauptproblem ist sicherlich, sich umzustellen. Jetzt gilt es für viele Schäfer, wieder so zu arbeiten wie die Ururgroßväter. Aber es geht, wenn der politische Wille da ist und die Leute vor Ort bereit sind, ihre Herden beispielsweise zusammenzulegen, damit sich der Personalaufwand lohnt. Und wie sicher ist mittlerweile das Leben in Deutschland für den Wolf? Schwer abzuschätzen. Der Straßenverkehr ist eine Gefahr, aber Wölfe sind da extrem anpassungsfähig. Beim Problem der illegal geschossenen Wölfe kennt man sicherlich nur die Spitze des Eisberges. Jedes Jahr wandern aus den Rudeln Jungtiere ab. Das wirft die Frage auf, wo die alle bleiben. Rein rechnerisch müsste es bereits deutlich mehr Wölfe in Deutschland geben. In den südlichen Bundesländern ist bisher noch kein Wolf aus der deutsch-westpolnischen Population nachgewiesen worden. Dabei könnten die Jäger ein wichtiger Partner im Wolfsschutz sein. Ist da keine Annäherung möglich? Es ist schwierig, da viele Jäger den Wolf als Konkurrenten betrachten. Der bayerische Weg, von Anfang an alle Betroffenen und Interessengruppen an einen Tisch zu


Foto: Bullerjahn

mitnehmen«

Wölfe in der Lausitz

Nur die Spitze des Eisbergs?

holen, ist gut. In Sachsen wurden lange Zeit nur bilaterale Gespräche geführt. Wenn alle beisammen sind, merkt jeder, dass er seine Position nicht zu 100 Prozent durchsetzen kann. Es geht nur mit Kompromissen.

Eine auführlichere Version des Interviews finden Sie unter www.bund-naturschutz.de/magazin

Foto: Linnell

Welchen Rat geben Sie abschließend einem Bundesland, das gerade seinen ersten Wolf zu Besuch hat? Nehmen Sie die Menschen von Anfang an mit – Öffentlichkeitsarbeit und Konfliktlösung sind extrem wichtig! Die Leute müssen wissen, was sie zu erwarten haben, man darf nichts verharmlosen. Und schauen Sie über den Tellerrand: Man kann inzwischen einiges von der Lausitz oder speziell in Bayern vom Piemont oder von Frankreich lernen, gerade was den Herdenschutz anbelangt. Außerdem ist die Politik gefragt. Bayern gehört zu Deutschland und zur EU, damit ist der Wolf streng geschützt. Man kann also schlecht diskutieren, ob man ihn haben will. Aber man kann darüber diskutieren, wie man ihn haben will. Die Politik muss den Bürgern erklären: Ja, der Wolf kommt, und das ist auch unser klares Ziel. Aber wir lassen euch nicht allein damit. Interview: Heidi Tiefenthaler

Das Verhältnis zwischen Wolf und Jägern bleibt angespannt. Neben den bekannt gewordenen illegalen Abschüssen, wie hier 2007 auf einer Gesellschaftsjagd im niedersächsischen Landkreis LüchowDannenberg, gibt es vermutlich eine große Dunkelziffer. Wolfs­ forscher wie Ilka Reinhardt fragen sich vor allem, wo die jungen, Wölfe bleiben, die aus der Lausitz abwandern. Rein rechnerisch müsste es bereits deutlich mehr Wölfe in Deutschland geben.

Dem Wolf auf der Spur Ilka Reinhardt begleitet im Auftrag des sächsischen Umweltministeriums gemeinsam mit Gesa Kluth seit 2002 die Rückkehr des Wolfs. Kontakt: ilkareinhardt@online.de Infos: www.wolfsregion-lausitz.de

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Wie Mensch und Wolf in Europa zusammenleben

Lernen von den Nachbarn

Viele tausend Wölfe leben in Europa. Ihre Populationen erstarken, einzelne Wanderer erkunden neue Lebensräume, auch in Deutschland. Warum wir davor keine Angst haben müssen, zeigt der Blick in angestammte Wolfsregionen.

B

is etwa zum 17. Jahrhundert besiedelten Wölfe ganz Europa, Asien, Nordamerika und Teile Nordafrikas. In Nordamerika leben sie heute – teilweise sehr gefährdet – nur noch in Alaska, in Kanada und in wenigen US-Bundesstaaten. In Asien kommen die meisten Wölfe in den dünn besiedelten nordrussischen Regionen, aber auch in Indien, Iran oder im Himalaja vor. Auch in Europa ist die Wolfspopulation Es heißt: massiv zurückgedrängt worden. In vieWo der Wolf lebt, müssen len Gebieten West- und Mitteleuropas die Schäfer aufgeben. galt er als ausgerottet. Das letzte frei Falsch! Beweidung mit lebende Tier auf deutschem Gebiet Schafen ist weiter möglich, wurde am 27. Februar 1904 in der Lausie müssen allerdings sitz erschossen. wie überall in Europa durch Doch seit etwa 40 Jahren verändert Hirten oder Hunde gesich die Situation der Wölfe in Europa. schützt werden. Sie haben wieder die Chance, sich auszubreiten. Ihre Populationen etwa in Spanien, Italien, Slowenien, Kroatien und der Slowakei nehmen zu. Mehrere Regionen wurden wieder neu besiedelt, auch in den Alpen und in Deutschland.

Heimkehrer in der Lausitz

[C] = Aufnahme ist in einem Gehege entstanden

Fotos: Frank

Sprachübungen Die Körpersprache ist bei Wölfen besonders stark entwickelt. Hier üben zwei junge Tiere das »Vokabular«: Der Schnauzenbiss (links) demon­ striert Dominanz oder soll vor einer Spielaufforderung beschwichtigen, wie sie das zweite Bild zeigt. Der hochgezogene Nasenrücken (rechts) und die aufgestellten Ohren signalisieren Angriff. [C]

Vor zehn Jahren wurde das erste Wolfsrudel nach über 100 Jahren in der Lausitz gemeldet. Inzwischen leben hier zwei Pärchen und sechs Rudel mit Nachwuchs. Insgesamt halten sie sich auf einer Fläche von etwas mehr als 50 mal 50 Kilometer auf (siehe Interview Seite 16). Im Grenzgebiet von Sachsen-Anhalt und Brandenburg lebt ein weiteres Wolfsrudel mit Nachwuchs. Zusätzliche Nachweise gibt es in weiteren Regionen Sachsens und Brandenburgs, in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen – und seit kurzem auch in Bayern. Die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Wölfe nach Deutschland einwandern, nimmt zu, denn es gibt immer mehr Wolfsnachweise zum Beispiel in den

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Nachbarländern Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Da Jungwölfe auf der Suche nach einem Partner und einem neuen Revier bis zu 1000 Kilometer weit wandern, können Tiere aus Norditalien, Frankreich, der Schweiz, Slowenien, Kroatien, der Slowakei, Tschechien und Polen bei uns auftauchen.

3000 Wölfe, kein Problem

Konflikte zwischen Wildtieren und Menschen gibt es überall. Wie mit den Wölfen umgegangen wird, ist jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich. Es hängt von der Mentalität der Menschen und von der traditionellen Verankerung der Wölfe ab. Wo die Tiere seit jeher leben und der Umgang mit ihnen Alltag ist, werden sie nicht als größeres Problem wahrgenommen. Wo sie sich dagegen erst wieder ansiedeln, sehen manche Menschen die Konflikte als erhebliche Belastung, einige beschleicht Angst oder Unsicherheit. Eine wissenschaftliche, sehr umfassende Recherche (Nina Institut Norwegen 2001) fasste Angriffe von Wölfen auf Menschen weltweit zusammen. Von 1950 bis 2000 wurden in Europa 59 Zwischenfälle festgestellt. In 38 Fällen war die Ursache die Tollwut, fünf dieser Angriffe endeten tödlich. In 21 Fällen war Tollwut nicht ursächlich, davon endeten vier tödlich, alle in Spanien. Eine Gesamtschau des Berichts zeigt, dass die meisten nicht tollwutbedingten Unfälle auf angefütterte, provozierte oder wie in Lettland und Litauen auf entlaufene und halbzahme Wölfe oder Hybriden (Mischlinge) von Wolf und Hund zurückzuführen sind.

Immer weniger Zwischenfälle

Inzwischen spielt die Tollwut in Deutschland wie auch in den meisten angrenzenden Ländern keine Rolle mehr. Trotz Zunahme der Wolfspopulation in Europa in den letzten 30 Jahren hat die Zahl der Unfälle mit Wölfen abgenommen. In Rumänien, dem Land mit der


Auch der Umgang mit Schäden ist sehr uneinheitlich geregelt. Denn es gibt in Europa keine einheitliche rechtliche Grundlage, ob und wie man Verluste durch Wölfe oder andere große Beutegreifer ausgleicht. Einige Länder unterstützen nur Schutzmaßnahmen, andere ersetzen jeden Schaden deutlich über dem Marktwert, andere wiederum nur die Hälfte. Manchmal werden präventive Maßnahmen gefördert und Schäden nur dann ersetzt, wenn diese Maßnahmen umgesetzt wurden. Weil jede Region ihre Besonderheiten hat, kann man zum Beispiel in Bayern nicht einfach übernehmen, was anderswo funktioniert. Regional angepasste Lösungen müssen entwickelt werden. Ein Blick auf das Sammelsurium unterschiedlicher europäischer Ansätze kann allerdings eine Hilfestellung sein, um auch in Bayern den Umgang mit Wölfen wieder zu erlernen.

FIN

~200

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DK

Quelle: The Action Plan for the Conservation of the Wolf (Canis lupus) in Europe

Maßnahmen regional anpassen

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1000 650

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Anzahl der Wölfe Länderkennzeichen Verbreitungsgebiet

Was uns der Blick auf Europas Wolfsregionen auf jeden Fall lehren kann: Wölfe benötigen keine Wildnis, sie kommen sehr gut auch in Kulturlandschaften zurecht. Wölfe greifen unzureichend gesicherte Nutzund Haustiere an, weil diese eine einfache Beute sind. Unfälle mit Menschen sind dagegen extrem selten. Wo Wölfe leben, sollten sich die Menschen aber entsprechend anpassen. Die bayerischen Alpen eignen sich gut als Lebensraum für Wölfe, Luchse und Bären. Die Wölfe werden allerdings nicht nur versuchen, die bayerischen Alpen wieder zu besiedeln, sondern viele weitere Regionen in den Alpen und in Deutschland. Peter Sürth

Echter Europäer In vielen Ländern wurde der Wolf (Canis lupus) nie ausgerottet, in andere ist er zurückgekehrt.

Auf Wolfsspur mit Peter Sürth Peter Sürth hat Wildtiermanagement studiert. Seit über 15 Jahren beschäftigt er sich mit Wolf, Bär und Luchs, insbesondere in stark besiedelten Räumen Europas. Auf dem Bild verfolgt er im rumänischen Winter mit Hündin Shira eine Wolfsspur. Wer Wolfswissen aus erster Hand erleben möchte, kann Peter Sürth für Vorträge und Schulveranstaltungen engagieren. Seine nächste Exkursion nach Rumänien bietet er im April 2011 an. Seine große Expedition von der Ostschweiz in die Wolfsregionen der italienischen und französischen Alpen startet am 1. August. Infos: www.derwegderwoelfe.de Kontakt: info@derwegderwoelfe.de

Foto: Kratzer

stärksten Wolfspopulation (circa 3000 Tiere), gibt es nur einige wenige Berichte von Bissverletzungen, wenn Schäfer versucht haben, einen Wolf zu erschlagen. Dabei durchstreifen Wölfe in Rumänien wie in allen anderen Wolfsregionen regelmäßig Siedlungen. Auch wenn Vergleiche immer problematisch sind, wenn es um Menschenleben geht, sei angemerkt, dass sich in Deutschland laut ADAC allein im Jahr 2009 an die 2800 Autofahrer bei Wildunfällen verletzten. 13 Menschen starben dabei – ohne dass jemand auf die Idee käme, Rehen und Wildschweinen ihr Lebensrecht abzusprechen. Und: Durch Haushunde kommt es in Deutschland jährlich zu 30 000 bis 50 000 Bissverletzungen, drei bis vier davon sind tödlich Wölfe greifen Nutz- und Haustiere an. Diese Tatsache wirft die Frage nach Schutzmaßnahmen und Entschädigungen auf. Hauptbetroffene sind Schäfer beziehungsweise die Besitzer von Schafen, Ziegen oder auch anderen Nutztieren. Sowohl die Schadenshäufigkeit als auch die Art und Weise, wie Tiere geschützt werden, unterscheiden sich in Europa von Region zu Region deutlich. Wo es traditionelle Schutzsysteme, wie Hirtenhunde, Zäune und den ständig anwesenden Hirten gibt, bleiben Schäden eher gering. In Rumänien etwa beläuft sich der jährliche Verlust an Nutztieren durch Wölfe und Bären auf etwa zwei Prozent des Bestandes.

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Schafhalter und Wölfe

Nutztier Schaf und Wildtier Wolf – für beides setzt sich der Bund Naturschutz ein. Denn das übergeordnete Ziel heißt Bio­ diversität. Für die Allianz aus ­Naturschützern und Schafhaltern stellt der zurückkehrende Wolf eine Bewährungsprobe dar.

Ü

Foto: Gomille

Miteinander leben lernen

berall in Bayern ist der BN an Beweidungsprojekten beteiligt, denn extensive Schafweide ist die ­Voraussetzung für den Erhalt sonnendurchglühter ­Magerrasen und bunter Wacholderheiden. Ob Coburger Fuchsschaf, Waldschaf oder Rhönschaf – diese alten, heute gefährdeten Schafrassen sind »Lieblingskinder« des BN. Kürzlich feierte das BN-Rhönschafprojekt 25-jähriges Jubiläum, es war bundesweit das erste Modellprojekt einer engen Zusammenarbeit zwischen Schäfern und Naturschützern. Und der BN kämpft gemeinsam mit dem Landesverband Bayerischer Schafhalter gegen unsinnige EU-Bürokratie und für Beweidungsprämien, ohne die Schäfer wirtschaftlich nicht überleben könnten. Und nun der Wolf mit seinem sprichwörtlichen Appetit auf Schafe! Bis Dezember 2010 hat der bayerische Wolf 19 Schafe gerissen; der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern fordert seinen Abschuss und die Alpen als »wolfsfreies Gebiet«. Gefährdet das nicht die Eintracht zwischen der traditionellen Landnutzungsform und dem Naturschutz? Nein, denn eine Koexistenz von Wolf und Schafhaltung ist möglich, und gerade der BN kann und will hier ein Vermittler sein. Unsere Vorfahren haben den Wolf ausgerottet. Über Jahrtausende ent­ wickelte und bewährte Herdenschutzsysteme verschwanden damit aus dem öffentlichen Gedächtnis. Es scheint heute selbstverständlich, dass wehrlose Es heißt: Nutztiere sich frei in der Der Wolf ernährt Landschaft bewegen. Doch sich vor allem von nun kehren die großen Nutztieren. »Raubtiere« wieder zurück Falsch! In wildreichen Ge­ bieten ernähren sich Wölfe und zeigen uns, dass dies fast ausschließlich von wildeben nicht der Normalfall lebenden Huftieren wie ist. Rothirsch, Wildschwein oder Reh (Beispiel Lausitz: 95,5 %). Mehr Fakten: www.bundnaturschutz.de/wolf

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Hund unter Schafen Herdenschutzhunde haben sich in den Alpen als sicheres Schutzsystem bewährt.

Schafe schützen: eine Herausforderung

Damit wird es erneut notwendig, Schutzsysteme aufzubauen. In verschiedenen europäischen Regionen haben die Viehhalter wieder gelernt, mit dem Wolf umzugehen (s. Seite 18). Die Beweidung im bayerischen Alpenraum unterscheidet sich allerdings von der im Flachland, da Schafe und vereinzelt auch Ziegen meist ohne Zaun und Hirte auf der Alm unterwegs sind. Eine flächige Einzäunung zum Schutz vor dem Wolf ist daher und auch aufgrund des felsigen Geländes nicht möglich. Dennoch können die bayerischen Tierhalter von ihren Nachbarn lernen. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hat aus den Erfahrungen anderer europäischer Länder einen umfangreichen Handlungsleitfaden für Viehhalter erstellt (www.LfL. bayern.de/herdenschutz). Im Revier des bayerischen Wolfs wurden 2010 kurzfristig die Schafe abgetrieben und hierdurch entstandene Futtermehrkosten abgegolten. Versuchsweise ist auf einer Alm eine zeitweise Behirtung mit nächtlichem Einpferchen umgesetzt – aus dieser Herde wurden keine weiteren Schafe mehr gerissen. Nun müssen dauerhafte, regional angepasste Lösungen gesucht werden. Einfache Patentrezepte gibt es nicht. Wer aber jetzt schon behauptet, »es geht nicht« und mit der Aufgabe der Schafbeweidung droht oder wolfsfreie Alpen fordert, macht es sich zu leicht. Auch wenn der Aufwand hoch ist, sollte uns das der Wolf wert sein.

Nur regionale angepasste Lösungen sichern Vielfalt

Für eine naturgemäße Schafbeweidung im Alpenraum, im kleinräumigen Mosaik aus Bergwäldern und lichten Alm-Weiden, ist besonders wichtig, dass die Schafe zur rechten Zeit am rechten Ort unterwegs sind. Denn bei zu intensiver Beweidung kann der positive Effekt für Biotope schnell durch übermäßigen Verbiss, Trittschä-


Familienbande Das gemeinsame Heulen stärkt den Zusammenhalt im Rudel und soll fremde Wölfe fernhalten. [C]

den und Nährstoffüberfrachtung ins Gegenteil umschlagen. Gerade Schafe fressen wenig selektiv und sehr bodennah und können daher in zu großer Dichte den Artenreichtum verbissempfindlicher Arten reduzieren. Zudem gibt es in den Hochlagen erosionsanfällige Hänge, für die eine Beweidung generell ungünstig ist. Biodiversität zu schützen heißt daher, die Herden besser zu lenken, durch Behirtung und Nachtpferche und am besten eine permanente Behirtung mit Herdenschutzhunden. Sofern dafür eine Zusammenlegung der Herden nötig ist, dürfen die Schafzahlen nicht erhöht und die Beweidung nicht auf dafür ungeeigneten Flächen intensiviert werden. Welches Maß an Beweidung die wertvollen Pflanzengesellschaften im Rotwandgebiet vertragen, muss deshalb nach Ansicht des BN bei der Erarbeitung regionaler Lösungen auch mit auf den Prüfstand. Der Wolf darf weder Anlass für eine Intensivierung noch für eine Aufgabe der Beweidung sein – beides wäre kontraproduktiv für die Biodiver­ sität.

Aus einer bayerischen Sage: An einem grauen Herbst­ vormittag bricht der Wolf neuerdings aus dem Walde und stürzt sich auf den Schäfer. (…) Auf seine Hilferufe kommt der Gutsherr (…) und stößt dem Raubtier seinen geweihten Hirschfänger tief in die Brust. Wie es zu Boden fällt, liegt die alte Hexe aus dem Trüpfhaus vor ihnen und verröchelt fluchend ihren Geist. Ob in Ortsnamen, Wappen oder Sagen wie dieser – die jahrhundertelange gemeinsame Geschichte von Wolf und Mensch hat in Bayern Spuren hinterlassen. Mit Fundstücken aus Archiven, Überlieferungen und Landschaften skizziert die BN-Autorin Gertrud Scherf vielschichtig das einstige Zusammenleben. Sie nimmt den Leser mit in jene Zeit, in der sich das Bild vom Wolf drastisch wandelte – vom selbstverständlichen Mitgeschöpf hin zum furcht­erregenden Untier. Eine Reise in die Vergangenheit, die hilft, die aktuelle Diskussion um den großen Beutegreifer besser zu verstehen.  Gertrud Scherf: Wolfsspuren in Bayern: Kulturgeschichte eines sagenhaften Tieres. Buch & Kunstverlag Oberpfalz, Amberg, 2001, ISBN 3-924350-96-5, Euro 24,90

Almbauern und Bund Naturschutz sollten sich durch die Rückkehr des Wolfs nicht auseinanderdividieren lassen. Der BN fordert ein Förderprogramm Herden- und Nutztierschutz mit gelenkter Beweidung in vom Wolf besiedelten Gebieten, die Einführung von Bonussystemen zur Inwertsetzung der seltensten Tierarten Bayerns oder endlich die Einführung einer »Natura 2000-Prämie« und »Biodiversitätsprämie«. Diese Forderungen sollten eigentlich auch die Almbauern unterstützen: für eine Biodiversität, zu der auch der Wolf gehört. Dr. Christine Margraf

Konflikte können durch Behirtung und Verzicht auf Beweidung ungeeigneter Flächen minimiert werden. Nur weil die Menschen verlernt haben, mit dem Wolf zu leben, oder weil sich die Nutzung verändert hat, ist nicht der Lebensraum für den Wolf ungeeignet geworden. Nötig sind nun eine (Wieder-)Anpassung der menschlichen Nutzung und letztlich auch die Akzeptanz dafür, dass ein Wolf eben auch einmal das eine oder andere Schaf frisst – Fördertöpfe für den finanziellen Ausgleich dieser Verluste gibt es bereits. Dass jeden Almsommer viele Tiere durch ganz andere Ursachen umkommen – zum Beispiel durch Hunde, Witterungsextreme und Absturz – ist schließlich auch akzeptiert.

Foto: Gomille

Miteinander reden, jetzt

Zeichen erkennen Ein erwachsener Wolf hat im Sand der sächsischen Lausitz seine Spuren hinterlassen. Deutlich ist zu sehen, dass der Vorderfuß (oben) kräftiger ist als der Hinterfuß.

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Foto: privat

Foto: Kopp

Zeugnisse einer gemein­ samen Vergangenheit

Die Autorin Christine Margraf ist BN-Artenschutzreferentin für Südbayern.


TV-Star wirbt für Abbau von Vorurteilen

Keine Angst vorm bösen Wolf Ranga Yogeshwar, Deutschlands wohl bekanntester Moderator wissenschaflicher TV-Sendungen, verbindet eine ganz persönliche Geschichte mit den Wölfen – er bringt sie sogar zum Heulen.

Foto: Eilers

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eine erste Begegnung mit Wölfen in freier Wildbahn hatte ich vor über zwanzig Jahren inmitten der Laub- und Nadelwälder im Vorgebirge des Himalaya. Ich verbrachte damals nach meinem Studium fast ein ganzes Jahr in dieser wunderbaren Grenzregion zu Tibet, fernab von der lauten Zivilisation und den geschäftigen Großstädten. Von meinem »Häuschen« aus überblickte ich das spektakuläre Panorama der Berge Trisul, Nanda Devi, Pancha­ chuli; eine kaum bekannte Region westlich von Nepal, die vom Glück profitiert, dass die höchsten Berge hier knapp unter 8000 Meter liegen. Andernfalls wäre diese Gegend, wie die anderen um den Mount Everest oder den hohen Annapurna, zum Trampelpfad westlicher Touristen und gut zahlender Bergsteiger verkommen. Die Welt hier war für mich genau richtig, besiedelt von bescheidenen bunten Bauernhöfen, deren Bewohner auf den angelegten Terrassen Reis und Getreide anbauten. An diesem Ort konnte ich loslassen und während zahlreicher Wanderungen und Trekkingtouren das Umfeld erkunden.

Ein Gefühl von Demut

Die hochgelegenen Wälder waren von einer bestechenden Schönheit. Naturwälder ohne geradlinige Aufforstflächen, die nur selten von Menschen durchquert wurden. Im Frühjahr erblühten hier unzählige Rhododendren, deren rote Blüten sich mit steigender Höhe in ein zartes Rosa und ein helles Blau verwandelten. Die Erfahrung, in eine so wenig berührte Natur einzutreten, erzeugt das Gefühl von Demut. Auch die Tierwelt bestach durch eine fast künstlich wirkende Vielfalt. Manchmal bekam ich es sogar mit der Angst zu tun, wenn sich zum Beispiel große Clans kreischender Languren lauthals über jeden Eindringling beschwerten und einem dabei ihr respektables Gebiss zeigten. Man hatte mich vor Bären gewarnt, doch zum Glück blieb mir eine direkte Bekanntschaft erspart.

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Fernbeziehung zum Wolfsrudel

Eines Nachmittags begegnete ich dann während einer meiner langen Wanderungen einem Rudel Wölfe. Doch im Gegensatz zum Märchenmonster waren diese Vierbeiner ausgesprochen scheu. Sie nahmen zwar Notiz von mir, und mit dem entsprechenden Abstand akzeptierten sie sogar meine Anwesenheit. Bis zur Abenddämmerung blieb ich bei ihnen und konnte genau beobachten, wie das Rudel spielte, sich ständig gegenseitig bestätigte und in festen Ritualen die Rangordnung der Gruppe zelebrierte. In den folgenden Wochen kehrte ich häufig zurück und lernte mit der Zeit, einzelne Tiere zu unterscheiden. Den Leitwolf nannte ich zum Beispiel »Akela«, nach dem Wolf im Dschungelbuch von Rudyard Kipling. Auf Hindi bedeutet Akela auch »der Einsame« … Trotz mehrmaligen Begegnungen gelang es mir jedoch nicht, mich den Wölfen auf mehr als etwa dreißig Meter zu nähern. Wenn ich es probierte und die kritische Distanz unterschritt, flüchteten sie sofort bis unser Abstand wieder »stimmte«. Ich war geduldet, doch es blieb eine Fernbeziehung.

Ein Heulkonzert füllt das Tal

In den Abendstunden hörte ich öfters das »Konzert« der Wölfe. Stets begann ein einzelnes Tier zu heulen, woraufhin immer mehr Wölfe in das Heulkonzert einstimmten. Die Melodie wurde dabei stets aufgeregter, bis sie dann plötzlich verstummte. Es gibt eine Reihe möglicher Erklärungen für dieses Phänomen, aber so genau weiß niemand, was das Heulen der Wölfe bedeutet. Für mich war der »Wolfsgesang« der Ausdruck eines »Wir-Gefühls«. Es gelang mir sogar mehrfach, selbst die Wölfe zum Heulen anzuregen. Das Gefühl, auf diese Weise ein ganzes Tal mit dem Gesang der Vierbeiner zu füllen, war erhaben. Es sollte über zwanzig Jahre dauern, bis ich im Rahmen von Dreharbeiten zur »Show der Naturwunder« erneut den Gesang der Wölfe anstimmen konnte: In Gödöllö, etwa dreißig Kilometer außerhalb von Budapest, unterhält der ungarische Tiertrainer Zoltán Horkai ein größeres Areal mit diversen Wildtieren, darunter auch Wölfen. Einige davon hat er trainiert und setzt sie sogar in Spielfilmen ein. Andere Exemplare leben, dank der Unterstützung der World Society for the Protection of Animals und der Ethnologen der LorándEötvös-Universität, ohne Filmrollen auf dem großen Grundstück. Als »Alphawolf« hatte Zoltan das Rudel geprägt und gab mir somit die Chance zum direkten Kontakt.

Wiedersehen nach Jahrzehnten

Als ich das Areal betrat, reagierten die Tiere zunächst scheu, doch dank Zoltan akzeptierte mich das Rudel. Die Begrüßung war heftig, direkt und geradezu euphorisch. Ich wurde geschleckt und intensiv beschnüffelt und vergaß fast, dass es sich um Raubtiere handelt. Wölfe sind keine Hunde. Sie haben sich ihre Natürlichkeit bewahrt mit ihren Regeln, Gesetzen und Ritualen. Nach über zwanzig Jahren stimmte ich das Rudel zum


Der Autor Ranga Yogeshwar ist Deutschlands wohl populärster Moderator von TVWissenssendungen. Bekannt für spektakuläre Demonstrationen, zeigte er auch vor Wölfen keine Angst, die er 2010 für »Die große Show der Naturwunder« in einem ungarischen Gehege be­ suchte.

Es heißt: Wolfsrudel sind wilde Jagdmeuten.

Foto: Eilers

Falsch! Das Wolfsrudel ist eine Klein­ familie. Es besteht meist aus fünf bis zehn Tieren: dem Elternpaar, das meist auf ­Lebenszeit zusammenbleibt, den Welpen und den Jungtieren aus dem Vorjahr.

Heulgesang an, und es klappte tatsächlich! Für mich war dieser Moment einer der bewegendsten in meiner Fernsehkarriere. Danach versteht man schnell, wieso Wolf und Mensch vor über 30 000 Jahren zueinander fanden. Mich für mehr Verständnis gegenüber Wölfen einzusetzen, ist mir ein besonderes Anliegen. Jahrhunderte lang diente der Wolf als Projektionsfläche für das Böse. Der Werwolf geistert als Inkarnation des Teufels durch die Nächte. In Märchen und Fabeln wird das Tier immer wieder als blutrünstiger Killer beschrieben, der Großmütter verschlingt oder Kreide frisst, um anschließend unschuldige Geißlein zu verspeisen. Schon als Kinder wurden wir mit der »Angst vor dem bösen Wolf« erzogen, und bedauerlicherweise ergaben sich

kaum Gelegenheiten, dieses hartnäckige Vorurteil zu revidieren. Der Wolf wurde in Westeuropa systematisch ausgelöscht. Nur das Klischee bleibt bestehen. Unsere so aufgeklärte Welt ist ein großes Theater, und die Rollen werden dabei fest besetzt: die Schöne, der Gute, der Böse, der Unschuldige, das Genie, der Reiche, der Dummkopf und der Clown. Ob in Talkshows, der großen Weltpolitik oder der Tierwelt: Im Drama des Lebens besetzen wir ständig die vorgegebenen Rollen. Doch bei genauer Betrachtung erkennen wir, wie oberflächlich und unfair die zugewiesenen Merkmale sind. Doch wir sind frei und können unsere Vorurteile revidieren: Es ist an der Zeit, dem Wolf eine bessere Rolle zuzuweisen.

Fette Beute für Wissenshungrige Lesenswert

 WAS IST WAS: Wölfe. Von Erik Zimen. Tessloff Verlag, 2010, ISBN 978-3-7886-0667-1, Euro 9,95  Der Wolf: Ein Raubtier in unserer Nähe. Von Hansjakob Baumgartner u. a. Haupt Verlag, 2008, ISBN 978-3-2580-7274-6 Euro 29,90  Der Wolf: Zwischen Mythos und Wahrheit. Von Angelika Sigl. Dörfler, 2005, ISBN 978-3-8955-5275-5 Euro 9,95  Wolfsspuren. Die Frau, die mit den Wölfen lebt. Von Tanja Askani. AT Verlag, 3. Auflage 2008, ISBN 978-3-85502-979-2, Euro 21,90  Broschüre »Wölfe in Bayern«. Herausgegeben von der BN-Kreisgruppe Freyung-Grafenau, ­kostenlos. Alle Bücher und die Broschüre sind zu bestellen bei der BN Service GmbH, Tel. 0 91 23-9 99 57-0, Fax -99, info@service. bund-naturschutz.de, www.service.bund-naturschutz.de. Mehr Literatur zum Wolf: www.bund-naturschutz.de/magazin

Websites

 www.bund-naturschutz.de/wolf  www.wolfsregion-lausitz.de

 www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz  www.nabu.de  www.gzsdw.de

Erlebenswert

 Laden Sie unseren Autor und Wolfsexperten Christian Hierneis zum Vortrag ein: 01 78 - 5 37 20 48, hierneis@gmx.de.  Gehen Sie mit unserem Autor Peter Sürth auf große Wolfs­ expedition: Infos siehe Seite 19.  Reisen Sie mit dem BN nach Rumänien, wo der Wolf noch ein selbstverständlicher Teil der Natur ist. Von 15. bis 25. Juni 2011 geht’s zum Beispiel nach Siebenbürgen. Infos und Anmeldung unter Tel. 0 91 23 - 9 99 57 - 10, www.bund-reisen.de.  Nutzen Sie die vielfältigen Angebote des Nationalparks ­Bayerischer Wald. Vom Wolfsrudel im Tierfreigelände bis zum Kindergeburtstag, Thema »Luchs und Wolf«. Alle Infos unter www.nationalpark-bayerischer-wald.de.  Holen Sie sich oder Ihren Kindern den Wolf zum Kuscheln nach Hause. Das hochwertige, circa 20 Zentimeter lange Plüschtier ist für 40,20 Euro zu bestellen bei der BN Service GmbH, Adresse s. o.

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Erneuerbare Energien: BN bewertet Projekte differenziert

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Für Klimaschutz und Naturschutz

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pekten vertretbar sind. Ob beide Voraussetzungen gegeben sind, ist jedoch von Fall zu Fall genau zu prüfen. Als Verband, der sich für den Klimaschutz A B TE IT ebenso stark macht wie für die Bewahrung von Landschaft und Natur, ist der BN hier besonders gefordert. Gerade die Kreisgruppen stellen sich überall im Land der oftA schwierigen Aufgabe, Fakten zu bewerB I T T abzuwägen und manches Mal ind, Sonne, Wasser: Bayern hat beste Voraus­ ten, Vor- und Nachteile setzungen für nachhaltige Energiegewinnung. auch Konflikte auszuhalten. Wie das eben so ist, wenn Während das Potenzial der Wasserkraft jedoch meist zwei erstrebenswerte Ziele konkurrieren. Dass der BN ausgereizt oder gar überreizt ist, gibt es für Photovol­ jedenfalls kein »Neinsager« ist, sondern sich für kontaik und Windkraft noch viele Standorte, die aus wirt- krete Projekte der Erneuerbaren in Bayern ebenso einB Iwie schaftlicher Sicht geeignet und unter Naturschutzas- setzt T T für globalen Klimaschutz, zeigt unsere Karte mit einer Auswahl aktueller Vorhaben. Ja, zu dezentraler Übrigens, zwei Dinge kann die Karte nicht zeigen: Energie­versorgung: Bei vielen Solarstromanlagen auf Dächern und bei Dem Einsatz der KreisBürgerwindanlagen war der BN ebenso Initiator, wie er gruppe Schweinfurt ist es zu verdanken, dass sich überall im Land für Energieeinsparung und -effiziauf der Fritz-Zeileinenz einsetzt – und das ist der Königsweg zum KlimaHalle in Gochsheim schutz, ohne Eingriffe in die Natur. (göß)

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die erste Bürgersolaranlage des Landkreises entstand.

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Effelter im Frankenwald: Ein ganzes Dorf bezieht seine Wärme aus Biogas und Holzhackschnitzeln. Der BN sagt nicht nur ja, sondern ist seit Jahren der Motor dieses Vorzeigeprojekts (s. Seite 36).

100 Prozent erneuerbar? Der BN sagt ja zu diesem langfristigen Ziel für Neumarkt. Ein von Landkreis, BN und ­weiteren Partnern er­ arbeitetes Konzept ebnete den Weg für heute 18 Windkraftanlagen.

Windkraftanlagen im Nürnberger Land: Gegen den Widerstand von Bürgerinitiativen befürwortet der BN sieben von elf vorgeschlagenen Standorten. Ja also zu 22 Wind­ rädern, die den Strombedarf von 33 000 Haushalten decken können.

Die Donauhangleiten bei Jochenstein nahe Passau sind einer der ökologisch wertvollsten Naturräume Bayerns. Ausgerechnet hier ein Pumpspeicherwerk? Der BN sagt nein (mehr in N+U 2-11).

Ein Wasserkraftwerk mitten im Naturschutzgebiet des Augsburger Stadtwaldes? Der BN sagt nein, hier muss stattdessen der Lech renaturiert werden (s. Seite 37).

Mehr Energie aus der Sonne? Ja bitte, meint der BN im Unterallgäu und erarbeitet gemeinsam mit der Gemeinde Erkheim ein Standortkonzept für Freiflächenanlagen.

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Oberhaching will seine Haushalte überwiegend mit regenerativer Energie versorgen. Sehr gut, sagt der BN, und ist deshalb auch mit dem Bau eines Erdwärme-Kraftwerks einverstanden.

Weg von der Atomkraft, auf ins Solarzeitalter! Die Kreisgruppe Landshut unterstützte 2010 – mit Forderungen zum Naturschutz – alle acht eingereichten Bauvorhaben für Photovoltaik-Freianlagen.


Der Ausstieg ist machbar

Ihr Protest gegen Atomkraft

Foto: Gößwald

Schicken Sie die Atomkraft dahin, wo sie hingehört: aufs Abstellgleis! Die Zukunft liegt in den Erneuerbaren Energien und im Energiesparen. Zeigen Sie Flagge, setzen Sie ein Zeichen – machen Sie mit beim Anti-Atom-Protest!

E

nde Oktober 2010 schenkte die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit den Atomkonzernen eine Laufzeitverlängerung für ihre Atomkraftwerke. Der Bundespräsident unterschrieb das neue Atomgesetz Anfang Dezember, Bayern verschob die Abschalttermine seiner AKW daraufhin bis ins Jahr 2033. Dabei hätte das AKW Isar 1 schon dieses Jahr vom Netz gehen sollen. Das bedeutet weitere nur angeblich harmlose Stör­ fälle, weiterhin die Gefahr eines großen Unfalls, noch viel mehr strahlenden Abfall – und eine Blockade der Erneuerbaren Energien. Dagegen lässt sich etwas tun. Zum einen ist die ­Novelle des Atomgesetzes noch längst nicht durch: Die Oppositionsparteien haben vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Sie wollen durchsetzen, dass bei dem Gesetz auch der Bundesrat mitreden darf – was das Aus für die Laufzeitverlängerung bedeuten könnte. Die Entscheidung des Gerichts wird zwischen 2011 und 2013 erwartet. Auch der BUND wird vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Zum anderen ist die Mehrheit der Bevölkerung gegen verlängerte AKW-Laufzeiten. Wir sind das Volk, wir wollen den Atomausstieg. Jeder kann sehr effektiv etwas für eine AKW-freie Zukunft tun!

Jetzt online protestieren Unterschreiben Sie unsere Appelle an den bayerischen Ministerpräsidenten See­ hofer und Bundeskanzlerin Merkel: www.bund-naturschutz.de/anti-atom-protest

Vor Ort dabei sein und mitdemonstrieren

 25 Jahre Tschernobyl: Zentraler Gedenktag in Bamberg, 26. April 2011  Großdemo gegen das AKW Isar 1 bei Landshut, 4. Juni 2011  Jeden Montag Mahnwache vor dem AKW Isar 1: www.mahnwache-isar1.de  Monatlich Anti-Atom-Demonstration in Landshut: http://büfa-landshut.de  Montagsspaziergänge gegen Atomkraft überall in Deutschland: www.ausgestrahlt.de/ mitmachen/montagsspaziergang

Anbieter wechseln, Strom sparen  Finanzieren Sie die Atomstromkonzerne nicht mit Ihrem Geld – wechseln Sie Ihren Stromanbieter! Welchen Anbietern wir vertrauen und wie der Wechsel schnell und einfach geht, erfahren Sie hier: www.bund-naturschutz.de/energie, www.atomausstieg-selbermachen.de  Oder nutzen Sie ein atomstromfreies Angebot eines lokalen Anbieters. Achtung: Zertifikate wie RECS (renewable energy certificate system) sagen nichts aus. Sicher

atomfrei ist Strom mit dem Label »Grüner Strom« von BN und BUND oder von Anbietern des Verbundes Energreen: www.gruenerstromlabel.de www.energreen.de  Das Wichtigste ist und bleibt Stromsparen. Lassen Sie Elektro­ geräte nie im Stand-By-Betrieb stehen, schalten Sie sie immer ganz aus. Nutzen Sie Energie und Geld sparende Haushaltsgeräte: www.bund-naturschutz.de/energie

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Für die Natur im Steigerwald

Erste Schritte zu besserem Schutz

dungseinrichtungen als Steuergeldverschwendung ablehnten. Jetzt fordern sie von der Staatsregierung millionenschwere Investitionen in ihr »Nachhaltigkeitszentrum«. Forstminister Helmut Brunner hat dazu unverholen erklärt, mit diesem auf die Nutzung der Wälder ausgerichteten Zentrum solle vor allem ein Nationalpark verhindert werden.

Foto: Stephan

Argumente statt Angstkampagnen

Urwald vor der Haustür Die Fakten sprechen für einen ­Nationalpark Steigerwald. Schon ­allein durch die Diskussion über den Nationalpark sind zudem die­ ­Besucherzahlen angestiegen.

Der Landkreis Bamberg hat im Dezember das vom Bund Naturschutz angeregte Buchenwaldzentrum im Steigerwald auf den Weg gebracht. Zudem erwägt der Kreis, ein großes Waldschutzgebiet einzurichten.

S

owohl der Umwelt- als auch der Kreisausschuss und der Kreistag beschlossen, das Buchenwald-Informationszentrum in Ebrach im Herzen des Steigerwaldes zu errichten. Damit greift der Landkreis Bamberg einen Vorschlag des BN für ein »Haus der Buche« unter breiter Trägerschaft auf (vgl. N+U 4-2010). Das Zentrum wird das erste seiner Art in Bayern sein und soll vor allem Bildung und Erlebnis dienen, der Informa­ tion über die internationale Bedeutung der alten Buchenwälder im Steigerwald und deren Erforschung sowie dem Tourismus. Darüber hinaus möchte der Landkreis ausloten, wie sich die Buchenwälder im Hinblick auf eine Bewerbung als Weltnaturerbe besser schützen lassen. Im Rahmen dessen gibt es Überlegungen, im Staatswald ein 4100 Hektar großes Waldnaturschutzgebiet zu schaffen. Auf der Hälfte der Fläche soll sich der Wald Info und Erlebnis dauerhaft ohne Holznutzung entwickeln dürfen. Der Mehr Infos, inter­ aktive Waldspazier- BN begrüßt diese Pläne, hält einen Nationalpark aber nach wie vor für die bessere Lösung, da er der strukturgänge und Bildschirmpräsentatioschwachen Region naturschutzfachlich und ökononen gibt es unter misch am meisten nützen würde. www.ja-zum-natioUnterdessen will die Staatsregierung auf Initiative nalpark-steigerder Nationalparkgegner ein »Nachhaltigkeitszentrum wald.de. der Forstwirtschaft« finanziell unterstützen. Hinter dem zusätzlichen Zentrum im Steigerwald stehen die gleichen Kommunalpolitiker, die stets betonten, wie gut ihre Gemeinden finanziell dastünden, und die Investitionen in Nationalparke und deren Umweltbil-

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Wie positiv die Effekte eines Nationalparks für die Region sein könnten, zeigt erneut eine Untersuchung, die die Entwicklungen der letzten 40 Jahre in der Nationalparkregion Bayerischer Wald und der Naturparkregion Steigerwald vergleicht. Für die Wirtschaft bringt ein Nationalpark deutlich mehr als ein Naturpark. »Durch einen Nationalpark könnte der gesamte Steigerwald wirtschaftlich vorankommen, durch mehr Tourismus und mehr Infrastruktur«, erklärte der Verfasser Winfried Potrykus von der Naturforschenden Gesellschaft Bamberg bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse. Dass diese positiven Auswirkungen keinen Einzelfall darstellen, belegen Recherchen des Bundesamtes für Naturschutz über die regionalökonomischen Effekte von Nationalparken (vgl. N+U 1-10). Den im Verein »Unser Steigerwald« organisierten Gegnern des Nationalparks gehen indes die Argumente aus. Immer öfter arbeiten sie mit Polemik, falschen Aussagen und Halbwahrheiten über den Nationalpark und die Internetaktion www.ja-zum-nationalpark-steigerwald.de. Der BN fordert die Spitzen des Vereins deshalb auf, sich den Fakten nicht zu verschließen, die Chancen eines Nationalparks zu diskutieren und in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Aus der Bevölkerung kommt Zustimmung: Mittlerweile haben bei der Aktion »Ja zum Nationalpark Steigerwald« über 30 000 Menschen unterschrieben. Etwa zwei Drittel der Unterschriften stammen aus Franken, vorwiegend aus dem Steigerwald, Mainfranken und dem Großraum Nürnberg. Als erster fränkischer Nationalpark trifft der Nationalpark Steigerwald damit gerade in Franken auf große Sympathie. Der Bund Naturschutz fordert die Staatsregierung deshalb auf, sich endlich vor Ort einzubringen: mit einer Machbarkeitsstudie zum Nationalpark und einem von der Staats­ regierung moderierten Dialog. Ralf Straußberger (hl)


Foto: BN Service GmbH JANDA+ROSCHER, Die WerbeBotschafter

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Weitere Infos:

Martin.Hilbrecht@service.bund-naturschutz.de


BN kritisiert bayerische Biodiversitätspolitik

Problem erfasst, Lösung verpasst

500 Seiten stark ist der »Bayerische Artenschutzbericht«, ganz schwach aber sind die Ansätze der Politik, den ungebrochenen Artenschwund zu stoppen.

Foto: privat

Foto: Autobahndirektion Südbayern

er im Oktober von Umweltminister Markus Söder vorgestellte Bericht beschreibt den Zustand der Natur und von Aktivitäten im bayerischen Naturschutz – darunter viele BN-Projekte. Der BN-Vorsitzende Hubert Weiger begrüßte die gute Zustandserfassung, kritisierte aber die fehlende Analyse, »warum Erfolge im Naturschutz nur punktuell stattfinden, in der Fläche aber der Trend des Arten- und Biotoprückgangs ungebrochen ist. Aus dieser Analyse«, so Weigers Forderung, »hätten deutliche, auch finanzielle Konsequenzen für die bayerische Biodiversitätsstrategie gezogen werden müssen.« Chance NationalKlar zeigt der Bericht zwei Erfolgsfaktoren für gelunpark Steigerwald genen Artenschutz: erstens Menschen, die sich hauptAuch die Ausweioder ehrenamtlich um Projekte oder Gebiete kümsung eines Natiomern, zweitens eine ausreichende Finanzierung. Umso nalparks Steigerunverständlicher waren die Kürzungspläne für den wald ermöglichte, mit geringem Aufbayerischen Staatshaushalt gerade im Naturschutzbewand Biodiversität reich (N+U 4-10). Sie konnten immerhin abgewendet auf großer Fläche zu werden, ein großer Erfolg auch für die Lobbyarbeit des schützen. Vergibt BN. Doch von finanziellen Verbesserungen, die drinBayern auch diese gend nötig wären, ist nicht mehr die Rede. BeispielsChance (siehe Seite weise steht von den vor zwei Jahren angekündigten 26)? personellen Aufstockungen bei den Unteren Naturschutzbehörden kein Wort im Artenschutzbericht.

Die Autorin Dr. Christine Margraf ist BNArtenschutzreferentin für Südbayern, Kontakt: Tel. 0 89 -54 82 98-89, christine.margraf @bund-naturschutz.de

Beispiel 1

Keine Großeingriffe!

Das sture Festhalten etwa an der A 94 im Isental (Foto vom Baubeginn bei Pastetten; vgl. auch Seite 7), am ­Donauausbau und an der dritten Startbahn am Flughafen München offenbart die große Diskrepanz zwischen Sonntagsreden der Staatsregierung und ihrer tatsächlichen Politik. Für diese Projekte gibt es billigere und naturverträglichere Alternativen (A 94) beziehungsweise gar keine Notwendigkeit. Lufthansa, E.ON und Co. dürfen nicht unsere Biodiversität zerstören, um ihre Gewinne zu erhöhen.

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Vor allem aber: Von den 500 Seiten des Berichts fällt das Kapitel »Künftiger Handlungsbedarf« mit 14 Seiten extrem dürftig aus. Es fehlen klare Aussagen zur verfehlten bayerischen Agrar-, Verkehrs- und Raumordnungspolitik und zu den nötigen Änderungen. Der BN hat bereits vor zwei Jahren Nachbesserungen gefordert, die dringend nötig sind, um die Ziele der offiziellen »bayerischen Biodiversitätsstrategie« zu erreichen – keine davon wurde bisher umgesetzt. Dabei wären viele BN-Vorschläge kostenlos oder hätten gar erhebliches Sparpotenzial (siehe die beiden Beispiele mit Bild). Dr. Christine Margraf (göß) Mehr Infos im Web  www.bund-naturschutz.de/fakten/artenbiotopschutz (zu Biodiversität, bayerischer Biodiversitätsstrategie und BN-Forderungen)  www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/artenschutz (zum Artenschutzbericht)

Foto: Tuschl

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Beispiel 2

Schutz für Grünland und Uferstreifen!

Bayern lässt zwei Chancen aus, Regelungen aus Bundesgesetzen in bayerisches Recht zu übernehmen – nämlich die Verbote, Uferstreifen sowie Wiesen und Weiden in sensiblen Bereichen in Ackerland umzubrechen. Bayern ist damit das einzige Bundesland, das dem »Grünland« diesen rechtlichen Schutz verweigert. Da auch ausreichend attraktive finanzielle Anreize für Landwirte, Grünland zu erhalten, fehlen, braucht man sich über den anhaltend dramatischen Schwund etwa wiesenbrütender Vögel (Foto: Großer Brachvogel) nicht zu wundern. Dabei wäre Grünlandschutz zum Beispiel auf Niedermooren gleichzeitig eine unschlagbar kostengünstige Form des Klimaschutzes.


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Dr. Kai Frobel, der BN-Referent für Arten- und Biotopschutz, ist für seinen Einsatz zur Rettung des Grünen Bandes in Deutschland und Europa mit zwei hochkarätigen Preisen ausgezeichnet worden. In Liechtenstein erhielt Frobel im November den ­großen Binding-Preis, der für besonderes Engagement im Natur- und Umweltschutz verliehen wird. Den Preis hatten zuvor schon Prof. Klaus Töpfer und der Stifter des alter­ nativen Nobelpreises Jakob von

­ exküll erhalten. Auf dem NaturU schutztag 2011 in Radolfzell am ­Bodensee wurde Frobel vom BUND Baden-Württemberg mit dem Gerhard-Thielcke-Preis gewürdigt (im Bild die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg Dr. Brigitte Dahlbender und Dr. Kai Frobel). Das Grüne Band ist aus dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen der Bundesrepublik und der DDR hervorgegangen. Über 600 Rote-Liste-Arten leben hier.

Foto: BUND

Grünes Band: Ehrungen für Initiator Kai Frobel

JBN in Aktion: Konsum solange der Vorrat reicht?

Foto: Eichhorn

Im Rahmen der JBNVollversammlung vom 12. bis 14. November 2010 hat die Jugend­ organisation Bund Naturschutz (JBN) in der Innenstadt von Würzburg mit einem Straßentheater Kritik am Konsumverhalten geübt. Unter dem Motto »WeltSchluss-Verkauf – Kon-

sum solange der Vorrat reicht?« wiesen die jungen Aktiven mit Humor und Satire auf die glo­ balen Folgen des ungebremsten Konsums für das Klima und die biologische Vielfalt hin. Dazu gehörte auch die Anbetung eines Konsumtempels (siehe Bild). Die Reaktionen der Passanten

reichten von der erwarteten Überraschung bis zu kritischen Diskussionen über die Ziele der JBN und viele lobende Worte. Ein Video des Straßen­ theaters gibt es hier: www.youtube.com/ JugendorgBN

Olympia-Umweltkonzept: Viel Papier, wenig Inhalt Auf 190 Seiten stellt das Konzept der Olympiabewerbungsgesellschaft dar, wie die Winterspiele 2018 umweltverträglich und nachhaltig gestaltet werden sollen. Das Fazit des Bundes Naturschutz: »Viel Papier und

wenig Inhalt. Das Konzept ist Augenwischerei«, erklärte der BN-Vorsitzende Hubert Weiger bei einem Pressegespräch im September 2010. So zählt das Konzept Projekte auf, die zum Teil längst existieren, keinen

Sinn ergeben oder nicht umsetzbar sind. Vollkommen ­un­gelöst ist zudem die Frage der Finanzierung. »Es ist von ­irgendwelchen noch zu gründenden Stiftungen und Spenden die Rede«, kritisierte der

Münchener BN-Kreisvorsitzende Christian Hierneis. Der BN befürchtet, dass diese Projekte in der Schublade verschwinden werden, weil sie sich als nicht ­finanzierbar oder umsetzbar erweisen werden.

Etwa 3500 Hektar Fläche gilt es im Biosphärenreservat Rhön bis 2013 als Kernzone, die von jeglicher wirtschaftlicher Nutzung ausgenommen ist, auszuweisen. Gelingt dies nicht, ist der Titel Biosphärenreservat gefährdet. Im Herbst 2010 kamen die Bemühungen, die fehlende Fläche bereitzustellen, einen entscheidenden Schritt weiter: Bei einem Besuch des Umweltausschusses des Bayerischen Landtags in der Rhön boten die Bayerischen Staatsforsten 2000 Hektar Wald für die Kernzone an. Jetzt sind

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Foto: Kremer

Rhön: Erfolg für Biosphärenreservat

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

die Gemeinden und die Bundesforsten aufgerufen, auch ihren Beitrag zu leisten und geeignete Flächen einzubringen. Der BN zählt dabei vor allem auf die aktive Mithilfe der beiden Land­räte Thomas Habermann (Rhön-Grabfeld) und Thomas Bold (Bad Kissingen), denen die Sicherung des Status »Biosphärenreservat« für die Rhön ein besonderes Anliegen ist.


EU-Agrarreform: Vorteile für Natur und Bauern honoriert. »Ohne diese jetzt oftmals im Neben­ erwerb wirtschaftenden Betriebe würde Bayerns Kulturlandschaft sein Gesicht verlieren und der ländliche Raum zu einer reinen, öden Produktionslandschaft werden«, er­ klärte der BN-Vorsitzende ­Hubert Weiger Angang ­Dezember. Er rief den ­Bayerischen Bauernverband dazu auf, seinen ­Widerstand gegen diese Pläne aufzugeben und sich konstruktiv einzubringen.

Foto: proudlove / fotolia.com

Der Bund Naturschutz sieht in den von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos Ende 2010 vorgelegten ­Plänen zur Agrarreform Chancen: Landwirte in Regionen mit vielen unterschiedlichen Landschaftselementen und kleinen Flurstücken, wie in der fränkischen Schweiz oder der Hersbrucker Alb, haben einen erhöhten Arbeits­ aufwand und leisten dabei mehr für das ­Gemeinwohl. Bei der Neuregelung würden sie finanziell besser

Gentechnische Verunreinigungen: Verursacher haftet Das Bundesverfassungsgericht bestätigte Ende November, dass bei einer gentechnischen Verunreinigung eines Feldes der Verursacher haftet. Auch das ­öffentlich zugängliche Stand-

ortregister für Genpflanzen wurde als rechtmäßig bestätigt, so dass Demonstrationen an ­geplanten Anbaustandorten weiterhin möglich bleiben. In diesem Urteil sieht der Bund

Naturschutz eine Abmahnung für die Befürworter einer genmanipulierten Landwirtschaft. »Die bayerische Staatsregierung sollte das Urteil zum Anlass nehmen, wie Thüringen endlich

dem europäischen Netzwerk gentechnik­freier Regionen beizutreten«, appellierte der BNLandesbeauftragte Richard Mergner an den Ministerpräsidenten Horst Seehofer.

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Der Gundermann Wie wär’s zu Gründonnerstag mit einer selbst zubereiteten Kräutersuppe? Den bescheidenen Gundermann sollten Sie dabei nicht übersehen.

Foto: privat

V

Die Autorin Dr. Gertrud Scherf hat mehrere ­Pflanzenbücher verfasst.

om Kräuterbuchautor Leonhart Fuchs (1501–1566) stammt die Beobachtung: »Die Gundelreb wechßt gemeinlich in den gaerten / hinder den zeünen / vnnd gemewren allenthalben. Uberzeijcht auch zu zeiten einen gantzen acker / wie ich wol dieselbigen gesehen hab.« Trotz dieser Präsenz ist der Gundermann (Glechoma hederacea) weithin unbekannt, selbst bei Gartenbesitzern, denn er tritt an seinen Wuchsorten sehr dezent auf. Zwar bedeckt er mit Hilfe seines Kriechstängels nicht selten größere Flächen, etwa unter Sträuchern oder im Rasen, an Weg-, Wiesen- oder Waldrändern, aber er bleibt mit bis 40 Zentimeter Höhe niedrig. So muss man sich schon zu ihm hinabbeugen, wenn man die nierenförmigen bis rundlichherzförmigen Blätter und die schönen blauen oder blauvioletten Blüten (April bis Juni) betrachten sowie den aromatischherben Duft wahrnehmen will. Ungeachtet dieser Bescheidenheit genoss Gundermann früher als in unmittelbarer Nähe des Menschen wachsendes Kraut hohes Ansehen. In alter Zeit mag er

Gründonnerstags- Kräutersuppe

Für zwei Personen nimmt man Q 25 g Dinkelvollkornmehl Q 1 EL Olivenöl Q 1/2 l Milch Q 1/2 l Wasser Q 25 g gemischte Kräuter (Gundermann und beispielsweise Brennnessel, Gänseblümchen, Giersch, Löwenzahn, Spitzwegerich) Q Salz, Pfeffer, Muskatnuss

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Und so geht’s _ Dinkelmehl in Öl bei mäßiger Hitze leicht rösten, bis es duftet. _ Wasser und Milch mischen, unter Rühren langsam zugießen und aufkochen. _ Zehn Minuten köcheln lassen, dabei immer wieder umrühren. _ Kräuter waschen, trocken tupfen, fein wiegen. _ Kräuter in die Suppe rühren, kurz aufkochen. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken. Achtung! Verzehren Sie Gundermann nicht in größeren Mengen und nicht zu häufig.

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

als Verkörperung eines guten Seelenoder Hausgeists gegolten haben, worauf der Namensteil »mann« hinweist. Hildegard von Bingen (1098 –1179) schätzte die Gundelrebe als hilfreich unter anderem bei schwindendem Verstand, Paracelsus und die Kräuterbuchautoren der frühen Neuzeit bei Leberleiden. Die ­Inhaltsstoffe – ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Saponine – passen zum Anwendungsspektrum in der heutigen Volksmedizin: Husten, ­Magen-Darm-Katarrh und leichte Durchfall­erkrankungen. Ehe sich im Lauf des Mittelalters der Hopfen als Bierwürze durchsetzte, wurde der bitterstoffreiche Gundermann auch beim Bierbrauen verwendet. Zum Gründonnerstagsgemüse oder zur Gründonnerstagssuppe (Kasten), einer das Jahr über vor Krankheit ­bewahrenden Kultspeise aus drei, sechs oder neun verschiedenen frischen Frühlingskräutern, gehörte fast immer auch die Gundelrebe. Man sammelt die jungen Blätter im März und April vor der Blüte. Frisch oder auch getrocknet würzen sie Salate, Suppen, Wildgemüse, Kartoffelgerichte, Hülsenfruchteintöpfe, Quark. Die Blüten dekorieren Speisen. Den Frühlingskräutern, zumal solchen mit blauen Blüten und Duft, traute man einst Heil- und Zauberkräfte zu. So glaubte man mithilfe des Gundermanns Krankheiten und böse Geister abwehren zu können. Schon vor Jahrzehnten, als Chemieeinsatz im Garten noch weithin üblich war, hat der Bund Naturschutz intensiv für einen naturnahen Garten geworben und praktische Hinweise erarbeitet, etwa mit dem Buch »Ökologischer Garten« (fischer alternativ, 1981). Dennoch ist weitere Aufklärungsarbeit nötig, damit immer mehr Menschen heimischen Wildkräutern einen Platz im Garten zugestehen, sie als ästhetische Bereicherung erleben, in ihrer wichtigen Funktion für die heimische Tierwelt begreifen und nach Belieben auch für eigene Nahrungs- und Heilzwecke nutzen.

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Zeichnung: Claus Caspari; BLV Buchverlag

Wildpflanzen im Portrait

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Zu den prächtigsten Wesen des Moors gehört der Moorfrosch, die Männchen können sich zur Paarungszeit blau färben. Und zum Wesen des Moors gehört der Torf. Deshalb: Kein Torfabbau für Gartenerde! Schützt die Moore und ihre Bewohner! www.bund.net/moore www.bund-naturschutz.de/moore

Foto: Wolfgang Willner

Wesen des Moors


BN kartiert Biotope im Landkreis Wunsiedel

Mehr Info im Web Einen Eindruck der reichen Tier- und Pflanzenwelt im Fichtelgebirge vermitteln die Textund Bildseiten der Kreisgruppe im Internet: www.wunsiedel.bund-naturschutz.de.

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Weben am ökologischen Netzwerk

ass das Fichtelgebirge einen großen Schatz an Tier- und Pflanzenarten birgt, ist den Kennern der Region längst bekannt. Jetzt hat der Bund Naturschutz im Landkreis Wunsiedel den Reichtum Schwarz auf Weiß festgehalten. »Die Artenvielfalt im Fichtelgebirge steht der im Bayerischen Wald in nichts nach«, freut sich Karl Paulus. Etwa

Foto: Paulus

Foto: Willner

Die Große Moosjungfer: extrem selten, aber in einigen Moor­ teichen des BN noch zu Hause.

800 Stunden hat der BN-Kreisgeschäftsführer in den vergangenen Monaten in Feld und Flur zugebracht, um 50 vom BN betreute Biotope zu kartieren. Er hat Lage und Größe erfasst, Pflanzen und Tiere bestimmt und schließlich Zustand und Wert des jeweiligen Lebensraumes für den Naturhaushalt eingeschätzt. Der Erfolg: »Jetzt wissen wir genau, was in den Biotopen kreucht und fleucht«, erklärt Paulus. »Diese Dokumentation ist eine wichtige Grundlage für alle weiteren Naturschutzmaßnahmen.« 73 Gefäßpflanzen, 35 Vogel-, 17 Tagfalter- und 20 Libellenarten landeten schließlich auf Paulus’ ­Bestandsliste der regional oder bay-

ernweit gefährdeten Arten. Besonders erfreulich: Ganz im Südosten des Landkreises stieß er auf die ­Heidelerche. Seit langer Zeit der erste Nachweis der vom Aussterben bedrohten Vogelart in der Region. Und auch der extrem seltene Fischotter und vom Aussterben bedrohte Libellenarten wie die Große Moosjungfer fühlen sich in den kartierten Lebensräumen wohl. Die Biotope der Kreisgruppe Wunsiedel sind meist klein aber fein. Darunter befinden sich besonders schutzwürdige Lebensräume wie Moorwiesen, Waldmoore und Biotopteiche. Doch die Natur-Kleinode sollen keine Inseln bleiben. In der Dokumentation zeigt der BN auch auf, wie die Lebensräume untereinander und mit bestehenden Schutzgebieten vernetzt werden können. Diese Vorschläge und die Kartierung stehen nun den staatlichen Fachstellen ebenso wie dem BN zur weiteren Biotopentwicklung zur Verfügung: »Wir weben beharrlich am ökologischen Netzwerk im Naturpark Fichtelgebirge«, versichert Fred Terporten-Löhner, Vorsitzender der Kreisgruppe Wunsiedel. (ht)

Foto: Willner

Die Egerteiche bei Marktleuthen: Hier finden Graureiher, Weiß- und Schwarzstorch Nahrung.

Gefördert Möglich wurde das Projekt durch die Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds, der sich aus den Gewinnen der Glücksspirale speist.

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Der Waldwasserläufer: mit etwas Glück in den Egerauen zu entdecken.

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

Foto: Paulus

Foto: Fischer

Der Fischotter: fühlt sich an der Eger wohl.

Der Fieberklee: Vielerorts »trocken­ gelegt«, findet er im Übergangsmoor Heiligenfurt einen Lebensraum.


Kreisgruppen Nürnberg-Stadt, Fürth-Stadt, Erlangen

Foto: König

ie hofft auf einen 80-prozentigen Zuschuss durch das Land bei geschätzten Ausbaukosten von insgesamt 400 Millionen Euro. Aktuell läuft ein Planfeststellungsverfahren, in dem der Bund Naturschutz seine Stellungnahme abgegeben hat, um in der Verkehrspolitik eine Wende rückwärts zu verhindern. Der BN spricht sich seit Jahren gegen einen Rückfall in die Verkehrsplanungen der autogerechten Stadt aus und hat dies mit der Abgabe seiner Stellungnahme im Oktober 2010 deutlich begründet. Die Ausbaupläne für den Frankenschnellweg sehen vor,

Zwischenerfolg: Im Osten Adelsdorfs im Landkreis ErlangenHöchstadt wollte die Gemeinde wegen dringenden Finanzbedarfs Bauplätze ausweisen. Die in unmittelbarer Nähe gelegenen Weppersdorfer Weiher, ein FFH- und Vogelschutzgebiet, eine große Feuchtfläche und eine Orchideenwiese, auf der auch das Knabenkraut wächst (Foto), wären dadurch bedroht. Nachdem die Ortsgruppe Adelsdorf seit November 2009 dagegen protestiert hatte,

dass die Kreuzungen und niedrigen Unterführungen einiger Bahnstrecken weichen und durch einen 1,8 Kilometer langen Tunnel, zusätz­ liche Fahrstreifen auf dem Tunneldach, eine vierspurige neue Stadteinfahrt zum Nürnberger Altstadtring und den sechsspurigen Ausbau im Westen der Stadt ersetzt werden. Damit entstünde faktisch eine durchgehende Autobahn A73 durch Nürnberg. Dieser Ausbau würde den innerstädtischen Verkehr beschleunigen und damit weiteren Verkehr anziehen. Durch die kürzere Verbindung im Vergleich zu den Autobahnen um Nürnberg herum und durch mautfreie Abschnitte des Frankenschnellweges würde mehr Transitverkehr durch die Großstädte Fürth und Nürnberg und durch Ortsteile

gab die Gemeinde im Frühjahr 2010 bekannt, vorerst auf die Bebauung direkt an den Weppersdorfer Weihern zu verzichten. Das restliche Baugebiet an der Feuchtfläche bleibt aber ein Zankapfel. Im November 2010 hat der BN dazu eine Stellungnahme abge­ geben, ein Bürgerbegehren wird vorbereitet. Gewerbegebiete: Die Stadt Uffenheim will zusätzlich zu einem bestehenden Gewerbegebiet an der A7 und einer beschlossenen Erweiterung zusätzliche 173 Hektar Gewerbegebiete ausweisen. In einer Presseerklärung kritisierte die Kreisgruppe Neustadt/Aisch –

von Erlangen gelenkt, verbunden mit erhöhter Luftverschmutzung und ansteigendem Lärmpegel. Der BN fordert zusammen mit dem Bündnis gegen den Frankenschnellweg den Verzicht auf den Ausbau. Die vorgesehenen städtischen und staatlichen Mittel sollten in den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere die StadtUmlandbahn, den Ausbau der Straßenbahnlinien, die Schaffung besserer Radverkehrsbedingungen, die Förderung des Fußgängerverkehrs und den Lärmschutz am bestehenden Frankenschnellweg in Nürnberg investiert werden. Tom Konopka (us)

Bad Windsheim dieses Vorhaben Mitte November, da ausreichend Baumöglichkeiten für Betriebe vorhanden sind und die landwirtschaftlich hervorragend geeigneten Böden nicht verbaut werden sollen. In einem Brief an die Regierung von Mittelfranken hat der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner zudem darum gebeten, die Stadt Uffenheim auf die Notwendigkeit des Bedarfsnach­ weises hinzuweisen und falls das Vorhaben weiter verfolgt werde, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen, das die Belange prüft.

Wer Straßen sät, erntet Verkehr Die Stadt Nürnberg ließ den Frankenschnellweg bereits 2007 zur Kreisstraße umwidmen. Der BN befürchtet, dass die ursprüngliche Stadtstraße nach dem geplanten Ausbau zur Autobahn aufgestuft wird.

Apfelmarkt: Im Oktober beteiligte sich die Kreisgruppe Fürth zum zehnten Mal am Apfelmarkt des Amtes für Umweltplanung der Stadt Fürth. Hier gab es die Vielfalt, die das heimische Streuobst zu bieten hat, zu sehen. Der BN ­informierte dabei über die ökologische Bedeutung von Streuobst und bot Apfelsaft, Obstbrände, Liköre und Produkte aus seinem Umweltladen an.

Foto: Roedel

S

Gemeinsam mit SPD und CSU und unter Führung des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly bereitet die Nürnberger Stadtspitze den Ausbau des sogenannten Frankenschnellwegs zur stadtquerenden Autobahn vor.

[1-11] Natur + Umwelt BN-Magazin

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NATURNOTIZEN AUS MITTELFRANKEN

Foto: Roggenthin

Rückfall in die auto­ verkehrsgerechte Stadt


Kreisgruppen Hof, Kronach, Kulmbach

Energiewende im Frankenwald

Wie wurden Kommunen und ­Bürger überzeugt? Durch die Vorteile: Hackschnitzelheizung und Abwärme aus Biogas sind günstiger als Öl oder Erdgas und umweltfreundlicher. Hinzu kommt die Versorgungssicherheit durch unendlich nachwachsende Rohstoffe im Gegensatz zu end­ lichen Energieträgern wie Öl oder Erdgas.

Foto: Konopka

Ausgezeichnet Das Bundeslandwirtschaftsministerium zeichnete das Dorf Effelter im November als »Bioenergiedorf 2010« aus. Bei einem Pressetermin im Dezember gratulierte der BNLandesbeauftragte ­Richard Mergner (im Bild rechts) der Hofer BN-Kreisvorsitzenden Annette Schaumberg (links) sowie dem Projektleiter und Hofer BN-Kreisgeschäftsführer Wolfgang Degelmann (Mitte).

Gegen Westumfahrung: Bei einer gemeinsamen Protestaktion am 16. Oktober 2010 in Neunkirchen sprachen sich Landwirte aus Ebersbach, der Bayerische Bauernverband, die Bürgerinitiative für ein modernes umweltbewusstes Neunkirchen am Brand e.V., Jäger, der Verkehrsclub Deutschland und der BN gegen die geplante Westumfahrung von Neunkir-

Foto: Kreisgruppe

NATURNOTIZEN AUS OBERFRANKEN

N+U: Was steckt hinter dem Verein EnergieVision Frankenwald e.V.? Degelmann: Der Verein ist aus einem Leader-Förderprojekt der EU hervorgegangen, das bis 2008 durchgeführt wurde, um Beratungen zu regenerativen Energien durchzuführen, Energieeinsparmöglichkeiten aufzuzeigen und Bioenergiedörfer zu schaffen.

Was steht im Mittelpunkt der ­Vereinsarbeit? Wir wollen eine Energiewende im Naturpark Frankenwald. Im Bioenergiedorf Effelter hat sich unser Traum von einem Leuchtturmprojekt bereits erfüllt. Was ist das Besondere an Effelter? Ausgehend von der Biogasanlage eines Landwirts wurde ein 2,4 Kilometer langes Wärmenetz verlegt, das die Bewohner mit Wärme versorgt, kombiniert mit einem bei Bedarf zuschaltbaren Hackschnitzelheizwerk. In die Biogasanlage kommen Grassilage, Rindergülle und minderwertiges Getreide. Im Hackschnitzelheizwerk wird regionales Holz verwendet.

chen am Brand im Landkreis Forchheim aus. Die gut 100 Teilnehmer forderten zukunftsweisende Verkehrssysteme wie eine StadtBahn nach Erlangen mit Anbindung eines Taktbusses nach Forchheim. Labyrinth aus Sonnenblumen: Im August stand die Sonnenblume in Hauenreuth bei Wunsiedel im Mittelpunkt einer gemeinsamen Veranstaltung der Kreisgruppe Wunsiedel und der Dorfgemeinschaft. Ein Feld war mit Sonnenblumen und einer Blumenmischung ein­ gesät und zu einem Sonnenblumenlabyrinth gestaltet worden. Hier präsentierte der BN die Aus-

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

Wie soll sich die EnergieVision ­weiterentwickeln? Der gesamte Naturpark Frankenwald soll mit nachwachsenden Rohstoffen beheizt werden. Wir sind auf einem guten Weg. Ende 2009 wurde die »Dorfheizung Hirschfeld«, eine Genossenschaft, gegründet. Außerdem haben wir je eine Bioenergieanlage in Selbitz und in Nagel in Betrieb genommen, weitere Projekte laufen. Stephan Herbert Fuchs (us) Informationen: www.bioenergiedorf-effelter.de, www.bioenergie doerfer-frankenwald.de

Foto: Paulus

Der Verein EnergieVision Frankenwald will die Wärmeversorgung im Naturpark Frankenwald ganz auf regional verfügbare nachwachsende Rohstoffe umstellen. »Natur+Umwelt« sprach Mitte November mit Wolfgang Degelmann, dem Geschäftsführer der BN-Kreisgruppe Hof.

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Welche Rolle hat der BN bei der EnergieVision gespielt? Ohne den BN hätte es weder das Leader-Projekt noch den Verein ­gegeben.

stellung des Landesverbands über ­Agro-Gentechnik und informierte über umweltverträgliche Landwirtschaft. Die Besucher erhielten Sonnenblumen frisch vom Feld. Leitungstrassen: In den Land­ kreisen Coburg und Lichtenfels planen E.ON und Vattenfall eine 380-Kilovolt-Leitung von 100 Metern Breite und mit 60 Meter hohen Masten von Altenfeld in Thüringen nach Redwitz an der

Rodach. Die Interessengemeinschaft »Achtung Hochspannung« engagiert sich gemeinsam mit der BN-Kreisgruppe Coburg für den Erhalt der Landschaft, ohne neue Freileitungen. Mit einem Gutachten von Professor Dr. Lorenz Jarass, Forschungsgesellschaft für Alternative Technologien und Wirtschaftsanalysen, vom Oktober 2010, stellte das Bündnis die Notwendigkeit der Leitung infrage. In einer Presseerklärung forderte der BN-Vorsitzende Hubert Weiger im November 2010 ein klares Konzept und langfristige Planungen zu 380-Kilovolt-Leitungen, anstelle von fragwürdigen Annahmen.


Lech: Renaturierung statt Kraftwerksbau! Der Energieriese E.ON plant den Bau eines Wasserkraftwerks am Lech mitten im Naturschutzgebiet des Augsburger Stadtwalds. Zahleiche Verbände und die Stadt Augsburg setzen sich für eine ­Renaturierung des Lechs und gegen das neue Kraftwerk ein.

I

m Naturschutzgebiet des Augsburger Stadtwalds kann man eine Vielzahl wertvoller Biotope und Pflanzenarten antreffen, die sich dort im Laufe der Jahrtausende angesiedelt haben. Auf den Lech­ heiden finden sich heute noch 28 Orchideen- und zahlreiche Enzianarten. Doch viele Biotope sind schon verlorengegangen, seitdem der Lech auch in diesem Abschnitt kanalisiert wurde. Der Bund Natur-

Heideverbund: Die BN-Kreisgruppe Donau-Ries engagiert sich in dem neuen Naturschutzgroßprojekt »Heideverbund« im Nördlinger Ries. Ziel des Projektes ist es, zusammen mit dem Landkreis und dem Rieser Naturschutzverein die wertvollen Magerrasen und Ackerwildkrautfluren im Nördlinger Ries zu schützen. Da diese Biotope

Foto: Reissler

Müllverbrennung: Der BN hat zusammen mit der Bürgerinitiative »Gesundes Wertachtal« Ende November 2010 Klage gegen das geplante Müllverbrennungswerk in Ettringen im Landkreis Unterallgäu eingereicht. In diesem Heizkraftwerk, das zur Ettringer Papierfabrik Lang gehört, soll unsortierter Gewerbemüll verbrannt werden (vgl. N+U 4-09). Diese Abfallstoffe würden dem normalen stofflichen Recyclingprozess dann nicht mehr zur Verfügung stehen und einen unnötigen Mehrbedarf neuer Rohstoffe erzeugen. Außerdem entspricht die Rauchgasreinigung der geplanten Anlage nicht dem Stand der Technik.

schutz setzt sich deshalb gemeinsam mit den Verbänden der Lech­ allianz für eine Renaturierung des Lechs südlich von Augsburg und gegen den Bau eines neuen Wasserkraftwerks von E.ON ein. Das Verfahren zum Bau des Kraftwerks mitten im Naturschutzgebiet startete im Herbst 2010. Während der Lech auf Tiroler Seite noch zu den wenigen natur­ nahen alpinen Wildflusslandschaften gehört, gleicht er auf bayerischer Seite eher einer Aneinanderreihung von Stauseen. Auf etwa zehn Kilometern im Naturschutzgebiet Augsburger Stadtwald darf er zwar noch fließen, ist aber kanalisiert. Das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth will nun mit einer Studie und dem Projekt Licca liber klären, inwieweit hier eine Renaturierung

möglich ist. »Ein renaturierter Lech wäre ein Gewinn für Mensch und Natur«, erklärte der Umweltreferent Reiner Schaal bei der Pressekonferenz der Stadt Augsburg zu den Renaturierungsvorhaben. Mit den Plänen zum Bau des neuen Kraftwerks bedroht E.ON jedoch diese Vorhaben. Der BN befürchtet, dass mit der Genehmigung des Kraftwerks ein Präzedenzfall für ganz Bayern entstehen könnte. E.ON hat bereits eine Potenzialanalyse für die wenigen noch frei fließenden Flussabschnitte in Bayern vorgelegt. Um gegen die Baupläne zu protestieren, hat der BN eine Unterschriftenaktion gestartet. Unterschriftenlisten sind erhältlich bei der BN-Fachabteilung München, fa@bund-naturschutz.de, Tel. 08954 82 98 63. Thomas Frey (jtw)

nährstoffarm sind, bieten sie nur speziellen, seltenen Pflanzen und Kräutern einen Lebensraum. Um diese zu bewahren, soll für die Schafe, die in dieser Gegend weiden, ein eigenes Wegenetz entstehen. Im Rahmen des neuen Projekts wird aber auch das bestehende Schäfereisystem bei der Vermarktung der eigenen Produkte unterstützt, damit eine nachhaltige Nutzung der isolierten Magerrasen-Standorte gewährleistet ist. Landschaftsschutz: Der BN bereitet derzeit eine Popularklage gegen das

Buchtipp »Der Lech« von Eberhard Pfeuffer, Wißner-Verlag, 29,80 Euro

im Oktober 2010 abgeschlossene Bebauungsplanverfahren der ­Gemeinde Schwangau vor. Diese Möglichkeit des öffentlichen ­Widerstands ist nötig, da der Gemeinderat des Königsschlösserdorfes Schwangau weder auf die Argumente der BN-Kreisgruppe Ostallgäu noch auf das zweimalig ablehnende Votum des Petitionsausschusses des bayerischen Landtages eingegangen ist, die Wiesen zwischen den Ortsteilen Alterschrofen und Horn vor Bebauung zu schützen. Ohne Not soll hier ein landschaftlich besonders attraktives Stück Bayern für den Grundeigentümer versilbert werden.

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NATURNOTIZEN AUS SCHWABEN

Fotos: Wasserwirtschaftsamt Donauwörth

Kreisgruppen Augsburg und Aichach-Friedberg

Der Lech im historischen Vergleich Noch vor rund 100 Jahren konnte der Lech auch im Gebiet südlich von Augsburg frei fließen (Bild links, ca. 1911). Heute bestimmen gerade ­Linien und Stauwehre das Landschaftsbild, denn der Fluss wurde auf bayerischer Seite fast komplett kanalisiert.


Foto: Holl

Foto: Schultheiß

Kreisgruppe Neustadt/Waldnaab – Weiden

Die Gemeinde Tännesberg ist »Bayerische Modellgemeinde Biodiversität«. Bei einem Besuch im September gratulierte der bayerische Umweltminister Dr. Markus Söder. Tännesberg war für das Projekt zum Schutz der Artenvielfalt ausgewählt worden, weil hier seit Jahren ein vorbildlicher Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt geleistet wird.

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gramm des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums einzubringen. Dies ist umso beachtlicher, als der landesweite Durchschnitt bei gemeindeeigenen Flächen gerade einmal bei etwa zwei Prozent liegt. Über das Programm erhalten Landwirte finanzielle Unterstützung für die ökologische Flächenbewirtschaftung. Beeindruckende Erfolge sind auch bei der regionalen Wertschöpfung zu verzeichnen: Landwirte vermarkten Produkte aus den einzelnen Projekten der beteiligten Verbände. Das Streuobstprojekt des Bundes Naturschutz sichert die Vielfalt heimischer Obstsorten und zugleich seltenen und bedrohten Tierarten einen Lebensraum. Aus den Früchten der Streuobstwiesen entstehen Saftkreationen wie Apfel-Holunder-

weise standortfremde Nadelbäume wie Fichte und Lärche weichen. Zuvor hatte die Kreisgruppe das Areal erworben. Mit ihrem Einsatz konnten die BN-Aktiven die Bedingungen für Libellen und Amphibien optimieren, das Bibervorkommen erhalten und das Angebot an ­Nahrung und Brutplätzen für die Rohrweihe verbessern. Foto: Vogl

NATURNOTIZEN AUS DER OBERPFALZ

ayernweit einzigartig haben sich die Gemeinde Tännesberg, der Bund Naturschutz, der Landesbund für Vogelschutz (LBV), die Wildlandgesellschaft des Landesjagdverbandes Bayern, Landwirte und Bürger zusammengeschlossen, um Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere zu erhalten. Finanziert wird das Projekt vom bayerischen Umweltministerium. Die Gemeinde hat es geschafft, fast fünf Prozent ihrer Offenlandflächen ins Vertragsnaturschutzpro-

Naturparadies Tappmühle: Mit einer ganzen Reihe verschiedener Biotopgestaltungsmaßnahmen ­erschuf die Kreisgruppe Cham im vergangenen Jahr im Bereich Tappmühle aus einem Fischteich einen strukturreichen Feuchtlebensraum. So mussten beispiels-

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Eine Linde zum Jubiläum: Die BN-Ortsgruppe Obertraubling im Landkreis Regensburg hat am

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

Gut für Mensch und Tier Fleisch, Brot, Bier, Säfte und Marmeladen aus der Modellregion sind begehrte »Tännesberger Spezialitäten«.

Glühwein. Die Sortenvielfalt heimischer Obstgehölze zeigt der Tännesberger Obstlehrpfad, der längste in Bayern. Aus dem LBV-Rotviehprojekt, bei dem alte Nutztierrassen für die Pflege ökologisch wertvoller Feuchtflächen eingesetzt werden, kommen Fleisch und Wurst. Auch vom Rebhuhnprojekt der WildlandStiftung profitieren Natur und Mensch: das Rebhuhn vom optimierten Lebensraum mit Brachestreifen und Deckungsmöglichkeiten, der Mensch von Emmer-Brot und Rebhuhn-Zoigl. Bei seinem Besuch im September würdigte der Umweltminister Markus Söder dieses in Bayern einmalige Gesamtprojekt im Beisein von Landrat Simon Wittman und Vertretern der beteiligten Verbände. (us, hl)

3. Oktober 2010 ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Mit Unterstützung ihrer Kindergruppe »Forschende Erdferkel« pflanzte die Ortsgruppe dabei auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Oberhinkofen eine Linde. Die Kinder gossen den Baum mit mitgebrachtem Wasser und behängten ihn mit guten Wünschen für den Erhalt der auf dem Areal vorhandenen Artenvielfalt. Atomalarm in Weiden: Am 25. Oktober 2010 hat die ­BN-Kreisgruppe Neustadt/ Weiden eine Anti-AtomkraftAktion in der Weidener Fußgängerzone veranstaltet. Um

Foto: Holl

Tännesberg: Modell­ gemeinde für Artenvielfalt

die Folgen einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke zu veranschaulichen, warfen die Naturschützer unter lautem Getöse Stapel aus mit Atomzeichen beklebten Blechdosen und -eimern um. Viele Passanten bekamen symbolisch ihren persönlichen Anteil am Atommüll als beklebte »strahlende Dose« mit auf dem Heimweg.


Kreisgruppen Miesbach und Rosenheim

Allianz für Mangfall

Wald vor Wild: Der BN-Arbeitskreis Wald und die BN-Kreisgruppe Berchtesgadener Land besuchten Ende Juni 2010 die Staats­ wälder des hiesigen Forstbetriebs. In den Revieren Inzell, Aufham und Sixtdorf konnten sich die BNAktiven davon überzeugen, dass die Maxime »Wald vor Wild« vorbildlich praktiziert wird. Vom Forstbetrieb forderten sie, den Wildverbiss künftig pro Revier auszuwerten und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, weil sich Bürger und Umweltverbände nur so ein objektives Bild von der Entwicklung des Staatswalds machen können.

Faszination Nachtfalter: In der BN-Ökostation Wartaweil fand vom 21. September bis zum 15. Oktober 2010 eine selten beach­ tete Tiergruppe besondere Aufmerksamkeit: die Nachtfalter. Auf Grundlage der jahrelangen Be­ obachtungen und Fotografien von Gurlis Rademacher hat der BN unter Federführung von Dr. Helene Falk vom BN Starnberg Fotos dieser faszinierenden Tiere im Ausstellungsraum in Szene gesetzt. Von den 700 dokumentierten Arten haben die Veranstalter die schönsten ausgewählt, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ergänzend haben sie die kleine Broschüre »Faszination Nachtfalter«

Mehr Wasser Die Restwasser­ problematik beherrscht die Aus­ einandersetzung zwischen der neu gegründeten Mangfall-Allianz und den Stadtwerken München. Werden die Laufzeiten des Pumpspeicherkraftwerks Leitzach I unverändert verlängert, fließt weiterhin zu wenig Wasser.

problematik zum Thema des offi­ ziellen Verfahrens wird. Schließlich muss auch die Produk­tion von Erneuerbaren Energien ökologische Mindeststandards erfüllen. Christine Margraf (jtw)

Foto: Schreiner

se als Lebensraum nicht ausreichend berücksichtigen. Diesen Missstand zu bekämpfen, war die Kernforderung der elf Stellungnahmen, die die MangfallAllianz bislang abgab. Sie forderten, ausreichende Restwassermengen für die betreffenden Flüsse festzulegen und den Weiterbetrieb des Kraftwerks bis dahin nur befristet zu genehmigen. Im November signalisierten die Genehmigungsbehörden ihre Bereitschaft, den Forderungen zu folgen und bis zur Vorlage der nötigen Gutachten über die Restwasserproblematik der drei Flüsse nur eine befristete Genehmigung zu erteilen. Die endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb des Leitzachkraftwerks I hängt von den Prüfungsergebnissen ab. Schon jetzt ist jedoch klar, dass die Restwasser­

erstellt. Sie ist beim Naturschutzzentrum Wartaweil erhältlich. Die Ausstellung wird auf ­Anfrage auch ausgeliehen: Tel. 0 81 52 - 96 77 08, wartaweil@ bund-naturschutz.de. Artenvielfalt in Oberhaching: Die BN-Ortsgruppe Oberhaching hat mit der neuen Broschüre »Bio­ diversität in Oberhaching« ein schwieriges Thema verständlich und mit lokalem Bezug aufbereitet. Das Heft zeigt anhand des Beispiels von Amphibien und Brut­

vögeln, was Artenvielfalt in der Region Oberhaching bedeutet, und macht gleichzeitig konkrete Vorschläge, was jeder einzelne tun kann, um die Vielfalt von ­Tieren und Pflanzen in seiner Um­gebung zu erhalten. Die BN-Regionalreferentin Dr. Christine Margraf stellte das Heft im Rahmen ihres Vortrags über das Thema Biodiversität im Spätsommer 2010 der Öffentlichkeit vor. Infos: www.oberhaching. bund-naturschutz.de

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NATURNOTIZEN AUS OBERBAYERN

A

uf Initiative des Bundes Naturschutz haben sich im ­Oktober 2010 in den Landkreisen Miesbach und Rosenheim 16 Verbände zur Mangfall-Allianz zusammengeschlossen. Ziel des Bündnisses ist es, den ökologischen Zustand der Bäche, Flüsse und Seen im E ­ in­zugsgebiet der Mangfall, eines Nebenflusses des Inns, zu verbessern. Anlass zur Gründung war der Antrag der Stadtwerke München, das Pumpspeicherkraftwerk Leitzach I für einen Zeitraum von 30 Jahren weiter zu betreiben. Die für die Antragstellung notwendigen Prüfungen beschränkten die Stadtwerke jedoch auf das Ober- und Unterbecken sowie auf die unterirdisch verlaufenden Fall- und Steigrohre. ­ Dass der Pumpspeicherbetrieb den Flüssen Mangfall, Leitzach und Schlierach stetig Wasser entzieht, ließen sie völlig außer Acht. Die Mitglieder der Mangfall-Allianz kritisieren, dass dadurch schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts die Wassermenge der Flüsse sinke und die Stadtwerke die ökologischen Funktionen und die Bedeutung der Flüs-

Foto: Knopp

Ziel der neu gegründeten Mangfall-Allianz ist der ­Erhalt des Ökosystems rund um die Bäche, Flüsse und Seen im Einzugsgebiet der Mangfall. Schon jetzt haben die ­Allianz-Mitglieder erste Erfolge erreicht.


Kreisgruppen Landshut und Mühldorf

»Flammende Aktion« gegen B15 neu

Der Widerstand geht weiter Nicht nur symbolisch haben die Autobahngegner den ­Protest gegen die B15 neu von Niederbayern nach Oberbayern weitergereicht. In Buchbach gründeten sie eine neue Bürgerinitiative (kleines Foto v. links: Gerd Ruchlinski vom BN Mühldorf, Gerlinde Schwarzenböck und Dr. Wolfgang Voll von der neuen Bürgerinitiative und Paul Riederer vom BN Landshut).

J

Foto: Weinberger-Dalhof

Umwelt erleben: »Schatzkiste Donau« heißt das Umweltbildungsprogramm, das die BNKreisgruppe Deggendorf seit Juni 2010 anbietet. Schulklassen, Kinder- und Jugendgruppen können dabei mit einem Umweltpädagogen auf spannende Entdeckungsreisen an Donaustränden zwischen Straubing und Vilshofen gehen. Ab dem 10. Januar 2011 vergibt die Kreisgruppe die neuen Termine für das Jahr 2011. Infos: www.bn-deggendorf.de

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die Straßenbaugegner aus dem Landkreis Landshut, um den Widerstand in Form von brennenden ­Fackeln an ihre Mitstreiter aus dem Landkreis Mühldorf weiterzugeben. Über 100 Interessierte kamen im Anschluss zu einer Veranstaltung des BN nach Buchbach im Landkreis Mühldorf, um sich über den geplanten Trassenverlauf im Raum Buchbach-Schwindegg-Haag und den derzeitigen Planungsstand zwischen Regensburg und Rosenheim zu informieren. Zwar sei der Bau der B15 neu zwischen der A 93 bei Saalhaupt und der A92 bei Essenbach nicht mehr zu verhindern, erklärte dabei Paul Riederer, der stell-

Ilz-Allianz: Zum Schutz der Ilz und ihrer Nebengewässer haben mehrere Vereine und Bürger Ende September die Ilz-Allianz gegründet. Gemeinsam wollen sie sich gegen die Schädigung der Gewässer im Einzugsbereich der Ilz und für deren naturverträgliche Nutzung einsetzen. Als Sprecher der Allianz wurden Ursula Pouget, Fischereiberechtigte aus Ruderting, Uwe

Foto: Schaller

NATURNOTIZEN AUS NIEDERBAYERN

etzt ist der Widerstand gegen die B15 neu auch im Nachbarlandkreis angekommen. Mit einer ­außergewöhnlichen Aktion haben die Kreisgruppen Landshut und Mühldorf des Bundes Naturschutz, die BN-Ortsgruppen Vilsbiburg, Geisenhausen, Velden, Wurmsham und Buchbach-Schwindegg zu­ sammen mit den Bürgerinitiativen »Stop B15 neu« am Abend des 1. Oktober gezeigt, auf welch große Ablehnung der Weiterbau der autobahnähnlichen Bundesstraße stößt. Unmittelbar an der Landkreisgrenze bei Höhenberg-Velden trafen sich

Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

vertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Landshut. Wann sie allerdings die A92 bei Landshut und ­Deggendorf erreiche, sei ungewiss. Im vergangenen Jahr hat sich aber großer Widerstand gegen die Straßenbaupläne im südlichen Landkreis Landshut gebildet. Auf Initiative des BN entstanden unter dem Namen »Stop B15 neu« in allen sechs betroffenen Gemeinden Bürgerinitiativen. Wie der BN fordern die Bürgerinitiativen, dass der Bau der B15 neu spätestens an der A92 bei Essenbach enden muss und keinesfalls über die Isar nach Süden weitergehen darf. Auch die Gemeinde- und Stadträte von Essenbach, Adlkofen, Geisenhausen, Vilsbiburg und Wurmsham schlossen sich den Forderungen an. Kurt Schmid (jtw)

Klessinger, Bezirksvorsitzender des Bayerischen Kanuverbandes und Heike Dülfer von der BN-Kreisgruppe Freyung Grafenau gewählt. (im Bild v. l. n. r.) Da die Wasserrechtsbescheide für die Kraftwerke Hals und Oberilzmühle auslaufen, will sich die Allianz als erstes um das Thema Querbauwerke kümmern. Christof Ambros gestorben: Am 9. September 2010 verstarb Christof Ambros aus Thalham im Alter von 69 Jahren. Die Naturschützer des Landkreises Dingol­fingLandau und darüberhinaus haben mit ihm eines ihrer

Foto: Ambros

Fotos: Kreisgruppe Landshut

Der Protest gegen die B 15 neu wächst. Mit brennenden ­Fackeln haben die Gegner aus Niederbayern den Widerstand Anfang Oktober symbolisch an ihre Mitstreiter aus Ober­ bayern weitergereicht.

­ ngagiertesten Mitglieder verloe ren. Der passionierte Vogelschützer Christof Ambros war bekannt für seine Leidenschaft für Eulen. Er machte die seltene Schleiereule bei uns wieder heimisch, indem er über 700 Brutkästen baute und sie über ganz Niederbayern verteilte. Das aufwändige Projekt brachte ihm auch den Beinamen »Eulenprofessor« ein. Für seinen Einsatz wurde Ambros mit der Umwelt­ medaille des Freistaats und der goldenen BN-Ehrennadel ausgezeichnet.


Am 26. September 2010 hat die BN-Kreisgruppe Miltenberg in Kleinwallstadt das 20-jährige Jubiläum ihres Ökomarktes gefeiert. Schon der Vor­gänger des Marktes, das 1985 erstmals vom Bund Naturschutz im Aubachtal bei Eschau veranstaltete Naturschutzfest, war ein »Kleines Volksfest« gewesen.

2010 führte der BN auf dem Markt erstmals eine Sammelaktion für ausgemusterte CDs und Handys durch, um die enthaltenen Rohstoffe der Wiederverwertung zuzuführen. Ebenfalls zum ersten Mal verlieh die Kreisgruppe ihren Klimaschutzpreis, um den Einsatz regenerativer Energien zu würdigen. Den ersten Preis, einen Ginkgobaum als Symbol für Nachhaltigkeit, erhielt ein Fotovoltaikmodul-Hersteller. Mit dem zweiten Preis, einem Weinpräsent, wurde eine Familie geehrt, die seit 22 Jahren regenerative Energien in ihrem Haus einsetzt. Helmut Schultheiß (us)

Ehrung für ­Nachhaltigkeit Ein Höhepunkt des Ökomarktes (kl. Bild) war die Verleihung des BN-Klimaschutzpreises. Der stellvertretende BN-Landesvorsitzende Sebastian Schön­auer (gr. Bild, links) zeichnete damit das Ehepaar Schmitt (rechts daneben) sowie Andreas Wöll von der Firma ­Sunovation (rechts) aus. Auch der Kreisgruppenvorsitzende Dr. Hans Jürgen Fahn (3. v. r.) und sein Stellvertreter Ralf Weller gratulierten herzlich.

Anti-Atomkraft: Unter dem Motto »Brücken verbinden – Atomkraft überwinden« trafen sich im September in Bergrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) über 1000 Atomkraftgegner. Mit einem Protestmarsch zur Mainbrücke zwischen Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld – in Sichtweite des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld – zeigten sie, dass die beschlossene Laufzeitverlängerung der Bundesregierung auf breiten Widerstand stößt. Klage für Artenvielfalt: Großartig ist die Artenvielfalt auf dem ehemaligen Standortübungsplatz bei Ebern im Landkreis Hassberge.

Über 3500 Tier- und Pflanzenarten sind dort nachgewiesen; 900 davon stehen wie die Haselmaus (Bild) auf der »Roten Liste«. Im Juli hat der BN Normenkontrollklage gegen den Bebauungsplan der Stadt Ebern erhoben und wendet sich damit gegen eine drohende Intensivnutzung unter anderem als Motorsportgelände in einem der artenreichsten FFH-Schutzgebiete Unterfrankens.

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NATURNOTIZEN AUS UNTERFRANKEN

Naturkleinod in Gefahr: Spekulierend auf staatliche Fördergelder plant die Gemeinde Burglauer im Landkreis Rhön-Grabfeld einen völlig überdimensionierten Hochwasserspeicher. Gefährdet sind dadurch unter anderem ein wert-

20 Jahre Ökomarkt

volles Naherholungsgebiet und das ökologisch bedeutsame Tal des Reichenbaches mit einem reichen Feldermaus-, Kreuzotter- und Steinkrebsbestand (Bild). Ebenso wie eine lokale Bürgerinitiative lehnt der BN dieses Unsinnsprojekt ab und fordert eine bedarfs­ gerechte und naturverträglichere Alternativplanung.

Foto: Schultheiß

Vorbildlich: Umweltminister Markus Söder zeichnete die BN-Kreisgruppe Bad Kissingen im September mit dem erstmals verliehenen Bayerischen Biodiversitätspreis aus. Damit würdigte er ihr Engagement bei der Erfassung der Artenvielfalt des Landkreises, die Erstellung von Verbreitungsatlanten und Gefährdungslisten sowie Artenund Biotopschutzmaßnahmen.

Kreisgruppe Miltenberg

Foto: Vogt

in mindestens ebenso erfolgreicher Start gelang der Kreisgruppe unter Leitung des damalien Vorsitzenden Hartmut Schmitt mit dem ersten Ökomarkt im September 1991. Ökoprodukte und Biolebensmittel waren in den Geschäften eher rar, so dass das beite Ausstellungsangebot gleich mehrere tausend Besucher anlockte. In den folgenden Jahren bot jeder Ökomarkt ein Schwerpunktthema, das durch ein Begleitprogramm mit Fachvorträgen, Ausstellungen und Führungen ergänzt wurde. Waren in den Anfangsjahren Ökolandbau, Wassersparen und Baubiologie sowie die Gefahren des Mobilfunks und das Bewahren der Schöpfung die Hauptthemen, so gelten heute regenerative Energien und Elektromobile als Besuchermagneten. Von Beginn an bot der BN auch der jungen Generation ein spannendes Programm: Ob im Umwelttheater, beim Pferdereiten, im Zirkus oder beim Waffeln-Backen im Kinder-­ Café, Spaß und Umweltbildung waren garantiert. Vor allem die BN-Aktive Christine Popp und der heutige Kreisgruppenvorsitzende Dr. Hans Jürgen Fahn entwickelten den Ökomarkt zu einem unverzichtbaren Bestandteil im kulturellen Leben des Landkreises Miltenberg. Viele der inzwischen über 50 Aussteller waren von Beginn an dabei und wurden nun von der Kreisgruppe im letzten Herbst mit einer Urkunde ausgezeichnet.

Fotos: Orta

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ie Studie »Zukunfts­fähiges Deutschland« des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie erklärt den Stand der Dinge kurz und treffend: »Globale Erwärmung, erschöpfte Lagerstätten und verschlissene Naturräume demonstrieren, dass die Menschen ihr Konto überzogen haben. Alle drei Krisen hängen zusammen und alle drei Krisen rufen nach einer gemeinsamen Lösung: dem Einstieg

in die Solar-Spargesellschaft«. ­Während die große Politik in dieser Situation weitgehend versagt, entwickelt sich eine Fülle von bürger­ lichen wie kirchlichen Initiativen sowie neuerdings auch kommunalen Projekten. Gegen zentralisierte großtechnische Lösungen setzen sie das Prinzip der Vernetzung vieler kleinerer Versorgungssysteme. Die Tagung »Revolution aus Kommunen und Kirchen« stellt beispielhafte ­Modelle vor. Ziel der Veranstaltung ist es, die einzelnen Kräfte zu bündeln und die Akteure zu vernetzen. Das Angebot richtet sich an Kommunalpolitiker, Baugenossenschaften, Agenda-21-Akteure und alle I­ nteressierten.  Bad Alexandersbad, 8. – 10. April 2011 Kontakt: Evangelisches Bildungsund Tagungszentrum Alexandersbad, Tel. 0 92 32 - 9 93 90, info@ebzalexandersbad.de

Erlebnisorientierte Führungen

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ie Verbreitungskarte des Bibers in Bayern zeigt heute nur noch wenige wei­ ße Flecken. Doch bis zu seiner Wiedereinbürgerung durch den BN Ende der Sechzigerjahre war der Biber über 100 Jahre nicht mehr im Leben der Bevölkerung präsent. Kein Wunder, dass sich Missverständnisse eingeschlichen haben und immer wieder Spannungen zwischen Landnutzern und dem Wildtier Biber auftreten. Biberführungen direkt vor Ort vermitteln über alle Bevölkerungsschichten und Altersstufen hinweg Informationen und wecken Verständnis für den geschickten Wasserbauer. Dabei wird das Wissen über Biologie, Lebensweise und An-

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Natur + Umwelt BN-Magazin [1-11]

Foto: Lessig

Von Bibern und Menschen

sprüche des Bibers auf spielerische Weise erweitert – auch bei Erwachsenen. Selbst die Konflikte rund um den Heimkehrer in unsere Fließgewässer lassen sich so darstellen und lösen. Das Seminar für Umwelt­ pädagogen, Natur- und Gästeführer, Lehrer und Biberbetreuer regt zu ­erlebnisorientierten Biberführungen an.  Deggendorf , 19. März 2011 und Mitwitz, 30. März 2011 Kontakt: BN-Bildungswerk Regensburg, Tel 09 41 - 2 97 20 42, bildungswerk@bund-naturschutz.de

Hier schießt Bildung ins Kraut Astschrapper und Flatterhühner

Musik ist ein Urbedürfnis der Menschen. Mit Knochen, Steinen, Ästen, Nussschalen oder Schilf erzeugte der Mensch schon vor 30 000 Jahren Klänge. Die Teilnehmer des Seminars stellen aus Naturmaterialien Urklangerzeuger wie Astschrapper, Rasseln, Musikbogen und Tierstimmenimitatoren her.  Würzburg, 12. Mai 2011 Kontakt: Ökohaus Würzburg, Tel. 09 31 - 4 39 72, info@bn-wuerzburg.de

Foto: BN

Foto: Michl

Revolution aus Kommunen und Kirchen

SEMINARFRÜHLING

Klimaschutz gestalten

Wildkräuter des Waldes

Im Internationalen Jahr der ­Wälder stellt die BN-Ökostation Schwaben Heilkräuter des Waldes vor. Eine Wildkräuterexpertin und ein Förster zeigen, welche Kräuter und Früchte des Waldes für den Menschen nützlich sind und welche Tiere und Pflanzen im Wald leben.  Rottach/Greggenhofen, 18. Juni 2011 Kontakt: BN-Ökostation Schwaben, Tel. 08 31 - 1 51 11, kempten-oberallgaeu@bund-naturschutz.de

Lebendiges Heilpflanzenlexikon

Beim Besuch eines kleinen aber ­feinen Heilkräutergartens gibt es 170 verschiedene Heilpflanzen auf engstem Raum zu bestaunen. Die Besucher lernen Eigenschaften und Wirkweisen der Heilkräuter und ihre Verwendung in der Homöo­ pathie, der Pflanzenheilkunde und der Volksmedizin kennen.  Frickenhausen, 19. Juni 2011 Kontakt: Ökohaus Würzburg, Tel. 09 31 - 4 39 72, info@bn-wuerzburg.de


BN-VERANSTALTUNGEN UND WEITERE TERMINE JBN Jahresvollversammlung

Was geht bei der JBN im Jahr 2011? Hier entscheiden die JBN-Aktiven, was heuer auf dem Plan steht. Neue Leute und Nichtmitglieder sind herzlich willkommen!  Schloss Reimlingen bei Nördlingen, 25. bis 27. März 2011 Kontakt: JBN, Tel. 0 89 -15 98 96 30, info@jbn.de 25 Jahre nach Tschernobyl Am 26. April 1986 explodierte ein Block des ukrainischen Atomkraftwerks bei Tschernobyl. Weite Teile Europas wurden radioaktiv kontaminiert, vor Ort starben bis heute zehntausende Menschen an den Folgen. Der BN erinnert mit einer Verbrecherjagd durch München Gedenkveranstaltung an das UnElf- bis 15-Jährige jagen mit der glück. Dabei wird die Skulptur BN-Jugendorganisation (JBN) den einer hilflos am Rücken liegenden Risiken der Agro-Gentechnik ominösen Mister X, der mit Bus, Schildkröte enthüllt – als Symbol Tram, zu Fuß oder mit dem Fahrrad Welche Gefahren birgt der Einsatz für die gegenüber der radioaktiven von Genmanipulationen in der in München unterwegs ist. Verseuchung wehrlose Natur. Landwirtschaft? Schwerpunkt die München, 11. März 2011  Bamberg, 26. April 2011 ses Mal: Sojabohnen. Mit Antonio Kontakt: BN-Jugendorganisation Kontakt: BN-Kreisgruppe Bamberg, JBN, Tel. 0 89  - 15 98 96 30, info@jbn. Andrioli. Tel. 09 51 - 5 19 06 11, bamberg@  München, 1. April 2011 de bund-naturschutz.de Kontakt: BN-LandwirtschaftsrefeBN-Mitglieder in kommunalen rat, Tel. 09 11- 8 18  78 21, ursula.erlDonaufest Parlamenten wein-blassl@bund-naturschutz.de Beim DonauViele BN-Mitglieder sitzen in komFest gibt es InAufmupf 2011 munalen Parlamenten. Oft verfostände, Fühdrängt die Tagespolitik die Anliegen Hier gibt’s Survival-Training für bis rungen, Kinderzu 13-Jährige: Spuren lesen, Feuer der Naturschützer. Was kann man Aktionen, Essen, machen, Floßbauen, eine Nacht dagegen tun? Trinken und Musik. unter freiem Himmel.  Wartaweil am Ammersee, Mit Großdemo für die frei fließen Wartaweil am Ammersee, 12. März 2011 de Donau. 19. bis 22. April 2011 Kontakt: BN-Naturschutzzentrum  Niederalteich, 2. Juni 2011 Kontakt: JBN, Tel. 0 89 - 15 98 96 30, Wartaweil, Tel. 0 81 52 - 96 77 08, Kontakt: BN-Kreisgruppe Deggeninfo@jbn.de wartaweil@bund-naturschutz.de dorf, Tel. 09 91 - 3 25 55, bund-­ naturschutz@degnet.de

Demo gegen AKW Isar 1

Ohne die schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung müsste das besonders störanfällige älteste bayerische AKW im Juni 2011 abgeschaltet werden.  Landshut, 4. Juni 2011 Kontakt: BN-Energiereferat, ­ Tel. 09 11- 8 18  78 26, anette.jung@ bund-naturschutz.de

BN-STUDIENREISEN | TEL. 0 91 23 - 9 99 57 10

Foto: Krähmer

Wanderparadies Elba

Frühling am Mittelmeer! Die Insel Elba ist ein Naturparadies mit Bergen, Buchten und Wäldern – ein ideales Wanderrevier.  Italien, 21. – 30. Mai 2011

Auf riesigen, mehrmals im Jahr überschwemmten Weiden grasen Rinder, Pferde und halbwilde Schweine – umrahmt von Reihern und Störchen (s. Seite 9).  Kroatien, 21. – 28 Mai 2011

Sonderzug zur Bundesgartenschau Foto: Landsberg

Blumeninsel Madeira

Die Blumenpracht und das üppige Grün der steilen Atlantikinsel sind legendär. Meer, Steilküste und Hochgebirge faszinieren durch starke Kontraste.  Portugal, 26. April – 16. Mai 2011

Kroatiens Save-Auen

Mit dem Nostalgie-Sonderzug geht es aus dem Großraum Nürnberg zur Bundesgartenschau nach Koblenz.  2. Juni 2011

Foto: Gößwald

Foto: Lucky Dragon/fotolia.com

Foto: Benker-Wienands

Auf ein Wort! Es gibt klare Ansagen zur Umweltpolitik, außerdem Musik, für das leibliche Wohl ist gesorgt. Herzliche Einladung für alle!  Plattling, 9. März 2011 Kontakt: BN-Kreisgruppe Deggendorf, Tel. 09 91 - 3 25 55, bund-naturschutz@degnet.de

GEO Tag der Artenvielfalt

Alle Naturfreunde sind dazu aufgerufen, möglichst viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten zu entdecken – egal ob auf der Wiese, im Feldgehölz, am Flussufer oder in der Kiesgrube.  Deutschlandweit, 4. Juni 2011 Kontakt: GEO, Tom Müller, Tel. 0 40 - 37 03 27 32, mueller.tom@ geo.de

Herausgeber: Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN), vertreten durch Peter Rottner, Landes­ geschäfts­führer, Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg, www.bund-naturschutz.de Leitender Redakteur (verantw.): Manfred Gößwald (göß) Redaktion: Holger Lieber (hl), Christoph MarklMeider (cm), Ursula Schulte (us), Heidi Tiefenthaler (ht), Tel. 09 41-2 97 20-22, Fax -31, nu@bund-naturschutz.de Mitglieder-Service: Tel. 09 41-2 97 20-29 und -20 Gestaltung: Gorbach GmbH, Utting a. Ammersee (Layout: Waltraud Hofbauer) Titelfoto: Markus Essler Litho: Fotosatz Amann, Aichstetten Redaktion BUND-Magazin: Severin Zillich (verantw.), Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, Tel. 0 30-27 58 64-57, Fax -40 Druck und Versand: Brühlsche Universitätsdruckerei Gießen Verlag und Anzeigen: BN Service GmbH, Eckertstr. 2, Bahnhof Lauf (links), 91207 Lauf an der Pegnitz, Tel. 0 91 23-9 99 57-30, Fax -99, info@service.bund-naturschutz.de Auflage: 103. 000 Bezugspreis: Für Mitglieder des BN im Beitrag ­ent­­halten, für Nichtmitglieder Versandgebühr ISSN 0721-6807 BN-Konto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 8 885 000, BLZ 700 205 00 BN-Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 8 844 000, BLZ 700 205 00 Mit Namen gezeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des BN wieder. Nachdruck nur mit Geneh­migung des BN. Für unverlangt eingesandte Artikel oder Fotos keine Gewähr. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. »Natur+Umwelt« wird auf 100 % ­Recycling­­papier gedruckt.

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IMPRESSUM

Umweltpolitischer Aschermittwoch


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