Sonderheft Naturschutz

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17.03.2008

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Natur+Umwelt Magazin www.bund-naturschutz.de

Bund Naturschutz

Sonderheft Naturschutz

83. Jahrgang · Sonderausgabe Naturschutz 2001

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Mut zur Wildnis Der Bund Naturschutz und seine Projekte im Artenund Biotopschutz

Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«


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Editorial

Foto: Bruno Mooser

Aufs Ganze gesehen

Natur lieben, erleben, erhalten – gemeinsam im Bund Naturschutz

Inhalt

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ass Bayern sein Gesicht wahrt, darum bemüht sich der Bund Naturschutz (BN) seit fast 90 Jahren. War es »in der guten alten Zeit« des beginnenden 20. Jahrhunderts eine Hand voll ehrenhafter Streiter, die einzelne Naturdenkmäler vor der hereinbrechenden Industrialisierung retteten, so ist daraus inzwischen eine Bewegung erwachsen, die aufs Ganze geht: Naturschutz, wie wir ihn heute verstehen, ist nicht isoliert, sondern eingebettet in ein stimmiges Gesamtkonzept für ein zukunftsfähiges Bayern. Der Blick fürs Ganze unterscheidet den BN durchaus von anderen Naturschutzorganisationen: Unser Einsatz für einen attraktiven und umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr auf der Schiene verhindert gleichzeitig, dass dem Straßenbau immer mehr freie Landschaft geopfert wird. Dass wir den biologischen Landbau unterstützen, dient der gesunden Ernährung, einer bäuerlichen Landwirtschaft – und zugleich dem Überleben von Pflanzen und Tieren in einer vielfältigen Kulturlandschaft. Ja sogar, wer Lammfleisch von heimischen Schafrassen genießt, leistet damit echten Naturschutz, weil so die Pflege wertvoller Halbtrockenrasen gesichert wird.

Die Beispiele, wie hier im besten ökologischen Sinn ein ganzheitliches Verständnis des Naturhaushalts gepflegt wird, ließen sich – von der Energiepolitik bis zur Umweltbildung – lange fortsetzen. Und dennoch ist dem Bund Naturschutz seit seinen Anfängen als wirklicher Kernbereich allen Engagements der klassische Arten- und Biotopschutz erhalten geblieben. Die Liebe zur Natur dürfte noch immer die entscheidende Motivation sein, dass sich heute 170 000 Mitglieder und Förderer unter dem Dach des Bundes Naturschutz versammeln. Für den praktischen Naturschutz leisten sie pro Jahr rund 250 000 ehrenamtliche Arbeitsstunden in der Biotoppflege, im Amphibienschutz oder bei ökologischen Modellprojekten. Sie haben damit Bayerns ältesten Naturschutzverband zur Nr. 1 des Artenschutzes in unserem Land gemacht. Einen kleinen Teil all dieser fantastischen Leistungen können Sie in dieser Naturschutz-Sonderausgabe des BN-Magazins »Natur+Umwelt« miterleben. Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihr Christoph Markl Leitender Redakteur Ihr Dr. Kai Frobel BN-Referent für Arten- und Biotopschutz

Hubert Weinzierl

Naturschutz konkret

Es hat sich gelohnt 4

Die große BN-Projekt-Karte 32

Leben mit dem Luchs Wieder daheim in Bayern 6 Der Ruf der Wildnis 10 Katzen, Krallen, Krämpfe 12

Naturschutz konkret Modellhafte Projekte des BN 14 Projekt Sandachse 20

Service Das grüne Netz des BN 22 Ihre Ansprechpartner beim BN 23

Bonjour Bienen, willkommen Wespen Glücksbringer im Naturschutz 24 Kleine Wespe und großes Biotop 28 Portrait: »Medienstar« Mohnbiene 30 Mit Bienen und Wespen auf Du und Du 32

Gestatten, Biber Dem Biber auf der Spur 34 Vom Don zur Donau 37 Lasst die Biber leben 38 Von Bibern und Menschen 40

Faszinierende Flora Einzigartige Pflanzen in Bayern 42 Vom Zählen zum Handanlegen 46 Interview: Kommt die Hilfe schon zu spät? 47 Im Einsatz für das Löffelkraut 49

Im Land der Libellen Bayerns silberne Sonnenboten 50 Jäger im Licht 53 Ein Tier wie Poesie 54 Leben für Libellen 57 Fliegende Edelsteine in Gefahr 58

Natur im Bild

Service

Roter Alarm 31

Naturschutz zum Nachlesen 59

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Foto: Seitz-Weinzierl

Foto: Peter Roggenthin

Es hat sich gelohnt Hubert Weinzierl über die Lust des Naturschützens

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in heller Pfiff vom Lehenbach herauf lässt mich aufblicken: Da füttern zwei Eisvögel ihre Jungen mit der Rotaugenbrut aus dem Hausteich – ein Bild, wie es mir von Kindheit an vertraut, dann aber ein paar Jahrzehnte verloren gegangen war. Und es wäre natürlich ein Leichtes all das aufzuzählen, was in meiner Generation an Artenvielfalt und Landschaft schon verschwunden ist. Aber wir täten uns selbst keinen Gefallen, würden wir das verdrängen, was auch an Erfreulichem geschehen ist.

Lebendige Begegnungen

NaturalienKabinett Seine »Hoffnungsund Angstschreie wider die Unvernunft« hat Hubert Weinzierl in dem neuen Gedichtband »NaturalienKabinett 2« zusammengetragen. Die Illustrationen darin stammen von dem Karikaturisten Horst Haitzinger (NaturalienKabinett 2. SüdOst Verlag, Waldkirchen 2000).

So denke ich beispielsweise an den Lebensraum hier rund um meine Wiesenfeldener Heimat, wo ich mich seit vierzig Jahren darum bemühe, das Nebeneinander von Menschen und Mitgeschöpfen etwas freundschaftlicher zu organisieren: Ich habe Grundstücke zusammengekauft, mit der Flurbereinigung gefeilscht, Naturschutzgebiete ausweisen lassen, einige hundert Hektar Land aus dem Wirtschaftsverkehr gezogen sowie biologische Landbaumethoden propagiert. Mit dem langen Atem und der Geduld, die wir Naturschützer brauchen – und was ist schon ein Menschenleben an Naturabläufen oder Baumzeiten gemessen – werden jetzt die Erfolge in lebendigen Begegnungen sichtbar. Gestern Abend habe ich in den Moosbeerwiesen hinterm Neuweiher einen Schwarzstorch gesehen und aus den benachbarten Kleeschlägen

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haben mehr Wachteln gerufen als früher. Im Knottberg wohnt der Dachs, am Rande vom Hammerweiher der Iltis, und die Graureiher haben in diesem Jahr wieder ein Dutzend Junge hochgebracht. Im Frühjahr ist der Biber vom Donautal heraufgekommen und der Kormoran. Kein Wunder – seitdem ich nämlich die Teiche stillgelegt und zu Fischschutzgebieten erklärt habe, gibt es Futter in Fülle. Dreiundzwanzig Fischarten, viele Kröten, Frosch- und Lurcharten und riesige Teichmuscheln leben in den Gewässern. Im Oberlauf bei den Pichelberger Weihern, wo das Waldwasser noch reiner und die Ufer sandig sind, dort hat sich ein stattlicher Bestand von Edelkrebsen entwickelt. Schade, dass der Fischotter noch nicht zurückgekehrt ist.

Heiligende Spuren Dafür taucht gelegentlich eine Spur auf, welche die Wälder zwischen Saulburg und Falkenstein heiligt: der Luchs. Ob er auf die Rufe unserer Gehege-Luchse reagiert? – Schön, dass es noch Geheimnisse gibt. Dann die Wildkatze. Seit sie wiedereingebürgert ist, gehört sie genauso wie der Fuchs oder der Baummarder zu den Hühner- und Taubendieben, über die ich mich gelegentlich ärgere. Der Kolkrabe ist von Osten her wieder eingewandert, im Hohenried hat er gebrütet und im Winter hockt er auf der kahlen Eiche und wartet auf die Nachgeburten bei unserer Schafherde. Eine Fülle von Greifvögel und Eulen,

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Im Dienste der Natur

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ubert Weinzierl, 65, zählt weit über Bayerns Grenzen hinaus zu den großen Persönlichkeiten des Naturschutzes. Seit 1969 steht er an der Spitze des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) und baute als Mitbegründer auch den Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) auf, dessen Vorsitzender er von 1983 bis 1998 war. Sein Weg als Artenschützer begann schon während der Gymnasialzeit in Ingolstadt, wo er in den 50erJahren half, große Vogelschutzgebiete einzurichten. Später engagierte er sich für die Lebensräume des Fischotters und des Uhus, initiierte gemeinsam mit Professor Bernhard Grizmek die Wiedereinbürgerung des Bibers an der Donau sowie später der Wildkatze und des Luchses im Bayerischen Wald. Maßgeblich wirkte Hubert Weinzierl für den BN auch bei der Gründung des ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald und dessen späteren Erweiterung mit. Derzeit kämpft er gemeinsam mit vielen Naturfreunden im In- und Ausland für die frei fließende Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Seit kurzem ist Hubert Weinzierl Präsident des Deutschen Naturschutzringes (DNR) und Mitglied des nationalen »Rats für nachhaltige Entwicklung«. Für seine Verdienste um das Umweltbewusstsein in Deutschland wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.


Waldkäuzen, Waldohreulen, Sperbern, Habichten und Bussarden jagt wieder reichlich über den Fluren. Worauf ich besonders stolz bin, sind die drei Paare Baumfalken, die dank der üppigen Libellentümpel im Brandmoos und im Lehenbachtal regelmäßig ihre Brut aufziehen. Was ist das für ein Gefiepe zur Hochsommerzeit, wenn die Falkenkinder das Fliegen lernen. Ist es nicht ein Glück, dass aus so einem Naturschutzgebiet wieder Lieder und Gedichte erwachsen...

Smaragdlibellen Kiefernblüten stäuben den Tümpel gelb. Über den Torflöchern im Mittagszauber tanzen rote Feuerhexen mit salbeiblauen Plattbäuchen ihren Libellenreigen. Torfjungfern träumen den Trauergesang des Baumpiepers. Wollgrasflocken spiegeln mit Windgedanken und Thymianbläulingen im Birkenhimmel. Siebenfach heiliger Blütenduft am geheimen Ort: Fünffingrige Erdbeerschwester, Wollfärberin, Nixenkraut, Blutauge. Stillst uns die Magenkrämpfe, Fieberklee. Saure Beere, Goldpolierin, Moosbeere im Gespinstteppich fröhlicher Purpurglöckchen. Die Göttin ist zum Anfassen in den Erdrauch geschlüpft. Treib den Kummer aus unseren Gallen und die Bandwürmer der Haushunde.

Vielleicht ist zu viel von den spektakulären Arten, zu wenig von den unscheinbaren Tannenmeisen, den Hohltauben und Schwarzspechten, vom Feldschwirl oder Blaukehlchen die Rede – und vor allem zu wenig von den Käfern und Schmetterlingen. Und schon gar nicht wird von der unsichtbaren, für den Kreislauf des Seins viel wichtigeren Basis alles Lebendigen im Boden und im Wasser gesprochen. Wer will schon etwas von Asseln, Milben oder Erdflöhen, von Wildtieren, Weidenböcken oder Wespenspinnen wissen?

Boten zwischen Himmel und Erde Und natürlich die Pflanzenwelt! Ich gebe zu, dass ich mir alljährlich zur Sonnwendzeit wieder ein paar Arnicablüten als Heilmittel aus dem Brandmoos stehle und dabei den Sonnentau, das Sumpfherzblatt und die Wollgraswiesen bestaune. Im Totholzbereich beim Birkenberg hat sich der Salomonsiegel und am Pfaffenweiher der Orchideen-Bestand und die Trollblume wieder gut vermehrt. Nicht zu vergessen die Teichrosenblüte im Beckenweiher und die CallaBestände, welche die Wildnis im ehemaligen Schlosspark, wo die Wasserfledermäuse und die Abendsegler so gerne jagen, erst geheimnisvoll machen. Solche Bilder, ein ungeordnetes, zufällig in den Sinn gekommenes Netzwerk des Lebens in meiner engsten Umgebung, wirbeln mir durch den Kopf, wenn ich an die Lust des Naturschützens denke. Ich empfinde all diese Begegnungen dankbar als Lohn für das bisschen Ehrfurcht, das wir gegenüber den ganz Anderen aufzubringen haben. Es sind Begegnungen der Hoffnung. Schließlich stehen da noch die Eichen, Buchen und Lärchen vor meinem Fenster im Schlosspark. Jede von ihnen erlebt in diesen Tagen die dritte Jahrhundertwende. Sie haben

Impressum Herausgeber: Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), vertreten durch Helmut Steininger, Landesgeschäftsstelle, Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg Leitender Redakteur (verantw.): Christoph Markl Redaktion: Dr. Kai Frobel, Manfred Gößwald, Holger Lieber, Lena Wietheger, Tel. 09 41-2 97 20 22, Fax 2 97 20 31, E-Mail: nu@bund-naturschutz.de Gestaltung und Herstellung: Gorbach GmbH, Gauting-Buchendorf (Layout: Waltraud Hofbauer) Druck: Stürtz AG, Würzburg Titelfoto: Reinhard Tierfoto Auflage: 25 000 ISSN 0721-6807

BN-Konto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 8 885 000, BLZ 700 205 00 BN-Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto 8 844 000, BLZ 700 205 00 Textnachweis: »Leben mit dem Luchs« (S. 6 –13) aus »Natur+Umwelt« 3/98. »Zeichen setzen für die Vielfalt des Lebens« (S. 14 –19) aus 4/98. »Startschuss für die Sandachse« aus 4/00. »Bonjour Bienen, willkommen Wespen und Hut ab Hummeln« (S. 24 –30) aus 2/00. »Dem Biber auf der Spur« (S. 34 –41) aus 3/97. »Einzigartig – Pflanzen, die es nur in Bayern gibt« (S. 42 –49) aus 3/00. »Im Land der Libellen« (S. 50 – 58) aus 3/99.

sich während der von mir überschaubaren Lebenszeit kaum verändert, sind die stummen Boten zwischen dem Himmel und der Erde geblieben. Meine Freude über die Wiederkehr so mancher Tier- und Pflanzenart ist dabei nicht blauäugig. Denn ich weiß wohl, wie sehr die Roten Listen anwachsen und wie wenig wir darüber Bescheid wissen, wann die Fäden endgültig zerreißen, sollten wir die Lebensräume weiterhin so zerfetzen und verinseln wie bisher. Und ich weiß natürlich auch, wie sehr unsere Heimat Erde an der Infektion des Artenschwundes erkrankt ist. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob eine Art pro Stunde oder pro Tag verschwindet: Jede Einzelne davon ist zu viel, weil wir mittlerweile wissen, dass diese Fülle der Rohstoff für die Evolution ist und dass daneben auch die Ökosysteme und ihr Verwobensein untereinander, dass Habitate und Sukzessionen ebenso schutzwürdige Güter wie die einzelnen Arten sind. Niemand braucht mir auch zu sagen, wie verlogen es wäre, auf andere Länder oder auf die tropischen Regenwälder zu zeigen, nachdem wir unsere eigenen Urwälder längst gerodet haben. Der oben von mir beschriebene Raum meiner Wiesenfeldener Heimat hat in den letzten hundertfünfzig Jahren durchwegs fast dieselbe Einwohnerdichte gehabt, nur die Ansprüche von uns Menschen, unser Energieverbrauch und die so genannte Infrastruktur, die Wohnflächen und der Landverbrauch haben sich verzehnfacht.

Die Gnade zur Umkehr Manche stellen die kühle Frage, wie viel Vielfalt wir eigentlich brauchen. Ginge es nicht auch ohne Uferschwalben oder Pfauenaugen und ließe es sich nicht auch auf einem Löwenzahnschlage genauso glücklich wie unter dem Blütenflor einer Sommerwiese leben? Genauso sicher nicht. Physisch vielleicht, aber nicht mit dem Herzen, denn der Erdrutsch der Mitgeschöpfe reißt auch ein Stück unserer Menschenkultur und er reißt unsere Sehnsüchte und die Seelenschutzgebiete mit in die Tiefe. Meine Hoffnung obsiegt dennoch, dass wir Menschen selbst die Lösung der Schöpfungskrise werden. Das Leben jedenfalls wird fortbestehen, sei es mit, sei es ohne uns. Solange wir aber den Arten ihre Heimkehrrechte zurückgeben, stehen wir in der Gnade zur Umkehr.

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Weltenesche Vor der Burg die weise Esche hört mit mir an jedem Morgen in den Balken Totenuhren und vom Rundfunk Weltnachrichten. In der Weltenesche Gipfel klagt ein Reiherpaar die Nacht an und die Rede an den Gräbern hält der sanfte Abendwind. Muhmen kommen, graue Schwirle und im Riesenrad der Zeiten tanzen Wölfe mit Zikaden. Vor der Burg die weise Esche kümmern nicht die Weltnachrichten. Sorgt sich um das Gift im Boden, um den Dämon, der die Quelle siecht. Und sie sorgt sich um den kleinen Fitis, der in ihren Armen schläft. Die Plejaden säen Sterne, damit neue Welten wachsen. Und die Sonne führt den Löwen, Adler, Schwan und Himmelsleier zum Konzert der Ewigkeiten.


Ein einsamer Wanderer kehrt zurück nach Bayern – und in unser Bewußtsein

Marcus Parisini Die Zeichnungen auf dieser und den folgenden Seiten kommen von einem italienischen Künstler: Marcus Parisini, 32, stammt aus Genua und studierte Kunst und Architektur. 1988 zog er in die Berge Liguriens, wo er heute mit seiner Frau und zwei Kindern lebt. Seine Arbeit geht auf in der Fürsorge für Garten, Kuh, Schafe, Bienen und in der Leidenschaft fürs Zeichnen. Die Grafiken und Bilder wurden in verschiedenen Zeitschriften, Büchern und Ausstellungen veröffentlicht. Kontaktadresse: Borgata Rossi, 12020 Monterosso Grana, Cuneo, Italien

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150 Jahre lang war der Luchs aus unseren Wäldern verschwunden. Seit sechs Menschengenerationen haben wir verlernt, mit der attraktiven Tierart umzugehen. Jetzt pirscht sich das »Pinselohr« auf leisen Pfoten wieder in unsere Nähe. Und obwohl ihn nur wenige je zu Gesicht bekommen werden, beschwört die Rückkehr des Luchses uralte Ängste und Vorurteile herauf. Doch seit seiner Ausrottung dürften die Chancen, daß unsere leergewordene Umwelt mit ihm wieder um ein Geheimnis reicher wird, selten so gut gewesen sein wie heute. Noch ist der Weg lang, bis der einsame Wanderer sicher bei uns angekommen ist. Denn leben muss der Luchs in unseren Wäldern, aber heimisch werden muss er in unseren Köpfen und Herzen.

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Foto: M. Wölfl

Foto: Kaczensky

Leben mit dem Luchs

Verfolgt, ausgerottet und wieder daheim. Manfred Wölfl über den Luchs in Bayern

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or gut 150 Jahren ausgerottet, pirscht der Luchs auf leisen Pfoten wieder durch den Bayerischen Wald. Der erste Versuch, diese etwa schäferhundgroße Katzenart bei uns wieder heimisch zu machen, blieb Anfang der siebziger Jahre im Ansatz stecken. Ein Jahrzehnt später jedoch wurden auf tschechischer Seite insgesamt 17 Tiere freigelassen. Diese bildeten den Grundstock für die heute grenzübergreifende Luchspopulation. (Fortsetzung auf S. 8)



Der Luchs hat sich inzwischen im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet etabliert. Fachleute schätzen den Bestand auf 70 bis 80 erwachsene Tiere, deren aktuelle Verbreitung sich vom Biosphärenreservat Trebon an der tschechisch-österreichischen Grenze im Südosten bis hinauf nach Thüringen im Nordwesten erstreckt. Auf bayerischer Seite rechnet man derzeit mit 15 bis 20 erwachsenen Tieren (siehe Grafik Seite 11).

Die langen Wege der Waldkatze

Katze und Kuder Luchse sind Einzelgänger. Nur während der Paarungszeit im Februar und März, der sogenannten Ranzranz, suchen sich Katze und Kuder in

Foto: Kaczensky

Der Luchs braucht störungsarme Rückzugsgebiete, deckungsreichen Lebensraum und ein ausreichendes Beuteangebot. Er mag große, geschlossene Waldungen, aber auch unsere kleinräumige Kulturlandschaft mit ihrer hohen Wald-Feld-Verzahnung. Denn gerade dort gibt es ausreichend Beute, und – zumindest im Sommer und Herbst – bieten sogar Maisfelder der großen Katze gute und störungsarme Deckung. Luchse teilen sich ihren Lebensraum in einer bestimmten Weise auf. Dabei schließen sich die Wohngebiete gleichgeschlechtlicher Tiere gegenseitig aus, das Revier eines Luchsmännchens – auch Kuder genannt – überlagert jedoch ein oder mehrere Weibchengebiete. Kuder beanspruchen Reviergrößen von 200 bis 400 Quadratkilometer, die Weibchen von 50 bis 150 Quadratkilometern. Die Reviergrenzen werden durch ein ausgeklügeltes System von Harnmarkierungen aufrechterhalten.

Luchse sind vornehmlich in der Dämmerung und nachts unterwegs. Dabei legen die Tiere in ihrem Revier innerhalb kürzester Zeit oft mehrere Kilometer zurück. Als Pirsch- und Lauerjäger ist der Luchs auf den Überraschungseffekt angewiesen. Er nähert sich seiner Beute bis auf etwa 20 Meter unbemerkt, um sie dann nach kurzem Sprint anzuspringen. Entdecken ihn die angepirschten Tiere aber rechtzeitig, muss der Luchs seinen Jagdversuch abbrechen. Er verschiebt dann seinen Standort meist großräumig, um wieder auf ahnungsloses Wild zu stoßen. Diese zwangsläufige Intervalljagd erklärt auch den enormen Flächenbedarf des Luchses. In seinem Nahrungsspektrum überwiegen rehgroße Schalenwildarten wie Reh, Gemse und Mufflon. Daneben erbeutet der Luchs aber auch Rotwild, Fuchs, Hase, Wildschweine, Marder, Hausund Wildkatze, Kleinsäuger und Waldhühner.

Das Jungtier Jungluchse haben es schwer: Etwa die Hälfte des Nachwuchses kommt während der Aufzuchtphase um. Todesursachen sind Krankheiten oder Unfälle auf Straße und Schiene.

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Der Jäger In Mitteleuropa frisst der Luchs vor allem Rehe. Er nähert sich seiner Beute unbemerkt, um sie dann nach kurzem Sprint anzuspringen. Eine Hetzjagd wie Hund oder Wolf steht der Luchs nicht durch.


Wegen seiner hohen Raumansprüche lässt sich der Luchs nicht auf Nationalparke oder Staatsforstflächen einengen. Für den Bayerischen Wald beispielsweise erscheint der Lebensraum bis hin zur Donau als geeignet. Ebenso weisen Oberpfälzer Wald, Fichtelgebirge, Fränkische Schweiz und Frankenwald große privatwirtschaftlich genutzte Flächen auf, die als potentieller Luchslebensraum gelten können.

Bezeichnung:

Männchen = Kuder Weibchen = Kätzin oder Katze Aussehen: geflecktes Fell, Pinselohren, rundlicher Kopf, Stummelschwanz Größe: etwa schäferhundgroß, (Schulterhöhe 50-70 cm) Gewicht: um die 20 Kilogramm (Kuder schwerer, Kätzin leichter) Spuren: sehr rund, meist ohne Krallen (ähnlich Hauskatze, nur deutlich größer – Durchmesser 6 – 9 cm) Lautäußerung: zur Paarungszeit (= »Ranzzeit«, v. a. im Februar und März) kehlig-heisere Rufe beider Geschlechter Lebensraum: waldreiche Gebiete Anzahl der Jungen: 1 bis 4; werden im Mai/Juni geboren Alter: etwa 5 bis 10 Jahre, in Gefangenschaft über 15 Jahre

Vor allem in diesen Gebieten sind Konflikte zwischen der Landnutzung und den Ansprüchen der großen Katze vorprogrammiert. Einerseits fürchten Landwirte Übergriffe auf Gatterwild und Haustiere, besonders auf Schafe und Ziegen. Andererseits betrachten viele Revierpächter den Luchs als unerwünschten Konkurrenten zu ihrer eigenen Rehwildbewirtschaftung. Bei genauerer Betrachtung stecken hinter diesen beiden Konfliktbereichen sehr viel menschliche Voreingenommenheit. Aus alter Tradition heraus wird der Luchs zum Bösewicht abgestempelt, ohne sich genauer informieren. Diese Haltung hat ihre Wurzeln oft auch in einer tiefen Frustration: So beklagen Landwirte den Niedergang ihrer Zunft, Jäger

Foto: Leach/NHPA

Konfliktfelder sind kein Lebensraum

Lynx lynx im Portrait Foto: Save/Schulz

ihrem großen Revier. Neben den dann vermehrt gesetzten Harnmarken dienen auch kehlig-heisere Rufe zur Verständigung. Nach etwa zwei Monaten Tragzeit bringt die Luchsin Mitte Mai bis Mitte Juni ihre Jungen zur Welt. Die Wurfgröße schwankt zwischen einem und vier Kätzchen, der Durchschnitt liegt bei zwei. Die Mutter stellt keine besonderen Ansprüche an den Wurfplatz. Wurzelspalten umgestürzter Baumteller, Felshöhlen oder auch Fichtendickungen genügen ihrem Sicherheitsbedürfnis. Die Jungen werden von der Luchsin solange gesäugt, bis sie ihr zur Beute folgen können. Während der Aufzuchtphase kommt etwa die Hälfte des Nachwuchses um. Todesursachen sind Krankheiten wie Katzenseuche, Hunger oder Unfälle auf Straße und Schiene. Im April muss sich das meist nur noch eine überlebende Jungtier ein eigenes Revier suchen. Diese obligatorische Abwanderung fordert unter den jetzt etwa zu zwei Dritteln ausgewachsenen Tieren noch einmal hohen Tribut, vor allem durch Unfälle auf der Straße.

wehren sich gegen den hohen Rehwildabschuß und die Devise Wald vor Wild. In dieser verkorksten Situation wird der Luchs vielerorts als das nicht mehr tolerierbare I-Tüpfelchen angesehen. Zudem wird der Artenschutz aus den Reihen der Landnutzer misstrauisch beäugt. Ungeschicktes Vorgehen in der Vergangenheit haben einen massiven Vertrauensverlust verursacht. Vor allem die im Hinblick auf die großen Beutegreifer Luchs, Bär und Wolf oft überzogenen Wunschvorstellungen und der emotionale Umgang mit ihnen haben zu einer Frontenverhärtung geführt.

Ein Miteinander ist möglich So werden dem Luchs regulierende Fähigkeiten bei seiner Hauptbeute, dem Rehwild, zugeschrieben, auch soll bei seiner Anwesenheit der Wildverbiß sinken. Aus wissenschaftlicher Sicht existieren zu dieser Thematik bisher jedoch nicht viel mehr als Anekdoten und Hypothesen. Auch die Hoffnung auf den Luchs als Gesundheitspolizisten haben sich – zumindest beim Rehwild – bislang nicht bestätigt. Grundvoraussetzung für ein langfristiges Miteinander von Mensch und Luchs ist eine fachlich fundierte (Fortsetzung Seite 11)

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Der Ruf der Wildnis Welche Forderungen der Bund Naturschutz mit der Heimkehr des Luchses verbindet

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er Luchs ist eine der seltensten Tierarten Bayerns. Die wenigen Paare in Ost- und Nordbayern lassen sich fast noch an einer Hand abzählen. Dennoch geht es heute nicht mehr um ein Ja oder Nein zum Luchs in Bayern – diese Frage hat der Luchs selbst bereits beantwortet. Nein, es geht um den Umgang und um das Leben mit dem Luchs. Die vereinzelten, heiseren Ranzrufe der Luchse sind ein Ruf der Wildnis, auf den Jagd und Naturschutz in Bayern reagieren müssen – und zwar gemeinsam.

Mehr Infos Zu dem gemeinsamen Luchsseminar von BNBildungswerk, LBV und BJV ist ein umfassender Tagungsband erschienen. Erhältlich bei der BN-Service GmbH, Spitalstr. 21, 91207 Lauf, Tel. 0 91 239 99 57-0, Fax 9 99 57 -99, E-Mail: info@ service.bundnaturschutz.de

Das Symposium von Bayerischem Jagdverband (BJV), Landesbund für Vogelschutz (LBV) und Bund Naturschutz (BN) mit fast 200 Teilnehmern im November 1997 in Deggendorf war dazu ein erster Schritt und ein ermutigendes Signal. Der Luchs braucht die rückhaltlose Akzeptanz der Jägerschaft. Um so wichtiger war das klare Bekenntnis des Präsidenten des Jagdverbandes, Jürgen Vocke, daß der BJV den Luchs akzeptiert und begrüßt. »Die bayerischen Jäger stehen einer natürlichen Zuwanderung des Luchses positiv gegenüber«, erklärte Vocke. Er sei davon überzeugt, dass »die Rückkehr des Luchses zur Bereicherung der Artenvielfalt in unseren Landen beitragen wird«. Übereinstimmung besteht auch darüber, dass eine aktive Wiedereinbürgerung des Luchses derzeit nicht nötig ist. Illegale Aussetzung wird ebenso abgelehnt wie der illegale Abschuss. Der Einfluß der Waldkatze auf Schalenwildbestände ist viel niedriger als oft geglaubt, daher brauchen weder die Jäger Befürchtungen noch die Förster (oder Naturschützer) unrealistische Hoffnungen zu haben. Viele Jäger sind begeistert über die Wiederkehr des Luchses, des neuen Jagdkollegen, auch als Bereicherung des Naturerlebens im Revier. Allerdings gibt es immer noch tiefsitzende Ängste an der Basis des BJV und

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Foto: Save/Kuchling

Naturerleben wird reicher

Gerüchte über illegale Abschüsse. Der BN lehnt Positionen des BJV ab, dass »bei gesicherter Bestandsentwicklung des Luchses eine mögliche Populationsnutzung kein Tabuthema« sein soll oder dass allein das Vorhandensein eines Luchses zur pauschalen Verringerung des für die Waldverjüngung unverzichtbaren Rehwildabschusses führen soll.

Ein Naturerbe mit Zukunft Der Luchs in Bayern hat als Symbol der Wildnis und als europäisches Naturerbe nur Zukunft, wenn folgende Forderungen des BN erfüllt werden: Eine Informationskampagne muss »Urängste« gerade im ländlichen Raum und bei Grundbesitzern abbauen. Umwelt- und Landwirtschaftsministerium sollen dafür Mittel bereitstellen, insbesondere

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auch für fachkundige Beratung durch Luchs-Spezialisten vor Ort. Der Luchs braucht Akzeptanz und noch viel Überzeugungsarbeit an der Basis der Jägerschaft. Regionale Arbeitsgemeinschaften von Naturschützern und Jägern wie im Bayerischen Wald und Fichtelgebirge sind zu unterstützen und auszubauen. Dringend erforderlich sind wildbiologische Freilanduntersuchungen und ein landesweites Monitoring der oft unklaren Bestandsentwicklung und der nur bruchstückhaft bekannten Ausbreitungsvorgänge. Forschungen wie in der Schweiz oder in Tschechien müssen durch Einsatz vorhandener Mittel der Jagdabgabe und des Naturschutzfonds auch in Bayern selbstverständlich werden. BJV, LBV und BN sowie die Teilnehmer der Tagung in Deggendorf haben über 10 000 Mark bereitgestellt für einen Luchsfonds, der mögliche – und bislang sehr seltene – Schäden an Nutztieren und Gatterwild ausgleicht. Ein Schadensfall, der rasch reguliert wird, ist gut für den Luchs, ein verzögert ausgeglichener Fall ist schädlich und ein gar nicht erfolgter Schadensausgleich ist tödlich für den Luchs! Dieser Beitrag zur Akzeptanzerhöhung und Problemlösung vor Ort muss durch öffentliche Mittel unterstützt werden. Großflächige, möglichst unzerschnittene Waldgebiete und das »Grüne Band« von Biotopen entlang der Landesgrenze zu Tschechien sowie entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze müssen als Lebensraum und grenzüberschreitende Wanderkorridore auch für den Luchs erhalten werden. Der Erhalt ost- und nordbayerischer Wälder braucht Vorrang vor der Zerschneidung durch hemmungslosen Straßenbau (z.B. die geplante B 12, A 6 oder B 303)! Gerade von den Fachministerien und Umweltpolitikern ist mehr gefordert als nur ein verbales Bekenntnis zum Luchs, das letztlich unverbindlich bleibt. Der Freistaat kann nicht aus der Pflicht entlassen werden, wenn es darum geht, dem kleinen Bruder des bayerischen Löwens wieder eine Heimat zu geben! Hubert Weinzierl, BN-Vorsitzender und Dr. Kai Frobel, BN-Referent für Arten- und Biotopschutz


Der Luchs – nicht nur in Bayern Die aktuelle Verbreitung des Luchses reicht vom Biosphärenreservat Trebon an der tschechisch-österreichischen Grenze im Südosten bis hinauf nach Thüringen im Nordwesten. Auf bayerischer Seite rechnet man derzeit mit 15 bis 20 erwachsenen Tieren. Ohre

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Quelle: Wölfl et. al. / Grafik: Gorbach

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Das Überleben sichern

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Der Luchs mit seinem enormen Flächenanspruch zwingt zu einer länderübergreifenden Sichtweise. Laut populationsgenetischer Grundlagenforschung sind für eine langfristig überlebensfähige Population mehrere hundert Individuen notwendig, um Inzuchtdefekte mög-

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Luznice

und ehrliche Diskussion. Es gilt, das verlorengegangene Vertrauen zwischen Landnutzung und Artenschutz wiederherzustellen. Nur dann können gemeinsam Ziele und Wege hin zu einem vernünftigen Umgang mit dem Luchs entwickelt werden. Der hohe Flächenanspruch des Luchses lässt keine verbandsinternen Geheimniskrämereien zu, er zwingt zu einer interessenübergreifenden Zusammenarbeit. Dieser Zwang kann aber gleichzeitig unsere große Chance sein, dringend notwendige Schritte hin zu einer lebenswerten Natur gemeinsam zu unternehmen. Das 1997 von Bund Naturschutz, Landesjagdverband und Landesbund für Vogelschutz durchgeführte Luchssymposium in Deggendorf hat hier ein deutliches Zeichen gesetzt, das jedoch auch vor Ort wirksam werden muss.

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Luchsverbreitung im Bayerisch-Böhmischen Grenzgebiet 1997*

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Hinweis auf Jungtiere Regelmäßiges Vorkommen Einzelnachweise

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* aus Wölfl et al. (In Vorbereitung). Distribution and Status of the Eurasian Lynx (Lynx lynx) in the Sumava Mountains and Adjacent Areas.(verändert).

Heimlich, still und leise

lichst gering zu halten. In Bayern hat aber diese hohe Anzahl von Luchsen keinen Platz. Ein grenzüberschreitender Ringschluß der bisher bestehenden Populationen in Deutschland, Tschechien, Österreich und der Slowakei könnte jedoch den Forderungen der Populationsgenetik Rechnung tragen. Die meist stark bewal-

deten und dünn besiedelten Mittelgebirge entlang der Grenzen stellen hochwertige Wanderungskorridore dar, die einen Austausch zwischen den Teilpopulationen auch jetzt schon möglich machen. Die populationsgenetischen Vorgaben machen auch deutlich, dass der Luchs – nur auf Nationalparke oder andere Schutzgebiete beschränkt – langfristig keine Überlebenschance hat. Er braucht einfach viel zu viel

Platz. Oberstes Gebot muss es daher sein, Akzeptanz und Toleranz für den Luchs unter der Bevölkerung zu schaffen. Dies erreichen wir aber nur durch einen sachlichen, fachlich fundierten und ehrlichen Umgang mit dem Luchs und vor allem auch untereinander. Der Luchs bleibt in Bayern immer ein seltenes Tier. Oft zu Gesicht bekommen wird man diese heimliche Waldkatze nicht. Aber allein das Wissen um ihre Anwesenheit fasziniert und sollte uns Mut machen, dieser Tierart das Überleben in Bayern zu sichern.

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Foto: S. Wölfl

Foto: Mauritius/Weimann

Der Luchs braucht störungsarme Rückzugsgebiete. Geschlossene Wälder sind sein ideales Zuhause.

Der Autor Manfred Wölfl ist Diplom-Biologe und gilt als sehr guter Kenner des Luchses in Bayern. U. a. im Auftrag des Naturparks Bayerischer Wald betreibt er Sympathiewerbung für die Waldkatze: »Ich will ein langfristiges Miteinander von Mensch und Luchs erreichen« Kontaktadresse: Hüttenzell 5, 94372 Rattiszell


Katzen, Krallen, Krämpfe

Foto: Save/Weber

Abbildung: Krünitz, 31, B 1784

Wie der Luchs des Menschen Beute wurde. Von Hubertus Habel

Foto: Hausmann

Quelle: Staatsbibliothek Bamberg

Luchs-Medaille

Listiger Luchs

Luchskralle Die in der Trachtenmode verwendeten Ketten mit Zähnen, Haarbüscheln, Krallen und Geweihteilen gehen zurück auf die »Fraisketten«, die gegen Krämpfe und Schwindelanfälle helfen sollten.

Nicht nur im 17. Jahrhundert glaubte man, dass Luchse auch große Hirsche reißen können. Der Stich aus Hohbergs »Adeligem Landleben« zeigt die Wildkatze in mehrfacher Übertreibung.

Die größten Probleme, mit denen der Luchs in unserer modernen Kulturlandschaft zu kämpfen hat, sind die Einstellungen des Menschen ihm gegenüber. Und wenngleich einige dieser Einstellungen auf noch so irrigen Meinungen beruhen: Sie müssen in Mörder und Buschklepper ohernstgenommen und ne Gleichen, dessen Räubereyen aber nach Standesgebühr ins Große analysiert werden, gehen! Rothwild nicht nur und Rehe, um die Hemmnisse für auch Hasen und wildes Geflügel werden Luchs abzubauen.

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den oft seine Beute – selbst Schafe, Ziegen und Kälber sind vor seinem

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Sogar um die Fälschung einer Münze zu belegen, musste noch im 18. Jahrhundert das Argument herhalten, dass der Luchs darauf »hinterlistig und heimtückisch« sei.

Mordgezähne nicht sicher. Ihm nachzustellen, diesem gefährlichsten aller Wilddiebe, welche ächte Nimrodssohn (Jäger) sollte dazu nicht Beruf fühlen?« Was liegt nach dieser aus dem Jahr 1800 stammenden Beschreibung des Luchses als Konkurrent der Jäger und Bedrohung von Haustieren näher als die Annahme, daß dieses – am herrschaftlichen Jagd- und Strafgesetz gemessen – »verbrecherische« Tier schärfstens verfolgt wurde? Und die im späten 19. Jahrhundert in Mitteleuropa »erfolgreich« beendete Ausrottungsgeschichte scheint die Annahme zu bestätigen, dass die Strafe für den Luchs der Tod war. Doch ganz so einfach ist und war unsere kulturgeschichtlich geprägte Beziehung zur pinselohrigen Katzenart nicht, wie die folgenden Beispiele belegen.

Medikament Luchs Die seit der Antike bis ins 20. Jahrhundert tradierte Sympathielehre in der


Abbildung: Krünitz, 31, B 1784

Volksmedizin besagt, dass sich wesentliche Verhaltensmerkmale in Körperteilen eines Tieres festsetzen und sich mit diesen Körperteilen bestimmte Krankheiten nach dem Analogieprinzip heilen lassen. So müsse der Luchs, weil er sich außerordentlich geschickt bewegt und hervorragend klettert, den menschlichen Körper vor Schwindel, Krämpfen oder ähnlichen Leiden bewahren können, wie man glaubte. Noch im Jahr 1819 sollte deshalb der bayerische König Max I. Joseph mit dem Fleisch eines in Ettal geschossenen Luchses geheilt werden. Wichtiger und vielseitiger anwendbar waren die Krallen, da besonders sie als Grund für die im wahren Sinn zauberhaften Kletterfähigkeiten des Luchses betrachtet wurden. Ihre Wirkung galt dann als besonders stark, wenn man sie dem lebenden Tier abzwickte.

Luxusgut Luchs »Sein Balg ist in unsern Ländern eines von den schönsten und theuersten Futtern«, schrieb Wolf von Hohberg bereits 1682 über das Luchsfell. Die dichte und weiche Behaarung machten es so begehrt, dass es in der Markgrafschaft Bayreuth obligatorisch dem Oberjägermeister, dem obersten Jagd- und Forstbeamten zustand. Die Erfahrung, daß Liegen auf Luchsfellen von Gliederschmerzen befreie, leuchtet in Anbetracht der wärmenden Wirkung ein. Der vielfältige Nutzen, den man vom Luchs hatte, widersprach eigentlich einer auf Vernichtung der Art ausgerichteten Verfolgung. Auch die historischen Exempel von Steinbock und Murmeltier zeigen ebenso wie das aktuelle Beispiel der Nashörner, daß selbst die volksmedizinisch motivierte Bejagung von derart starken wirtschaftlichen Interessen geprägt sein kann, dass sie zur regionalen oder gar globalen Ausrottung der Art zu führen droht.

Metapher Luchs Pinselohrs Scharfsinnigkeit ist namenprägend gewesen: Das dem Griechischen entlehnte lateinische lynx leitet sich vom scharfen Auge ab. Das althochdeutsche luhs ist die Umschreibung des funkelnden Blickes, dem – sprichwörtlich gewendet – nichts entgeht. So positiv die Scharfsichtigkeit des Luchsauges sein mag, Mitmenschen, die mit dieser sprichwörtlichen Fähigkeit begabt sind, wird mit distanzierter Bewun-

derung begegnet: Jemandem etwas abluchsen, ist seit Jahrhunderten eine Verhaltensweise, mit der man sich weder Freunde noch Vertrauen schafft.

Katze Luchs Verglichen etwa mit dem Wolf ist der Luchs eine Tierart, die vergleichsweise unauffällig lebt und sich genau aus diesem Grund kaum in den mündlichen Traditionen unserer Volkskultur niedergeschlagen hat. Gilt der Wolf in unserer kollektiven Meinung als brutal und im Rudel zuschlagende Art, so wurde dem Luchs aus seiner vom Überraschungseffekt profitierenden pirschenden und ansitzenden Jagdweise als Einzelgänger der Strick gedreht: Immerhin setzt der Luchs seine Jagdaktivitäten auch gegen Haus- und Wildtiere ein, die dem menschlichen Besitzanspruch unterliegen. »Die ökologischen Argumente mögen alle stimmen, das will ich gar nicht leugnen, aber ich kann mir nicht helfen, der Luchs, die Katze, der Charakter des Tieres ist mir unsympathisch.« Diese Äußerung eines Jägers aus dem Schwarzwald, zitiert in der Weltwoche vom 7. Juli 1994, ist ein deutlicher Beleg für das – in diesem Punkt vermutlich unbewusste – Traditionsbewußtsein. Es ist nicht nur typisch für manche Jäger, sondern auch für viele nichtjagende Zeitgenossen, die Katzen wegen deren »eigensinnigen« bis »anarchischen« Verhaltensweisen nicht ausstehen können: Katzen sind Begleiter des Teufels und werden hin und wieder als Blut saugende Monster geschildert. Auch die enge Verbindung mit der Frau geriet der Katze in unserer partriarchalisch geprägten Kultur nicht zum Vorteil, da beide als lüstern, verschlagen und unergründlich gelten.

Raubtier Luchs Nach diesem erklecklichen Katalog an negativen Charaktereigenschaften, die dem Luchs im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte angeheftet wurden, erscheint es als folgerichtig, dass er auch als wildes Raubtier, als »gefährlicher Wilddieb« verschrien und bekämpft wurde, wie das Eingangszitat deutlich macht. Zur Untermauerung der entsprechenden Behauptungen bediente man sich Mitteln der psychologischen Kriegsführung, um mit massiven Übertreibungen den Hass auf dieses Tier zu schüren.

Konfliktmedium Luchs Auch bei realistischen Größenvorstellungen des Luchses wird ihm bisweilen ein unersättlich erscheinender Appetit nachgesagt. Es ist die alte Vorstellung vom »gefährlichen Wilddieb«, die hier zum Tragen kommt. Die ökologische Bedeutung des Luchses in der modernen Kulturlandschaft mit Rehbeständen, die um ein Vielfaches über denen des 18., aber auch des 19. Jahrhunderts liegen, wird dabei vollkommen überschätzt: Heute hat der Luchs keine Chance, die Rehwildbestände großflächig zu regulieren (vgl. den Beitrag von Manfred Wölfl). Dieser Erkenntnis zum Trotz wird der Luchs von einigen Forstleuten als Waldschützer qua Rehvertilgung ins Feld geführt – und eine ganze Reihe von Jägern bangt um die Rehjagd, die sie als vom Luchs erledigt befürchtet. Auf der Basis dieser unrealistischen Hoffnungen wie Ängste wird die Auseinandersetzung um die Intensität der Rehwildbejagung auch auf dem Rücken des Luchses ausgeführt, der in den großen (Staats-)Wäldern seine Kerngebiete in Bayern hat. Die Gegnerschaft zu den Luchsen, zumal wenn sie eingebürgert wurden wie im Böhmerwald und im Bayerischen Wald, wird so bisweilen auch zum Manifest gegen den Nationalpark, aber auch gegen den Staatsforst allgemein.

Ein Fazit und kein Ende Als Fazit aus diesem Streifzug durch die Kulturgeschichte der Beziehung Luchs und Mensch zeigt sich, dass viele Einstellungen, die zum Luchs und zu seiner Rolle in der Kulturlandschaft existieren, zum großen Teil schon Jahrhunderte alt sind. Überlebt haben vor allem die Meinungen zum »unheimlichen Raubtier« Luchs, durch das sich Homo faber, der Macher unserer Tage, in seinem Drang zur Regulierung der letzten Reste unserer natürlichen Umwelt von Konkurrenz belastet sieht.

Der Autor Hubertus Habel, 38, ist freiberuflicher Volkskundler in Coburg. Kontaktadresse: Heckenweg 6b, 96450 Coburg

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Modellhafte Projekte des Bundes Naturschutz für Arten und Biotope

Foto: Werle

Zeichen setzen für die Vielfalt des Lebens

Busch-Nelken in der Sandharlander Heide

Die folgenden Projekte hat Manfred Gößwald zusammengestellt.

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eit 88 Jahren setzt sich der Bund Naturschutz in Bayern (BN) für die Vielfalt des Lebens ein. Seine zentrale Aufgabe, seltene Tiere und Pflanzen zu schützen sowie Lebensräume zu erhalten, hat bis heute nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil, solange neue Straßen und Siedlungsflächen Lebensräume zerstören und zerschneiden, solange Landwirtschaftspolitik Einförmigkeit statt Vielfalt fördert, solange werden Mitglieder des BN für seltene Arten, für Biotope und für deren Vernetzung arbeiten. Dabei setzt der Bund Naturschutz gemeinsam mit Partnern auch größere Modellprojekte des Artenund Biotopschutzes in Bayern um. Derzeit gibt es 30 solcher Projekte, von den Rhönschafen im Norden bis zur Wiederaufforstung im alpinen Bergwald. Sieben davon, über die »Natur+Umwelt« noch nicht berichtet hat, möchten wir ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen. Fachlich basieren all diese Projekte auf dem »Bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramm«, kurz ABSP. Für jeden Landkreis listet ein prall gefüllter Aktenordner mit umfangreichem Kartenwerk die noch vorhandene Vielfalt an Arten und Biotopen auf und beschreibt die für ihren Erhalt notwendigen Maßnahmen. Mit dieser ersten flächendeckenden Fachplanung des Naturschutzes hat das Bayerische Umweltministerium einen klaren Ziel- und Maßnahmenkatalog herausgegeben. Damit er nicht in Regalen verstaubt, initiiert eine im Auftrag des Ministeriums arbeitende ABSP-Umsetzungsgruppe

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modellhafte Projekte und begleitet sie fachlich. Mit den engagierten Fachleuten dieser Gruppe arbeitet der BN bei all seinen größeren Modellprojekten sehr gut zusammen. Was zu einer wirkungsvollen, landesweiten Umsetzung des ABSP fehlt, sind seine bessere rechtliche Verbindlichkeit und vor allem die nötigen finanziellen Mittel aus einem eigenen Titel im bayerischen Haushalt. Alle bisherigen ABSP-Projekte speisen sich aus dem ohnehin zu knappen Topf des regulären staatlichen Naturschutzes. Dort aber übersteigt bereits die Nachfrage für das Vertragsnaturschutz- und das Landschaftspflegeprogramm um ein Vielfaches die bereitgestellten Gelder. Solange der Freistaat für den gesamten Naturschutz weniger als 0,1 Prozent des Staatshaushaltes übrig hat, können weder das ABSP umgesetzt noch der vom Landtag im neuen Naturschutzgesetz verankerte landesweite Biotopverbund realisiert werden. Der BN fordert seit langem circa zwei Millionen Mark für jeden bayerischen Landkreis, damit die Ziele des ABSP tatsächlich in der Fläche erreicht werden können. Eine Umschichtung aus fragwürdigen landwirtschaftlichen Förderprogrammen würde sich dafür anbieten. Erfolgreiche Projekte zeigen, wie sinnvoll jede Mark im Arten- und Biotopschutz angelegt ist. Hier setzt der Bund Naturschutz Zeichen. Seine Modellprojekte führen vor Augen, welche Vielfalt an Arten und Lebensräumen unsere Heimat noch lebenswerter machen könnte. Erfolge im Naturschutz brauchen das Engagement einzelner Personen, die Projekte anstoßen und voranbringen. Die erfolgreiche Umsetzung ist aber nur durch breite Kooperationen zu schaffen, zum Beispiel mit Landschaftspflegeverbänden, Gemeinden oder Naturschutzzentren. Und wenn diese Projekte etwas bewegen, zum »Selbstläufer« werden, Nachahmer finden, dann zählt dies zu den schönsten Erfolgserlebnissen für einen Naturschutzverband. Dr. Kai Frobel, Referent für Arten- und Biotopschutz im Bund Naturschutz

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ie Sandgebiete um die Stadt Abensberg im niederbayerischen Landkreis Kelheim beherbergen einen Schatz: ein Nebeneinander von kalkholden und kalkmeidenden Magerrasen-Typen, wie man es in Bayern nur ganz selten findet. Neben einer Vielzahl gefährdeter Bienenarten sind vor allem die vom Aussterben bedrohte Frühlings-Küchenschelle und die stark gefährdete Busch-Nelke darauf angewiesen, daß diese Lebensräume erhalten und möglichst ausgedehnt werden. Diesem Ziel widmet sich ein vom Bund Naturschutz mitgetragenes Naturschutzprojekt. Der Landschaftspflegeverband koordiniert die Maßnahmen, die der Verdoppelung der bisher zehn Hektar großen Fläche bodensauerer und kalkhaltiger Magerrasen dienen. Ein 24 Hektar großer Pufferbereich soll das Kerngebiet zusätzlich vor schädlichen Außeneinflüssen, besonders vor landwirtschaftlichen Nährstoffeinträgen schützen. Sandharlander Heide

Der Schatz im Dünensand Ein so ehrgeiziges Projekt ist auf die Zusammenarbeit von Partnern angewiesen, die unterschiedlichste Aufgaben jeweils optimal erfüllen. So kann zum Beispiel das Amt für Landwirtschaft als bei den Bauern akzeptierte Institution diesen die Ziele des Vorhabens am besten vermitteln. Die Direktion für ländliche Entwicklung leitete eigens für das Projekt ein Flurbereinigungsverfahren ein und ermöglichte den notwendigen Flächentausch. Der Bund Naturschutz trägt nicht zuletzt mit umfangreichem Flächenankauf zum Gelingen des Vorhabens bei. Kontakt Bund Naturschutz, Kreisgruppe Kelheim, Gmündweg 6, 93309 Kelheim, Tel. 0 94 41-13 19, Fax 0 94 41-40 97

Projektpartner und Förderer

Landkreis Kelheim, Stadt Abensberg, Direktion für ländliche Entwicklung Regensburg, Fachhochschule Weihenstephan, Universität Regensburg, Amt für Landwirtschaft und Ernährung Abensberg, Untere Naturschutzbehörde Kelheim, Höhere Naturschutzbehörde, Landschaftspflegeverband VöF, Bayerischer Naturschutzfonds


Frühlings-Küchenschelle in der Sandharlander Heide

Fotos: Pöppl

Entbuschung in der Sandharlander Heide


Foto: Kreisgruppe Amberg-Sulzbach

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ischteiche prägen große Teile der nordbayerischen Kulturlandschaft. Nordwestlich des Ballungsraumes Nürnberg-Fürth-Erlangen beispielsweise liegt die Mohrhofer Weihersenke. Entstanden aus menschlichen Nutzungsansprüchen hat sich dort ein Paradies für Tiere und Pflanzen entwickelt. In der eng verzahnten Vielfalt unterschiedlichster Lebensräume kann man zum Beispiel über 250 Vogelarten beobachten. Mohrhofer Weihersenke

Foto: Franke

Naturschutz mit Bagger und Raupe Gerade die Kernbereiche des Naturschutzgebietes aber, die Teiche selbst, sind dabei, ökologisch zu verarmen. Verlandungs- und Röhrichtzonen verschwinden immer mehr, Laichkräuter und Seerosen finden sich nur noch in winzigen RestbestänDas Mohrhofer Weihergebiet den. Der dauernde Eintrag von Boden und Nährstoffen aus umliegenden Äckern und der hohe Fischbesatz haben aus dem früher klareren Teichwasser eine »braune Suppe« gemacht – mit fatalen Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt. Ein weiteres Problem sind die teichwirtschaftlich notwendigen Entschlammungen. Oft werden dabei Röhrichtzonen beseitigt und mit dem Aushub angrenzende Feuchtwiesen zerstört. Der Bund Naturschutz führte deshalb im Westfeldweiher eine modellhafte, naturschonende Entschlammung durch. Moorbagger und Moorraupe schoben landwirtschaftlich belasteten Schlamm unter Schonung empfindlicher Uferbereiche ab Kontakt und brachten ihn auf nahe gelegene Bund Naturschutz, Kreisgruppe HöchÄcker. Was folgte, war eine kleine stadt-HerzogenauSensation. Der von jahrzehntealten rach, Ahornweg 7, Schlammschichten befreite frühere 91334 Hemhofen, Teichboden setzte große Mengen Tel. 0 91 95-27 98, keimfähiger Samen frei. Die ArtenFax 0 91 95-49 81 zahl in der Ufervegetation verdoppel Projektpartner te sich dadurch fast, eine große Laubund Förderer froschkolonie konnte sich dort etaLandschaftspflegeblieren. Die Unterwasservegetation verband Mittelschließlich stieg von einer auf 13 Arfranken, Bezirk ten, darunter auch Rote-Liste-Arten Mittelfranken, und sogar das im Naturschutzgebiet Naturschutzbehörverschollene Meer-Nixenkraut. Fehlt den, Fischereifachnur noch, dass eines Tages eine leibbehörden, Teichhaftige Nixe im Westfeldweiher gewirte, Institut für sichtet würde… Vegetationskunde

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chwer haben es Tier- und Pflanzenarten, gar »Biotope«, sich ihren Platz unter all den Dingen zu sichern, die unsere Konsumgesellschaft als »wichtig« vermittelt. Es sei denn, man zeigt den Menschen ihre Schönheit. Genau diesen Weg geht die Kreisgruppe Amberg-Sulzbach des Bundes Naturschutz mit ihrem »Info-Zentrum am Fluss« im Vilstal. Hier können besonders Kinder und Jugendliche spielerisch das Leben im und am Fluss kennenlernen. Teichrosen und Silberweiden, Blaukehlchen und Biber werden ihnen erklären, was es mit dem Begriff »Lebensader Vils« auf sich hat. Info-Zentrum an der Vils

Am Puls der Lebensader Manchem Besucher wird die neue Einrichtung vielleicht bekannt vorkommen, denn der Holzpavillon diente schon auf der Landesgartenschau in Amberg als Besuchermagnet. Für seine endgültige Bestimmung ließen die Naturschützer ihn sozusagen einfach »vilsabwärts treiben«, bis in die Nähe des alten Klosters Ensdorf. Der Standort ist natürlich ganz bewusst gewählt. Im Kloster betreiben die Salesianer Don Boscos eine Umweltstation. Mit deren Räumen und Übernachtungsmöglichkeiten, Lehrpfaden und Biotopen ist das Kloster der ideale Partner des BN-Infohauses. Und der Abschnitt der Vils, der jetzt zum Erforschen und Erleben einlädt, darf nach seiner Renaturierung seit einigen Jahren wieder so frei fließen, wie es einer Lebensader zusteht. Kontakt Bund Naturschutz, Kreisgruppe Amberg-Sulzbach, Bühlgasse 3, 92237 Sulzbach-Rosenberg, Tel. 0 96 61-34 27, Fax 0 96 61-5 38 34

Projektpartner und Förderer Umweltstation Kloster Ensdorf, Wasserwirtschaftsamt Amberg, Gemeinde Ensdorf

und Landschaftsökologie

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Biotopverbund Steinachtal/ Linder Ebene

Naturschutz über Grenzen hinweg

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ie Natur kennt keine Landesgrenzen. Auch ihre Gefährdung macht vor politischen Grenzen nicht halt. Was liegt also näher, als auch Naturschutz grenzübergreifend zu betreiben? Die Linder Ebene und das Steinachtal, Gebiete von überragender Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz, erstrecken sich über die bayerischen Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels sowie über den thüringischen Landkreis Sonneberg. Hier startet nun ein Projekt mit dem ehrgeizigen Ziel eines großen, länderübergreifenden Biotopverbundsystems zwischen Bayern und Thüringen. Die Natur kennt zwar keine Grenzen, aber sie kennzeichnet noch heute den ehemaligen deutsch-deutschen Grenzstreifen. Dessen wertvolle Brachestrukturen bilden als »grünes Band« zusammen mit dem Fließgewässersystem der Föritz den Kern der insgesamt 19 gefährdeten Pflanzengesellschaften, die in dem Projektgebiet vorkommen. Sie beherbergen allein 40 stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Tierund Pflanzenarten. So vielfältig wie die Lebensräume sind die zu ihrem Schutz notwendigen Maßnahmen. Regulierte Bachabschnitte sollen wieder frei fließen, Talauen vernässt, Teiche extensiviert und Äcker in Grünland umgewandelt werden. Entsprechend groß ist die Zahl der beteiligten Institutionen und Menschen. Auch hier hat der Naturschutz einige Grenzen zu überwinden. Kontakt Ökologische Bildungsstätte Oberfranken, Unteres Schloß, 96268 Mitwitz, Tel. 0 92 66-82 52, Fax 0 92 66-64 42

Projektpartner und Förderer

Bund Naturschutz in Bayern, BUND Thüringen, Kreisverband Sonneberg, Landschaftspflegeverbände, Naturschutzbehörden, Wasserwirtschaftsämter, Landkreise, Gemeinden, Bayerischer Naturschutzfonds


Foto: Beyer

Foto: Werle

Naturnaher Teich im Gebiet Steinachtal/Linder Ebene

Knoblauchkrรถte


rstaunlich, was ein kleines, vor unseren Augen verborgenes Tier, das selbst eher für seine Ortsbeständigkeit bekannt ist, so alles in Bewegung setzen kann. Das heißt, eigentlich ist nicht die Bachmuschel selbst der Motor der Dinge, sondern Joe Engelhardt, der sie 1987 im niederbayerischen Kühbach entdeckte, mit seiner BN-Ortsgruppe Gangkofen. Bachmuschel in Kühbach

1000 Erlen spenden Schatten Foto: Willner

Und der Grund für die Vielfalt an Aktivitäten im Rahmen des ABSP-Projektes Kühbach ist die Tatsache, dass viele bestimmte Eigenschaften eines Lebensraumes zusammentreffen müssen, um der empfindlichen, bayernweit vom Aussterben bedrohten Muschel ein Überleben zu ermöglichen. Da ist zum Beispiel die Gewässertemperatur. Weil nur ein beschattetes Gewässer ausreiFlußmuscheln und Bitterlinge, chend kühl und dawichtige Wirtsfische der Muscheln mit sauerstoffreich ist, startete der Bund Naturschutz eigens das Programm »1000 Erlen am Kühbach«. Um die Wasserqualität zu verbessern, wurde eine Kläranlage neu gebaut. Zur Sicherung der Bachsohle verwendet man statt Granit jetzt nur noch Kies, der als Lebensraum für Jungmuscheln notwendig ist. Davon profitieren auch kieslaichende Fische wie die Elritze, die wiederum als Wirtsfische für die in Bayern nur noch äußerst selten funktionierende Vermehrung der Muscheln notwendig sind. Um den Eintrag von Erde, die den Kies verschlammt, zu verringern, wurden Erosionsmulden angelegt und beim Maisanbau die Kontakt Mulchsaat propagiert. Bund Naturschutz, Viele verschiedene Maßnahmen Ortsgruppe Gangalso für eine einzige Art. Aber nicht kofen, Am Bahnnur für sie. Denn von allen Aktivitähof 1, 84140 Gangten im Rahmen des Kühbach-Projekkofen, Tel. 0 87 22tes profitieren viele weitere Lebe9 40 20, Fax 0 87 22wesen. Die genannten Fische zum 9 40 22 Beispiel, alle Tiere und Pflanzen des Projektpartner Wassers, die auf dessen Reinheit anund Förderer gewiesen sind, und mit ihnen letztlich Landkreis Rottalauch der Mensch. Inn, Amt für Landwirtschaft, StMLU, Büro danner & partner, Europäische Union

enn Naturschützer zu »Arbeitern im Weinberg« werden, dann nicht, um sich einen edlen Tropfen zu sichern, sondern dem Blutströpfchen seinen Lebensraum. Und natürlich vielen anderen seltenen Tier- und Pflanzenarten, die an den trockenen, warmen Muschelkalkhängen um Untererthal nahe Hammelburg noch beheimatet sind. Die ehemaligen Weinberge gehören zu den wenigen bayerischen Biotopen so seltener Arten wie des Roßkümmels, der hier einen von landesweit nur zwei Standorten hat. Zwei schwer wiegende Gefahren drohen diesen wertvollen Lebensräumen. Die Verbuschung durch Schlehen und Kiefern verkleinert die offenen Flächen. Und der notwendige

Naturschutz per Nutzungsvertrag

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m Samerberg im Landkreis Rosenheim gibt es noch HangQuellmoore. Dieser Biotoptyp, einer der bundesweit am stärksten gefährdeten, konzentriert seine meist nur wenige Hektar großen Flächen im bayerischen Voralpenraum. Viele seltene Tier- und Pflanzenarten finden hier eine Heimat, zum Beispiel die vom Aussterben bedrohte HelmAzurjungfer. Es waren menschliche Nutzungsformen wie die Streunutzung, die Quellmoore vielfach erst voll zur Ausprägung kommen ließen. Diese Bewirtschaftung ist heute nicht mehr rentabel, die Landwirte müssen sich zwischen intensiverer Nutzung und Brache entscheiden. Beides zerstört die empfindlichen Lebensgemeinschaften. Der Weg zur Rettung der Quellmoore am Samerberg führt also über die Einsicht und die Mitarbeit der Landwirte. Als größter Erfolg des dortigen Arten- und Biotopschutz-Projektes ist deshalb zu werten, dass eine beauftragte Biologin bereits neun Landwirte für Naturschutzverträge gewinnen konnte. Um die wertvollen Lebensräume auf Dauer zu sichern, muss die Beratung der Landwirte fortgeführt werden – und natürlich ihre

Biotoppflege am Samerberg Bezahlung. Sonst droht der bayernweit häufig zu beklagende Fall, daß fachlich hervorragende Schutzkonzepte aus Geldmangel nicht umgesetzt werden können. Abgesehen von begrenzten Flächen, die ehrenamtlich gepflegt werden, wie ein Quellmoor am Samerberg im Besitz des Bundes Naturschutz, das aktive Mitglieder seit vielen Jahren regelmäßig mähen. Kontakt Bund Naturschutz, Kreisgruppe Rosenheim, Steinböckstr. 7, 83022 Rosenheim, Tel. 0 80 31-1 28 82, Fax 0 80 31-1 28 34

Projektpartner und Förderer

Untere Naturschutzbehörde Rosenheim, Dipl.-Biologin Christiane Mayr

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Quellmoore am Samerberg

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Landschaftsplan Untererthal

Arbeiter im Weinberg

Foto: Kreisgruppe Rosenheim

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Genaustausch mit anderen Trockengebieten ist kaum noch möglich. Dazwischenliegende Areale werden als intensiv bewirtschaftete Äcker zu unüberwindlichen Barrieren. Was gegen diese Gefahren zu tun ist, steht im Landschaftsplan der Stadt Hammelburg. Die BN-Kreisgruppe Bad Kissingen – erstmalig tritt ein Umweltschutzverband als Träger einer Landschaftsplan-Umsetzung auf – verfolgt dabei parallel zwei Strategien: fachgerechte Pflege und/oder biotopsichernde Nutzung zum einen, zum anderen ökologische Aufwertung der landwirtschaftlichen Flur durch neue Streuobstwiesen und Hecken. Auf Dauer kann das Projekt nur gelingen, wenn Grundbesitzer und Öffentlichkeit ihm positiv gegenüber stehen. Mit Infoveranstaltungen und jeder Menge »Klinkenputzen« konnten die Naturschützer bereits viel erreichen. Nun wird mit Hilfe eines Bürger-Arbeitskreises ein Erlebnisund Informationsspazierweg mit dem schönen Namen »Kunterbunte Untererthalrunde« erarbeitet. Kontakt Bund Naturschutz, Kreisgruppe Bad Kissingen, Am Neuen Stein 59, 97762 Hammelburg, Tel. 0 97 32-41 48, Fax 0 97 32-7 90 55

Projektpartner und Förderer

Büro Dietz und Partner, Landschaftspflegeverband, Stadt Hammelburg, Europäische Union (5b-Projekt), Freistaat Bayern, Regierung von Unterfranken, Untere Naturschutzbehörde Bad Kissingen, Forstamt Hammelburg, Familie Ruppert


Fotos: Dietz

Biotopvernetzung

Ein Zahnfl체gelbl채uling und verschiedene Widderchen besuchen eine Flockenblume im Gebiet um Untererthal


Foto: Mlnarik

Foto: Rauenbusch

Größtes bayerisches Naturschutzprojekt in Franken

Im Sommer 2000 fiel nach mehrjähriger Vorarbeit der Startschuss für die »SandAchse Franken«. Von Bamberg bis Weißenburg drehen sich ihre Aktivitäten in den nächsten Jahren rund um den Sand und seine Bewohner.

Foto: LBV-Archiv

Startschuss für die SandAchse

Lebensraum Sand

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or rund 50 Vertretern aus Politik, Verwaltung und Verbänden eröffnete Umweltminister Werner Schnappauf im September in Nürnberg feierlich das neue und bayernweit größte Naturschutzprojekt. Das Projektgebiet erstreckt sich über 2 000 Quadratkilometer Fläche von Bamberg im Norden bis Weißenburg im Süden (siehe Karte) und umfasst seltene Sandlebensräume mit ihrer Flora und Fauna. Mit dem Startschuss gab der Umweltminister seine Zusage, die SandAchse für die gesamte Laufzeit zur »Chefsache« zu machen. Gruppen und Verbände, aber auch viele Einzelpersonen haben sich für die Verwirklichung dieses Projekts engagiert. Ihre Zeit und Energie haben sie keineswegs in, sondern vielmehr »auf den Sand gesetzt«. Denn Sandle-

bensräume, wie es sie in den Tälern von Regnitz, Pegnitz und Rednitz noch gibt, sind faszinierend.

Wunderwelt Sand Nur mit Hilfe ausgefeilter Strategien – die sie zugleich eng an ihren Lebensraum binden – gelingt Tieren und Pflanzen das Überleben in dieser extremen Umwelt. Denn Sandböden speichern Wasser und Nährstoffe schlecht und heizen sich in der Sonne stark auf. Die intensive UV-Strahlung belastet die Lebewesen und verwehter Sand verschüttet Pflanzen ganz oder teilweise. So schützt sich das Silbergras durch zusammengerollte, blaugraue bis silberne Blätter gegen Wasserverdunstung und Sonneneinstrahlung. Die sehr seltene Sand-Strohblume bewerkstelligt dies durch dichte Behaarung, und Sukkulenten wie der Mauerpfeffer lagern dazu Wasser in die fleischigen Blätter ein. Sandbe-

Gemeinsam für den Sand Foto: Niedling

(v. l.): Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesbeauftragter des BN, Umweltminister Dr. Werner Schnappauf, Michael Webersinn, Umweltreferent der Stadt Nürnberg.

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Solche in Bayern seltenen Binnendünen waren bis ins letzte Jahrhundert hinein noch unbewaldet und in Bewegung. An das Leben im und mit dem Sand sind Tierarten wie die seltene Blauflügelige Sandschrecke oder der Ziegenmelker bestens angepasst.

wohnende Tiere wie der Ziegenmelker meiden vielfach die Tageshitze und sind erst nachts aktiv. Sandspezialisten sind auch zahlreiche Insektenarten, darunter der Ameisenlöwe, Wildbienen und Grabwespen, die ihre Brutröhren im lockeren Sand graben, und die gut getarnte Blauflügelige Sandschrecke, die im Lauf der Jugendentwicklung ihre Körperfärbung an den jeweiligen Untergrund anpasst. Ihre Schönheit offenbaren die Vertreter der seltenen und eigentümlichen Sandwelt meist nur geduldigen Beobachtern. Dieses bescheidene Auftreten und die Lage ihrer letzten Lebensräume nahe den Ballungsräumen in den fränkischen Flusstälern gefährden die Sandbewohner aus Flora und Flora mittlerweile massiv.

Lust auf Sand Hier setzt die »SandAchse Franken« an, zu der sich die Landkreise Bamberg, Forchheim, Erlangen-Höchstadt,


Nürnberger-Land, Fürth, Roth und Weißenburg-Gunzenhausen, die kreisfreien Städte Bamberg, Erlangen, Nürnberg, Fürth und Schwabach sowie der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL), der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Bund Naturschutz (BN) zusammengeschlossen haben. Die breite Kooperation kam durch den Einsatz der seit 1993 bestehenden Arbeitsgruppe SandAchse, der Trägerverbände und des DVL-Vorsitzenden MdL Josef Göppel zu Stande. Das Management liegt beim neuen »Projektbüro SandAchse«, das dank der BN-Kreisgruppe Erlangen und ihrer Vorsitzenden Doris Tropper im Natur- und Umweltschutzzentrum Erlangen angesiedelt ist.

Auf Sand setzen 2,3 Millionen Mark stehen dem Projekt in den ersten beiden Jahren zur Verfügung. Davon sind 1,8 Millionen Fördermittel des Bayerischen Naturschutzfonds aus Erlösen der GlücksSpirale, der Rest stammt aus Eigenmitteln der Projektpartner. Die Gelder werden für Pacht und Erwerb von wertvollen Lebensräumen eingesetzt, aber auch für Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit, Fachplanungen und Forschung. Ungewohnte Aktionen sollen dabei die Lust auf Sand wecken: Im Landkreis Forchheim bauten über 400 Kinder um die Wette fantasievolle Sandburgen, die vom stellvertretenden Landrat Gregor Schmidt prämiert wurden. Schulklassen dieses Landkreises besuchen auf Initiative der Unteren Naturschutzbehörde zusammen mit geschulten Referenten Sandlebensräume. Dem Lebensraum Sand war die Naturschutzwoche im Naturschutzgebiet Hainberg südlich von Fürth gewidmet, zu der die Naturschutzbehörden des Landkreises Fürth und der Stadt Nürnberg sowie die FH Weihenstephan / Triesdorf eingeladen hatten. Unter dem Motto »Natur auf Sand – Natur in unserer Hand« entdeckten dabei mehrere hundert Kinder mit Sand-Memory und Binokularen spielerisch die Welt der Silbergrasfluren. Im Internet (www.sandachse.de) können sich Interessierte über Sandlebensräume und den aktuellen Projektstand informieren und sich mit Fachleuten austauschen. Sandlebensräume sind oft durch Bewirtschaftung entstanden. Eine

angemessene Nutzung – etwa die Beweidung durch Schafe oder gezielter Getreideanbau auf Sandäckern – kann helfen, sie langfristig zu sichern. Auf ihren »Nebenflächen«, an Gleis- und Straßenrändern, in Wohnund Gewerbegebieten, könnten große Flächeneigentümer wie Energieversorger oder die Bahn AG durch entsprechende Nutzung und Pflege neue Sandlebensräume fördern. Dafür haben die fünf kreisfreien Städte im Rahmen des Projektes eigens die »Agentur SandAchse« im Umweltrathaus Nürnberg eingerichtet. Mit ihrer Arbeit will die »SandAchse Franken« diesen Teil unserer Kulturlandschaft erhalten – als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als Erholungsraum und Naturerlebnis für die Menschen. Brigitte Weinbrecht, Tom Konopka (asw)

www.sandachse.de Unter dieser Adresse ist das Projekt im Internet vertreten – mit Bildern ausgewählter Lebensräume, Hintergrundinformationen, Ansprechpartnern und Aktuellem aus der Projektarbeit. Für Anregungen und Informationsaustausch sorgt vor allem das Diskussionsforum, durch das ein deutschlandweites Wissensnetzwerk zum Thema Sandlebensräume entstehen soll. Weitere Informationen erhalten Sie beim Projektbüro SandAchse, Pfaffweg 4, 91054 Erlangen, Tel. 0 91 31- 97 73- 58, Fax -65, E-Mail projekt@sandachse.de, Internet: www.sandachse.de.

Im Überblick Das Projektgebiet der »SandAchse« umfasst Flächen von sieben Landkreisen und fünf kreisfreien Städten – insgesamt über 2000 Quadratkilometer. In der Karte sind 18 ausgewählte Sandgebiete in Franken dargestellt, die neben weiteren Informationen im Faltblatt »Sandlebensräume zwischen Weißenburg und Bamberg« aufgeführt sind. Es ist beim Projektbüro SandAchse erhältlich (Adresse siehe oben).

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Das grüne Netz des Bundes Naturschutz Rhön-Grabfeld Kronach Coburg

Hof

Bad Kissingen

Schweinfurt

Aschaffenburg

Kulmbach

Lichtenfels

Haßberge

Wunsiedel

MainSpessart SchweinfurtLand

Bamberg

Tirschenreuth

Bayreuth

Kitzingen Forchheim

Würzburg HöchstadtHerzogenaurach

Miltenberg

Neustadt an der Aisch

Neustadt an der Waldnaab/Weiden

Fürth-Land

Erlangen

AmbergSulzbach

Nürnberger Land

Fürth

Schwandor f

Nürnberg Ansbach

Cham Neumarkt

Roth

Regensburg

BN-Kreisgruppen WeißenburgGunzenhausen

Pacht in ha Eigentum in ha

Regen StraubingBogen FreyungGrafenau

Kelheim

Eichstätt Donau-Ries 1–5 ha

5 – 10 ha

10 – 50 ha

über 50 ha

Ingolstadt NeuburgSchrobenhausen Dillingen

Pfaffenhofen

Landshut

AichachFriedberg Günzburg

Rottal-Inn

Freising

Augsburg Dachau

Neu-Ulm

Erding Fürstenfeldbruck Memmingen/ Unterallgäu

Kaufbeuren/ Ostallgäu

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Rosenheim WeilheimSchongau

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Bad Tölz/ Wolfratshausen

Lindau

Mühldor f am Inn Altötting

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Landsberg a. Lech

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Kempten/ Oberallgäu

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DingolfingLandau

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Karte: BN/Gorbach

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Berchtesgadener Land

GarmischPartenkirchen

Über 2200 Hektar schutzwürdige Lebensräume in ganz Bayern werden derzeit vom Bund Naturschutz betreut und gesichert – wahre Kleinode bayerischer Natur- und Kulturlandschaft als Arche Noah für gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Dabei ist vom Schutz einzelner Arten über das Pflanzen von Streuobstwiesen bis hin zu großflächigen Pflegeaktionen alles vertreten, was modernen Arten- und Biotopschutz ausmacht.

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Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«

Foto: Herbert Grabe

Bayerns Arche Noah


Knotenknüpfer, Fadenzieher, Netzwerkbastler Wichtige Adressen und Ansprechpartner im BN-Artenschutz Das grüne Netzwerk des Bundes Naturschutz wird von vielen tausend aktiven Mitgliedern und Mitarbeitern geknüpft. Auch Sie können daran mitwirken, indem Sie selbst aktiv werden oder eine Spende geben. Jede Art der Beteiligung ist gleich willkommen und wertvoll. Denn nur gemeinsam können wir ein starkes Band knüpfen, um das Netz des Lebens immer dichter zu weben! Für Ihre Fragen und Anregungen finden Sie hier wichtige Ansprechpartner:

Referat Arten und Biotopschutz Leiter Dr. Kai Frobel Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg Bauernfeindstraße 23 90471 Nürnberg Tel. 09 11- 8 18 78 19 Fax 09 11 - 86 95 68 k.frobel@lfg.bund-naturschutz.de

Sekretariat Brigitte Mader Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 09 11- 8 18 78-18 Fax 09 11- 86 95 68 b.mader@lfg.bundnaturschutz.de

Artenschutzreferat Südbayern Leiter Dr. Christian Magerl Fachabteilung München Pettenkoferstraße 10a/I 80336 München Tel. 0 89 - 54 82 98 64 Fax 0 89 - 54 82 98 18 ch.magerl@fa.bundnaturschutz.de

Sekretariat Helga Wessely Fachabteilung München Pettenkofer Str. 10a/1 80336 München Tel.0 89 - 54 82 98-63 Fax 0 89 - 54 82 98 18 fa@bund-naturschutz.de

Projekt zur Wiederansiedelung der Europäischen Wildkatze Günther Worel Postfach 40 94343 Wiesenfelden Tel. 0 99 66-7 77 Fax 0 99 66-4 90

Biberberater Nordbayern Markus Schmidbauer Jahnstr.16 93093 Donaustauf Tel. 0 94 03 - 96 99 12 Handy 01 71 - 5 39 22 12 Fax 0 94 03 - 9 52 95 55 Markus.Schmidbauer@t-online.de

Südbayern Gerhard Schwab Hundldorf Deggendorfer Str. 27 94533 Mariaposching Tel. 0 99 06-6 77 und 791 Handy 01 72-6 82 66 53 Fax 0 99 06 - 9 41 06 gerhard.schwab@t-online.de

Referenten mit Artenschutzschwerpunkten Christine Margraf (FFH, Auenschutz) Fachabteilung München Pettenkofer Str. 10a /1 80336 München Tel. 0 89 - 54 82 98 - 89 Fax 0 89 - 54 82 98 18 ch.margraf@fa.bund-naturschutz.de Helmut Schultheiß (Streuobst) Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 09 11-8 18 78-13 Fax 09 11-86 95 68 h.schultheiss@lfg.bund-naturschutz.de Tom Konopka (Stadtbrachen, Naturschutz in der Stadt, Sandachsen-Projekt) Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 09 11-8 18 78-24 Fax 09 11-86 95 68 t.konopka@lfg.bund-naturschutz.de Liana Geidezis (Grünes Band) Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg Bauernfeindstr. 23 90471 Nürnberg Tel. 09 11-8 18 78-17 Fax 09 11-86 95 68 l.geidezis@lfg.bund-naturschutz.de Arbeitskreis Artenschutz Sprecher Ulf Zeidler Am Neuen Stein 59 97762 Hammelburg-Diebach Tel. 0 97 32-41 48 Fax 0 97 32-78 25 85

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Bonjour Bienen, willkommen Wie die Hautflügler zu Glücksbringern des Naturschutzes wurden

Als mit dem Besitzwechsel der Muggenbacher Tongruben vor kurzem eines der größten Ankaufprojekte des Bundes Naturschutz über die Bühne ging, spielte eine bisweilen unterschätzte Tiergruppe eine Hauptrolle: Die Hautflügler, also Bienen, Wespen und Ameisen, waren am Ende ausschlaggebend dafür, dass das 23 Hektar große, 950 000 Mark teure und in Bayern einzigartige Biotop im Landkreis Coburg gesichert werden konnte. Doch nicht nur diese Geschichte ist Anlass dafür, die wunderschönen Wildbienen und Wespen einmal ganz groß herauszustellen …

Die Autoren Klaus Mandery, 1948 bei Bad Kissingen geboren, ist Gymnasiallehrer für die Fächer Biologie, Chemie und Erdkunde in Ebern. Seit 16 Jahren ist er Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Haßberge. Er hat sich auf Hautflügler spezialisiert, eine für die Bewertung von Trockenlebensräumen hervorragend geeignete Artengruppe, mit der er in Franken schon einige Naturschutzerfolge erzielte. Kontakt: Hermann-Löns-Str. 16, 96106 Ebern, Tel. + Fax 0 95 31-85 95, E-Mail Mandery@t-online.de

Roland Günter, 1962 in Aachen geboren, ist Revierförster in Seßlach. Seit fast 20 Jahren betreibt er biologischwissenschaftliche Naturfotografie. Reportageveröffentlichungen in Zeitschriften wie »Geo«, »Terre Sauvage« oder »Airone« und Publikationen in wissenschaftlichen Fachblättern dokumentieren die Qualität seiner Bilder. Kontakt: Sudetenstr. 14, 96145 Seßlach, Tel. + Fax 0 95 69-2 32, E-Mail Roland.Guenter@planet-interkom.de

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Wespen und Hut ab Hummeln!

Foto: Roland Günter

Erdhummel

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Bonjour Bienen…

Kleine Wespe und großes Biotop Erst seit kurzem ist der Bund Naturschutz Besitzer der Muggenbacher Tongruben im Landkreis Coburg. Dort hat sich in über hundert Jahren ein bayernweit einmaliger Lebensraum entwickelt. Dass daraus keine Reststoffdeponie wurde, dafür war am Ende ein Gutachten verantwortlich – und eine Grabwespe.

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Graue Grube Charakteristisch für die Muggenbacher Tongruben sind farbige Tone, die vielen Arten mit einem Anspruch auf offenen Boden einen idealen Lebensraum bieten.

m Coburger Land unweit der Grenze zu Thüringen bahnte sich Ende der siebziger Jahre ein Drama an – in einer Landschaft, in der doch alles in Ordnung zu sein schien. An den Staatsforst südwestlich von Seßlach-Gemünda schließen sich im Bereich der »Tonberge« die Privatwaldungen der Grafen zu Ortenburg an. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts wurden in diesem Areal schwarze, graue und rote Tone abgebaut und in der Steinzeug-, Steingutund Porzellanindustrie verwendet. Der Abbau vollzog sich, von Norden her mit grauen Tonen beginnend, fortlaufend in südliche Richtung. So entstand zuerst die Graue Grube, an deren südlichen Rand sich die Rote Grube anschließt. Noch bis in die heutige Zeit wurden hier in extensiver Weise rote Tone gewonnen.

sten strukturellen und kleinklimatischen Voraussetzungen vor, die in individueller Form von Tieren für die Balz, den Nestbau, die Eiablage oder als Nahrungsgrundlage genutzt werden. Beachtenswert ist dabei, dass es solche Gegebenheiten inzwischen in Mitteleuropa äußerst selten gibt. In der Regel befinden sich Abbauflächen inmitten intensiv genutzter Agrarlandschaften. Ständiger Input von Pestiziden in Verbindung mit meist kleinerer Arealgröße verhindert

Schlacke der Müllverbrennungsanlage Coburg. Und 1987 manifestierte sich dieser Gedanke zu einem Raumordnungsverfahren für die Rote Grube. 1989 starteten die ersten geologischen und hydrogeologischen Vorerkundungen, 1993 folgten schließlich Umweltverträglichkeitsprüfung und technische Planung. Die 1995 vorliegenden Prüfungsergebnisse stellten dem Gelände ein schlechtes Umweltzeugnis aus, so dass nichts gegen die Errichtung einer Reststoffdeponie zu sprechen schien.

Grabwespe als Rettungsanker Dagegen gründete sich eine Bürgerinitiative, die 1988 gemeinsam mit dem Bund Naturschutz und dem Landesbund für Vogelschutz bei der Unteren Naturschutzbehörde die Unterschutzstellung der Tongrube beantragte. Anfang der neunziger Jahre folgte schließlich bei der Höheren Naturschutzbehörde der Antrag auf Ausweisung als Naturschutzgebiet. Doch den Anstrengungen war vorerst kein Erfolg beschieden. Erst 1995, als bereits alles zu spät zu sein schien, spielte das Glück eine entscheidende Rolle: Die

Die Farbtöne der Tongruben Der Tonabbau zum Ende des letzten Jahrhunderts schuf vegetationsfreie Flächen mit tonigem und sandigem Bodenmaterial. Flache, leicht nach Süden geneigte Flächen wechseln mit teils steilen Abbruchkanten ab. Zahlreiche Vertiefungen sind ganzjährig mit Wasser gefüllt. Während sich außerhalb des Grubenareals aufgrund der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft sowie der Flurbereinigungsmaßnahmen die Lebensbedingungen vieler Tiere drastisch verschlechterten, konnten sich innerhalb der Tongruben mit wachsender Ausdehnung der Abbaufläche große, eigenständige Tierpopulationen entwickeln. Die rundum geschlossene Einbettung der Gruben in den Wald bedeutet nicht nur eine wirksame Abpufferung gegenüber negativen Einflüssen von außen. Sie schafft in den gesamten Randbereichen zusätzlich ökologisch wertvolle Grenzstrukturen mit hohen Totholzanteilen, windstillen Licht- und Schattenbereichen und zusätzlichen Pflanzenarten. So liegen in den Gruben viele verschiedene Lebensraumtypen mit unterschiedlich-

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die langfristig erfolgreiche Besiedlung durch empfindliche Arten. Im Laufe der Zeit hat sich in den Tongruben Muggenbach ein hochkarätiges Artenspektrum eingefunden: Bekassine und Gelbbauchunke in den Feuchtbereichen, Eisvogel und Steinkrebs am Bachabfluss, Ziegenmelker, Heidelerche und Turteltaube oberhalb der Abbruchkanten, um nur einige Beispiele zu nennen. Und wie sich in den Feuchtbereichen bedeutsame Libellenarten ansiedelten, fanden sich auf den trockenen Flächen nicht nur Ameisenlöwen und verschiedene Sandlaufkäferarten, sondern auch viele Hautflügler ein.

Reststoffdeponie statt Arche Noah? Die Idylle blieb leider nicht ungestört. Das Drama begann 1977: Bereits damals sollte ein Raumordnungsverfahren dazu führen, die Graue Grube als Hausmülldeponie zu nutzen. 1978 entwickelte sich dann der Planungsgedanke »Reststoffdeponie« für die

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Bürgerinitiative »Schutzgemeinschaft Muggenbach«, der Fotograf Roland Günter und der Naturschützer Klaus Mandery lernten sich kennen und schmiedeten eine neue Allianz, die alle Kräfte für ein Naturschutzgebiet »Tongruben« bündeln sollte. Die bisher bestellten Experten hatten den Gruben nur mindere Qualität bescheinigt. Um das zu widerlegen, baute Klaus Mandery auf eine Tiergruppe, die gerade in Abbaugebieten ihre speziellen Einnischungen hat und auf Rohbodenstandorte spezialisiert ist. Die Hautflügler mussten ran. Vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst dauerten die Beobachtungen, an deren Ende ein überwältigendes Ergebnis stand: 132 Bienenarten, 40 Grabwespenarten, acht Wegwespenarten, 17 Faltenwespenarten, zwölf Goldwespenarten und eine Art der


Bienenameisen waren in den Muggenbacher Tongruben per Handfang festgestellt worden. Mit Blattwespen und Ameisen waren es insgesamt 225 Arten, von denen 78 Arten auf der Roten Liste der bedrohten Tiere Bayerns verzeichnet waren. Neben drei »vom Aussterben bedrohten Arten«

gung eines bestimmten Wespenhabitats. Mit der Erfassung dieser Tiergruppe und unter Einbeziehung ihrer Ansprüche ist eine weiterführende Bewertung eines Ökosystems möglich. Auch dieser Umstand trug in dem in den Muggenbacher Tongruben erstellten »Hautflügler-Gutach-

BN wird Eigentümer Von der systematischen Artanalyse über die Ökologie von Abbaustellen bis hin zur naturschutzpolitischen Bewertung spannten sie den Bogen ihrer Betrachtungen, die keine Fragen offen ließen. Allein, es reichte immer noch nicht. Die Grabwespe

Fotos: Roland Günter

In welchem Maß mit dieser kleinen Grabwespe mit dem Namen Psen exaratus Naturschutzpolitik gemacht werden kann, ist ein Phänomen.

fand sich auch eine verschollene Art wieder. Noch spektakulärer war jedoch ein Neufund für Bayern: die Grabwespe Psen exaratus. Gerade über die in den Gruben vorkommenden Grabwespen lieferte die Untersuchung wichtige Aussagen: Jede Wespenart trägt für ihre Brut nur bestimmte, für sie spezifische Beutetiere in das Nest ein, seien es Fliegen, Blattläuse, Zikaden, Schmetterlingsraupen, Wanzen, Heuschreckenlarven, Spinnen, Käfer, Bienen oder Schaben. So kann also immer beim Nachweis einer Wespenart in logischer Konsequenz auch auf das Vorhandensein ihres individuellen Beutetieres geschlossen werden. Da sich die fertig entwickelten Wespen in der Regel vom Nektar bestimmter Pflanzen ernähren, lässt ihre Anwesenheit zusätzlich auch qualitative wie quantitative Rückschlüsse auf die vorhandene Vegetation zu. Die Spezialisierung bei der Nestbauweise an die Boden-, Holz- oder Steinstrukturen liefert weitere Informationen hinsichtlich der Ausprä-

ten« maßgeblich zu der hohen ökologischen Bewertung des Geländes bei. Doch ein gutes Gutachten bedeutete zwar eine wertvolle Grundlage, aber noch lange nicht den Schutz der Tongruben.

Die Macht der Medien Die Bürgerinitiative war deswegen für den Dauerprotest unbedingte Voraussetzung. Nur mit diesem Hintergrund und mit dem Gutachten konnte die neue Strategie erfolgreich sein. In deren Mittelpunkt stand, wie eine Heldin, die Grabwespe. Mit unglaublicher Ausdauer und unter Einsatz aller medientechnischer Möglichkeiten sollte das Feld bereitet werden, um das Grubenareal als Naturschutzgebiet auszuweisen. Nur damit schien ein Ende der Planung als potentieller Deponiestandort sichergestellt. Weitere Wissenschaftler sollten sich äußern, um alle Zweifler zu überzeugen. Die Professoren Konrad Schmidt (Karlsruhe), Harald Plachter (Marburg) und Hubert Weiger (Nürnberg) verfehlten ihre Wirkung nicht.

Neben Sachverstand und Engagement war schließlich auch noch das liebe Geld gefragt. Denn während die Deponiebauer allmählich klein beigaben und den Antrag auf Errichtung der Reststoffdeponie zurückzogen, war der Grundeigentümer nicht sofort von der neuen Situation begeistert. Wie sollte ihm auch klar gemacht werden, dass das große Geschäft mit dem Müll nicht mehr zu verdienen war, dass aber der Naturschutz ein Gewinn für alle, also auch für ihn sein könnte? 950 000 Mark ließ sich der Bund Naturschutz schließlich das Gelände (Boden, Baumbestand und Abbaurechte!) mit seinem einzigartigen Stellenwert für den Naturschutz in Bayern kosten. 85 Prozent steuerte der Bayerische Naturschutzfonds bei. Stolze 23 Hektar gingen so in den Besitz des BN über. Am 1. Mai 2000 wurde das Areal als Naturschutzgebiet ausgewiesen und ist damit auch endgültig der Deponiestandort gestorben. Die kleine Grabwespe Psen exaratus hat ihren Beitrag dazu geleistet.

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Muggenbach grüßt »Naturschutz für Muggenbacher Tongruben« heißt eine eigene kleine Postkartenserie, die im Naturschutzzentrum Seßlach, 96145 Seßlach, erhältlich ist.


Bonjour Bienen… Porträt einer Bienen-Schönheit

Sie heißt Mohnbiene, weil sie Gegenden bevorzugt, wo der Klatschmohn blüht. Doch obwohl wieder mehr Felder in der roten Pracht der Mohnblumen erglühen, werden die einzelgängerischen Mohnbienen immer seltener.

S

Bild oben: Blick in das Nest der Mohnbiene Bild unten: Die Mohnbiene entfernt eine vom Wind angewehte Kleeblüte vom Nesteingang.

ie ist scheu und ängstlich und hat eine Fluchtdistanz von mehreren Metern. Lauert man ihr am Nest auf, verschwindet sie nach kurzem Auftauchen für ein bis zwei Stunden, ehe sie wieder vorsichtig nachschaut, ob die Gefahr vorüber ist. Die Rede ist von der Mohnbiene (Osmia papaveris), einer Wildbiene, die nach heutigem Kenntnisstand kurz vor dem Aussterben steht – und die mit Sicherheit niemanden sticht. Die blattschneidende Mauerbiene fällt bereits durch ihr Äußeres auf: Etwa halb so groß wie eine Honigbiene, wird ihr dunkler Körper von weißlichen Haarkränzen geziert. Die dichte Behaarung auf der Brustoberseite leuchtet fuchsrötlich. Besonders die großen blauen Augen vermögen einen in ihren Bann zu ziehen. Die größte Faszination geht jedoch von ihrer Lebensweise aus: Als Meister der Baukunst stellt sie hohe Anforderungen an das Baumaterial. Für ihr Vorhaben kommt deshalb nur eine bestimmte Pflanze in Frage – der Klatschmohn.

große Brutkammer ausgehöhlt. Anschließend schneidet die Mohnbiene mit ihren Kiefernzangen in rasender Geschwindigkeit aus KlatschmohnBlütenblättern etwa fingernagelgroße Blattstücke heraus. Während des Schneidevorgangs werden die bereits losgelösten Blütenblattstückchen unter dem stark gekrümmten Bienenkörper kugelförmig zusammengerafft. Ist das gesamte Blattstück vom restlichen Blütenblatt getrennt, kippt die Mohnbiene nach hinten ab, schiebt sich hierbei den vorgeformten Mohnblütenball zwischen die Kiefernzangen und fliegt zum Nest.

Fotos: Roland Günter

Blaue Augen, roter Samt

Eine Tapete aus rotem Samt An den warmen, sonnigen Tagen der Flugperiode, die je nach Witterung von Mitte Juni bis Mitte Juli dauert, gräbt das Weibchen der Mohnbiene eine drei bis vier Zentimeter tiefe Neströhre senkrecht in leicht verfestigten, sandig-lehmigen Boden. Hierbei arbeitet sie sich beißend vor; mit ihren starken Kiefernzangen löst sie das Bodenmaterial, ergreift es, trägt es rückwärts aus dem Nesteingang heraus und fliegt fort. Im Umkreis von etwa einem Meter um das zukünftige Nest lässt sie den »Erdaushub« dann einfach fallen, fliegt zurück zur Baustelle und holt die nächste Ladung. Außer dem kleinen Eingangsloch im Boden deutet nichts auf die Bautätigkeit der Mohnbiene hin, die weiträumige Verteilung des Bodenmaterials beseitigt alle Spuren. Am Ende des Nesteingangs wird eine etwa 1,5 Zentimeter

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Nun werden die Nestinnenwände mit den Mohnblütenblättern austapeziert. Für die Auskleidung eines Nestes benötigt die Biene – je nach Anzahl der angelegten Brutzellen – 20 bis 40 Blütenblattstückchen. Sie beginnt mit dem Tapezieren des Nesteingangs und arbeitet sich dann bis zur Brutkammer vor, wobei die Mohnblütenteile im Eingangsbereich ähnlich einer Manschette einige Millimeter über dem Boden herausragen. Deren Bedeutung ist völlig unklar, verlieren sie doch bereits nach

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wenigen Minuten in der Sonne ihre frische rote Farbe. Und nach wenigen Stunden ständigen Herein- und Herausfliegens der Biene brechen die trocknenden Blattteile ab. Auch die Frage, warum die Biene die Nestinnenwände austapeziert, ist letztlich ungeklärt. Vielleicht aber schützen die Mohnblütenblätter mit ihrer konservierenden Wirkung die Bienenlarve und verhindern das Verpilzen des Larvenfutters. Nach Abschluss der Tapezierarbeiten wird die Brutzelle zu zwei Dritteln


gen Attacken behindern die Weibchen deutlich beim Nestbau. Denn bereits losgelöste Blütenblattstückchen gehen bei den überfallartigen Begattungsangriffen der Männchen in der Regel verloren. Dies kostet viel Energie und zieht den Bruterfolg einer gesamten Population in Mitleidenschaft. Ab Flugzeitmitte, zwei bis drei Wochen nach Erscheinen der ersten Tiere, nimmt die Zahl der männlichen Bienen merklich ab und die Weibchen können endlich mit deutlich wenigeren Störungen ihre Nester austapezieren.

mit Pollen und Nektar verschiedener Pflanzen wie Kornblume, aber auch Klatschmohn, Natterkopf und Ackerwitwenblume ausgestattet. Danach belegt die Biene die Oberfläche des in der Brutzelle angelegten »Bienenkuchens« mit einem Ei und verschließt die Zelle mit mehreren Lagen frischer Mohnblattstückchen. Dabei beißt die Biene die Mohntapete des Nesteinganges und der Neströhre ab und stopft sie, vermischt mit Erdmaterial der Nestwand, in die Röhre. Zum Schutz vor Schmarotzern kehrt die Biene zuletzt herumliegendes lockeres Bodenmaterial über den Nesteingang, so dass nichts mehr auf dessen Existenz hinweist.

Geschlechterkampf nach Bienenmanier Wenige Tage nach der Eiablage schlüpft die Mohnbienenlarve. Sie ernährt sich vom feuchten Brei des Nektar-Pollen-Gemischs und verpuppt sich noch im gleichen Jahr. Den Winter verbringt sie als Puppe im Boden. Die Mohnbienenmännchen erscheinen einige Tage vor den Weibchen. Sie suchen sofort die nähere

Bild oben: Am Nesteingang wird diese Mohnbiene von einer Ameise attackiert. Bild Mitte: Ein MohnbienenMännchen Bild unten: Die Oberkiefer-Scheren der Mohnbiene

KLEI N E WI LDBI EN EN-VARIATION eim Stichwort Biene denken viele zunächst an die Honigbiene des Imkers. Sie stellt jedoch nur eine von weltweit über 20 000 Bienenarten dar. Allein aus Deutschland sind mehr als 500 Arten bekannt. Die Größe der wildlebenden Bienen, der Wildbienen, reicht von drei Millimetern bis zu drei Zentimetern. Sehr viele Arten sind dicht behaart. Weitgehend unbehaarte Wildbienen können in ihrem Aussehen den uns bekannteren Wespen ähneln, zumal sie ebenfalls häufig gelb-schwarz gezeichnet sind. Wildbienen gehören zur Insektenordnung der Hautflügler, zu Insekten, deren zwei Flügelpaare häutigdurchsichtig sind. Wie ihre nächsten Verwandten, die Wespen, besitzen auch die Weibchen der Wildbienen einen Stechapparat, sind jedoch ausgesprochen friedlich. Unsere bekannteste Wildbienengruppe ist zweifelsfrei die der Hummeln, von denen in Deutschland rund dreißig verschiedene Arten vorkommen. Wie bei keiner anderen Tiergruppe können bei Wildbienen die unterschiedlichsten Stufen der sozialen Organisation beobachtet werden. Die Palette reicht dabei von einzeln lebenden »Solitärbienen« – dies gilt für den überwiegenden Teil der Arten – bis hin zu Kolonien bildenden, sozialen Bienenarten. Für den Naturhaushalt und damit auch für uns Menschen haben Wildbienen eine Bedeutung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Nicht nur die Bestäubungsleistung der Honigbienen sorgt dafür, dass Wildund Nutzpflanzen Samen bilden können. Gerade Pflanzen, für deren Blüten der Rüssel der Honigbiene zu kurz ist oder deren Blüten so klein sind, dass sie Honigbienen nicht anfliegen, sind auf Wildbienen als Bestäuber angewiesen.

B

Umgebung nach Blüten des Klatschmohns ab und erwarten hier die ersten Weibchen. Einer Patrouille gleich werden die Blütenköpfe auf sich wiederholenden Routen abgeflogen. Das Männchen schwirrt dabei mit hoher Geschwindigkeit im Seitwärtsflug an der Mohnblüte vorbei, die riesigen blauen Augen zur Blüte gerichtet. So ist es in der Lage, jede Bewegung und jeden dunklen Körper im Bereich der Blüte trotz der eigenen hohen Geschwindigkeit sofort zu entdecken. Alles Erspähte, ob kleine Käfer oder riesige Hummeln, werden als vermeintliche Weibchen sofort angeflogen. Irrtümer werden oft erst beim Kopulationsversuch bemerkt. Taucht ein Weibchen auf, wird es bereits vor dem Erreichen der Mohnblüte im Flug oder spätestens beim Blattschneiden attackiert, zu Boden geworfen und begattet. Manchmal stürzen sich sogar mehrere liebestolle Bienenmänner recht unsanft auf ein weibliches Tier, das dann große Mühe hat, sich aus der Umklammerung wieder zu befreien. Die ständi-

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Foto: Mandery

Bonjour Bienen‌

Mit Bienen und Wespen auf Du und Du Was jetzt fĂźr den Erhalt einer reichen Bienen- und Wespenfauna getan werden kann.

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Foto: Roland GĂźnter

propagierte Lehmwand und die Nisthilfenmontage sind ein Weg, die HautflĂźgler anzulocken. Im Sinne des Naturschutzes geht deren Wirkung aber leider nicht Ăźber die eines naturnahen Hausgartens hinaus – die Illusion echter Bestandshilfe sollte man damit nicht aufbauen. Was dabei aber viel mehr zählt, ist die MĂśglichkeit, die Arten aus nächster Nähe zu beobachten. Nisthilfen, die mit GlasrĂśhrchen versehen sind und somit den Blick auf die Brutzellen freigeben, haben einen hohen umweltpädagogischen Wert – gerade fĂźr Kinder. Viel Geduld ist bei der Errichtung einer Lehmwand angesagt, lassen sich deren Bewohner doch meist recht lange

Den ersten bayerischen Lehrpfad zum Thema Wildbienen konnte die BNKreisgruppe HaĂ&#x;berge einrichten.

Foto: Mandery

In die Wildbienenwand der Umweltstation ÂťHaus der Schwarzen BergeÂŤ in Bad BrĂźckenauOberbach sind neben Nisthilfen auch Informationen integriert.

Bienenlehrpfad

Foto: Schenk

Wildbienenwand

ie meisten Arten der HautflĂźgler sind Bewohner der offenen Landschaft. FrĂźher fanden sie in Mitteleuropa ständig offene, vegetationsfreie Landschaftsteile mit grabbarem Bodensubstrat vor allem in den Schwemmbereichen von FlieĂ&#x;gewässern und auf BinnendĂźnen. Beide Biotoptypen sind heute selten. Es ist eine groĂ&#x;e Aufgabe des Naturschutzes, diese Strukturen wieder neu zu schaffen – indem die Flussauen renaturiert und die BinnendĂźnen von Aufforstungen befreit werden. Zwischenzeitlich kommt den vom Menschen geschaffenen Lebensräumen fĂźr den Schutz von auf Rohbodenflächen angewiesenen Arten eine wichtige Bedeutung zu. Solche ÂťLebensräume aus zweiter HandÂŤ von Bewuchs freizuhalten, ist eine zentrale Pflegeaufgabe zum Schutz bodenbrĂźtender Bienen und Wespen. Viele Arten sind auf KäferfraĂ&#x;gänge in Laubholz und Obstbäumen als Neststandort angewiesen. Mehr Streuobstflächen mit einem gewissen Anteil dicker, gut besonnter abgestorbener Ă„ste ist als allgemeines Naturschutzziel ohnedies anerkannt. Auch im Wald wäre der Erhalt eines gewissen Bestandes ausreichend dicker alter LaubhĂślzer äuĂ&#x;erst wĂźnschenswert, was zugleich dem Vogelschutz dienen wĂźrde. Die vielerorts

Schulgarten-Nistsäulen (re. Bild) Im Schulgarten des Friedrich-RßckertGymnasiums in Ebern wird im Insektenschutz experimentiert. Die Wohnsäulen fßr Hautflßgler imitieren einen abgestorbenen Baum.

Zeit, bis sie sich zur Nestanlage in dem kĂźnstlichen Bau bequemen. Besonders interessant zu beobachten ist aber auf jeden Fall die Aktivität der Goldwespen (groĂ&#x;es Foto) an den kĂźnstlichen Nistgeräten.

Bienenwelt in BĂźchern und BroschĂźren í˘ľ

í˘˛

í˘ą Bellmann, H. (1995): Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos Verlag, Stuttgart. í˘˛ Bellmann, H. (1999): Der neue Kosmos-InsektenfĂźhrer. KosmosVerlag, Stuttgart. í˘ł BN-Kreisgruppe HaĂ&#x;berge (D. Will): Praktische Tipps zum Schutz von Wildbienen. Erhältlich bei der BNGeschäftsstelle HaĂ&#x;berge: Tränkberg 6, 97437 HaĂ&#x;furt; Tel./Fax 0 95 21-71 13; E-Mail Bund-NaturschutzHassberge@t-online.de

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í˘´ BN-Kreisgruppe Landshut (E. Scheuchl): Wildbienen – wie kann diesen bedrohten Insekten geholfen werden? – Infodienst Nr. 23. Erhältlich bei der BN-Geschäftsstelle Landshut: Altstadt 105, 84028 Landshut; Tel. 08 71-2 37 48 und 22390, Fax 27 42 07; E-Mail bund-naturschutz @ bnla. baynet.de í˘ľ Hintermeier, H. (1994): Bienen, Hummeln, Wespen in Garten und in der Landschaft. Obst- und Gartenbau-

Natur + Umwelt BN-Magazin ÂťSonderausgabe Naturschutz 2001ÂŤ

verlag, MĂźnchen. í˘ś Seeley, Th. D. (1997): Honigbienen. Im Mikrokosmos des Bienenstocks. Birkhäuser Verlag, Basel. í˘ˇ Westrich, P. (1997): Wildbienen am Haus und im Garten – Arbeitsblätter zum Naturschutz 22, Staatliche Naturschutzverwaltung Baden-WĂźrttemberg, Karlsruhe. Zu beziehen Ăźber die Landesanstalt fĂźr Umweltschutz Baden-WĂźrttemberg, Griesbachstr. 1– 3, 76185 Karlsruhe


Die Mehlprimel schlägt Alarm. Die leuchtende Farbe ihrer Blüte signalisiert ihre Gefährdung. Wie alle rotblühenden Primelarten steht sie unter gesetzlichem Schutz. Natürlich ist das Farbsignal ganz anders gemeint: Das Rot der Blütenblätter lockt Insekten an. Der gelbe Ring am Blütenschlund weist den Weg zum Nektar, an den nur Falter und Hummeln mit ihren langen, dünnen Rüsseln herankommen. Damit das perfekte Zusammenspiel zwischen Mehlprimeln und Insekten wie seit Jahrtausenden weitergehen kann, schützt der Bund Naturschutz deren gefährdete Lebensräume. Wir mähen Streuwiesen, kämpfen gegen den weiteren Schwund von Feuchtflächen. Weil die Natur gefährdet ist, sind wir aktiv. Seit 1913.

Fotos: blw Naturstudio, Brigitte und Ludwig Werle, Buchhofen, Schmiedgraben 8, 93342 Saal a. d. Donau

Roter Alarm


Miltenberg

MainSpessart

Würzburg

Bad Kissingen

Ansbach

Neustadt an der Aisch

Kitzingen

SchweinfurtLand

Schweinfurt

Rhön-Grabfeld

Bamberg

Fürth

Roth

Nürnberg

Erlangen Nürnberger Land

Neumarkt

Bayreuth

Kulmbach

Kronach

Fürth-Land

Forchheim

Lichtenfels

Coburg

Tirschenreuth

Wunsiedel

Hof

Schwandor f

Begleitet werden all diese Aktivitäten von wissenschaftlichen Untersuchungen, um neue Erkenntnisse zu erhalten, die dann wiederum zum Nutzen des Naturschutzes eingesetzt werden. Nachzulesen gibt es die Ergebnisse aus Forschung und Arbeit vor Ort in der Schriftenreihe »Bund Naturschutz Forschung«, in der bisher vier Bände erschienen sind. In den jährlich stattfindenden Veranstaltungsreihen »Naturschutzforschung in Südbayern« in der BNUmweltstation Wartaweil und »Naturschutzforschung in Franken« im Naturschutzzentrum Wasserschloss Mitwitz wird die Brücke von den erlangten Erkenntnissen hin zu neuerlichen und konkreten Anwendungen in der Praxis geschlagen.

Cham

Zwei Biologen sind im Auftrag des BN dem Storchschnabelbläuling auf der Spur (Eichstätt).

freundeten Naturschutzverbänden oder Landschaftspflegeverbänden durchgeführt werden. Hinzu kommen acht Erfolgskontroll- und 16 Kartierungsprojekte, acht Konzeptstudien und 15 Naturschutz-Großprojekte in alleiniger BN-Trägerschaft. Für diese BN-Projekte arbeiten jährlich circa 70 Biologen, Landschaftsplaner und Ökologen, was den BN zum mit Abstand größten Auftraggeber für freiberufliche Biologen in Bayern macht. Auch beim Biotopschutz macht der Bund Naturschutz Nägel mit Köpfen: Um besonders schützenswerte Flächen wirklich sicher vor zerstörerischen Eingriffen zu bewahren, erwarb der BN allein im Jahr 2000 Flächen im Wert von 1 790 000 DM.

Neustadt an der Waldnaab/ Weiden

AmbergSulzbach

gruppen, die vom Amphibienschutz bis zur Streuobstaktion reichen. Naturschutzarbeit im BN, das sind derzeit zum Beispiel sechs spezielle Artenhilfsprogramme für vom Aussterben bedrohte oder hoch gefährdete Arten sowie 17 Umsetzungsprojekte im Rahmen des Arten- und Biotopschutzprogrammes Bayern (ABSP), die meist in Zusammenarbeit mit Landkreisen, Kommunen, be-

HöchstadtHerzogenaurach

Haßberge

Stechimmen – wichtige Bioindikatoren bei einem Kartierungsprojekt im Mittleren Maintal, Haßberge.

ie untenstehende Karte zeigt Ihnen Ort und Art aller größeren BN-Umsetzungs- und Forschungsprojekte im Arten- und Biotopschutz des Jahres 2000 – vom 1000-TümpelProjekt über den Schutz der Flußperlmuschel bis zum Projekt SandAchse Franken. Nicht in der Karte aufgeführt sind weitere Hunderte von Biotoppflegeaktionen und Artenschutzmaßnahmen der Kreis- und Orts-

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Pilot Sebastian Wein dokumentiert aus der Vogelperspektive mögliche Auswirkungen der Windkraft auf flugfähige Insekten.

Aschaffenburg

72 große Naturschutzprojekte mit einem Gesamtvolumen von 1,5 Millionen Mark im Jahr 2000 – damit ist der Bund Naturschutz im Natur-, Artenund Biotopschutz landesweit die Nummer eins.

Die großen Naturschutzprojekte des BN in Bayern

Mit Kopf, Herz und Gummistiefeln

Fotos: BN-Archiv Artenschutz


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Lindau

BN-Mitarbeiter Christian Jorda bei der Biberkartierung im Landkreis Pfaffenhofen.

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Kempten/ Oberallgäu

Neu-Ulm

Kaufbeuren/ Ostallgäu

Memmingen/ Unterallgäu

Günzburg

Dillingen

Dachau

München

Umweltstationen

Kartierungen und Bestandserfassungen von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten

Erfolgskontrolle und Optimierung vor allem von Pflegemaßnahmen und Pflegemethoden

Erstellung von wissenschaftlichen Konzepten als Grundlage für die Umsetzungsprojekte

Große Umsetzungsprojekte des Bundes Naturschutz

Spezielle Artenhilfsprogramme für vom Aussterben bedrohte oder hoch gefährdete Arten

Umsetzungsprojekte im Rahmen des Arten- und Biotopschutzprogramms Bayern (ABSP)

Rosenheim

Ebersberg

Erding

Landshut

Regensburg

Kelheim

Miesbach

Freising

Pfaffenhofen

Bad Tölz/ Wolfratshausen

Starnberg

Fürstenfeldbruck

GarmischPartenkirchen

WeilheimSchongau

Neumarkt

Ingolstadt

Eichstätt

NeuburgSchrobenhausen

AichachFriedberg

Landsberg a. Lech

Augsburg

Donau-Ries

WeißenburgGunzenhausen

Roth

Mühldor f am Inn

Rottal-Inn

Traunstein

Altötting

DingolfingLandau

StraubingBogen

Cham

Diese Kühe weiden mit Genuss und pflegen gleichzeitig auf sanfte Weise die Landschaft (Mühldorf).

Passau

FreyungGrafenau

BN-Mitarbeiterin Ursula Fees beim Kartieren für das Arten- und Biotopschutz-Projekt Samerberg.

Berchtesgadener Land

Deggendor f

Regen

Karte: BN/Gorbach


Eine Erfolgsgeschichte wartet auf ihr Happy-End

Dem Biber auf der

ersten Widersacher schon erneut das schnelle Ende für den sanften Nager. Dagegen setzt der Bund Naturschutz das Programm »Biberberater in Bayern«: Qualifizierte Biberberater helfen unbürokratisch vor Ort bei Problemfällen, organisieren Flächenankäufe und bieten ein breites Informationsangebot. Das soll helfen, die Zukunft des Bibers in Bayern auf Dauer zu sichern. Helfen Sie mit!

Foto: Schmidbauer

Foto: Silvestris/Meyers

Die Wiedereinbürgerung des Bibers in Bayern, die der Bund Naturschutz 1966 – genau hundert Jahre nach dem Abschuss des letzten Bibers – startete, ist eine der großen Erfolgsgeschichten des Naturschutzes. Jetzt wartet das »Werk« auf seine Vollendung. Denn obwohl das scheue Tier gerade erst begonnen hat, sich wieder in seiner seit Millionen Jahren angestammten Heimat zu etablieren, forderten die


Foto: Reinhard-Tierfoto

Spur

»Die nagen immer rundrum, damit der Baum auch umkippt. Die machen das so: Mit dem Oberkiefer haken sie die Zähne im Biberzähne Holz fest, mit dem Unterkiefer rücken sie dann Zentimeter für Zentimeter auf. Wenn ich so nagen täte, dann täten mir die Zähne ausfallen.« Kinderkommentar aus der RundfunkSendung »Jetzt geht’s los« zu einer naturkundlichen Freizeit der Jugendorganisation des Bundes Naturschutz.


Fotos: Leidorf

Auf zu neuen Ufern!

Von Kai Frobel

Der Autor Dr. Kai Frobel, 41, ist Referent für Arten- und Biotopschutz und stellvertretender Landesbeauftragter im BN. Der DiplomGeoökologe promovierte an der Uni Bayreuth mit dem Thema »Naturschutz in einer fränkischen Kulturlandschaft – Biogeographische Analyse regionaler Verbreitungsmuster von Tier- und Pflanzenarten.«

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as ist los mit dem Biber in Bayern? Auf der einen Seite das friedliche Miteinander von Mensch und Tier in den meisten Regionen, wo die heute etwa 1200 Biberfamilien leben. Viele Anwohner haben dort noch gar nicht gemerkt, dass es den Biber überhaupt – wieder – bei uns gibt. Auf der anderen Seite beherrschten Mitte der 90er Jahre bissige Schlagzeilen die Lokalpresse – insbesondere aus den Landkreisen Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen sowie aus der Oberpfalz. »Es rumort an der Biber-Front«, hieß es da. Fernsehberichte zeigten erboste Landwirte, die sich sicher waren: »Der Biber gehört nicht in unsere Kulturlandschaft.« »Nach den Ratten jetzt eine Biberplage?« fragte an anderer Stelle der oberpfälzer Bauernverband und forderte »geeignete Maßnahmen zur Eindämmung«. Was einige CSULandtagsabgeordnete und manche Funktionäre des Bauernverbandes darunter verstanden, war schlicht der Abschuss des Bibers.

Sündenbock Biber Der Biber – ein bayernweites Problem? Mitnichten: Der nachtaktive Nager zählt zu den seltensten Säugetierarten des Freistaates und steht auf der amtlichen Roten Liste der in Bayern gefährdeten Tierarten. Er genießt den besonderen Schutz der Bundesartenschutzverordnung und der sogenannten FFH-Richtlinie der Europäischen Union. Der Umfang der Schadensfälle wird meist gewaltig übertrieben. Es kommt lediglich in 20 Prozent der bayerischen Biberreviere zu Konfliktsituationen mit der Land-, Forst oder Teichwirtschaft. Schadensfälle treten v. a. in intensiv landwirtschaftlich genutzten Räumen, an Entwässerungsgräben, an Teichen,

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an Dämmen und Deichen sowie in Siedlungsnähe auf. Der BN hat einen eigenen Härtefonds für anders nicht behebbare Schadensfälle eingerichtet: von 1995 bis 2000 zahlten wir landesweit 15 000 DM pro Jahr (durchschnittlich ca. 20 Fälle jährlich). Da gibt es ganz andere »Schäden« in der Landschaft, von um Dimensionen höheren Verbissschäden überhegten Schalenwildes bis zu erodierten Ackerböden, die unsere Gesellschaft eher beschäftigen sollten. Das Rätsel hat drei Ursachen: Zum einen breitete sich das Tier spürbar aus, Mitte der 90er Jahre besonders vom Donauraum in die Oberpfalz. Zum anderen besiedelte es durchaus auch Gräben und kleinflächige Feuchtbiotope in intensiv genutzter Agrarlandschaft. Und schließlich wurde es von einzelnen Politikern und Funktionären hemmungslos benutzt, um sich besonders in Wahlkampfzeiten zu profilieren. »Biber gegen Landwirt«, das war eben ein gutes, weil vermeintlich so einfaches Thema, auch für die Berichterstattung in den Medien. Und schon hatte die verbale Treibjagd begonnen. Vor 130 Jahren hatte blindwütige menschliche Verfolgung die Biber in Bayern ausgerottet. 1966 kamen die fleißigen Holzarbeiter zurück – in den Transportkisten des Bundes Naturschutz, der mit seinem Wiedereinbürgerungsprojekt im Konsens mit dem bayerischen Landwirtschaftsministerium die Grundlage zur erfolgreichen Heimkehr des Bibers schuf (dazu der Beitrag von Hubert Weinzierl auf S. 37). Bereits 1991 hat ein Gutachten des Umweltministeriums vorhergesagt, dass ausgehend vom Verbreitungszentrum an der mittleren Donau um Ingolstadt in den nächsten Jahrzehnten der anpas-

Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«

Der Biber ist Symbol für die dringend notwendige Renaturierung unserer überstrapazierten Talauen (Foto li.). Pufferstreifen zwischen Äckern und Gewässern, neue Auwälder und damit Rückhalteräume für Hochwasser helfen dem Biber wie dem Menschen (Foto re.).

sungsfähige Biber wieder alle geeigneten Gewässer in Bayern besiedeln würde.

Biber und Bauern Der Biber lebt im ufernahen Gewässerbereich und nutzt fast ausschließlich einen Uferbereich in weniger als 20 Meter Entfernung vom Gewässer. Biber sind reine Pflanzenfresser und ernähren sich im Sommer von Kräutern und Gräsern. Wenn allerdings der Acker zu nah am Gewässer liegt oder dem Fluß der Auwald fehlt, dann greifen sie auch auf den kalorienreicheren Mais oder auf Zuckerrüben zurück. Diese Fraßschäden durch den Biber werden von den Landwirten häufig toleriert, denn oft wären die Kosten für die sachverständige Schätzung des Schadens höher als der eigentliche Ertragsausfall. Allerdings fordern Bund Naturschutz und Bayerischer Bauernverband gemeinsam, daß der früher mögliche Ausgleich für Fraßschäden wieder eingeführt wird.

Biber und Bäume Im Winter ernährt sich der Biber von der Rinde und von den Zweigen der Weichhölzer wie Pappel oder Weide, aber auch Nadel- oder Obstbäume sind vor ihm nicht sicher. An Fließgewässern, deren dichter Ufersaum schon vor Jahrzehnten vom Menschen beseitigt wurde, fällt ein vom Biber geknickter Baum besonders auf und beunruhigt manche Spaziergänger, Waldbesitzer oder Anwohner. Nur stellt sich die Frage, ob die Aufregung gerechtfertigt ist, wenn gleichzeitig für ein Teilstück einer nordbayerischen Autobahn eine Million Bäume für immer gerodet werden. Im übrigen sind die Weichhölzer in den Fortsetzung auf S.38


Der lange Weg vom Don zur Donau Hubert Weinzierl über die Rückkehr des Bibers

Die Heimkehr des Bibers in die bayerischen Auwälder ist einer der ganz großen Erfolge der Naturschutzpolitik. Denn in einer Zeit des großen Artensterbens ist jede zurückgeholte Tier- oder Pflanzenart Wiedergutmachung an der Schöpfung und fördert die Stabilität des Naturhaushaltes.

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Der »Vater« der bayerischen Biber schutz schlägt außerdem einen Biberfonds für Härtefälle vor und will vor Ort Biberberater einsetzen. Im übrigen sollten wir dem Zeitgeist widerstehen und das Dasein von Mitgeschöpfen nicht nur dulden, wenn dafür Geld bezahlt wird. Leben und leben lassen – diese alte bayerische Devise sollte auch für das Miteinander von Mensch und Schöpfung gelten. Und bei zwanzig Milliarden Subventionen für die Landwirtschaft, die wir für richtig halten und gemeinsam mit den Landwirten verteidigen, muss eben auch der »Kleine Bruder Biber« drin sein.

Naturschutz aus der Holzkiste

Foto: Weyers

nde der sechziger Jahre war eine gute Zeit für den Naturschutz in Bayern. Im Vorfeld des für 1970 ausgerufenen ersten Europäischen Naturschutzjahres wurden nicht nur die Schaffung eines ersten deutschen Nationalparks im Bayerischen Wald und die Errichtung eines wiederum ersten Umweltministeriums vorangetrieben, sondern der Deutsche Naturschutzring eröffnete auch die Diskussion, welche Tierarten sich – sozusagen als Wiedergutmachung – in unser Land zurückholen lassen. In Frage kamen dabei sehr wenige Arten, nämlich nur solche, die zwar aus den verschiedensten Gründen ausgerottet worden waren, deren Lebensraum aber noch vorhanden war. Für Bayern waren das drei Großtiere, nämlich der Biber, die Wildkatze und der Luchs. Vor über dreißig Jahren, 1966, startete der Deutsche Naturschutzring das »Projekt Biber«, welches später vom Bund Naturschutz in Bayern übernommen und weiter betreut wurde, aber von Anbeginn auch ein Stück bayerischer Naturschutzpolitik war: Es fand sowohl materielle als auch administrative Unterstützung von den Behörden und wurde mit viel Sympathie von Fachleuten und Politikern begleitet. Der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel, Bayerns Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann und der für den Naturschutz in Deutschland seinerzeit zuständige (es gab noch lange kein Bundesumweltministerium) Landwirtschaftsminister Josef Ertl begrüßten die Heimkehrer in unsere Auen freundlich.

Foto: Wagner

1966 sandte mich Bernhard Grzimek im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach Russland, um in der berühmten Biberforschungsstation Grafskaja bei Woronesch Erfahrungen für die Wiederansiedelung von Bibern, die seinerzeit übrigens von mehreren Staaten betrieben wurde, zu sammeln. Schließlich sollte ich russische Biber vom Don an die Donau zurückholen, dorthin, wo über ein Jahrhundert zuvor der letzte Biber ausgerottet worden war. Am 5. November 1966 trafen die ersten beiden Biberpaare aus Moskau ein, später kamen noch polnische und schwedische Biber hinzu, die wir in das 15 Hektar große Einbürgerungsgehege am Zusammenfluss von Abens und Ilm bei Neustadt an der Donau brachten. Sie bildeten den Grundstock der bayerischen Biberpopulation. Ein weiterer Einbürgerungsschwerpunkt waren die Stauseen am Unteren Inn. Bernhard Grzimek sagte damals: »Für so ein Projekt braucht man einen großen Grundbestand und einen langen Atem.« Er hatte recht, denn im ersten Jahrzehnt gab es viele Rückschläge, bis endlich die Population so stark war, dass sie langsam die Donau und ihre Nebenflüsse besiedeln konnte. Heute, dreißig Jahre später ist der »Kleine Bruder Biber« mit schätzungsweise 1200 Biberfamilien wieder ein fester, aber immer noch bescheidener Bestandteil der bayerischen Fauna geworden.

Natürlich hat der Biber auch zu Konflikten zwischen Naturschützern und Landwirten geführt, vor allem dort, wo Maisäcker zu nahe an Bäche und Flüsse gepflanzt wurden. Aber letztlich ist der Biber ein sensibler Bioindikator für verfehlte Landnutzung wie falsche Wasserbaupolitik. Durch das Angebot von Kulturlandschaftsprogrammen, speziell auch entlang von Biberlebensräumen, trägt daher der amtliche Naturschutz heute dazu bei, diese Konflikte zu entschärfen. Die Wasserwirtschaftsbehörden kaufen zudem Uferstreifen entlang der Flüsse auf. Der Bund Natur-

1966 – genau hundert Jahre, nachdem der letzte Biber in Bayern geschossen worden war – kehrte »Meister Bockert« in den Transportkisten des Bundes Naturschutz an Donau und Inn zurück (im Vordergrund rechts BNLandesgeschäftsführer Helmut Steininger).

Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«

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»Seit über dreißig Jahren setze ich mich für den Biber ein.Was wir erreicht haben, kann sich sehen lassen.« Hubert Weinzierl.


Der Biber – ein Urbayer, der seit zwanzig Millionen Jahren bei uns heimisch ist – dient heute mancherorts als Sündenbock für Versäumnisse in der Landwirtschafts- und Umweltpolitik. Mit Biberberatern vor Ort will der Bund Naturschutz das »Feindbild Biber« abbauen. Denn es gibt Möglichkeiten des Miteinanders, die den Bibern und den Menschen nützen!

Foto: Schaffland

Lasst die Biber leben!

Biber-Paten gesucht 150 Mark muß der Bund Naturschutz pro Biber aufwenden, um dessen Zukunft in Bayern zu sichern. Soviel geben manche schon für ein Plüschtier aus! Sie können dafür die Patenschaft für einen bayerischen Biber übernehmen. Als Dankeschön gibt es die Urkunde von Hubert Weinzierl. Spendenkonto 88 44 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 700 205 00, Stichwort »Biberspende«.

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rei Menschengenerationen lang, von 1867 bis 1966, war der Biber aus der bayerischen Kulturlandschaft verschwunden. In dieser Zeit ging vieles an Kenntnis über die Lebensweise des Nagers verloren. Die Erfahrungen des Bundes Naturschutz mit der Landesgartenschau 1996 in Amberg, wo ein 300 Quadratmeter großes Biberfreigehege vier tagaktive und an Menschen gewöhnte Zootiere beherbergte und zigtausende von Besuchern in seinen Bann zog, zeigen ein überwältigendes

Interesse an dieser Tierart und zugleich große Wissensdefizite. Zahlreiche Konfliktfälle beruhen allein auf dieser Ursache, aber auch darauf, dass in Sachen Biber kompetente Biologen als Ansprechpartner fehlen, die rasch vor Ort präsent sind, wenn der Biber auftaucht. Vor allem aber müssen einzelne Schadensfälle von Landwirten ernst genommen werden. So darf es nicht passieren, daß der Landwirt bei der Vielzahl von beteiligten Institutionen aus Landwirtschaft, Wasserwirtschaft

Fortsetzung von S.36 Auen seit Jahrmillionen an den Fraß des Bibers angepasst und treiben neu aus. Die kurzfristig entstehenden kleinen Lücken im Auwald bieten zahllosen lichtliebenden Pflanzenund Tierarten neuen Lebensraum. Markante Einzelbäume können notfalls auch durch hüfthohe Drahtgitter geschützt werden, was vielerorts schon praktiziert wird. Auch die Befürchtungen, dass Biber Hochwasserdämme unterminieren könnten, wurden bisher nicht bestätigt. Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt hat zudem im Donauraum gute Erfahrungen mit am Dammfuß eingegrabenen Drahtgittem gemacht. Problematischer für Landwirte sind Fress-, Flucht- und Verbindungsröhren, die der Biber nah an der Oberfläche baut: Traktoren und Erntemaschinen können einbrechen und Schäden in Höhe von 2000,– bis 3000,– DM verursachen. Derartige Einbrüche treten aber zu 93 Prozent im Abstand von zehn Metern zum Fließgewässer auf.

Landnutzung an unseren Flüssen und Bächen: Oft reicht der Acker bis an die Gewässeroberkante, ganze Talauen, ehemals nur mit Wiesen genutzt, sind selbst im Hochwasserbereich in Ackerflächen umgebrochen. An vielen Flüssen besteht nur noch ein dünner und lückiger Saum von einzelnen Uferbäumen. Aus grünen Talauen wurden ausgeräumte braune Ackerlandschaften. Bislang hatten die menschlichen Eingriffe keine unmittelbaren negativen Folgen für Landwirte. Ob der Sumpfrohrsänger oder der Kleinspecht aus den Uferzonen verschwand, ob Naturschützer oder Wasserwirtschaftsämter die Ackernutzung viel zu nahe am Gewässer monierten – es war folgenlos. Der Biber macht als typische Tierart der Talräume und Uferbereiche durch seine Lebensraumansprüche und seine beachtliche Größe nun »Probleme«, genauer: er macht auf die Fehlentwicklungen und die Probleme einer intensiven Landnutzung aufmerksam. Darin liegt aber auch die zentrale Chance der Diskussion um den Biber: Sie öffnet den Blick auf unhaltbare Zustände an den Fließgewässern. Und da arbeiten Biber und Wasser-

Äcker oder Auen Ursache fast all dieser »Biberprobleme« ist letztlich die viel zu intensive

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Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«

und Naturschutz sowie Möglichkeiten aus Vertragsnaturschutz und Kulturlandschaftsprogramm von einer Behörde zur anderen weitergeschoben wird. Denn das baut tatsächlich und verständlicherweise Aggressionen auf! Für die Akzeptanz des Bibers in Bayern ist es also unverzichtbar, dass für betroffene Land-, Forst- und Teichwirte rasch und unbürokratisch eine fachlich versierte Beratung vor Ort bei Problemfällen angeboten wird. Im Herbst 1996 begann deshalb ein Modellversuch für ein professionelles Bibermanagement im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, der unter Federführung der Höheren Naturschutzbehörde, Regierung von Oberbayern, 1997 auf die gesamte Region Ingolstadt ausgedehnt wurde. Auf Grundlage dieser sehr guten Erfahrungen konnte der Bund Naturschutz mit großzügiger Förderung des Bayerischen Naturschutzfonds und mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen im Januar 1998 ein landesweites Projekt »Biberberatung« aufbauen. Zu diesem Zweck sind bis 2003 die Wildbiologen Markus Schmidbauer und

wirtschaft Hand in Hand. Diese fordert wie der Bund Naturschutz mindestens 20 Meter breite Pufferstreifen zwischen Landnutzung und Fließgewässer, die nicht bewirtschaftet werden. Hier könnten sich dann wieder Brachflächen und Auwald entwickeln.

Ein ökologischer Flussbaumeister Die bayerischen Wasserwirtschaftsämter wollen dies keineswegs allein dem Biber zuliebe, und es ist nur ein Zufall, daß die aus Gewässerschutzgründen heute geforderten 20 Meter Breite identisch sind mit den Lebensraumansprüchen des Bibers. In den letzten Jahren hat die öffentliche Hand in Bayern über 120 Millionen DM für den Erwerb von 2200 Hektar Uferstreifen und uferanliegenden Grundstücken ausgegeben. Leider sind an vielen bayerischen Gewässern die Uferstreifen von fünf bis maximal zehn Meter Breite aber noch zu schmal. Oft werden sie auch nicht als Brache mit der Chance des Aufkommens auwaldähnlicher Strukturen behandelt, sondern unterliegen weiterhin einer landwirtschaftlichen Nutzung. So können viele Uferstreifen ihre Funktion noch nicht erfüllen. Erforderlich sind daher


Das Projekt konnte wie beabsichtigt in zahlreichen Ortsterminen praxis- und bürgernah helfen. Die beiden Biberberater haben 1998 bis 2000 bereits 500 einzelne Fälle, die sich z.T. über viele Jahre hin angesammelt und »angestaut« hatten, mit insgesamt 1 100 Ortsterminen untersucht und meist auch bereits gelöst. Der Beratungsbedarf zeigt deutliche regionale Unterschiede: er konzentriert sich in Nordbayern derzeit auf Mittelfranken und v.a. die Oberpfalz, in Südbayern auf den Regierungsbezirk Oberbayern (Region Ingolstadt). Die Erwartungen an dieses Beratungs- und Informationsangebot, das persönliche Präsenz vor Ort bei Betroffenen und praxisnahe, rasche Lösungen, bei Ausnahmefällen bis zum Wegfang beinhaltet, haben sich voll erfüllt. Während in den Vorjahren die Diskussion v.a. über die Medien ausgetragen und oftmals aufgebauscht wurde, geht es nun dank der Biberberater wieder ganz klar um die konkrete Problemlösung im Einzelfall. Der Einsatz von qualifizierten Beratern als Mittler zwischen wieder eingebürgerten oder sich ausbreitenden, prominenten Wildtieren und v.a. der ländlichen Bevölkerung wird in

Hof Coburg Schweinfurt Aschaffenburg l

Bayreuth

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Quelle: LfU/Grafik: Breitenbach

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Rosenheim

Foto: Leidorf

Gerhard Schwab als Biberberater des BN tätig. Sie begutachten Konflikte vor Ort, beraten die Betroffenen und leiten Abhilfemaßnahmen ein. Darüber hinaus halten sie Diavorträge über die Lebensweise des Bibers und leiten Exkursionen z.B. für Schulklassen. Außerdem beraten und informieren die beiden Biber-Berater schnell und flexibel im Gelände; die Spannbreite der Lösungen reicht vom Schutz wertvoller Gehölze durch Drahthosen, dem Einsatz von Drainagen in Biberdämme zum Absenken des Wasserspiegels, dem gezielten Ankauf von Flächen durch den BN – der dazu mit Hilfe einer Ankaufsförderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds von 1998 bis 2003 insgesamt 2 Mio. DM bereitstellt – oder dem Einbau von Drahtgittern entlang von Dämmen und Straßen, um eine Unterminierung durch Biber zu verhindern. Die Berater vermitteln für den konkreten Fall passende staatliche Förderprogramme oder bei besonderen Härtefällen Ausgleichszahlungen des BN und können bei besonders problematischen Ausnahmefällen auch Lebendfallen zum Fang von Bibern einsetzen.

anderen europäischen Ländern z.B. auch bei Braunbär oder Luchs mit Erfolg praktiziert. In Bayern stehen nun dank der Förderung durch den Bayerischen Naturschutzfonds endlich landesweit Beratungsmöglichkeiten vor Ort zur Verfügung. Dass die Biberberater in allen Fällen helfen und oft bereits wenige Stunden nach dem Anruf vor Ort als kompetente und verständnisvolle Gesprächspartner zur Verfügung stehen, hat die Akzeptanz für den Biber selbst bei den von Problemfällen Betroffenen deutlich erhöht. Damit steht nun zwischen Landwirtschaft und Naturschutz in diesem sensiblen Bereich wieder die Kooperation im Vordergrund und nicht die Konfrontation. Kai Frobel

– in Abhängigkeit vom jeweiligen Talraum – wesentlich breitere Pufferzonen und eine Änderung der Bewirtschaftung der bestehenden Uferstreifen. Nebeneffekt: Die Einbruchgefahr in Biberröhren wäre beseitigt, der Biber könnte den natürlichen Gehölzaufwuchs solcher Brachflächen nachhaltig nutzen und müsste nicht mehr unbedingt auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausweichen. Die gesamte, selten gewordene natürliche Tierund Pflanzenwelt an den Gewässern könnte sich wieder ausdehnen, die Gewässergüte würde umgehend erhöht und die aufwendige technische Gewässerunterhaltung Freyung weitgehend eingespart werden. Passau So würden Talräume wieder zu Entwicklungsachsen der Natur. Wenn Dämme vom Fluss zurückgesetzt werden und Feuchtgebiete neu geschaffen werden, würde aber nicht nur der Biber von der neuen Auenlandschaft profitieren – sind dies doch Maßnahmen zum Schutz des Grund- und Trinkwassers, die zugleich neue Erholungsräume für Mensch und Tier schaffen und bei Hochwasser als natürliche Bremse dienen.

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Das Reich der Biber

Bayernland – Biberland? In Bayern leben heute etwa 1200 Biberfamilien. Ihr Lebensraum – in der Karte grün markiert – sind schmale Bereiche an Still- und Fließgewässern. Biber kommen auf weniger als zehn Prozent der Landesfläche Bayerns vor.


Von Bibern und Menschen Biberkultur

»Ist ein Wesen, heißt Biber, ganz sanft und ruhig«, so steht es im »Physiologus«, dem frühmittelalterlichen Handbuch zur Tier-Symbolik. Der Biber ist von jeher beim Menschen hochgeschätzt und begehrt. Seine Bedeutung beschränkte sich nicht nur auf die Befriedigung der einfachsten Lebensansprüche wie Nahrung und Kleidung. Grabbeigaben weisen auf die Bedeutung des Bibers als Opfertier hin. Zähne und Krallen dienten als Amulette. Manche Religionen verboten die Tötung des Bibers. Bei sibirischen Völkern gab es regelrechte Biberkulte. Der Name Biber ist ein Tarn- und Tabuname und bedeutet »der Braune«. Die Indianer verglichen den Biber mit Menschen und nannten ihn »Kleiner Bruder«.

Kleine Geschichte eines Nagers

Früher lebten in Nordamerika und Eurasien jeweils mehrere hundert Millionen Biber. Allein in Bayern zeugen 300 Orts-, Flur- und Gewässernamen von einer ehemals flächendeckenden Verbreitung. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Bestände vom Menschen so stark ausgebeutet worden, dass der Biber weltweit vor der Ausrottung stand. Im frühen Mittelalter war die Biberjagd ein Vorrecht der Standesherren. Biberfleisch war sehr geschätzt – vor allem als Fastenspeise, wie zahlreiche klösterliche Kochrezepte belegen. Wegen seiner aquatischen Lebensweise und seines schuppigen Schwanzes ordnete man den Biber den Fischen zu. Das sogenannte Bibergeil, ein der Reviermarkierung dienendes Drü-

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Zeichnung: Faust

sensekret, gehörte als Allheilmittel (»Castoreum«) in jede mittelalterliche Apotheke. Nicht ganz zu unrecht, enthält das Sekret doch Salicylsäure, den Wirkstoff der heutigen Schmerztabletten. Ab dem 17. Jahrhundert war es Mode geworden, Kleidungsstücke aus Biberfell zu tragen. Aufgrund der Haardichte, Färbung und Haltbarkeit waren die Felle zur Filzherstellung besonders gut geeignet und wurden schließlich zu wertvollen Handelsgütern. Nachdem der Biber im eurasischen Raum äußerst selten geworden war, eröffnete sich den Europäern gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der Neuen Welt eine neue, schier unerschöpfliche Biberquelle. Jährlich wurden etwa 200 000 Biberfelle von Nordamerika nach Europa geschifft. Die zur Neige gehenden Biberbestände, wirtschaftliche Krisen in Europa, sowie die Einfuhr der Seidenspinnerraupe

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aus Asien und die damit verbundene Seidenherstellung in Europa bedeuteten das Ende des großen Biberfellhandels. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Biber in Nordamerika endlich ganz unter Schutz gestellt. In Europa waren zu Beginn unseres Jahrhunderts nur noch kleinste Restpopulationen an der Elbe, der Rhône, in Norwegen und an einigen wenigen russischen Flüssen vorhanden. Durch Schutz und Wiederansiedlung haben sich aber die Biber auch in Europa wieder vermehrt.


»Trotz vielfältiger Probleme mit dem wieder heimisch gewordenen Biber stellt sich doch eine langsam zunehmende Akzeptanz ein,wenn wir uns intensiv um diese Art kümmern.Von großer Bedeutung war bei uns der Einsatz eines Biber-Managers, der mit seiner Erfahrung und Fachkompetenz das Thema auf eine sachliche Ebene brachte und half,wieder ein positives Biber-Image aufzubauen.« Ulrich Sorg, Landratsamt NeuburgSchrobenhausen, Untere Naturschutzbehörde

Nach Bayern, wo man den letzten Biber 1867 an der Salzach erschoss, kehrten die ersten Biber 1966 auf Initiative des Bundes Naturschutzes und mit Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums zurück. Bis 1982 wurden in Bayern 120 Biber freigesetzt, die sich bis heute auf etwa 1700 Exemplare vermehrt haben.

»Der Biber gehört nicht in unsere Landschaft. Ein funktionsfähiges Graben- und Gewässernetz ist im Donaumoos unbedingt erforderlich,durch die Besiedlung des Bibers wird es erheblich beeinträchtigt. Unterhöhlungen der Wege entlang der Gräben und Grundstücke stellen eine erhebliche Gefahr des Einbrechens und damit für Menschenleben dar.« Josef Schweiger, Landwirt und Wasserverbandsvorsitzender im Donaumoos

»Der Biber ist ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems ›Gewässer‹.Er schafft Lebensräume für andere gefährdete Arten wie zum Beispiel den Schwarzstorch.Mindestens 90 % der Biberreviere sind problemfrei,auch wenn durch die Medien häufig ein anderes Bild suggeriert wird.Jedoch müssen die tatsächlich auftretenden Probleme ernst genommen und auch gelöst werden.Betroffene dürfen sich nicht allein gelassen fühlen.« Markus Schmidbauer, Diplom-Biologe und Biberspezialist

Foto: Willner

Der Europäische Biber ist nach dem Südamerikanischen Wasserschwein das zweitgrößte Nagetier der Erde. Er kann – samt seinem Schwanz – 140 cm lang und 40 kg schwer werden. Den Biber charakterisieren orangebraune, selbst schärfende, ständig nachwachsende Schneidezähne, ein mit bis zu 23 000 Haaren pro Quadratzentimeter dichtes, braunes Fell und sein flacher, beschuppter Schwanz. Eine Biberfamilie besteht aus dem Elternpaar und zwei Kindergenerationen. Sie bewohnt ein Revier, das eine ein bis vier Kilometer lange Fließgewässerstrecke mit ein bis drei Wohnbauen umfasst. Je besser die Qualität des Biotops, desto kleiner das Revier, das mit dem Bibergeil markiert und gegen andere Biber verteidigt wird. Biber halten keinen Winterschlaf. Sie sind reine Pflanzenfresser. Im Sommer fressen sie vorwiegend Gräser, Blätter, Kräuter und

Zeichnung: JBN/Peter

Biologie des Bibers

Wasserpflanzen, aber auch gerne Feldfrüchte wie Mais oder Zuckerrüben. Im Winter ernährt sich der Biber von Rinde. Aus diesem Grund fällt er dann auch Bäume. Biber bekommen einmal im Jahr, im Mai, zwei oder drei Junge, von denen aber im Durchschnitt nur eines bis zur Geschlechtsreife überlebt. Sie haben eine Lebenserwartung von zwölf bis 15 Jahren.

Foto: Lossow

Biberburg

Biber-Bücher

Bayer. Landesamt für Umweltschutz (LfU) und Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt (Hrsg.): Biber. München, Ingolstadt 1995. Erhältlich beim LfU, Rosenkavalierplatz 3, 81925 München. Bund Naturschutz (Hrsg.): Mein lieber Biber! Plakat und Prospekt des Referats Artenschutz. München 1996. Erhältlich über die BN-Landesgeschäftsstelle, Tel. 09 41-2 97 20 11, Fax 09 41-2 97 20 30. K. Frobel: Die Wiedereinbürgerung des Bibers in Bayern durch den Bund Naturschutz. In: Schriftenreihe des LfU, Heft 128. München 1994. Erhältlich beim LfU, Adresse wie oben. I. Geiersberger, G.v. Lossow, P. Rubeck: Der Biber – Leitart für naturnahe Auen. BN-Infodienst Nr. 135. München 1994. Erhältlich über die BN-Landesgeschäftsstelle, Tel. 09 41-2 97 20 11, Fax 09 412 97 20 30. J. H. Reichholf: Comeback der Biber. München 1993 R. Schröpfer, M. Stubbe, D. Heidecke (Hrsg.): Semiaquatische Säugetiere. Halle/Saale 1992. Erhältlich bei Prof. Dr. M. Stubbe, Uni Halle, Inst. f. Zoologie, Domplatz 4, 06099 Halle/Saale. Wäscha-kwonnesin: Sajo und ihre Biber. München 1996 H. Weinzierl: Projekt Biber. Wiedereinbürgerung von Tieren. Stuttgart 1973 V. Zahner: Einfluß des Bibers auf gewässernahe Wälder. München 1997

»Besonders die Kinder haben die zwei bei uns siedelnden Biber-Familien ins Herz geschlossen. Mit der Landwirtschaft gibt es – zumindest zur Zeit – keine Probleme,weil an den Ufern der Aisch die Grünlandnutzung überwiegt.Wir hoffen,daß der bestehende Schutzstreifen entlang des Flusses beachtet und möglichst noch erweitert wird.« Walter Hrdina, Biber-Fachmann der BN-Kreisgruppe Neustadt/Aisch

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Faszinierende Flora

Einzigartig – Pflanzen, die es nur in Bayern gibt Naturschutz ist eine Entdeckungsreise. Wer sich darauf einlässt, findet zum Beispiel mitten in Bayern so exklusive Pflanzen, die weltweit nur hier in einem eng begrenzten Gebiet heimisch sind. Der Bund Naturschutz schützt diese einsamen Inseln der Natur mit Pflegemaßnahmen vor Ort oder, indem er den Ankauf entsprechender Grundstücke finanziert – vielleicht gerade mit Ihrer Spende! Ein landesweites Artenhilfsprogramm eigens für die Raritäten unserer Vegetation koordiniert das Bayerische Landesamt für Umweltschutz. Lassen Sie sich auf den folgenden Seiten von der Fachjournalistin Gabriele Blachnik und dem Biologen Matthias Berg in die geheimnisvolle Welt der floristischen Urbayern und pflanzlichen Einzelgänger entführen. (cm)

Quelle: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. Ulmer 1990

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n einem Waldrand hoch über der breit und träge dahinfließenden Donau wiegen sich im Sommerwind lange weiße Haare. Im Licht der untergehenden Sonne zeichnen sich an jedem Haar feine, abstehende Federhärchen ab. Die Federhaare gehören einem Gras, das es auf der ganzen Welt nur an diesem einen Ort im bayerischen Donautal gibt – dem Bayerischen Federgras. So zurückgezogen dieses hohe Gras mit den bis zu 30 Zentimeter langen Grannen hier an dieser Jura-Felswand wächst, so verloren erscheint der einzige Punkt, der im Florenatlas für diese Pflanzenart verzeichnet ist. Für den Botaniker ist das Bayerische Federgras weniger ein Eremit, sondern ein Endemit: eine Pflanze, die weltweit nur in einem eng begrenzten Gebiet heimisch ist (endemos: griechisch für einheimisch, an einem Ort verweilend).

Wann ist ein Endemit ein Endemit? Der Laie kann dagegen kaum nachvollziehen, dass es dieses Federgras nur in Bayern geben soll. Wer bei-

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spielsweise schon einmal Urlaub am Neusiedler See gemacht hat, mag Federgras auch von dortigen Steppenwiesen kennen. Doch für den Pflanzenkundler liegt das Kriterium im Detail. Im botanischen Ordnungssystem werden die Pflanzen nach äußerlichen und genetischen Merkmalen unterschieden, welche sie zu Fortpflanzungsgemeinschaften zuordnen lassen. Diese sogenannten Sippen stehen wiederum in einem hierarchischen Zusammenhang ähnlich den Verwandtschaftsbeziehungen von uns Men-

Pflanzen, d


Bayerisches Federgras

Foto: Sturm

Einsam und einzig auf der Welt: das Bayerische Federgras (Stipa bavarica) im Donautal bei Neuburg.

gibt die es , die es nur in Bayern


Serpentin-Grasnelke Serpentinitfelsen tragen nur schütteren Pflanzenwuchs. Unter den Arten, die sich auf dem unwirtlichen Gestein halten können, gibt es in Bayern auch einen Endemiten. Die Serpentin-Grasnelke (Armeria serpentini) wächst weltweit nur auf wenigen Felsköpfen in Nordostbayern.

schen Federgrases haben die Botaniker Martinovsky und Scholz erst herausgefunden, dass die Pflanzen im Donautal eine eigene Art unter den anderen ähnlichen Grauscheidigen Federgräsern bilden, bevor es dann auch als Endemit erkannt werden konnte. Warum Endemiten im Gegensatz zu Kosmopoliten wie beispielsweise dem Schilf nur in einem kleinen Gebiet der Erde vorkommen, kann verschiedene Gründe haben. Am leichtesten ist das Phänomen des Endemismus auf Inseln zu erklären. Dort

Foto: Garnweidner

Die kritische Größe Relikt-Endemiten sind dagegen Pflanzen, die durch erdgeschichtliche Ereignisse von einem vormals größeren auf ein kleines Wuchsgebiet zurückgedrängt wurden. So wurden manche Alpenpflanzen zum Endemit, weil sie während der Eiszeiten nur auf nicht vergletscherten Gipfeln überdauern konnten. Für solche endemischen Alpenpflanzen – und nicht nur für seinen Blumenreichtum – ist unter anderem der Monte Baldo am Gardasee berühmt. Sein Bergstock beheimatet neben der MonteBaldo-Schmuckblume und der Monte-Baldo-Segge noch andere Südalpen-Endemiten. Böhmischer Enzian Mit dem Rückzug der Landwirtschaft aus den Mittelgebirgen hat der Böhmische Enzian (Gentianella bohemica) viele seiner Wuchsorte verloren. Nur durch die Erhaltung magerer Wiesen ist dieser Endemit des Böhmer- und Bayerischen Waldes langfristig zu schützen.

Einzigartig– 44

Für den Insel-Endemit ist somit das kleine Verbreitungsareal sein Entstehungszentrum, für den ReliktEndemit dagegen sein Zufluchtsort. Neben diesen äußeren Bedingungen kann es auch an der Pflanzenart selbst liegen, dass sie sich nicht weiter auszubreiten vermag, weil sie nur wenig anpassungsfähig ist oder eine mangelhafte Verbreitungsstrategie besitzt. Um in einem kleinen Areal zu überdauern, ist es für Endemiten entscheidend, wie viele Pflanzen an einem Wuchsort vorkommen, damit sie sich noch erfolgreich fortpflanzen können. Diese sogenannte kritische Größe einer einzelnen Population ist von Art zu Art verschieden und nur von wenigen Arten bekannt. Beim Böhmischen Enzian mussten Pflanzenschützer leider feststellen, dass auf einzelnen Magerrasenresten die kritische Grenze des Bestandes bereits unterschritten war. Dort kamen Pflegemaßnahmen für diese Pflanzenart niederer und magerer Bergwiesen zu spät. Daher gilt der im Böhmerwald und seinen angrenzenden

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Foto: Sturm

Fotos Berg, Blachnik

schen. Wenn im Naturschutz meist von Pflanzenarten gesprochen wird, so sind oft auch Unterarten oder Artengruppen, also unter- oder übergeordnete Einheiten im hierarchischen System gemeint. Im Fall des Bayeri-

haben sich manche Pflanzensippen über lange Zeit auf gleichbleibende Lebensbedingungen spezialisiert und konnten sich dabei nicht mehr mit verwandten Pflanzen austauschen, weil sie quasi in ihrem Areal gefangen waren. Eine solche Inselwirkung kann auch von ungewöhnlichen Standortbedingungen ausgehen, wie sie etwa der Serpentinit bietet, ein nicht nur seltenes, sondern auch besonders unwirtliches Gestein. Dieses silikatische Tiefengestein kommt bundesweit nur an wenigen Orten und kleinflächig an die Erdoberfläche. Es hinterlässt karge, sehr nährstoffarme Verwitterungsböden, mit denen nur wenige Pflanzen zurechtkommen. Daher haben sich auf seinen Felsen besondere »Serpentinpflanzen« entwickelt. Die Serpentin-Grasnelke, deren pinkfarbene Blütenköpfe ab Juni aus den graugrünen Felswänden leuchten, gibt es nur auf drei Serpentinitstöcken in Oberfranken. Sie ist damit ein echter bayerischer Endemit.

Pflanzen, d


Foto: Knapp

Fränkisches Habichtskraut

Foto: Garnweidner

Das Fränkische Habichtskraut (Hieracium franconicum) ist eines unter zahlreichen und ähnlichen Arten seiner Gattung. Es kommt aber nur auf wenigen Dolomitfelsen der Alb vor.

Mittelgebirgslandschaften endemische Enzian als vom Aussterben bedroht, obwohl man insgesamt noch rund 50 Wuchsorte gefunden hat.

Einmaligkeit in Gefahr Endemiten gibt es auch innerhalb so formenreicher Artengruppen wie zum Beispiel dem Habichtskraut. Da manche Habichtskräuter bevorzugt an Wuchsorten leben, die von Natur aus nur punktweise in der Landschaft vorkommen – auf trocken-heißen, wenig bewachsenen Felsköpfen – waren auch sie für die Entwicklung von Endemiten gut. So kommt es, dass der Fränkische Jura mit seinen KalkfelsLandschaften die endemitenreichste Region Bayerns ist. Sie beherbergt allein unter den Habichtskräutern und den Mehlbeeren mehrere endemische Arten, die sich dort über lange Zeiträume herausgebildet haben. Und manch weitere endemische Pflanzensippe gibt es sicher noch zu entdecken. Angesichts eines weltweiten Artensterbens liegt es nahe, dass gerade solche Pflanzensippen vom Ausster-

ben bedroht sein können, die es nur an wenigen Plätzen der Erde gibt. Dabei spielt neben den schon genannten Faktoren eine große Rolle, wie der Mensch auf die Wuchsorte endemischer Pflanzen Einfluss nimmt. Besonders schwer haben es Endemiten, die in unserer stark durchnutzten Zivilisationslandschaft auf ursprüngliche Verhältnisse angewiesen sind. Das Bodensee-Vergissmeinnicht ist hierfür ein eindringliches Beispiel. Es besiedelte die Kiesufer voralpiner Seen, die Jahr für Jahr über mehrere Wochen überschwemmt sind, wenn durch die Schneeschmelze in den Hochlagen die Wasserstände steigen. Die niederwüchsige, mit Ausläufern über den Kies kriechende Pflanze ist nicht nur auf die regelmäßige sommerliche Überflutung eingestellt, sondern auch auf das kalkreiche, aber sonst nährstoffarme und klare Gebirgswasser, welches sich im Lago Maggiore, dem Genfer und Luganer See oder dem Bodensee sammelte. Als jedoch die Seeufer mit Stegen, Bootshäfen und Campingplätzen verbaut, die Strände von immer mehr Badenden bevölkert und verunreinigt wurden und aus wachsenden Ufersiedlungen große Mengen Abwässer in die Seen gelangten, geriet die Strandpflanze zunehmend in Bedrängnis. Heute wächst das kleine Vergissmeinnicht mit den typisch blauen Blüten nur noch am Bodensee, an einer Stelle am Starnberger See und am Alpenfluss Ticino in Oberitalien.

Vom Wissen zum Handeln Wie gesichert letztendlich die Existenz eines Endemiten ist, hängt nicht allein davon ab, an wie viel einzelnen Orten seines eng begrenzten Areals er noch wächst. In den steilen, unzugänglichen Felshängen über der Donau hat das eingangs beschriebene Bayerische Federgras gute Chancen zu überleben, auch wenn es sein einziger Wuchsort ist. An anderen Felsköpfen in der Fränkischen Alb können dagegen

Bodensee-Vergissmeinnicht Der niedergeduckte Wuchs des Bodensee-Vergissmeinnichts (Myosotis rehsteineri) schützt es nicht vor der Verunreinigung des Uferkieses durch Abwässer, Schmutz und Treibgut.

Kletterer und Wanderer endemischen Arten wie dem Fränkischen, dem Harzschen und dem Schneids Habichtskraut gefährlich werden, indem sie Pflanzen zum »Ausputzen« der Felswand ausreißen oder sie auf Aussichtspunkten zertreten. Wo der Mensch einem seltenen Endemiten-Vorkommen gefährlich geworden ist, dort ist es heute oft unerlässlich, dass er nun zum Schutz dieser einmaligen Rarität Hand anlegt. Zwar gilt die Regel: Je mehr man von der Pflanze weiß, umso gezielter kann man helfen. Das Fallbeispiel des Böhmischen Enzians zeigt aber, dass neben den notwendigen, aber langwierigen Bestandsaufnahmen auch rechtzeitig gehandelt werden muss. Aus diesem Bewusstsein entstand in Bayern 1991 ein landesweites Artenhilfsprogramm für endemische Pflanzensippen, das 1993 auf weitere seltene, in Bayern stark bedrohte Pflanzenarten ausgedehnt wurde: das »Artenhilfsprogramm für endemische und stark bedrohte Pflanzenarten Bayerns« (siehe den folgenden Bericht).

Erkennen, bestimmen, bewerten Eine umfangreiche Auswahl typischer, aber auch seltener heimischer Pflanzengesellschaften präsentiert Peter Mertz in seinem neuen Buch »Pflanzengesellschaften Mitteleuropas und der Alpen. Ein Handbuch für die vegetationskundliche Praxis« (512 S., 198,– DM. Ecomed Verlag, Landsberg 2000).

Bayern die es gibt , die es nur in Natur + Umwelt BN-Magazin »Sonderausgabe Naturschutz 2001«

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Pflanzen, die es nur in Bayern gibt Einzigartig –

Ein einzigartiges Schutzprogramm für einzigartige Pflanzen in Bayern

Foto: Greifenhagen

Vom Zählen zum Handanlegen

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llein unter den Gefäßpflanzen waren bis 1996 in ganz Deutschland 391 Pflanzensippen vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet, darunter 32, die bundesweit nur in Bayern vorkommen. Innerhalb Bayerns fielen nach dem letzten Stand der Roten Liste 125 Farn- und Blütenpflanzen in die Kategorie »vom Aussterben bedroht«. Die Wuchsorte von einzelnen Pflanzenarten wurden schon seit Anfang der 80er Jahre erhoben. Einen wichtigen Schritt vom Zählen zum Handanlegen unternahm der amtliche Naturschutz dann ab 1985. Für jeden einzelnen Landkreis wurde ein Arten- und Biotopschutzprogramm erstellt, parallel dazu ein Landschaftspflegekonzept für alle naturnahen Lebensraumtypen in Bayern.

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Erste Hilfe Nicht jede Schutzmaßnahme ist wie hier mit einigermaßen geringem personellen und finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen. Manche Lebensraumverbesserung mündet in ein Naturschutzgroßprojekt.

Um den Rückgang wenigstens der seltensten und gefährdetsten Pflanzenarten zu stoppen, wurden jedoch gezielte Hilfsmaßnahmen an einzelnen Wuchsorten unerlässlich. Seit 1991 finanziert daher das Bayerische Umweltministerium das »Artenhilfsprogramm für endemische und stark bedrohte Pflanzenarten Bayerns«. Es galt anfangs jenen Pflanzenarten, für die Bayern eine ganz besondere Verantwortung trägt: den bayerischen Endemiten. 1993 erweiterte man das Hilfsprogramm auf andere sehr seltene und stark gefährdete Pflanzensippen. Das sind unter anderem solche,

Vierbeinige Helfer Die Fleckvieh-Beweidung auf struktur- und artenreichen Flächen kommt nicht nur dem Böhmischen Enzian zugute.

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Foto: Berg

Mit der landesweiten Kartierung wertvoller Biotope, der Erstellung von Roten Listen und von detaillierten Verbreitungsatlanten für bestimmte Pflanzen- und Tiergruppen ist Bayern seit den 70er Jahren im Naturschutz nicht gerade untätig gewesen. Doch während wir das Wissen über heimische Tiere und Pflanzen und deren Lebensräume anhäuften, gingen gleichzeitig immer mehr von ihnen verloren.

die auch in ganz Mitteleuropa nur wenig verbreitet sind, wie zum Beispiel die Becherglocke, die landesweit unmittelbar vom Aussterben bedroht sind, wie die Sumpf-Fetthenne, oder die in Bayern isolierte Vorposten zu ihrem Hauptverbreitungsgebiet besitzen, wie etwa die Zwerg-Birke. Seither werden für 120 Pflanzensippen gezielte Maßnahmen an insgesamt 430 Wuchsorten durchgeführt. Sie sollen einerseits die noch vorhandenen Vorkommen sichern, andererseits dazu verhelfen, dass sich einzelne Bestände wieder ausbreiten können. Die Fäden für dieses aufwendige Projekt zieht das Bayerische Landesamt für Umweltschutz (LfU). Es koordiniert und berät eine Vielzahl von Fachbehörden, Verbänden, Hochschulen und Privatpersonen, die bei der Umsetzung mitwirken. Viele von ihnen haben schon jahrelange Vorarbeit geleistet, indem sie in Eigenregie Bestandserhebungen und Untersuchungen zu bestimmten Pflanzen durchgeführt haben. Das LfU ist nun Informationszentrale für alle, die sich am Kartieren von Wuchsorten und an der Umsetzung von Hilfsmaßnahmen vor Ort beteiligen.

Hilfe im Kleinen wie im Großen Nicht zuletzt trägt das Landesamt auch Sorge dafür, dass die umfangreichen Aktivitäten ihren Zweck erfüllen. Dazu werden beispielhafte Flächen regelmäßig auf den Erfolg von Maßnahmen kontrolliert und einzelne Pflanzenbestände immer wieder ausgezählt. Der Landesvorstand des Bundes Naturschutz beschloss 1996, das Artenhilfsprogramm in enger Zusammenarbeit mit dem LfU gezielt zu unterstützen. So werden bei dafür notwendigen Grundstücksankäufen die örtlichen Vorhaben der BN-Kreis-


Interview Interview

Zwerg-Birke Das Hilfsprogramm des LfU umfasst auch Pflanzensippen, die in Bayern isolierte Vorposten zu ihrem Hauptverbreitungsgebiet besitzen, wie etwa die Zwerg-Birke.

und Ortsgruppen mit Hunderttausenden Mark aus spezifischen Rücklagen des Landesverbandes finanziert. So vielfältig die Ursachen dafür sind, dass immer mehr Pflanzenarten seltener werden oder ganz aus unserer Landschaft verschwinden, so vielseitig müssen auch die Maßnahmen zu ihrem Schutz sein. Während einem Bestand des endemischen Kerners Frauenmantels am Fellhorn schon geholfen werden kann, wenn man einen Wanderweg umlenkt, können viele andere Pflanzen langfristig nur gesichert werden, indem ihr gesamter Lebensraum erhalten wird. Die Auflichtung einer kleinen Quellflur mit dem endemischen Bayerischen Löffelkraut (siehe Beitrag auf Seite 49) ist mit relativ geringem personellen und finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen. Dagegen mündete die Lebensraumverbesserung für das Augsburger Steppengreiskraut in ein Naturschutzgroßprojekt. Dort geht es um die großräumige Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in einem militärischen Übungsplatz. Zumindest kann heute auf ein umfangreiches Instrumentarium zurückgegriffen werden, mit dem Nutzungs- und Pflegearten für seltene Pflanzen zu fördern sind. Tatsächlich können mehr als die Hälfte aller im Hilfsprogramm aufgenommenen Pflanzensippen nur erhalten werden, wenn ihre Wuchsorte regelmäßig extensiv genutzt oder gepflegt werden. Immerhin noch ein Viertel aller berücksichtigten Sippen würde ohne entsprechende Pflege viele Vorkommen verlieren. Je komplexer jedoch die Lebensbedingungen sind, auf die eine Pflanzenart eingestellt ist, umso größer wird der Aufwand für ihren Schutz. Ei(Fortsetzung auf S. 48)

Matthias Berg koordiniert für das Landesamt für Umweltschutz (LfU) das »Artenhilfsprogramm für endemische und stark bedrohte Pflanzenarten Bayerns«. »Natur+Umwelt« befragte den 38-jährigen Biologen, Mitglied im BN, nach seinen Erfahrungen, die er seit 1991 bei der Arbeit an dem landesweiten Projekt gesammelt hat.

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Trotz umfangreicher Aktivitäten im bayerischen Naturschutz ist weiterhin ein Rückgang von Pflanzenarten festzustellen. Kommt das Hilfsprogramm für manche Arten zu spät? BERG : Leider ist dies manchmal der Fall. Wenn Populationen bereits die kritische Bestandsgröße unterschritten haben, können die Vorkommen auch bei großem Schutzeinsatz erlöschen. Schon eine ungünstige Witterungsperiode oder das Umstürzen eines Baumes kann dann zum Verlust führen. Andererseits haben wir in unserem Artenhilfsprogramm die Erfahrung gemacht, dass bei rechtzeitigem Ergreifen von Schutzmaßnahmen die meisten Vorkommen zu halten sind. Beim Bayerischen Löffelkraut haben wir die 23 im Programm erfassten Populationen nicht nur halten, sondern zum Teil sogar vergrößern können. Wie bewerten Sie die vorhandenen Instrumentarien für Artenschutzmaßnahmen? Reichen sie für einen gezielten Artenschutz aus? BERG : Im Prinzip reichen Instrumentarien wie das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm und das Landschaftspflegeprogramm sowie die Naturschutzgesetze des Freistaates und des Bundes für den botanischen Artenschutz aus. Freilich bestehen hier und da Defizite. Bisher gab es beispielsweise kein Naturschutzförderprogramm im Wald; ein solches entwickeln derzeit das Bayerische Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium. Auch lassen die Schutzgebietsverordnungen oft Nutzungen zu, die eine Belastung für seltene Arten bedeuten. Ein großes Problem stellen die knappen Finanzmittel des amt-

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lichen wie ehrenamtlichen Naturschutzes dar. Gäbe es größere Etats, würde sich einiges mehr erreichen lassen. Bringen die neuen europaweiten Instrumente und Förderprogramme – Stichwort »Förder-Wirrwarr« – neue Chancen oder auch Nachteile? BERG : Sicherlich bedeutet die Vielzahl an EU-Förderprogrammen auch einen erheblichen bürokratischen Aufwand und eine gewisse Unübersichtlichkeit. Letztlich sind sie aber für den Naturschutz in Bayern unverzichtbar. Dabei spielt nicht nur die Mitfinanzierung von bis zu 50 Prozent anfallender Kosten eine Rolle. Das Life-Natur-Projekt »Benninger Ried« und mit ihm die Sicherung des weltweit letzten Vorkommens der Riednelke wäre ohne die europäischen Zuschüsse nicht denkbar gewesen. Die geplanten Wiedervernässungsmaßnahmen in diesem Kalkquellmoor hätten bei Politik und Öffentlichkeit ohne ein europäisches Gütesiegel kaum eine solche Akzeptanz gefunden. Ist das derzeitige Artenhilfsprogramm auch ein Modellprojekt für modernes Naturschutzmanagement? BERG : Ich glaube, dass sich unser Projektaufbau erfolgreich auf andere Naturschutzprojekte übertragen lässt. Die zentrale Koordination macht es möglich, dass vorhandene Erkenntnisse weit ausgetauscht werden. Indem wir regionale Projektmanager einsetzen, werden die Naturschutzbehörden vor Ort entlastet und verkürzen sich Entscheidungsund Umsetzungswege. Zwei weitere Stützen des Hilfsprogramms sind die fundierten Begleituntersuchungen und Erfolgskontrollen sowie eigens initiierte Forschungsvorhaben an Hochschulen. Einen Aspekt möchte ich hier noch hervorheben, weil oft gefragt wird, ob wir uns anstatt auf speziellen Artenschutz nicht gänzlich auf den Biotopschutz konzentrieren sollten. Ich meine, dass die Sympathiewirkung, die von seltenen Arten ausgeht, für den Naturschutz nicht zu unterschätzen ist. Ohne das Augsburger Steppengreiskraut wäre beispielsweise der Start des vom BN mitgetragenen Großprojektes »Lebensraum Lechtal« wesentlich schwieriger gewesen.

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Foto: Gerd Pfeiffer

Foto: Silvestris/Schwirtz

Kommt Ihre Hilfe zu spät, Herr Berg?

Matthias Berg »Gäbe es größere Etats, würde sich im Naturschutz einiges mehr erreichen lassen.«


Glänzende Wolfsmilch

Foto: Blachnik

Die Glänzende Wolfsmilch (Euphorbia lucida) wanderte entlang der Donau aus Südosteuropa stromaufwärts ins bayerische Donautal. Heute hat sie im Isarmündungsgebiet eines ihrer letzten deutschen Vorkommen.

Kontakt

Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, Bürgermeister-Ulrich-Str. 160, 86179 Augsburg, Tel. 08 2190 71-0, Fax 90 7155 56, Internet www.bayern.de/lfu

Die Aue als Arche Noah Gerade für Pflanzenarten, die aus ursprünglichen Auenlandschaften stammen, in denen wechselhafte und zeitweilig extreme Wuchsbedingungen herrschen, stoßen lokale Hilfsmaßnahmen an technische und finanzielle Grenzen. Für einen umfassenden Artenschutz in Flussauen sind heute fast überall entsprechend umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen erforderlich, welche im Rahmen des Artenhilfsprogramms nicht verwirklicht werden können. Auch wenn dort eine Vielzahl der in das Hilfsprogramm aufgenommenen Pflanzensippen vorkommen, wie zum Beispiel im Isarmündungsgebiet bei Deggendorf. Diese Auenlandschaft beherbergt insgesamt über 100 gefährdete Gefäßpflanzenarten, darunter gut ein Dutzend extrem seltener und stark bedrohter Pflanzensippen. Besonders für diejenigen hochgradig seltenen Pflanzenarten, die heute auf naturnahe Restflächen in der isarfernen, intensivierten Aue zurückgedrängt sind, werden zur Zeit über ein Naturschutzgroßprojekt des Bundes Hilfsmaßnahmen durchgeführt. Nicht nur unter Artenschutzgedanken ist es zu wünschen, dass diese ohnehin stark beanspruchte Stromtallandschaft in ihrer noch verbliebe-

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Sippen miteinander vermischt werden, weil Herkunft und Ausbringung nur schwer zu kontrollieren sind. Zu berücksichtigen ist auch, wie unvollständig die Lebensbedingungen einer bestimmten Pflanzenart in der gärtnerischen Kultur nachzuahmen sind, weshalb viele Wiederansiedlungsversuche scheitern. Schließlich wird mit solchen Wegen des Artenschutzes wie auch über die immer häufiger betriebenen Umpflanzaktionen der Irrglaube gefördert, dass sich Eingriffe in Natur und Landschaft jederzeit und überall reparieren lassen.

nen Gesamtheit bewahrt und, wo es geht, wiederbelebt wird. Letztlich gehen Arten- und Lebensraumschutz immer Hand in Hand und sind wiederum nur Komponenten eines umfassenden Naturund Umweltschutzes. Wenn bestimmte Felsköpfe in der Fränkischen Alb durch Entbuschen offengehalten oder wieder freigestellt werden, dann ist dies nicht nur eine gezielte Schutzmaßnahme für das Fränkische Habichtskraut. Sie fördert zugleich eine Vielzahl anderer seltener Pflanzen oder seltene Tagfalter und Spinnen, die auf sonnige Felsköpfe angewiesen sind. Auf einem für das Habichtskraut freigestellten Felskomplex hat sich sogar der Wanderfalke angesiedelt. Und nicht zuletzt trägt diese Pflegemaßnahme dazu bei, das malerische Landschaftsbild jener fränkischen Kulturlandschaft zu erhalten. Ganz im Gegensatz zu solchen lebensraumverbessernden Maßnahmen steht der Schutzansatz, seltene Pflanzen in Erhaltungskulturen zu vermehren, um sie dann wieder auszusiedeln. Besonders diese Möglichkeit des Artenschutzes wirft Fragen auf, die man sich im Rahmen eines Hilfsprogrammes für bedrohte Pflanzenarten zwangsläufig stellen muss: Wie weit kann und darf das Handanlegen gehen? Gibt es nicht nur bei der Inanspruchnahme von Natur und Landschaft, sondern auch in der Absicht, sie zu schützen, Grenzen dafür, wie weit der Mensch in natürliche Abläufe eingreifen soll? Hier wie dort gilt es letztlich zu klären, wann der Eingriff die natürlichen Vorgänge bei der Entwicklung und Fortpflanzung von Arten und Lebensgemeinschaften eher stört als fördert.

Artenschutz im Kombi-Paket Ziel des bayerischen Artenhilfsprogrammes ist es, seltene Pflanzenarten in ihren selbst gewählten Lebensräumen zu erhalten, seien diese ursprünglicher oder sekundärer Natur. Im Vordergrund stehen daher immer Maßnahmen, welche die gesamte Lebensgemeinschaft an einem Wuchsort langfristig sichern und optimieren. Dafür ist meistens die Kombination verschiedener Schutzansätze am erfolgreichsten. Konservierender Flächenschutz hat ebenso seine Berechtigung wie regelmäßige Pflegemaßnahmen oder die Wiederherstellung dynamischer Prozesse. Nur ausnahmsweise werden Pflanzenarten auch künstlich erhalten und wiederangesiedelt, wenn nämlich mit keinen anderen Mitteln mehr das Aussterben verhindert werden kann und gleichzeitig hinreichende Lebensraumverbesserungen durchgeführt werden. Matthias Berg und Gabriele Blachnik Das »Artenhilfsprogramm für endemische und stark bedrohte Pflanzenarten«, einzelne botanische Teilbereiche und etliche zoologische Artenschutzprojekte werden in der Schriftenreihe des LfU, Heft 156 (Beiträge zum Artenschutz 23), vorgestellt. Zu beziehen beim LfU, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, 86177 Augsburg.

Der Zweck und die Mittel Aus verschiedenen Versuchen, Pflanzen künstlich zu bestäuben, weiß man, dass der Schuss auch nach hinten losgehen kann. So wurde beispielsweise am Deutschen Enzian festgestellt, dass Kreuzungen von verschiedenen, wenn auch nur einige Kilometer voneinander getrennten Populationen weniger vital waren als selbstbestäubte Inzuchtpflanzen. Bei der Nachzucht von Pflanzen ist die Gefahr noch ungleich größer, dass äußerlich nahezu gleiche, aber genetisch voneinander unterschiedene Strandaktion Damit Treibholz das Bodensee-Vergissmeinnicht nicht überdeckt und zerstört, wird es am Ufer zusammengetragen.

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Foto: Berg

Pflanzen, die es nur in Bayern gibt Einzigartig

(Fortsetzung von S. 47) ner Stromtalpflanze wie dem MoorVeilchen hilft das Entbuschen seines entwässerten Standortes nicht, wenn nicht gleichzeitig wieder höhere und schwankende Grundwasserverhältnisse herzustellen sind, auf die es existenziell angewiesen ist.


Bund Naturschutz vor Ort in Aktion

Im Einsatz für das Löffelkraut

Foto: Garnweidner

In Aktion So verschieden die Ursachen dafür sind, dass immer mehr Pflanzenarten immer seltener werden, so vielseitig müssen die Maßnahmen zu deren Schutz sein. Diese Vielfalt ermöglichen der ehrenamtliche Naturschutz und das private Engagement vor Ort.

Foto: Greifenhagen

Bayerisches Löffelkraut

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or 25 Jahren war Christoph Greifenhagen zum ersten mal auf das Löffelkraut aufmerksam geworden. In einem Quellbereich im Allgäu fand er unzählige Exemplare des weißen Kreuzblütlers, der dort auf wasserüberrieselten Moospolstern seine herzförmigen Blätter ausbreitet. Damals wusste Greifenhagen nicht, um welche Pflanze es sich handelte und holte sich Rat bei Mechthild Müller, der örtlichen Vorsitzenden des Bundes Naturschutz. Nach drei Wochen teilte ihm die Apothekerin mit, dass es sich da um eine sehr seltene Pflanze handelte. Heute weiß man, dass das Löffelkraut eine eigene Art ist, die bisher nur aus dem bayerischen Alpenvorland bekannt ist. Das ähnliche Pyrenäen-Löffelkraut gibt es – wie der Name schon sagt – in den Pyrenäen, darüber hinaus in verschiedenen Mittelgebirgen im nördlichen Europa und auch im Voralpinen Hügel- und Moorland. Botanische Raritäten sind beide Löffelkraut-Arten. Kalk und klares, kühles Quellwasser deren wichtigsten Lebenselixiere. Biotope, wo beide Voraussetzungen ungestört gegeben sind, sind selten geworden: unberührte Waldquellen und Quellmoore, Rieselfluren über Kalktuff, naturnahe Ufer schnell fließender Bachoberläufe und ungedüngte Grabenränder. Viele Quellen wurden für Wasserentnahmen gefasst, Quellbäche zur besseren Wiesennutzung verrohrt, ganze Quellbereiche entwässert oder gar verfüllt. Auch die Düngung angrenzender Wiesen oder stark beschattende Fichtenanpflanzungen beeinträchtigten Quellbäche. Dort,

Erst 1985 wurde das Bayerische Löffelkraut als eigene Art erkannt, die nur an 18 Orten im Allgäuer und oberbayerischen Alpenvorland vorkommt.

Naturschutz mit Herz und Hand Mähaktion am Schwarzen Graben bei Kaufbeuren: Jedes Jahr ist die BN-Ortsgruppe zusammen mit anderen Vereinen hier zum Schutz des endemischen Löffelkrautes im Einsatz.

wo das Löffelkraut noch vorkommt, ist ihm mit gegensteuernden Maßnahmen zu helfen: Indem die Wiesennutzung extensiviert wird, Verrohrungen beseitigt oder Fichtenforste wieder zu lockeren Laubholzbeständen umgebaut werden. In der Nähe von Kaufbeuren hat Christoph Greifenhagen 1984 ein weiteres Vorkommen des Bayerischen Löffelkrauts in einem Bachtälchen entdeckt. 1987 begann er in Eigenregie, die Wuchsbedingungen dieser Pflanze zu verbessern. Er nahm Kontakt mit dem Forstamt auf und erhielt die Einwilligung, einzelne Gehölze zu entfernen, um der Pflanze mehr Licht zu verschaffen. Bei der Stadt Kaufbeuren regte er schließlich an, Patenschaften für Flächen in dem Bachtal zu vergeben und mobilisierte für die Biotoppflege neben dem Bund Naturschutz auch die Kolpingfamilie, den Skiclub, die Bergwacht, den Heimat- und den Alpenverein. Seither treffen sich jeden Herbst Mitglieder der BN-Ortsgruppe Kaufbeuren und anderer ortsansässiger Vereine, um Uferbereiche zu entbuschen und die feuchten Talwiesen zu mähen. Auch die BN-Ortsgruppe Obergünzburg setzt sich für das Löffelkraut ein. Sie hat in ihrem Bereich

ein Grundstück mit einem Löffelkraut-Vorkommen angekauft und pflegt dieses regelmäßig. Blütenreiche Streuwiesen im Umfeld des Löffelkrautes sind für die Erhaltung der Populationen sehr wichtig, weil sie gewährleisten, dass die Pflanzen bestäubt werden können. Dies haben Experimente ergeben, die am Lehrstuhl für Geobotanik der Uni München durchgeführt werden. Im Rahmen des Hilfsprogramms für endemische und bedrohte Pflanzenarten sollen die dortigen Untersuchungen die praktischen Arbeiten vor Ort wissenschaftlich begleiten. Für das federführende Landesamt für Umweltschutz betreut Christoph Greifenhagen heute alle Standorte des Bayerischen Löffelkrauts im Landkreis Ostallgäu. Er selbst bezeichnet sich als »universellen Dilettanten«, was seine Aktivitäten für den Naturschutz angeht, weil sein Interesse an der Natur sehr vielseitig ausgeprägt ist. Bevor er sich mit höheren Pflanzen beschäftigte, war er schon Kenner von Pilzen und Flechten. Tatsächlich ist der ruhelose Arzt im Ruhestand aber an vielen Orten mit Sachverstand und Tatendrang zugange. Gerade erst war er für eine andere Pflanzenart im Einsatz, die ebenfalls in das bayerische Artenhilfsprogramm aufgenommen wurde: Er half beim Einzäunen einer der wenigen bayerischen Wuchsorte der Strauchbirke, einem geschützten Eiszeitrelikt. Gabriele Blachnik

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Kontakt Im Bund Naturschutz koordiniert das Referat für Arten- und Biotopschutz in der Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg die Anstrengungen für endemische und seltene Pflanzenarten. Wenden Sie sich dort bitte an Dr. Kai Frobel, Tel. 09 11- 81 87 80, Fax 86 95 68, E-Mail lfg@bundnaturschutz.de.


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Bayerns silberne Sonnenboten

Foto: Zeininger

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Federlibellen bei der Eiablage

Der Naturdichter Hermann Löns schimpfte: Der Mensch sei undankbar und dumm, wenn er die Libelle im Landschaftsbild nicht misse, sie aus »Unwissenheit und Aberglauben« mit schrecklichen Namen belege und sie nicht als »Sommerboten und Sonnenkünder« grüße. »Achtlos geht er vorbei, ohne ihren seltsamen Bau zu betrachten und sich ihrer wunderbaren Farben zu freuen«, schrieb er vor hundert Jahren. Heute erlebt die Libelle eine Renaissance – vor allem dank der Arbeit engagierter Naturschützer. So haben über 200 Libellenkundler in Bayern einen umfassenden Datenbestand zusammengetragen, der Auskunft darüber gibt, welche Arten von Libellen vorkommen, wie häufig sie sind, welche Lebensraumansprüche sie haben und wodurch sie gefährdet sind. Klaus Burbach fasst die Ergebnisse dieses einzigartigen Verbreitungsatlas über Libellen in Bayern zusammen.

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nter Wasser, versteckt zwischen flutenden Pflanzen, lauert ein Räuber. Ein Wasserfloh treibt in seine Nähe, dann geht alles blitzschnell: Mit einer ruckartigen Bewegung schleudert der Räuber seine Fangmaske vor, deren spitze Endhaken bohren sich in den Leib der

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Beute, ziehen ihn rasch zu den kräftigen Mundwerkzeugen, die ihn schließlich zerstückeln. Was wie die Szene aus einem Science-fiction-Film anmutet, spielte sich so bereits vor 250 Millionen Jahren ab. So lange schon gibt es Libellen, jene »fliegenden Edelsteine«, deren

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Larven in fließenden und stehenden Gewässern leben. Die Larven wachsen über einige Monate bis zu fünf Jahre im Gewässer heran, wobei sie sich sieben- bis 15mal häuten. Zum Schlüpfen steigen sie aus dem Wasser und verankern sich im Uferbereich an einem Stein oder Pflanzenstängel.


Flugbild: Lรถw, Portrait: Willner

Die Gemeine Heidelibelle


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Foto: Frobel

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Die Gemeine Smaragdlibelle Naturschutz zum Anfassen

Aus der aufplatzenden Larvenhülle schieben sich alsbald Kopf, Brust und Hinterleib des Imagos: der erwachsenen Libelle. Wenn die noch weichen Beine allmählich ausgehärtet sind, schwingt sich das Tier in aufrechte Stellung, entfaltet die Flügel, streckt den Hinterleib und startet schließlich zum Jungfernflug. Die leere Larvenhülle, auch Exuvie genannt, zeugt noch einige Tage davon, daß hier eine Libelle geschlüpft ist. Anhand der Exuvie lässt sich mit etwas Kenntnis die zugehörige Art bestimmen, so dass Bestandsaufnahmen auch bei schlechtem Wetter möglich sind – und vor allem ohne dabei Libellen fangen zu müssen.

Im Kunstflug auf Beutesuche

Der Autor Klaus Burbach, geb. 1963, ist Diplom-Ingenieur der Landespflege und beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit und im Rahmen eines landesweiten Artenhilfsprogramms mit Libellen. Er war neben Dr. Klaus Kuhn der Hauptbearbeiter des Buchs »Libellen in Bayern«.

Die erwachsene Libelle entfernt sich in ihrer anschließenden Reifeflugphase, die je nach Art wenige Tage bis drei Wochen dauert, oft weit vom Gewässer. Während dieser Zeit nimmt sie stark an Gewicht zu und bildet ihre prächtige Altersfärbung aus. Dies ist die zweite Phase ihres perfekten Räubertums. Libellen fangen ihre Beute im Flug. Kleinlibellen erbeuten vor allem Mücken, Eintagsfliegen und Blattläuse, Großlibellen mit Vorliebe Fliegen, Bremsen und Schmetterlinge. Ihre auffällig großen Komplexaugen und die filigran und zugleich komplex aufgebauten Flügel machen Libellen zu äußerst gewandten Fliegern. Die Komplexaugen bestehen aus Tausenden von Einzelaugen und er-

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zeugen innerhalb einer Sekunde 175 voneinander getrennte Bilder. Das menschliche Auge schafft nur circa 20 Bilder pro Sekunde. Da Libellen auch ultraviolette Strahlung wahrnehmen, können sie durch die Wasseroberfläche sehen und erkennen, ob etwa die Unterwasservegetation für die Eiablage und somit für ihre Nachkommenschaft geeignet ist. Das enorm schnelle Auflösungsvermögen ihrer Augen erlaubt Libellen sehr schnelle Reaktionen und präzise Flugbewegungen, so daß sie nicht ganz einfach zu fangen sind. Besonders Großlibellen sind regelrechte Flugkünstler. Sie können gut gleiten, auf der Stelle rütteln und auch ein kurzes Stück rückwärts fliegen. Sogar die Paarung vollziehen sie manchmal im Flug. Einige Arten fliegen und jagen bei sonnigem Wetter fast ununterbrochen von den ersten warmen Morgenstunden bis zum Einbruch der Abenddämmerung. Dabei erreichen sie beim Jagen oder zur Flucht gelegentlich Geschwindigkeiten von 50 Stundenkilometern und mehr. Der Flug der zierlichen Kleinlibellen wirkt dagegen eher langsam und unbeholfen. Sie halten ihre Flügel im Sitzen meist zusammengefaltet, während Großlibellen sie immer ausbreiten.

Imposant, aber harmlos Unsere größten heimischen Arten, Königslibellen und Quelljungfern, erreichen eine Flügelspannweite von über zehn Zentimetern. Auf uns wir-

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ken sie damit schon sehr imposant, im Vergleich zu früheren Arten würden sie wie Zwerge erscheinen: Fossilfunde belegen, daß zur Karbonzeit Arten mit bis zu 70 Zentimetern Flügelspannweite existierten. Doch selbst diese »Ungeheuer« besaßen weder Giftstachel noch Stechrüssel, wie es der Volksmund fälschlicherweise verbreitet hat. Libellen sind zwar Räuber, aber keine wehrhaften Tiere und somit für den Menschen in keinster Weise gefährlich. Lediglich die Weibchen mancher Libellenarten besitzen eine Art Stachel, der jedoch ausschließlich zur Eiablage dient. Als geschlechtsreife Tiere kehren Libellen zurück an Gewässer. Dies können ganz unterschiedliche Lebensräume sein. Libellen begegnet man an Quellen, Bächen und großen Flüssen, an Tümpeln, Weihern und Seen, in ursprünglichen Mooren wie auch in neu geschaffenen Kiesgruben. Häufig besetzen die Männchen bestimmte Gewässerbereiche und verteidigen diese Reviere gegen Artgenossen. Bei ihren Patrouillenflügen sind die Männchen gut zu beobachten. Die Weibchen suchen die Gewässer meist nur zur Paarung auf, weil sie sonst ständig von paarungsbereiten Männchen bedrängt würden.

Vom Tandem zum Paarungsrad Jede Libellenart besitzt spezifisch ausgeformte Hinterleibsanhänge. Bevor es zur Paarung kommt, erkennt das Weibchen beim Männchen mit Tasthaaren deren Form und stellt sicher, daß es sich um ein artgleiches Exemplar handelt. Zur Begattung packt das Männchen das Weibchen mit den Beinen und umklammert es dann mit seinem zangenartigen Körperende an Kopf oder Vorderbrust. In dieser Tandemstellung fliegt das Paar oft mehr oder weniger lang umher. Indem das Weibchen anschließend seinen Hinterleib nach vorne zum Begattungsorgan des Männchens biegt und sich bei dieser Stellung dessen mehrgliedriger Hinterleib krümmt, entsteht das sogenannte Paarungsrad. In dieser Position pumpt das Männchen sein Samenpaket in die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Beim Vierfleck oder beim Plattbauch geschieht dies innerhalb weniger Sekunden, bei der Großen Pechlibelle kann die ganze Prozedur drei Stunden dauern. Die Weibchen der Klein- und Edellibellen bohren ihre Eier mit Hilfe ihres Legestachels in Wasserpflanzen oder abgestorbene Pflanzenteile. Die


Jäger im Licht Libellen – ein Lieblingsthema im Bund Naturschutz

Wertvolle Datensammlung Im Dezember 1998 wurde schließlich das gemeinsam vom LfU und vom BN herausgegebene Buch »Libellen in Bayern« der Öffentlichkeit vorgestellt. Basis dieses großartigen Gemeinschaftswerkes ist das ehrenamtliche Engagement von über 200 bayerischen Libellenkundlern, die meisten davon Mitglieder des BN. In ihrer Freizeit und unentgeltlich haben sie einen unschätzbar wertvollen Datenbestand über die Verbreitung der Libellen in unserem immerhin 70 000 Quadratkilometer großen Bundesland gesammelt.

Dank gilt ebenso den engagierten Mitarbeitern des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz und den beiden Autoren Klaus Kuhn und Klaus Burbach für die hervorragende Zusammenarbeit im Fachbeirat des Buchprojekts. Auch dem Ulmer Ver-

men wurde, aber sicher für Strukturreichtum und Nutzungsintensität: Der Zusammenhang zwischen Vielfalt und Größe naturnaher Vegetation an Stillgewässern und Teichen und dem Vorkommen von Libellen ist eindeutig. Je größer die Röhricht- und Verlandungszone, je größer die Schwimmblattvegetation, um so mehr Libellenarten leben im Gewässer. Und je niedriger der Besatz mit Nutzfischen, um so vielfältiger und zahlreicher ist die Libellenfauna des Teiches. Auch bei Gartenteichen sollte übrigens möglichst ganz auf Fische verzichtet werden, da Libellen wie Amphibien darauf sehr empfindlich reagieren. Weil für den Naturhaushalt strukturarme Teiche mit einer nackten Wasseroberfläche ebenso negativ sind wie ausgeräumte Agrarlandschaften, will der Bund Naturschutz eine Kampagne starten, die sich insbesondere an die Besitzer von Hobbyteichen richtet: Die Aktion

lag und dem Bayerischen Naturschutzfonds ist dafür zu danken, dass sie die Herausgabe des Buches in einer sehr ansprechenden Form ermöglichten. So führt das Werk das Spezialistenwissen endlich aus der Nische der Fachliteratur heraus. Geplant sind entsprechende Veröffentlichungen zu den Brutvögeln Bayerns, zu Fledermäusen und Heuschrecken.

Leitmotiv Die Grüne Keiljungfer, eine seltene Fließwasserlibelle, steht als Symbol für das Engagement des BN für die Libellen. Als Aufkleber und DINA3-Plakat bei der BN Service GmbH, Tel. 0 9123-9 99 57-0, Fax 9 99 57-99, erhältlich.

Mehr Natur am Teich Natürlich geht es dem BN nicht nur um die Erfassung, sondern vor allem um den Schutz der Libellen. Denn auch damit begründet sich sein Einsatz für die Renaturierung der bayerischen Talauen, den Erhalt der freifließenden Donau und für die Revitalisierung auch gerade der kleineren Gewässer dritter Ordnung im gemeindlichen Bereich. Der BN hat dem Umweltministerium dazu Anfang 1999 eine Liste von möglichen Modellprojekten vorgelegt. Zwei beispielhafte Bachrenaturierungen in jedem bayerischen Regierungsbezirk will das Ministerium jetzt im Zusammenhang mit der Agenda 21 fördern. Es geht dem BN aber auch um einen Libellenschutz, an dem möglichst viele Bürger mitwirken können – und zwar alle, die aus Hobbymotiven Teichbesitzer sind. Libellen sind hervorragende Indikatoren – vielleicht weniger für Gewässergüte, wie dies früher oft zu pauschal angenom-

Foto: Von Lossow

nter dem Motto »Jäger im Licht« stellt das Engagement für die Libellen seit 1983 einen Schwerpunkt des Artenschutzes im Bund Naturschutz (BN) dar. Damals hatte der Naturschutzverband im oberfränkischen Coburg die Organisation der Jahrestagung der deutschen Libellenkundler übernommen, die erstmals in Bayern stattfand. Mittlerweile haben die Fachtagungen aller bayerischen Libellenkundler Tradition, die seit fast 15 Jahren gemeinsam vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz (LfU) und vom BN ausgerichtet werden. Auch der bayerische Libellenatlas wurde 1987 bei einem vom BN unterstützten Treffen von Libellenkundlern in der Ökologischen Bildungsstätte Oberfranken in Mitwitz angeregt. Zehn Jahre später war der BN zusammen mit dem LfU erneut Ausrichter der Bundestagung der »Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen«, diesmal in Nürnberg. Mit weit über 200 Teilnehmern war es die größte Fachtagung, die weltweit je zu Libellen stattgefunden hat. Von den vielen Libellenkartierungen des BN seien zwei besonders erwähnt: Zwischen 1982 und 1992 kartierten BN-Mitglieder flächendeckend auf über 1000 Quadratkilometern die Libellenfauna des Landkreises Coburg und des Obermaintales. Zusammen mit der Libellengruppe der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg führt der BN seit 1989 umfangreiche Kartierungen von Fließwasserlibellen in Mittelfranken durch.

Grafik: M. Fanck

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»Der naturnahe Teich« will erreichen, dass wieder mehr Röhricht, mehr Seerosen, mehr Sukzession, mehr Mut zur spontanen Vegetationsentwicklung an Fischteichen möglich ist – und damit mehr Artenvielfalt. Libellen sollen dabei neben anderen Arten als Indikatoren für die Qualität der Teiche, aber auch als attraktive Arten für die Akzeptanz der Naturschutzziele eingesetzt werden. Libellen, die »Jäger im Licht«, sind eine ungemein faszinierende Artengruppe, die sinnbildlich dafür steht, dass neben allen wissenschaftlichen Motiven für den Artenschutz allein das pure Beobachten schon ein Genuss ist. Dr. Kai Frobel, BN-Referent für Arten- und Biotopschutz

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Libellenbeirat Der Fach- und Redaktionsbeirat bei der Vorstellung des Buchs »Libellen in Bayern«. V. l.: Brigitte Schäffler (LfU), Georg Schlapp (Bayer. Umweltministerium), Kai Frobel (BN), Klaus Burbach (Autor), ErnstGerhardt Burmeister (Zool. Staatssammlung Mü.), Michael Winterholler (LfU), Klaus Kuhn (Autor), Johannes Voith (LfU).


Wasserjungfern

Sonnenkünder

Hermann Löns Wasserjungfern

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Mag ihr Leib auch in Edelerz und Karfunkelstein gekleidet sein, mögen ihre Flügel auch schimmern, als wären sie aus Tautropfen und Sonnenschein gewebt, ist ihr Flug auch herrlicher als der der Schwalben und vornehmer als der der Falter, er denkt nicht daran, ihr mit bewundernden Augen nachzusehen...

Foto: Willner

enn aber ein Tier ganz und gar Poesie ist, als ein Wesen sich darstellt, scheinbar völlig unirdischer Art, wie aus Sonnenschein und Wellenfunkel entstanden, schnell wie ein Gedanke und flüchtiger denn ein Traum, dann versagt der Mensch; er weiß nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen...

Pferdestecher, Pfaarstecher

Hans Naumann Wasserjungfern oder Libellen

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a, wo das Wässerlein sich durch die Wiese schlängelt, von Schaumkraut umblüht, von Lichtnelken eingefasst, von Hahnenfuß begleitet, fährt ein silberner Blitz über die Blumen hin, verschwindet, fährt zurück, beschreibt einen Kreis, senkt sich und steigt empor, bleibt auf dem Fruchtstern der Dotterblume hängen, wirft silberne Strahlen um sich, verlöscht, blitzt wiederum auf, zieht einen goldenen Ring um den Weidenbusch und jagt jetzt dahin, wo ein gleiches Wesen sein Spiel im Sonnenlicht treibt.

Teufelsnadeln

»Ein Tier ganz und gar Poesie« gungen direkt auf Wasser- oder Schlammflächen ab oder stechen sie im Rüttelflug in den Schlamm. Je nach Art, Lebensraum, Jahreszeit und Temperaturverhältnissen schlüpfen die sogenannten Prolarven nach wenigen Tagen oder erst im nächsten Frühjahr. Sie häuten sich kurz darauf zu den eigentlichen, im Wasser lebenden Larven. Fast alle heimischen Libellenarten überwintern im Ei- oder Larvenstadium. Nur

Fotos: Zeininger

Weidenjungfer legt ihre Eier auf Gehölzen ab, ihrem Namen entsprechend vor allem auf den an Gewässern verbreiteten Weiden. Manche Kleinlibellen verweilen bei der Eiablage minutenlang unter der Wasseroberfläche. Quelljungfern, Falkenund Segellibellen setzen ihre Eier durch wippende Hinterleibsbewe-

Schlupf einer Großen Königslibelle

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die Winterlibellen überdauern die kalte Jahreszeit in Kältestarre als Imagine und können so ein verhältnismäßig hohes Alter von zehn Monaten erreichen. Sonst sterben die Imagines oft schon nach wenigen Tagen.

Libellenvielfalt in Bayern Wenn sie ihr Leben nicht vorzeitig im Netz von Spinnen beenden, von Wasserfröschen, Schwalben oder dem Baumfalken erbeutet werden oder schlechter Witterung zum Opfer fallen, können sie aber auch zwei bis drei Monate alt werden. Die Larven werden oft Beute von Wasservögeln, Fischen oder räuberischen Wasserinsekten wie Gelbrandkäfer, Wasserskorpion, Stabwanze und Rückenschwimmer. Häufig fressen größere Larven die kleinen. Auch die Eier sind vor Feinden nicht sicher. Winzige, kaum einen Millimeter große Schlupfwespen legen ihre Eier in die Libellengelege. Die Schlupfwespenlarven ernähren sich dann vom Inhalt der Libelleneier. In Bayern wurden seit Beginn systematischer Erhebungen 74 Libellenarten nachgewiesen, in der ganzen Bundesrepublik kommen 80 Arten

Broschen: Sammlung Werzinger / Fotos: Grabe

Silberne Sonnenvögel


Drachenfliegen

Schullerböcke

Libellen-Literatur Bayer. Landesamt für Umweltschutz, Bund Naturschutz in Bayern (Hrsg.): Libellen in Bayern. Stuttgart 1998 Heiko Bellmann: Libellen – beobachten, bestimmen. Augsburg 1993 Bund Naturschutz in Bayern (Hrsg.): Libellen unserer Bäche und Flüsse. Nürnberg 1992 Wilhelm Eisenreich, Alfred Handel, Ute E. Zimmer: BLVTier- und Pflanzenführer für unterwegs. München 1999 Gesellschaft deutschsprachiger Odanotologen: Tagungsband der 16. Jahrestagung. Nürnberg 1997 Wolfgang Hensel: Noch mehr Gartenspaß, München 1999

Hubert Weinzierl

S m a r ag d l i b e l l e n (Cordulia aenea)

Kiefernblüten stäuben den Tümpel gelb. Über den Torflöchern im Mittagszauber tanzen rote Feuerhexen mit salbeiblauen Plattbäuchen ihren Libellenreigen. Torfjungfern träumen den Trauergesang des Baumpiepers. Wollgrasflocken spiegeln mit Windgedanken und Thymianbläulingen im Birkenhimmel. Hüte dich, Cordulia, beim Mittagsreigen. Denn mitten im Leben wacht der Baumfalke.

Teufelsstecher

Libellen im Internet

Sommerboten Wächter

Himmelspferde

Informationen über Libellen findet man im Internet auf zahlreichen Homepages. Hier ein paar besonders interessante, meist mit weiterführenden Links: http://www.geo.de/magazin/bildessays/ libellen/index.html: Fotoreportage über Libellen, abgedruckt in GEO 6/98 http://www.heim8.tu-clausthal.de/~jani/ Libelle2/html: Beschreibung vieler Libellenarten mit Fotos http://www.kubiss.de/kultur/projekte/ pegnitz/cctier18.html: Verhalten, Lebensgrundlagen und Schutz der heimischen Libellenarten http://www.ups.edu./biology/museum/ UPSdragonflies.html: Libellen von Alaska bis Chile, umfangreiches Glossar

Schillebolde vor. Etwa die Hälfte der Arten besiedelt verschiedene Gewässertypen und ist daher auch relativ häufig. Dagegen benötigen andere Arten ganz bestimmte Lebensräume, wie beispielsweise saubere Quellen oder intakte Moorgebiete mit charakteristischen Pflanzenformationen. Solche spezialisierten Arten kommen teilweise nur an wenigen Stellen in Bayern vor und sind oft stark gefährdet. Zwei Arten, die Sibirische Azurjungfer und die Späte Adonislibelle, sind gar in Bayern bereits ausgestorben. Stark rückläufig sind Arten, die an nährstoffärmere Stillgewässer mit ausgeprägten Schwimmblatt- und Verlandungszonen gebunden sind, so zum Beispiel die Fledermaus-Azurjungfer, die Kleine Mosaikjungfer, die Keilflecklibelle und der Spitzenfleck. Kritisch ist auch das Überleben jener Arten geworden, die auf Niedermoore und Auen mit zeitweise austrocknenden Stillgewässern angewiesen sind. Hierzu gehören die Südliche, Glänzende und Kleine Binsenjungfer, die Gefleckte Smaragdlibelle, die Sumpf- und die Gefleckte Heidelibelle und die Südliche Mosaikjungfer. Die einstmals sehr ausge-

dehnten Auen- und Niedermoorgebiete sind bereits vor Jahrzehnten stark beeinträchtigt worden. Oft genügten geringfügige Grundwasserabsenkungen und wasserbauliche Eingriffe, um wertvolle Grünlandgebiete in diesen Überflutungsräumen zu entwerten oder zu vernichten. In jüngerer Zeit taten einerseits Düngung und Eutrophierung, andererseits Verbrachung und Verbuschung solcher Gebiete ein Übriges, dass immer mehr wertvolle Lebensräume mit temporären Gewässern verschwunden sind.

Artenausstattung im Fluß Die Bestandsaufnahmen der letzten Jahrzehnte haben aber auch gezeigt, dass sich manche Libellenarten wieder vermehren oder neu ausbreiten konnten. Zum Beispiel wurde die seit 1894 in Bayern verschollene Asiatische Keiljungfer 1998 wiederentdeckt. Die an Flüssen lebende Art hat sich in den letzten Jahren von Osten her wieder ausgebreitet. Möglicherweise machen sich hier wie auch bei anderen Fließgewässerarten die Bemühungen zur Gewässerreinhaltung bemerkbar. So kommt die Ge-

meine Keiljungfer, die zwischenzeitlich absolut nicht mehr »gemein« war, inzwischen wieder an recht vielen Gewässern vor. Andere haben von den zunehmenden Baggerseen profitiert, wie die Große Königslibelle oder die erst in den 70er Jahren nach Bayern eingewanderten Arten der Pokal-Azurjungfer und der Westlichen Keiljungfer. Neben den Veränderungen der Lebensraumausstattung scheinen auch Klimaänderungen einen Einfluss auf die Artvorkommen zu haben. Manche mediterran verbreiteten, wärmeliebenden Libellenarten, wie die leuchtendrote Feuerlibelle, sind in den letzten Jahren deutlich häufiger geworden. Die sonst viel weiter im Süden lebende Schabrackenlibelle wurde erstmals 1995 in Bayern gefunden, 1998 gelangen die ersten Fortpflanzungsnachweise. Demgegenüber sind Arten, die mehr nördlich und kontinental verbreitet sind, fast durchwegs zurückgegangen oder drohen auszusterben, wie im Fall der Mond-Azurjungfer und der Zierlichen und Östlichen Moosjungfer. (Fortsetzung auf Seite 56)

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Die Große Moosjungfer

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ie Große Moosjungfer gehört mit ihren gelben und roten Flecken auf schwarzem Körper zu den attraktivsten Libellenarten und könnte aufgrund dieser Färbung fast schon als »deutsche Flagge« bezeichnet werden. Sie ist in Bayern vom Aussterben bedroht und in der FaunaFlora-Habitat Richtlinie als Art aufgeführt, für die Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. In Bayern sind zwar 93 Fundorte dokumentiert, seit 1986 wurden aber nur noch 49 Vorkommen gefunden, die überwiegend sehr klein sind. Sie beschränken sich fast ausschließlich auf das voralpine Hügel- und Moorland, wo die Art eng an Nieder- und Zwischenmoore gebunden ist, sowie auf die Oberpfalz und Franken. Hier kommt sie vor allem an nicht mit Fischen besetzten, teilverlandeten Tei-

(Fortsetzung von Seite 55)

Verantwortung für Bayern

Heidelibelle im Abendlicht

Manche Naturräume Bayerns beherbergen besonders viele Libellenarten. Hervorzuheben sind Teile des Alpenvorlandes mit zahlreichen Seen und Mooren, das Mittelfränkische Becken und das Oberpfälzische Hügelland mit ihren großen Weihergebieten und zahlreichen naturnahen Fließgewässern, schließlich Donauried, Donaumoos und Dungau mit noch wertvollen Flußauen und Niedermoorresten. In diesen Gebieten lebt auch die Mehrzahl der seltenen und gefährde-

chen vor. Geeignete Entwicklungsgewässer sind kleine bis mittelgroße mesotrophe, halboffene und moorige Weiher, Tümpel und Torfstiche, die sich schnell erwärmen. Hier kann die Große Moosjungfer von Mitte Mai bis Ende Juli angetroffen werden, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sind: Notwendig sind eine Schwimmblattvegetation aus Schwimmendem Laichkraut, aber auch Teich- oder Seerosen und riedartiger Uferbewuchs. Dicht mit Schilf oder Schachtelhalmen bestandene Gewässer werden gemieden. Die natürlichen Entwicklungsgewässer wurden durch Entwässerung und Eutrophierung der Moore schon vor längerer Zeit vielfach zerstört. In den letzten Jahrzehnten hat aber auch die

ten Libellenarten. Eine besondere Verantwortung kommt Bayern für Arten zu, die hier ihren Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland oder gar Mitteleuropa haben. Das gilt beispielsweise für die kleinste unserer heimischen Libellen, die Zwerglibelle, sowie für Sibirische Winterlibelle, Alpen-Mosaikjungfer, Arktische und Alpen-Smaragdlibelle und die VogelAzurjungfer. Für letztere läuft derzeit das erste bayerische Artenhilfsprogramm zum Schutz einer Libellenart. Da die ursprünglichen Lebensräume, wahrscheinlich kleine, sich stark er-

Zahl der Ersatzlebensräume, etwa Handtorfstiche und extensiv genutzte Teiche stark abgenommen. In vielen Gewässern ist die Art wahrscheinlich aufgrund von Fischbesatz verschwunden. Da in den ursprünglichen Lebensräumen kaum Fische vorkamen, haben die Larven kein Feindvermeidungsverhalten entwickelt und werden so leicht erbeutet.

wärmende Bäche in Niedermooren, praktisch verschwunden sind, kommt die Art heute vor allem an grundwasserbeeinflussten, kleinen Grünlandgräben vor. Diese dürfen nur selten und nur abschnittsweise geräumt werden, wozu intensive Aufklärungsarbeit bei den Unterhaltspflichtigen nötig ist. Das Buchprojekt »Libellen in Bayern«, das auf der Mitarbeit von über 200 Libellenkundlern beruht, hat mit einer Fülle von biologischen, faunistischen und naturschutzrelevanten Daten, die hier nur in Grundzügen dargestellt werden konnten, die Grundlage für einen wirkungsvollen Libellenschutz geliefert. Notwendig ist nun, dieses Wissen in der Umweltplanung zu berücksichtigen und in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dann besteht die Chance, dass wir uns auch in Zukunft noch an der Vielgestaltigkeit und Faszination dieser attraktiven Insekten erfreuen können. Libellenatlas

Foto: Willner

Auf 333 Seiten, über 150 Farbfotos, Verbreitungskarten sowie Grafiken enthält das Buch »Libellen in Bayern« umfassendes Wissen über eine faszinierende Insektengruppe. Das von BN und Landesamt für Umweltschutz herausgegebene Werk ist der erste Band einer Reihe über die Fauna Bayerns. Erschienen im Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1998. 58,– DM

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Foto: Zeininger

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Libellen als Lebensaufgabe Der Odanotologe Joachim Werzinger Viele libellenbegeisterte Naturfreunde in Bayern haben mit ihren Beobachtungen eine wichtige Grundlage für den Verbreitungsatlas »Libellen in Bayern« geschaffen. Beispielhaft: Joachim Werzinger aus Mittelfranken. Ein Portrait von Gabriele Blachnik rfahrungsgemäß kommen Menschen – aus noch nicht näher erforschten Gründen sind es überwiegend Männer – auf drei Wegen zu den Libellen. Über das »Tümpeln«, das Herumplanschen, -fischen und -keschern in Pfützen, Weihern und Bächen, über das Fotografieren von Naturschönheiten oder über die Ornithologie, das Beobachten und Erkunden von Vögeln. Letzteres war der Zugang für den studierten Biologen Joachim Werzinger. »Von Haus aus bin ich ›Orni‹. Irgendwann hab’ ich dann bemerkt, dass auch Libellen fliegen und schön sind«, sagt der 55-jährige, der seit fast 20 Jahren Mitglied des Bundes Naturschutz ist. Ihm ist wichtig, daß er über die Beschäftigung mit den Libellen auch unmittelbar Naturschutz betreiben kann. Sein Credo: Nur wer die Tiere genau kennt, kann etwas für sie tun. So kümmert sich »Jojo«, wie ihn seine Freunde nennen, seit eineinhalb Jahrzehnten sehr intensiv um diese Insektenordnung. Er bedauert, es nicht schon länger getan zu haben. Denn man braucht lange, um wirklich Genaues von diesen Tieren und ihren Populationsentwicklungen zu erfahren. Allein deshalb, weil manche Arten fünf Jahre als Larve im Wasser verbringen, ehe sie nur einen Sommer lang für jedermann sichtbar durch die Lüfte schwirren.

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ibellen finden immer mehr Freunde. Die Anzahl von Libellenbeobachtern und Libellenkundlern, den Odonatologen, steigt seit Anfang der 80er Jahre erfreulich an. Im Vergleich zu anderen Tiergruppen weisen Libellen in Mitteleuropa eine relativ geringe Artenzahl auf. An einem Teich oder Tümpel fliegen im normalen Jahresverlauf selten mehr als 20 Arten. Und es gibt mittlerweile gute Bestimmungsbücher. So dauert die Einarbeitung in die Feldbestimmung nicht lange, und

Fotos: Werzinger

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Der Name Werzinger ist unter Odonatologen ein Begriff. Für den in Nürnberg tätigen Redakteur ist die Libellenkunde reines Hobby. Doch längst ist die Erforschung der Lebensweise von Libellen zu einer Lebensaufgabe geworden. Jede freie Minute verbringt er mit und für Libellen. Dabei begleitet und unterstützt ihn stets seine Frau Sabine. »Nur die Urlaube verbringen wir getrennt – sie auf der einen und ich auf der anderen Seite des Flusses«, meint er trocken. Dazu muss man wissen, daß Flussjungfern

Libellen beobachten rasch stellen sich Erfolgserlebnisse ein. Alle in Bayern vorkommenden LibellenImagines (d. h. die erwachsenen Tiere) sind bereits im Gelände ohne Nachbereitung, ohne hohen technischen Aufwand (eine Lupe reicht) und ohne, dass man das Insekt töten muß, zu bestimmen. Nach dem Kescherfang werden sie sofort wieder freigelassen. Eine Genehmigung zum Libellenfang erteilt übri-

neben den Moosjungfern die Spezialität der Werzingers sind. Zu ihren besonderen Verdiensten für die Libellenkunde in Bayern zählt ein selbst entwickeltes Programm zur Untersuchung der Gemeinen Keiljungfer, das vom Bezirk Mittelfranken und dem BN finanziell gefördert wird. Seit sechs Jahren sammeln die Werzingers zusammen mit ihren Freunden aus der Libellen-Arbeitsgruppe der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg entlang fünf Kilometer langen Probestrecken die leeren Larvenhüllen dieser Libellenart. Das bringt genauere Ergebnisse zur Bestandsentwicklung, als wenn man nur die fliegenden Imagines beobachtete. Wertvolle Erkenntnisse haben Werzingers auch über das Verhalten der Grünen Keiljungfer gewonnen. Um herauszufinden, in welchem Aktionsradius diese Libellen fliegen, haben sie die Tiere in bestimmten Probegebieten über mehrere Jahre markiert. Während einer Untersuchungsphase flog ein bestimmtes, männliches Individium tagelang und regelmäßig auf Sabine Werzingers Strohhut. »Da kommt man schon manchmal ins Grübeln, ob da nicht mehr dahinter steckt – auch wenn es sich nur um Insekten handelt«, sagt ihr Ehemann. gens die Höhere Naturschutzbehörde an der Bezirksregierung. Viele Arten, insbesondere Großlibellen, können auch auf Sicht und mit dem Fernglas bestimmt werden. Durch Exuvien (Larvenhaut) können Arten und ihre Bodenständigkeit sogar nachgewiesen werden, wenn die Imagines nicht zu sehen sind (z. B. bei schlechtem Wetter). Ansonsten sind die Odonatologen zwingend auf Schönwetter angewiesen – dann macht das Beobachten aber auch um so mehr Spaß! Dr. Kai Frobel

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Libellenliebhaber Joachim Werzinger in seinem Element


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Fotos: Frobel

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Im Reich der Libelle Dieser Teich bildet einen idealen Lebensraum für Libellen.

Fliegende Edelsteine in Gefahr Vom Libellenschutz zum Schutz der Gewässer Dank ihrer Größe und Gestalt, ihrer leuchtenden Farben, der auffallenden Lebensweise und der leichten Beobachtungsmöglichkeiten gehören Libellen zu den besonders attraktiven Tierarten. Dies macht sie zu idealen Sympathieträgern für Schutzbemühungen an Gewässern.

N Mehr Infos Wer es nicht bei der Theorie belassen will, kann auf verschiedenen Exkursionen der BN-Kreis- und Ortsgruppen die »fliegenden Edelsteine« vor Ort kennenlernen. Informationen beim BNArtenschutzreferat in Nürnberg, Tel. 09 11-818 78 18, Fax 86 95 68, E-Mail: lfg@bundnaturschutz.de.

ach der Bayerischen Roten Liste gefährdeter Tierarten sind lediglich 18 unserer heimischen Libellenarten in ihrem Bestand nicht gefährdet. Hingegen gelten 16 Arten als vom Aussterben bedroht, jeweils elf als stark gefährdet und als gefährdet. Die Gefährdungsursachen sind vielfältig. Die Nährstoffanreicherung durch übermäßige Düngung in der Landwirtschaft, Grundwasserabsenkungen, naturfremde Gewässerunterhaltung, intensive Teichnutzung oder die Zerstörung von Uferzonen durch Erholungsbetrieb sind nur einige Faktoren. Sie laufen alle an jenen Biotopen zusammen, welche Libellen existentiell benötigen: an Gewässern, ihren Fortpflanzungsund Larvenbiotopen. Da wiederum Still- und Fließgewässer in räumlich weiterreichende Feuchtgebiete eingebettet sind, sind Libellen auch gute Anzeiger für intakte und wertvolle Lebensraumkomplexe. Der Schutz von Libellen ist daher gleichzeitig umfassender Feuchtgebietsschutz. Oberste Priorität hat die Erhaltung bestehender Libellen-Lebens-

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räume. Viele lassen sich nicht neu schaffen, wie Quellen, Bäche, Flüsse, Moore oder nährstoffarme stehende Gewässer. Und gerade dort leben die seltenen und gefährdeten Arten. Häufig ist eine rechtliche Sicherung als Naturschutzgebiet oder Geschützter Landschaftsbestandteil sinnvoll. Dies wird für die in der Fauna-FloraHabitat Richtlinie aufgeführten Arten sogar ausdrücklich gefordert. Bereits beeinträchtigte Lebensräume sind darüber hinaus durch Pflege oder gestaltende Maßnahmen zu verbessern. Dabei sind stets die jeweiligen Standortbedingungen zu berücksichtigen. So macht es beispielsweise wenig Sinn, an einem eutrophen Feldtümpel durch das Einbringen standortfremder Pflanzen Moorlibellen ansiedeln zu wollen. Besonders wirksame und notwendige Schutzmaßnahmen sind die Renaturierung der Talräume mit Wiederherstellung flach überstauter, zeitweise austrocknender Gewässer im Überschwemmungsbereich der Fließgewässer. Der Großteil der heimischen Libellenarten lebt an Stillgewässern.

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Damit sich Libellen ansiedeln, müssen sie geeignetes Substrat für die Eiablage vorfinden und ausreichend Wasserinsekten und Planktonorganismen als Nahrung für ihre Larven. Jeder kann durch den Bau eines Gartenteiches oder die Anlage von Gewässern – zum Beispiel mit einer Bund Naturschutz-Gruppe – zum Schutz von Libellen beitragen. Je vielfältiger die angelegten Strukturen sind, um so mehr Arten können sich ansiedeln. Wichtig sind flache Uferzonen mit typischer Vegetation und der Verzicht auf Fischbesatz. Besonders gefragt sind auch die Fischereiberechtigten, die durch einen angepassten Fischbesatz vielen Libellenarten das Leben erleichtern können. Der Besatz mit Graskarpfen und anderen nicht einheimischen Arten sollte der Vergangenheit angehören. In größeren Teichgebieten sollten einige Teiche im Winter nicht abgelassen werden. Da einige Libellenarten nicht an Feinddruck durch Fische angepasst sind, sollten insbesondere Moor- und Kleingewässer nicht mit Fischen besetzt werden.


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