Notieren Archivieren 4
Notieren Sie mit einem Kreuz (×) die Buchstaben oder Zeichen auf der Codetabelle.
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»Nicht das Erinnern von Ereignissen wird von Tänzern verlangt, sondern das Ereignis der Erinnerung.« 6
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N. 64 1 kg Rotkohl 4 l Wasser Das Wasser wird blau, aber mit Luft und Licht wird es wieder violett.
»Offenbar«, fuhr der Zeitreisende fort »muss jeder Körper in vier Dimensionen Ausdehnung haben.«
KÜnstlErbÜCHEr aus dEM burg-buCH-labor
Raum Zeit Raum Wegen Regen Richten Raum Zeit Raum
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»I want this collection to be my monument.«
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While their machine guns were gazing at me, they kindly asked me to show them my mobile.
»Mäßige Brise – Wind hebt Staub und loses Papier, bewegt Zweige und dünnere Äste, Wellen noch klein, werden aber länger, vielfach weiße Schaumköpfe«
artist’s booKs froM tHE burg-buCH-labor
2018
Editorial
Archive und notAtionen waren die Themen der letzten beiden Semester und beide tangieren und bedingen einander. Seit Jahr tausenden wird aufgezeichnet, notiert, untersucht, später nummeriert, datiert und registriert. Einige der ältesten überlieferten Formen von Notationen aus Mesopotamien und Ägypten sind Listen, die bis heute neben dem Alltag auch in Kunst und Wissenschaft ihren festen Platz haben. Notate werden in Archiven, Bibliotheken und Museen gesammelt und sind somit lebendige Orte des Erinnerns und Forschens. Die Auswahl der hier vorgestellten acht Arbeiten zeigt einen kleinen Ausschnitt der künstlerischen Auseinandersetzung in experimenteller und besonderer Buchform. So werden Naturerschei nungen analysiert und archiviert. Zweidimensionale Buchseiten werden zu dreidimensionalen Gebilden, um der Zeitreise entsprechen den Raum zu geben. Buchstaben werden Klänge und mittels Tanz schritten notiert der Körper seine Bewegung. Wir erhalten persönliche Einblicke ins Fehlende dreier großer Sammlungen und können die Dichte der Botschaftsgebäude in Brüssel nachverfolgen. The themes of the last two semesters were Archives And notAtions respectively and these relate to and depend upon another. Things have been noted, recorded, examined, later numbered, dated and regis tered for thousands of years. Some of the oldest surviving forms of Mesopotamian and Egyptian notation are lists that still have their place in everyday life as well as in art and science today. Notations are collected in archives, libraries and museums and thus turn these into living places of remembering and researching. J p. 19
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Elena Bordacconi
Brassica oleracea
Aus Kiefer-, Abaca-, Hanf- und Baumwollfasern schöpft die Künstlerin Papiere, um sie mit Rotkohl, Schwarzem Holunder, Färberkrapp, Schminkwurz, Hibiskus, Zwiebel, Blutholzbaum usw. einzufärben. Entstanden ist ein beachtliches Archiv aus fast 30 Pflanzen, gesammelt in Deutschland und Italien, und unzähligen Farbproben. Das Heft Brassica oleracea ist Teil der laufenden Diplomarbeit und widmet sich dem Rotkohl als Naturfärbemittel. Neben einer Beschreibung der Pflanze finden sich hierin verschiedene Rezepturen und dazugehörige Proben handgeschöpfter und -gefärbter Papiere. ENG The artist makes paper from pine, abaca, hemp and cotton fibres which are then dyed using red cabbage, black elderberry, dyer’s madder, comfrey, hibiscus, onion, blue wood tree etc. The result is a considerable archive of almost 30 plants, collected in Germany and Italy, and countless colour samples. The booklet Brassica oleracea is part of the current diploma piece and is dedicated to red cabbage as a natural colourant. In addition to a description of the plant it includes various recipes and corresponding samples of handmade and dyed papers.
Heft in Kartonmappe, Digitaldruck, Pflanzenfarbe, handgeschöpftes Papier 4 Exemplare, 2018, 22 × 32 cm
Booklet in cardboard folder, Digital print, plant dyes, Handmade paper 4 copies, 2018, 22 × 32 cm
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Fiene Annabella Burgert
Ein Zeitraum
Von Zeile zu Zeile, von Seite zu Seite – wenn wir lesen, bewegen wir uns in Zeit und Raum. Die Buchseite gibt dabei den physischen Rahmen vor; sie zu blättern bedeutet eine Pause im Lesefluss. Die Künstlerin findet in diesem Buch einen überzeugenden Weg, die Mehrdimensionalität des Lesevorganges in diagrammartigen Grafiken abzubilden und somit die Verlinkung von Raum und Zeit deutlich zu machen. Gelesen wird ein Auszug aus Herbert George Wells Die Zeitmaschine von 1895. Jede Einzelseite widmet sich dabei der Untersuchung einer Textzeile; der Zeilenumbruch findet seine Entsprechung im Umblättern der Seite. Zitat Titelseite: H. G. Wells Die Zeitmaschine From line to line, from page to page – when we read, we move in time and space. The book page specifies the physical frame; turning the pages means a break in the flow of reading. In this book, the artist has developed a convincing way of mapping the multidimensionality of the reading process in diagram-like graphics, thus making the link of space and time clear. An excerpt from Herbert George Wells’ The Time Machine from 1895 is read. Each individual page is devoted to the examination of one line of text; the line break finds its equivalent in turning the page. Quote on title page: H. G. Wells The Time Machine ENG
Broschur, Faltumschlag, Digitaldruck, Cut-out 4 Exemplare, 2018, 17,2 × 28,2 cm / 58,3 × 55,6 cm (Umschlag geöffnet)
Perfect binding, folded cover, Digital print, cut-out 4 copies, 2018, 17,2 × 28,2 cm / 58,3 × 55,6 cm (cover unfolded)
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Paulina Brunner
Animi Limina
Wie lässt sich Bewegung, speziell Tanz, notieren? Wie erinnert der Körper? Und wie gehen wir mit der Unzulänglichkeit des Körpergedächtnisses um, dessen Kapazität und Lebensdauer begrenzt sind? Wer eine Tanzaufführung besucht, wird Zeuge dessen, wie sich Tänzer erinnern – und davon, wie dieses Erinnern untrennbar mit dem Raum verbunden ist. Nicht die Bühne, sondern die ausgefaltete Karte gibt in dieser Arbeit den Raum vor, innerhalb dessen sich die Tänzerin, in diesem Fall die Künstlerin selbst, bewegt. Das Papier dient als Leinwand für die Videoprojektion, in deren Verlauf sich ganz nebenbei das Palindrom Animi Limina vervollständigt. Zitat Titelseite: Stephan Brinkmann How does one note movement, especially dance? How does the body remember? And how does one deal with the shortcomings of the body’s memory, whose capacity and lifespan are limited? Anyone attending a dance performance will see how dancers remember – and how this memory is inseparably linked to the space around them. In this work, it is not the stage but the open map which defines the space in which the dancer, in this case the artist herself, moves. The paper serves as a canvas for the video projection, in the course of which the palindrome Animi Limina is completed. ENG
Quote on title page: Stephan Brinkmann
Faltkarte, Handoffset, Videoprojektion 30 Exemplare, 2018, 10 × 20 cm / 80 × 60 cm
Folded map, zincography, Video projection 30 copies, 2018, 10 × 20 cm / 80 × 60 cm
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Wei Lyu
Übersetzungsgerät
Das Übersetzungsgerät von Wei Lyu setzt sich aus einer Art Kodierer, einer Codetabelle und einem Vorspielprogramm, genauer einer mit HTML5 programmierten App, zusammen. Diese drei Komponenten können genutzt werden, um Sprache via Code in Klänge umzuwandeln. Der Kodierer wird dazu manuell auf ein Karree von 5 mal 6 Buchstaben eingegrenzt. Ausgehend davon wird mit Hilfe der Codetabelle ein beliebiges Wort Buchstabe für Buchstabe in das System übertragen und kann anschließend auf dem Touchscreen gespielt werden. Hierbei entstehen erstaunlich komplexe Melodien. Wei Lyu’s translation device consists of a kind of coder, a code table, and an audio programme, an app programmed with HTML5 . These three components can be used to convert speech into sounds with a code. The encoder is placed manually onto a rectangle framing 5 by 6 letters. Based on this, any word is transferred into the system letter by letter using the code table and can then be played on the touchscreen. This creates amazingly complex tunes. ENG
Mappe und iPad im Schuber, Digitaldruck, App-Programmierung 3 Exemplare, 2018, 19 × 24,4 cm
Portfolio and iPad in a slipcase, Digital print, app-programming 3 copies, 2018, 19 × 24,4 cm
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Marlene Milla Woschni
297 077 m²
297 077 m² – auf diese Fläche bemisst sich das Land, das die verschiedenen Landesvertretungen der ganzen Welt im Stadtgebiet Brüssel einnehmen. Während eines mehrmonatigen Aufenthaltes hat die Künstlerin ein Botschaftsgebäude nach dem anderen fotografiert, dokumentiert und kartografiert. Im Heft finden sich die Abbildungen der einzelnen Häuser in rasterartiger Anordnung; der angeheftete Faltumschlag zeigt deren geografische Positionierung. Bei der Betrachtung gegen Licht fügen sich die farbigen Flächen der Rückseite und die Beschrif tungen zu einer vollständigen Topografie.
297 077 m² – this is the size of the area of land occupied by the various representatives of the whole world in the city of Brussels. While in Brussels for several months, the artist photographed, documented and mapped one embassy building after another. The booklet contains the resulting illustrations of the individual houses in a grid-like arrangement; the attached folded cover shows their geographical positioning. When viewed against light, the coloured areas of the back and the captions add up to a complete topography. ENG
Heft mit Faltkarte, Siebdruck, Digitaldruck 40 Exemplare, 2018, 15 × 23,5 cm / 60 × 40 cm
Booklet with folded map, Silk screen, digital print 40 copies, 2018, 15 × 23,5 cm / 60 × 40 cm
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Hyewon Jang
Urtod
Das ungewöhnlich schmale Hochformat der Kassette findet visuell Anlehnung an August Stramms Urtod und scheint somit die perfekte Behausung für das Gedicht zu sein. Dessen Zeilenlänge überschreitet nie die eines Wortes, sodass es schlank in die Höhe zu wachsen scheint. Schlägt man das darin befindliche Buch jedoch auf, öffnet sich ein fächerartiger Buchraum, dessen Seiten punktuell miteinander verbunden sind und die im Querformat betrachtet werden wollen. Mit einem Mal wird der Blick auf die kleinen Räume freigegeben, von denen jeder einen einzelnen Wortbaustein des Gedichtes enthält. Es ist eine Einladung an den Betrachtenden der Leserichtung zu folgen, die die Buchstruktur nahelegt. Fragment Titelseite: August Stramm Urtod The unusually narrow portrait format of the box visually follows August Stramm’s Urtod and thus seems to be the perfect habitat for the poem. Its line length never exceeds that of a word, so it seems to grow slenderly in height. However, once the book inside is opened, a fan-like book space is revealed, the pages of which are interlinked and which want to be viewed in a landscape format. All of a sudden, the small spaces are revealed, each containing a single word component of the poem. It is an invitation to the viewer to follow the reading direction suggested by the book structure. Fragment on title page: August Stramm Urtod ENG
Fadenheftung, Buch in Kassette, Sewn binding, book in solander box, Heißprägung, Radierung Hot stamping, etching 18 Exemplare, 2018, 52 × 11 cm
18 copies, 2018, 52 × 11 cm
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Florentine Schaub
Zwischen Bewegungen
Ausgehend von der Beaufortskala, einer Klassifikation des Windes in 13 Windstärkenbereiche, untersucht die Künstlerin den Wind auf ganz subjektive Weise. Anders als Francis Beaufort (1774 – 1857), dessen Beobachtungen die Kategorisierung des Windes zum Ziel hatten, steht hier die Übertragung von persönlichem Naturerleben in visuelle Formen im Vordergrund. Die Windstärkezeichen und phänomenologischen Beschreibungen der Wirkung des Windes an Land und auf See bilden den Rahmen für dieses Buch und entfalten im Zusammenspiel mit den Aquarell- und Bleistiftzeichnungen ihr poetisches Potenzial. Zitat Titelseite: Beaufortskala Based on the Beaufort scale, a classification of the wind in 13 wind force ranges, the artist explores wind in a very subjective way. Unlike Francis Beaufort (1774 – 1857), whose observations were aimed at categorising the wind, here the focus is on the transfer of personal experience of nature into visual forms. The wind force signs and phenomenological descriptions of the effect of the wind on land and at sea form the framework for this book and unfold their poetic potential in an interaction with the watercolour and pencil drawings. Quote on title page: Beaufort scale ENG
Schmetterlingsbindung, Zeichnung und Aquarell im Digitaldruck 3 Exemplare, 2018, 24,8 × 34,2 cm
Butterfly binding, Drawing and watercolour in digital print 3 copies, 2018, 24,8 × 34,2 cm
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Friederike Dolinschek
Desiderata
In den 1890er –1920er Jahren füllen drei amerikanische Barone der Öl-, Kohle- und Eisenindustrie ihre heimischen Villen bis zum Bersten mit Kunst und Antiquitäten. Der kostspielige Rausch, der sie quer durch die europäischen Hauptstädte führt, endet immer dann, wenn sie besonders begehrte Stücke nicht bekommen können. Sie bleiben Desiderate der Sammlung. Die drei Bücher im Schuber protokollieren die Jagden von Henry C. Frick, William R. Hearst und Albert C. Barnes in Briefen und Dokumenten. Zitat Titelseite: Henry C. Frick ENG Between the 1890s and 1920s, three American barons of the oil, coal and iron industries filled their villas to the brim with art and antiques. This expensive rush, which took them across numerous capital cities of Europe, always ended whenever they were not able to obtain a particularly sought-after piece. These pieces become the desiderata of the collection. The three books in the slipcase record the quests of Henry C. Frick, William R. Hearst and Albert C. Barnes in letters and documents. Quote on title page: Henry C. Frick
Hardcover-Bände im Schuber, Schreibmaschine, Lasergravur und -schnitt, Digitaldruck 6 Exemplare, 2017, 9,4 × 14,6 cm / 7,7 × 9,7 × 5,3 cm
Hard cover bindings in a slipcase, Type writer, laser engraving and cut, Digital print 6 copies, 2017, 9,4 × 14,6 cm / 7,7 × 9,7 × 5,3 cm
The selection of the eight works presented here shows a small section of the artistic exploration in experimental and extraordinary book form. This is how natural phenomena are analysed and archived. Twodimensional book pages become threedimensional forms to give time travel its adequate space. Letters become sounds and the body notates its movement by means of dance steps. We receive personal insights into what is missing from three large collections and can track the density of embassy buildings in Brussels.
impressum — imprint rEdaKtion / Editing
HErausgabE / PublisHEd by
Sabine Golde, Patrizia Meinert
Patrizia Meinert
Sabine Golde Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle University of Art and Design Fachgebiet Buchkunst Campus Kunst (Kornhaus) Seebener Straße 1, 06114 Halle (Saale) Germany
ÜbErsEtzung / translation
KontaKt / ContaCt
Friederike von Hellermann
Prof. Sabine Golde Tel.: +49 (0)345 7751-646 E-Mail: golde@burg - halle.de www.burg - halle.de / buchkunst
tExtE / tExts
Sabine Golde, Patrizia Meinert gEstaltung / dEsign
druCK / Printing
Hochschuldruckerei der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Buchbinderei Marré, Petersberg
© Copyright 2018, Sabine Golde, Patrizia Meinert, Fachgebiet Buchkunst
PaPiEr / PaPEr
Printed in Germany
bindung / binding
Grenita, Maxisatin und Design Offset (Igepa Group) sCHriftEn / tyPEfaCEs
Akzidenz-Grotesk, Ivar (Letters from Sweden)
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